Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2011 - XII ZR 142/08
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt von den Beklagten rückständige Miete.
- 2
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsurteil enthält keine eigenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts und keine Bezugnahme auf den Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die Berufungsanträge der Parteien sind nicht wiedergegeben. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dhz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE063502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 3 -
- 3
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein im Berufungsverfahren erweitertes Klagebegehren fort.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels tatsächlicher Feststellungen und der Wiedergabe der Berufungsanträge in der Revision nicht überprüfbar ist.
- 5
- 1. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann in einem Berufungsurteil der Tatbestand durch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil der ersten Instanz, verbunden mit erforderlichen Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen, die sich aus dem Vortrag der Parteien und aus etwaiger Bezugnahme vor dem Berufungsgericht ergeben, ersetzt werden.
- 6
- Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (Senatsurteile vom 10. Januar 2007 - XII ZR 235/04 - GuT 2007, 156 und vom 8. Februar 2006 - XII ZR 57/03 - NJW 2006, 1523; BGHZ 158, 60 = NJW 2004, 1389, 1390 mwN). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen die revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Lässt ein Berufungsgericht die Revision zu, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder - im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO - aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (BGHZ 158, 60 = NJW 2004, 1389, 1390). Außerdem muss das Berufungsurteil erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, und die Anträge, die die Parteien im Berufungsverfahren gestellt haben, müssen zumindest sinngemäß wiedergeben werden (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 20 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, um abschließend beurteilen zu können, ob die Revision begründet ist (BGHZ 73, 248 = NJW 1979, 927 und BGH Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 152/04 - NJW 2007, 2334 Rn. 5).
- 7
- 2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht genügt. Das Urteil enthält weder einen Tatbestand noch eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO noch die Wiedergabe der Berufungsanträge. Auch aus den Entscheidungsgründen lassen sich die tatsächlichen Feststellungen , auf denen das Urteil beruht, nicht in dem erforderlichen Umfang entnehmen. Zwar wird dort an einigen Stellen tatsächliches Vorbringen der Parteien erwähnt. Ohne Kenntnis des weiteren Tatsachenstoffs genügen diese Angaben jedoch nicht, um eine revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils vornehmen zu können.
- 8
- 3. Dem Berufungsurteil fehlt daher die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. Daher ist es nach §§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (BGH Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/04 NJW-RR 716, 718 mwN). Hahne Weber-Monecke RiBGH Dose ist tagungsbedingt ververhindert zu unterschreiben. Hahne Schilling Günter
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 28.01.2008 - 93 C 2524/07-77 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 13.08.2008 - 5 S 8/08 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2011 - XII ZR 142/08
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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2011 - XII ZR 142/08 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin hat der Beklagten Geräte vermietet. Diese wurden von der Klägerin repariert, weshalb sie von der Beklagten Bezahlung der Rechnungen verlangt. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe:
- 2
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels tatsächlicher Feststellungen und der Wiedergabe der Berufungsanträge in der Revision nicht überprüfbar ist.
- 3
- 1. Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann in einem Berufungsurteil der Tatbestand ersetzt werden durch Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil der ersten Instanz, verbunden mit erforderlichen Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen, die sich aus dem Vortrag der Parteien und aus etwaiger Bezugnahme vor dem Berufungsgericht ergeben.
- 4
- Diese Mindestvoraussetzungen sind, auch wenn das neue Prozessrecht die Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung entlasten will, für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (BGHZ 158, 60, 61 m.N.). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen die revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Deshalb müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder - im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll - so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (BGHZ aaO, 62).
- 5
- 2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht genügt. Das Urteil enthält weder einen Tatbestand noch eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils noch die Wiedergabe der Berufungsanträge. Auch die Gründe des Urteils lassen die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erkennen.
- 6
- Das Berufungsurteil ist deshalb von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 06.02.2004 - 31 C 499/03 (XXIV) -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 29.10.2004 - 15 S 5/04 (2) -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte hat gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, das Berufungsurteil verkündet. Das Verhandlungsprotokoll gibt in Form eines Hinweises eine kurze Begründung. Das Berufungsurteil, mit dem das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen hat, enthält nur den Tenor.
- 2
- Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Gegen die im Verhandlungstermin nicht erschienene Beklagte ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.).
II.
- 4
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels tatsächlicher Feststellungen in der Revision nicht überprüfbar ist.
- 5
- 1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozessordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 15. Mai 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Damit sind an die Stelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen die durch § 540 Abs. 1 ZPO näher geregelten Gründe des Berufungsurteils getreten. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert das Urteil die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung , Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Diese Darlegungen können bei Verkündung des Urteils im Verhandlungstermin in das Protokoll aufgenommen werden (§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
- 6
- Diese Mindestvoraussetzungen sind, auch wenn das neue Recht die Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung entlasten will, für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (BGHZ 158, 60, 61 m.w.N.). Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen deren revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Deshalb müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist (BGHZ aaO, 62).
- 7
- 2. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht genügt. Weder das Urteil noch das Verhandlungsprotokoll enthalten eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO). Auch die knappe Begründung im Sitzungsprotokoll lässt die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erkennen.
- 8
- Deshalb ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (st.Rspr. BGHZ aaO, 63 m.w.N.). Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2002 - 32 O 747/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.02.2003 - 8 U 218/02 -
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.