Finanzgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - 15 K 35/14

bei uns veröffentlicht am06.08.2015

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 15 K 35/14

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: § 129 AO bei nur teilweiser Übernahme von Daten aus dem elektronischen Übertragungsprotokoll

In der Streitsache

1. ...

2. ...

Kläger

prozessbevollmächtigt: zu 1-2: Sozietät ...

gegen

Finanzamt ...

Beklagter

wegen Einkommensteuer 2008

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München durch . als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 6. August 2015

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Die Kläger erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Klägerin zudem aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie werden beim Beklagten, dem Finanzamt zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Streitig ist, ob die unstreitig erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die zunächst im Einkommensteuerbescheid 2008 nicht erfasst wurden, durch eine Änderung nach § 129 der Abgabenordnung (AO) noch besteuert werden können.

Die Kläger tragen vor, sie hätten ihre Einkommensteuererklärung 2008 über ihren steuerlichen Berater elektronisch per ELSTER-Modul der DATEV-Software an den Beklagten übermittelt und die ausgedruckte, von ihnen unterschriebene komprimierte Erklärung mit der Telenummer IT3 nachgereicht. Im Einkommensteuerbescheid vom 22. November 2010 seien die erklärten Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3.978 € nicht der Besteuerung unterworfen worden.

Mit Bescheid vom 19. April 2011 erging ein nach § 129 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Der Beklagte erläuterte hierzu, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien bei Erlass des Verwaltungsakts vom 22. November 2010 nicht übernommen worden. Diese offenbare Unrichtigkeit werde nunmehr berichtigt. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und trugen vor, es seien innerhalb der Anlage V, Sachbereich 25, die von ihnen erklärten Angaben in den Kennziffern 101, 130, 152, 148, 149 und 120 zu übernehmen gewesen, so dass die Übernahme lediglich einer einzelnen Kennziffer deutlich sichtbar hätte werden müssen. Zudem gehe das Versehen nicht aus den Akten hervor. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass die erklärten Einkünfte rechtsfehlerhaft nicht der Besteuerung unterworfen worden seien. Zudem scheide gemäß dem Urteil des Finanzgerichts Münster vom 13. Oktober 2010 7 K 4838/08 eine Berichtigung aus, da der Beklagte nicht seiner Amtsermittlungspflicht nachgekommen sei. Mögliche unterlassene amtsinterne Plausibilitätsprüfungen und Endkontrollen könnten nicht durch die Anwendung des § 129 AO ausgebügelt werden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Möglichkeit eines Fehlers, der die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit ausschließe, liege nicht vor. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien vielmehr seien versehentlich nicht in das Computerprogramm übertragen worden. Der eigentliche Wille zur Übernahme sei in einem Abhaken des Betrags - wie bei den übrigen Besteuerungsgrundlagen auch - manifestiert worden. Es liege eine bloße Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit vor, die offen zutage liege. Deshalb liege auch keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht vor.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Im Erörterungstermin vom 16.04.2015 wurde der Sach- und Rechtsstand mit den Beteiligten besprochen. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Am 19.05.2015 wurde ein Auskunftsersuchen an das Landesamt für Steuern Bayern, IT-Referat, gerichtet; auf dieses sowie auf dessen Beantwortung vom 24.06.2015 wird ebenso verwiesen. Mit Beschluss vom 23.07.2015 wurde Herr ., der das Auskunftsersuchen beantwortet hatte, als Zeuge bestellt, nachdem die Kläger die Befreiung vom Steuergeheimnis erklärt hatten. Aussagegenehmigung für den Zeugen liegt vor.

Auf Nachfrage des Gerichts erklären die Kläger, es liege kein Transferticket vor, das die Datenübertragung bestätige. Immerhin ergebe sich aus dem Auskunftsersuchen, dass dem Bearbeiter während der Eingabe der aktuellen Werte die Vorjahreswerte als Vergleichswerte zur Verfügung gestellt würden. Deren Abruf sei im Einzelfall von einer benutzerdefinierten Einstellung der Bildschirmanzeige abhängig.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 07.08.2015 weitere Ausführungen gemacht. Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2008 vom 19.04.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 29.11.2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihm hätten trotz Telenummer überhaupt keine elektronischen Daten für die Bearbeitung zur Verfügung gestanden. Alle in der ELSTER-Version enthaltenen Angaben seien manuell in den Computer eingegeben worden. Die Veranlagungsbeamtin Frau . könne dies bestätigen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die Akten verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2015 wurde der Sachund Streitstand unter Einvernahme des Zeugen . und der damaligen Sachbearbeiterin.

als mitgebrachter Zeugin erörtert; auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. August 2015 wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Bei Fehlern im Zusammenhang mit der Eingabe in ein Computerprogramm und anschließender Berichtigung nach § 129 AO geht die höchstrichterliche Rechtsprechung von folgenden Grundsätzen aus (BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 305/05, BFH/NV 2006, 1793, und vom 6.2.2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814; siehe hierzu auch FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.2008 13 V 2901/07, juris):

„Nach § 129 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. „Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ im Sinne dieser Vorschrift sind einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen. Ist dagegen die mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt kein mechanisches Versehen und damit keine offenbare Unrichtigkeit vor (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Dementsprechend können Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung rein mechanische Versehen offenbare Unrichtigkeiten i. S. des § 129 Satz 1 AO 1977 sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder Übersehen notwendiger Eintragungen. Es ist aber auch denkbar, dass fehlerhafte Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen, denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; BFH-Urteil in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Nach den Feststellungen des FG beruhte der Fehler des FA, dessen Korrektur streitig ist, auf einer unterlassenen Eingabe in das Computer-Programm, durch die der nicht bekannt gegebene Änderungsbescheid vom 21. Juli 1998 hätte storniert werden müssen. Ob bei solchen Eingabefehlern ein bloßes mechanisches Versehen oder aber ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum des Sachbearbeiters vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt und nur auf Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden kann (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1316; BFH-Urteil in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535).“

Ferner hat der BFH in seinem Urteil vom 8.12.2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694 ausgeführt:

„Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i. S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem „Versehen“ beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1967 VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 13. Februar 1979 VIII R 53/77, BFHE 127, 302, BStBl II 1979, 458).Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteile vom 2. August 1974 VI R 137/71, BFHE 113, 169, BStBl II 1974, 727; vom 22. November 1974 VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350). Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (BFH-Urteile vom 28. November 1952 III 258/51 S, BFHE 57, 14, BStBl III 1953, 6; vom 17. April 1969 V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474; vom 4. Februar 1972 III R 28/68, BFHE 105, 439, BStBl II 1972, 679).

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853; vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62) oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

Ein Fehler ist dann „offenbar“ i. S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteile vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; BFH-Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277).“

Das FG Köln (Urteil vom 26.06.2014 3 K 1906/12, EFG 2014, 2112) geht von einem mechanischen Versehen i. S. d. § 129 AO aus, wenn eine Unrichtigkeit nicht auf einen Vorgang des Denkens, Subsumierens oder Schlussfolgerns zurückzuführen ist.

2. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Einzelrichter anschließt, lag eine offenbare Unrichtigkeit vor, die nach § 129 AO berichtigt werden konnte. Der hierauf gestützte Änderungsbescheid verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die Einvernahme der Zeugen ... und ... hat ergeben, dass kein sog. Transferticket für die Einkommensteuererklärungsdaten 2008 der Kläger vorhanden ist. Offen blieb, ob die Daten tatsächlich gesendet worden sind und nur nicht angekommen sind oder ob ein Datentransfer - im Gegensatz zur am selben Tag übermittelten Umsatzsteuererklärung der Klägerin - aus nicht mehr aufklärbaren Gründen unterblieben ist. Wie der Zeuge geschildert hat, kann bei DATEV auch dann eine komprimierte Steuererklärung ausgedruckt werden, wenn diese nicht vorher elektronisch übermittelt wurde. Jedenfalls hat die Zeugin . glaubhaft versichert, dass ihr am Bearbeitungsbildschirm keine elektronisch übermittelten Erklärungsdaten zur Verfügung gestellt wurden; der Zeuge . hat ebenso glaubhaft dargestellt, dass auf den Rechnern der Bayerischen Finanzverwaltung keine Erklärungsdaten für Einkommensteuer 2008 eingegangen sind. Folglich kam es zu der streitigen Unrichtigkeit des Bescheids, als die Zeugin . die Daten aus der eingereichten komprimierten Einkommensteuererklärung manuell eingegeben hat.

Es kann bei umfassender Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls aufgrund der Aussage der Zeugin ., aufgrund des Akteninhalts und aufgrund des Geschehensablaufs ausgeschlossen werden, dass die unterlassene Eingabe der Daten im Sachbereich 25 (Anlage V) auf einem Rechtsirrtum im Sinne eines Vorgangs des Denkens, Subsumierens oder Schlussfolgerns beruht hat. Wie die Aussage des Zeugen . ergeben hat, hätte zur Vermeidung eines Hinweisfalles zumindest das EW-Aktenzeichen und die Summe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Kennziffer 120) eingegeben werden müssen. Da das EW-Aktenzeichen nicht automatisch aus dem Vorjahr übernommen wird, war für die Sachbearbeiterin kein Anstoß für einen Überlegungsvorgang hinsichtlich der Steuerpflicht der Vermietungseinkünfte vorhanden. Die Aktenlage deutet vielmehr darauf hin, dass die Bearbeiterin die komprimierte Einkommensteuererklärung zunächst in der vorliegenden Papierform einschließlich der Anlage V überprüft hat; dabei hat sie, wie in ihrer Aussage auch angegeben, den Haken (nur) bei der Kennziffer 120 angebracht. Nach der Auffassung des Gerichts ist dabei nicht zweifelhaft, ob sie damit mit dem Anbringen des Hakens ausdrücken wollte, dass der Betrag „rechnerisch richtig und steuerlich zu erfassen“ oder - wie die Kläger vorbringen - nur „rechnerisch richtig“ sei. Denn der fragliche Überschuss wurde von den Klägern in deren Anlage V als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Wird er sodann „abgehakt“, ergibt sich aus der auf der komprimierten Einkommensteuererklärung angebrachten Verfügung, dass diese „abgehakten“ Daten zur Berechnung der Einkommensteuer 2008 maschinell zu verarbeiten sind. Hätte die Bearbeiterin bzw. der schlusszeichnende Sachgebietsleiter hier eine andere Auffassung vertreten, hätte dies dokumentiert werden müssen. Fehlt aber eine entsprechende Dokumentation, ist für eine Dritten offenkundig, dass erklärte und kommentarlos „abgehakte“ Einkünfte zu versteuern sind und aufgrund eines mechanischen Versehens nicht manuell in die Datenverarbeitung übernommen worden sind. Eine andere Deutungsmöglichkeit ist nach den Gesamtumständen nicht ersichtlich.

Die Kläger können sich im Rahmen des § 129 AO nicht darauf berufen, dass möglicherweise Verstöße gegen Dienstanweisungen erfolgt sind. Hierzu haben sie im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung u. a. auf die nicht erfolgte Eingabe auch der Kennziffern 101 bis 152 des Sachbereichs 25 und die in der Akte im Original abgehefteten Kaminkehrerrechnungen für das Mietobjekt hingewiesen. Derartige Verstöße führen zwar im Rahmen des § 173 AO bei einer Bescheidänderung zulasten eines Steuerpflichtigen unter dem Gesichtspunkt des Ermittlungsverschuldens bisweilen zu einer eingeschränkten Berichtigungsmöglichkeit (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 24.03.2004 X B 110/03, BFH/NV 2004, 1070). Im Rahmen des § 129 AO werden Verschuldensgesichtspunkte jedoch nur dann relevant, wenn sich Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts möglicherwiese und nicht nur theoretisch hätten auswirken können. Anhaltspunkte für rechtliche (Steuerpflicht der in der Anlage V erklärten Vermietungsüberschüsse) oder tatsächliche Ermittlungsmängel, auf die der Fehler zurückzuführen sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich..

Ob der Fehler bei sorgfältigerer Bearbeitung hätte vermieden werden können, muss deshalb unberücksichtigt bleiben. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Bearbeiterin nicht verwendeten - und auch in der Dienstanweisung nicht vorgeschriebenen und zum Zeitpunkt der Bearbeitung nicht durch ein innerbetriebliches Risikomanagementsystem sichergestellten - Durchführung eines Vorjahresvergleichs am Bildschirm durch Einblendung der Vorjahresdaten. Das Gericht würde eine Berufung des Beklagten auf die Änderungsmöglichkeit nach § 129 AO nur dann als rechtsmissbräuchlich ansehen, wenn sie aufgrund eklatanter Bearbeitungsmängel einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde. Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Wie bereits oben zu § 173 AO ausgeführt, wäre dies nur bei einem Verstoß gegen die Ermittlungspflicht zu prüfen gewesen; die Kläger hatten den zu beurteilenden steuerlich relevanten Sachverhalt jedoch richtig, vollständig und deutlich dem Beklagten zur Überprüfung mitgeteilt. Der Beklagte hat es nicht versäumt, diesen Sachverhalt aufzuklären, sondern nur die datenmäßige Erfassung als letzten Akt der Steuerberechnung versehentlich unterlassen. Im Rahmen des § 129 AO sind, wie dargestellt, Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht ohnehin bei Vorliegen auch berücksichtigungsfähig.

3. Die Entscheidung erfolgt durch den konsentierten Einzelrichter, § 79a Abs. 3 FGO, die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - 15 K 35/14

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 129 Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts


Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem sch
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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
Streitig ist, ob ein Einkommensteuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigt werden durfte.
I.
Die seit Juni 2001 verwitwete Antragstellerin wird zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und sonstige Einkünfte aus einer Witwenrente. Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 wurde ihr Einkommen nach der Splittingtabelle versteuert (sog. Gnadensplitting im Jahr nach dem Tod des Ehegatten gemäß § 32 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG -). In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 gab die Antragstellerin zutreffend an, dass und seit wann sie verwitwet ist; die Anlage SO enthält die Witwenrente. Im Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 22. Juli 2004 versteuerte der Beklagte das Einkommen der Antragstellerin wiederum nach dem Splittingtarif. Der Bescheid weist ein Restguthaben von 3.633,32 EUR aus und wurde bestandskräftig. Im Rahmen einer Revision wurde die Mehrfachgewährung des Gnadensplittings durch die Eingabe „SB 17, KZ 74, 2“ beanstandet und die Berichtigung nach § 129 AO angeordnet. Unter dem 24. September 2007 berichtigte der Antragsgegner den Einkommensteuerbescheid für 2003 nach § 129 AO. Die Einkommensteuer wurde nunmehr nach dem Grundtarif berechnet. Gleichzeitig wurden Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 493 EUR festgesetzt, die Abschlusszahlung beträgt 4.106,37 EUR.
Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 24. September 2007 erhob die Antragstellerin Einspruch und beantragte den Erlass der Steuerschuld, hilfsweise Stundung sowie die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids. Der Antragsgegner gab dem Stundungsantrag statt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte er mit Bescheid vom 4. Dezember 2007 ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung trägt die Antragstellerin vor, § 129 AO gebe keine allgemeine Erlaubnis zur Fehlerberichtigung bestandskräftiger Steuerbescheide. Zu den ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne der Vorschrift zählten auch mechanische Versehen. Sei dagegen mehr als nur die theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liege kein mechanisches Versehen und damit keine offenbare Unrichtigkeit vor. Von einem Übertragungsfehler als rein mechanisches Versehen könne hier nicht ausgegangen werden, weil fehlerhafte Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen könnten. Durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern werde der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das Programm dokumentiert. Sie habe in ihren Steuererklärungen jeweils zutreffende Angaben gemacht. Die Steuererklärungen für 2002 und 2003 hätten sich in einer Weise unterschieden, die eine Einzelbearbeitung und –bewertung erfordert habe. Die frühere Sachbearbeiterin habe den Steuerbescheid vom 22. Juli 2004 individuell bearbeitet, denn er sei nicht an die Eheleute, sondern an sie allein gerichtet. Auch lasse ein steuereinsatzfähiges Programm keine Zusammenveranlagung zu, wenn sich unter den sonstigen Einkünften eine Witwenrente finde. Auch die Arbeitnehmer-Sparzulage sei anhand des Grenzbetrags für Alleinstehende geprüft worden. Die Sachbearbeiterin habe nach ihrer irrigen Rechtsmeinung, möglicherweise entstanden durch die irrige Verarbeitung von Pressemitteilungen aus dem Bundestagswahlkampf, eine Rechtsbewertung zu ihren Gunsten vornehmen wollen. Die Steuererstattung, die ihr überwiesen worden sei, habe sie längst verbraucht. Ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse erlaubten es ihr nicht, den Erstattungsbetrag ohne eine ganz besondere Härte für ihre Verhältnisse aufzubringen. Hinsichtlich der festgesetzten Zinsen erlaube § 233 a Abs. 5 Satz 1 AO bei einer Berichtigung, eine schon erfolgte („bisherige“) Zinsfestsetzung zu ändern. Eine solche Zinsfestsetzung habe es jedoch bisher nicht gegeben. Bei richtiger Beurteilung des Falles hätte sie nichts nachzahlen müssen und auch keine Erstattung erhalten. Die Nachforderung von Steuern und die Forderung von Zinsen widerspreche in grobem Maße Treu und Glauben, wenn es denn richtig sein solle, dass dem Antragsgegner ein Irrtum unterlaufen sei.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen, und erwidert, die Offenbarkeit eines Fehlers werde nicht dadurch beseitigt, dass der Bearbeiter den Fehler hätte bemerken müssen, wenn er beispielsweise eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt hätte. Eine oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls durch die Finanzbehörde hindere eine Berichtigung nach § 129 AO nicht, da dessen Anwendbarkeit nicht von Verschuldenserwägungen abhängig sei. Da sich der unstreitige Sachverhalt, nämlich dass die Antragstellerin bereits seit dem 11. Juni 2001 verwitwet sei, aus der ersten Seite der Einkommensteuererklärung und den zusätzlichen Angaben zur Anlage SO ergeben hätten, gebe es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Sachbearbeiterin der irrigen Rechtsauffassung gewesen sein könnte, die Voraussetzungen für die Gewährung des Witwensplittings seien auch im zweiten Jahr nach dem Todesjahr erfüllt. Vielmehr habe die Gewährung des Witwensplittings seinen Grund in einer bloßen Unachtsamkeit durch Übernahme der Kennzahl 2 für das Witwensplitting aus den Daten des Vorjahres. Eingabetechnisch seien der Sachbearbeiterin in der EDV-Eingabemaske im Bereich „Allgemeine Angaben“ die Schlüsseleingaben des Vorjahres zur Kz 011 (Alter, Religion) mit den Werten 1000 und zur Kz 74 (Veranlagungsart) mit dem Wert 2 (Witwensplitting) zur Verfügung gestellt worden. Dass der Ehemann der Antragstellerin nicht im Vorjahr, sondern bereits im Jahr davor verstorben gewesen sei, habe den Angaben in der Einkommensteuererklärung ohne weitere Überlegungen und Schlussfolgerungen entnommen werden können. Auf Grund der seit mehreren Jahrzehnten gegebenen eindeutigen Rechtslage beim Witwensplitting sei es daher schlichtweg ausgeschlossen, dass der Bearbeiterin mit der Übernahme der Kennzahl 2 aus den Vorjahresdaten rechtliche Erwägungen über die Anwendung der Steuertabelle angestellt haben solle. Soweit die Antragstellerin einwende, dass ein steuereinsatzfähiges Programm keine Zusammenveranlagung zulassen dürfe, wenn sich unter den sonstigen Einkünften eine Witwenrente befinde, sei darauf hingewiesen, dass bei der Dateneingabe nicht zwischen Altersrente und Witwenrente unterschieden werde („Leibrente“). Die Prüfung der Grenze für die Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage erfolge ausschließlich programmgesteuert nach den gespeicherten Grundinformationsdaten des jeweiligen Steuerpflichtigen (u.a. verheiratet, ledig). Die Ausführungen im Zusammenhang mit Pressemitteilungen aus dem Bundestagswahlkampf seien rein spekulativer Natur. Im Übrigen habe der Bundestagswahlkampf offensichtlich erst nach der Auflösung des Bundestages im Juli 2005 begonnen, die Veranlagung sei ein Jahr zuvor durchgeführt worden. Soweit sich die Antragstellerin grundsätzlich gegen Zinsen nach § 233 a AO wende und deren Festsetzung für nicht zulässig halte, werde auf die zu dieser Vorschrift im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Mai 2005 (VIII R 100/02, BStBl II 2005, 735) gemachten Ausführungen verwiesen.
Die Antragstellerin hat hierzu noch vorgetragen, sie könne die Schlussfolgerung, dass rechtliche Erwägungen der Sachbearbeiterin „schlichtweg ausgeschlossen“ seien, nicht teilen. Der behauptete Programmfehler, dass eine Witwenrente nicht von einer Altersrente unterschieden werde, lasse sich nicht nachvollziehen. Sie zweifle daran, weil nunmehr auf dem Nebengebiet der Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage auf einmal alles „ausschließlich programmgesteuert nach den gespeicherten Grundinformationsdaten“ erledigt werden solle. Die falsche Bewertung könne nicht nur bei der Veranlagungsbeamtin liegen, sondern auch bei der Verwendung eines nicht ausreichend abgesicherten Programms, das an manchen Stellen programmgesteuert arbeite, an anderen Stellen aber nicht. Die Akteneinsicht habe nicht ergeben, dass der Sachbearbeiterin für die Veranlagung 2003 die Schlüsseleingaben des Vorjahres im Bereich der Eingabemaske „Allgemeine Angaben“ zur Verfügung gestellt worden seien. Die Kennziffern 011 und 74 ließen sich weder in den Jahren 2002 noch 2003 oder später erkennen. Die Kennzahl 2, die nach der Darstellung des Antragsgegners das Witwensplitting bedeute, lasse sich aus dem Eingabeprotokoll ebenfalls nicht erkennen. Für die Sicherung des Steueraufkommens erscheine es sehr riskant, dass ein Programm zur Steuerveranlagung keinen Rückfragemechanismus auslöse, wenn die Angaben „verwitwet, Bezug nichtselbstständiger Einkünfte, Bezug Rente, Minderung durch Kosten für Grabpflege“ keine Blockade veranlassten. Die Veranlagungsbeamtin habe daher feststehende und erkennbare Tatsachen nicht berücksichtigt. Eine Anwendung des § 129 AO sei damit ausgeschlossen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Akten des Beklagten (je 1 Heft Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten) Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (st. Rspr., vgl. BFH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2002 VIII B 172/01, BFH/NV 2003, 306; vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BStBl II 2006, 523).
10 
Bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen - aber auch ausreichenden - summarischen Prüfung bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2003 vom 24. September 2007.
11 
Denn es liegen die Voraussetzungen des § 129 AO für eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids für 2003 vor.
12 
Gemäß § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen und auch zu seinen Lasten jederzeit berichtigen. Dies gilt auch dann, wenn ein Steuerbescheid bestandskräftig geworden, die Steuerfestsetzungsfrist jedoch noch nicht abgelaufen ist.
13 
„Ähnliche Unrichtigkeiten“ müssen einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein, d.h. es muss sich um mechanische Versehen handeln. Sie müssen ebenso wie Schreib- oder Rechenfehler, also ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, wie zum Beispiel Übertragungsfehler. Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung können als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im vorgenannten Sinne sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Nichtbeachtung der für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisungen, Übersehen notwendiger Eintragungen oder Verwendung falscher Schlüsselzahlen. Die Grundsätze, die in Bezug auf Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung entwickelt wurden, gelten entsprechend, wenn Daten direkt in die automatische Datenverarbeitung eingegeben werden. Denn es kann für die Entscheidung über die Beurteilung eines Fehlers als offenbare Unrichtigkeit keinen Unterschied machen, ob die fehlerhafte Eintragung auf einem Vordruck in Papierform oder direkt als Eingabe in einen Computer vorgenommen worden ist.
14 
Sowohl bei Eintragungen in Eingabewertbögen als auch bei der Direkteingabe in die automatische Datenverarbeitung ist allerdings denkbar, dass fehlerhafte Eintragungen bzw. Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen. Denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert. Besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Fehlers bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, liegt kein bloßes mechanisches Versehen und damit auch keine offenbare Unrichtigkeit vor, ebenso nicht bei einer unrichtigen Tatsachenwürdigung, bei der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts, bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, oder Denkfehlern bei der Sachverhaltswürdigung.
15 
Ein Fehler ist „offenbar“, wenn er auf der Hand liegt, wenn er durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Eine offenbare Unrichtigkeit kommt namentlich dann in Betracht, wenn sich der Fehler aus der Steuererklärung und/oder aus den dieser beigefügten Unterlagen ergibt. Die Fälle, in denen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs § 129 AO angewandt hat, sind dadurch gekennzeichnet, dass der steuerlich bedeutsame Sachverhalt festgestellt war und keine Zweifel daran bestanden, welche steuerlichen Folgen die Finanzbehörde hieraus ziehen wollte. Hat also die Nichtberücksichtigung einer Tatsache ihren Grund in einer bloßen Unachtsamkeit und liegt sie offen zutage, etwa beim schlichten Übersehen auf Grund der Steuererklärung oder der beigefügten Unterlagen feststehender Tatsachen, so kann von einem auf mangelnder Sachaufklärung beruhendem Nichterkennen der Tatsache nicht gesprochen werden. Die auf Flüchtigkeit zurückzuführende Nichtbeachtung feststehender Tatsachen ist vielmehr der Regelfall der offenbaren Unrichtigkeit.
16 
Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage zu beantworten (zu alledem vgl. BFH, Urteile vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BStBl II 1992, 52; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; Beschlüsse vom 5. Januar 2005 III B 79/04, BFH/NV 2005, 1013; vom 22. Mai 2006 X B 182/05, BFH/NV 2006, 1506; vom 28. Juni 2006 VII B 305/05, BFH/NV 2006, 1793; Urteil vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810).
17 
Im Streitfall war der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 22. Juli 2004 im Sinne des § 129 AO unrichtig, weil in ihm das Einkommen der Antragstellerin zu Unrecht nach dem Splittingtarif besteuert wurde. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Unrichtigkeit ist in Anwendung der dargestellten Grundsätze auch offenbar. Aus der eingereichten Einkommensteuererklärung der Antragstellerin, insbesondere aus den Angaben im Mantelbogen und der Anlage SO, ergab sich, dass die Klägerin bereits seit 2001 verwitwet ist und eine Witwenrente bezieht. Die Offenbarkeit des Fehlers wird nicht dadurch beseitigt, dass die Bearbeiterin den Fehler hätte bemerken müssen, wenn sie beispielsweise eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt hätte. Eine oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls durch die Finanzbehörde hindert eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht. Denn die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 129 AO ist nicht von Verschuldenserwägungen abhängig (vgl. BFH, Urteil vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, aaO).
18 
Der Antragsgegner ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bearbeiterin bei der Eingabe der Grunddaten nur ein Versehen unterlaufen sein kann. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden, weil sich aus den nach Aktenlage erkennbaren Umständen des Falles keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben. Das Versehen beruht auf einer mechanischen Übernahme der Einträge aus der Vorjahresveranlagung, die das Programm bei den Grunddaten („Allgemeine Angaben“) anbietet. Dabei sind entgegen der Darstellung der Antragstellerin aus dem Eingabebogen vom 19. Juli 2004 sowohl die Kennziffer 74 (Veranlagungsart) als auch der Wert „2“ (Witwensplitting) für 2003 und das Vorjahr 2002 ersichtlich. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt aber gerade dann vor, wenn das Finanzamt die allgemeinen Daten, die in der Regel selten zu verändern sind, aus den Vorjahresdaten ungeprüft übernimmt. Es liegt völlig fern, dass die Sachbearbeiterin mit der Eingabe des Wertes „2“ bei der Kennziffer 74 (Veranlagungsart) die Versteuerung nach dem Splittingtarif auslösen wollte, weil sie der irrigen Auffassung gewesen wäre, dieser sei auch im zweiten auf das Todesjahr folgenden Jahr anzuwenden. Ein Denkfehler bei der Sachverhaltswürdigung erscheint bei dieser Fallkonstellation vielmehr ausgeschlossen, sodass es sich vorliegend nur um einen Flüchtigkeitsfehler handeln kann, der als typisches mechanisches Versehen zur Berichtigung nach § 129 AO berechtigt (zum Witwensplitting vgl. BFH, Urteil vom 2. August 1974 VI R 137/71, BStBl II 1974, 727; Beschluss vom 9. Juni 1988 VI B 170/87, BFH/NV 1989, 6).
19 
Der mechanische Fehler, der der Bearbeiterin unterlaufen ist, konnte auch ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung durch Eingabe der richtigen Kennziffer berichtigt werden.
20 
Die Vermutung der Antragstellerin, die Bearbeiterin der Steuererklärung sei auf Grund von Ankündigungen aus dem Bundestagswahlkampf einem Rechtsirrtum über die Anwendbarkeit des Steuertarifs nach § 32 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG unterlegen, erscheint dem Senat weit hergeholt; diese Möglichkeit ist im Übrigen rein theoretischer Natur und steht einer Berichtigung nach § 129 AO wie bereits ausgeführt nicht entgegen.
21 
Soweit sich die Antragstellerin dem Grunde nach gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wendet, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.
22 
Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist gemäß § 233 a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Gemäß § 233 a Abs. 5 Satz 2 AO ist für die Zinsberechnung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgeblich, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und die anzurechnende Körperschaftsteuer. Nach seinem Wortlaut setzt § 233 a Abs. 5 AO bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung an. Der bestimmte Artikel ("die Steuerfestsetzung") macht deutlich, dass eine Steuerfestsetzung ergangen sein muss. Rechtsfolge von deren Korrektur ist die Änderung einer bisherigen Zinsfestsetzung. Deren Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung trägt die Auslegung, dass § 233 a Abs. 5 AO auch eingreift, wenn im Einzelfall eine bisherige Zinsfestsetzung nicht vorliegt. Die Rechtsfolgenbestimmung von § 233 a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz AO ist immer anzuwenden, wenn eine Steuerfestsetzung korrigiert wurde, auch wenn mit der korrigierten Steuerfestsetzung ursprünglich keine Zinsfestsetzung erfolgt war (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BStBl II 2005, 735).
23 
Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Festsetzung von Nachforderungszinsen nicht entgegen. Das gilt auch dann, wenn wie hier ein Fehler des Finanzamts für die Entstehung des Zinsanspruchs verantwortlich ist. Denn die Zinsen nach § 233 a AO sind nach der gesetzgeberischen Konzeption weder Sanktions- noch Druckmittel oder Strafe, sondern laufzeitabhängige Gegenleistung für eine typisierend vom Gesetz unterstellte mögliche Kapitalnutzung (vgl. BFH, Beschluss vom 2. Februar 2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003). Die Frage, ob bei der vorliegenden Fallgestaltung ein Billigkeitserlass der Zinsen in Betracht kommt, ist nicht Gegenstand dieses, gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Verfahrens.
24 
Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2003 kommt auch nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte in Betracht. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin nicht wieder gutzumachende wirtschaftliche Nachteile oder gar eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht glaubhaft gemacht und der Antragsgegner inzwischen ihrem Stundungsantrag stattgegeben hat, sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren auch im Falle der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, ist die Aussetzung der Vollziehung selbst dann zu versagen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (vgl. BFH, Beschluss vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1836). Der Senat zweifelt an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids – wie dargelegt - jedoch nicht.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Im Streitjahr 2005 erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wegen Arbeitslosigkeit bezog sie vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2005 Lohnersatzleistungen in Höhe von 10.764 €. Die Bescheinigung hierüber legte sie ihrer Steuererklärung für das Streitjahr bei, die am 6. Juni 2006 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) einging.

2

Der zuständige Bearbeiter trug in Sachbereich 47 zu Kennziffer 120 "Lohnersatzleistungen" den Betrag "10764" ein und vermerkte vor der Kennziffer "lag vor".

3

Der Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 erging ohne Berücksichtigung der Lohnersatzleistungen. Es wurde Einkommensteuer in Höhe von 1.720 € festgesetzt.

4

Im Rahmen der Bearbeitung des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 stellte das FA fest, dass die Lohnersatzleistungen im Streitjahr 2005 nicht berücksichtigt worden waren. Es berichtigte den Steuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer unter Einbeziehung der Tarifprogression nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes auf nunmehr 2.795 € fest.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1757 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das FA beantragt,

das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

2. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1967 VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 13. Februar 1979 VIII R 53/77, BFHE 127, 302, BStBl II 1979, 458).

11

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteile vom 2. August 1974 VI R 137/71, BFHE 113, 169, BStBl II 1974, 727; vom 22. November 1974 VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350). Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (BFH-Urteile vom 28. November 1952 III 258/51 S, BFHE 57, 14, BStBl III 1953, 6; vom 17. April 1969 V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474; vom 4. Februar 1972 III R 28/68, BFHE 105, 439, BStBl II 1972, 679).

12

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853; vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62) oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

13

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteile vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; BFH-Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277).

14

3. Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Lohnersatzleistungen im Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers angesehen, weil insbesondere die Eintragung der Lohnersatzleistungen im Erklärungsvordruck unter Sachbereich 47 Kennziffer 120 darauf schließen lasse, dass diese hätten erfasst werden sollen. Einen Sach- oder Rechtsirrtum schloss es insoweit aus, weil der Progressionsvorbehalt für --dem Grunde nach steuerfreie-- Lohnersatzleistungen Veranlagungsbeamten bekannt sei. Diese nachvollziehbare Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

Auch die Würdigung des FG, der Fehler sei bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts nicht für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich zu erkennen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das FG konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, es sei weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt für jeden unvoreingenommenen Dritten augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar, dass die Eingabe der streitigen Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben war. An diese Feststellungen einschließlich der tatsächlichen Würdigung der Umstände des Streitfalles sieht sich der Senat revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; vom 28. Juni 2006 VII B 305/05, BFH/NV 2006, 1793).

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Der Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a) entscheiden. Dagegen ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides gegeben.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.