Bundesverwaltungsgericht Urteil, 28. Okt. 2010 - 2 C 10/09

bei uns veröffentlicht am28.10.2010

Tatbestand

1

Der Kläger steht als Beamter im Dienst des beklagten Landes. Im November 2001 ging er eine Eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Seinen im November 2003 gestellten Antrag, ihm ab dem 2. Dezember 2003 Familienzuschlag der Stufe 1 wie verheirateten Beamten zu gewähren, lehnte der Beklagte ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies er mit der Begründung zurück, angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG könne die Eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mit einer Ehe gleichgestellt werden. Gemeinschaftsrecht stehe dem nicht entgegen.

2

Die hiergegen erhobene Klage hatte in beiden Rechtszügen Erfolg. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch ab 2. Dezember 2003 zu. Dies folge aus der bis zu diesem Tag in das bundesdeutsche Recht umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG. Deren Anwendungsbereich sei eröffnet, weil der Familienzuschlag für Beamte Arbeitsentgelt sei. Ehegatten und Lebenspartner befänden sich hinsichtlich des Familienzuschlags der Stufe 1 in einer vergleichbaren Situation. Diese Leistung knüpfe an eine gegenseitige Unterhaltspflicht an, die durch Ehe und Eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen begründet werde. Daher stelle die Benachteiligung der Beamten, die in einer Lebenspartnerschaft lebten, eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG dar.

3

Dem tritt der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision entgegen. Nachdem der Schleswig-holsteinische Gesetzgeber mit Wirkung zum 25. Juni 2010 verheiratete und verpartnerte Beamte hinsichtlich des Familienzuschlags der Stufe 1 gleichgestellt hat, haben die Beteiligten die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt.

4

Im Übrigen beantragt der Beklagte,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2008 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. August 2004 aufzuheben, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, dem Kläger den Familienzuschlag Stufe 1 für den Zeitraum vom 2. Dezember 2003 bis zum 25. Juni 2010 zu gewähren.

5

Der Kläger hält seine Besetzungsrügen aufrecht und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Er verteidigt die angefochtenen Urteile.

Entscheidungsgründe

7

Der Senat ist zur Entscheidung der Sache befugt. Die gegen dessen rechtmäßige Besetzung vom Kläger erhobenen Bedenken teilt er aus den in den Senatsbeschlüssen vom 18. Mai 2010, 13. Juli 2010 und 5. Oktober 2010 bereits dargelegten Gründen nicht.

8

1. Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen einzustellen, soweit es um die Gewährung des Familienzuschlags ab dem 25. Juni 2010 geht. Die Kosten waren insoweit gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen, weil die Revision auch ohne die landesgesetzliche Gleichstellung zurückzuweisen gewesen wäre.

9

2. Für den Zeitraum vom 2. Dezember 2003 bis zum 30. Juni 2009 ist die zulässige Revision begründet; im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

10

Dem Kläger steht der Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG erst ab dem 1. Juli 2009 zu, um den Anwendungsvorrang des Unionsrechts, hier der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festelegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) - Richtlinie 2000/78/EG -, sicherzustellen.

11

Für den davor liegenden Zeitraum stellt die unterschiedliche Behandlung von verheirateten Beamten und Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 keine unmittelbare Diskriminierung der Lebenspartner dar.

12

Nach ihrem Art. 1 bezweckt die Richtlinie 2000/78/EG, bestimmte Arten der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, zu denen auch die Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gehört, im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten zu bekämpfen. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person. Eine unmittelbare Diskriminierung setzt eine vergleichbare Situation voraus. Unterschiedliche, weil nicht vergleichbare Situationen werden vom Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 1 der Richtlinie nicht erfasst.

13

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - ist es Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten, die Vergleichbarkeit zu beurteilen. Dabei haben sie den konkreten rechtlichen Kontext, aus dem sich die Ungleichbehandlung ergibt, als Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - Rs. C-267/06 - NJW 2008, 1649 <1653> - Maruko -).

14

Danach kommt es hier auf die normative Vergleichbarkeit der Situationen verheirateter und in Lebenspartnerschaft lebender Beamter in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 an. Während den verheirateten Beamten diese Leistung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG schon wegen des Familienstandes der Ehe ohne weitere Voraussetzungen zusteht, können die Beamten, die eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, den Zuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG nur beanspruchen, wenn sie dem Lebenspartner Unterhalt gewähren und dessen Einkommen eine bestimmte Höhe nicht überschreitet. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Bereich von einer Gleichstellung bewusst abgesehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 - NJW 2008, 2325 <2326>; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 Rn. 10 f.).

15

Die ausdrücklich an die Ehe anknüpfende Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG besitzt in erster Linie eine soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion. Sie trägt dem in der Lebenswirklichkeit typischerweise anzutreffenden Befund Rechnung, dass ein Ehegatten zugunsten der Betreuung und Erziehung gemeinsamer Kinder Einschränkungen bei der eigenen Erwerbstätigkeit hinnimmt und so ein erweiterter Alimentationsbedarf entsteht (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <62>; Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 a.a.O. S. 2327; BVerwG, Urteil vom 29. September 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 125, 227 <229>). Durch den Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG will der Gesetzgeber Ehen auch im Hinblick auf daraus hervorgehende Kinder fördern. Der Regelung liegt eine familienpolitische, auf den Familienstand der Ehe zugeschnittene Zielsetzung zugrunde. Dies unterscheidet die Leistung von anderen Besoldungsleistungen wie dem Auslandszuschlag, aber auch von Beihilfeleistungen, Leistungen der Hinterbliebenenversorgung und Aufwandsentschädigungen (vgl. Urteile vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 C 47.09, BVerwG 2 C 52.09, BVerwG 2 C 56.09 - und Beschluss vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 C 53.09 - jeweils zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen).

16

Im Hinblick auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG ist diese Zielsetzung als tragfähig angesehen worden, um die Besserstellung verheirateter Beamter zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 a.a.O.). Die zugrunde liegende typisierende Betrachtungsweise, wonach in der Mehrzahl der ehelichen Haushalte Kinder aufwachsen, ist angesichts des anerkannt weiten Spielraums des Gesetzgebers im Besoldungsrecht nicht beanstandet worden (vgl. Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 Rn. 21).

17

Davon ausgehend fehlt es in Bezug auf den Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG an der Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse. Eingetragene Lebenspartnerschaften unterscheiden sich tatsächlich von Ehen, was Betreuung und Erziehung von Kindern und darauf zurückzuführende Lücken in der Erwerbsbiographie angeht. Eine derartige Situation tritt bei Lebenspartnern nicht in einer Zahl auf, die eine gesetzliche Typisierung rechtfertigen könnte. Die unterschiedliche Situation ist auch normativ nicht vergleichbar, weil der Gesetzgeber bis zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - BVerfGE 124, 199) an die typischerweise unterschiedlichen Lebensverhältnisse familienpolitische Leistungen der Förderung der Ehe anknüpfen durfte.

18

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1, 2/01 - (BVerfGE 105, 313) zur Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 (BGBl I S. 3513) ausgeführt, dem Gesetzgeber sei es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Aus der Zulässigkeit, in Erfüllung und Ausgestaltung des Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lasse sich jedoch kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen (S. 348). Der Senat hat dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die bindende Aussage entnommen, der Gesetzgeber sei zwar berechtigt, nicht aber verfassungsrechtlich verpflichtet, den Familienstand der Eingetragenen Lebenspartnerschaft der Ehe gleichzustellen. Vielmehr könne er die Ehe wegen der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG aus sachlichen Gründen privilegieren (Urteile vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 Rn. 14). Diese Beurteilung ist in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geteilt worden (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - BVerwG 6 C 27.06 - BVerwGE 129, 133 Rn. 26; BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 4 RA 14/05 R- FamRZ 2006, 620; BGH, Urteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04 - NJW-RR 2007, 1441). Sie ist von der für Beamtenrecht zuständigen Kammer des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden (Kammerbeschlüsse vom 20. September 2007 - 2 BvR 855/06 - DVBl 2007, 1431 und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 - NJW 2008/2325).

19

Der Umstand, dass in Ehen typischerweise ein Ehepartner aus Gründen der Kinderbetreuung und -erziehung Erwerbseinbußen in Kauf nimmt, kann erst seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009, a.a.O., nicht mehr herangezogen werden, um die normative Vergleichbarkeit der Situation von Ehegatten und Lebenspartnern in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG zu verneinen. Das Bundesverfassungsgericht hat die bis dahin vertretene Differenzierung aufgrund der dargestellten typisierenden Betrachtungsweise verworfen, weil es nicht in jeder Ehe Kinder gebe, nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet sei und eine Rollenverteilung, bei der ein Ehegatte deutlich weniger berufsorientiert sei, nicht unterstellt werden dürfe. Es entspreche vielmehr dem Recht der Ehegatten aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG, über die Art und Weise ihres ehelichen Zusammenlebens in gleichberechtigter Weise selbst zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009, a.a.O. S. 229 f.). An diese Aussage ist der Senat gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden. Sie entzieht der bislang anerkannten Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von verheirateten und in Eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten bei der Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 die Grundlage. Dies gilt aus demselben Grund auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Die unterschiedliche Behandlung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft in § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG kann seit dem Beschluss vom 7. Juli 2009, a.a.O., nicht mehr als sachlich gerechtfertigt angesehen werden. Da es nunmehr an einer tragfähigen Rechtfertigung fehlt, befinden sich die Angehörigen beider Gruppen auch in Bezug auf diese Leistung in einer vergleichbaren Situation im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie.

20

Ist die normative Vergleichbarkeit erst durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009, a.a.O., hergestellt worden, so gebietet Unionsrecht eine Gewährung des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG erst ab diesem Zeitpunkt (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Juni 2010 - 1 BvR 170/06 - DVBl 2010, 1098). Erst ab diesem Zeitpunkt unterfällt auch diese Leistung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG.

21

Zwar lässt sie nach ihrem 22. Erwägungsgrund einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt; nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) werden die in Ausübung der nationalen Zuständigkeit ergangenen nationalen Vorschriften dadurch jedoch dann nicht dem Geltungsanspruch der Richtlinie 2000/78/EG entzogen, wenn die Leistungen Entgeltcharakter haben (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - Rs. C-267/06, Maruko - NJW 2008, 1649 <1652>; anders noch: BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 <83> und vom 15. November 2007 - BVerwG 2 C 33.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 41 = NJW 2008, 868<869>). Dies ist hier der Fall, weil der Familienzuschlag gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG Bestandteil der Besoldung und somit Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c Richtlinie 2000/78/EG ist.

22

Befinden sich Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nunmehr in einer vergleichbaren Situation wie verheiratete Beamte, so werden sie schlechter gestellt, weil ihnen der Zuschlag nicht bereits aufgrund des Familienstandes gewährt wird. Die unionsrechtlich gebotene Gleichstellung verlangt, dass § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG auch auf die in Eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten Anwendung findet.

23

Die Benachteiligung geschieht wegen der sexuellen Ausrichtung, weil die Lebenspartnerschaft von Personen gleichen Geschlechts eingegangen wird, während die Ehe Personen unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten bleibt. Die Wahl des Familienstandes entspricht in der Regel der sexuellen Ausrichtung der Partner (vgl. auch Urteile vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 C 47.09, BVerwG 2 C 52.09, BVerwG 2 C 56.09 - jeweils zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen).

24

Der Kläger kann sich auf die Richtlinie 2000/78/EG auch unmittelbar berufen.

25

Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Der Mitgliedsstaat hat bei der Umsetzung von Richtlinien in rechtstechnischer Hinsicht daher zwar eine gewisse Wahlfreiheit, er muss jedoch sicherstellen, dass die vollständige und wirkungsvolle Anwendung der Richtlinie in hinreichend klarer und bestimmter Weise gewährleistet ist. Soweit die Richtlinie Ansprüche des Einzelnen begründen soll, muss insbesondere erreicht werden, dass die Begünstigten in der Lage sind, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - Rs. C-418/04 - Slg. 2007, I-10947 Rn. 157 f.). Rechtsvorschriften, die der Richtlinie entgegenstehen, müssen daher aufgehoben oder geändert werden. Andernfalls muss auf andere geeignete Weise und für die Begünstigten erkennbar erreicht werden, dass die sich aus der Richtlinie ergebende Rechtslage Bestandteil der Rechtsordnung des Mitgliedsstaats wird.

26

Weder mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897) noch mit späteren Änderungen hat der nationale Gesetzgeber die Gleichstellung von verheirateten und verpartnerten Beamten beim Familienzuschlag der Stufe 1 vorgenommen. Insbesondere aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz folgt kein selbständiger Leistungsanspruch dieser Art. Die in ihm vorgesehene Gewährung von Sekundäransprüchen - in Gestalt von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen - hat nicht zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG geführt.

27

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regelungen einer Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedsstaat die Richtlinie bis zum Ablauf einer Umsetzungsfrist nicht oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Umsetzungsmaßnahmen müssen die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks und Spencer - Slg. 2002, I-6325 Rn. 23 f.). Eine Regelung des Unionsrechts ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet und ihre Anwendung nicht von weiteren Maßnahmen der Mitgliedsstaaten oder der Unionsorgane abhängt (vgl. Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 49.03 - BVerwGE 122, 244 <246>). Sie ist hinreichend genau, wenn sie die Verpflichtung gegenüber dem Einzelnen unmissverständlich festlegt (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - Rs. C-194/08, Gassmayr - EuGRZ 2010, 296).

28

Aus Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ergibt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle dem unionsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung zuwider laufenden Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern. An dieser Umsetzung fehlt es in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 seit Juli 2009. Die unvollständige Umsetzung dieser Richtlinie hat zur Folge, dass die hier maßgeblichen Regelungen der Art. 1 bis 3 der Richtlinie 2000/78/EG für die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 unmittelbar Anwendung finden, weil nur auf diese Weise dem Recht, das dem Kläger seit Juli 2009 aus dem Gemeinschaftsrecht erwächst, die volle Wirksamkeit verschafft werden kann (EuGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - Rs. C-231/96, Jonkmann u.a. - EuZW 2007, 643 Rn. 41). Diese unionsrechtlichen Regelungen sind geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen zu entfalten, weil sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind. Der Beklagte hat daher auch Beamten, die in eingetragener Lebensgemeinschaft leben, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG seit Juli 2009 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren.

29

Der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt nach § 2 Abs. 1 BBesG (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2010 - BVerwG 2 B 56.09 - juris Rn. 7) steht dem auch nicht entgegen (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 72.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen). Er nimmt nicht teil an den Verfassungsgrundsätzen, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen könnten (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267 <353 ff.> sowie Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - DVBl 2010, 1229 <1230 ff.>).

30

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht geboten, weil der Rechtsstreit keine klärungsbedürftigen Fragen des Unionsrechts aufwirft, die noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof waren (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81 -, Cilfit u.a. - Slg. 1982, S. 3415).

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

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(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 267/04 Verkündetam:
14.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
EG Art. 141, EGRL 2000/78 Art. 1, GG Artt. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1,
AGG § 2 Abs. 2 Satz 2, VBLS §§ 38 Abs. 1 Satz 1 und 78 Abs. 2
Nach der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
steht eingetragenen Lebenspartnern (anders als Verheirateten) eine
Hinterbliebenenrente nicht zu; auch ist für Lebenspartner bei der Berechnung
der Startgutschrift nicht die für Verheiratete geltende, günstigere
Steuerklasse anzuwenden. Das verstößt nicht gegen höherrangiges
Recht.
BGH, Urteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist seit 1977 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Beklagten zusatzversichert. Er lebt seit 2001 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einem anderen Mann. Deshalb möchte der Kläger von der Beklagten wie ein verheirateter Arbeitnehmer behandelt werden. Dass einer der eingetragenen Lebenspartner ein Kind adoptiert hätte oder ihm die elterliche Sorge für ein Kind allein oder zusammen mit dem Partner zustünde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
2
Beklagte Die hat aus Anlass der Umstellung ihrer Zusatzversorgung von einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung auf ein beitragsorientiertes Betriebsrentensystem die Rentenanwartschaft berechnet, die der Kläger bis zum 31. Dezember 2001 erworben hat (sog. Startgut- schrift, vgl. § 78 Abs. 1 der Satzung der Beklagten, im Folgenden: VBLS, BAnz Nr. 1 vom 3. Januar 2003). Soweit es dabei als Rechengröße gemäß § 41 Abs. 2c Satz 1 der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzung der Beklagten (VBLS a.F.) auf das fiktive Nettoarbeitsentgelt des Klägers ankommt, hat die Beklagte für die Lohnsteuer nicht die für Verheiratete geltende Steuerklasse III/0 zugrunde gelegt, sondern die Steuerklasse I/0. Wenn die Beklagte dagegen von der Steuerklasse III/0 ausgegangen wäre, hätte sich eine um 74,48 € höhere monatliche Rentenanwartschaft ergeben. Außerdem hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie seinem Lebenspartner nicht die in § 38 VBLS für den Ehegatten eines verstorbenen Versicherten oder Betriebsrentenberechtigten vorgesehene Hinterbliebenenrente zahlen werde.
3
Im Hinblick darauf beantragt der Kläger festzustellen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift des Klägers die Lohnsteuerklasse III/0 zugrunde legen und seinem Lebenspartner bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft bis zum Tod des Klägers eine Hinterbliebenenrente nach § 38 VBLS zahlen müsse. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


4
DiezulässigeRevisi on ist nicht begründet.

5
I.DasBerufungsgerich t, dessen Urteil in VersR 2005, 636 ff. veröffentlicht ist, sieht für das Begehren des Klägers keinerlei Grundlage in der Satzung der Beklagten. Da das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) bei Erlass der Satzung bekannt gewesen sei, liege hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in den hier streitigen Fragen auch keine Regelungslücke vor, die etwa durch Analogie oder ergänzende Auslegung geschlossen werden könne. Schließlich verstoße die Regelung der Satzung nicht gegen höherrangiges, insbesondere europäisches Recht.
6
II. Die Revision hat - unbeschadet der Frage, ob die Satzungsbestimmungen über die Startgutschrift überhaupt wirksam sind (vgl. OLG Karlsruhe ZTR 2005, 588) - keinen Erfolg.
7
1. a) Soweit es zur Berechnung der Startgutschrift des Klägers um seine Anwartschaft nach früherem Gesamtversorgungsrecht und dabei gemäß § 78 Abs. 2 VBLS um die Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts der Kalenderjahre 1999, 2000 und 2001 geht, schreibt § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a VBLS a.F. vor, dass bei einem nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Berechtigten sowie bei einem Berechtigten, der Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung hat, der Betrag , der als Lohnsteuer nach Steuerklasse III/0 zu zahlen wäre, von dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt abgezogen wird. Nach Buchst. b der Bestimmung ist dagegen bei allen übrigen Berechtigten der Betrag abzuziehen , der als Lohnsteuer nach Steuerklasse I/0 zu zahlen wäre.

8
b) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VBLS hat "die hinterbliebene Ehegattin /der hinterbliebene Ehegatte" Anspruch auf eine Betriebsrente für Witwen/Witwer, wenn und solange ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung besteht ein Anspruch auf Betriebsrente für Witwen/Witwer nicht, wenn "die Ehe" mit der/dem Verstorbenen weniger als zwölf Monate gedauert hat. In der gesetzlichen Rentenversicherung sind inzwischen Ansprüche auf Witwen- oder Witwerrente auch für eingetragene Lebenspartner geschaffen worden, indem der Gesetzgeber ausdrücklich die entsprechende Anwendung der für Ehegatten geltenden Vorschriften auf eingetragene Lebenspartner vorgeschrieben hat (vgl. Art. 3 Nr. 4 b und Art. 5 (30) Nr. 2 des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004, BGBl. I S. 3396). Derartige Bestimmungen fehlen jedoch in der Satzung der Beklagten.
9
c) Die in § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a VBLS a.F. und § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VBLS verwendeten Begriffe "verheiratet", "Ehegatte" oder "Ehe" setzen als Rechtsbegriffe eine nach den Regeln der §§ 1310 ff. BGB geschlossene Gemeinschaft von Personen unterschiedlichen Geschlechts voraus; das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft wendet sich dagegen ausschließlich an Personen, die miteinander gerade keine Ehe eingehen können (vgl. BVerfGE 105, 313, 347; BSGE 92, 113, 119 Rdn. 30; BSG FamRZ 2006, 620, 621; BAGE 110, 277, 281; BFH DStR 2006, 747, 748).
10
der Bei Auslegung der Satzungsbestimmungen der Beklagten kommt es auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherten an (st. Rspr. des Senats, vgl. Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 56/02 - VersR 2003, 719 unter 2 b). Auch nach seiner Sicht und nach allgemeinem Sprachgebrauch bleibt für eine erweiternde Auslegung der auf die Ehe bezogenen Begriffe in Richtung auf eingetragene Lebenspartner kein Raum (vgl. BVerwG NJW 2006, 1828 Rdn. 11 f.). Der Kläger zählt nicht zu den "verheirateten" oder in einer "Ehe" lebenden Versicherten, weil er einer eingetragenen Lebenspartnerschaft angehört und damit gerade nicht verheiratet ist.
11
2. a) Eine ergänzende Auslegung der Satzung kommt nicht in Betracht , weil sie eine unbewusste oder planwidrige Regelungslücke voraussetzen würde, an der es fehlt. Das Berufungsgericht ist vielmehr mit Recht davon ausgegangen, dass der Satzungsgeber in Kenntnis des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft von einer Erweiterung der hier in Rede stehenden Ansprüche auf eingetragene Lebenspartner bewusst abgesehen hat. Das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 war bekannt, als die Tarifvertragsparteien, zu denen öffentlichrechtliche Körperschaften wie Bund, Länder und Kommunen gehören, am 13. November 2001 den der Satzung der Beklagten zugrunde liegenden Altersvorsorgeplan 2001 und am 1. März 2002 den Tarifvertrag Altersversorgung abschlossen (vgl. Kiefer/Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, Stand 9/2006, unter A 1.1). Trotz Kenntnis des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben weder die Tarifpartner noch der Verwaltungsrat der Beklagten bei der Verabschiedung der auf dem genannten Tarifvertrag beruhenden neuen Satzung am 19. September 2002 eine Besserstellung von Versicherten vorgenommen , die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind. Daran hat sich durch die seither geschlossenen Änderungstarifverträge vom 31. Januar, 12. März 2003, 15. September 2005 und 12. Oktober 2006 (vgl. Kiefer/Langenbrinck, aaO unter C 3.1.1, 3.1.2 und 3.1.3) sowie die Satzungsänderungen der Beklagten (vom 6. Februar 2003 vgl. BAnz Nr. 61 vom 28. März 2003; vom 4. Juni 2003 vgl. BAnz Nr. 115 vom 26. Juni 2003; vom 11. Juli 2003 vgl. BAnz. Nr. 132 vom 19. Juli 2003; vom 25. März 2004 vgl. BAnz. Nr. 69 vom 8. April 2004; vom 23. Februar 2005 vgl. BAnz. Nr. 55 vom 19. März 2005; vom 18. April 2006 vgl. BAnz Nr. 79 vom 26. April 2006 und vom 2. November 2006 vgl. BAnz Nr. 219 vom 22. November 2006) nichts geändert. Auch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396), in dem viele Gesetze und Verordnungen zugunsten eingetragener Lebenspartner geändert wurden, hat bisher keine Veranlassung gegeben, die Satzung der Beklagten zu ändern. Nichts anderes gilt für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897).
12
Auch b) eine analoge Anwendung der zugunsten von Ehegatten vorgesehenen Satzungsbestimmungen auf eingetragene Lebenspartner ist ausgeschlossen. Dem steht schon entgegen, dass die Ehe Partner verschiedenen Geschlechts voraussetzt, eine eingetragene Lebenspartnerschaft aber nur zwischen Personen möglich ist, die nicht die Ehe miteinander schließen können (BSGE 92, 113, 119 Rdn. 30; BSG FamRZ 2006, 620, 621). Überdies muss dem oben dargelegten Verhalten der Tarifvertragsparteien und des Satzungsgebers der Beklagten in der Zeit seit Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16. Februar 2001 entnommen werden, dass sie ungeachtet der Änderungen in anderen Teilen der Rechtsordnung eingetragene Lebenspartner hinsichtlich der hier in Rede stehenden Zusatzversorgung gerade nicht den Ehegatten gleichstellen wollten. Ähnlich verhält es sich bei der Regelung des Fami- lienzuschlags für Beamte in § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG (BVerwG NJW 2006, 1828 Rdn. 12 ff.). Dass für andere Tarifwerke etwas anderes gelten könnte (so BAGE 110, 277, 279 ff. zum Verheiratetenzuschlag nach BAT), steht nicht entgegen.
13
Der 3. Ausschluss eingetragener Lebenspartner von der Hinterbliebenenrente und von einer Berücksichtigung der für Verheiratete geltenden Steuerklasse bei der Berechnung der Startgutschrift in der Satzung der Beklagten verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, wie die Revision geltend macht.
14
a) Soweit sich die Revision auf Art. 3 Abs. 1 GG beruft, erkennt sie selbst, dass eine Privilegierung der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich zwar nicht geboten, aber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG zulässig ist (BVerfGE 105, 313, 348). Nach wie vor ist für verheiratete Arbeitnehmer typisch, dass sie Kinder haben, ihren Lebensunterhalt und ihre Unterhaltspflichten im Wesentlichen aus ihrem Arbeitsverdienst bestreiten und mit Vorsorgekosten für den Ehegatten und die Kinder belastet sind, welche bei Unverheirateten oder Nichteltern nicht anfallen (BSGE 92, 113, 129 m.w.N.). Das rechtfertigt eine Begünstigung der Verheirateten in der hier von der Beklagten vorgenommenen Weise (vgl. BVerfG FamRZ 1999, 1417). Die Beklagte hat als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts die Grundrechte zu berücksichtigen (BVerfG VersR 2000, 835, 836; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteil vom 1. Juni 2005 - IV ZR 100/02 - VersR 2005, 1228 unter II 1 a).
15
b) Im Wesentlichen stützt sich die Revision daher auf Grundsätze des Europarechts.

16
Art. 141 aa) EG (entspricht der früheren Regelung in Art. 119 EGV) sichert die Gleichheit des Arbeitsentgelts für Mann und Frau. Zum Arbeitsentgelt gehören außer dem Lohn auch alle sonstigen, unmittelbar oder mittelbar auf Grund des Dienstverhältnisses erbrachten Vergütungen des Arbeitgebers wie etwa die Hinterbliebenenrente in der betrieblichen Altersversorgung (Senatsurteil vom 20. September 2006 - IV ZR 304/04 - VersR 2006, 1630 unter II 3 b und c, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Um eine Diskriminierung wegen des Geschlechts geht es hier jedoch nicht: Die Differenzierung in der Satzung der Beklagten wird nicht an das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung, sondern an den Familienstand geknüpft. Insofern werden Frauen und Männer aber nicht unterschiedlich behandelt. Beiden ist ohne Rücksicht auf ihre sexuelle Orientierung sowohl der Familienstand der Ehe zugänglich als auch die eingetragene Lebenspartnerschaft. Das gilt nicht nur rechtlich; vielmehr entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass gleichgeschlechtlich ausgerichtete Frauen und Männer keineswegs ausschließlich mit sexuell gleichartigen Partnern zusammen oder aber allein leben, sondern durchaus auch Ehen mit heterosexuellen Partnern eingehen und mit diesen Kinder haben. Eine Verletzung von Art. 141 EG liegt daher nicht vor.
17
Dieses Verständnis von Art. 141 EG beruht auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Dieser hat u.a. bereits in einem Urteil vom 17. Februar 1998 (Rs C-249/96 - Slg. 1998, I-621 = NJW 1998, 969, jeweils Rdn. 35, 47) entschieden, dass ein Arbeitgeber nach dem Gemeinschaftsrecht nicht verpflichtet sei, die Situation einer Person, die eine feste Beziehung mit einem Partner des gleichen Geschlechts unterhält, der Situation einer Person, die ver- heiratet ist oder die eine feste nichteheliche Beziehung mit einem Partner des anderen Geschlechts unterhält, gleichzustellen; zu einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung hat der Gerichtshof in jener Entscheidung lediglich festgestellt, sie werde von Art. 119 EGV nicht erfasst. In einem weiteren Urteil vom 31. Mai 2001 (Rs C-122/99 P und C-125/99 P - Slg. 2001, I-4319 = FamRZ 2001, 1053, jeweils Rdn. 46 f. und 52) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Verweigerung der Zahlung einer nur verheirateten Beamten vorbehaltenen Haushaltszulage gegenüber einem Beamten, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft schwedischen Rechts lebte, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts des Betroffenen gesehen, weil für die Gewährung der Haushaltszulage keine Rolle spiele, ob der Beamte ein Mann oder eine Frau sei; der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, auch das Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die sexuelle Orientierung des Beamten sei nicht verletzt, weil die Gewährung der Haushaltszulage nicht vom Geschlecht des Partners abhänge, sondern von der Rechtsnatur der Bindungen, die zwischen ihm und dem Beamten bestehen. Im Urteil vom 7. Januar 2004 (Rs C-117/01 - Slg. 2004 I-541 = NJW 2004, 1440, jeweils Rdn. 28 f.) hat der Gerichtshof im Hinblick auf eine in einem Betriebsrentensystem vorgesehene Hinterbliebenenrente ausgesprochen , die Entscheidung, bestimmte Vorteile verheirateten Paaren vorzubehalten und alle davon auszuschließen, die zusammenleben, ohne verheiratet zu sein, sei entweder Sache des Gesetzgebers oder folge aus der Auslegung innerstaatlichen Rechts durch die nationalen Gerichte , ohne dass der Einzelne eine durch das Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geltend machen könne; ein Verstoß gegen Art. 141 EG liege nicht vor, da der Umstand, dass der An- tragsteller ein Mann oder eine Frau ist, im Hinblick auf die Gewährung der Hinterbliebenenrente unbeachtlich sei.
18
bb) Mit der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (ABlEG 2000 L 303/16) hat der Rat der Europäischen Union einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf auch hinsichtlich der sexuellen Ausrichtung geschaffen (Art. 1 der Richtlinie ). Aus der soeben wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere dem Urteil vom 31. Mai 2001 (aaO Rdn. 47), wird deutlich, dass in der rechtlichen Differenzierung nach einem Familienstand, der Frauen ebenso wie Männern unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung zugänglich ist, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung liegt. Nichts anderes kann für die Bedeutung und Reichweite der mit Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG bekämpften Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf gelten. Damit verletzt die hier streitige Bevorzugung von Verheirateten bei der Berechnung des fiktiven Nettolohns anhand der Steuerklasse sowie durch Leistung einer Hinterbliebenenrente auch die Richtlinie 2000/78/EG nicht.
19
Im Übrigen wertet die an den Familienstand geknüpfte rechtliche Bevorzugung von Verheirateten die Gemeinschaften gleichgeschlechtlicher Partner nicht ab, sondern behandelt sie ihrer Eigenart entsprechend. Die Begünstigung von Verheirateten dient der Förderung auf Dauer eingegangener heterosexueller Gemeinschaften im Hinblick auf die Fortpflanzung und Erziehung des eigenen Nachwuchses, einem für die Zukunft der Gesellschaft wesentlichen Anliegen, zu dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften als solche auch im Hinblick auf die inzwi- schen bestehende Möglichkeit einer Kindesadoption (§ 9 LPartG i.d.F. vom 15. Dezember 2004) typischerweise nicht in gleicher Weise beitragen können. Demgemäß hat die Bundesregierung in einer Fragestunde des Deutschen Bundestags den Standpunkt vertreten, die Richtlinie schränke den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie nicht ein und gebiete keine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe (BT-PlProt. 14/86, S. 7938).
20
Dieses Verständnis der Richtlinie 2000/78/EG wird durch den ihr vorangestellten Erwägungsgrund 22 ausdrücklich bestätigt. Danach lässt die Richtlinie einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Dieser Erwägungsgrund hat eine über die amtliche Begründung deutscher Gesetze hinausgehende Bedeutung; er ist, auch wenn er im Text der Richtlinie nicht wiederholt wird, deren wesentlicher Bestandteil und mitentscheidend für ihre Auslegung (BVerwG NJW 2006, 1828 Rdn. 16 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23. Februar 1988 - Rs 131/86 - Slg. 1988, 905 Rdn. 37; a.A. Bruns in Bruns/Kemper, Lebenspartnerschaftsrecht 2. Aufl., 9. Beamte, Angestellte und Arbeiter Rdn. 16 f.; Stüber, NJW 2006, 1774, 1775 f.; Schmidt/Senne, RdA 2002, 80, 84 f.; Beschluss des BayVG München vom 1. Juni 2006 - M 3 K 05.1595 - unter II 4.4). Ein Erwägungsgrund kann auch eine einschränkende Auslegung des Textes der Verordnung oder Richtlinie rechtfertigen (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 7. Juli 1981 - Rs 158/80 - Slg. 1981, 1805 Rdn. 13; vom 11. Juli 2006 - Rs C-13/05 - DB 2006, 1617 Rdn. 43 und 45). Soweit in dem Erwägungsgrund 22 von "Rechtsvorschriften" über vom Familienstand abhängige Leistungen die Rede ist, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar in Zweifel gezogen, ob den hier angegriffenen Bestimmungen der Satzung der Beklagten der Charakter von Rechtsvorschriften im Sinne des Europarechts zukomme. Selbst wenn dies nicht zuträfe, würde es nichts daran ändern, dass der Erwägungsgrund 22 die sich schon aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ergebende Auslegung der in der Richtlinie 2000/78/EG selbst enthaltenen Diskriminierungsverbote stützt, wonach solche rechtlichen Differenzierungen nicht erfasst werden, die nicht an das Geschlecht oder die sexuelle Ausrichtung, sondern an den Familienstand anknüpfen.
21
Es trifft nicht zu, dass die Richtlinie bei dieser Auslegung ins Leere liefe (so aber SchlH VG, Urteil vom 27. August 2004 - 11 A 103/04 - veröffentlicht in juris) oder Diskriminierungen nicht effektiv bekämpft werden könnten (so BayVG München, Beschluss vom 1. Juni 2006 - M 3 K 05.1595 - unter 4.4). Für das Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung verbleibt vielmehr, auch wenn die Richtlinie rechtliche Differenzierungen nach dem Familienstand nicht erfasst, ein breiter Anwendungsbereich, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zeigt (vgl. schon § 2 Abs. 1 AGG).
22
Selbst wenn man eine an den Familienstand anknüpfende rechtliche Differenzierung als mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie ansehen wollte, werden von deren Verbot in dieser Vorschrift u.a. Regelungen ausdrücklich ausgenommen, die durch ein rechtliches Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Ein solches, für den Fortbestand der Gesellschaft insgesamt wichtiges, rechtlich allgemein anerkanntes Ziel ist die materielle Förderung von auf Dauer angelegten menschlichen Gemeinschaften, in denen typischerweise Kinder geboren, gepflegt und erzogen werden wie in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Dazu sind die hier streitige Begünstigung von Ehegatten bei der Berechnung der Startgutschrift und die ihnen vorbehaltene Hinterbliebenenrente angemessene und erforderliche Mittel, weil sie deren besondere Belastungen zumindest zu einem Teil ausgleichen.
23
Dass Art. 141 EG und die Richtlinie 2000/78/EG den angegriffenen Satzungsbestimmungen der Beklagten nicht entgegenstehen, unterliegt danach keinem vernünftigen Zweifel, der die von der Revision geforderte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften rechtfertigen könnte.
24
cc) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt diese Richtlinie in nationales Recht um. Dabei geht es hinsichtlich des Schutzes eingetragener Lebenspartner in den hier zu entscheidenden Fragen der betrieblichen Altersversorgung nicht über die Richtlinie hinaus. Vielmehr verweist § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG auf das Betriebsrentengesetz, das keine Änderung zugunsten eingetragener Lebenspartner erfahren hat (vgl.

Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006, BGBl. I S. 1897).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke

Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.03.2004 - 6 O 968/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.10.2004 - 12 U 195/04 -

(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Dieses Gesetz regelt die Besoldung der

1.
Beamten des Bundes; ausgenommen sind Ehrenbeamte,
2.
Richter des Bundes; ausgenommen sind ehrenamtliche Richter,
3.
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit.

(2) Zur Besoldung gehören folgende Dienstbezüge:

1.
Grundgehalt,
2.
Leistungsbezüge für Professoren sowie hauptberufliche Leiter von Hochschulen und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen,
3.
Familienzuschlag,
4.
Zulagen,
5.
Vergütungen,
6.
Auslandsbesoldung.

(3) Zur Besoldung gehören ferner folgende sonstige Bezüge:

1.
Anwärterbezüge,
2.
vermögenswirksame Leistungen.

(4) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und ihre Verbände.

(1) Zur Stufe 1 gehören:

1.
verheiratete Beamte, Richter und Soldaten,
2.
verwitwete Beamte, Richter und Soldaten,
3.
geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind,
4.
andere Beamte, Richter und Soldaten, die ein Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 und 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 und 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, sowie andere Beamte, Richter und Soldaten, die eine Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben, weil sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.
Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Beamte, Richter oder Soldat es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. Beanspruchen mehrere nach Satz 1 Nummer 4 Anspruchsberechtigte, Angestellte im öffentlichen Dienst oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst Versorgungsberechtigte wegen der Aufnahme einer Person oder mehrerer Personen in die gemeinsam bewohnte Wohnung einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder eine entsprechende Leistung, wird der Betrag der Stufe 1 des für den Beamten, Richter oder Soldaten maßgebenden Familienzuschlages nach der Zahl der Berechtigten anteilig gewährt. Satz 3 gilt entsprechend, wenn bei dauernd getrennt lebenden Eltern ein Kind in die Wohnungen beider Elternteile aufgenommen worden ist.

(2) Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Zur Stufe 2 und den folgenden Stufen gehören auch die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, die Kinder ihres Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben, wenn andere Beamte, Richter oder Soldaten der Stufe 1 bei sonst gleichem Sachverhalt zur Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen gehörten. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

(3) Ledige und geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde, erhalten zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlages, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dies gilt auch für Beamte, Richter und Soldaten, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben worden ist und die Kinder ihres früheren Lebenspartners in ihren Haushalt aufgenommen haben , wenn Beamte, Richter oder Soldaten, die geschieden sind oder deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, bei sonst gleichem Sachverhalt den Unterschiedsbetrag erhielten. Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) Steht der Ehegatte eines Beamten, Richters oder Soldaten als Beamter, Richter, Soldat oder Angestellter im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte der Stufe 1 des Familienzuschlages zu, so erhält der Beamte, Richter oder Soldat den Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgebenden Familienzuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(5) Stünde neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre; dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen stehen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 6 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(6) Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 1, 4 und 5 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhaltes oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle.

(7) Die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes (Absatz 6) dürfen die zur Durchführung dieser Vorschrift erforderlichen personenbezogenen Daten erheben und untereinander austauschen.

(1) Die Besoldung der Beamten, Richter und Soldaten wird durch Gesetz geregelt.

(2) Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten, Richter oder Soldaten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Besoldung verschaffen sollen, sind unwirksam. Das Gleiche gilt für Versicherungsverträge, die zu diesem Zweck abgeschlossen werden.

(3) Der Beamte, Richter oder Soldat kann auf die ihm gesetzlich zustehende Besoldung weder ganz noch teilweise verzichten; ausgenommen sind die vermögenswirksamen Leistungen.

Gründe

A.

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferung. Sie beschäftigt in ihrer Produktionsstätte in Schleswig-Holstein über 1.200 Arbeitnehmer. Mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens schloss sie am 18. Februar 2003 für den Zeitraum vom 19. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Der Kläger wurde als Aushilfe in der Produktion von Bremsbelägen eingesetzt. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin 56 befristete Arbeitsverträge mit zuvor arbeitslosen Personen abgeschlossen, um Produktionsspitzen abzudecken. Von diesen 56 neuen Mitarbeitern hatten 13 Arbeitnehmer - unter ihnen der Kläger des Ausgangsverfahrens - das 52. Lebensjahr bereits vollendet. Die zusätzlichen Arbeitnehmer wurden nach den Angaben der Beschwerdeführerin bewusst auf der Grundlage des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) eingestellt, um Rechtssicherheit vor Entfristungsklagen zu erlangen. Solche Entfristungsklagen seien in der Vergangenheit gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden und hätten im Erfolgsfall zu Verwerfungen bei der Personalplanung geführt.

2

Der Kläger machte gegenüber der Beschwerdeführerin kurze Zeit später die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags geltend. Er berief sich auf die Unvereinbarkeit der Befristung auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl Nr. L 175/43) sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl Nr. L 303/16). Das Arbeitsgericht Lübeck wies seine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung mit Urteil vom 11. März 2004 ab. Der Kläger könne sich nicht auf eine unmittelbare Wirkung der Richtlinien im Verhältnis unter Privaten berufen. Die Berufung des Klägers wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22. Juni 2004 zurück. Neben dem Hinweis auf die Nichtanwendbarkeit von Richtlinien in privatrechtlichen Verhältnissen verwies das Landesarbeitsgericht zusätzlich auf die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit und Unbedingtheit der Richtlinien. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision an das Bundesarbeitsgericht. Die Revision hatte in der Sache Erfolg.

II.

3

1. § 14 TzBfG lautete in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1966) auszugsweise:

4

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. […]

5

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; […] Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. […]

6

(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.

7

(4) […]

8

Der Gesetzgeber erweiterte den personellen Anwendungsbereich des § 14 TzBfG im Dezember 2002 (Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I S. 4607). Für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 wurde die Altersgrenze einer sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit vom vollendeten 58. auf das vollendete 52. Lebensjahr abgesenkt. Zu diesem Zweck wurde ein vierter Satz in § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt:

9

Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt.

10

Mit dieser Änderung, die Bestandteil der Arbeitsmarktreformen war, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die statistisch deutlich erhöhte Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen durch niedrigere Barrieren für deren Wiedereintritt in das Berufsleben zu verringern. Die über 50-Jährigen seien nicht nur länger arbeitslos als andere Altersgruppen, sondern sie stellten auch einen deutlich größeren Anteil der Langzeitarbeitslosen. Der Gesetzgeber verwies darauf, dass die geringe Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber im Wesentlichen auf eine "psychologische Einstellungsbarriere" zurückzuführen sei, die ihre Ursache in der unzutreffenden Überzeugung habe, ältere Arbeitnehmer könnten bei einem späteren Personalabbau nicht mehr entlassen werden (BTDrucks 15/25, S. 40). Da die Erfahrung gezeigt habe, dass die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen die Einstellungsbereitschaft anhebe und die befristeten Arbeitsverhältnisse im Durchschnitt etwa zur Hälfte in unbefristete Beschäftigungen einmündeten, sei § 14 Abs. 3 TzBfG entsprechend zu erweitern.

11

Der Gesetzgeber hielt die mit dieser Regelung verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitssuchender mit Blick auf das beschäftigungspolitische Ziel, die Chancen älterer Menschen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern, für gerechtfertigt. Dies entspreche auch einem wichtigen Ziel der europäischen Beschäftigungspolitik (BTDrucks 15/25, S. 40). Deutschland sei mit Beschluss 2001/63/EG des Rates vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (ABl Nr. L 22/18) ausdrücklich aufgefordert worden, Hindernisse und negative Faktoren für die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitsloser zu verbessern.

12

2. a) Art. 19 Abs. 1 AEUV (ehemals Art. 13 Abs. 1 EGV) ermächtigt den Rat, im Zuständigkeitsbereich der Union Regelungen unter anderem gegen altersbezogene Diskriminierungen zu erlassen. Ein unmittelbar wirkendes Diskriminierungsverbot enthält die Bestimmung nicht (vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 17; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 13 EGV Rn. 1). Art. 19 Abs. 1 AEUV lautet:

13

Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

14

Demgegenüber enthält Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - GRCh) ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters, dem unmittelbare Wirkung zukommt. Die Vorschrift lautet in der überarbeiteten Fassung vom 12. Dezember 2007 (ABl Nr. C 303/1; BGBl 2008 II S. 1165):

15

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

16

(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

17

Die Grundrechtecharta war in dem entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht rechtsverbindlich. Sie wurde den Verträgen erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007 (Vertrag von Lissabon - ABl Nr. C 306/10; BGBl 2008 II S. 1038) rechtlich gleichgestellt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV).

18

b) Mit der Richtlinie 1999/70/EG soll die zwischen europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden getroffene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt werden (Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG). Der Vereinbarung zufolge, die als Anhang Bestandteil der Richtlinie ist, gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer der Grundsatz der Nichtdiskriminierung; der Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ist zu vermeiden (vgl. im Einzelnen §§ 4, 5 des Anhangs der Richtlinie 1999/70/EG). Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2000 erlassen, um diese Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.

19

Die Richtlinie 2000/78/EG soll unter anderem Diskriminierungen aufgrund des Alters verhindern. Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legt den Zweck des Rechtsaktes dahingehend fest, dass ein allgemeiner Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, unter anderem wegen des Alters, zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten geschaffen werden soll. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird als Verbot bestimmter unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierungen definiert (Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich insbesondere auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in einem Mitgliedstaat, unabhängig von der Existenz eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (Art. 3 der Richtlinie 2000/78/EG). Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht ferner vor, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein kann. Die Vorschrift lautet:

20

Artikel 6 - Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

21

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

22

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

23

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

24

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

25

c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

26

[…]

27

Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie lief am 2. Dezember 2003 ab (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Mitgliedstaaten konnten im Hinblick auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters eine Zusatzfrist von drei Jahren bis zum 2. Dezember 2006 in Anspruch nehmen (Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Europäische Kommission war von der Inanspruchnahme dieser verlängerten Umsetzungsfrist in Kenntnis zu setzen. Ihr war zudem während dieses Zeitraums jährlich Bericht über die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten, zu erstatten. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Zusatzfrist in Anspruch genommen. Die verlängerte Umsetzungsfrist endete am 2. Dezember 2006.

28

3. a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) stellte in seinem Urteil vom 22. November 2005 in der Rechtssache Mangold (Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981) fest, dass Gemeinschaftsrecht und insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung wie der des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG entgegenstünden. Es obliege dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen sei.

29

Zur Begründung führte der Gerichtshof unter anderem aus, dass eine derartige Regelung zwar das legitime Ziel verfolge, ältere Arbeitnehmer wieder in das Berufsleben einzugliedern. Sie gehe aber über das erforderliche und angemessene Maß hinaus, weil sie allein auf das Alterskriterium abstelle und andere Umstände wie die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und die persönliche Situation des Betroffenen unberücksichtigt lasse.

30

Einem Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG stehe nicht entgegen, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei. Erstens dürfe ein Mitgliedstaat schon während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus von der Möglichkeit einer dreijährigen Fristverlängerung nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift impliziere durch Berichtspflichten an die Kommission, dass ein Mitgliedstaat in diesem Zeitraum schrittweise konkrete Maßnahmen ergreife, um seine Rechtsordnung dem Richtlinienziel anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jegliche praktische Wirksamkeit genommen, wenn dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Umsetzungsfrist Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar seien. Zweitens sei das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Der Gerichtshof begründete die Existenz dieses neuen Grundsatzes mit dem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG, die ihrerseits auf verschiedene völkerrechtliche Verträge und die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten verwiesen.

31

Die vorliegende nationale Regelung falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, weil § 14 Abs. 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG ergangen und im Jahre 2002 um § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ergänzt worden sei.

32

b) Nach Eingang der Verfassungsbeschwerde wurde die Frage, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einer nationalen Vorschrift entgegensteht, in den Rechtssachen Palacios (Urteil vom 16. Oktober 2007, Rs. C-411/05, Slg. 2007, S. I-8531), Bartsch (Urteil vom 23. September 2008, Rs. C-427/06, Slg. 2008, S. I-7245) und Kücükdeveci (Urteil vom 19. Januar 2010, Rs. C-555/07, NJW 2010, S. 427) erneut vor dem Gerichtshof aufgeworfen. In der Kücükdeveci-Entscheidung bestätigte der Gerichtshof die Mangold-Entscheidung im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der jede Diskriminierung aufgrund des Alters verbiete, und wies zur Begründung auf Art. 21 Abs. 1 GRCh hin.

III.

33

Das Bundesarbeitsgericht stellte mit dem angegriffenen Urteil vom 26. April 2006 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 2004 durch Befristung geendet habe. Es begründete dies unter anderem mit dem Argument, die Beschwerdeführerin könne sich zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG berufen. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vor. Die Vorschrift sei aber mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und dürfe daher von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Dies folge aus der Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs.

34

Der Senat sei an den Ausspruch der Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG durch den Gerichtshof gebunden, den dieser mit einem Verstoß gegen das Ziel der Richtlinie 2000/78/EG und mit einem Verstoß gegen das auf allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts beruhende Verbot der Altersdiskriminierung doppelt begründet habe. Die Entscheidung des Gerichtshofs beruhe auf der Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen eines Vorlageverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 Buchstabe a EGV (jetzt Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a AEUV) und halte sich im Rahmen der dem Gerichtshof nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG übertragenen Zuständigkeiten.

35

Der vom Gerichtshof festgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der einer Diskriminierung wegen der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Merkmale entgegenstehe, sei als Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit und Nichtdiskriminierung anzusehen, der zu den Gemeinschaftsgrundrechten gehöre. Dieser Grundsatz, auf den sich auch eine Privatperson vor einem nationalen Gericht berufen könne, begrenze den nationalen Gesetzgeber bei der Normsetzung, soweit dessen Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, da es der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diene. Zwar möge es zutreffen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung bisher weder in verbindlich geltenden völkerrechtlichen Verträgen noch in einer nennenswerten Anzahl von Verfassungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich genannt sei. Dennoch sei eine Herleitung aus offen formulierten Tatbeständen und im Wege partieller Rechtsfortbildung nicht ausgeschlossen.

36

Auch soweit der Gerichtshof die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus der Richtlinie 2000/78/EG herleite, habe er seine Kompetenzen nicht überschritten. Die Begründung des Gerichtshofs sei dahingehend zu verstehen, dass ein während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie erlassenes nationales Gesetz unanwendbar sei, wenn sein Inhalt im Widerspruch zu dem Richtlinienziel stehe und keine gemeinschaftskonforme Auslegung möglich sei. Rechtsgrundlage für diese Annahme von Vorwirkungen bilde der Grundsatz der Vertragstreue der Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 und Art. 249 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV und Art. 288 Abs. 3 AEUV).

37

Die Entscheidung sei jedenfalls im Ergebnis unmissverständlich; es bedürfe deshalb keiner erneuten Vorlage an den Gerichtshof zur Unvereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit Gemeinschaftsrecht.

38

Das Bundesarbeitsgericht lehnte es ferner ab, § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November 2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden. Zur zeitlichen Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht der Gemeinschaft verstoßenden nationalen Norm sei allein der Gerichtshof zuständig. Eine solche Begrenzung sei in der Mangold-Entscheidung jedoch nicht enthalten. Der Senat sah sich auch nicht verpflichtet, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen, weil die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine derartige zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht vorlägen. Selbst wenn der Senat nach einem Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs befugt wäre, Vertrauensschutz nach nationalem Verfassungsrecht zu gewähren und damit dessen zeitliche Wirkung einzuschränken, bestehe kein Vertrauensschutz zugunsten der Beschwerdeführerin. Denn bis zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger habe es keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit einer allein auf das Lebensalter gestützten sachgrundlosen Befristung gegeben; darüber hinaus sei diese im arbeitsrechtlichen Schrifttum umstritten gewesen.

IV.

39

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 (1.) und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (2.).

40

1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln geltend. Eine Verletzung ergebe sich zunächst daraus, dass das Bundesarbeitsgericht die angegriffene Entscheidung zur Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG maßgeblich auf die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs gestützt habe. Wenn diese Entscheidung so zu verstehen sei, wie sie das Bundesarbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil verstanden und angewandt habe, liege eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs vor. Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, dass der Gerichtshof sich auf einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts stütze, sei schon zweifelhaft, ob die Benennung und Anwendung eines Verbots der Altersdiskriminierung nicht in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit den Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stehe. Darüber hinaus besitze der Gerichtshof keine Kompetenz zur Prüfung einer innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Gesetzgebung bezüglich der Rechtsbeziehung zwischen Privaten. Die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sei nicht als Durchführung von Gemeinschaftsrecht zu qualifizieren. Ferner betreibe der Gerichtshof durch die Postulierung eines unmittelbar anwendbaren allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung unzulässige Rechtsfortbildung. Außerdem führe die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 2000/78/EG zu einer von den Verträgen nicht gedeckten Vor- und Drittwirkung von Richtlinien.

41

Eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt nach Ansicht der Beschwerdeführerin des Weiteren daraus, dass das Bundesarbeitsgericht keinen hinreichenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gewährt und die Revision zurückgewiesen habe. Auch nach Gemeinschaftsrecht sei dem Bundesarbeitsgericht nicht versagt gewesen, Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, da Fragen des Vertrauensschutzes im Mangold-Verfahren weder aufgeworfen noch entschieden worden seien. Der Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold könne insoweit nicht als absolut und unbedingt geltend verstanden werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht angenommen, habe die Beschwerdeführerin sich darauf verlassen dürfen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nicht an der noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gemessen werde.

42

2. Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, dass sie auch in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Das Bundesarbeitsgericht habe seine nach Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt 267 Abs. 3 AEUV) bestehende Vorlagepflicht willkürlich verletzt, weil es den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten habe. Unterstelle man eine Bindung des Bundesarbeitsgerichts an die Mangold-Entscheidung, hätte das Bundesarbeitsgericht dem Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob auch Vertragsverhältnisse erfasst seien, die vor der Mangold-Entscheidung abgeschlossen wurden, oder ob nicht Grundsätze des gemeinschaftsrechtlichen oder des nationalen Vertrauensschutzes eine zeitliche Einschränkung geböten. Dass der Gerichtshof eine zeitliche Begrenzung seiner Entscheidungswirkungen nur im Ausnahmefall ausspreche, beziehe sich lediglich auf die finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten, nicht aber auf die vorliegende Fallgestaltung. Die fehlende zeitliche Begrenzung in der Mangold-Entscheidung selbst sei darauf zurückzuführen, dass dort keinerlei Veranlassung zu einer zeitlichen Begrenzung bestanden habe.

V.

43

Der Zweite und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Zweite und der Sechste Senat des Bundessozialgerichts haben Stellung genommen.

B.

44

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

45

Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung des Grundgesetzes besteht gegenüber allen Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt, grundsätzlich auch solchen, die die innerstaatliche Geltung von Gemeinschafts- und Unionsrecht begründen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 123, 267 <329>), Gemeinschafts- und Unionsrecht umsetzen (vgl. BVerfGE 113, 273 <292>; 118, 79 <94>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, NJW 2010, S. 833 <835>) oder vollziehen. Ob und inwieweit die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit solcher Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht beschränkt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde, soweit wie hier diesbezüglich offene Fragen zu klären sind.

II.

46

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG. Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin erscheint es insbesondere möglich, dass das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es zum einen auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht, die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland nicht anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 123, 267 <353 f.>), und weil es zum anderen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nicht gewährt.

47

Die Beschwerdeführerin legt ausreichend dar, warum der Gerichtshof mit der Entscheidung in der Rechtssache Mangold die Grenzen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts überschritten und das Gemeinschaftsrecht in einer Weise fortgebildet habe, die von den Kompetenzen der Gemeinschaft nicht mehr gedeckt sei. Dabei setzt sie sich mit der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kompetenzkontrolle, der für kompetenzwidrig gehaltenen Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs und den hierzu ergangenen kritischen Anmerkungen in der Literatur auseinander. Die Beschwerdeführerin war nicht gehalten, antizipierend auf vom Bundesverfassungsgericht erst noch zu präzisierende Einzelheiten der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen auf die Beachtung der Grenzen ihrer Kompetenzen einzugehen.

C.

48

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

I.

49

Die Beschwerdeführerin ist nicht deswegen in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht.

50

1. a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen (vgl. allgemein für die Gestaltung von Arbeitsverträgen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 -, NJW 2007, S. 286). Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 72, 155 <170>; 81, 242 <254 ff.>; 89, 214 <231 ff.>; 103, 89 <100 f.>). Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus (vgl. BVerfGE 89, 1 <13>; 117, 163 <181>). Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (vgl. BVerfGE 57, 139 <158>; BVerfGK 4, 356 <363 f.>).

51

Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Gesetze regeln die Ausübung der Vertragsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz, sondern auch um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren. Aus diesem Grund wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt, sondern traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Denn für Arbeitnehmer ist die Erwerbsarbeit regelmäßig alleinige Existenzgrundlage. Durch Befristung wird zwar den Flexibilitätsbedürfnissen rentabler Unternehmensführung entsprochen. Für die davon betroffenen Arbeitnehmer bedeutet ein befristetes Arbeitsverhältnis aber nicht nur die Chance auf Erwerbsarbeit, sondern ist auch mit Unsicherheit über den Fortbestand des Erwerbseinkommens verbunden. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss.

52

Die für das Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgebliche Vorschrift des einfachen Rechts ist § 14 TzBfG in der vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Von dem Grundsatz, dass es zur Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse eines sachlichen Grundes bedarf, konnte nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat. Diese Ausnahmeregelung hat indes zum Nachteil der Beschwerdeführerin unangewendet zu bleiben, wenn sie gegen Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) verstößt.

53

b) Das Recht der Europäischen Union kann sich nur wirksam entfalten, wenn es entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht verdrängt. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zwar nicht dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht nichtig wäre. Mitgliedstaatliches Recht kann vielmehr weiter seine Geltung entfalten, wenn und soweit es jenseits des Anwendungsbereichs einschlägigen Unionsrechts einen sachlichen Regelungsbereich behält. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts dagegen ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht grundsätzlich unanwendbar. Der Anwendungsvorrang folgt aus dem Unionsrecht, weil die Union als Rechtsgemeinschaft nicht bestehen könnte, wenn die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, S. 1251 Rn. 12). Der Anwendungsvorrang entspricht auch der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG, wonach Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen werden können (vgl. BVerfGE 31, 145 <174>; 123, 267 <402>). Art. 23 Abs. 1 GG erlaubt mit der Übertragung von Hoheitsrechten - soweit vertraglich vorgesehen und gefordert - zugleich deren unmittelbare Ausübung innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Er enthält somit ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen, dem der unionsrechtliche Anwendungsvorrang entspricht.

54

c) aa) Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art. 31 GG für die deutsche Rechtsordnung vorsieht, kann der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht umfassend sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <375>; 123, 267 <398>).

55

Das Unionsrecht bleibt als autonomes Recht von der vertraglichen Übertragung und Ermächtigung abhängig. Die Unionsorgane bleiben für die Erweiterung ihrer Befugnisse auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <187 f., 192, 199>; 123, 267 <349>; vgl. auch BVerfGE 58, 1 <37>; 68, 1 <102>; 77, 170 <231>; 104, 151 <195>; 118, 244 <260>). Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 und Art. 20 GG) erfolgen (vgl. BVerfGE 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>; 113, 273 <296>; 123, 267 <353 f.>), und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen.

56

bb) Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV).

57

Wenn jeder Mitgliedstaat ohne weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet. Würden aber andererseits die Mitgliedstaaten vollständig auf die Ultra-vires-Kontrolle verzichten, so wäre die Disposition über die vertragliche Grundlage allein auf die Unionsorgane verlagert, und zwar auch dann, wenn deren Rechtsverständnis im praktischen Ergebnis auf eine Vertragsänderung oder Kompetenzausweitung hinausliefe. Dass in den - wie nach den institutionellen und prozeduralen Vorkehrungen des Unionsrechts zu erwarten - seltenen Grenzfällen möglicher Kompetenzüberschreitung seitens der Unionsorgane die verfassungsrechtliche und die unionsrechtliche Perspektive nicht vollständig harmonieren, ist dem Umstand geschuldet, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Herren der Verträge bleiben und die Schwelle zum Bundesstaat nicht überschritten wurde (vgl. BVerfGE 123, 267 <370 f.>). Die nach dieser Konstruktion im Grundsatz unvermeidlichen Spannungslagen sind im Einklang mit der europäischen Integrationsidee kooperativ auszugleichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme zu entschärfen.

58

cc) Die Ultra-vires-Kontrolle darf nur europarechtsfreundlich ausgeübt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>).

59

(1) Die Union versteht sich als Rechtsgemeinschaft; sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten (vgl. im Einzelnen Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV). Nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist der Anwendungsvorrang des Unionsrechts anzuerkennen und zu gewährleisten, dass die dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich vorbehaltenen Kontrollbefugnisse nur zurückhaltend und europarechtsfreundlich ausgeübt werden.

60

Das bedeutet für die vorliegend in Rede stehende Ultra-vires-Kontrolle, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Gerichtshofs grundsätzlich als verbindliche Auslegung des Unionsrechts zu beachten hat. Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts der europäischen Organe und Einrichtungen ist deshalb dem Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Rechtsakte zu geben. Solange der Gerichtshof keine Gelegenheit hatte, über die aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu entscheiden, darf das Bundesverfassungsgericht für Deutschland keine Unanwendbarkeit des Unionsrechts feststellen (vgl. BVerfGE 123, 267 <353>).

61

Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn ersichtlich ist, dass Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen außerhalb der übertragenen Kompetenzen ergangen sind (vgl. BVerfGE 123, 267 <353, 400>). Ersichtlich ist ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann, wenn die europäischen Organe und Einrichtungen die Grenzen ihrer Kompetenzen in einer das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spezifisch verletzenden Art überschritten haben (Art. 23 Abs. 1 GG), der Kompetenzverstoß mit anderen Worten hinreichend qualifiziert ist (vgl. zur Formulierung "hinreichend qualifiziert" als Tatbestandsmerkmal im unionsrechtlichen Haftungsrecht etwa EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-472/00 P, Fresh Marine, Slg. 2003, S. I-7541 Rn. 26 f.). Dies bedeutet, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (vgl. Kokott, Deutschland im Rahmen der Europäischen Union - zum Vertrag von Maastricht, AöR 1994, S. 207 <220>: "erhebliche Kompetenzüberschreitungen" und <233>: "drastische" Ultra-vires-Akte; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 238 für eine Evidenzkontrolle; Isensee, Vorrang des Europarechts und deutsche Verfassungsvorbehalte - offener Dissens, in: Festschrift Stern, 1997, S. 1239 <1255>: "im Falle krasser und evidenter Kompetenzüberschreitung"; Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Bd. II, Art. 23 Rn. 32: "schwerwiegend, evident und generell"; Oeter, Rechtsprechungskonkurrenz zwischen nationalen Verfassungsgerichten, Europäischem Gerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte, VVDStRL 2007, S. 361 <377>: Rechtsprechung des Gerichtshofs sei verbindlich, "sofern sie sich nicht völlig von den vertraglichen Grundlagen ablöst"; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 40 : "offensichtlich, anhaltend und schwerwiegend").

62

(2) Der Auftrag, bei der Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV), beschränkt den Gerichtshof nicht darauf, über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu wachen. Dem Gerichtshof ist auch die Rechtsfortbildung im Wege methodisch gebundener Rechtsprechung nicht verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Befugnis stets ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerfGE 75, 223 <242 f.>; BVerfGE 123, 267 <351 f.>). Ihr stehen insbesondere das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Struktur des unionalen Staatenverbundes nicht entgegen. Vielmehr kann die - in den ihr gesetzten Grenzen wahrgenommene - Rechtsfortbildung gerade auch im supranationalen Verbund zu einer der grundlegenden Verantwortung der Mitgliedstaaten über die Verträge gerecht werdenden Kompetenzabgrenzung zu den Regelungsbefugnissen des Unionsgesetzgebers beitragen.

63

Das Primärrecht sieht an einzelnen Stellen ausdrücklich vor, dass die Unionsorgane auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze handeln sollen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 340 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV). Zur Aufgabe des Gerichtshofs gehört es insoweit, die Rechtlichkeit der Union im Sinne der gemeinsamen europäischen Verfassungstraditionen zu sichern. Maßstab ist sowohl das geschriebene Primär- und Sekundärrecht als auch die ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze, wie sie aus den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten unter ergänzender Heranziehung der völkerrechtlichen Verträge der Mitgliedstaaten abgeleitet werden (vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 220 EGV Rn. 38 m.w.N. zu den allgemeinen Grundsätzen im Völkerrecht Gaja, General Principles of Law, in: Wolfrum, Max Planck Encyclopedia of Public International Law, http://www.mpepil.com, Rn. 7 ff., 17 ff.). Bereits die unter anderem vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Notwendigkeit, einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz auszubilden (vgl. BVerfGE 37, 271 <285>), war seit den 1970er Jahren nur rechtsfortbildend über die Methode der wertenden Rechtsvergleichung möglich (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125 Rn. 4; EuGH, Urteil vom 14. Mai 1974, Rs. 4/73, Nold/Kommission, Slg. 1974, S. 491 Rn. 13).

64

Rechtsfortbildung ist allerdings keine Rechtsetzung mit politischen Gestaltungsfreiräumen, sondern folgt den gesetzlich oder völkervertraglich festgelegten Vorgaben. Sie findet hier Gründe und Grenzen. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Rechtsfortbildung überschreitet diese Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte (vertrags-)gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Dies ist vor allem dort unzulässig, wo Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus politische Grundentscheidungen trifft oder durch die Rechtsfortbildung strukturelle Verschiebungen im System konstitutioneller Macht- und Einflussverteilung stattfinden.

65

Eine wesentliche Grenze richterlicher Rechtsfortbildung auf Unionsebene ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Es gewinnt seine Bedeutung vor dem Hintergrund der stark föderalisierten und kooperativen Organisationsstruktur der Europäischen Union, die in vielen Bereichen sowohl im Umfang der Kompetenzen als auch in der Organisationsstruktur und den Verfahren zwar staatsanalog, aber nicht bundesstaatlich geprägt ist. Die Mitgliedstaaten haben nur jeweils begrenzte Hoheitsrechte übertragen. Generalermächtigungen und die Kompetenz, sich weitere Kompetenzen zu verschaffen, widersprechen diesem Prinzip und würden die verfassungsrechtliche Integrationsverantwortung der Mitgliedstaaten untergraben (vgl. BVerfGE 123, 267 <352 f.>). Dies gilt nicht nur, wenn sich eigenmächtige Kompetenzerweiterungen auf Sachbereiche erstrecken, die zur verfassungsrechtlichen Identität der Mitgliedstaaten rechnen oder besonders vom demokratisch diskursiven Prozess in den Mitgliedstaaten abhängen (vgl. BVerfGE 123, 267 <357 f.>), allerdings wiegen hier Kompetenzüberschreitungen besonders schwer.

66

(3) Soll das supranationale Integrationsprinzip nicht Schaden nehmen, muss die Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend ausgeübt werden. Da es in jedem Fall einer Ultra-vires-Rüge auch über eine Rechtsauffassung des Gerichtshofs zu befinden hat, sind Aufgabe und Stellung der unabhängigen überstaatlichen Rechtsprechung zu wahren. Dies bedeutet zum einen, dass die unionseigenen Methoden der Rechtsfindung, an die sich der Gerichtshof gebunden sieht und die der "Eigenart" der Verträge und den ihnen eigenen Zielen Rechnung tragen (vgl. EuGH, Gutachten 1/91, EWR-Abkommen, Slg. 1991, S. I-6079 Rn. 51), zu respektieren sind. Zum anderen hat der Gerichtshof Anspruch auf Fehlertoleranz. Daher ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs zu setzen. Hinzunehmen sind auch Interpretationen der vertraglichen Grundlagen, die sich ohne gewichtige Verschiebung im Kompetenzgefüge auf Einzelfälle beschränken und belastende Wirkungen auf Grundrechte entweder nicht entstehen lassen oder einem innerstaatlichen Ausgleich solcher Belastungen nicht entgegenstehen.

67

2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das Bundesarbeitsgericht die Tragweite der Vertragsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht verkannt. Das angegriffene Urteil erweist sich als verfassungsgemäß, soweit es die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG angenommen hat.

68

Im Hinblick auf die zugrundegelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rechtsfortbildung ultra vires, die zur - allein vom Bundesverfassungsgericht feststellbaren (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>) - Unanwendbarkeit der betreffenden Rechtsgrundsätze in Deutschland führen müsste, nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob sich das in der Mangold-Entscheidung gefundene Ergebnis durch anerkannte juristische Auslegungsmethoden noch gewinnen lässt und ob gegebenenfalls bestehende Mängel offenkundig wären. Jedenfalls handelt es sich um keine das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in offensichtlicher und strukturwirksamer Weise verletzende Überschreitung der durch Zustimmungsgesetz auf die Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte.

69

a) Der Gerichtshof kam in der Mangold-Entscheidung zu dem Ergebnis, eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht und müsse unangewendet bleiben (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981 Rn. 77 f.). Diese Aussage wurde mit zwei Argumenten begründet, deren Beziehung zueinander unklar bleibt (vgl. Thüsing, Europarechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Bindung des Arbeitgebers?, ZIP 2005, S. 2149 <2150 f.>). Die Regelung stehe sowohl im Widerspruch zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG als auch zu einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Diskriminierungen aus Gründen des Alters untersage.

70

Während eine Stelle in der englischen und französischen Sprachfassung der Mangold-Entscheidung darauf hindeutet, dass sich der Gerichtshof insbesondere auf das allgemeine Diskriminierungsverbot zu stützen scheint (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 74: "[z]weitens" , "[i]n the second place and above all" , "[e]n second lieu et surtout" ), könnte eine andere Stelle für das Gegenteil sprechen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 78: "insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78"). Dem entspricht die Vermutung, dass die Mangold-Entscheidung, obwohl die Richtlinie 2000/78/EG für Deutschland innerhalb der noch laufenden Umsetzungsfrist noch nicht anwendbar war, die deutsche Befristungsregel am Maßstab dieser Richtlinie prüfte, weil die Richtlinie nur das konkretisiere, was durch den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung ohnehin und unabhängig von der Richtlinie gelte (vgl. Skouris, Methoden der Grundrechtsgewinnung in der EU, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. VI/1, 2010, § 157 Rn. 24).

71

b) Ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Gerichtshofs gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung lässt sich nicht feststellen. Weder die Öffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78/EG auf Fälle, die gerade einer beruflichen Eingliederung von älteren Langzeitarbeitslosen dienen sollten (aa), noch die vom Gerichtshof angenommene Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG (bb) noch die Herleitung eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung (cc) hat zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen geführt.

72

aa) Der Gerichtshof hielt den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung in der Rechtssache Mangold für anwendbar, weil der Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 51, 64, 75). Diese Weichenstellung war die Voraussetzung dafür, dass eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG überhaupt am Gemeinschaftsrecht - und also auch an dessen allgemeinen Grundsätzen - gemessen werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat dagegen vorgetragen, dass die einschlägige Vorschrift des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Beschäftigungspolitik gedient habe, welche weiterhin in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit liege.

73

Ob eine bestimmte Maßnahme eines Mitgliedstaates in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, bestimmt der Gerichtshof jeweils im Einzelfall nach der inhaltlichen Tragweite der Maßnahme in Bezug auf die Sachmaterie und die beteiligten Personen. Auch eine Richtlinie kann den Anwendungsbereich der Verträge eröffnen und so dazu führen, dass die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts in das mitgliedstaatliche Recht einwirken (vgl. von Danwitz, Rechtswirkungen von Richtlinien in der neueren Rechtsprechung des EuGH, JZ 2007, S. 697 <704>). Ob eine Richtlinie den Anwendungsbereich der Verträge eröffnet, wird nach ihren Zielen bestimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1998, Rs. C-226/97, Lemmens, Slg. 1998, S. I-3711 Rn. 25 und 35 f.). Dagegen kann der nationale Gesetzgeber nicht den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts ausschließen, indem er mit einer Maßnahme auch Ziele - wie etwa die Beschäftigungspolitik (vgl. die beschränkten Handlungskompetenzen nach Art. 145 bis Art. 150 AEUV) - verfolgt, zu deren Regelung die Union nicht befugt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1998, Bickel und Franz, Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. I-7637 Rn. 17; stRspr). Der Gerichtshof rechtfertigt dies mit dem Hinweis, dass die Mitgliedstaaten andernfalls durch unterschiedliche Zielsetzungen die einheitliche Wirkung des Unionsrechts beeinträchtigen könnten.

74

Im konkreten Fall begründete der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts und damit des allgemeinen Verbots der Altersdiskriminierung damit, dass mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ursprünglich die Richtlinie 1999/70/EG habe umgesetzt werden sollen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 75). Dagegen kann eingewendet werden, dass nur der ursprüngliche Erlass des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Jahr 2000 der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diente, nicht aber das Änderungsgesetz, mit dem Satz 4 in den bestehenden § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt wurde (vgl. zum fehlenden Verweis auf das Gemeinschaftsrecht BTDrucks 15/25, S. 40). Entscheidende Erwägung, die aus der Binnenlogik des Unionsrechts heraus nicht vollständig zurückgewiesen werden kann, ist jedoch die sachliche Reichweite der Richtlinie 1999/70/EG, insbesondere deren Verschlechterungsverbot (§ 8 Abs. 3 der Richtlinie 1999/70/EG). Sie ist das maßgebende Argument, nicht die jeweilige Zielsetzung des nationalen Gesetzgebers.

75

bb) Eine im Hinblick auf das Ersichtlichkeitskriterium gravierende, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzende Rechtsfortbildung durch die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs ist auch nicht wegen der vom Gerichtshof angenommenen Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gegeben.

76

Der Gerichtshof ging davon aus, dass einem Verstoß einer nationalen Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegenstehe, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 70 ff.). Der während der Umsetzungsfrist bestehende Handlungs- und Konkretisierungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland wurde dadurch jedoch nicht so verkürzt, dass eine strukturwirksame Kompetenzverschiebung angenommen werden müsste. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer in Kraft getretenen Richtlinie keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, S. I-7411 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 8. Mai 2003, Rs. C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, S. I-4431 Rn. 58).

77

Die Mangold-Entscheidung lässt sich in die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur innerstaatlichen Wirkung von Richtlinien einordnen. Obwohl der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, dass eine Richtlinie "nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist" (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.; EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, verb. Rs. C-397-403/01, Pfeiffer, Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 108), hat der Gerichtshof anerkannt, dass richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Normen in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. April 1996, Rs. C-194/94, CIA Security, Slg. 1996, S. I-2201; EuGH, Urteil vom 26. September 2000, Rs. C-443/98, Unilever, Slg. 2000, S. I-7535 Rn. 49 ff.). Mit der in der Mangold-Entscheidung angenommenen Vorwirkung von Richtlinien schafft der Gerichtshof eine weitere Fallgruppe für die sogenannte "negative" Wirkung von Richtlinien. Diese dient wie die Rechtsprechung zur "negativen" Wirkung von Richtlinien insgesamt lediglich der Effektuierung bestehender Rechtspflichten der Mitgliedstaaten, schafft aber keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten.

78

cc) Es kann dahinstehen, ob sich ein allgemeiner Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten ableiten ließe, obwohl nur zwei der zum Zeitpunkt der Mangold-Entscheidung 15 Verfassungen der Mitgliedstaaten ein besonderes Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters zu entnehmen war (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 15. Februar 2007, Rs. C-411/05, Palacios, Slg. 2007, S. I-8531 Rn. 88; Hölscheidt, in: Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2006, Art. 21 Rn. 15) und auch die völkerrechtlichen Verträge, auf die sich der Gerichtshof mit seinem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG bezogen hatte, kein spezielles Diskriminierungsverbot enthielten. Denn zu einem ersichtlichen Verstoß im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung würde auch eine unterstellte, rechtsmethodisch nicht mehr vertretbare Rechtsfortbildung des Gerichtshofs erst dann, wenn sie auch praktisch kompetenzbegründend wirkte. Mit dem in der Ableitung aus den gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen umstrittenen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung wurde aber weder ein neuer Kompetenzbereich für die Union zulasten der Mitgliedstaaten begründet noch eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung ausgedehnt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ohne den Erlass eines - hier als vorwirkend angesehenen - Sekundärrechtsaktes nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten von Bürgern durch Rechtsfortbildung begründet würden, die sich sowohl als Grundrechtseingriffe als auch als Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten erweisen würden. Allgemeine Grundsätze dürfen, auch wenn sie den Grundrechtsschutz auf Unionsebene gewährleisten, nicht den Ge-staltungsbereich des Unionsrechts über die eingeräumten Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnen oder gar neue Aufgaben und Zuständigkeiten begründen (vgl. Art. 51 Abs. 2 GRCh).

79

Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die an der auf Art. 13 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 19 Abs. 1 AEUV) gestützten Rechtsetzung beteiligten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters im Rat - und nicht Richter im Zuge der Rechtsfortbildung - den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragsrechtliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet haben (vgl. insoweit oben aa).

II.

80

Die Beschwerdeführerin ist auch nicht dadurch in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, dass das angegriffene Urteil keinen Vertrauensschutz gewährt hat.

81

1. a) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 88, 384 <403>; 105, 48 <57>).

82

Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes kann nicht nur durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 99, 341 <359 f.>), sondern auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit durch den Gerichtshof berührt werden. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein unionsrechtswidriges Gesetz bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit vorhersehbar war, dass der Gerichtshof eine derartige Regelung als unionsrechtswidrig einordnet. Es ist ferner von Belang, dass eine Disposition im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen, das Vertrauen mit anderen Worten betätigt wurde (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>).

83

b) Die Möglichkeiten mitgliedstaatlicher Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Entscheidungen des Gerichtshofs im Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV wirken grundsätzlich ex tunc. Die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist deshalb von den mitgliedstaatlichen Gerichten auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden. Der Gerichtshof schränkt nur ausnahmsweise in Anbetracht der erheblichen Schwierigkeiten, die seine Entscheidung bei in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnissen für die Vergangenheit hervorrufen kann, die Rückwirkungen seiner Entscheidung ein (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, Rs. C-61/79, Denkavit, Slg. 1980, S. 1205 Rn. 16 f.; stRspr).

84

Vertrauensschutz kann von den mitgliedstaatlichen Gerichten demnach nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden. Eine solche primärwirksame Wirkung des Vertrauensschutzes lässt der Gerichtshof regelmäßig nicht zu, da er im Hinblick auf die einheitliche Geltung des Unionsrechts davon ausgeht, dass nur er selbst die Wirkung der in seinen Entscheidungen vorgenommenen Auslegung zeitlich beschränken könne (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, a.a.O., Rn. 18; stRspr). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich hingegen keine Anhaltspunkte dafür, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt wäre, sekundären Vertrauensschutz durch Ersatz des Vertrauensschadens zu gewähren.

85

c) Es ist danach möglich, zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Auch das unionsrechtliche Haftungsrecht weist dem Mitgliedstaat die Verantwortung für ein unionsrechtswidriges Gesetz zu und entlastet insoweit den Bürger. Es kann offen bleiben, ob ein entsprechender Anspruch bereits im bestehenden Staatshaftungssystem angelegt ist.

86

2. Das Bundesarbeitsgericht hat die Tragweite eines nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu gewährenden Vertrauensschutzes nicht verkannt. Wegen des gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs durfte sich das Bundesarbeitsgericht außer Stande sehen, Vertrauensschutz dadurch zu gewähren, dass es die zugunsten der Beschwerdeführerin ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein ohne Verstoß gegen den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang möglicher Anspruch auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland für Vermögenseinbußen, die die Beschwerdeführerin durch die Entfristung des Arbeitsverhältnisses erlitten hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht.

III.

87

Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

88

1. Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt allerdings nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).

89

Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht. Das Bundesverfassungsgericht ist unionsrechtlich nicht verpflichtet, die Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht voll zu kontrollieren und an der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 267 Abs. 3 AEUV auszurichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 658 <660>; anders BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Art. 267 Abs. 3 AEUV fordert kein zusätzliches Rechtsmittel zur Überprüfung der Einhaltung der Vorlagepflicht (vgl. Kokott/Henze/Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ 2006, S. 633 <635>). Ein letztinstanzliches Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist definitionsgemäß die letzte Instanz, vor der der Einzelne Rechte geltend machen kann, die ihm aufgrund des Unionsrechts zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003, Rs. C-224/01, Köbler, Slg. 2003, S. I-10239 Rn. 34). So behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht, das nur über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums wacht, wird seinerseits nicht zum "obersten Vorlagenkontrollgericht" (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).

90

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>). Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.

91

2. Das angegriffene Urteil verletzt nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, denn das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidung, das Verfahren nicht an den Gerichtshof vorzulegen, die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.

92

Das Bundesarbeitsgericht hätte insbesondere nicht wegen Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vorabentscheidung herbeiführen müssen. Unter der Annahme, dass der Gerichtshof die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG in der Mangold-Entscheidung mit der gebotenen Eindeutigkeit festgestellt habe und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht erfüllt seien, sah das Bundesarbeitsgericht sich nicht als verpflichtet an, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen. Dies stellt ein vertretbares Ergebnis dar. Die Gegenauffassung der Beschwerdeführerin, dass der Gerichtshof die Frage des rückwirkenden Vertrauensschutzes in der Rechtssache Mangold offen gelassen habe und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zeitlichen Begrenzung von Entscheidungswirkungen sich nicht auf die vorliegende Fallgestaltung beziehe, ist der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht eindeutig vorzuziehen. Das Bundesarbeitsgericht durfte vielmehr davon ausgehen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nach der Mangold-Entscheidung unangewendet bleiben musste.

IV.

93

Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen und im Ergebnis mit 7:1 Stimmen ergangen.

Abw. Meinung

94

Entgegen der Ansicht der Senatsmehrheit ist die Verfassungsbeschwerde begründet. Das angefochtene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, weil das Bundesarbeitsgericht § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund unangewendet gelassen und sich so der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) entzogen hat. Auf das Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Gerichtshof) in der Rechtssache Mangold konnte sich das Bundesarbeitsgericht von Verfassungs wegen nicht berufen.

95

Die Senatsmehrheit überspannt die Anforderungen an die Feststellung eines Ultra-vires-Handelns der Gemeinschafts- oder Unionsorgane durch das Bundesverfassungsgericht und weicht insofern ohne überzeugende Gründe von dem Senatsurteil zum Vertrag von Lissabon ab (I.). Zu Unrecht verneint sie eine Kompetenzüberschreitung seitens des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold (II.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat diese Kompetenzüberschreitung und die hieraus resultierenden Handlungsoptionen verkannt (III.).

I.

96

1. Mit dem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 ist in Erinnerung zu rufen, dass das Handeln von Organen der Europäischen Union nur so lange demokratisch legitimiert ist, wie es sich im Rahmen der Kompetenzen hält, die die Mitgliedstaaten der Union übertragen haben. Die Einhaltung von Zuständigkeitsgrenzen ist nicht allein eine Frage des Austarierens der Machtbefugnisse von Verfassungs- und Gemeinschaftsorganen. Im demokratischen Regierungssystem folgt der Geltungsanspruch einer Norm nicht aus einer einseitigen Machtunterworfenheit des Bürgers, sondern aus ihrer Rückführung auf den Bürger selbst. Demokratische Legitimation erfordert deshalb eine tatsächliche, durchgehende Anknüpfung an das Staatsvolk. Sie darf nicht nur - und sei es im Wege des Ausschlusses einer Überprüfbarkeit - konstruiert sein. Ihre Notwendigkeit endet nicht an der Grenze des nationalen Zustimmungsgesetzes und dem Verbot der Blankettermächtigung, sondern setzt sich innerhalb der Staatengemeinschaft fort. Tätigkeiten, die von den übertragenen Aufgaben nicht umfasst werden, sind dadurch nicht mitlegitimiert (vgl. BVerfGE 93, 37 <68>). In diesem Sinne vermitteln und begrenzen die der Union von den Mitgliedstaaten verliehenen Kompetenzen den (sachlichen) Legitimationszusammenhang, in dem jedes Hoheitsgewalt ausübende Organ stehen muss (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 6. Aufl. 2009, S. 307), und dessen Wahrung auch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung als Ausdruck der staatsverfassungsrechtlichen Grundlage aller Unionsgewalt zum Ziel hat.

97

Denn die Ermächtigung, hoheitliche Gewalt supranational auszuüben, rührt von den Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge her (BVerfGE 123, 267 <349>); für die europäische Unionsgewalt gibt es kein Legitimationssubjekt, das sich unabgeleitet von der Hoheitsgewalt der Staaten auf gleichsam höherer Ebene verfassen könnte. Der Lissabon-Vertrag hat in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV das Prinzip begrenzter und kontrollierter Einzelermächtigung bestätigt. Zuständigkeitsausübungsregeln wie Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4, Art. 4 Abs. 2 EUV gewährleisten zudem, dass übertragene Kompetenzen in einer die mitgliedstaat-lichen Zuständigkeiten schonenden Weise wahrgenommen werden. Darüber hinaus enthält der Vertrag - bei verfassungsgemäßer Interpretation - keinerlei Vorschriften, die den Unionsorganen die Kompetenz-Kompetenz verschaffen würde (vgl. BVerfGE 123, 267 <392 f.>; zustimmend v. Bogdandy, NJW 2010, S. 1, 4). Dafür wäre auch die Verknüpfung von demokratischer Legitimation mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt, die die Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervorhebt, nicht hinreichend ausgeprägt. Der Anwendungsvorrang, der durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelt wurde, bleibt ein völkervertraglich übertragenes und damit abgeleitetes Institut (BVerfGE 123, 267 <400>). Er ändert gerade nichts an der Pflicht zur Einhaltung der Kompetenzordnung. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt nur so weit, wie die Bundesrepublik dem zugestimmt hat oder zustimmen durfte (BVerfGE 123, 267 <402>). Insbesondere auch die dem Gerichtshof übertragene Kompetenz zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ist nicht schrankenlos. Die ihr durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen unterliegen letztlich der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 75, 223 <235>; 123, 267 <344>).

98

Verfassung und völkerrechtlicher Vertrag begründen Kompetenzen, um damit im Umfang der jeweiligen Zuschreibung rechtmäßige, das heißt rechtsstaatlich und demokratisch legitimierte Hoheitsgewalt zu begründen. Dies stand dem Senat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 vor Augen und hat seine Linienführung bestimmt. Durch die Zuschreibung von Kompetenzen werden unterschiedliche supranationale und nationale Funktionen einander zugeordnet. Sie wollen damit eine sachgemäße Kooperation, sichtbare Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger und gegenseitige Kontrolle sichern und im Ergebnis so den Missbrauch hoheitlicher Gewalt verhindern. Ein Übermaß an Verflechtungen und Überlagerungen höhlt die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit aus und verletzt das aus demokratischer Rechtsstaatlichkeit fließende Gebot, dass Organe - nationale oder supranationale - für ihre Entscheidungen Verantwortung zu tragen haben.

99

2. Im Falle von Grenzdurchbrechungen - die diese Verantwortlichkeiten verwischen - hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur Ultra-vires-Kontrolle (BVerfGE 123, 267 <353 f.>). Beim derzeitigen Entwicklungsstand des Unionsrechts kommen allein die nationalen Höchstgerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, als Instanzen für die Ausübung einer Kompetenzkontrolle gegenüber den Unionsorganen in Frage, nachdem auf der europäischen Ebene der Gerichtshof den Schlussstein des Systems bildet und diese Position tendenziell gemeinschaftsfreundlich genutzt hat (vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <494>). Die exekutiven und judikativen Instanzen der Europäischen Union haben weithin die Möglichkeit, das Unionsrecht in der von ihnen für richtig gehaltenen Interpretation durchzusetzen, ohne dass die politischen Instanzen über effektive Mechanismen zur Gegensteuerung für den Fall verfügen würden, dass sie die Folgen der Interpretation für schädlich erachten. Die Möglichkeit, eingetretenen Kompetenzaushöhlungen legislativ oder durch Vertragsrevisionen zu begegnen, ist angesichts der hierfür bestehenden hohen Hürden in einer Union mit 27 Mitgliedstaaten von geringer praktischer Wirksamkeit (vgl. Grimm, a.a.O. <493 f.>; Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <248 ff.>).

100

3. Bei der Ausübung dieser Prüfungskompetenz ist der Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes als Korrelat des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu beachten und fruchtbar zu machen (BVerfGE 123, 267<354>). Das hier auftretende Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der Wahrung demokratischer Legitimation und der Funktionsfähigkeit der Union (vgl. Folz, Demokratie und Integration, 1999, S. 395) löst die Mehrheit einseitig zu Gunsten der Funktionsfähigkeit auf.

101

a) In der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon hat der Senat ein ausgewogenes Modell entwickelt, das die Kontrolle in materieller Hinsicht auf ersichtliche Grenzdurchbrechungen gegenüber den Mitgliedstaaten beschränkt und sie in formeller Hinsicht unter den Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene stellt (BVerfGE 123, 267 <353>). Erfasst ist damit jede ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt (vgl. Everling, EuR 2010, S. 91 <103, Fn. 62>). Kompetenzverletzungen peripherer Natur, die einen offensichtlichen und eindeutigen Charakter vermissen lassen und die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit nicht in Frage stellen, bleiben außer Betracht; das gleiche gilt selbstverständlich für Kompetenzüberschreitungen, die nur von unionsinterner Bedeutung sind und sich auf die Freiräume der Mitgliedstaaten nicht auswirken. "Ersichtliche", also klare und eindeutige Verletzungen, sind zunächst einer Beurteilung durch den Gerichtshof zugänglich zu machen, wobei die Möglichkeit besteht, bestehende Bedenken in kompetenzieller Hinsicht zu artikulieren. Am vorliegenden Fall zeigt sich geradezu exemplarisch, wie der Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene zu realisieren gewesen wäre und welches konstruktive Potential dessen Ausschöpfung gehabt hätte (unten III.). Auf diesem Wege lässt sich hinreichend sicherstellen, dass eine Aktivierung der Reservekompetenz (BVerfGE 123, 267 <401>) des Bundesverfassungsgerichts zur Feststellung der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht wegen Kompetenzüberschreitung auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt (vgl. Wahl, Der Staat 48 <2009>, S. 587 <594>).

102

b) Die Senatsmehrheit geht über das Erfordernis einer ersichtlichen - also klaren und offensichtlichen - Kompetenzüberschreitung hinaus und verlässt den der Lissabon-Entscheidung zu Grunde liegenden Konsens, indem sie nun einen "hinreichend qualifizierten" Kompetenzverstoß fordert, der nicht nur offensichtlich ist, sondern zudem zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und supranationaler Organisation führt. Damit schießt die Senatsmehrheit über das Ziel einer europarechtsfreundlichen Ausgestaltung der Ultra-vires-Kontrolle hinaus. Sie verkennt die in der Lissabon-Entscheidung hervorgehobene wesentliche Voraussetzung einer zwingenden demokratischen Legitimation bei Ausübung aller hoheitlichen Gewalt, die bei jeder Kompetenzverletzung durchbrochen ist; wird die Ausübung hoheitlicher Gewalt ohne hinreichende demokratische Legitimation zugelassen, so widerspricht dies der Kernaussage des Senatsurteils vom 30. Juni 2009.

103

Mit der Forderung nach einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge (C. I. 2. b) verkennt die Senatsmehrheit zudem, dass spezifische Gefahren für die Wahrung der Kompetenzen und damit der demokratischen Legitimation im Fall der Europäischen Union weniger von schwerwiegenden - und als solchen erkennbaren - Kompetenzanmaßungen im Einzelfall als von schleichenden Entwicklungen ausgehen, in deren Verlauf kleinere, für sich betrachtet möglicherweise geringfügige Kompetenzüberschreitungen kumulativ bedeutende Folgen haben. Die wohl in allen föderalen Systemen naheliegende Gefahr einer "politischen Selbstverstärkung" (vgl. BVerfGE 123, 267 <351 f.>) der höheren Ebene besteht im Fall der Europäischen Union in besonderer Weise, da die Kompetenzverteilung hier - anders als in Bundesstaaten - nicht gegenstandsbezogen, sondern final erfolgt. Das Ziel, die Herstellung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes, wirkt entgrenzend (Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <493>). Ob sich im Rahmen solcher Entwicklungen - die sich anhand der im Fall Mangold kulminierenden steten Erweiterung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wirkung von Richtlinienbestimmungen (unten II. 1. b) illustrieren lassen - jemals ein Einzelfall einer Kompetenzüberschreitung ausmachen lässt, der die von der Senatsmehrheit geforderte Schwere aufweist und daher den Gegenmechanismus der Ultra-vires-Kontrolle auslöst, erscheint sehr fraglich - zumal die Eignung eines Einzelakts, strukturelle Verschiebungen im Kompetenzgefüge herbeizuführen, sich vielfach erst im Nachhinein wirklich wird beurteilen lassen (vgl. Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <264>).

104

c) Im Ergebnis wird die Senatsmehrheit so ihrer Verantwortung für den rechtsstaatlich-demokratischen Sinngehalt von Kompetenzvorschriften nicht gerecht. Sie verfolgt damit eine schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennbare problematische Tendenz weiter, das demokratisch begründete nationale Letztentscheidungsrecht über die Anwendung von Hoheitsgewalt im eigenen Territorium und die damit einhergehende Verantwortung auch für die Einhaltung der an die Union verliehenen Kompetenzen nur noch auf dem Papier zu behaupten und vor deren praktisch wirksamer Vollziehung zurückzuschrecken: Hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst offen gelassen, ob Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz gemessen werden könne (BVerfGE 22, 293 <298 f.>), so hatte es die Frage sodann in der Solange I-Entscheidung im Hinblick auf eine Grundrechtskontrolle bejaht (BVerfGE 37, 271 <280 ff.>), um eben diese Prüfungskompetenz zwölf Jahre später (zur Zwischenzeit siehe BVerfGE 52, 187 <202 f.>) im Hinblick auf die gewachsene Grundrechtsjudikatur des Gerichtshofs zu suspendieren (Solange II, BVerfGE 73, 339 <387>). Sodann entwickelte das Gericht erst in Umrissen, später deutlicher die Vorstellung einer Nachprüfung der Einhaltung der Kompetenzgrenzen (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <188>). Anstatt allerdings dieses Mittel zu einem effektiven Kontrollinstrument zu machen, kehrte das Gericht praktisch wieder zum status quo der Solange II-Entscheidung zurück (vgl. etwa den Bananenmarkt-Beschluss BVerfGE 102, 147 <163>; zur Entwicklung vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <478 f.>).

II.

105

Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil in der Rechtssache Mangold die ihm verliehenen Kompetenzen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersichtlich überschritten und ultra vires gehandelt. Die von der Mehrheit offen gelassene Frage, ob der Gerichtshof mit seinem Urteil den Bereich der vertretbaren Auslegung - einschließlich der Rechtsfortbildung - verlassen hat, ist offensichtlich zu bejahen (1.); die Entscheidung des Gerichtshofs hat sich auch zu Lasten der dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland nach dem Vertrag verbleibenden Handlungsspielräume ausgewirkt (2.).

106

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gerichtshof im Fall Mangold zu Recht den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts für eröffnet gehalten und zu Recht einen inhaltlichen Widerspruch zwischen § 14 TzBfG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG festgestellt hat. Jedenfalls die Erwägungen, mit denen der Gerichtshof sich über den fehlenden Ablauf der Umsetzungsfrist hinweggesetzt hat, stellen sich nicht mehr als noch vertretbare Auslegung und Fortbildung des Unionsrechts dar, sondern als ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt.

107

a) Auszugehen ist von einem schlichten Befund, für dessen Wahrnehmung man sich freilich nicht den Blick verstellen darf, indem man die am Gedanken des effet utile orientierte Rechtsprechungstradition des Gerichtshofs von vornherein als gegeben voraussetzt: Der Gerichtshof hat das deutsche Recht an Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gemessen, obwohl diese Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bundesrepublik Deutschland nicht verbindlich war; nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers waren die demokratisch legitimierten Organe der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt den Bindungen der Richtlinie noch nicht unterworfen. Ferner hat der Gerichtshof der noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie trotz der in Art. 249 Abs. 2, 3 des EG-Vertrages in der Gestalt des Vertrages von Nizza (Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV) niedergelegten Differenzierung eine (negative) unmittelbare innerstaatliche Wirkung beigemessen, die zur Unanwendbarkeit entgegenstehenden nationalen Rechts führte. Letzteres hat sich schließlich - wie auch dem Gerichtshof klar sein musste - zu Lasten von Grundrechtsträgern ausgewirkt, welche auf die Wirksamkeit des nationalen Arbeitsrechts vertrauten.

108

b) Die für dieses Ergebnis vorgebrachten Begründungsansätze des Gerichtshofs vermögen ersichtlich nicht zu überzeugen; sie führen zu dem Schluss, dass der Gerichtshof ein von ihm im Sinne einer möglichst weitgehenden Geltung des Gemeinschaftsrechts gewolltes Ergebnis ohne Rücksicht auf den entgegenstehenden Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers durchgesetzt und so die Grenzen methodisch vertretbarer Rechtsfortbildung verlassen hat. Zudem verdeutlichen sie, wie unterschiedliche, durchweg unionsfreundliche, aber für sich genommen längst akzeptierte Argumentationsmuster des Gerichtshofs in ihrer Kombination die Gefahr einer schrittweisen, schwer aufzuhaltenden Erosion mitgliedstaatlicher Kompetenzen und demokratischer Legitimation mit sich bringen.

109

aa) Soweit der Gerichtshof das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bezeichnet und sich hierauf bezogen hat, lässt sich dies weder anhand der Urteilsgründe noch auch unabhängig davon nachvollziehen. Die Herleitung eines spezifischen Diskriminierungsverbots wegen des Alters aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten oder aus internationalen Verträgen ist nicht vertretbar. Das ist im juristischen Schrifttum und nicht zuletzt von Generalanwalt Mazák bereits hinreichend dargelegt und bislang nicht ernstlich bezweifelt worden; auch die Senatsmehrheit kommt - obwohl sie die Frage formell offenlässt - letztlich nicht umhin, dies zu bemerken (siehe dazu unter C. I. 2. b) cc) mit den dort genannten Nachweisen; vgl. ferner Gerken/Rieble/Roth/Stein/Streinz, "Mangold" als ausbrechender Rechtsakt, 2009, S. 19 ff.; Körner, NZA 2005, S. 1395 <1397>; Krebber, Comparative Labor Law & Policy Journal 2006, S. 377 <390 f.>; Preis, NZA 2006, S. 401 <402>; Riesenhuber, ERCL 2007, S. 62 <66 f.>; Wieland, NJW 2009, S. 1841 <1843>). Vor diesem Hintergrund geht es auch nicht an, das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kurzerhand zum Anwendungsfall des allgemeinen unionsrechtlichen Gleichheitssatzes (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 - Rs. C-117/76 -, Slg. 1977, S. 1753 Rn. 7 ff.) zu erklären, wie es der Gerichtshof mit seiner Bezugnahme auf die erste Begründungserwägung der Richtlinie 2000/78/EG in der Rechtssache Mangold (Rn. 74) andeutungsweise und in einer Folgeentscheidung ausdrücklich (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - Rs. C-555/07 -, juris, Rn. 50) unternimmt; denn die entscheidende Wertung, dass das Alter ein problematisches, weiter rechtfertigungsbedürftiges Differenzierungskriterium darstellen könnte, ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Zudem ist sie - wie dargelegt - den gemeinsamen Verfassungstraditionen fremd und gerade im Kontext des Arbeitsmarkts angesichts der großen Probleme, die für ältere arbeitslose Menschen bei der Suche nach einer festen Anstellung bestehen, alles andere als selbstverständlich. Schließlich verliert der Gerichtshof kein Wort über den durch die Doppelung der Rechtsgrundlagen in Art. 12 und 13 EGV (heute: Art. 18 und 19 AEUV) deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen der Mitgliedstaaten, Differenzierungen wegen anderer Merkmale als der Staatsangehörigkeit nur nach (!) sekundärrechtlicher Konkretisierung zu beschränken.

110

bb) Auch der Gedanke einer "Vorwirkung" der Richtlinie (siehe dazu unter C. I. 2. b) bb) kann das Auslegungsergebnis des Urteils in der Rechtssache Mangold weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit dem vermeintlichen ungeschriebenen Diskriminierungsverbot wegen des Alters tragen. Denn das vom Gerichtshof erwünschte Ergebnis ergibt sich insofern erst aus einer Kumulation verschiedener, mitgliedstaatliche Freiräume beschneidender dogmatischer Ansätze, die unter Gesichtspunkten einer transparenten demokratischen Kompetenzverteilung im Ergebnis nicht mehr hinzunehmen ist.

111

Die Anerkennung der unmittelbaren Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen seitens des Gerichtshofs war bereits ein eindeutig über den Wortlaut des Vertrags hinausweisender Schritt der Rechtsfortbildung (Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, S. 184; vgl. auch Alter, Establishing the Supremacy of European Law, 2001, insbesondere S. 16 ff.), den das Bundesverfassungsgericht allerdings - anders als manches andere Gericht (vgl. BFHE 143, 383; Conseil d'Etat, Entscheidung vom 22. Dezember 1978, EuR 1979, S. 292) - mitgegangen ist (BVerfGE 75, 223). Insofern hat sich das Bundesverfassungsgericht vom Gedanken der Europarechtsfreundlichkeit leiten lassen. Es hat gewürdigt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auf gewichtige sachliche Argumente - namentlich den Gedanken einer effektiven Sanktionierung von Mitgliedstaaten nach fruchtlosem Ablauf der Umsetzungsfrist - stützen konnte und die unmittelbare Wirkung an nicht ohne Weiteres erfüllte Voraussetzungen knüpfte, die eine vertragswidrige Gleichstellung von Richtlinie und Verordnung verhinderte (BVerfGE 75, 223 <237, 241 f., 244>). Diese Zurückhaltung lässt der Gerichtshof in der Rechtssache Mangold vermissen. Er hat das Prinzip, dass die unmittelbare Anwendung von Richtlinienbestimmungen den Ablauf der Umsetzungsfrist voraussetzt (vgl. dazu nur Biervert, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV Rn. 28), aufgegeben; zudem hat er in der Sache eine unmittelbare Auswirkung der Richtlinie auf das Verhältnis zwischen Privaten zugelassen (vgl. dagegen noch zurückhaltend EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - Rs. C-91/92 -, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.). Auf den Gedanken der Sanktionierung von (säumigen) Mitgliedstaaten lassen sich diese weitreichenden Schritte nicht mehr stützen. Der Gerichtshof erklärt sie mit dem pauschalen Hinweis auf den Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie keine Vorschriften mehr erlassen dürfen, die das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage stellen können, nur höchst unzureichend. Wenn die Senatsmehrheit hier von einer bloßen "Effektuierung bestehender Rechtspflichten" spricht, die "keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten" schaffe, wird die Problematik verschleiert: Auch eine "Effektuierung" bestehender Pflichten kann schließlich nur bedeuten, dass rechtliche Bindungen über das Maß des Vereinbarten hinaus verstärkt werden.

112

2. Das durch den Gerichtshof in der Rechtssache Mangold entwickelte Verständnis des Gemeinschaftsrechts betrifft die für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle entscheidende Abgrenzung der Kompetenzen von Gemeinschaft (Union) und Mitgliedstaaten. Es nimmt den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume auf dem Feld der Beschäftigungspolitik, das in weitem Umfang den Mitgliedstaaten vorbehalten ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe i, Art. 125 ff. EGV; Art. 2 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2, Art. 145 ff. AEUV). Damit sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle erfüllt, auch wenn man die Bedeutung der vorliegenden Kompetenzüberschreitung angesichts des abzusehenden Ablaufs der Umsetzungsfrist für die Richtlinie nicht überbewerten muss. Wenn die Senatsmehrheit aber eine "praktische kompetenzbegründende Wirkung" mit der Erwägung verneinen möchte, dass die zur Rechtsetzung befugten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters dort den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht "und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet" haben, unterstellt sie ohne weitere Anhaltspunkte, dass die Rechtsauffassung des Gerichtshofs vom gesetzgeberischen Willen gedeckt war. Wenn es noch eines gegenteiligen Indizes bedurft hätte, zeigt doch die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sehr deutlich, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ihre Handlungsspielräume keinesfalls in der Weise eingeschränkt wissen wollte, wie sie sich aus dem Urteil in der Rechtssache Mangold ergibt. Im Gegenteil: Der deutsche Vertreter im Rat hatte ersichtlich eine die Freiräume der Bundesrepublik Deutschland einschränkende gerichtliche Rechtsinterpretation nicht im Blick und musste diese auch nicht erkennen können.

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Schließlich macht auch die Tatsache, dass die Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs für die heute geltende Rechtslage keine Folgen mehr haben dürfte, nachdem ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechte-Charta enthalten ist, den Verstoß nicht ungeschehen - vor allem nicht mit Blick auf den vorliegenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts zu entscheiden hatte (vgl. BAG, Urteil vom 27. November 2003 - 2 AZR 177/03 -, juris, Rn. 16; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 170 EGBGB Rn. 3).

III.

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Unter diesen Umständen war es dem Bundesarbeitsgericht verwehrt, sich auf das Urteil in der Rechtssache Mangold zu berufen, den klaren Normanwendungsbefehl des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG unangewendet zu lassen und der Entfristungsklage stattzugeben. Da es dem Gericht umgekehrt nach Art. 234 EGV von Gemeinschaftsrechts wegen - und über Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch von Verfassungs wegen - nicht freistand, unter offener Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheiden, hätte der 7. Senat alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erwägen oder erörtern müssen, die sich abzeichnende Spannungslage aufzulösen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht - wie die Senatsmehrheit - die Kompetenzüberschreitung durch den Gerichtshof verkannt hat, zu Unrecht unterblieben.

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Vorrangig wäre insofern die Inanspruchnahme von Rechtsschutz auf Unionsebene in Betracht gekommen, wie es auch im - freilich erst nach der hier angegriffenen Entscheidung ergangenen - Lissabon-Urteil ausgeführt ist. Das Bundesarbeitsgericht wäre ohne Weiteres in der Lage gewesen, den Gerichtshof im Wege des Verfahrens nach Art. 234 EGV erneut und unter Darlegung der bestehenden Bedenken mit der Frage zu befassen, ob das Gemeinschaftsrecht die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verlangte. Das Gemeinschaftsrecht stand einer solchen erneuten, erweitert begründeten Vorlage nicht entgegen (vgl. EuGH, Beschluss vom 5. März 1986 - Rs. C-69/85 -, Slg. 1986, S. 947 Rn. 15). In diesem Rahmen hätte auch die Möglichkeit bestanden, explizit die Frage nach einer möglichen zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkungen zu stellen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. April 1976 - Rs. C-43/75, Slg. 1976, S. 455; Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 234 Rn. 67). Schon das Vorlageverfahren hätte mannigfache Möglichkeiten eröffnet, den sich abzeichnenden Konflikt zwischen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen in kooperativer Weise und in einem frühen Stadium aufzulösen oder doch zu entschärfen.

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Für den Fall einer vollumfänglichen Bestätigung der Mangold-Entscheidung hätte das Bundesarbeitsarbeitsgericht des Weiteren prüfen können und müssen, ob und inwieweit europarechtskonforme Entscheidungsmöglichkeiten bestanden, die den in § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen jedenfalls im Ergebnis respektiert hätten, etwa indem der vorliegende Rechtsstreit unter Nichtanwendung der genannten Vorschriften nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entschieden worden wäre. Nur wenn auch solche Wege nicht gangbar gewesen wären, hätte das Bundesarbeitsgericht den Weg der Normenkontrolle entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG zur förmlichen Feststellung der Kompetenzüberschreitung durch das Bundesverfassungsgericht gehen können und müssen. Dies zeigt im Übrigen, dass die Ultra-vires-Kontrolle über weite Strecken in europarechtsfreundlicher, kooperativer Weise ausgeübt werden kann; der eigentliche Akt der Feststellung von Kompetenzüberschreitung und Unanwendbarkeit durch das Bundesverfassungsgericht bleibt folglich in jedem Fall ultima ratio.