Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 25. Sept. 2012 - 2 BvR 2819/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20120925.2bvr281911
bei uns veröffentlicht am25.09.2012

Gründe

1

Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist.

I.

2

Hinsichtlich der von dem Beschwerdeführer erhobenen Rüge einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt die Verfassungsbeschwerde bereits nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.

3

1. Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>).

4

2. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert zwar eine angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens (vgl. BVerfGE 63, 45 <69>; BVerfG , Beschluss vom 24. November 1983 - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967). Allerdings verletzt nicht jede Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, sondern nur eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung. Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die durch den Beschuldigten selbst oder die Verteidigung, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht wurden (vgl. BVerfGK 2, 239 <246 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2007 - 2 BvR 1305/07 -, juris Rn. 6).

5

3. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht mit den Ausführungen im Urteil des Landgerichts und im Beschluss des Oberlandesgerichts zu den festgestellten Verzögerungszeiträumen und den daran im Rahmen einer Gesamtwürdigung geknüpften Rechtsfolgen auseinander. Soweit der Beschwerdeführer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend macht, die sich nicht bereits aus den Gründen der angegriffenen Entscheidungen ergibt, versäumt er es, den Verfahrensablauf im Einzelnen darzulegen. Der Vortrag des Beschwerdeführers erschöpft sich in pauschalen Hinweisen auf die Verfahrensdauer, die seiner Ansicht nach eine Einstellung des Verfahrens gerechtfertigt hätte. Die Darstellung des Verfahrensgangs ist einseitig und lückenhaft. Insbesondere setzt sich der Beschwerdeführer nicht mit den zahlreichen aus den vorgelegten Aktenbestandteilen ersichtlichen Anträgen der Verteidigung und den dadurch bedingten Verzögerungen auseinander. Konkrete Verzögerungszeiträume werden nicht benannt. Besondere Belastungen durch die Dauer des Verfahrens legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht dar. Eine fundierte Gesamtwürdigung der Verfahrensdauer nimmt er nicht vor.

II.

6

Soweit der Beschwerdeführer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Zeitraum bis zum Eingang seiner Revisionsbegründung beim Oberlandesgericht rügt, die nicht bereits aus den Gründen des Berufungsurteils ersichtlich ist, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde darüber hinaus der in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

7

1. Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Er verlangt deshalb vom Beschwerdeführer, über das Erfordernis einer Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus alle ihm zumutbaren, nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um Rechtsschutz bereits durch die Fachgerichte zu erreichen (BVerfGE 107, 257 <267>; 110, 1 <12>). Der Beschwerdeführer muss von den fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 54, 53 <65>; BVerfGK 1, 222 <223>). Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, dass er diese im Revisionsverfahren in hinreichender Weise rügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2007 - 2 BvR 1305/07 -, juris Rn. 3).

8

2. Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Zeitraum bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist geltend machen will, muss grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben, soweit nicht bereits aus den Gründen des tatrichterlichen Urteils eine solche Verzögerung ersichtlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2007 - 2 BvR 1305/07 -, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 -, BGHSt 54, 135 <138 f.>). In der Revisionsbegründung hat er die Tatsachen darzulegen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 4 StR 139/05 -, NStZ-RR 2006, 50). Der Beschwerdeführer hat jedoch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine solche Verfahrensrüge erhoben.

III.

9

Im Hinblick auf die weiteren Rügen wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

10

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93a


(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 90


(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 92


In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 23


(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom
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(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

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(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

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(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

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In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Aug. 2009 - 3 StR 250/09

bei uns veröffentlicht am 27.08.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 250/09 vom 27. August 2009 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja _________________________ MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1 Die Aufhebung eines t

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2005 - 4 StR 139/05

bei uns veröffentlicht am 25.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 139/05 vom 25. Oktober 2005 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2005, an der teilgenommen haben: Richter am Bun

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(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
12
3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 139/05
vom
25. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. November 2004 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch dahin geändert wird, dass der Angeklagte des Betruges in 14 Fällen, davon in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, schuldig ist.
2. Der Angeklagte hat die (übrigen) Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 16 Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet, durch das Verfahren sei das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzt.

I.


Nach den Feststellungen schaltete der Angeklagte, der einen Gebrauchtwagenhandel betreibt, ab Anfang 1999 Kleinanzeigen, in denen er Kaufinteressenten für den Fall einer Finanzierung des Kaufpreises die Zahlung von bis zu 1.000 DM in bar anbot und eine Finanzierung ohne Anzahlung auch
bei "schlechtem Schufa-Eintrag" zusagte. In den 16 Fällen, die Gegenstand der Verurteilung sind, verschaffte der Angeklagte den jeweils als Käufer auftretenden Personen die im Fall 1 der Anklageschrift von der S. -Bank GmbH und in den übrigen Fällen von der V. Bank GmbH gewährten Darlehen auf folgende Weise:
Die Kreditunterlagen, insbesondere den Darlehensantrag und die beigefügte Selbstauskunft, ließ der Angeklagte von dem jeweiligen Käufer unterschreiben. In den Fällen, in denen die Kaufinteressenten einen negativen Schufa-Eintrag hatten, ließ der Angeklagte die Kreditunterlagen von "Strohleuten" unterschreiben, die keinen Schufa-Eintrag hatten. Der Angeklagte füllte die Formulare im Übrigen selbst aus und setzte in den Darlehensantrag und die beigefügte Selbstauskunft falsche Angaben ein, um der finanzierenden Bank vorzuspiegeln, dass der Antragsteller über ein ausreichendes und sicheres monatliches Einkommen verfüge und kreditwürdig sei. Hierzu stellte er in den Fällen 3, 4, 7 und 19 der Anklageschrift falsche Einkommensbescheinigungen her, die den Kreditunterlagen beigefügt wurden. Um eine Überprüfung der Kreditunterlagen durch die Banken zu verhindern, reichte der Angeklagte die Kreditunterlagen nicht selbst bei den Banken ein, sondern ließ diese Unterlagen durch als Vermittler auftretende Vertragshändler, deren Geschäftsführer ihm persönlich verbunden waren, an die Banken weiterleiten. Hierbei ging er davon aus, dass die Banken diesen auf Grund der langjährigen Geschäftsbeziehungen "blind vertrauten und die Angaben in den Kreditverträgen und in den Gehaltsbescheinigungen nicht überprüften, sondern lediglich eine SchufaAuskunft über den jeweiligen Kreditantragsteller einholten". Die Banken kündigten die notleidend gewordenen Darlehensverträge und, nachdem sie Kenntnis von der
Vorgehensweise des Angeklagten erlangt hatten, auch die übrigen Darlehen. Die Verwertung der finanzierten Fahrzeuge reichte in keinem der Fälle zur Tilgung der Darlehensschuld aus.

II.


Das Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.
1. Der Senat hat in der Hauptverhandlung auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren durch Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte in den Fällen 9 und 10 der Anklageschrift wegen vollendeten Betruges verurteilt worden ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der wegen dieser Straftaten verhängten Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten.
2. Die Revision erweist sich im Übrigen als unbegründet; insbesondere hält auch der Strafausspruch entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat die Einzelstrafen ohne Rechtsfehler dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB entnommen, denn nach den Feststellungen handelte der Angeklagte in allen Fällen gewerbsmäßig. Es hat, soweit der Angeklagte in den Fällen 3, 4, 7 und 19 der Anklageschrift tateinheitlich den Straftatbestand der Urkundenfälschung verwirklicht hat, jeweils eine Freiheitsstrafe von neun Monaten und in den übrigen Fällen des Betruges jeweils die Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Dabei hat es strafmildernd
insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte "wegen der langen Dauer des Verfahrens einer erheblichen Belastung ausgesetzt war". Soweit die Revision meint, das Landgericht habe dazu nähere Feststellungen treffen müssen, weil die Verfahrensgeschichte "ernsthaften Anlass auch zu der Frage" gebe, "ob die Art und Weise der Führung und Förderung des Verfahrens" einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründen könne, gilt Folgendes:
aa) Ein Revisionsführer, der das Vorliegen eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Nur wenn sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufdrängt, kann es einen auf die Sachrüge zu berücksichtigenden Erörterungsmangel darstellen, wenn sich das Urteil zu den näheren Umständen der Verfahrensverzögerung nicht verhält (vgl. BGHSt 49, 342 m.w.N.). Drängt sich - wie hier - nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht auf, hat der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 2004, 504). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. So heißt es dort etwa, ausweislich der Akten hätten die Ermittlungen zwischen dem 21. Mai 2002 und dem 6. August 2002 geruht. Hierzu wäre vorzutragen gewesen, dass die inzwischen angelegten Fallakten mit Verfügung vom 2. April 2002 der zuständigen Kreispolizeibehörde zur Durchführung weiterer Ermittlungen übersandt worden waren und dass diese mit Schreiben vom 15. April 2002 über den Sachstand berichtete und um Fristverlängerung bat. Ferner wäre vorzutragen gewesen, dass in der Folgezeit bis zum 2. Juli 2002 ausweislich der Fallakten zahlreiche polizeiliche Vernehmungen durchgeführt
wurden (vgl. nur die Zusammenstellung vom 16. Juli 2002 SA II 363 ff.). Insbesondere hätte sich die Revision auch dazu verhalten müssen, dass der Angeklagte mehrfach seinen Verteidiger wechselte und diesen jeweils Akteneinsicht gewährt wurde.
bb) Die Rüge ist im Übrigen auch nicht begründet.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat auch ein nicht inhaftierter Angeklagter das Recht auf eine Behandlung seiner Sache innerhalb angemessener Frist; diese beginnt, wenn der Beschuldigte von den Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt wird und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs , Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Beschuldigten sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens verbundenen Belastungen für den Beschuldigten zu berücksichtigen (vgl. BVerfG NJW 2003, 2225; BGH wistra 2004, 298 m.w.N.). Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt daher nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (vgl. BGH NStZ 2003, 384 m.w.N.). So liegt es hier.
Das der Verurteilung im vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft am 6. März 2001 eingeleitet (SA I Bl. 1, 2), nachdem die V. Bank GmbH umfangreiche Unterlagen zu 16 Darlehensverträgen, die von den Darlehensnehmern zur Finanzie-
rung des Kaufs eines Kraftfahrzeugs bei dem Angeklagten abgeschlossen worden waren, übersandt hatte. In einem weiteren Verfahren gegen den Angeklagten war bereits mit Anklageschrift vom 6. Dezember 2000 wegen im November und Dezember 1999 begangener, den hier abgeurteilten Taten vergleichbarer Betrugstaten zum Nachteil der S. -Bank GmbH Anklage zum Amtsgericht Unna erhoben worden. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 26. April 2001 wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde nach Rücknahme der Berufung des Angeklagten, der einen Freispruch erstrebt hatte, und der Berufung der Staatsanwaltschaft am 26. September 2001 rechtskräftig.
Von den Ermittlungen wegen der im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten wurde der Angeklagte durch die am 15. Mai 2001 verfügte Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung am 22. Mai 2001 in Kenntnis gesetzt. Am 17. Mai 2001 teilte er der Polizei telefonisch mit, sich nur über einen Rechtsanwalt äußern zu wollen. Seinem damaligen Verteidiger wurde im Juni 2001 Akteneinsicht und auf seinen Antrag (stillschweigend) Fristverlängerung für eine Stellungnahme bis zum 10. August 2001 gewährt, wozu sich die Revision im Übrigen ebenfalls nicht verhält. Im April 2002 teilte der damalige Verteidiger des Angeklagten mit, dass der Angeklagte nicht zu der für den 11. April 2002 vorgesehenen polizeilichen Vernehmung kommen werde, sondern sich über seinen Verteidiger äußern werde, und beantragte erneut Akteneinsicht. Im Mai 2003 bestellte sich ein neuer Verteidiger für den Angeklagten und nahm Einsicht in die Akten. Die am 12. Juli 2004 erhobene Anklage wurde dem Angeklagten am 4. August 2004 zugestellt. Sein Verteidiger legte das Mandat mit Schriftsatz von demselben Tage nieder (SA II Bl. 643). Der dem Angeklagten
für die erstinstanzliche Hauptverhandlung beigeordnete Pflichtverteidiger bat mit Schriftsatz vom 17. August 2004 um Übersendung der Akten zur Einsichtnahme und die Gewährung einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten (SA III Bl. 645).
In dem vorgenannten Zeitraum wurden umfangreiche Ermittlungen durchgeführt, die sich zunächst auch gegen die Darlehensnehmer, die eigentlichen Nutzer der Kraftfahrzeuge sowie gegen die Geschäftsführer der Vertragshändler richteten, die für den Angeklagten die Darlehensanträge an die finanzierenden Banken weitergeleitet hatten. So wurde die V. Bank GmbH im Oktober 2001 um Übersendung weiterer Unterlagen zu den Darlehensverträgen gebeten (SA I Bl. 182), die von dieser erst Anfang Januar 2002 übersandt werden konnten (vgl. SA I Bl. 186, II Bl. 188 ff.) und auf Anforderung der Staatsanwaltschaft um weitere Unterlagen ergänzt wurden (SA II 335, 336). Die nachfolgenden von der Polizei aus den insgesamt 27 Fallakten geführten Ermittlungen waren insbesondere deshalb besonders aufwändig, weil in den zahlreichen Fällen, in denen die Darlehensnehmer lediglich als Strohmänner aufgetreten waren, der Aufenthaltsort der eigentlichen Fahrzeugnutzer nicht bekannt war und diese zum Teil ihre Identität verschleiert hatten (vgl. Vermerke vom 15. April 2002, SA II Bl. 355 ff. und vom 22. Juli 2002 II Bl. 367 f.). Zeugen , die zur polizeilichen Vernehmung nicht erschienen waren, wurden von der Staatsanwaltschaft zur Vernehmung geladen (Verfügung vom 12. Dezember 2002, SA II Bl. 426 f.). Gegen Zeugen, die dieser Ladung nicht Folge leisteten, wurde im Januar 2003 Vorführungsbefehl erlassen (SA II Bl. 426, 450). Auch die weitere Sachbehandlung lässt eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht erkennen. So wurde den Verteidigern der Geschäftsführer der an dem Abschluss der Darlehensverträge beteiligten Vertragshändler Aktenein-
sicht gewährt (SA III Bl. 498, 507). Sie gaben im Februar/März 2003 für ihre Mandanten ausführliche Stellungnahmen zu den Umständen der Weiterleitung der Darlehensanträge ab (SA III Bl. 499 ff., 518 ff.). Ferner wurden Ablichtungen aus den beigezogenen Zivilakten des von der V. Bank GmbH gegen einen der Vertragshändler geführten Rechtsstreits zu den Akten genommen (SA II Bl. 539) und dieV. Bank GmbH um weitere Informationen zur Abwicklung der Verträge gebeten, die diese mit Schreiben vom 10. Juni 2004 übermittelte (SA III Bl. 563 ff.).
Allerdings wurde die Sache nach dem Eintreffen der mehrfach angeforderten Akten des Zivilrechtsstreits der V. Bank GmbH gegen einen der Vertragshändler am 10. September 2003 - ersichtlich wegen eines Wechsels des zuständigen Dezernenten - erst durch die Beiziehung weiterer Akten und der Aufforderung zur ergänzenden Stellungnahme an die anwaltlichen Vertreter der V. Bank GmbH mit Verfügung vom 16. April 2004 wieder gefördert (SA III Bl. 544 ff.). Dieser Zeitraum ist aber auch unter Berücksichtigung der nach Anklageerhebung durch die Zustellung der Anklage an eine zunächst unzutreffende Anschrift des Angeklagten eingetretenen geringfügigen Verzögerung nicht geeignet, im Hinblick auf die Gesamtdauer des Verfahrens die Annahme einer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK relevanten Verfahrensverzögerung zu begründen (vgl. dazu BGH NStZ 2003, 384 m.N.). Die Gesamtwürdigung aller dargelegten Gesichtspunkte ergibt vielmehr, dass die angemessene Verfahrensdauer angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens insgesamt nicht überschritten ist.
Die dem Angeklagten, der sich erst in der Hauptverhandlung - soweit es die abgeurteilten Taten betrifft geständig - eingelassen hat, in diesem Verfah-
ren zur Last gelegten Taten, sind von beträchtlichem Gewicht, wobei auch die hiermit in Zusammenhang stehenden bereits rechtskräftig abgeurteilten Betrugstaten nicht außer Betracht bleiben können. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage waren dem Angeklagten 24 Taten zur Last gelegt worden. Hinsichtlich acht Taten wurde das Verfahren in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Demgegenüber wiegen die mit dem Verfahren verbundenen Belastungen für den Angeklagten , nicht so schwer. Insbesondere befand sich der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Untersuchungshaft und konnte nach den Feststellungen zusammen mit seiner Ehefrau weiterhin seinen Gebrauchtwagenhandel betreiben (UA 4).

b) Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung war das Landgericht nicht gehalten, einen Härteausgleich dafür zu gewähren, dass die vom Amtsgericht Unna gegen den Angeklagten durch Urteil vom 26. April 2001 verhängten Einzelfreiheitsstrafen nicht gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in die nunmehr verhängte Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden konnten, weil diese Strafen bereits erlassen waren. Ein solcher Härteausgleich ist nur dann erforderlich, wenn die Einbeziehung einer früher verhängten Strafe an deren zwischenzeitlicher Vollstreckung scheitert, jedoch nicht, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 291).

c) Die aus den vorgenannten Gründen rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz des Wegfalls der in den Fällen 9 und 10 der Anklageschrift verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten bestehen bleiben, denn angesichts der verbleibenden Einzelstrafen (viermal neun
Monate und zehnmal sechs Monate) und des bei der Gesamtstrafenbildung vorgenommenen überaus straffen Zusammenzuges schließt der Senat aus, dass das
Landgericht ohne die in den eingestellten Fällen verhängten beiden Einzelstrafen zu einer noch niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre (vgl. i.Ü. § 354 Abs. 1 b StPO).
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.