Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Juli 2015 - 4 K 62/13

ECLI:ECLI:DE:FGST:2015:0707.4K62.13.0A
bei uns veröffentlicht am07.07.2015

Tenor

Das Verfahren wird bezüglich der Festsetzung des kindergeldbezogenen Entgeltbestandteils als Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-L eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Sohn der Klägerin M., geb. … 1984, im Zeitraum Januar 2008 bis Februar 2009 Einkünfte und Bezüge in kindergeldschädlicher Höhe erhalten hatte.

2

M. hatte im Oktober 2007 ein Promotionsstudium an der University of Bath aufgenommen, welches drei Jahre dauern sollte. Er erhielt von der University of Bath ein Stipendium in Höhe von umgerechnet 18.082 € (2008) und 2.657 € (Januar und Februar 2009), das ihm infolge englischer Steuergesetzgebung steuerfrei ausgezahlt wurde. In Großbritannien bewohnte er zunächst möblierte Zimmer, im August 2008 bezog er mit seiner Lebensgefährtin eine Wohnung.

3

Die Ermittlungen der Beklagten ergaben für 2008 und 2009 eine Überschreitung des Grenzbetrages, weil sie die Aufwendungen des Sohnes der Klägerin für seine Unterkunftskosten im Ausland nicht mindernd berücksichtigte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnungen in den angefochtenen Bescheiden und dem Schriftsatz der Beklagten vom 08. Juli 2009 Bezug genommen. Sie lehnte daraufhin den Antrag auf Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 ab.

4

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs erhob die Klägerin Klage (damaliges Aktenzeichen : 4 K 331/09) mit dem Ziel, dass die Aufwendungen von M. für die Unterkunft am Studienort Einkünfte und Bezüge mindernd berücksichtigt würden, weil es sich um  beruflich bedingte Werbungskosten für einen Zweitwohnsitz im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung handele. Ihr Sohn habe mit ihr einen gemeinsamen Haushalt in H. unterhalten, der Mietvertrag sei auch von ihm unterschrieben worden. Sein Lebensmittelpunkt habe sich im Streitzeitraum in Deutschland befunden. Die Einkünfte aus dem Promotionsstudium seien nach deutschem Recht als einkommensteuerpflichtige Einkünfte einzustufen, denn das Stipendium sei mit Regelungen verbunden, welche typisch für Ausbildungs- oder Dienstverträge seien (Nachweis  der Fortschritte im Forschungsprojekt z.B. durch regelmäßige Veröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen, Ableistung einer bestimmten Anzahl von Semesterwochenstunden/Jahressemesterwochen). Die geltend gemachten Aufwendungen haben ausschließlich mit dem gewährten Studium in wirtschaftlichem Zusammenhang gestanden, denn das Promotionsstudium wäre ohne die gewährten Mittel nicht durchgeführt worden.

5

Soweit die Klägerin auch die Festsetzung des kindergeldbezogenen Entgelttatbestandteils als Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-L begehrte, hat sie die Klage diesbezüglich mit Schreiben vom 30. März 2009 zurückgenommen.

6

Mit Urteil vom 31. Mai 2011 hat das Gericht die Klage wegen Überschreitung des Grenzbetrags abgewiesen.

7

Nach Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Revisionsverfahren III R 13/12 das Urteil aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen. Bei Bejahung eines doppelten Haushaltes könnten die Aufwendungen dafür als Werbungskosten/Betriebsausgaben oder ausbildungsbedingter Mehraufwand abgezogen werden.

8

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass die Unterkunftskosten ihres Sohnes im Ausland mindernd zu berücksichtigen seien.

9

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 04. März 2009
die Beklagte zu verpflichten,
Kindergeld für M. für den Zeitraum Januar 2008 bis Februar 2009 festzusetzen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

11

Ihrer Ansicht nach habe die Klägerin einen Haushalt ihres Sohnes im Inland nicht hinreichend beweisen können.

12

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 07. Juli 2015 Dr. M. und seine Ehefrau D. als Zeugen zu der Frage vernommen, ob der Sohn der Klägerin, Dr. M., im Streitzeitraum in H. einen Wohnsitz und eine doppelte Haushaltsführung hatte.

13

Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

14

Die für die Klägerin geführte Kindergeldakte hat dem Senat vorgelegen.

Entscheidungsgründe

15

I. Der während des Klageverfahrens durch einen Organisationsakt eingetretene Zuständigkeitswechsel (Art. 1 §§ 1 und 3 i.V.m. Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Landesfinanzverwaltung, GVBl LSA Nr. 21/2014, 446) führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vergleichbar BFH Beschluss vom 19. Juni 2013 -III B 79/12, BFH/NV 2013, 1422).

16

II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Im Streitzeitraum übersteigen die Einnahmen des Sohnes der Klägerin den (anteiligen) Grenzbetrag, weil in keiner der durch den BFH in seiner Revisionsentscheidung III R 13/12 aufgeführten Konstellation Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung mindernd zu berücksichtigen sind. Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass ihr Sohn im Streitzeitraum einen Wohnsitz und/oder den gewöhnlichen Aufenthalt und  seinen Haupthausstand/Mittelpunkt der Lebensführung in H. hatte.

17

1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) wird ein Kind, das -wie im Streitfall der Sohn der Klägerin- das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Bst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wird, beim Kindergeldanspruch des Berechtigten nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von -in 2008 und 2009- nicht mehr als 7.680 € im Kalenderjahr hat. Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Grenzbetrag um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG). Da M. im Februar 2009 sein 25. Lebensjahr vollendete, beträgt somit der anteilige Grenzbetrag für 2009  1.280 €.

18

Der Senat unterlässt  Ausführungen zu den Berechnungen im Einzelnen, weil zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber besteht, dass sich die Einkünfte/Bezüge nur dann in einem kindergeldunschädlichen Bereich befinden, wenn die Aufwendungen des Sohnes der Klägerin, sei es unmittelbar oder in mittelbarer Anwendung der entsprechenden Vorschriften, für eine doppelte Haushaltsführung, und hier insbesondere für die Unterkünfte in Großbritannien, mindernd berücksichtigt werden können.

19

2. Gemäß § 8 Abgabenordnung (AO) hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

20

In ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH Urteil vom 25. September 2014 -III R 10/14, BFH/NV 2015, 266, m.w.N.) der sich das erkennende Gericht angeschlossen hat, sind die Voraussetzungen geklärt worden, die zur Annahme eines Wohnsitzes führen, wobei es letztendlich auf die Abwägung der Gesamtumstände ankommt. Ein Wohnsitz nach § 8 AO bedingt danach neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinn, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit -wenn auch in größeren Zeitabständen- aufsucht (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294).

21

Der Wohnsitzbegriff setzt zwar weder voraus, dass die Wohnung im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917), noch einen Aufenthalt während einer Mindestzeit (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447). Erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 10. April 2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909).

22

Auch die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt (FG München Urteil vom 13. März 2014 – 5 K 3450/12, IStR 2015, 179, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums (Ausbildung) für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Urlaubszwecken, Besuchszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, reicht nicht aus, um "zwischenzeitliches Wohnen" und damit einen inländischen Wohnsitz anzunehmen (BFH Urteil vom 25. September 2014 – III R 10/14, a.a.O.). Die zeitlichen Anforderungen an die Inlandsaufenthalte nehmen mit der Studiendauer zu, Zeiträume von drei bis fünf Jahren Studiendauer sind regelmäßig als unbedenklich angesehen worden (FG Nürnberg Urteil vom 23. Oktober 2014 -6 K 441/14, EFG 2015, 233 m.w.N.).

23

Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinn besteht nicht nur darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit zur Verfügung steht, sondern auch darin, dass diese von ihm subjektiv zu einem entsprechenden Aufenthalt mit Wohncharakter bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteile vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; vom 13. November 2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046).

24

Wie oben bereits dargelegt, setzt der Wohnsitzbegriff regelmäßig nicht voraus, dass die Wohnung im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet. In den Fällen, in denen der Auslandsaufenthalt von vornherein zeitlich beschränkt ist, weil er der Durchführung einer bestimmten Maßnahme -wie z.B. hier der Durchführung des Promotionsstudiums- dient, und eine Rückkehrabsicht besteht, wird nach der Rechtsprechung der Inlandswohnsitz beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnsitz hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohn-ort liegt (FG Nürnberg Urteil vom 23. Oktober 2014 -6 K 441/14, a.a.O.).

25

Nach der Beweisaufnahme ist der Senat nicht davon überzeugt, dass M. im Streitzeitraum Januar 2008 bis Februar 2009 in H. einen Wohnsitz i.S.v. § 8 AO unterhielt. Die Abwägung der Gesamtumstände spricht vielmehr gegen einen Wohnsitz im Inland.

26

Indem M. mit seiner Mutter im Inland eine Drei-Raum-Wohnung angemietet hatte, in der er ein Zimmer nutzte, verfügte er über einen zum dauerhaften Wohnen geeigneten Raum, den er kraft seiner (Mit-)Mieter-Stellung auch jederzeit aufsuchen konnte. Tatsächlich bestimmte er jedoch nicht allein und ausschließlich über das Zimmer, denn es bot gleichzeitig die einzige Möglichkeit, um auf den zur Wohnung gehörenden Balkon zu gelangen und wurde von der Klägerin, wenn auch im Einverständnis mit ihrem Kind, jederzeit dazu genutzt.

27

M. hat diesen Ort nicht in dem von § 8 AO geforderten Umfang bewohnt.

28

Ausweislich der geltend gemachten und belegten Familienheimfahrten hielt er sich im Streitzeitraum nur drei Mal für eine kurze Zeit im Inland auf (18.12.2007-06.01.2008, 09.07.-16.07.2008 und 19.12.2008-09.01.2009). Im Sinne der geschilderten Rechtsprechung handelt es sich dabei nur um wenige, kurzzeitige Aufenthalte (zumal einige der genannten Tage auf die Reise selbst entfallen, was den tatsächlichen Aufenthalt wiederum verkürzt), die gegen einen Wohncharakter und für einen Besuchscharakter der Reise sprechen. Dies gilt umso mehr, als sich M. bereits seit 2003 zu Ausbildungszwecken in G. befand, so dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung infolge der fast fünf Jahre dauernden auswärtigen Unterbringung Aufenthalte am behaupteten Wohnsitz von längerer Dauer als zwei bis drei Wochen pro Jahr sein müssen, um einen Wohncharakter zu haben. Im Übrigen fuhr er im Wesentlichen über die Weihnachtsfeiertage/den Jahreswechsel nach H., was stärker für ein Besuchen als für ein Wohnen spricht. Dass die Universität feste Urlaubszeiten hatte, ändert daran nichts, weil der Zeuge in seiner Urlaubsplanung nur insoweit eingeschränkt war, als er sich mit seinem Dozenten absprechen musste.

29

Für einen Besuchscharakter sprechen auch die Aussagen von Klägerin und des Zeugen sowohl hinsichtlich des Verhaltens des Zeugen als auch hinsichtlich der Einschätzung der Art des Aufenthaltes. So teilte die Klägerin mit, dass sich ihr Sohn nicht an den Kosten des Haushalts in H. beteiligte. Wenn er in H. war, hielt er sich selten in der Wohnung auf, sondern besuchte seine Freunde oder unternahm etwas mit der Klägerin. Hauswirtschaftliches Leben in der Wohnung fand eher selten statt. Der Zeuge wertete die Aufenthalte in H. ausdrücklich als Familienbesuche bzw. Besuche bei der Klägerin.

30

Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass der Aufenthalt ihres Sohnes von vornherein auf drei Jahre befristet war, er danach ins Inland zurückkehren wollte, ist dies für die Beurteilung als Wohnsitz unerheblich (BFH Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, a.a.O.). Ebenso sind melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes  für die Auslegung des steuerrechtlichen Wohnsitzbegriffes nicht maßgeblich (BFH Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2). § 8 AO knüpft allein an die tatsächliche Gestaltung an.

31

3. M. hatte auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in H.

32

Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, § 9 Satz 1 AO.

33

Kein nur vorübergehender Aufenthalt ist gegeben, wenn er sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Vorübergehend ist insbesondere ein Aufenthalt zu Besuchszwecken (Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Oktober 2008, § 9 Rn 6).

34

Wie oben ausgeführt, war M. nur kurzzeitig im Inland. Des Weiteren überwog der Besuchscharakter seiner Aufenthalte.

35

4. Da sich das erkennende Gericht weder von Wohnsitz noch vom gewöhnlichen Aufenthalt des Sohnes der Klägerin im Inland überzeugen konnte, können die Kosten der Unterkunft im Ausland nicht bei den Einnahmen abgezogen werden.

36

Der Senat lässt offen, ob ein Abzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG oder nach § 9 Abs. 1 EStG stattzufinden hätte, weil die Voraussetzungen beider Vorschriften in entscheidungserheblichen Punkten identisch sind.

37

Denn sowohl § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG als auch § 9 Abs. 1 EStG setzen unter anderem voraus, dass nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des einzelnen Falles die nicht am Studien-/Beschäftigungsort belegene Wohnung ("Haupthausstand") als Mittelpunkt der Lebensführung anzusehen ist (ständige Rechtsprechung z.B. BFH Urteil vom 16. Januar 2013 VI R 46/12, juris.bundesfinanzhof.de; vom 19. September 2012 VI R 78/10, BStBl II 2013, 284).

38

Seinen Lebensmittelpunkt hat jemand dort, wo er sich regelmäßig, abgesehen von Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten, aufhält und von wo aus er sein Privatleben führt. Die Wohnung am Lebensmittelpunkt entspricht den Lebensbedürfnissen, wird von dem Betreffenden selbst unterhalten und daher nicht nur für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte vorgehalten (FG München Urteil vom 31. März 2011 – 5 K 2018/10, Haufe-Index 2879395). Indizien für oder gegen einen Mittelpunkt der Lebensinteressen können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH Beschluss vom 27. Mai 2009 –VI B 162/08, BFH/NV 2009, 1435; Urteil vom 21. April 2010 –VI R 26/09, BFH/NV 2010, 1894).

39

Im Streitfall konnte sich der erkennende Senat nicht von dem Vorliegen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalt des Sohnes der Klägerin im Inland überzeugen, weil der Besuchscharakter der Aufenthalte im Inland überwog (siehe oben II. Nr. 2 und 3). In diesem Fall kann aber schon kein Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland gegeben sein. Denn wer sich in einer Wohnung nur besuchsweise aufhält, kann von dort aus nicht sein (gesamtes) Privatleben führen, sondern nur einen (geringen) Teil davon. Eine hilfsweise vorgenommene Abwägung der Indizien unter dem Aspekt des Lebensmittelpunktes kommt zu demselben Ergebnis. Denn der Sohn der Klägerin hielt sich nur drei Mal für insgesamt knapp drei Wochen im Inland auf. Seit fast fünf Jahren unterhielt er aber bereits einen eigenen Hausstand an seinem Ausbildungsort, was häufigere Fahrten zu dem Haupthausstand erforderlich macht, um für eine Beibehaltung des Lebensmittelpunktes dort zu sprechen. In H. bewohnte er zwar ein eigenes Zimmer, dieses wurde jedoch von der Klägerin auch als Durchgang zum Balkon genutzt. Er trug nach Aussage der Klägerin auch keinerlei Aufwendungen für den Unterhalt des Haushalts im Inland. Im Ausland bewohnte er zunächst möblierte Zimmer, Mitte 2008 bezog er jedoch mit seiner Lebensgefährtin eine (teilmöblierte) Wohnung, was nach der Lebenserfahrung die Lebensbedürfnisse eines jungen Mannes, der sein (Haupt-)Studium bereits abgeschlossen hat, eher erfüllt. Die persönlichen Beziehungen ins Inland, dergestalt, dass er sich die Wohnung im Inland mit der Klägerin, seiner alleinstehenden Mutter teilte, reichen demgegenüber nicht aus, um einen Lebensmittelpunkt zu begründen.

40

5. Selbst wenn das Gericht zu Gunsten der Klägerin annehmen würde, dass sich der Lebensmittelpunkt ihres Sohnes bis Ende Juli 2008, dem Zeitpunkt des Zusammenziehens mit seiner Lebensgefährtin, in H. befunden hat und erst dann verlagerte, reichen die Aufwendungen nicht aus, um den Grenzbetrag (7.680 €) zu unterschreiten.

41

in €:

42

Einnahmen

18.081

abzüglich der Aufwendungen bis 07/08

        

Miete 

-1.047,55

        

-401,01

Umzug 

-709,81

Miete bis 07/08

-3.587,5

Strom 

-48,50

Gas     

-63,54

Strom/Gas bis 07/08

-168,54

Wasser

-34,76

bis 07/08

-92,99

Heimfahrten

-177,70

Arbeitsmittel

-299,19

Summe:

11.449,91

43

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) und bezieht sich nach § 143 Abs. 2 FGO auch auf die Kosten des Beschwerde- und Revisionsverfahrens.

44

Die Einstellung des zurückgenommenen Teils der Klage folgt aus § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO.


Urteilsbesprechung zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Juli 2015 - 4 K 62/13

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Juli 2015 - 4 K 62/13

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Einkommensteuergesetz - EStG | § 9 Werbungskosten


(1) 1Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. 2Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. 3Werbungskosten sind auch 1. Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beru
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 07. Juli 2015 - 4 K 62/13 zitiert 11 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


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Einkommensteuergesetz - EStG | § 9 Werbungskosten


(1) 1Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. 2Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. 3Werbungskosten sind auch 1. Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beru

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 143


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. (2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheid

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Abgabenordnung - AO 1977 | § 8 Wohnsitz


Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 9 Gewöhnlicher Aufenthalt


Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist ste

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 72


(1) Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheides ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Bek

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Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte und Beschwerdeführerin (Familienkasse) das Kindergeld für die Monate August und September 2010 (Streitzeitraum) in zutreffender Höhe an die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) abgezweigt hat.

2

Die Klägerin ist die Tochter des Beigeladenen (B). Sie beantragte, das zugunsten des B festgesetzte Kindergeld in voller Höhe an sie auszuzahlen (Abzweigung). Die Familienkasse lehnte dies ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch war teilweise erfolgreich. Mit Änderungsbescheid vom 2. September 2010 in Verbindung mit der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2010 wurde das Kindergeld in Höhe von 109 € ab August 2010 an die Klägerin abgezweigt (§ 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes). Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. B sei bis einschließlich Juli 2010 seiner Unterhaltsverpflichtung mindestens in Höhe des Kindergelds nachgekommen. Ab August 2010 leiste er noch einen Unterhalt in Höhe von 75 € monatlich, so dass eine Abzweigung in Höhe von 109 € (184 € bis 75 €) ermessensgerecht sei.

3

Die hiergegen erhobene Klage, mit der sich die Klägerin gegen die nur teilweise Abzweigung des Kindergelds ab August 2010 wandte, war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete die Familienkasse unter Aufhebung des Änderungsbescheids vom 2. September 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2010, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden. Im Streitfall habe die Familienkasse nicht aufgeklärt, ob die Vereinbarung zwischen der Klägerin und B dahin gehe, Unterhalt von 75 € zuzüglich das Kindergeld zu zahlen. Um eine sachgerechte Ermessensentscheidung treffen zu können, hätte die Familienkasse aufklären und entsprechend würdigen müssen, welche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und B im Einzelnen getroffen worden seien.

4

Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde begehrt die Familienkasse die Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

6

1. Die Familienkasse Bayern Süd der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 1 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit Regensburg --Familienkasse-- eingetreten (s. dazu BFH-Beschluss vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

7

2. Der von der Familienkasse geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) liegt nicht vor.

8

a) Eine Divergenz ist anzunehmen, wenn das FG mit einem das angefochtene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178, m.w.N.).

9

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

10

aa) Zur Begründung der geltend gemachten Divergenz führt die Familienkasse im Wesentlichen aus, das FG habe, da im Streitfall der nicht an die Klägerin abgezweigte Kindergeldbetrag von 75 € bereits an B ausgezahlt worden sei, den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, eine Abzweigung von Kindergeld sei auch noch dann möglich, wenn der Kindergeldberechtigte bereits das Kindergeld erhalten habe. Dieser Rechtssatz widerspreche dem in dem Senatsurteil vom 26. August 2010 III R 21/08 (BFHE 231, 520) aufgestellten Rechtssatz, wonach die Abzweigung von bereits ausgezahltem Kindergeld nicht möglich sei.

11

bb) Es ist zwar zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Senats --wie von der Familienkasse ausgeführt-- an den Kindergeldberechtigten bereits ausgezahltes Kindergeld nicht mehr abgezweigt werden kann. Die Abzweigung von bereits ausgezahltem Kindergeld scheidet aus, da der Kindergeldanspruch durch die Auszahlung erlischt (Senatsurteile in BFHE 231, 520, zur Abzweigung an Sozialleistungsträger; vom 27. Oktober 2011 III R 16/09, BFH/NV 2012, 720, zur Abzweigung an Kind). Auch wenn in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen das Kindergeld in voller Höhe an den Kindergeldberechtigten ausgezahlt wurde, kann für den Fall, dass nach Erlass eines die anteilige Abzweigung vorsehenden Bescheids der Restbetrag an den Kindergeldberechtigten ausgezahlt wird, nichts anderes gelten. In einem solchen Fall erlischt der Kindergeldanspruch in der Höhe, in der das Kindergeld an den Berechtigten ausgezahlt wird (§ 47 der Abgabenordnung). Bei diesem Ergebnis bliebe es selbst dann, wenn eine Abzweigung des Kindergelds in voller Höhe hätte erfolgen müssen. Dies deshalb, weil das bloße Bestehen einer Abzweigungslage ohne Vorliegen eines Abzweigungsbescheids die Empfangsberechtigung des Kindergeldberechtigten im Auszahlungsverfahren (Erhebungsverfahren) unberührt lässt (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 720, unter II.2.c).

12

cc) Das FG hat aber in dem angegriffenen Urteil --entgegen den Ausführungen der Familienkasse-- gerade keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt.

13

Ein abweichender abstrakter Rechtssatz kann sich zwar auch aus scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen des FG ergeben. Das FG muss die Rechtsfrage aber entscheiden und darf sie nicht übersehen haben (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2012 III B 3/11, BFH/NV 2012, 1473, m.w.N.). Im Streitfall hat sich das FG zu der Frage, ob ein anteilig an den Kindergeldberechtigten ausgezahltes Kindergeld noch abgezweigt werden kann, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht geäußert. Dieser Gesichtspunkt wurde von der Familienkasse auch nicht im erstinstanzlichen Verfahren thematisiert. Dort führte sie aus, die Abzweigungsentscheidung sei rechtmäßig, weil B monatlich Unterhalt in Höhe von 75 € leiste. Vielmehr hat die Familienkasse erstmals in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass für den Streitzeitraum der Restbetrag in Höhe von 75 € bereits an B ausgezahlt worden sei. Dies lässt nur den Rückschluss zu, dass das FG die bezeichnete Rechtsfrage übersehen hat. Es mag zwar sein, dass für das FG Anlass zur Prüfung einer anteiligen Auszahlung des Kindergelds an B bestanden hätte. Es hat aber in den Urteilsgründen den von der Familienkasse bezeichneten abweichenden Rechtssatz weder ausdrücklich noch konkludent aufgestellt.

14

Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich der Umfang der materiellen Rechtskraft der FG-Entscheidung (Bescheidungsurteil nach § 101 Satz 2 FGO) aus den Entscheidungsgründen ergibt. Die hierin verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung bestimmt die Rechtskraftwirkung i.S. des § 110 FGO (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 101 Rz 47, § 110 FGO Rz 66). Danach dürften vom FG weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht geprüfte Gesichtspunkte keine Bindungswirkung entfalten.

15

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Tatbestand

1

I. Es ist streitig, ob dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) für seine in den USA studierende Tochter (T) Kindergeld für den Zeitraum Januar 2009 bis August 2011 zusteht.

2

T absolvierte nach ihrem im Sommer 2008 abgelegten Abitur ab August 2008 ein einjähriges Au-Pair-Programm in den USA, welches einen Sprachkurs von zehn Stunden pro Woche umfasste. Während des Auslandsaufenthalts entschloss sich T zu einem Studium in New York. Seit September 2009 studiert sie dort. Der Abschluss ist für das Jahr 2014 geplant.

3

Während ihres Auslandsaufenthalts stand T ihr ehemaliges Kinderzimmer im väterlichen Wohnhaus in B zur Verfügung. Im Streitzeitraum hielt sie sich vom 18. Dezember 2009 bis zum 4. Januar 2010, vom 11. Februar 2011 bis zum 1. April 2011 und vom 1. August 2011 bis zum 4. September 2011 auf (außerhalb des Streitzeitraums: 20. Dezember 2011 bis 3. Januar 2012, 3. Februar 2012 bis 6. März 2012, 4. April 2012 bis 16. April 2012).

4

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2009 auf und führte zur Begründung an, T habe ab diesem Zeitpunkt keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland).

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war erfolgreich. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, dass T ab 2009 weiterhin nach Gesamtwürdigung aller Umstände ihren Wohnsitz im Inland beibehalten habe. Der Umstand, dass T nicht die gesamte ausbildungsfreie Zeit in der inländischen Wohnung verbracht habe, sei nicht ausschlaggebend. Ursächlich hierfür sei nicht die Loslösung von der inländischen Wohnung, sondern fehlende finanzielle Mittel gewesen. Die Sichtweise der Familienkasse würde dazu führen, dass wohlhabende Eltern, die höhere Flugkosten tragen könnten, eher in den Genuss von Kindergeld kämen.

6

Mit der Revision macht die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung des § 8 der Abgabenordnung (AO) geltend. Der in § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannte Wohnsitz der Kinder im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union richte sich nach § 8 AO. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kind, das sich zeitweise im Ausland aufhalte, seinen inländischen Wohnsitz beibehalte oder aufgebe und möglicherweise später neu begründe, seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Dabei komme der Häufigkeit und Dauer der Inlandsaufenthalte eine erhebliche Bedeutung zu. Das FG Köln (Urteil vom 22. Juli 2007  15 K 3039/04, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1174) gehe davon aus, dass grundsätzlich die gesamte ausbildungsfreie Zeit im Inland verbracht werden müsse. Das FG München (Urteil vom 22. Dezember 2008  10 K 3104/07, juris) verlange, dass das Kind zumindest die weitaus überwiegende ausbildungsfreie Zeit im Inland verbringe. Indem das FG eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes des Kindes angenommen habe, obwohl es sich im Jahr 2009 lediglich an 14 Tagen und im Jahr 2010 nur an vier Tagen im Inland aufgehalten habe, habe es § 8 AO unzutreffend ausgelegt.

7

Die Familienkasse beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Eine fehlerhafte Auslegung des § 8 AO durch das FG liege nicht vor. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. April 2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013) sei eine starre Aufenthaltsgrenze im Inland von fünf Monaten nicht mehr erforderlich. Darüber hinaus entsprächen die von der Familienkasse geforderten Inlandsaufenthalte in den unterrichtsfreien Zeiträumen nicht der Lebenswirklichkeit.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das FG hat einen inländischen Wohnsitz der T bejaht. Die Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Tochter des Klägers im Streitzeitraum ihren Wohnsitz im Inland (beibehalten) hatte.

12

1. Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen (vgl. § 32 Abs. 1 und 6 EStG).

13

2. Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt (z.B. Senatsurteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; Senatsbeschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38).

14

a) Nach § 8 AO, der auch im Rahmen der Prüfung des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG über § 1 Abs. 1 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG Anwendung findet, hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Damit knüpft der Wohnsitzbegriff des § 8 AO ausschließlich an die tatsächliche Gestaltung und nicht an subjektive Vorstellungen an (BFH-Urteil vom 12. Januar 2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 38, Rz 7 ff.).

15

Ein Wohnsitz nach § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinn voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit --wenn auch in größeren Zeitabständen-- aufsucht (BFH-Urteil vom 23. November 2001 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.2.a). Der Wohnsitzbegriff setzt zwar weder voraus, dass die Wohnung im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, unter II.3.a) noch einen Aufenthalt während einer Mindestzeit (BFH-Urteile vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447, unter II.3.; in BFH/NV 2001, 1231); erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 10. April 2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909, unter II.2.c aa, m.w.N.).

16

Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinn besteht nicht nur darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit zur Verfügung steht, sondern auch darin, dass diese von ihm subjektiv zu einem entsprechenden Aufenthalt mit Wohncharakter bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteile vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301, unter 1.a; in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.2.a; vom 13. November 2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046, unter II.2.b).

17

b) Bei Kindern, die zum Zwecke der Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung auswärtig untergebracht sind, reicht es für einen Inlandswohnsitz daher nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Aufnahme im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils grundsätzlich für die Dauer der Ausbildung fortbesteht, gibt es nicht (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 8 AO, Rz 40; vgl. Senatsurteil vom 7. April 2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, unter II.1.c).

18

aa) Es muss, um einen inländischen Wohnsitz in diesen Fällen  annehmen zu können, eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden sein, die über die allein durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine eigene betrachtet (BFH-Urteil vom 17. März 1961 VI 185/60 U, BFHE 73, 82, BStBl III 1961, 298).

19

Die Beantwortung der Frage, ob ein Kind, das sich zeitweise außerhalb des elterlichen Haushalts im Ausland zu Ausbildungszwecken aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält oder aber zunächst aufgibt und bei einer späteren Rückkehr wieder neu begründet, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des jeweiligen Falles. Generelle Regeln lassen sich nicht aufstellen. Die Umstände müssen aber nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass das Kind die Wohnung innehat, um sie als solche zu nutzen.

20

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat auf Grund zahlreicher Entscheidungen konkrete objektive Anhaltspunkte dargelegt, die Rückschlüsse auf die Beibehaltung oder die Aufgabe eines inländischen Wohnsitzes zulassen können. Neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen und im Elternhaus auf der anderen Seite, dem Zweck des Auslandsaufenthalts, den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 III B 154/11, BFH/NV 2012, 375, unter II.), kommt der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.a; Senatsbeschlüsse vom 27. Dezember 2011 III B 14/10, BFH/NV 2012, 555, unter II.1.; vom 17. Mai 2013 III B 121/12, BFH/NV 2013, 1381, unter 1.b aa; BFH-Beschluss vom 12. Februar 2014 V B 39/13, BFH/NV 2014, 715, unter 2.). Danach reicht bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Urlaubszwecken, Besuchszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht aus, um "zwischenzeitliches Wohnen" und damit einen inländischen Wohnsitz anzunehmen (Senatsurteil in BFH/NV 2009, 564, unter II.1.b; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 38, unter II.2.b).

21

bb) Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern daher nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.a).

22

Da die ausbildungsfreien Zeiten von der Art bzw. der Gestaltung des Studiums (z.B. Trimester), von länderspezifisch unterschiedlich ausgestalteten Semesterferien und auch von Anwesenheitsobliegenheiten (Seminar-/Hausarbeiten in der unterrichtsfreien Zeit, Examens-/Prüfungsvorbereitungen) abhängen können, kann eine Mindestdauer der Inlandsaufenthalte nicht verlangt werden. Erforderlich ist jedoch im Regelfall, dass die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbracht werden und es sich um Inlandsaufenthalte handelt, die Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen.

23

Bei der Ermittlung der Dauer der Inlandsaufenthalte bleiben solche Zeiten außer Betracht, in denen sich das Kind vor dem Beginn und nach dem Ende des Studiums im Inland aufhält (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.b).

24

Regelmäßig nicht ausreichend sind bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehungen begründete Besuche. Dies ist bei lediglich kurzzeitigen Aufenthalten --zwei bis drei Wochen pro Jahr (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 555, unter II.1.)-- nach der Lebenserfahrung der Fall.

25

cc) Keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beibehaltung des Wohnsitzes haben regelmäßig die Staatsangehörigkeit des Kindes, die Feststellung der Rückkehrabsicht ins Inland (BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.3.b), Aufenthalte der Eltern mit den Kindern außerhalb von Deutschland und melderechtliche Vorgaben.

26

Entgegen der Ansicht des FG können fehlende finanzielle Mittel für Heimreisen des Kindes nicht die fehlenden wesentlichen Inlandsaufenthalte in den ausbildungsfreien Zeiten kompensieren. Die gesetzliche Regelung (§ 8 AO) setzt neben dem Vorhandensein einer Wohnung, das "Innehaben" einer solchen voraus. Dabei sind die Voraussetzungen für das "Innehaben" einer Wohnung im steuerrechtlichen Sinn objektiviert (BFH-Urteil vom 23. November 1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, unter 1.b). Entscheidend sind daher die tatsächlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf subjektive Momente oder Absichten. Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die fehlenden Inlandsaufenthalte und damit für das fehlende "Innehaben" sind für die Frage des Wohnsitzes unerheblich (FG Köln, Urteil vom 22. Februar 2007  15 K 3039/04, EFG 2007, 1174).

27

3. Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen, obliegt im Wesentlichen dem FG; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist nur begrenzt überprüfbar (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

28

a) Die vom FG im Streitfall vorgenommene Würdigung ist auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zu beanstanden. Das FG-Urteil enthält keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes der T (zum Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2009 VII R 28/08, BFHE 225, 543; Senatsurteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483). Hierin liegt ein Rechtsfehler, den der erkennende Senat auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten hat (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 18/08, BFH/NV 2009, 1627, unter II.2.; Lange in HHSp, § 118 FGO, Rz 230, 100, m.w.N.).

29

aa) Das FG hat die Annahme eines inländischen Wohnsitzes der T im Wesentlichen aus den teilweise nur sehr kurzzeitigen Aufenthaltszeiten in ihrem ehemaligen Kinderzimmer, den zu Hause wohnenden jüngeren Geschwistern, der daraus abzuleitenden familiären Bindung an das elterliche Wohnhaus und aus den fehlenden finanziellen Mitteln für weitere Heimreisen abgeleitet. Diese tatsächlichen Umstände sind aber weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau ausreichend, nachvollziehbar die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitz der T anzunehmen.

30

bb) Das FG hat die jeweilige Dauer der ausbildungsfreien Zeiten der T nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, es sei nicht ausschlaggebend, dass T nicht die gesamte ausbildungsfreie Zeit in der inländischen Wohnung verbracht habe. So bleibt unklar, ob T sich weit überwiegend während der ausbildungsfreien Zeiten im Inland, in den USA oder an anderen Orten aufgehalten hat. Die Feststellung des FG, dass T die inländische Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum mehrfach für mehrere Wochen genutzt hat, betrifft nur das Jahr 2011. Im Jahr 2009 hat T ihr Zimmer im väterlichen Haus zwei Wochen und im Jahr 2010 lediglich an vier Tagen genutzt.

31

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen weder eine Beurteilung darüber zu, ob T ihren Wohnsitz im väterlichen Haus im gesamten Streitzeitraum beibehalten oder zunächst beibehalten, dann aufgegeben und ggf. wieder neu begründet hat. Das FG hat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

32

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass T zunächst nur einen vorübergehenden einjährigen Aufenthalt in den USA als Au-Pair geplant hatte. Bei voraussichtlicher Rückkehr innerhalb eines Jahres liegt regelmäßig keine Aufgabe des Wohnsitzes vor (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO, § 8 Rz 23, 43, 49 "Ausbildung"), so dass Inlandsaufenthalte für die Beibehaltung des Wohnsitzes nicht erforderlich sind. Wird die Absicht zur Rückkehr innerhalb eines Jahres aufgegeben, so kann in diesem Moment eine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgen. Entscheidend ist insoweit, in welchem Zeitpunkt Umstände eintreten, die nunmehr Rückschlüsse auf einen längerfristigen Auslandsaufenthalt zulassen. Ab diesem Zeitpunkt kommt den Inlandsaufenthalten bei der Frage der Beibehaltung des Wohnsitzes im Elternhaus wieder erhebliche Bedeutung zu. Das FG hat hierzu --aus seiner Sicht konsequent-- keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die ebenfalls nachzuholen sind.

33

4. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Der Senat hält es für sachdienlich gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

34

5. Die Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ab November 2002 bis einschließlich 2006 (Streitjahre) in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unbeschränkt steuerpflichtig war.

2

Der Kläger, ein schweizerischer Staatsbürger, war seit Mai 2001 als Pilot bei der Fluggesellschaft Z (Z) mit Einsatzflughafen in A (Inland) beschäftigt. Seit November 2001 lebte er zusammen mit seiner Partnerin in B (Schweiz) und hatte dort auch seinen Lebensmittelpunkt (Hauptwohnsitz). Da die Z von ihren Besatzungsmitgliedern verlangt, den Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten, und diese deshalb im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte (d.h. maximal 50 km vom Flughafen entfernt) über eine Unterkunft verfügen müssen, mietete der Kläger in der Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2002 im Haus der Familie X in Y zusammen mit zwei anderen Piloten --C und D-- eine sog. "Standby-Wohnung". In diesem Zeitraum hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Y gemeldet.

3

Da im Herbst 2002 absehbar war, dass der Kläger seltener in A sein werde, zog er --ebenso wie C und D-- innerhalb des Hauses der Familie X in ein ca. 12 qm bis 15 qm großes "Standby-Zimmer" in der Kelleretage um, welches er bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland aufsuchte, monatlich im Durchschnitt für drei Nächte. Als Miete zahlten der Kläger und die anderen beiden Piloten jeweils 50 € im Monat. Das Zimmer wurde von den Vermietern gereinigt; sie hatten auch die Nebenkosten zu tragen. Eine schriftliche Mietvereinbarung wurde nicht getroffen. Das mit Dusche, Toilette und Waschbecken ausgestattete Bad befand sich gleichfalls in der Kelleretage und wurde neben den Mietern auch von den Angehörigen der Familie X genutzt. Darüber hinaus befanden sich im Kellergeschoss weitere Räume der Vermieter (Werkstatt, Bastelraum, Bügelzimmer, Lagerraum und Heizungsraum). Auch das angemietete Zimmer, in dem der Kläger keine persönlichen Gegenstände aufbewahrte, wurde gelegentlich für Familien- und Gästebesuche der Familie X genutzt. Möbliert war das Zimmer mit einem doppelstöckigen Bett, einer Couch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch; diese Einrichtungsgegenstände sind von den Mietern angeschafft worden und nach deren Auszug in dem Zimmer verblieben. Seitens der Vermieter war das Zimmer mit einem Fernseher ausgestattet; eine Kochgelegenheit oder ein Kühlschrank waren nicht vorhanden.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2002 erklärungsgemäß zunächst nur die bis einschließlich Oktober 2002 erzielten Einkünfte. Für den Zeitraum November bis Dezember 2002 sowie die Jahre 2003 bis 2006 wurde für den Kläger der Lohnsteuerabzug für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gemäß § 39d des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) für die im Inland erzielten Anteile am Arbeitslohn (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 2002; sog. Inlandsanteil) durchgeführt. Dem lag die gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt der Z abgegebene Erklärung des Klägers zugrunde, dass er ab dem 1. November 2002 seinen inländischen Wohnsitz aufgegeben habe. Der Kläger erhielt daraufhin eine Bescheinigung zur Durchführung des Steuerabzugs für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer nach § 39d EStG 2002.

5

Im Anschluss an die am 12. Januar 2007 begonnene und mit Bericht vom 5. Dezember 2007 abgeschlossene Steuerfahndungsprüfung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) vertrat das FA die Ansicht, dass der Kläger auch ab dem 1. November 2002 einen Wohnsitz im Inland nach § 8 AO gehabt habe und deshalb in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Es setzte mit Bescheiden vom 16. Januar 2008 zum einen betreffend das Streitjahr 2002 die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer auf der Grundlage aller vom Kläger in diesem Jahr erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Inlands- und Auslandsanteile) sowie zum anderen --betreffend die Jahre 2003 bis 2006-- die vom Kläger gemäß § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 (i.V.m. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlagsgesetzes) nachzufordernde Lohnsteuer und die nachzufordernden Solidaritätszuschläge fest.

6

Während des Einspruchsverfahrens erkannte das FA für die Streitjahre 2003 bis 2006 weitere Werbungskosten und Sonderausgaben an und minderte dementsprechend mit Bescheid vom 18. September 2008 die Nachforderungsbeträge. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

7

Das Finanzgericht (FG) hat zu der Frage, ob der Kläger in der Zeit von Oktober 2002 bis einschließlich Dezember 2006 im Hause in Y eine Wohnung unter Umständen inne hatte, die darauf schließen lassen, dass er diese beibehalten und benutzen werde, durch Vernehmung der Eheleute X, deren Tochter sowie von C und D Beweis erhoben. Es hat der Klage stattgegeben (Urteil des Hessischen FG vom 12. April 2012  3 K 1061/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1718). Das Kellerzimmer habe den Mietern zwar eine selbständige Lebensführung ermöglicht und hierdurch die Mindestanforderungen einer Wohnung erfüllt. Das FG war jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger jederzeit über das Zimmer habe verfügen können. Dabei sei von Bedeutung, dass das Zimmer im maßgeblichen Zeitraum mindestens in zwei Fällen von Gästen der Familie X zu Übernachtungszwecken genutzt worden sei. Zwar hätten die Mieter das Zimmer während dieser Besuche nicht benötigt, so dass es tatsächlich zu keinem Konflikt hinsichtlich der Nutzung gekommen sei. Gleichwohl setze die (abstrakte) Verfügungsmöglichkeit i.S. von § 8 AO voraus, dass die Mieter im Konfliktfall ein Recht auf Nutzung des Zimmers gehabt hätten. Diesbezüglich habe die Beweisaufnahme aber kein eindeutiges Ergebnis ergeben. So hätten C und Frau X ausgesagt, dass die Familiengäste hinter den Piloten hätten zurücktreten und gegebenenfalls auf andere Schlafplätze ausweichen müssen. Dem stehe jedoch die Aussage von Herrn X gegenüber, nach der die Mieter im Falle einer Nutzung durch die Gäste der Vermieter hätten ausweichen müssen; zudem habe er ausgeführt, dass dies zu Beginn der Nutzung des Zimmers durch die Mieter mit diesen abgesprochen worden sei. Diese Unsicherheit gehe zu Lasten des FA. Des Weiteren fehle es an der Nutzung des Zimmers zu Wohnzwecken. Das Merkmal des Wohnens werde nicht erfüllt, wenn sich die Nutzung der Wohnung auf das reine Übernachten beschränke. Als geeignete Abgrenzungskriterien seien hierbei sowohl die Ausstattung als auch die Art der tatsächlichen Nutzung anzusehen.

8

Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Der Senat kann aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) unbeschränkt steuerpflichtig war. Das Urteil der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

1. Zwischen den Beteiligten besteht --jedenfalls nach ihrem gerichtlichen Vortrag-- Einvernehmen, dass der Kläger auch den sog. Auslandsanteil seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2002) als Verkehrsflugzeugführer zu versteuern hätte, wenn er im vorgenannten Zeitraum im Inland entweder einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte und deshalb nach § 1 Abs. 1 EStG 2002 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen wäre. Die Einkünfte würden dann als Teil des vom Kläger erzielten sog. Welteinkommens nach § 2 Abs. 1 EStG 2002 der Einkommensteuer unterliegen und dieser Besteuerungszugriff wäre auch nicht durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz 1992-- ausgeschlossen. Vielmehr sieht Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 vor, dass Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet; das Besteuerungsrecht wäre hiernach auch im Streitfall Deutschland zugewiesen.

12

2. Nach § 8 AO hat jemand (d.h. eine natürliche Person) einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen kann. Ob --und ggf. in welchem Umfang-- diese Voraussetzungen vom Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) erfüllt worden sind, kann der Senat nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend entscheiden.

13

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann und diese im Inland und/oder Ausland belegen sein können. Demgemäß ist es auch für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet (Senatsurteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, m.w.N.).

14

b) Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich --im Sinne einer bescheidenen Bleibe-- um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 15). In rechtlicher Hinsicht reicht es aus, wenn die Wohnung mit einfachsten Mitteln (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 8 AO Rz 23) ausgestattet ist; darauf, ob die Ausstattungsgegenstände vom Vermieter gestellt oder vom Mieter selbst beschafft worden sind, kommt es nicht an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. November 1969 III R 95/68, BFHE 97, 425, BStBl II 1970, 153); ebenso ist nicht erforderlich, dass das zur Wohnung gehörende Bad in den Wohnbereich integriert ist (weiter gehend Stapperfend in Herrmann/Heuer/ Raupach --HHR--, § 1 EStG Rz 63; Bad verzichtbar) oder der Vermieter eine Kochgelegenheit stellt (gl.A. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 15; Musil in HHSp, § 8 AO Rz 23; HHR/Stapperfend, § 1 EStG Rz 63). Soweit die Vorinstanz ferner davon ausgegangen ist, dass die für die Annahme einer Wohnung --d.h. für eine über das bloße Übernachten hinausgehende Wohnnutzung ("Verweilen")-- erforderliche Mindestgröße im Streitfall (12 qm bis 15 qm) gewahrt sei (vgl. dazu Musil in HHSp, § 8 AO Rz 22; HHR/Stapperfend, § 1 EStG Rz 63, jeweils m.w.N.), handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist.

15

c) Der Begriff des Wohnsitzes setzt ferner voraus, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung --d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt-- bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsurteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447).

16

aa) Der Ansicht der Vorinstanz, der Kläger habe die Räume deshalb nicht als Wohnung innegehabt, weil er sich auf das reine Übernachten beschränkt und damit der Kellerraum nicht die Funktion des Wohnens erfüllt habe, kann sich der Senat nicht anschließen. Zwar erfordert der Begriff der Wohnung i.S. von § 8 AO, dass die Wohnung nach ihrer Größe über das bloße Übernachten hinaus ein Verweilen in den Räumen als eine zumindest bescheidene Bleibe gestattet. Ist dies jedoch --wie auch im Streitfall entsprechend den bindenden Feststellungen des FG-- zu bejahen, so kann eine Wohnnutzung nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil der Steuerpflichtige seine Nutzung auf den Aufenthalt in den Räumen zum Zwecke der Übernachtung beschränkt. Letzteres stünde erkennbar im Widerspruch dazu, dass auch das Übernachten zur Wohnnutzung gehört und damit nicht als bloßes Aufenthaltnehmen qualifiziert werden kann (Hessisches FG, Urteil vom 13. Dezember 2010  3 K 1060/09, EFG 2011, 1133; FG Hamburg, Urteil vom 10. Juli 2008  6 K 56/06, juris; jeweils zu sog. "Stand-by-Wohnung"; vgl. auch Palandt/ Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., Einf v § 535 Rz 89: Wohnraum ist jeder zum Wohnen --insb. Schlafen, ... private Benutzung-- bestimmte Raum). Die Nutzung des Kellerraums für Übernachtungszwecke ist deshalb als Bestimmung des Klägers zu werten, die Räume für Wohnzwecke zu nutzen. Nur mit dieser Wertung stimmt überein, dass --wie der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 31. Mai 2006 I B 79/05 (juris) unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung erläutert hat-- eine Wohnnutzung weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen muss; erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (gl.A. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 27).

17

bb) Die tatrichterlichen Feststellungen gestatten jedoch keine Entscheidung dazu, ob der Kläger die Kellerwohnung "jederzeit" für seine eigenen Wohnzwecke nutzen konnte.

18

aaa) Der Ansicht der Vorinstanz, es könne nicht aufgeklärt werden, ob das Kellerzimmer dem Kläger jederzeit zur Wohnnutzung zur Verfügung gestanden habe, weil nach der Zeugenaussage des Vermieters die Piloten im Konfliktfall hinter den Gästen der Vermieterfamilie hätten zurücktreten müssen, mit der Folge, dass entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur objektiven Feststellungslast (vgl. hierzu Buciek in Beermann/ Gosch, AO § 8 Rz 11) ein Wohnsitz des Klägers im Inland nicht angenommen werden könne, schließt sich der Senat nicht an. Auch das Merkmal der jederzeitigen Verfügbarkeit ist einer wertenden Beurteilung zugänglich; es erfordert keine ausnahmslose Wohnnutzung, sondern --wie dargelegt-- die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, die Wohnung nach seinen Wünschen nutzen zu können. Demgemäß steht eine Nutzungseinschränkung, die zu Beginn des Nutzungsverhältnisses vereinbart wird, dann nicht der Annahme einer den Wohnsitz konstituierenden Verfügungsmacht entgegen, sondern ist vielmehr als deren (wunschgemäße) Ausübung zu werten, wenn dem Vermieter (oder dessen Bekannten, Verwandten, etc.) die Nutzung nur in wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen verbleiben soll (Unschädlichkeitsgrenze). Zudem wird bei Abschluss eines (auch mündlichen) Mietvertrags jedenfalls dann, wenn die Wohnung der beruflichen und durch wechselnde Arbeitszeiten gekennzeichneten Tätigkeit des Steuerpflichtigen dient, im Regelfall von einem jederzeitigen Zugriff des Mieters auf die Wohnung auszugehen sein. Im Streitfall entfällt hiernach die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bereits deshalb, weil der Vermieter nicht erläutert hat, für welche (konkreten) Einzelfälle der (nur) von ihm behauptete Nutzungsvorbehalt mit den Mietern vereinbart worden sei; demgemäß hat das FG auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob durch die Abrede die vorgenannte Unschädlichkeitsgrenze überschritten worden ist.

19

bbb) Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Sachverhalt nicht nur im Hinblick auf den Umfang des zugunsten der Vermieter vereinbarten Nutzungsvorbehalts aufzuklären haben. Es wird vor allem zu berücksichtigen haben, dass der Kläger das Zimmer zusammen mit zwei weiteren Piloten angemietet hatte und bereits dieser Umstand Anlass zu Zweifeln gibt, ob dem Kläger die Möglichkeit einer jederzeitigen Nutzung des Kellerraums für eigene Wohnzwecke eröffnet war. Allerdings wird die Verfügungsmacht über die Wohnung auch dann zu bejahen sein, wenn den Mitgliedern einer Wohngemeinschaft eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit zusteht (Musil in HHSp, § 8 AO Rz 29). Vorausgesetzt ist hierbei allerdings, dass dem einzelnen Mitglied (Mieter) jederzeit --und damit auch in Zeiten der gemeinsamen Nutzung-- die Möglichkeit der Wohnnutzung erhalten bleibt. Fehlt es hieran, weil die Größe der Räume --gemessen am Maßstab der bescheidenen Bleibe, d.h. beengter Raumverhältnisse mit nur zwei Schlafgelegenheiten-- kein gemeinsames Wohnen, sondern im Kern nur ein gleichzeitiges Übernachten gestattet und eine darüber hinausgehende Wohnnutzung die Abwesenheit der anderen Mieter erfordern würde, so verfügt der einzelne Mieter in der Regel auch dann nicht über eine Wohnung, wenn bei einer geringeren Anzahl von Mietern jedem Nutzer die Möglichkeit der Wohnnutzung --wann immer er es will-- eröffnet wäre. Demgemäß wird das FG im zweiten Rechtsgang vor allem zu klären haben, ob mit Rücksicht auf die Zimmergröße (12 qm bis 15 qm; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. April 1997 X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl II 1997, 611: "Kleinstappartement") eine gleichzeitige Wohnnutzung durch den Kläger sowie die beiden anderen Mieter in Betracht kommen konnte.

20

3. Sollte dies zu verneinen sein, so hätte der Kläger zwar keinen Wohnsitz im Inland gehabt. Unberührt hiervon bliebe jedoch die Prüfung, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und aus diesem Grund unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 EStG 2002 i.V.m. § 9 AO). Da das FG keine Feststellungen über den dienstlichen Einsatz des Klägers getroffen hat, wird dies im zweiten Rechtsgang --sollte es an einem Wohnsitz des Klägers im Inland gefehlt haben-- nachzuholen und der ermittelte Sachverhalt im Hinblick auf die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts zu würdigen sein, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt des zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten (§ 9 Satz 1 AO; vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 22. Juni 2011 I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001) als auch mit Rücksicht auf den Tatbestand des nicht nur vorübergehenden Verweilens im Inland (§ 9 Satz 2 AO; vgl. hierzu --einschließlich der Rechtsprechung zu den Fällen der täglichen oder regelmäßigen Rückkehr zum ausländischen Wohnort-- Buciek in Beermann/Gosch, AO § 9 Rz 16 ff.; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 9 AO Rz 7; Löffler/Stadler, Internationales Steuerrecht 2008, 832).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

I. Der verheiratete Kläger stammt aus der Türkei, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat drei Töchter, A., geb. 1987, B., geb. 1992, und C., geb. 1994.

Der Kläger mietete zusammen mit seiner Ehefrau am 16. Dezember 2010 eine 65,39 qm große Dreizimmerwohnung in X-Stadt (Anmerkung des Dokumentars: Inland).

Im September 2011 immatrikulierte sich B. für ein Theologiestudium mit dem Schwerpunkt Internationale Theologie an der Universität in Y-Stadt (Anmerkung des Dokumentars: Türkei). B. besitzt ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft.

Der Kläger teilte der damals noch zuständigen Familienkasse …. (Familienkasse) am 5. Dezember 2011 mit, dass seine Tochter B. zwar im Moment in Y-Stadt studiere, B. aber beabsichtige, ihr Studium in X-Stadt fortzusetzen. Seine Tochter komme alle zwei Monate nach Deutschland. Der Kläger legte seinem Schreiben eine Studienbescheinigung der Universität vom 16. September 2011 für B. bei.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 setzte die Familienkasse u.a. Kindergeld für B. ab September 2011 in Höhe von 190 € monatlich fest.

Mit Bescheid vom 8. März 2012 änderte die Familienkasse gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Festsetzung des Kindergelds für B. mit Wirkung ab April 2012 von monatlich 184 € auf monatlich 12,78 €, da B. ihren Wohnsitz in der Türkei habe. Da der Kläger eine beitragspflichtige Beschäftigung ausübe, bestehe ein Anspruch auf Kindergeld nach dem deutsch-türkischen Abkommen. Die Höhe des Kindergeldes für ein zweites Kind betrage nach diesem Abkommen 12,78 € monatlich.

Den dagegen eingelegten Einspruch vom 13. März 2012 wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012 als unbegründet zurück.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage und begehrt unter Aufhebung sowohl des Bescheids vom 8. März 2012 als auch der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012, ihm ab April 2012 für seine Tochter B. weiter Kindergeld von monatlich 184 € zu gewähren. Seine Tochter habe ihren Wohnsitz nach wie vor bei ihren Eltern. Sie halte sich nur vorübergehend zu Studienzwecken in der Türkei auf. B. habe ihren Wohnsitz im Inland nicht aufgegeben. Das Studium verlange die Anwesenheit in der Türkei auch in den Semesterferien, z.B. zur Erledigung von Hausarbeiten. Für B. handele es sich um eine „Heimreise“. Dies bedeute, dass sie nicht lediglich ihre Eltern besuche.

Der Semesterablauf von B. stelle sich wie folgt dar:

WS 2011/2012 

19. September 2011 bis 7. Januar 2012

        

        

Ferien 

 8. Januar 2012 bis 12. Februar 2012

SS 2012

13. Februar 2012 bis 10. Juni 2012

        

        

        

11. Juni 2012 bis 16. September 2012

WS 2012/2013

17. September 2012 bis 20. Januar 2013

        

        

        

21. Januar 2013 bis

10. Februar 2013

SS 2013

11. Februar 2013 bis 21. Juni 2013

        

        

        

22. Juni 2013 bis

16. September 2013

WS 2013/2014 

17. September 2013

        

        

        

        

In folgenden Zeiträumen sei B. bei ihren Eltern gewesen:

13. Januar 2012 bis 8. Februar 2012 (Flugbuchungsbestätigung/Rechnung)

21. Dezember 2012 bis 24. Dezember 2012 (Flugbuchungsbestätigung)

21. Januar 2013 bis 16. Februar 2013 (Flugbuchungsbestätigung)

26. Juni 2013 bis 14. August 2013 (Flugbuchungsbestätigungen)

Der Kläger trägt unter Vorlage eines Auszugs seines Mietvertrages ferner vor, dass seine Wohnung von seiner Ehefrau, ihm und derzeit von zwei seiner drei Kindern, B. und C., bewohnt werde. In Y-Stadt lebe B. mit verschiedenen Studentinnen zusammen. Voraussetzung des von B. gewählten Studiengangs sei der Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife. Ein in der Türkei abgelegter Schulabschluss sei für diesen Studiengang nicht ausreichend. Sämtliche Kommilitonen B.s hätten ihren Schulabschluss im Ausland getätigt. Das Studienfach sei somit einzigartig. Nach Abschluss ihres Studiums werde B. einen Beruf im Inland ausüben. Anderes anzunehmen, sei abwegig, da B. in Deutschland aufgewachsen sei. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch andere Studenten an der Hochschule in der Türkei studierten, für die Kindergeld gewährt würde.

Aufgrund des Beschlusses des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit (Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 14 ff., Nr. 1 der Anlage 2) ist seit 1. Mai 2013 die Familienkasse (die Beklagte) für den Streitfall zuständig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 8. März 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aufgrund der angegebenen Flugdaten halte sich B. entgegen den Angaben im Verwaltungsverfahren nicht alle zwei Monate im Inland auf. B. habe sich im Entscheidungszeitraum überwiegend in der Türkei aufgehalten. Die Wohnung des Klägers in X-Stadt sei für eine Familie mit drei erwachsenen Kindern nicht ausreichend groß. Den kurzzeitigen Aufenthalten in X-Stadt komme lediglich Besuchscharakter zu.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012, die Kindergeldakte, insbesondere die Studienbescheinigungen der Universität vom 16. September 2011 und vom 20. März 2012, die Aufklärungsanordnung vom 9. April 2013 und vom 3. Dezember 2013, die im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. März 2014 Bezug genommen.

Gründe

II. 1. Der während des Klageverfahrens durch den Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit vom 18. April 2013 Nr. 21/2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) eingetretene Zuständigkeitswechsel führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, oder BFH-Beschluss vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

2. Die zulässige Klage ist unbegründet.

2.1. Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass B. im Streitzeitraum (April 2012 bis Oktober 2012) noch einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland inne hatte.

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. Die Türkei zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

Der BFH hat bereits mehrfach in rechtsgrundsätzlicher Weise entschieden, dass die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG als weitere Ausprägung des Territorialitätsprinzips nicht sachwidrig ist und daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2013 III B 24/13, juris, m.w.N.).

Die Feststellungslast zum Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland als tatbestandliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch liegt beim Kindergeldberechtigten (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294).

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

aa) Melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung dieser Vorschriften nicht maßgeblich (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2).

Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d.h. der objektive Zustand. Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, nach dem Begründung, Beibehaltung und Aufgabe des Wohnsitzes rechtsgeschäftliche Willenserklärungen darstellen (§§ 7, 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), genügt deshalb für den Bereich des Steuerrechts ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann; auf den Willen des gesetzlichen Vertreters kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 7. April 2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, und vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

Der Wohnsitzbegriff i. S. von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus. Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz. Die gesetzliche Regelung geht dahin, aus äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das zukünftige tatsächliche Verhalten einer Person zu ziehen. Es handelt sich deshalb um eine Prognoseentscheidung.

Ein solcher Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für § 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet.

Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten oder benutzt wird, schließt nicht aus, dass die Wohnung vorübergehend nicht benutzt wird. Periodische Auslandsaufenthalte stellen das Innehaben eines Wohnsitzes auch dann nicht in Frage, wenn sie sich über einen Zeitraum von etlichen Jahren erstrecken.

Im Einzelfall können auch zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO), wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind (vgl. BFH in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2011 III B 24/10, BFH/NV 2012, 917).

Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist dafür aber nicht stets erforderlich. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält. Daher könnte z.B. für ein Kind, das sein langjähriges Auslandsstudium im November beginnt, das Kindergeld für den Monat Dezember mangels eines inländischen Wohnsitzes versagt werden, obwohl es sich in den vorangegangenen elf Monaten des Kalenderjahres ausschließlich im Inland aufgehalten hat; kehrt ein Kind z.B. nach Abschluss eines mehrjährigen Auslandsstudiums im Februar auf Dauer nach Deutschland zurück, so genügt dies nicht zur Begründung des Kindergeldanspruchs für den Monat Januar. Maßgeblich sind vielmehr nur die Dauer und die Häufigkeit der Inlandsaufenthalte während der Zeiträume, in denen das Kind im Ausland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die mit einer Unterbringung in einer studentischen Wohngemeinschaft verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedingt keine Auflösung der familiären Bindungen und bringt keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Studiums mit sich. Am Studienort oder in der Nähe des Studienortes in einem möblierten Zimmer oder Studentenheim wohnende Studenten behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern, soweit durch die auswärtige Unterbringung ihre Bindung zum Elternhaus bestehen bleibt. Dabei sind von der Rechtsprechung Zeiträume von drei bis fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden.

Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist.

Dient ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme (wie z.B. der Schul- oder Berufsausbildung), ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt, und hat der Betroffene die Absicht, nach dem Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, BFH-Beschluss vom 28. Januar 2010 III B 33/09, BFH/NV 2010, 829, und BFH-Urteil vom 28. April 2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013).

bb) Bei der Anwendung dieser Rechtsprechung des BFH ist nicht davon auszugehen, dass B. im Streitzeitraum über einen Wohnsitz bei den Eltern im Inland verfügte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Der Kläger hat keine schlüssigen Angaben gemacht geschweige denn Nachweise beigebracht, die einen gegenteiligen Schluss zuließen. Dies geht zu seinen Lasten.

Der ausschließliche Inlandsaufenthalt B.s vor Antritt ihres Studiums in der Türkei kann nicht begründen, dass der inländische Wohnsitz bis zum Ende des Jahres 2011 beibehalten wurde.

Aufgrund ihres mehrjährig dauernden Studiums hat B. jedenfalls einen Wohnsitz in Y-Stadt begründet. Trotz Hinweises des Gerichts hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass B. einen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse in X-Stadt beibehalten hat.

Die Familienkasse hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, dass der Studienaufenthalt B.s in der Türkei nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzt wäre. Der Wille B.s ins Inland zurückzukehren, besagt nichts darüber, dass B. den Wohnsitz bei ihren Eltern zwischenzeitlich beibehalten hat. B. hat ab September 2011 ein mehrjährig dauerndes Studium der Theologie mit Schwerpunkt Internationale Theologie an der Universität in Y-Stadt aufgenommen. Erst nach Abschluss dieses Studiums kann nach den Angaben des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung der Master im Inland, z.B. an der Universität in Z., erworben werden.

Gegen eine Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes B.s spricht ferner, dass sie seit Aufnahme ihres Studiums nicht ihre gesamten ausbildungsfreien Zeiten im Inland verbracht hat. Die ursprünglichen Angaben des Klägers im Rechtsbehelfsverfahren, seine Tochter B. habe sich alle zwei Monate im Inland aufgehalten, haben sich aufgrund seiner späteren Angaben und aufgrund der beigebrachten Nachweise im Klageverfahren als unzutreffend erwiesen. Auch nach dem klägerischen Sachvortrag war B. jedenfalls nicht in den Semesterferien vom 11. Juni 2012 bis 16. September 2012 in Deutschland. Eine schlüssige nachweisbare Begründung dafür, erfolgte nicht. Die Nachfrage des Gerichts, welche Hausarbeiten in Semesterferien zu bearbeiten waren, ließ der Kläger unbeantwortet. Selbst dann, wenn ohne jeden Nachweis als wahr unterstellt würde, dass B. teilweise Hausarbeiten oder Klausuren während dieser Semesterferien fertigen musste, ist nicht nachvollziehbar, dass sie in drei Monaten nicht wenigstens zeitweise nach X-Stadt zurückgekehrt ist, wenn doch hier nach dem Vortrag des Klägers ihr Lebensmittelpunkt liegt. Der Vortrag des Klägers, dass B. nur aus finanziellen Gründen nicht nach X-Stadt zurückgekehrt ist, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Beibehaltung des Wohnsitzes kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu; es kommt nicht darauf an, warum ein Inlandsaufenthalt unterblieben ist.

Umstände dafür, dass den Inlandsaufenthalten B.s seit Beginn des Studiums nicht nur Besuchscharakter zukam, hat der Kläger trotz Aufforderung des Gerichts weder vorgetragen noch Nachweise dafür vorgelegt. Insoweit kann dahinstehen, ob die Wohnung des Klägers überhaupt Räumlichkeiten aufweist, die noch für die Unterbringung von zwei erwachsenen Töchtern objektiv als ausreichend zu werten sind.

b) B. hatte im Streitzeitraum nicht mehr in Deutschland, sondern in der Türkei ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie begründete in Y-Stadt ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

aa) Nach § 9 AO hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Dies gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Aus dem Wortlaut des Gesetzes ("den" gewöhnlichen Aufenthalt) folgt, dass eine Person nicht gleichzeitig verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, sondern zu einer bestimmten Zeit immer nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 1966 I 244/63, BFHE 85, 540, BStBl III 1966, 522; vom 10. August 1983 I R 241/82, BFHE 139, 261, BStBl II 1984, 11). Deshalb wird mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts immer der bisherige aufgegeben (Buciek in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 9 AO Rz. 10, m.w.N.).

Verlässt jemand das Inland, so ist entscheidend, ob die Abwesenheit im Inland zu einer Lockerung des Bandes zum Inland führt. Dabei sind für den Fortbestand einer hinreichenden Verbindung umso engere Beziehungen zum Inland notwendig, je länger die tatsächliche Abwesenheit andauert; im Zweifelsfall sind die Abwesenheitszeiten einerseits und die für die Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthalts andererseits sprechenden Umstände untereinander zu gewichten (Buciek in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 9 AO Rz. 35). Entscheidend ist, ob die Abwesenheit nach den erkennbaren Umständen darauf hindeutet, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich von dem bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort wegverlagert hat. In diesem Zusammenhang sind insbesondere berufliche, familiäre oder gesellschaftliche Bindungen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 27. April 2005 I R 112/04, BFH/NV 2005, 1756, und vom 22. Juni 2011 I R 26/10, BGH/NV 2011, 2001).

bb) B. befindet sich seit September 2011 zwecks Durchführung ihres Studiums mittlerweile schon mehr als zwei Jahre im Ausland und lebt dort mit anderen Studentinnen in einer Wohngemeinschaft. Bereits nach dem Vortrag des Klägers hat sich B. seit Beginn ihres Studiums vom 13. Januar 2012 bis 8. Februar 2012 kurzzeitig im Inland, dann aber nur noch bis 20. Dezember 2012 in Y-Stadt aufgehalten (vgl. BFH in BGH/NV 2011, 2001). Substantiierte Angaben, die zur Prüfung eines Schwerpunktaufenthalts im Inland hätten führen können, sind seitens des Klägers unterblieben. Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass sich B.s Band zum Inland seit Aufnahme des Studiums wesentlich gelockert hat.

2.2. Gemäß § 70 Abs. 3 EStG können materielle Fehler der letzten Festsetzung durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der Festsetzung beseitigt werden. Neu festgesetzt oder aufgehoben wird mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Neufestsetzung oder der Aufhebung der Festsetzung folgenden Monat.

Wegen der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes durch die Aufnahme eines Auslandsstudiums war der Kläger entgegen der Festsetzung von Kindergeld mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 nicht kindergeldberechtigt. Die Familienkasse war danach berechtigt, die Festsetzung von Kindergeld für B. ab April 2012 aufzuheben.

Dabei kann dahinstehen, ob die Familienkasse, wie der Kläger behauptet, in vergleichbaren Fällen einen inländischen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt bejaht hat und deshalb die Kindergeldfestsetzung nicht aufgehoben hat. Denn der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewährt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Eine "Gleichheit im Unrecht" gibt es nicht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2010 III R 3/08, BFH/NV 2010, 1262, m.w.N.).

Ebenso kann im Streitfall dahinstehen, dass ein Deutscher, der nicht mehr im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit ist, auch aufgrund des europäisch-türkischen Assoziationsrechts keinen Kindergeldanspruch für seine in der Türkei lebenden Kinder hat, wenn diese nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz verfügen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2012 III B 108/12, BFH/NV 2013, 538). Denn das Gericht darf durch seine Entscheidung die Rechtsposition des Klägers im Vergleich zum Zustand vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung -FGO-, 7. Aufl., § 96 Rz. 7, m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Es ist streitig, ob dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) für seine in den USA studierende Tochter (T) Kindergeld für den Zeitraum Januar 2009 bis August 2011 zusteht.

2

T absolvierte nach ihrem im Sommer 2008 abgelegten Abitur ab August 2008 ein einjähriges Au-Pair-Programm in den USA, welches einen Sprachkurs von zehn Stunden pro Woche umfasste. Während des Auslandsaufenthalts entschloss sich T zu einem Studium in New York. Seit September 2009 studiert sie dort. Der Abschluss ist für das Jahr 2014 geplant.

3

Während ihres Auslandsaufenthalts stand T ihr ehemaliges Kinderzimmer im väterlichen Wohnhaus in B zur Verfügung. Im Streitzeitraum hielt sie sich vom 18. Dezember 2009 bis zum 4. Januar 2010, vom 11. Februar 2011 bis zum 1. April 2011 und vom 1. August 2011 bis zum 4. September 2011 auf (außerhalb des Streitzeitraums: 20. Dezember 2011 bis 3. Januar 2012, 3. Februar 2012 bis 6. März 2012, 4. April 2012 bis 16. April 2012).

4

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2009 auf und führte zur Begründung an, T habe ab diesem Zeitpunkt keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland).

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war erfolgreich. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, dass T ab 2009 weiterhin nach Gesamtwürdigung aller Umstände ihren Wohnsitz im Inland beibehalten habe. Der Umstand, dass T nicht die gesamte ausbildungsfreie Zeit in der inländischen Wohnung verbracht habe, sei nicht ausschlaggebend. Ursächlich hierfür sei nicht die Loslösung von der inländischen Wohnung, sondern fehlende finanzielle Mittel gewesen. Die Sichtweise der Familienkasse würde dazu führen, dass wohlhabende Eltern, die höhere Flugkosten tragen könnten, eher in den Genuss von Kindergeld kämen.

6

Mit der Revision macht die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung des § 8 der Abgabenordnung (AO) geltend. Der in § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannte Wohnsitz der Kinder im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union richte sich nach § 8 AO. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kind, das sich zeitweise im Ausland aufhalte, seinen inländischen Wohnsitz beibehalte oder aufgebe und möglicherweise später neu begründe, seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Dabei komme der Häufigkeit und Dauer der Inlandsaufenthalte eine erhebliche Bedeutung zu. Das FG Köln (Urteil vom 22. Juli 2007  15 K 3039/04, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1174) gehe davon aus, dass grundsätzlich die gesamte ausbildungsfreie Zeit im Inland verbracht werden müsse. Das FG München (Urteil vom 22. Dezember 2008  10 K 3104/07, juris) verlange, dass das Kind zumindest die weitaus überwiegende ausbildungsfreie Zeit im Inland verbringe. Indem das FG eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes des Kindes angenommen habe, obwohl es sich im Jahr 2009 lediglich an 14 Tagen und im Jahr 2010 nur an vier Tagen im Inland aufgehalten habe, habe es § 8 AO unzutreffend ausgelegt.

7

Die Familienkasse beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Eine fehlerhafte Auslegung des § 8 AO durch das FG liege nicht vor. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. April 2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013) sei eine starre Aufenthaltsgrenze im Inland von fünf Monaten nicht mehr erforderlich. Darüber hinaus entsprächen die von der Familienkasse geforderten Inlandsaufenthalte in den unterrichtsfreien Zeiträumen nicht der Lebenswirklichkeit.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das FG hat einen inländischen Wohnsitz der T bejaht. Die Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Tochter des Klägers im Streitzeitraum ihren Wohnsitz im Inland (beibehalten) hatte.

12

1. Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen (vgl. § 32 Abs. 1 und 6 EStG).

13

2. Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt (z.B. Senatsurteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; Senatsbeschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38).

14

a) Nach § 8 AO, der auch im Rahmen der Prüfung des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG über § 1 Abs. 1 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG Anwendung findet, hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Damit knüpft der Wohnsitzbegriff des § 8 AO ausschließlich an die tatsächliche Gestaltung und nicht an subjektive Vorstellungen an (BFH-Urteil vom 12. Januar 2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 38, Rz 7 ff.).

15

Ein Wohnsitz nach § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinn voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit --wenn auch in größeren Zeitabständen-- aufsucht (BFH-Urteil vom 23. November 2001 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.2.a). Der Wohnsitzbegriff setzt zwar weder voraus, dass die Wohnung im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, unter II.3.a) noch einen Aufenthalt während einer Mindestzeit (BFH-Urteile vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447, unter II.3.; in BFH/NV 2001, 1231); erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 10. April 2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909, unter II.2.c aa, m.w.N.).

16

Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinn besteht nicht nur darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit zur Verfügung steht, sondern auch darin, dass diese von ihm subjektiv zu einem entsprechenden Aufenthalt mit Wohncharakter bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteile vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301, unter 1.a; in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.2.a; vom 13. November 2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046, unter II.2.b).

17

b) Bei Kindern, die zum Zwecke der Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung auswärtig untergebracht sind, reicht es für einen Inlandswohnsitz daher nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Aufnahme im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils grundsätzlich für die Dauer der Ausbildung fortbesteht, gibt es nicht (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 8 AO, Rz 40; vgl. Senatsurteil vom 7. April 2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, unter II.1.c).

18

aa) Es muss, um einen inländischen Wohnsitz in diesen Fällen  annehmen zu können, eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden sein, die über die allein durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine eigene betrachtet (BFH-Urteil vom 17. März 1961 VI 185/60 U, BFHE 73, 82, BStBl III 1961, 298).

19

Die Beantwortung der Frage, ob ein Kind, das sich zeitweise außerhalb des elterlichen Haushalts im Ausland zu Ausbildungszwecken aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält oder aber zunächst aufgibt und bei einer späteren Rückkehr wieder neu begründet, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des jeweiligen Falles. Generelle Regeln lassen sich nicht aufstellen. Die Umstände müssen aber nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass das Kind die Wohnung innehat, um sie als solche zu nutzen.

20

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat auf Grund zahlreicher Entscheidungen konkrete objektive Anhaltspunkte dargelegt, die Rückschlüsse auf die Beibehaltung oder die Aufgabe eines inländischen Wohnsitzes zulassen können. Neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen und im Elternhaus auf der anderen Seite, dem Zweck des Auslandsaufenthalts, den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 III B 154/11, BFH/NV 2012, 375, unter II.), kommt der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.a; Senatsbeschlüsse vom 27. Dezember 2011 III B 14/10, BFH/NV 2012, 555, unter II.1.; vom 17. Mai 2013 III B 121/12, BFH/NV 2013, 1381, unter 1.b aa; BFH-Beschluss vom 12. Februar 2014 V B 39/13, BFH/NV 2014, 715, unter 2.). Danach reicht bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Urlaubszwecken, Besuchszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht aus, um "zwischenzeitliches Wohnen" und damit einen inländischen Wohnsitz anzunehmen (Senatsurteil in BFH/NV 2009, 564, unter II.1.b; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 38, unter II.2.b).

21

bb) Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern daher nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.a).

22

Da die ausbildungsfreien Zeiten von der Art bzw. der Gestaltung des Studiums (z.B. Trimester), von länderspezifisch unterschiedlich ausgestalteten Semesterferien und auch von Anwesenheitsobliegenheiten (Seminar-/Hausarbeiten in der unterrichtsfreien Zeit, Examens-/Prüfungsvorbereitungen) abhängen können, kann eine Mindestdauer der Inlandsaufenthalte nicht verlangt werden. Erforderlich ist jedoch im Regelfall, dass die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbracht werden und es sich um Inlandsaufenthalte handelt, die Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen.

23

Bei der Ermittlung der Dauer der Inlandsaufenthalte bleiben solche Zeiten außer Betracht, in denen sich das Kind vor dem Beginn und nach dem Ende des Studiums im Inland aufhält (Senatsurteil in BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013, unter II.1.b).

24

Regelmäßig nicht ausreichend sind bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehungen begründete Besuche. Dies ist bei lediglich kurzzeitigen Aufenthalten --zwei bis drei Wochen pro Jahr (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 555, unter II.1.)-- nach der Lebenserfahrung der Fall.

25

cc) Keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beibehaltung des Wohnsitzes haben regelmäßig die Staatsangehörigkeit des Kindes, die Feststellung der Rückkehrabsicht ins Inland (BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, unter II.3.b), Aufenthalte der Eltern mit den Kindern außerhalb von Deutschland und melderechtliche Vorgaben.

26

Entgegen der Ansicht des FG können fehlende finanzielle Mittel für Heimreisen des Kindes nicht die fehlenden wesentlichen Inlandsaufenthalte in den ausbildungsfreien Zeiten kompensieren. Die gesetzliche Regelung (§ 8 AO) setzt neben dem Vorhandensein einer Wohnung, das "Innehaben" einer solchen voraus. Dabei sind die Voraussetzungen für das "Innehaben" einer Wohnung im steuerrechtlichen Sinn objektiviert (BFH-Urteil vom 23. November 1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, unter 1.b). Entscheidend sind daher die tatsächlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf subjektive Momente oder Absichten. Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die fehlenden Inlandsaufenthalte und damit für das fehlende "Innehaben" sind für die Frage des Wohnsitzes unerheblich (FG Köln, Urteil vom 22. Februar 2007  15 K 3039/04, EFG 2007, 1174).

27

3. Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen, obliegt im Wesentlichen dem FG; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist nur begrenzt überprüfbar (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

28

a) Die vom FG im Streitfall vorgenommene Würdigung ist auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zu beanstanden. Das FG-Urteil enthält keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes der T (zum Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2009 VII R 28/08, BFHE 225, 543; Senatsurteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483). Hierin liegt ein Rechtsfehler, den der erkennende Senat auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten hat (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 18/08, BFH/NV 2009, 1627, unter II.2.; Lange in HHSp, § 118 FGO, Rz 230, 100, m.w.N.).

29

aa) Das FG hat die Annahme eines inländischen Wohnsitzes der T im Wesentlichen aus den teilweise nur sehr kurzzeitigen Aufenthaltszeiten in ihrem ehemaligen Kinderzimmer, den zu Hause wohnenden jüngeren Geschwistern, der daraus abzuleitenden familiären Bindung an das elterliche Wohnhaus und aus den fehlenden finanziellen Mitteln für weitere Heimreisen abgeleitet. Diese tatsächlichen Umstände sind aber weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau ausreichend, nachvollziehbar die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitz der T anzunehmen.

30

bb) Das FG hat die jeweilige Dauer der ausbildungsfreien Zeiten der T nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, es sei nicht ausschlaggebend, dass T nicht die gesamte ausbildungsfreie Zeit in der inländischen Wohnung verbracht habe. So bleibt unklar, ob T sich weit überwiegend während der ausbildungsfreien Zeiten im Inland, in den USA oder an anderen Orten aufgehalten hat. Die Feststellung des FG, dass T die inländische Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum mehrfach für mehrere Wochen genutzt hat, betrifft nur das Jahr 2011. Im Jahr 2009 hat T ihr Zimmer im väterlichen Haus zwei Wochen und im Jahr 2010 lediglich an vier Tagen genutzt.

31

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen weder eine Beurteilung darüber zu, ob T ihren Wohnsitz im väterlichen Haus im gesamten Streitzeitraum beibehalten oder zunächst beibehalten, dann aufgegeben und ggf. wieder neu begründet hat. Das FG hat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

32

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass T zunächst nur einen vorübergehenden einjährigen Aufenthalt in den USA als Au-Pair geplant hatte. Bei voraussichtlicher Rückkehr innerhalb eines Jahres liegt regelmäßig keine Aufgabe des Wohnsitzes vor (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO, § 8 Rz 23, 43, 49 "Ausbildung"), so dass Inlandsaufenthalte für die Beibehaltung des Wohnsitzes nicht erforderlich sind. Wird die Absicht zur Rückkehr innerhalb eines Jahres aufgegeben, so kann in diesem Moment eine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgen. Entscheidend ist insoweit, in welchem Zeitpunkt Umstände eintreten, die nunmehr Rückschlüsse auf einen längerfristigen Auslandsaufenthalt zulassen. Ab diesem Zeitpunkt kommt den Inlandsaufenthalten bei der Frage der Beibehaltung des Wohnsitzes im Elternhaus wieder erhebliche Bedeutung zu. Das FG hat hierzu --aus seiner Sicht konsequent-- keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die ebenfalls nachzuholen sind.

33

4. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Der Senat hält es für sachdienlich gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

34

5. Die Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.

Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für S ab September 2013 weiter zu bewilligen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seinen in China studierenden Sohn ab September 2013 Kindergeld zusteht.

Am 13.10.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Kindergeld über die Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes S (geb. am xx.02.1994) hinaus. Er teilte u. a. mit, dass S seine Schulausbildung voraussichtlich im Juli 2012 beenden werde. Nach der Aufforderung, anspruchsbegründende Unterlagen für eine Bewilligung von Kindergeld ab August 2012 vorzulegen, reichte der Kläger eine Bescheinigung der „Central Academy of Drama, Peking“, ein, wonach S einen einjährigen Sprachkurs in der Zeit vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 absolviere.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 07.01.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungstermin: 07.2013;

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Der Kläger übermittelte der beklagten Familienkasse weiterhin mit Schreiben vom 07.07.2013 eine Bescheinigung der University of China, wonach sein Sohn S als Bachelor Student zu einem von September 2013 bis Juli 2017 dauernden Studiengang in der Fakultät für Theater, Film und Fernsehen aufgenommen wurde.

Die Familienkasse setzte daraufhin mit Bescheid vom 16.07.2013 Kindergeld für S ab August 2013 fest. Das Kindergeld für S wurde nach Vollendung des 18. Lebensjahres durchgehend gezahlt.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 15.07.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungsgrund: Ende der Übergangszeit;

Befristungstermin: 10.2013,

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Mit Schreiben vom 18.11.2013 fragte die Familienkasse beim Kläger an, ab wann und bei wem sein Sohn S in China lebe, wie lange er sich im Ausland aufhalte und wie oft er nach Deutschland zurückkehre.

Der Kläger gab daraufhin an, sein Sohn habe zunächst an der University of China an einem Sprachkurs teilgenommen (10.09.2012 – 15.07.2013) und dann im September 2013 das eigentliche Studium aufgenommen. Er werde sich bis zum Juli 2017 in China aufhalten und voraussichtlich einmal im Jahr für ca. ein bis eineinhalb Monate nach Deutschland zurückkehren und sich zu Hause aufhalten.

Der Kläger legte Flugtickets seines Sohnes vor, wonach dieser wie folgt geflogen sei:

05.09.2012   Frankfurt – Peking

15.07.2013   Peking – München

30.08.2013   München – Peking

10.07.2014   Peking - München

Auf Nachfrage der teilte der Kläger mit, sein Sohn habe sich nach einem chinesischen Sprachtest entschieden, das Studium in China aufzunehmen. Während des Sprachkurses hätten nur Winterferien von Mitte Januar bis Mitte Februar 2013 stattgefunden. Die studienfreien Zeiten in China seien generell von Mitte Januar bis Mitte Februar und von Mitte Juli bis Ende August.

Die Familienkasse hob daraufhin mit Bescheid vom 22.01.2014 die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2013 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf, da der Sohn seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde, habe, und forderte das für den Zeitraum von September bis Oktober 2013 gezahlte Kindergeld i. H. v. 368 € zurück.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und gab zur Begründung an, dass sein Sohn weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Der Bundesfinanzhof habe in einem Fall, in dem sich das Kind fünf Monate pro Jahr in Deutschland aufgehalten habe, die Beibehaltung des Wohnsitzes angenommen (BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BStBl II 2010, 1013). Die dort genannten fünf Monate seien keine starre Grenze. Die eineinhalb Monate dauernden Sommerferien verbringe sein Sohn zu Hause. Es sei unmöglich, für die kürzeren Winterferien nach Deutschland zurückzukehren. Auch ein Auslandsstudium sei als Ausbildung anzusehen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn lebe in China und habe daher keinen Wohnsitz in Deutschland mehr. Ein jährlicher Aufenthalt von ein bis eineinhalb Monaten in der elterlichen Wohnung sei nicht ausreichend. Solche Aufenthalte hätten keinen Wohncharakter.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes. Er trägt vor, sein Sohn sei deutscher Staatsbürger und habe die Absicht, nach dem Studium nach Deutschland zurückzukehren. Er habe seinen Wohnsitz weiterhin bei den Eltern. Er legt eine Bescheinigung der Schule für Internationale Kommunikationsausbildung der University of China vom 16.05.2014 vor, wonach der Sohn des Klägers dort an der Fakultät für Radio- und Fernsehregie eingeschrieben ist und die Ferien von Ende Januar bis Anfang März und von Ende Juli bis Anfang September dauern.

Ergänzend legt er den Reiseplan für folgende inzwischen gebuchte weitere Flüge vor:

28.08.2014   München – Peking

11.01.2015   Peking - München

Der Kläger weist auf die hohen Flugkosten hin. Trotzdem wolle er, dass sein Sohn zweimal im Jahr nach Deutschland zurückkehre. Um dies zu ermöglichen, sei er aber auf das Kindergeld angewiesen.

Der Sohn sei während seiner Inlandsaufenthalte in der elterlichen Wohnung in seinem eigenen Zimmer untergebracht. Während der Aufenthalte in China lebe er dort in einem Studentenwohnheim. Verwandte, bei denen er wohnen könne, seien in China nicht vorhanden.

Der Kläger beantragt, den Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für das Kind S ab September 2013 weiter zu zahlen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens die Revision zum BFH zuzulassen.

Nach Ansicht der Familienkasse ist die deutsche Staatsangehörigkeit des Sohnes des Klägers steuerlich ohne Belang. Sie verweist auf Urteile des Bundesfinanzhofs, in denen dieser die Frage, ob im Ausland in Ausbildung befindliche Kinder ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, geklärt habe (BFH-Urteile jeweils vom 23.11.2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BStBl II 2001, 294). Nach diesen Entscheidungen sage der bloße Wille zur Rückkehr nichts darüber aus, ob der Wohnsitz im Inland während der Dauer der Auslandsausbildung beibehalten oder aufgegeben werde. Je jünger das ins Ausland fortziehende Kind sei, desto eher sei von einer endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen.

Des Weiteren müsse sich das Kind, je länger der Auslandsaufenthalt dauere, desto länger jährlich im Inland aufhalten. Außerdem reichten bei von vornherein auf mehr als Jahr angelegte Auslandsaufenthalten kurzzeitige Besuche in Deutschland nicht aus, um den Inlandswohnsitz zu behalten. Die jährlichen Inlandsaufenthalte des Sohnes des Klägers von rd. 6 ½ bis 7 Wochen in den Jahren 2013 und 2014 seien bei einer geplanten Studiendauer von fünf Jahren nicht ausreichend, zumal der Sohn die Winterferien jeweils von Januar bis März in den Jahren 2013 und 2014 nicht in Deutschland verbracht habe.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat für den Streitzeitraum (September 2013 bis März 2014) Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn S.

Der Sohn des Klägers hat auch über den Studienbeginn im September 2013 hinaus seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten.

1. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. China zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung dieser Vorschriften nicht maßgeblich (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17.05.1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2). Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d. h. der objektive Zustand (vgl. BFH-Urteile vom 07.04.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, und vom 22.04.1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

b) Der Wohnsitzbegriff i. S. von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus. Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist.

c) Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten oder benutzt wird, schließt nicht aus, dass die Wohnung vorübergehend nicht benutzt wird. Periodische Auslandsaufenthalte stellen das Innehaben eines Wohnsitzes auch dann nicht in Frage, wenn sie sich über einen Zeitraum von etlichen Jahren erstrecken. Im Einzelfall können auch zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO), wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m. w. N., und BFH-Beschluss vom 27.12.2011 III B 24/10, BFH/NV 2012, 917).

d) Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist dafür aber nicht stets erforderlich. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält.

Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die mit einer Unterbringung in einem Studentenwohnheim verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedingt keine Auflösung der familiären Bindungen und bringt keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Studiums mit sich. Am Studienort oder in der Nähe des Studienortes in einem möblierten Zimmer oder Studentenheim wohnende Studenten behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern, soweit durch die auswärtige Unterbringung ihre Bindung zum Elternhaus bestehen bleibt. Dabei sind von der Rechtsprechung Zeiträume von drei bis fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden (Urteil des FG München vom 13.03.2014 5 K 3450/12, juris).

e) Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist.

Dient ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme wie einem Studium, ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt, und hat der Betroffene die Absicht, nach dem Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013).

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsgrundsätze hat im vorliegenden Fall der Sohn des Klägers seinen Wohnsitz im Inland auch über den September 2013 hinaus beibehalten.

a) Der Aufenthalt von S während des Sprachkurses war zunächst auf dessen Dauer vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 ausgelegt, da das weitere Vorgehen vom Erfolg des Sprachkurses abhing. Für diesen Zeitraum stellte sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde, noch nicht. Der sich daran anschließende Auslandsaufenthalt von S diente einem auf vier Jahre angelegten Studium und war von vornherein auf eine gewisse Zeitdauer befristet. Erst für dieses Studium stellt sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde. Deutlich wird dies, da S sofort nach Beendigung des Sprachkurses nach Deutschland zurückkehrte und sich vom 15.07. bis 30.08.2013 in Deutschland aufhielt. Erst zum Studium kehrte er nach Peking zurück.

b) Der Inlandsaufenthalt des Sohnes des Klägers in den Sommerferien 2014 ist bei der beabsichtigten Studiendauer jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums, also nach zehn Monaten, ausreichend, um von einem Wohnen und nicht von reinen Besuchsaufenthalten in Deutschland auszugehen. Der Sohn des Klägers hat die länger dauernden Sommerferien bei seinen Eltern verbracht. Eine Rückkehr auch während der kürzeren Winterferien 2014 ist im vorliegenden Fall allein aus finanziellen Gründen – und nicht etwa aufgrund einer familiären oder sonstigen Einbindung in China – unterblieben. Die Rückkehr in den Winterferien 2014 war zumindest in der Anfangsphase des Studiums im Hinblick auf die große Entfernung zwischen Peking und dem Wohnsitz der Eltern, die erheblichen Flugkosten und den für eine solche Reise erforderlichen Zeitaufwand nach Überzeugung des Senats nicht zwingend erforderlich.

c) Der Senat hält es durchaus für möglich, dass die zeitlichen Anforderungen an die Inlandsaufenthalte im Laufe eines längeren Studiums zunehmen können. Im vorliegenden Fall ist über den Kindergeldanspruch für die Zeit von September 2013, also dem Studienbeginn, bis zum März 2014, also dem Monat, in dem die Einspruchsentscheidung ergangen ist, zu entscheiden. Auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Sprachkurses in China handelt es sich immer noch um ein gerade erst begonnenes Auslandsstudium. Gründe für einen so frühzeitigen Verlust des inländischen Wohnsitzes kann der Senat nicht erkennen. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass der Sohn des Klägers bereits im Januar 2015 wieder nach Deutschland kommen und offenbar künftig auch die Winterferien in Deutschland verbringen wird.

d) Auch die Art der Unterbringung spricht aus Sicht des Senats für ein weiteres Innehaben einer inländischen Wohnung. Der Sohn des Klägers verfügt in der Wohnung seiner Eltern, in der auch sein Bruder lebt, über ein eigenes Zimmer. In China hingegen steht ihm lediglich ein Platz in einem Wohnheim zur Verfügung, der von vornherein nur zur Unterbringung der notwendigsten Kleidungsstücke und Unterrichtsmaterialen geeignet ist.

e) Unerheblich ist, dass der Kläger und sein Sohn zwar deutsche Staatsbürger sind, es sich bei China aber um das Herkunftsland des Klägers handelt. Verwandte, bei denen der Sohn des Klägers wohnen könnte, sind in Peking nicht vorhanden. Die Wahl Chinas als Studienland ist bei einem entsprechenden Migrationshintergrund durchaus nahliegend. Bei im Ausland Studierenden besteht jedoch unabhängig hiervon immer die Möglichkeit, dass diese aufgrund sich dort bietender beruflicher Perspektiven oder aufgrund der Wahl eines ausländischen Ehepartners nicht dauerhaft nach Deutschland zurückkehren. Dies ändert nach Auffassung des Senats aber nichts daran, dass während des Studiums – insbesondere im ersten Jahr – die zunächst noch enge Bindung an das Elternhaus beibehalten wird und sich erst allmählich lockert. Verglichen mit den häufig wechselnden Kontakten am Studienort haben die Bindungen im elterlichen Wohnort jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums dauerhafteren und daher gewichtigeren Charakter.

Der Sohn des Klägers hat daher weiterhin im Inland eine Wohnung unter Umständen innegehabt, die auf eine dauerhaft künftige Nutzung schließen lassen, und seinen Wohnsitz daher in Deutschland. Der Kläger hat somit Anspruch auf Kindergeld ab September 2013.

Die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des für September und Oktober 2013 gezahlten Kindergeldes sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Bescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2014 war daher aufzuheben und die zur Weiterzahlung des Kindergeldes ab September 2013 zu verpflichten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache aufgrund der Vielzahl ähnlicher Fälle grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Außerdem besteht im Hinblick auf die Zulassung der Revision im Verfahren III R 10/14 durch den Bundesfinanzhof das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist schweizerischer Staatsbürger. Er hatte in den Streitjahren (2003 bis 2006) seinen Hauptwohnsitz (Familienwohnsitz) in der Schweiz und ist seit September 2004 verheiratet. Seit September 2002 ist er bei der Fluggesellschaft F als Copilot mit Einsatzflughafen M unbefristet angestellt. Aufgrund innerbetrieblicher Regelungen der F war der Kläger verpflichtet, in der Nähe des Flughafens M eine Unterkunft zu unterhalten, von der er seinen Flugdienst innerhalb eines Zeitraums von 60 Minuten nach einer entsprechenden Benachrichtigung antreten konnte. Um dieser Verpflichtung zu genügen, vereinbarte er mit anderen Piloten, eine Wohnung (sog. Standby-Wohnung) zur wechselseitigen Nutzung anzumieten.

2

Entsprechend dieser Vereinbarung schloss A, ebenfalls ein schweizerischer Staatsbürger mit Wohnsitz in der Schweiz, als Hauptmieter mit den Eheleuten K am 27. September 2002 einen Mietvertrag über eine in R, nahe M gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Flur, einer Küche, zwei Bädern, einem Keller, dazugehörigem Garten und einem Abstellplatz. Die zur Wohnung gehörenden Räume verteilten sich auf das Erdgeschoss sowie das Kellergeschoss. Im Erdgeschoss befanden sich eine Diele, ein Schlafzimmer, ein Bad sowie ein größerer Raum, der --ohne bauliche Abtrennung-- zum einen als Küche und zum anderen als Wohn- und Esszimmer genutzt werden konnte. Im Kellergeschoss waren zwei weitere Schlafzimmer, ein Bad und ein Flur.

3

Auf Antrag des Klägers wurde für die Streitjahre nur der sog. Inlandsanteil seiner Arbeitseinkünfte dem Lohnsteuerabzug für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gemäß § 39d i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) unterworfen. Im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass der Kläger aufgrund der Nutzung der Standby-Wohnung nach § 8 der Abgabenordnung (AO) einen Wohnsitz im Inland begründet und deshalb als unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) auch den sog. Auslandsanteil seiner Arbeitseinkünfte zu versteuern habe. Demgemäß erließ das FA für die Streitjahre Lohnsteuernachforderungsbescheide, die aufgrund vorliegend nicht mehr streitiger Einwände zuletzt mit Bescheiden vom 12. März 2009 geändert wurden.

4

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben (Hessisches FG, Urteil vom 13. November 2012  3 K 1062/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 742). Der Kläger hat während des finanzgerichtlichen Verfahrens Wohnungsbelegungsübersichten sowie die von F für ihn sowie die acht anderen Nutzer der Standby-Wohnung erstellten und die Streitjahre betreffenden Dienstpläne vorgelegt. Das FG hat zur Art der Wohnungsnutzung A als Hauptmieter, den Vermieter K sowie den Wohnungsnachbarn N als Zeugen vernommen. Hieraus ergab sich nach Ansicht der Vorinstanz, dass der Kläger in den Streitjahren die Wohnung in R nicht innegehabt und damit auch keinen inländischen Wohnsitz begründet habe. Maßgeblich hierfür sei, dass der Kläger die Wohnung nur dann habe nutzen können, wenn sie nicht zuvor von drei anderen Kollegen "in Beschlag genommen" worden sei. Der Umstand, dass nach den dienstlichen Gegebenheiten nur ganz vereinzelt mehr als drei Personen gleichzeitig Bedarf für einen Aufenthalt in der Wohnung hatten, sei unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger und A etwa zwei Mal pro Jahr auf eine andere Übernachtungsmöglichkeit hätten ausweichen müssen (Hotel; Mannschaftsraum der Flughafenbasis), habe der Kläger bei abstrakter Betrachtung nicht jederzeit über die Wohnung verfügen können. Vielmehr habe er immer damit rechnen müssen, sich anstelle der Standby-Wohnung ein anderes Übernachtungsquartier zu suchen. Bestätigung finde dies auch in der zwischen dem Kläger und den anderen Nutzern in Bezug auf die vorhandenen Wohnungsschlüssel getroffenen und auch praktizierten Abrede ("Regelung"), nach der nur drei Nutzer gleichzeitig auf die am Flughafen M im Postfach des A hinterlegten Wohnungsschlüssel hätten zugreifen können. Seien --so das FG-- die drei verfügbaren Schlüssel vergriffen gewesen, hätten die weiteren Interessenten mit einer anderen Übernachtungsmöglichkeit Vorlieb nehmen müssen. Gleiches habe für den Hauptmieter A gegolten. Auch die weiteren Umstände belegten diese Nutzungseinschränkungen. Die Wohnung sei nur mit dem Notwendigsten, z.T. auch nur kärglich ausgestattet gewesen (Beleuchtung durch "nackte" Glühlampen). Persönliche Gegenstände hätten sich in der Wohnung nicht befunden. Die Nutzungsart habe einen ständigen Wechsel der Bettwäsche erfordert. Diese Würdigung entspreche schließlich auch der Aussage des Vermieters K. Er habe die Ausgabe der vier Wohnungsschlüssel sowie die Ausstattung der Wohnung bestätigt und im Übrigen ausgeführt, dass im Mietvertrag die Zahl der Nutzer auf höchstens vier Personen festgelegt worden sei, in Absprache mit A habe aber "die Wohnung durch eine größere Zahl von Personen genutzt werden könne(n), solange nicht die Höchstzahl von vier Personen überschritten" worden sei.

5

Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat ist zwar an die Würdigung der Vorinstanz gebunden, nach der der Kläger in den Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) keinen Wohnsitz (§ 8 AO) hatte. Das FG hat jedoch keine Feststellungen zum gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) des Klägers getroffen.

8

1. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen, dass der Kläger auch den sog. Auslandsanteil seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2002) als (Co-)Pilot zu versteuern hätte, wenn er in den Streitjahren entweder einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hätte und deshalb nach § 1 Abs. 1 EStG 2002 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen wäre. Die Einkünfte würden dann als Teil des vom Kläger erzielten sog. Welteinkommens nach § 2 Abs. 1 EStG 2002 der Einkommensteuer unterliegen und dieser Besteuerungszugriff wäre auch nicht durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA Schweiz 1992-- ausgeschlossen. Vielmehr sieht Art. 15 Abs. 3 DBA Schweiz 1992 vor, dass Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet; das Besteuerungsrecht wäre hiernach auch im Streitfall Deutschland zugewiesen.

9

2. Nach § 8 AO hat jemand (d.h. eine natürliche Person) einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen kann. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann und diese im Inland und/oder Ausland belegen sein können. Demgemäß ist es auch für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet (Senatsurteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, m.w.N.).

10

a) Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich --im Sinne einer bescheidenen Bleibe-- um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 15). Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die vom Kläger genutzte Wohnung in R diese Voraussetzung erfüllt hat. Der Senat sieht insofern von weiteren Erläuterungen ab.

11

b) Der Begriff des Wohnsitzes setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung ferner voraus, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung, d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsurteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447). Diese Anforderungen gelten --wie der Senat mit Urteil vom 10. April 2013 I R 50/12 (BFH/NV 2013, 1909) entschieden hat-- gleichermaßen auch für im Inland belegene sog. Standby-Wohnungen, die beispielsweise von Piloten zusammen mit anderen Berufsangehörigen für die Ausübung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit genutzt werden.

12

aa) Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Nach seinen Feststellungen hat der Kläger die Wohnung in R jedoch nicht innegehabt, weil nach der unter den Nutzern (Piloten) getroffenen Vereinbarung nur jeweils drei Piloten gleichzeitig in der Wohnung übernachten durften und diese Nutzungsbeschränkung durch die Vergabe der zentral deponierten Wohnungsschlüssel gesichert war. Der erkennende Senat ist an diese Würdigung gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Ihr liegt erkennbar zugrunde, dass, was auch vom FA nicht in Frage gestellt wird, aufgrund den Abreden mit dem Hauptmieter A mehr als drei --nämlich bis zu neun-- Piloten in den Streitjahren berechtigt waren, die Wohnung in R zu nutzen. Die Würdigung des FG entspricht zudem der Aussage des Vermieters K, nach der er mit A abgesprochen habe, dass gleichzeitig höchstens vier Piloten in der Wohnung übernachten durften.

13

bb) Soweit das FA hiergegen einwendet, dem Kläger habe als Untermieter ein nicht beschränktes Nutzungsrecht zugestanden, kann dies keine andere Einschätzung rechtfertigen. Abgesehen davon, dass dem vorinstanzlichen Urteil für eine solche mietvertragliche Vereinbarung keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen sind, hat die Vorinstanz --wiederum für den Senat bindend-- festgestellt, dass sich der Kläger im Verhältnis zu den anderen Piloten auf die vorgenannte Nutzungsbegrenzung verständigt hat und diese Abrede (Wohnnutzung/Übernachtung auf der Grundlage der zentral deponierten drei Schlüssel) auch --so die Vorinstanz-- tatsächlich praktiziert worden ist. Demgemäß fehlt es jedenfalls daran, dass der Kläger die Wohnung nicht dazu bestimmt hat, sie jederzeit (wann immer er es wünscht) für einen Wohnaufenthalt nutzen zu können.

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cc) Nicht durchgreifen kann ferner der Einwand, es sei nach der Dienstplangestaltung von vornherein klar gewesen, dass nie mehr als maximal vier Personen zeitgleich anwesend sein konnten. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern die Piloten Einfluss auf die Gestaltung ihrer Dienstzeiten hatten und nach den Feststellungen der Vorinstanz auch der Kläger (etwa) zwei Mal im Jahr auf andere Übernachtungsmöglichkeiten ausweichen musste, kommt es insoweit nicht auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung, sondern darauf an, ob der Kläger jederzeit auf die Wohnung zum Zwecke der Wohnnutzung zugreifen konnte und ob er das Objekt für eine solche (jederzeitige) Nutzung bestimmt hat. Letzteres ist jedoch --wovon der Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 2013, 1909 ausgegangen ist-- ungeachtet dessen zu verneinen, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kläger in den Zeiten seiner dienstlich veranlassten Anwesenheit in R mit einer Überbelegung der Wohnung rechnen musste.

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dd) Anderes ergibt sich nicht daraus, dass es nach dem Senatsurteil in BFH/NV 2013, 1909 der Annahme eines Wohnsitzes des Wohnungsmieters nicht entgegensteht, wenn dem Vermieter die Wohnungsnutzung in wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen verbleibt. Mit diesem Bagatellvorbehalt ist der Streitfall nicht vergleichbar. Er ist nicht durch einen punktuellen und auch in zeitlicher Hinsicht vernachlässigbaren Nutzungsvorbehalt, sondern dadurch gekennzeichnet, dass allgemein das Zugriffsrecht des Klägers auf die Wohnung in R durch die Nutzungsrechte der anderen Mitbewohner entsprechend der Reihenfolge des Zugriffs auf die drei am Flughafen M deponierten Wohnungsschlüssel begrenzt war.

16

3. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Da das FG keine Feststellungen über den dienstlichen Einsatz des Klägers und dessen Aufenthalt in Deutschland getroffen hat, kann der Senat auch nicht beurteilen, ob der Kläger in den Streitjahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und aus diesem Grund unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 EStG 2002 i.V.m. § 9 AO). Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird die Vorinstanz im zweiten Rechtsgang nachzuholen und hierbei die Frage nach Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts sowohl unter dem Gesichtspunkt des zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten (§ 9 Satz 2 AO; vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 22. Juni 2011 I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001) als auch mit Rücksicht auf den Tatbestand des nicht nur vorübergehenden Verweilens im Inland (§ 9 Satz 1 AO; vgl. hierzu --einschließlich der Rechtsprechung zu den Fällen der täglichen oder regelmäßigen Rückkehr zum ausländischen Wohnort-- Buciek in Beermann/Gosch, AO § 9 Rz 16 ff.; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 9 AO Rz 7; Löffler/Stadler, Internationales Steuerrecht 2008, 832) zu überprüfen haben.

Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für S ab September 2013 weiter zu bewilligen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seinen in China studierenden Sohn ab September 2013 Kindergeld zusteht.

Am 13.10.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Kindergeld über die Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes S (geb. am xx.02.1994) hinaus. Er teilte u. a. mit, dass S seine Schulausbildung voraussichtlich im Juli 2012 beenden werde. Nach der Aufforderung, anspruchsbegründende Unterlagen für eine Bewilligung von Kindergeld ab August 2012 vorzulegen, reichte der Kläger eine Bescheinigung der „Central Academy of Drama, Peking“, ein, wonach S einen einjährigen Sprachkurs in der Zeit vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 absolviere.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 07.01.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungstermin: 07.2013;

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Der Kläger übermittelte der beklagten Familienkasse weiterhin mit Schreiben vom 07.07.2013 eine Bescheinigung der University of China, wonach sein Sohn S als Bachelor Student zu einem von September 2013 bis Juli 2017 dauernden Studiengang in der Fakultät für Theater, Film und Fernsehen aufgenommen wurde.

Die Familienkasse setzte daraufhin mit Bescheid vom 16.07.2013 Kindergeld für S ab August 2013 fest. Das Kindergeld für S wurde nach Vollendung des 18. Lebensjahres durchgehend gezahlt.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 15.07.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungsgrund: Ende der Übergangszeit;

Befristungstermin: 10.2013,

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Mit Schreiben vom 18.11.2013 fragte die Familienkasse beim Kläger an, ab wann und bei wem sein Sohn S in China lebe, wie lange er sich im Ausland aufhalte und wie oft er nach Deutschland zurückkehre.

Der Kläger gab daraufhin an, sein Sohn habe zunächst an der University of China an einem Sprachkurs teilgenommen (10.09.2012 – 15.07.2013) und dann im September 2013 das eigentliche Studium aufgenommen. Er werde sich bis zum Juli 2017 in China aufhalten und voraussichtlich einmal im Jahr für ca. ein bis eineinhalb Monate nach Deutschland zurückkehren und sich zu Hause aufhalten.

Der Kläger legte Flugtickets seines Sohnes vor, wonach dieser wie folgt geflogen sei:

05.09.2012   Frankfurt – Peking

15.07.2013   Peking – München

30.08.2013   München – Peking

10.07.2014   Peking - München

Auf Nachfrage der teilte der Kläger mit, sein Sohn habe sich nach einem chinesischen Sprachtest entschieden, das Studium in China aufzunehmen. Während des Sprachkurses hätten nur Winterferien von Mitte Januar bis Mitte Februar 2013 stattgefunden. Die studienfreien Zeiten in China seien generell von Mitte Januar bis Mitte Februar und von Mitte Juli bis Ende August.

Die Familienkasse hob daraufhin mit Bescheid vom 22.01.2014 die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2013 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf, da der Sohn seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde, habe, und forderte das für den Zeitraum von September bis Oktober 2013 gezahlte Kindergeld i. H. v. 368 € zurück.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und gab zur Begründung an, dass sein Sohn weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Der Bundesfinanzhof habe in einem Fall, in dem sich das Kind fünf Monate pro Jahr in Deutschland aufgehalten habe, die Beibehaltung des Wohnsitzes angenommen (BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BStBl II 2010, 1013). Die dort genannten fünf Monate seien keine starre Grenze. Die eineinhalb Monate dauernden Sommerferien verbringe sein Sohn zu Hause. Es sei unmöglich, für die kürzeren Winterferien nach Deutschland zurückzukehren. Auch ein Auslandsstudium sei als Ausbildung anzusehen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn lebe in China und habe daher keinen Wohnsitz in Deutschland mehr. Ein jährlicher Aufenthalt von ein bis eineinhalb Monaten in der elterlichen Wohnung sei nicht ausreichend. Solche Aufenthalte hätten keinen Wohncharakter.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes. Er trägt vor, sein Sohn sei deutscher Staatsbürger und habe die Absicht, nach dem Studium nach Deutschland zurückzukehren. Er habe seinen Wohnsitz weiterhin bei den Eltern. Er legt eine Bescheinigung der Schule für Internationale Kommunikationsausbildung der University of China vom 16.05.2014 vor, wonach der Sohn des Klägers dort an der Fakultät für Radio- und Fernsehregie eingeschrieben ist und die Ferien von Ende Januar bis Anfang März und von Ende Juli bis Anfang September dauern.

Ergänzend legt er den Reiseplan für folgende inzwischen gebuchte weitere Flüge vor:

28.08.2014   München – Peking

11.01.2015   Peking - München

Der Kläger weist auf die hohen Flugkosten hin. Trotzdem wolle er, dass sein Sohn zweimal im Jahr nach Deutschland zurückkehre. Um dies zu ermöglichen, sei er aber auf das Kindergeld angewiesen.

Der Sohn sei während seiner Inlandsaufenthalte in der elterlichen Wohnung in seinem eigenen Zimmer untergebracht. Während der Aufenthalte in China lebe er dort in einem Studentenwohnheim. Verwandte, bei denen er wohnen könne, seien in China nicht vorhanden.

Der Kläger beantragt, den Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für das Kind S ab September 2013 weiter zu zahlen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens die Revision zum BFH zuzulassen.

Nach Ansicht der Familienkasse ist die deutsche Staatsangehörigkeit des Sohnes des Klägers steuerlich ohne Belang. Sie verweist auf Urteile des Bundesfinanzhofs, in denen dieser die Frage, ob im Ausland in Ausbildung befindliche Kinder ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, geklärt habe (BFH-Urteile jeweils vom 23.11.2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BStBl II 2001, 294). Nach diesen Entscheidungen sage der bloße Wille zur Rückkehr nichts darüber aus, ob der Wohnsitz im Inland während der Dauer der Auslandsausbildung beibehalten oder aufgegeben werde. Je jünger das ins Ausland fortziehende Kind sei, desto eher sei von einer endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen.

Des Weiteren müsse sich das Kind, je länger der Auslandsaufenthalt dauere, desto länger jährlich im Inland aufhalten. Außerdem reichten bei von vornherein auf mehr als Jahr angelegte Auslandsaufenthalten kurzzeitige Besuche in Deutschland nicht aus, um den Inlandswohnsitz zu behalten. Die jährlichen Inlandsaufenthalte des Sohnes des Klägers von rd. 6 ½ bis 7 Wochen in den Jahren 2013 und 2014 seien bei einer geplanten Studiendauer von fünf Jahren nicht ausreichend, zumal der Sohn die Winterferien jeweils von Januar bis März in den Jahren 2013 und 2014 nicht in Deutschland verbracht habe.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat für den Streitzeitraum (September 2013 bis März 2014) Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn S.

Der Sohn des Klägers hat auch über den Studienbeginn im September 2013 hinaus seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten.

1. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. China zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung dieser Vorschriften nicht maßgeblich (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17.05.1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2). Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d. h. der objektive Zustand (vgl. BFH-Urteile vom 07.04.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, und vom 22.04.1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

b) Der Wohnsitzbegriff i. S. von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus. Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist.

c) Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten oder benutzt wird, schließt nicht aus, dass die Wohnung vorübergehend nicht benutzt wird. Periodische Auslandsaufenthalte stellen das Innehaben eines Wohnsitzes auch dann nicht in Frage, wenn sie sich über einen Zeitraum von etlichen Jahren erstrecken. Im Einzelfall können auch zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO), wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m. w. N., und BFH-Beschluss vom 27.12.2011 III B 24/10, BFH/NV 2012, 917).

d) Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist dafür aber nicht stets erforderlich. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält.

Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die mit einer Unterbringung in einem Studentenwohnheim verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedingt keine Auflösung der familiären Bindungen und bringt keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Studiums mit sich. Am Studienort oder in der Nähe des Studienortes in einem möblierten Zimmer oder Studentenheim wohnende Studenten behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern, soweit durch die auswärtige Unterbringung ihre Bindung zum Elternhaus bestehen bleibt. Dabei sind von der Rechtsprechung Zeiträume von drei bis fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden (Urteil des FG München vom 13.03.2014 5 K 3450/12, juris).

e) Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist.

Dient ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme wie einem Studium, ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt, und hat der Betroffene die Absicht, nach dem Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013).

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsgrundsätze hat im vorliegenden Fall der Sohn des Klägers seinen Wohnsitz im Inland auch über den September 2013 hinaus beibehalten.

a) Der Aufenthalt von S während des Sprachkurses war zunächst auf dessen Dauer vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 ausgelegt, da das weitere Vorgehen vom Erfolg des Sprachkurses abhing. Für diesen Zeitraum stellte sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde, noch nicht. Der sich daran anschließende Auslandsaufenthalt von S diente einem auf vier Jahre angelegten Studium und war von vornherein auf eine gewisse Zeitdauer befristet. Erst für dieses Studium stellt sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde. Deutlich wird dies, da S sofort nach Beendigung des Sprachkurses nach Deutschland zurückkehrte und sich vom 15.07. bis 30.08.2013 in Deutschland aufhielt. Erst zum Studium kehrte er nach Peking zurück.

b) Der Inlandsaufenthalt des Sohnes des Klägers in den Sommerferien 2014 ist bei der beabsichtigten Studiendauer jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums, also nach zehn Monaten, ausreichend, um von einem Wohnen und nicht von reinen Besuchsaufenthalten in Deutschland auszugehen. Der Sohn des Klägers hat die länger dauernden Sommerferien bei seinen Eltern verbracht. Eine Rückkehr auch während der kürzeren Winterferien 2014 ist im vorliegenden Fall allein aus finanziellen Gründen – und nicht etwa aufgrund einer familiären oder sonstigen Einbindung in China – unterblieben. Die Rückkehr in den Winterferien 2014 war zumindest in der Anfangsphase des Studiums im Hinblick auf die große Entfernung zwischen Peking und dem Wohnsitz der Eltern, die erheblichen Flugkosten und den für eine solche Reise erforderlichen Zeitaufwand nach Überzeugung des Senats nicht zwingend erforderlich.

c) Der Senat hält es durchaus für möglich, dass die zeitlichen Anforderungen an die Inlandsaufenthalte im Laufe eines längeren Studiums zunehmen können. Im vorliegenden Fall ist über den Kindergeldanspruch für die Zeit von September 2013, also dem Studienbeginn, bis zum März 2014, also dem Monat, in dem die Einspruchsentscheidung ergangen ist, zu entscheiden. Auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Sprachkurses in China handelt es sich immer noch um ein gerade erst begonnenes Auslandsstudium. Gründe für einen so frühzeitigen Verlust des inländischen Wohnsitzes kann der Senat nicht erkennen. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass der Sohn des Klägers bereits im Januar 2015 wieder nach Deutschland kommen und offenbar künftig auch die Winterferien in Deutschland verbringen wird.

d) Auch die Art der Unterbringung spricht aus Sicht des Senats für ein weiteres Innehaben einer inländischen Wohnung. Der Sohn des Klägers verfügt in der Wohnung seiner Eltern, in der auch sein Bruder lebt, über ein eigenes Zimmer. In China hingegen steht ihm lediglich ein Platz in einem Wohnheim zur Verfügung, der von vornherein nur zur Unterbringung der notwendigsten Kleidungsstücke und Unterrichtsmaterialen geeignet ist.

e) Unerheblich ist, dass der Kläger und sein Sohn zwar deutsche Staatsbürger sind, es sich bei China aber um das Herkunftsland des Klägers handelt. Verwandte, bei denen der Sohn des Klägers wohnen könnte, sind in Peking nicht vorhanden. Die Wahl Chinas als Studienland ist bei einem entsprechenden Migrationshintergrund durchaus nahliegend. Bei im Ausland Studierenden besteht jedoch unabhängig hiervon immer die Möglichkeit, dass diese aufgrund sich dort bietender beruflicher Perspektiven oder aufgrund der Wahl eines ausländischen Ehepartners nicht dauerhaft nach Deutschland zurückkehren. Dies ändert nach Auffassung des Senats aber nichts daran, dass während des Studiums – insbesondere im ersten Jahr – die zunächst noch enge Bindung an das Elternhaus beibehalten wird und sich erst allmählich lockert. Verglichen mit den häufig wechselnden Kontakten am Studienort haben die Bindungen im elterlichen Wohnort jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums dauerhafteren und daher gewichtigeren Charakter.

Der Sohn des Klägers hat daher weiterhin im Inland eine Wohnung unter Umständen innegehabt, die auf eine dauerhaft künftige Nutzung schließen lassen, und seinen Wohnsitz daher in Deutschland. Der Kläger hat somit Anspruch auf Kindergeld ab September 2013.

Die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des für September und Oktober 2013 gezahlten Kindergeldes sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Bescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2014 war daher aufzuheben und die zur Weiterzahlung des Kindergeldes ab September 2013 zu verpflichten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache aufgrund der Vielzahl ähnlicher Fälle grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Außerdem besteht im Hinblick auf die Zulassung der Revision im Verfahren III R 10/14 durch den Bundesfinanzhof das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

(1)1Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.2Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.3Werbungskosten sind auch

1.
Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.2Bei Leibrenten kann nur der Anteil abgezogen werden, der sich nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ergibt;
2.
Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge, soweit solche Ausgaben sich auf Gebäude oder auf Gegenstände beziehen, die dem Steuerpflichtigen zur Einnahmeerzielung dienen;
3.
Beiträge zu Berufsständen und sonstigen Berufsverbänden, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist;
4.
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4 500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4 500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.3Die Entfernungspauschale gilt nicht für Flugstrecken und Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nummer 32.4Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird.5Nach § 8 Absatz 2 Satz 11 oder Absatz 3 steuerfreie Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag; ist der Arbeitgeber selbst der Verkehrsträger, ist der Preis anzusetzen, den ein dritter Arbeitgeber an den Verkehrsträger zu entrichten hätte.6Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der ersten Tätigkeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.7Nach § 3 Nummer 37 steuerfreie Sachbezüge mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag nicht; § 3c Absatz 1 ist nicht anzuwenden.8Zur Abgeltung der Aufwendungen im Sinne des Satzes 1 ist für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 abweichend von Satz 2 für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der ersten 20 Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro und für jeden weiteren vollen Kilometer
a)
von 0,35 Euro für 2021,
b)
von 0,38 Euro für 2022 bis 2026
anzusetzen, höchstens 4 500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4 500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.
4a.
Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4 sowie keine Familienheimfahrten sind.2Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch die persönliche Benutzung eines Beförderungsmittels entstehen, können die Fahrtkosten mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt sind.3Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Absatz 4) und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, gilt Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend.4Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.
5.
notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen.2Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt.3Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.4Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1 000 Euro im Monat.5Aufwendungen für die Wege vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrt) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden.6Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte anzusetzen.7Nummer 4 Satz 3 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.8Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt.9Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 abweichend von Satz 6 eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der ersten 20 Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro und für jeden weiteren vollen Kilometer
a)
von 0,35 Euro für 2021,
b)
von 0,38 Euro für 2022 bis 2026
anzusetzen.
5a.
notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist.2Übernachtungskosten sind die tatsächlichen Aufwendungen für die persönliche Inanspruchnahme einer Unterkunft zur Übernachtung.3Soweit höhere Übernachtungskosten anfallen, weil der Arbeitnehmer eine Unterkunft gemeinsam mit Personen nutzt, die in keinem Dienstverhältnis zum selben Arbeitgeber stehen, sind nur diejenigen Aufwendungen anzusetzen, die bei alleiniger Nutzung durch den Arbeitnehmer angefallen wären.4Nach Ablauf von 48 Monaten einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist, können Unterkunftskosten nur noch bis zur Höhe des Betrags nach Nummer 5 angesetzt werden.5Eine Unterbrechung dieser beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn, wenn die Unterbrechung mindestens sechs Monate dauert.
5b.
notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug für Kalendertage entstehen, an denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte.2Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann im Kalenderjahr einheitlich eine Pauschale von 8 Euro für jeden Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach Absatz 4a Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nummer 1 und 2 beanspruchen könnte,
6.
Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel für Werkzeuge und typische Berufskleidung.2Nummer 7 bleibt unberührt;
7.
Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung, Sonderabschreibungen nach § 7b und erhöhte Absetzungen.2§ 6 Absatz 2 Satz 1 bis 3 ist in Fällen der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern entsprechend anzuwenden.

(2)1Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4 und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind.2Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel können angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.3Menschen mit Behinderungen,

1.
deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt,
2.
deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind,
können anstelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten ansetzen.4Die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 sind durch amtliche Unterlagen nachzuweisen.

(3) Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 bis 5a sowie die Absätze 2 und 4a gelten bei den Einkunftsarten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 bis 7 entsprechend.

(4)1Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.2Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.3Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.4Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft

1.
typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
2.
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
5Je Dienstverhältnis hat der Arbeitnehmer höchstens eine erste Tätigkeitsstätte.6Liegen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 für mehrere Tätigkeitsstätten vor, ist diejenige Tätigkeitsstätte erste Tätigkeitsstätte, die der Arbeitgeber bestimmt.7Fehlt es an dieser Bestimmung oder ist sie nicht eindeutig, ist die der Wohnung örtlich am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte.8Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird; die Regelungen für Arbeitnehmer nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und 5 sowie Absatz 4a sind entsprechend anzuwenden.

(4a)1Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nur nach Maßgabe der folgenden Sätze als Werbungskosten abziehbar.2Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale anzusetzen.3Diese beträgt

1.
28 Euro für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist,
2.
jeweils 14 Euro für den An- und Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet,
3.
14 Euro für den Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist; beginnt die auswärtige berufliche Tätigkeit an einem Kalendertag und endet am nachfolgenden Kalendertag ohne Übernachtung, werden 14 Euro für den Kalendertag gewährt, an dem der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.
4Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend; Wohnung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist der Hausstand, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet sowie eine Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen der doppelten Haushaltsführung.5Bei einer Tätigkeit im Ausland treten an die Stelle der Pauschbeträge nach Satz 3 länderweise unterschiedliche Pauschbeträge, die für die Fälle der Nummer 1 mit 120 sowie der Nummern 2 und 3 mit 80 Prozent der Auslandstagegelder nach dem Bundesreisekostengesetz vom Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder aufgerundet auf volle Euro festgesetzt werden; dabei bestimmt sich der Pauschbetrag nach dem Ort, den der Arbeitnehmer vor 24 Uhr Ortszeit zuletzt erreicht, oder, wenn dieser Ort im Inland liegt, nach dem letzten Tätigkeitsort im Ausland.6Der Abzug der Verpflegungspauschalen ist auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.7Eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn, wenn sie mindestens vier Wochen dauert.8Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind die nach den Sätzen 3 und 5 ermittelten Verpflegungspauschalen zu kürzen:
1.
für Frühstück um 20 Prozent,
2.
für Mittag- und Abendessen um jeweils 40 Prozent,
der nach Satz 3 Nummer 1 gegebenenfalls in Verbindung mit Satz 5 maßgebenden Verpflegungspauschale für einen vollen Kalendertag; die Kürzung darf die ermittelte Verpflegungspauschale nicht übersteigen.9Satz 8 gilt auch, wenn Reisekostenvergütungen wegen der zur Verfügung gestellten Mahlzeiten einbehalten oder gekürzt werden oder die Mahlzeiten nach § 40 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1a pauschal besteuert werden.10Hat der Arbeitnehmer für die Mahlzeit ein Entgelt gezahlt, mindert dieser Betrag den Kürzungsbetrag nach Satz 8.11Erhält der Arbeitnehmer steuerfreie Erstattungen für Verpflegung, ist ein Werbungskostenabzug insoweit ausgeschlossen.12Die Verpflegungspauschalen nach den Sätzen 3 und 5, die Dreimonatsfrist nach den Sätzen 6 und 7 sowie die Kürzungsregelungen nach den Sätzen 8 bis 10 gelten entsprechend auch für den Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung, die bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, soweit der Arbeitnehmer vom eigenen Hausstand im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abwesend ist; dabei ist für jeden Kalendertag innerhalb der Dreimonatsfrist, an dem gleichzeitig eine Tätigkeit im Sinne des Satzes 2 oder des Satzes 4 ausgeübt wird, nur der jeweils höchste in Betracht kommende Pauschbetrag abziehbar.13Die Dauer einer Tätigkeit im Sinne des Satzes 2 an dem Tätigkeitsort, an dem die doppelte Haushaltsführung begründet wurde, ist auf die Dreimonatsfrist anzurechnen, wenn sie ihr unmittelbar vorausgegangen ist.

(5)1§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b bis 8a, 10, 12 und Absatz 6 gilt sinngemäß.2Die §§ 4j, 4k, 6 Absatz 1 Nummer 1a und § 6e gelten entsprechend.

(6)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.2Eine Berufsausbildung als Erstausbildung nach Satz 1 liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.3Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird.4Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen.5Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat.

Tatbestand

1

I. I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.

2

Der im Jahre 1964 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist alleinstehend und erzielte im Streitjahr 2007 als Chemiker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er arbeitete im Streitjahr in B. Diese Stelle hatte er im Jahr 2006 angetreten und dort auch seinen Zweitwohnsitz begründet. Seinen Hauptwohnsitz behielt er in N bei und wohnte dort zusammen mit seiner Mutter im Einfamilienhaus, das im Streitjahr seiner (im Streitjahr 71 Jahre alten) Mutter zu 3/4 und dem Kläger und seiner Schwester zu jeweils 1/8 gehörte. Er nutzte nach eigenen Angaben in dem Einfamilienhaus ein Schlaf- und Arbeitszimmer sowie ein Badezimmer allein. Die Küche, das Ess- und Wohnzimmer wurden von ihm und seiner Mutter gemeinsam genutzt. Im Jahr 2010 wurde das Anwesen auf den Kläger übereignet.

3

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger erfolglos Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 7.053 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Einspruch und Klage blieben ebenfalls ohne Erfolg. Zwar seien sich die Beteiligten inzwischen einig, dass der Kläger das Fortbestehen seines Lebensmittelpunktes am Heimatort durch geeignete Belege nachgewiesen habe. Gleichwohl habe der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung zu Recht nicht berücksichtigt. Denn der Kläger habe in N keinen eigenen Hausstand unterhalten, sondern sei lediglich in den Haushalt der Mutter eingegliedert gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1921 veröffentlicht.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

5

Er beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2012  3 K 2338/09 und die Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 4. März 2009 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.949 € als Werbungskosten berücksichtigt werden, hilfsweise
das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Gesetzeslage bzw. Verwaltungspraxis.

6

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 21. April 2010 VI R 26/09, BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618, m.w.N.).

9

a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin --wenn auch gegen Kostenbeteiligung-- im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein, sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180). Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als "eigener" zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient. Denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen zu verorten. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies vielmehr ein wesentliches Indiz dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensführung nicht an den Beschäftigungsort verlegt worden ist, sondern der Haupthausstand dort fortgeführt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180). Dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige dort sein Privatleben führt, weil zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, beispielsweise wegen der --mit steigender Lebenserwartung immer häufiger-- alten, betreuungs- oder sogar pflegebedürftigen Eltern (BFH-Urteile in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820).

10

b) Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können die durch das Leben am Beschäftigungsort zusätzlich entstehenden notwendigen Aufwendungen grundsätzlich auch dann zu Werbungskosten führen, wenn die Wohnverhältnisse des Steuerpflichtigen am Ort seines Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98, m.w.N.). Insbesondere müssen die dem Arbeitnehmer zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten nicht den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden (BFH-Urteil in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98). Der Senat hat es in dieser Entscheidung auch für unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 2005 III R 27/05, BFHE 212, 376, BStBl II 2006, 561, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn dem Arbeitnehmer die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht (BFH-Urteil vom 30. Juli 2009 VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986). Deshalb kann ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird (Senatsurteil vom 26. Juli 2012 VI R 10/12, BFHE 238, 413, BFH/NV 2013, 112).

11

c) Auch bedarf es der Übernahme einer besonderen finanziellen Verantwortung für den (gemeinsamen) Hausstand durch die gleichmäßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten durch den Steuerpflichtigen nicht. Denn eine finanzielle Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsführung von Eltern und Kindern geschlossen werden kann, kann auch vorliegen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen Kosten oder nach gewöhnlichem und außergewöhnlichem Aufwand vorgenommen wird. Im Übrigen ist dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich --eine gewichtige-- Indizfunktion beizumessen. Denn die Entgeltlichkeit ist keine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) einer steuererheblichen doppelten Haushaltsführung. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist (Senatsurteile vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553, BStBl II 2012, 800, und in BFH/NV 2013, 112).

12

2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Denn die Vorinstanz hat zum einen die gleichmäßige Beteiligung von Eltern und Kindern an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten zu einer unverzichtbaren Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts erhoben. Zum anderen hat das FG verkannt, dass bei einem erwachsenen, wirtschaftlich selbständigen Kind --wie dem Kläger, ein im Streitjahr 43 Jahre alter promovierter Diplomchemiker-- regelmäßig vermutet werden kann, dass es nicht als Gast in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, sondern jedenfalls dann, wenn es dort lediglich unterbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil wohnt und deshalb dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu verorten ist, auch die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt. Schließlich hat die Vorinstanz im Streitfall auch nicht alle maßgeblichen Umstände in ihre Überzeugungsbildung einbezogen. Denn es hat weder die Wohnsituationen am Heimat- wie Beschäftigungsort in den Blick genommen noch gegeneinander abgewogen. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar. Auch deshalb bindet die Würdigung des FG, der Kläger habe keinen steuererheblichen doppelten Haushalt geführt, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht.

13

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze entsprechende weitere Feststellungen zu dem behaupteten Haupthausstand, insbesondere zu den Wohnsituationen des Klägers am Heimat- wie Beschäftigungsort zu treffen haben. Sollte es dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass der Kläger am Beschäftigungsort nur über eine kleine bescheidene Unterkunft (Schlafstätte) verfügt --wofür die geltend gemachten Unterkunftskosten von weniger als 200 € monatlich sprechen-- und am Heimatort bei seiner Mutter zwei Zimmer und ein Badezimmer alleine nutzt, liegt es nahe, aufgrund des Alters des Klägers und seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit sowie dem Umstand, dass der Lebensmittelpunkt von den Beteiligten unstreitig am Heimatort verortet wird, vom Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auszugehen. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sich an den laufenden Haushaltskosten (beispielsweise für Wasser, Strom und Gas) beteiligt hat. Im Übrigen spricht das Vorbringen des Klägers, der behauptete gemeinsame Haushalt sei --abredegemäß-- dergestalt finanziert worden, dass seine Mutter die laufenden Haushaltskosten und er die einmaligen hohen Kosten (beispielsweise für Instandhaltungsmaßnahmen, Schönheitsreparaturen, Gartenpflege u.Ä.) übernommen habe, ohnehin gegen eine unentgeltliche Überlassung der vom Kläger zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten.

14

4. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der BFH das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 73). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Höhe der Werbungskosten für ein Studium. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Der 1984 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen. Er absolvierte nach Erlangung der Mittleren Reife das Kaufmännische Berufskolleg Fremdsprachen an der X-Schule in Y. Dort erwarb er nach erfolgreicher Abschlussprüfung im Juli 2004 neben der allgemeinen Fachhochschulreife den Abschluss als "Staatlich geprüfter Wirtschaftsassistent". Seit dem Wintersemester 2004/ 2005 studiert der Kläger, der in B beheimatet ist, an der Fachhochschule Z im Studiengang ABC-Weltwirtschaftssprachen. Er wohnt dort zur Miete.

3

In den Streitjahren machte der Kläger Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 5.499 € (2004) und 12.482 € (2005) geltend. Zu den geltend gemachten Aufwendungen zählen u.a. Kosten einer doppelten Haushaltsführung in Höhe von 1.357 € (2004) bzw. 6.439 € (2005).

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah sämtliche Ausgaben als Berufsausbildungskosten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ sie nur in Höhe von 4.000 € zum Abzug zu.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 116). Mit Urteil vom 18. Juni 2009 VI R 79/06 (juris) hob der erkennende Senat die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat vertrat die Auffassung, dass § 12 Nr. 5 EStG dem Abzug der Studienaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht entgegenstehe. Die Feststellungen des FG ermöglichten jedoch keine Entscheidung dazu, ob die Kosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG beruflich veranlasst seien.

6

Im zweiten Rechtsgang, in dem der Kläger die zusätzliche steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für sein Studium in Höhe von 1.163 € (2004) bzw. 6.727 € (2005) beantragte, kam das FG zu der Auffassung, dass die Aufwendungen des Klägers für sein Studium dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen seien. Es bestehe ein Zusammenhang mit künftig beabsichtigten steuerpflichtigen Einkünften. Die Wohnungskosten am Studienort könnten jedoch gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG keine Berücksichtigung finden, da die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht vorlägen. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG komme nicht zur Anwendung. Die durch den Diebstahl des Fahrrads verursachten Kosten --im Revisionsverfahren nicht mehr im Streit-- stellten keine Werbungskosten dar. Als Werbungskosten könnten daher nur Aufwendungen in Höhe von 3.806 € (2004) bzw. 3.688 € (2005) angesetzt werden. Da in den angefochtenen Bescheiden bereits jeweils Sonderausgaben in Höhe von 4.000 € gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Abzug gebracht worden seien, sei die Klage abzuweisen (s. im Einzelnen EFG 2011, 789).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8

Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 dahingehend zu ändern, dass die Aufwendungen für das Studium mit weiteren 1.163 € bzw. 6.127 € steuermindernd berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

11

1. Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Das kann auch bei einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme der Fall sein (ständige Rechtsprechung, s. etwa Senatsurteil vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444).

12

Diese Voraussetzungen sind hier nach den Feststellungen des FG erfüllt. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) steht dem nicht entgegen, weil der Kläger vor Beginn seines Studiums eine (erste) Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift absolviert hat (Senatsurteil vom 9. Februar 2012 VI R 42/11, BFHE 236, 439; s. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juni 2009 VI R 79/06, juris).

13

a) Als Werbungskosten abziehbar sind sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsmaßnahme stehen, also i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG beruflich veranlasst sind. Hierzu gehören beispielsweise Fahrt- bzw. Mobilitätskosten (s. dazu BFH-Urteile in BFHE 236, 439; vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431). Da die Kosten für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abziehbaren beruflichen Aufwendungen gehören, können --wie bei einer Auswärtstätigkeit (s. dazu BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782)-- grundsätzlich auch die durch eine Bildungsmaßnahme veranlassten Unterkunftskosten Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein.

14

b) Entgegen der Auffassung des FG kommt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht zur Anwendung. Eine doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch wohnt. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer am Ort einer Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG eine Unterkunft nimmt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist somit der Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte (Senatsentscheidungen in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; vom 11. Mai 2005 VI R 34/04, BFHE 209, 527, BStBl II 2005, 793). Unter regelmäßiger Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG versteht der BFH nach neuerer Rechtsprechung nur eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und damit regelmäßig den Betrieb des Arbeitgebers. Eine arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung, wie eine Universität, ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen (BFH-Urteil in BFHE 236, 439). Sucht ein Steuerpflichtiger, wie im Streitfall, eine solche Einrichtung auf, kommt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ebenso wenig wie bei der Auswärtstätigkeit eines Arbeitnehmers in Betracht.

15

c) Kosten der Unterkunft sind jedoch nur dann durch die Bildungsmaßnahme und damit beruflich veranlasst, wenn es sich dabei um notwendige Mehraufwendungen handelt. Das ist nur dann der Fall, wenn der Ort der Bildungsmaßnahme, hier der Studienort, nicht der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist und die Unterkunft dort zur Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts hinzukommt. Ob die außerhalb des Studienorts belegene Wohnung als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen (vgl. im Einzelnen Senatsentscheidungen vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000; jeweils m.w.N.).

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2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung. Die Sache ist allerdings nicht entscheidungsreif. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

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a) Das FG hat nicht geprüft, ob sich der Lebensmittelpunkt des ledigen Klägers auch im Streitjahr weiterhin in B befand. Zwar ist die Vorinstanz zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger dort keinen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG unterhalten habe (s. dazu BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553). Auch gehört zum Unterhalten eines eigenen Hausstands insoweit, dass dieser der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers geblieben ist (BFH-Urteil in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820). Dennoch hat das FG damit keine ausreichenden Feststellungen zur Frage des Lebensmittelpunkts getroffen. Denn die Führung eines eigenen Hausstands durch den Kläger war schon deshalb zu verneinen, weil dieser in den elterlichen Haushalt eingegliedert war. Dies ist jedoch für die Abziehbarkeit von Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kein Kriterium. Ein Student kann, wie ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Auswärtstätigkeit, seinen Lebensmittelpunkt auch dann weiterhin in seinem Heimatort haben, wenn er dort über keinen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG verfügt.

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b) Falls das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten dem Grunde nach zu bejahen ist, bedarf es hinsichtlich der Höhe der Kosten weiterer Feststellungen.

19

c) Kommt ein Abzug der Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht in Betracht, scheidet auch eine steuerliche Berücksichtigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG aus. Zwar ist, wie der Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG deutlich macht, entgegen der Auffassung der Vorinstanz ein Sonderausgabenabzug grundsätzlich zulässig, wenn konkrete Bildungskosten die Voraussetzungen des § 9 EStG nicht erfüllen und damit keine Werbungskosten sind. Unterkunftskosten sind jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG --also bei einer auswärtigen Unterbringung-- abziehbar. Bei einem steuerpflichtigen Studenten, der seinen Lebensmittelpunkt an den Studienort verlagert hat, kann regelmäßig nicht von einer auswärtigen "Unterbringung" ausgegangen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei einem ledigen Steuerpflichtigen, der geltend macht, seinen Haupthausstand am Wohnsitz seiner Eltern zu unterhalten.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ledig und in O bei M nichtselbständig tätig. Er machte mit seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2003 bis 2005) geltend, in M eine Dreizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 64 qm als Wohnung am Beschäftigungsort zu nutzen und seinen Haupthausstand in dem in seinem Eigentum stehenden Gebäude in S, an dem seinen Eltern ein dinglich gesichertes Nießbrauchsrecht zusteht, zu unterhalten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hatte der Kläger in S im Dachgeschoss einen Schlafraum und einen Wohnraum mit einer Fläche von insgesamt 45 qm für sich allein zur Verfügung und benutzte Küche, Bad und WC gemeinsam mit seinen Eltern.

3

Soweit der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre 2003 bis 2005 die geltend gemachten Kosten unberücksichtigt ließ, blieb die dagegen erhobene Klage erfolglos. Das FG ließ die Kosten der doppelten Haushaltsführung unberücksichtigt, weil nach seiner Überzeugung der Kläger in S keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Der Kläger habe keine Beweismittel dafür benannt, dass er sich auch finanziell an der Führung eines Hausstands in S beteiligt habe. Der insoweit feststellungsbelastete Kläger habe damit nicht nachweisen können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt eines Hausstands in S beteiligt habe, was jedoch Voraussetzung für die Annahme eines eigenen Hausstands sei.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinsichtlich der Frage des Unterhaltens eines eigenen Hausstands nicht darauf an, ob der Hausstand entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stehe.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG München vom 4. September 2008 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 4. Januar 2008 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 6. April 2004, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 11. Mai 2005 sowie den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19. Mai 2006 dahingehend abzuändern, dass über die bereits anerkannten Aufwendungen hinaus weitere Aufwendungen für die Unterkunft am Arbeitsort in Höhe von 10.458 € im Jahr 2003, in Höhe von 10.120 € im Jahr 2004 sowie in Höhe von 9.885 € im Jahr 2005 als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

6

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt BFH-Urteile vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 5. März 2009 VI R 23/07, BFHE 224, 420, BStBl II 2009, 1016).

9

a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt --etwa in den der Eltern oder als Gast-- eingegliedert ist. Dann liegt keine eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil in 218, 229, BStBl II 2007, 890).

10

b) Insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, stellt sich die Frage, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition ist zwar nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt aber der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des Überlassenden, z.B. der Eltern, darstellt. Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich der Frage, ob der Steuerpflichtige im Übrigen für die Kosten des Haushalts aufkommt. Denn ungeachtet der Frage, ob die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird, ist der Umstand, ob der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts im Übrigen aufkommt, zwar ein besonders gewichtiges Indiz für das Unterhalten eines eigenen Haushalts i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, aber keine zwingende Voraussetzung im Sinne einer conditio sine qua non. Damit wird es weiterhin auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der Haushaltsführung als gewichtiges Indiz einer eigenen Haushaltsführung regelmäßig ankommen. Lässt sich indessen diese finanzielle Beteiligung nicht feststellen, ist damit eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten nicht zwingend ausgeschlossen, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist. Insoweit gilt der Grundsatz fort, dass allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu werten ist. Entsprechendes gilt für die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten bei einem Familienhaushalt. Auch hier kommt es auf die finanzielle Beteiligung an der "Haushaltsführung" im Sinne eines gewichtigen Indizmerkmals an.

11

2. Gemessen daran hält die Entscheidung der Vorinstanz revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

12

a) Die Frage, ob der alleinstehende Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder aber nur in einen fremden eingegliedert ist, entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung. Innerhalb derer ist das Merkmal der finanziellen Beteiligung an der Haushaltsführung zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber nicht unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand als Haupthausstand unterhält. Wenn daher die Vorentscheidung ausführt, dass der die Feststellungslast tragende Kläger nicht hatte nachweisen können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt eines Hausstands in S beteiligte, dies jedoch Voraussetzung für die Annahme eines eigenen Hausstands sei, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das FG bei Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze zu einer anderen Würdigung gekommen wäre.

13

b) Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze den Sachverhalt erneut zu würdigen haben. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass bei alleinstehenden Arbeitnehmern mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit grundsätzlich immer mehr dafür spricht, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Beschäftigungsort liegen oder dorthin verlegt wurden. Indizien dafür, wo der Lebensmittelpunkt liegt, können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen, die Zahl der Heimfahrten sowie insbesondere auch der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen (BFH-Urteil in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820,).

14

3. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Würdigung gelangen, dass der Kläger in S doch den eigenen Haupthausstand unterhalten hatte und dass auch die übrigen Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben waren, wäre der Mietaufwand allerdings auf das Notwendige zu begrenzen. Denn angesichts des Umstands, dass der Kläger Mietaufwendungen für eine 64 qm große Wohnung als Werbungskosten geltend gemacht hat, wird zu beachten sein, dass Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind, wie sie den durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten (BFH-Urteile in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820, m.w.N.; vom 9. August 2007 VI R 23/05, BFHE 218, 376, BStBl II 2009, 722).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.

(1) Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheides ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Beklagten möglich. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 der Abgabenordnung von Bedeutung sein können, kann die Klage hierauf begrenzt zurückgenommen werden. § 50 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Rücknahme hat bei Klagen, deren Erhebung an eine Frist gebunden ist, den Verlust der Klage zur Folge. Wird die Klage zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluss ein. Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht, so gilt § 56 Abs. 3 sinngemäß.