Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2016:0426.3K2373.14.0A
bei uns veröffentlicht am26.04.2016

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Strittig ist, ob ein Eiweißhydrolysat, das als Nebenprodukt bei der Gelatineherstellung anfällt und als Düngemittel vertrieben wird, dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterfällt.

2

Der Kläger ist als Organträger u.a. der Firma X GmbH unternehmerisch tätig. Der Kläger ist Gesellschafter–Geschäftsführer der GmbH, die im Jahr 2004 den Firmensitz von D nach E an den Wohnsitz des Klägers verlegt hatte und ihre Umsätze seit dem 1. Januar 2005 in der umsatzsteuerlichen Organschaft versteuert.

3

Die GmbH bezieht von der Firma Y AG das bei der Gelatineherstellung anfallende Eiweißhydrolysat mit der Handelsbezeichnung „Y1“. Die GmbH füllt das in Tankwagen angelieferte Produkt in Tanks um und danach unverändert in verschieden große Verkaufsgebinde ab. Das Produkt wird von der GmbH als flüssiges Düngemittel unter dem Namen "Z…" -bzw. in 10l-Kanistern als "Bio-Z…"- vertrieben.

4

Nach Auskunft des Herstellers wird das Rohhydrolysat durch enzymatische Hydrolyse von kollagenen Geweben, die sich auf der Oberfläche der zur Herstellung von Gelatineschrot verarbeiteten Rohknochen befinden, gewonnen. Diese Gewebe werden im Produktionsprozess der Knochenentfettung … vom Knochen gelöst und mechanisch … von diesem getrennt. Diese abgetrennten Gewebe werden in einem enzymatischen Prozess hydrolysiert. Das Rohhydrolysat wird … aufkonzentriert. Das Konzentrat wird … sterilisiert. In dem Knochenentfettungsprozess wird Ameisensäure verwendet, um den pH–Wert in den entstehenden Protein–/Fettemulsionen so weit zu reduzieren, dass die Fettphase in Zentrifugen sauber abgetrennt werden kann. Die Ameisensäure wird weder chemisch umgesetzt, noch hat sie einen Einfluss oder eine Einwirkung auf die Proteine, die als Rohstoff für Z verwendet werden. Die enzymatische Behandlung erfolgt lediglich zur Reduktion der Viskosität der konzentrierten Lösung. Enzyme werden im Herstellungsverfahren nicht als Aufschlusschemikalien eingesetzt, sondern als Prozesshilfsstoffe, die bis auf technisch unvermeidbare, gesundheitlich unbedenkliche Rückstände im Endprodukt nicht mehr enthalten sind und dort auch keine Wirkung mehr entfalten.

5

In der von der GmbH bei der Zolltechnischen Prüfungs– und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion eingeholten unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke vom 2. Oktober 2001 ist das Produkt Z... in Handelseinheiten von 10 kg oder weniger als organische Stickstoff Dünger–Lösung mit dem Regelsteuersatz in die Codenummer 3105 1000 00 0 eingereiht. In der weiteren unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke der Zolltechnischen Prüfungs– und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion vom 2. Oktober 2001 ist das Produkt Z... in Handelseinheiten von mehr als 10 kg als organische Stickstoff Dünger–Lösung mit dem ermäßigten Steuersatz in die Codenummer 3101 0000 00 9 eingereiht. Nach der Warenbeschreibung der Zolltarifauskünfte, welche sich auf die vorliegenden Angaben der GmbH stützt, sei das Produkt der Verwendung und der beschriebenen Gewinnung nach als durch chemische Behandlung von tierischen Erzeugnissen gewonnenes Düngemittel anzusehen.

6

Die GmbH versteuerte das Produkt, soweit dieses in Gebinden bis zu 10 kg Gewicht veräußert wurde, mit dem Regelsteuersatz. Die größeren Gebinde versteuerte die GmbH mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Soweit das von der Y AG gelieferte Produkt Eingang in andere Produkte der GmbH fand, wurden diese ebenfalls mit dem Regelsteuersatz versteuert. Die steuerliche Handhabung durch die GmbH wurde bei einer Umsatzsteuer–Sonderprüfung für den Prüfungszeitraum 2002 (Bericht vom 27. Mai 2003) und der Betriebsprüfung für die Jahre 2004-2006 (Bericht vom 6. August 2008) nicht beanstandet.

7

Im Sommer 2012 führte der Beklagte eine weitere Betriebsprüfung beim Kläger durch. Dabei stellte der Betriebsprüfer fest, dass die Zolltechnische Prüfungs– und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Köln mit mehreren Schreiben vom 12. Januar 2009, welche an das ehemalige Postfach der GmbH in D. gerichtet waren, der GmbH mitgeteilt hatte, dass die erteilten unverbindlichen Zolltarifauskünfte für die streitgegenständlichen Produkte aufgrund der Streichung der Codenummer 3101 0000 00 9 nicht mehr gültig seien. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass der Wegfall der Codenummer dazu führen könne, dass anstelle des bisher anwendbaren ermäßigten Steuersatzes nunmehr der Regelsteuersatz anzuwenden sei und der GmbH anheimgestellt werde, einen neuen Antrag auf Erteilung einer unverbindlichen Zolltarifauskunft zu stellen. Der Kläger gab hierzu an, die Schreiben vom 12. Januar 2009 nicht erhalten zu haben, da diese noch an das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehende Postfach in D. gerichtet gewesen seien und eine Nachsendung nach zwischenzeitlicher Auflösung des Postfaches und dem Verstreichen von vier Jahren nach dem Umzug nicht mehr erfolgt sei. Nach der vom Betriebsprüfer daraufhin beim Bildungs– und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung in Köln eingeholten unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke vom 14. September 2012 ist das Produkt gemäß der Verwendung und dem beschriebenen Herstellungsprozess als anderes durch chemische Behandlung von tierischen Erzeugnissen gewonnenes Düngemittel mit dem Regelsteuersatz in die Codenummer 3101 0000 00 8 einzureihen. Der Betriebsprüfer war daraufhin der Auffassung, dass die Produkte Z und Bio-Z nicht dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 UStG unterfielen.

8

Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und änderte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2008-2011 mit Bescheiden vom 7. Mai 2013 entsprechend.

9

Gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide legte der Kläger Einspruch ein.

10

Im Einspruchsverfahren holte der Beklagte Erläuterungen zu der unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke vom 14. September 2012 beim Bildungs– und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung ein. In dem Schreiben vom 27. August 2013 an den Beklagten ist ausgeführt, dass im Produktionsprozess zur Herstellung des streitgegenständlichen Produkts die von den Knochen abgetrennten proteinhaltigen Gewebe durch eine ca. 30 Minuten dauernde enzymatische Hydrolyse mit Endoproteasen aufgeschlossen und dabei zu kürzerkettigen Verbindungen abgebaut würden. Die Hydrolyse finde unter sauren Bedingungen bei ca. 60° C statt. Das saure Reaktionsmedium werde durch einen Zusatz von Ameisensäure erreicht. Bei der Hydrolyse bzw. dem Aufschluss der Proteine handele es sich eindeutig um eine chemische Reaktion. Der gezielte Zusatz isolierter spezifisch wirkender Enzyme unter Zusatz des chemischen Stoffes Ameisensäure zur Optimierung der Reaktionsbedingungen werde hier als "chemische Behandlung" gesehen.

11

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2014 wurde der Einspruch zurückgewiesen, da auch eine enzymatische Hydrolyse für die Frage der Einreihung in die Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 UStG schädlich sei. Bei der Hydrolyse handele es sich nicht um einen natürlichen Zersetzungsprozess, sondern die Reaktion werde durch die Zugabe von Enzymen beschleunigt. Auch wenn es sich bei den Enzymen um einen quasi natürlichen Katalysator handele, stelle dies eine chemische Behandlung dar. Die Zugabe der Ameisensäure schließe jegliche Zweifel an der Beurteilung als "chemisch behandelt" aus. Umsatzsteuerlich begünstigt seien nur reine Naturprodukte, wie sich aus der Aufzählung im BMF-Schreiben vom 5. August 2004 ergebe. Chemisch bearbeitete, beispielsweise aufgeschlossene, natürliche Düngemittel seien nicht begünstigt. Nach der umsatzsteuerlich selbständigen Bewertung erfülle die Zugabe von Enzymen als Reaktionsbeschleuniger und die Verwendung von Ameisensäure in einem Vorproduktionsschritt das Kriterium der chemischen Behandlung nach Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 UStG. Vertrauensschutz könne die Klägerin nicht beanspruchen, da es sich bei der erteilten Auskunft durch die Zollverwaltung ohnehin um eine unverbindliche Auskunft gehandelt habe. Zudem sei die Auskunft bereits in sich widersprüchlich gewesen, da darin die chemische Behandlung der Produkte ausdrücklich aufgeführt sei. Die Zollverwaltung habe die GmbH auch darauf hingewiesen, dass die unverbindliche Auskunft nicht mehr gültig sei. Auch wenn es auf einen Zugang dieses Schreibens beim Kläger nicht ankomme, habe es der Kläger zu vertreten, dass ihn dieser Hinweis nicht erreicht habe.

12

Der Kläger trägt vor, als der frühere Inhaber der Anteile der GmbH festgestellt habe, dass Konkurrenzunternehmen vergleichbare Düngeprodukte nur mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz versteuern würden, habe die GmbH die unverbindlichen Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke auf Anregung des Finanzamts eingeholt. Entsprechend den Auskünften habe er die ganz überwiegend von vorsteuerabzugsberechtigten Händlern und nur in geringfügigem Maße von der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden Landwirten oder von Privatpersonen bezogenen Produkte dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Dies habe der Beklagte bei den Prüfungen in den Jahren 2003 und 2008 als zutreffend angesehen. Die in regelmäßigen Abständen von etwa einem Jahr vorgenommene Überprüfung des Fortbestands der Codenummer 3101 0000 00 9 auf elektronischem Weg habe keinen Anlass geboten, an der Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz zu zweifeln und die ADD habe in der Bescheinigung vom 1. August 2012 bestätigt, dass es sich bei dem Produkt A... um ein tierisches Nebenprodukt handle, welches durch enzymatische Hydrolyse ohne chemische Behandlung hergestellt sei. Im Rechtsbehelfsverfahren habe er eine Beurteilung der Produkte von Frau Prof. Dr. L von der Hochschule …, Fachgebiet Biotechnologie (Bestätigung vom 26. Februar 2013, Anlage 7 zur Klagebegründung vom 15. Dezember 2014) und vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen– und Bio–Verfahrenstechnik EGB, (Schreiben vom 25. Februar 2013, Anlage 8 zur Klagebegründung vom 15. Dezember 2014) sowie ein rechtliches Gutachten von Prof. Dr. N (Gutachten vom 5. Juli 2013, Anlage 9 zur Klagebegründung vom 15. Dezember 2014) eingeholt. In diesen Stellungnahmen werde zentral darauf hingewiesen, dass bei der Herstellung der Produkte ein tierisches Grunderzeugnis durch ein "biologisches" Verfahren aufgespalten werde, weil dies durch Enzyme als sogenannte Bio–Katalysatoren erfolge. Enzyme seien Naturstoffe und nicht als Chemikalien einzuordnen, weshalb kein chemisches Verfahren vorläge. Wie Herr Professor N in seinem Gutachten ausführlich darlege, könne in der Vorschrift Nr. 45 der Anlage zu § 12 UStG mit "chemisch behandelt" nicht jegliche Veränderung von Ausgangssubstanzen gemeint sein, weil es zu einer Veränderung von Ausgangssubstanzen bei sämtlichen Prozessen in der Natur komme. Vom Wortlaut mache der Begriff deutlich, dass es zu einem Einwirken von außen kommen müsse und allein eine chemische Reaktion nicht genüge. Eine zu enge Auslegung des Begriffes reduziere die Ausnahmeregelung auf null, was ihr den Sinn nehmen würde und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs widerspräche, nach der Ausnahmetatbestände zwar eng auszulegen seien, aber nicht so eng, dass die betreffende Vorschrift wirkungslos werde. Die Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts verweise auf den Final Report on Fertilizers and soil conditioners der Expert Group for Technical Advice on Organic Produktion -EGTOP/2/2011-, welche die chemische neben der enzymatischen Behandlung von Erzeugnissen zur Herstellung von Dünger als zwei parallel mögliche Verfahren beschreibe (Anlage 15 zur Klagebegründung vom 15. Dezember 2014). In der einschlägigen Literatur und in der Stellungnahme der Expertengruppe würde explizit die chemische von der enzymatischen Behandlung unterschieden. Im Streitfall handle sich um ein enzymatisches Verfahren; der Einsatz der Ameisensäure habe nicht die Herstellung der im Streit befindlichen Produkte zum Ziel, sondern diene der Gewinnung der Rohsubstanzen. Bei der Hydrolyse, dem eigentlichen Produktionsprozess, handle es sich nicht um einen Vorgang, der im Bereich der Chemie im engeren Sinne anzusiedeln sei. Vorliegend finde ein Vorgang der enzymatischen Hydrolyse statt, der in der Natur weit verbreitet sei. Eine enzymatische Hydrolyse sei vom Vorgang des "Aufschließens" wie dieser im BMF-Schreiben vom 5. August 2004 als Beispiel für eine chemische Behandlung angeführt werde, zu unterscheiden. Bei einem Aufschluss würden unlösliche oder schwer lösliche Substanzen in säure– oder wasserlösliche Verbindungen überführt, was mit einer chemischen Veränderung der Ausgangssubstanzen verbunden sei. Bei einer Aufspaltung handele es sich um einen in Verfahrensschritte zerlegbaren Ablauf, hingegen sei eine Hydrolyse maximal ein Einzelschritt.

13

Ein klarer Rückschluss auf das gebotene Verständnis der Begrifflichkeit "chemisch behandelt" lasse sich den in Nr. 45 der Anlage zu § 12 UStG genannten Beispielen nicht entnehmen. Diese fehlende Konsequenz mache es auch Experten unmöglich, Sachverhalte mit hinreichender Gewähr steuerlich zu beurteilen. Dies gelte umso mehr für den Durchschnittsverbraucher, auf dessen Sicht es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH entscheidend ankomme. Daher müsse die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der genannten umsatzsteuerlichen Vorschrift in Zweifel gezogen werden. Diese gesetzlichen Unklarheiten und Inkonsequenzen könnten nicht dazu führen, dass – obgleich dem Staat kein Schaden entstanden sei, da Vorsteuer von den Abnehmern der Düngemittel auch nur in Höhe des ermäßigten Steuersatz geltend gemacht worden sei – er nun systemwidrig mit der Umsatzsteuer endgültig belastet werde, da er diese nicht mehr auf seine Abnehmer abwälzen könne, weil eine nachträgliche Rechnungsberichtigung wegen des Aufwands praktisch nicht durchführbar sei. Damit werde der Neutralitätsgrundsatz bei der Umsatzsteuer verletzt. Eine endgültige Belastung des Unternehmers mit der Umsatzsteuer sei nur dann hinnehmbar, wenn dies auf Gründen beruhe, die im Verantwortungsbereich des Unternehmers lägen. Im Streitfall sei jedoch von der GmbH alles unternommen worden, um den zutreffenden Umsatzsteuersatz anzuwenden. Erst im Jahr 2012 habe die Betriebsprüfung die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes infrage gestellt.

14

Auch wenn das Produkt Z... dem Regelsteuersatz unterfalle, sei der Beklagte aus Vertrauensschutzgründen gehindert, für den Zeitraum vor der Vorlage des Schreibens vom 12. Januar 2009 im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahr 2012 die Umsatzsteuer in Höhe des Regelsteuersatzes festzusetzen. Zwar hätten auch verbindliche Zolltarifauskünfte längstens eine Gültigkeitsdauer von sechs Jahren, das BMF weise jedoch in seinem Schreiben vom 5. August 2008 darauf hin, dass auch unverbindliche Zolltarifauskünfte einen gewissen Vertrauensschutz entfalteten und nenne diesbezüglich keine Fristen. Es bestehe eine Bindungswirkung der Finanzverwaltung insoweit, dass nicht zu beanstanden sei, wenn der Adressat der unverbindlichen Zolltarifauskunft an der dort getroffenen Aussage zur Umsatzbesteuerung bis zum Widerruf der Auskunft festhalte. Auch wenn die unverbindlichen Zolltarifauskünfte ursprünglich der GmbH erteilt worden seien, könne dem Vertrauensschutz nicht entgegenstehen, dass aufgrund der Organschaft nunmehr er Steuerpflichtiger sei. An der Zusammensetzung des Produkts habe sich seit Erteilung der unverbindlichen Zolltarifauskunft nichts geändert. Er habe auch keinen Anlass daran gehabt zu zweifeln, dass sich der für das Produkt anzuwendende Umsatzsteuersatz geändert habe. Die Sitzverlegung der GmbH sei dem Beklagten mitgeteilt worden und die erforderlichen Meldungen an das Handelsregister erfolgt. Seit Einführung der betreffenden Pflicht seien sämtliche Jahresabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Angesichts der verwaltungsmäßigen Verzahnung zwischen Finanzverwaltung und Zollverwaltung sei die Annahme nahe liegend, dass sich die Dienststellen bezüglich ihrer Erkenntnisse austauschen würden. Schließlich hätten den Beklagten auch die Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 12. Januar 2009 erreicht. Der fehlende Zugang der Schreiben sei ihm daher nicht anzulasten.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Umsatzsteuerbescheide 2008-2011 vom 7. Mai 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2014 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Der Beklagte trägt vor, im Streitfall sei ausschließlich entscheidungserheblich, dass die streitgegenständlichen Produkte die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nicht erfüllten. Die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung seien entsprechend Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG nur gegeben, wenn es sich bei den Düngemitteln um tierische oder pflanzliche handele, die zwar untereinander gemischt, jedoch nicht chemisch behandelt seien. Düngemittel, die durch chemische Behandlung oder durch Zusatz von chemischen Stoffen erst erzeugt würden, gehörten nicht zu den begünstigten Produkten. Letzteres treffe auf die streitgegenständlichen Produkte zu. Da aus der unverbindlichen Zolltarifauskunft aus dem Jahr 2001 hervorgehe, dass es sich nach Angaben der Herstellerfirma um durch chemische Behandlung von tierischen Erzeugnissen gewonnene Düngemittel handele, hätte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Steuerermäßigung nicht gewährt werden dürfen. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die falsche Einstufung der Produkte als solche, die mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern seien, sei im Rahmen der Umsatzsteuer–Sonderprüfung im Jahr 2003 im Hinblick darauf erfolgt, dass dem Prüfer nur die eine unverbindliche Zolltarifauskunft vorgelegen habe, die den begünstigten Umsatzsteuersatz für das Produkt A... ausweise. Im Rahmen der folgenden Betriebsprüfung im Jahr 2008 habe der Prüfer diesen Sachverhalt nicht erneut überprüft und dieser sei somit auch nicht Gegenstand der Prüfungsfeststellungen gewesen. Auch wenn es nicht erheblich sei, dass die Mitteilung der Zollverwaltung im Jahr 2009 den Kläger nicht erreicht habe, habe der Kläger den fehlenden Zugang der Mitteilung zu vertreten. Im Übrigen sei die Mitteilung nur aufgrund einer Sollvorschrift erfolgt. Die nachträglich eingetretene Organschaft habe er nicht zum Nachteil des Klägers herangezogen. Er habe die Besteuerung für das Jahr 2007 trotz verfahrensrechtlicher Möglichkeit nicht geändert, weil er sich unabhängig vom Bestehen einer Organschaft insoweit an die bisherige Beurteilung gebunden gefühlt habe. Dies bedeute jedoch nicht, dass er sich darüber hinaus für nachfolgende Zeiträume, die Gegenstand einer weiteren Betriebsprüfung gewesen seien, an einer Änderung der Besteuerung gehindert gesehen habe. Die fehlende praktische Änderungsmöglichkeit der Rechnungen rechtfertige keine andere Beurteilung, da die Lieferungen zum ermäßigten Steuersatz auch an Endverbraucher bzw. an land– und forstwirtschaftliche Betriebe gegangen seien, die ohne Vorsteuerabzugsberechtigung bzw. aufgrund Durchschnittssatzbesteuerung letztendlich zu wenig Umsatzsteuer gezahlt hätten.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Der Beklagte hat in den angefochtenen Änderungsbescheiden die streitgegenständlichen Produkte zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen, da wegen der chemischen Behandlung die Voraussetzungen der Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG nicht vorliegen. Die Änderung der Steuerfestsetzung verstößt nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz und Vertrauensschutz steht dem Kläger nicht zur Seite.

1.

22

Die enzymatische Hydrolyse unter Zugabe von Ameisensäure stellt eine chemische Behandlung i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG dar.

23

Nach Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG unterliegen "tierische oder pflanzliche Düngemittel mit Ausnahme von Guano, auch untereinander gemischt, jedoch nicht chemisch behandelt; durch Mischen von tierischen oder pflanzlichen Erzeugnissen gewonnene Düngemittel aus Position 3101 00 00 des Zolltarifs" dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

24

Nach der Rechtsprechung des BFH hat die Herausnahme "chemisch behandelter" Düngemittel aus der Umsatzsteuerbegünstigung von tierischen und pflanzlichen Düngemitteln rein umsatzsteuerliche Bedeutung, da die Unterscheidung von chemisch behandelten und nicht chemisch behandelten tierischen oder pflanzlichen Düngern zolltariflich ohne Belang ist. Werden in der Anlage zum Umsatzsteuergesetz bestimmte Gegenstände einer Position des Zolltarifs von der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ausgenommen und ist streitig, ob eine solche Ausnahme vorliegt, so handelt es sich dabei nicht um eine Frage der Auslegung des Zolltarifs, sondern des Umsatzsteuergesetzes. In der Anlage wird nicht definiert, was unter "chemisch behandelt" zu verstehen ist. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus den Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif 1961/1968, dem Vorgänger des Gemeinsamen Zolltarifs. Danach sind "chemisch bearbeitete Düngemittel" u.a. "tierische und pflanzliche Erzeugnisse, die durch Einwirken chemischer Stoffe in Düngemittel umgewandelt worden sind" -Abschn. VI, Kap. 31.05 I. (1) 2.-. Die Ersetzung der Worte "chemisch bearbeitet" durch "chemisch behandelt" in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG folgt einem Wechsel der Terminologie des Zolltarifs zum 1. Januar 1988; in ihr ist keine sachliche Änderung der Regelung zu sehen. Denn nach dem Wortlaut der Nr. 45 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG und den o.g. Erläuterungen zum Zolltarif kommt es nicht darauf an, ob das "Endprodukt" des Bearbeitungsprozesses selbst noch chemische Substanzen aufweist. Umsatzsteuerrechtlich sind auch geringfügige chemische Einwirkungen auf ein tierisches oder pflanzliches Düngemittel bedeutsam (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 – V R 88/97, BFH/NV 1999, 1252). Werden in der Anlage zum UStG bestimmte Gegenstände einer Position der KN von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgenommen und ist streitig, ob eine solche Ausnahme vorliegt, handelt es sich nicht nur um eine Frage der Auslegung der KN, sondern auch des UStG (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 – V R 49/04, BStBl. II 2006, 694). Das gilt unabhängig von der Frage, ob die Verweisung auf den Zolltarif "gleitenden" -dynamischen- Charakter hat oder statischer Art ist. Zwar kommt es bei der Auslegung der Einzelregelungen der UStG-Anlage allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an. Dies gilt jedoch nur, soweit auf solche Begriffe verwiesen ist. Die Ausnahme von einzelnen Waren aus der Umsatzsteuerbegünstigung führt bei der hier erforderlichen Abgrenzung dazu, dass nur auf umsatzsteuerliche Gesichtspunkte abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1997 – VII R 47/96, BStBl. II 1997, 481).

25

Das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ist daher allein nach umsatzsteuerlichen Kriterien auszulegen.

a)

26

Das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" findet sich an keiner anderen Stelle der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG und hier findet sich auch keine weitere Erläuterung des Begriffs. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "chemisch": die Chemie betreffend, dazu gehörend; nach den Gesetzen der Chemie erfolgend (http://www.duden.de/rechtschreibung/chemisch).

27

Nach der Einschätzung des Herstellungsvorgangs der Produkte durch Frau Prof. Dr. L handele es sich bei dem Herstellungsprozess für die streitgegenständlichen Produkte "ganz eindeutig" um ein "biologisches Verfahren", da bei der Herstellung Biokatalysatoren eingesetzt würden, welche sich ganz wesentlich von chemischen Katalysatoren unterschieden. Diese Unterscheidungskriterien seien bei dem Herstellungsprozess erfüllt und prozessbestimmend für dieses Verfahren. Nach der Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen– und Bio–Verfahrenstechnik EGB liege bei der Herstellung der streitgegenständliche Produkte keine chemische Behandlung, sondern eine biochemische mithilfe von Enzymen, sog. Biokatalysatoren vor. Zwar sei die zugrunde liegende Stoffumwandlung natürlich chemischer Natur, aber die Hydrolyse erfolge ohne Zugabe von weiteren –chemischen– Stoffen, sondern mithilfe von Enzymen, also Naturstoffen, welche nur katalytisch wirksam seien. Auch in dem Schlussbericht der Expertengruppe EGTOP/2/2011 werde zwischen thermischer, chemischer und enzymatischer Hydrolyse bei der Herstellung von Bodenbehandlungsmitteln unterschieden. Demzufolge sei die in Streit stehende Herstellung keine chemische, sondern eine enzymatische – also biochemische –. Nach dem rechtlichen Gutachten des Prof. Dr. N habe die Einschränkung der streitgegenständlichen Vorschrift auf die Steuerermäßigung für nicht "chemisch behandelte" Düngemittel ihre Ursache in der Abgrenzung natürlicher Stoffe -welche begünstigt seien- von nicht natürlichen, chemischen Stoffen – welche nicht begünstigt seien –.

28

In den Gutachten erfolgt somit eine Abgrenzung einer "chemischen Behandlung" von einer "biologischen oder biochemischen Behandlung", wobei offen bleibt, weshalb "biochemisch" unter den Oberbegriff "biologisch" und nicht unter den Oberbegriff "chemisch" unterzuordnen ist.

b)

29

In der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG findet sich an keiner Stelle der Begriff "biologisch" oder "biochemisch", so dass sich die Frage stellt, ob die in den Stellungnahmen vorgenommene Abgrenzung für die auf umsatzsteuerliche Gesichtspunkte abzustellende Auslegung der Nr. 45 Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG tauglich ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "biologisch": die Biologie betreffend, zu ihr gehörend, auf ihr beruhend; den Gegenstand der Biologie, die lebendige Natur, Lebensvorgänge und -beschaffenheit, betreffend, dazu gehörend, darauf beruhend; aus natürlichen Stoffen hergestellt (http://www.duden.de/rechtschreibung/biologisch).

30

In der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG findet sich insoweit der Begriff natürlich in Bezug auf Honig aus Kapitel 4 des Zolltarifs. Nach der Wortbedeutung ist der Begriff "natürlich" verwandt mit dem Begriff "biologisch". Aber auch dieser Zusammenhang erscheint nicht als tauglich für eine Abgrenzung nach umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten. Denn in der Vorschrift Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ist Guano, die auf Kalkstein abgelagerten Exkremente von Seevögeln, von der Steuerbegünstigung ausgenommen, obgleich es sich hier um einen natürlichen Stoff handelt (https://de.wikipedia.org/wiki/Guano).

31

Hinzu kommt, dass bei der Herstellung der streitgegenständlichen Produkte auch Ameisensäure verwendet wird. Der Zusatz von Ameisensäure bei der Hydrolyse bewirkt, dass diese unter sauren Bedingungen stattfindet. Auch wenn die Ameisensäure keinen stofflichen Eingang in die streitgegenständlichen Endprodukte findet und ebenso wie die Enzyme für den Prozess eine nur fördernde Wirkung entfaltet, kann der Einsatz von Ameisensäure im Herstellungsprozess nicht unbeachtet bleiben. Die Vorschrift der Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG spricht insoweit von "chemisch behandelt", was dem Wortsinn nach nicht bedeutet, dass ein "chemischer" Bestandteil Eingang in das Endprodukt gefunden haben muss, sondern dass eine Behandlung des Ausgangsstoffes "chemisch" erfolgt sein muss. Von der Wortbedeutung wird damit eine Behandlung wie im Streitfall erfasst, bei der ein "chemischer" Stoff -die Ameisensäure- ein besonderes Milieu – hier einen sauren pH-Wert – hervorgerufen hat, in dem die Behandlung des Stoffes stattgefunden hat. Auch nach der Rechtsprechung des BFH kommt es nicht darauf an, ob das "Endprodukt" des Bearbeitungsprozesses selbst noch chemische Substanzen aufweist und umsatzsteuerrechtlich sind auch geringfügige chemische Einwirkungen auf ein tierisches oder pflanzliches Düngemittel bedeutsam (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 – V R 88/97, BFH/NV 1999, 1252).

32

Der Blick auf die Ameisensäure zeigt zudem, dass die Abgrenzung zwischen "chemisch" und "biologisch" bzw. "biochemisch", wie sie in den vom Kläger herangezogenen Stellungnahmen vorgenommen wird, für die Auslegung nach umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten nicht tauglich ist.

33

Ameisensäure wurde anfangs -historisch- aus toten Ameisen isoliert. In den späten 1960er Jahren fielen bedeutende Mengen Ameisensäure als Nebenprodukt bei der Synthese von Essigsäure an. Heutzutage erfolgt die Herstellung der Ameisensäure in der chemischen Industrie mittels Synthese (https://de.wikipedia.org/wiki/Ameisens%C3%A4ure). Bei der Ameisensäure handelt es sich somit um einen "natürlichen" Stoff, der in Ameisen -also lebenden Organismen- "biologisch" hergestellt wird. Die im Produktionsprozess der streitgegenständlichen Produkte eingesetzte Ameisensäure ist aber synthetisch und außerhalb lebender Organismen, also "chemisch" hergestellt (hinsichtlich der synonymen Bedeutung von "synthetisch" und "chemisch" vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/synthetisch). Im Übrigen ist nach dem Sprachgebrauch ohne Zweifel, dass Ameisensäure als Chemikalie anzusprechen ist.

34

In gleicher Weise wie die Ameisensäure sind auch die streitgegenständlichen Produkte synthetisch -außerhalb lebender Organismen- hergestellt worden. Bei dem Herstellungsprozess der streitgegenständlichen Produkte wurde mit der Ameisensäure ein synthetisch hergestellter und damit ein "chemischer" Stoff hinzugefügt. Nach der oben dargelegten Wortbedeutung können die streitgegenständlichen Produkte -auch wenn es sich um Produkte handelt, die aus Naturstoffen hergestellt wurden- damit unter das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" subsumiert werden, weil diese "synthetisch" unter Zugabe eines "chemischen" Stoffes hergestellt wurden. Denn beim Herstellungsprozess wurde das Ausgangsmaterial –wenn auch mittels Biokatalysatoren– in seiner molekularen Struktur außerhalb lebendender Organismen unter Zugabe "chemischer" Stoffe verändert, was nach dem oben dargelegten Sprachgebrauch als "chemisch behandelt" angesehen werden kann. Die Erzeugung eines sauren Reaktionsmediums durch die Zufügung einer Chemikalie stellt somit eine "chemische Behandlung" i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG dar.

c)

35

In gleicher Weise zeigt sich, dass die Begriffe "biologisch" und "chemisch" auch hinsichtlich der verwendeten Enzyme den Produktionsprozess der streitgegenständlichen Produkte nur unscharf bezeichnen und zur Unterscheidung in Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ungeeignet sind.

36

Ein Enzym ist ein Stoff, der aus biologischen Riesenmolekülen besteht und als Katalysator eine chemische Reaktion beschleunigen kann. Enzyme haben wichtige Funktionen im Stoffwechsel von Organismen: Sie steuern den überwiegenden Teil biochemischer Reaktionen (https://de.wikipedia.org/wiki/Enzym#Nomenklatur). Eine enzymatische Reaktion findet somit ursprünglich in lebenden Organismen statt. Stellt man Enzyme nun aber synthetisch her -die Synthese eines Enzyms im Labor ist erstmals 1969 gelungen (http://www.zeit.de/1969/04/synthetisches-enzym)- oder werden Enzyme als Biokatalysatoren außerhalb lebendiger Organismen -wie im Streitfall- eingesetzt, so stellt sich die Frage, inwieweit bei diesen synthetischem Herstellungsprozess von einem "biologischen" oder einem "chemischen" Vorgang gesprochen werden kann. In der Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen– und Bio–Verfahrenstechnik EGB wird insoweit "biochemisch" als Synonym für den Begriff "enzymatisch" verwendet. Das Fraunhofer-Institut hat den streitgegenständlichen Produktionsprozess als biochemische Behandlung bezeichnet und dazu weiter ausgeführt, dass die zugrunde liegende Stoffumwandlung natürlich chemischer Natur sei. Dies zeigt jedenfalls, dass es eine scharfe Trennlinie zwischen "biologisch" und "chemisch" bei derartigen "biochemischen" Abläufen gerade nicht gibt, sodass die Unterscheidung zwischen "biologisch" und "chemisch" in Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG unergiebig ist.

d)

37

Nach dem BMF-Schreiben vom 5. August 2004 (IV B 7-S 7220-46/04, in juris) sind von der Steuerermäßigung nach Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG nur begünstigt: natürliche Düngemittel tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, auch untereinander gemischt, wenn sie zu Position 3101 gehören. Chemisch bearbeitete -z.B. aufgeschlossene- natürliche Düngemittel -aus Position 3101- sind nicht begünstigt. (Tz 142 des BMF-Schreibens vom 5. August 2004 - IV B 7-S 7220-46/04, in juris).

38

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung besteht somit ein Unterschied zwischen einer "chemischen" Bearbeitung und einem Mischen, also einer "mechanischen" Bearbeitung. Als "chemische" Bearbeitung wird das "Aufschließen" natürlicher Düngemittel angesehen. Bei einer Hydrolyse handelt es sich um eine Spaltung chemischer Verbindungen durch Wasser (http://www.duden.de/rechtschreibung/Hydrolyse). Der Begriff des "Aufschließens" bedeutet im Bereich der Chemie und Biologie: löslich machen; auflösen (http://www.duden.de/rechtschreibung/aufschlieszen). Von der Finanzverwaltung wird somit der Prozess der Hydrolyse als ein "Aufschließen" und als chemische Behandlung angesehen, welche nicht nach der Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG steuerbegünstigt ist.

39

Diese Auffassung der Finanzverwaltung wird dadurch bestätigt, dass sich "mechanische" Behandlungs- oder Bearbeitungsmethoden auch an anderer Stelle der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG finden, beispielsweise in der Nr. 10l "in Stücke oder Scheiben geschnitten, als Pulver oder sonst zerkleinert", in der Nr. 10m "geschält oder zerkleinert", in der Nr. 14c "gequetscht, als Flocken oder gemahlen", in der Nr. 22 "gemahlen", in der Nr. 48b "zusammengepresst" und in der Nr. 49d "gebunden".

40

Die Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals "chemisch behandelt" von einer mechanischen Behandlung führt nach umsatzsteuerlichen Kriterien zu einer nachvollziehbaren und eindeutigen Unterscheidung.

e)

41

Im Ergebnis zeigt sich, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift der Herstellungsprozess der streitgegenständlichen Produkte als chemische Behandlung i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG anzusehen ist. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zutreffend. Grenzt man das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" von einer mechanischen Behandlung ab, so ist der Herstellungsprozess der streitgegenständlichen Produkte nach umsatzsteuerlichen Kriterien der chemischen Behandlung zuzurechnen. Eine Abgrenzung zwischen den Begriffen "biologisch" bzw. "biochemisch" und "chemisch" führt im Streitfall nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Das Tatbestandsmerkmal "chemisch behandelt" i.S.d. Nr. 45 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG dient somit der Abgrenzung von einer mechanischen Bearbeitung, welche im Streitfall offensichtlich nicht vorliegt. Daher stellt eine Hydrolyse – auch wenn diese mit Biokatalysatoren vorgenommen wird - eine chemische Behandlung im Sinne der Vorschrift dar, sodass die streitgegenständlichen Produkte von der Steuerermäßigung ausgenommen sind.

2.

42

Der vom Beklagten vorgenommenen Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung steht auch der Neutralitätsgrundsatz nicht entgegen.

43

Aus dem Neutralitätsgrundsatz ergibt sich, dass der Steuerpflichtige weder ganz noch teilweise durch die Mehrwertsteuer belastet werden darf. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 – XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836).

44

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2010 – XI R 79/07, BStBl. II 2011, 311).

45

Die Überwälzbarkeit der Steuer bedeutet aber nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag -etwa wie einen durchlaufenden Posten- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren. Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2010 – XI R 79/07, BStBl. II 2011, 311).

46

Aus dem Neutralitätsgrundsatz folgt jedenfalls nicht, dass der Steuergläubiger nicht die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer erheben darf, weil der Steuerschuldner diese nicht in der gesetzlich zutreffenden Höhe in seinen Rechnungen ausgewiesen hat. Vielmehr trägt das Risiko, einen zu niedrigen Steuersatz und damit eine zu niedrige Steuer in seinen Rechnungen auszuweisen und die Umsatzsteuer nachträglich wegen praktischen Schwierigkeiten nicht mehr auf seine Abnehmer abwälzen zu können, der Unternehmer. Die fehlende praktische Möglichkeit, etwa wegen der Vielzahl der erteilten Rechnungen und wegen Zeitablaufs eine Rechnungsberichtigung vorzunehmen, bedeutet nicht, dass deswegen die gesetzliche Konzeption und die Nacherhebung der gesetzlich geschuldeten Steuer gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen würden.

3.

47

Der Kläger kann sich gegenüber dem Beklagten auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

48

Den Gesichtspunkten von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes steht der Grundsatz der sog. Abschnittsbesteuerung gegenüber. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das Finanzamt die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen bei jeder Veranlagung erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut und im Vertrauen darauf disponiert hat. Diese Rechtsgrundsätze sind auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 64/92, BFH/NV 1995, 869). Der ungeschriebene Grundsatz des Vertrauensschutzes, welcher Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, gewährt auch nach Gemeinschaftsrecht keine weitergehenden Rechte als der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung, die dieser im deutschen Recht gefunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 – VII R 19/84, BFH/NV 1987, 611).

49

Ein Verbot der Rückkehr des Finanzamts zur als richtig erkannten Besteuerung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben oder der Verwirkung kann nur dann ausnahmsweise angenommen werden, wenn eindeutig erkennbar ist, dass das Finanzamt mit einer bestimmten Sachbehandlung auch eine Festlegung für die Zukunft treffen wollte. Ohne eine solche verbindliche Zusage nach § 204 AO oder ihr gleichkommende zukunftsgerichtete Erklärung des Finanzamts ist das Vertrauen auf Fortsetzung einer für den Steuerpflichtigen günstigen Behandlung auf unabsehbare Zeit nicht geschützt (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2015 – V B 63/14, BFH/NV 2015, 1001).

50

Der Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO verhindert zwar grundsätzlich die Entstehung des für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes; gleichwohl kann aber eine Bindung der Finanzbehörde an eine von ihr erteilte Auskunft anzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1994 – V R 139/93, BFH/NV 1995, 933). Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt. Er verdrängt jedoch gesetztes Recht nur in Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 – XI R 32/10 –, BFH/NV 2012, 1836).

51

Nach der Rechtsprechung des BFH kann sich der Kläger wegen der bloßen Nichtbeanstandung des angewandten ermäßigten Umsatzsteuersatzes durch die vorangegangene Betriebsprüfung und die vorangegangene Umsatzsteuersonderprüfung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Einen solchen Vertrauensschutz kann der Kläger auch aus der unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke nicht herleiten.

52

Bereits aus den unverbindlichen Zolltarifauskünften für Umsatzsteuerzwecke vom 2. Oktober 2011 ergibt sich aus den "wichtigen Hinweisen", dass alle Angaben in dieser Zolltarifauskunft unverbindlich sind und dass aus dieser Auskunft kein Rechtsanspruch hergeleitet werden kann.

53

Selbst aus einer verbindlichen Zolltarifauskunft hätte der Kläger keinen Rechtsanspruch herleiten können, da sich die der Auskunft zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften geändert haben (vgl. BFH-Urteil vom 04. November 1980 – VII K 2, 5-8/80, BFHE 132, 500). Mit der Streichung der den unverbindlichen Zolltarifauskünften für Umsatzsteuerzwecke zugrundeliegenden Codenummer 3101 0000 00 9 wäre gem. § 23 ZG auch eine verbindliche Zolltarifauskunft außer Kraft getreten, was zudem spätestens jedoch sechs Jahre nach ihrer Ausstellung erfolgt wäre. Die Rechte des Klägers wären damit auch aus einer verbindlichen Zolltarifauskunft für die Streitjahre erloschen. Denknotwendig kann der Vertrauensschutz aus einer unverbindlichen Zusage jedoch keinesfalls weitergehender sein als der Vertrauensschutz aus einer verbindlichen Zusage. Vielmehr ist daneben für Vertrauensschutz kein Raum, da auch bei einer verbindlichen Zolltarifauskunft aus der klaren gesetzlichen Regelung zu erkennen war, in welchem Umfang zeitlich auf den Bestand der verbindlichen Zolltarifauskunft vertraut werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1978 – VII K 2/78, DStR 1978, 654).

54

Einen weitergehenden Vertrauensschutz gewährt auch nicht die Regelung der Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 5. August 2004 (IV B 7-S 7220-46/04, in juris), wonach der Empfänger einer unverbindlichen Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke durch Übersendung eines schriftlichen Hinweises darüber zu unterrichten ist, dass die unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke wegen einer Änderung der Einreihung nicht mehr zutrifft. Unabhängig davon, dass es von dem Kläger zu vertreten ist, dass ihn die von der Zolltechnischen Prüfungs– und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion an die GmbH als Empfängerin der unverbindlichen Zolltarifauskunft gerichteten diesbezüglichen Schreiben vom 12. Januar 2009 wegen Umzugs und wegen des aufgrund Zeitablaufs nicht mehr bestehenden Nachsendeauftrags nicht erreicht haben, kann sich der Kläger für die Gewährung von Vertrauensschutz nicht auf eine Unkenntnis der Änderung der Kombinierten Nomenklatur berufen. Im Streitfall war eine solche Mitteilung nämlich nicht erforderlich. Einer Mitteilung bedarf es nach Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 5. August 2004 (IV B 7-S 7220-46/04, in juris) nämlich nicht, wenn die Änderung der Rechtslage allgemein bekannt gemacht wird. Dies war im Streitfall der Fall, da die Änderungen der Kombinierten Nomenklatur im Gesetzblatt der europäischen Gemeinschaft und der Zollnomenklatur im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets
Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 12 Steuersätze


(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). (2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:1.die Lieferungen, die Einfuhr u

Abgabenordnung - AO 1977 | § 204 Voraussetzung der verbindlichen Zusage


(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wen

Referenzen - Urteile

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Apr. 2016 - 3 K 2373/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 01. Apr. 2015 - V B 63/14

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 5. Februar 2014  4 K 200/11 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 15. Mai 2012 - XI R 32/10

bei uns veröffentlicht am 15.05.2012

Tatbestand 1 I. Streitig ist der Abzug von Vorsteuern in Höhe von … € für den Monat Dezember 2008 aus einer Abschlussrechnung, insbesondere, ob Art und Umfang der erbrac

Bundesfinanzhof Urteil, 10. Nov. 2010 - XI R 79/07

bei uns veröffentlicht am 10.11.2010

Tatbestand 1 I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

Referenzen

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Abzug von Vorsteuern in Höhe von … € für den Monat Dezember 2008 aus einer Abschlussrechnung, insbesondere, ob Art und Umfang der erbrachten Leistung in der Rechnung hinreichend bezeichnet sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei unternehmerisch tätig. Darüber hinaus war er Mitgeschäftsführer der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH).

3

Der Kläger hatte mit der Rechnungsausstellerin, der GmbH, eine Bürogemeinschaft. Er nahm auf der Grundlage einer mündlichen Vereinbarung mit der GmbH Leistungen dieser Gesellschaft in Anspruch. Bei diesen Leistungen handelte es sich u.a. um Personalüberlassung, Ausführung von Schreibarbeiten, Gestellung von Büromaterial, EDV und Fachliteratur.

4

Der Kläger durfte aufgrund mündlicher Vereinbarung mit der GmbH deren Räume für seine Tätigkeiten nutzen, Schreibkräfte etc. für seine Tätigkeit in Anspruch nehmen und leistete im Laufe des Jahres hierfür pauschale Abschlagszahlungen von etwa … € monatlich. Die GmbH erteilte unterjährig Rechnungen über diese Abschlagszahlungen. Es wurde nicht festgehalten, welcher Mitarbeiter/in in welchem Umfang für den Kläger oder die GmbH tätig war.

5

Am Jahresende fand nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) sodann eine Besprechung zwischen dem Kläger und einer der Mitgeschäftsführerinnen der GmbH statt, in der besprochen wurde, welche Aufwendungen der GmbH im Zusammenhang mit den für die Kanzlei des Klägers erbrachten Dienstleistungen entstanden waren. Grundlage dieser Feststellung waren die für die GmbH darstellbaren Kosten. Anhand dieser wurde festgestellt, ob mit den monatlichen Zahlungen zumindest ungefähr die der GmbH entstandenen Aufwendungen "aufgefangen" wurden. Sodann wurden unter Berücksichtigung des Gesamtaufwandes --letztlich im Wege griffweiser Schätzung-- in der Besprechung eine etwaige Nachzahlung für das Kalenderjahr festgelegt. Dies erfolgte im Rahmen einer Pauschalpreisvereinbarung, die zwar keine Abrechnung "auf den Punkt" erlaubte, allerdings einen größeren Aufwand im Zusammenhang mit der Ermittlung der konkreten Kosten vermied. Bei dem Gespräch zwischen dem Kläger und der GmbH, bei dem die Abschlusszahlung festgesetzt wurde, legte die Mitgeschäftsführerin aufgrund der Kostenstruktur der GmbH den Aufwand mündlich dar. Hierzu wurden betriebswirtschaftliche Auswertungen herangezogen.

6

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bei der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2006 vom Kläger geltend gemachte Vorsteuerbeträge nicht an. Im Rahmen eines gegen diese Festsetzung gerichteten Einspruchsverfahrens teilte das FA in einem vom zuständigen Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle unterschriebenen Schreiben vom 1. April 2008 dem Kläger unter Hinweis darauf, dass für künftige Abrechnungszeiträume den gesetzlichen Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entsprechende Rechnungen zugrunde zu legen seien, mit, die strittigen Vorsteuerbeträge würden zum Abzug zugelassen.

7

Daraufhin übermittelte der Kläger dem FA mit Schreiben vom 10. April 2008 eine "Proberechnung" der GmbH. Er bat um entsprechende Mitteilung für den Fall, dass die Ausgestaltung der Rechnung wider Erwarten nicht den aus Sicht des FA zu beachtenden Vorgaben genüge. Das FA reagierte hierauf nicht.

8

Die GmbH erteilte dem Kläger am 17. Dezember 2008 für den Leistungszeitraum Januar bis Dezember 2008 die im vorliegenden Verfahren umstrittene Abschlussrechnung mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von … €. Die ausgeführten Leistungen wurden in der Rechnung wie folgt bezeichnet:

9
                 

           

Nachzahlung [Zeitraum] 2008

                 

Personalgestellung - Schreibarbeiten

                 

lt. mündlicher Vereinbarung

… €     

        

Nachzahlung für andere Kosten: [Zeitraum] 2008

                 

Büromaterial, Porto, EDV,

                 

Fachliteratur

                 

lt. mündlicher Vereinbarung

… €     

        
                          

Summe Nettobeträge

… €     

Umsatzsteuerbetrag 19 %

… €     

Rechnungsbetrag

… €     

10

Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2008 vom 9. März 2009 versagte das FA den vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2008 aus der vorgenannten Rechnung geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von … €. Die abgerechneten Umsätze seien weder dem Grunde nach noch der Höhe nach eindeutig und leicht nachprüfbar zuzuordnen. Die Festlegungen entsprechend der getroffenen mündlichen Vereinbarung seien nicht nachvollziehbar.

11

Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

12

Die sich anschließende Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, die Leistungsbeschreibungen in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 seien auch angesichts der für Rechnungsangaben gebotenen Kürze unzulänglich. Sie ermöglichten keine konkrete Identifizierung der abgerechneten Leistungen. Eine genügende Leistungsbeschreibung erfordere eine Konkretisierung der Leistung nach Art und Umfang. Vorliegend fehlten Angaben zum konkreten Umfang der erbrachten Leistungen völlig. Aus der Bezugnahme auf die Monate der Leistungserbringung ergebe sich nicht deren Dauer im Sinne einer Quantifizierung. Diese sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, da sich der Umfang der erbrachten Leistungen mit hinreichender Notwendigkeit weder aus der Bezeichnung der Art der Leistungen noch aus der bloßen Angabe der Zeiträume ergebe. Der in der streitbefangenen Rechnung erteilte Hinweis nach "mündlicher Vereinbarung" lasse keine Rückschlüsse auf den Umfang der erbrachten Leistungen zu.

13

Die Konkretisierung des Leistungsumfangs, etwa durch nähere Angaben zu den tätigen Personen, Einsatztagen, geleistete Stunden bzw. Stundensätzen oder zu Art und Umfang der Leistungen mache eine zulässige Pauschalpreisvereinbarung nicht unmöglich. Im Übrigen seien, wie die Nachzahlung zeige, Pauschalhonorare nicht vereinbart worden.

14

Die Forderung des FA nach einer näheren Konkretisierung des Umfangs der erbrachten sonstigen Leistungen verstoße nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Soweit der Kläger vorgebracht habe, ein Steuerpflichtiger würde hierdurch zu einem Aufwand gezwungen, der sein Handeln unwirtschaftlich mache, habe der Kläger nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen dies in seinem konkreten Fall gegeben sei.

15

Das FA sei auch nach Treu und Glauben nicht gebunden gewesen, den vom Kläger beanspruchten Vorsteuerabzug aus der streitigen Abschlussrechnung der GmbH anzuerkennen.

16

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 281 veröffentlicht.

17

Der Kläger stützt seine vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

18

Er trägt im Einzelnen vor, die Vorentscheidung verkenne die Anforderungen an den Inhalt einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung. Die Angaben "Personalgestellung/Schreibarbeiten" bzw. "Nachzahlung für andere Kosten", welche detailliert mit "Büromaterial, Porto, EDV und Fachliteratur" bezeichnet worden seien, ermöglichten die nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesfinanzhofs (BFH) geforderte eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistungen. Angesichts dieser Leistungsbeschreibungen komme es auf den in der streitbefangenen Rechnung aufgenommenen Verweis auf die getroffene mündliche Vereinbarung nicht an.

19

Eine detaillierte Leistungsbeschreibung könne nicht gefordert werden, da der Vorsteuerabzug nicht durch übertriebene Anforderungen erschwert werden dürfe.

20

Der hierzu notwendige Dokumentationsaufwand mache die Leistungserbringung unwirtschaftlich. Eine detaillierte Leistungsbeschreibung würde der Finanzverwaltung gegenüber die Kalkulation offenlegen.

21

Das Verlangen nach einer weitergehenden Aufschlüsselung und Erläuterung der abgerechneten Leistungen sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Neutralität unvereinbar und schlösse jedwede Pauschalpreisvereinbarung aus.

22

Die in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthaltenen Leistungsbeschreibungen seien auch im Hinblick auf den Zweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG, die Besteuerung des leistenden Unternehmers zu erleichtern, hinreichend genau. Die Gefahr, die GmbH hätte die Umsatzsteuer unzutreffend ermitteln oder die Umsätze nicht versteuern können, habe ersichtlich nicht bestanden. Sie habe die ausgewiesene Umsatzsteuer unstreitig an das FA abgeführt.

23

Die Vorentscheidung verkenne weiter, dass mit der streitbefangenen Rechnung keine unzulässige pauschale Leistungsbeschreibung vorgenommen worden sei, und differenziere nicht zwischen einer pauschalen Beschreibung und einer pauschalen Abrechnung von Leistungen im Wege einer Pauschalpreisfestlegung.

24

Es bestehe keine gesetzliche Grundlage, die Leistungen durch Angabe der tätigen Personen, Einzeltage, geleisteten Stunden bzw. Stundensätze oder durch Art oder Umfang der durch das Personal erbrachten Arbeitsleistungen konkret zu bezeichnen.

25

Das FG berücksichtige nicht, dass bei Steuerberatern und Rechtsanwälten bereits der Hinweis auf die entsprechenden Vorschriften der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) oder des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) als hinreichende Leistungsbezeichnung anzusehen sei.

26

Der geforderte detaillierte Nachweis der im Einzelnen erbrachten Leistungen sei ein unzulässiger, da unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit sowie eine gegen das Übermaßverbot verstoßende Formalisierung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse. Zudem wären er, der Kläger, und die GmbH gezwungen, unter Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflichten und Auskunftsverweigerungsrechte, die Identität von Mandanten und die Tatsache ihrer Beratung offenzulegen.

27

Zudem ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungsbeschreibungen "Arbeitnehmerüberlassung" und "Montagearbeiten", dass es wegen der Art der vorliegend erbrachten sonstigen Leistungen keiner weiteren Quantifizierung bedürfe.

28

Abgesehen davon habe das FA mit seinen Ausführungen in dem vom zuständigen Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle unterschriebenen Schreiben vom 1. April 2008 eine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bindende Zusage erteilt.

29

Das FA habe schließlich gegen das im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben geltende Verbot des "venire contra factum proprium" verstoßen, wenn es den Vorsteuerabzug versage, ohne auf die übersandte Musterrechnung reagiert zu haben.

30

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben sowie den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Dezember 2008 vom 9. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von … € abgezogen werden.

31

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

32

Bei mehreren Rechnungen über dieselben Leistungen gegenüber demselben Leistungsempfänger drohe die Gefahr einer mehrfachen Abrechnung. Aus der streitbefangenen Rechnung werde lediglich der Zeitraum der Leistungserbringung, nicht jedoch der Umfang der erbrachten sonstigen Leistungen ersichtlich. Die Abrechnung sei nicht anhand der tatsächlich erbrachten Leistungen, sondern auf Basis subjektiver Einschätzungen sowie je nach den Bedürfnissen anhand der jeweiligen Kostensituation erfolgt.

33

Das Schreiben vom 1. April 2008 könne nicht als Zusage dahingehend gewertet werden, der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus der streitigen Abschlussrechnung werde anerkannt.

Entscheidungsgründe

34

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

35

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 ausgewiesene Steuer nicht als Vorsteuer abziehen darf, weil der Kläger keine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

36

1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

37

2. Die dem Unternehmer erteilte Rechnung muss ordnungsgemäß sein und den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.2.). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat daher nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG folgende Angaben zu enthalten: "die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung".

38

a) Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in der Fassung der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung (Rechnungs-Richtlinie). Hiernach mussten ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke u.a. "die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistung" enthalten.

39

b) Auch nach Art. 226 Nr. 6 der ab dem 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1) "müssen" ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke u.a. "Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistung" enthalten.

40

3. Fehlen die erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger grundsätzlich kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Juli 2010 C-368/09 --Pannon Gép--, Slg. 2010, I-7467, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 1475, Rz 39 bis 41; vom 1. März 2012 C-280/10 --Polski Trawertyn--, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 366, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 461, Rz 41; BFH-Urteil in BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.3., m.w.N.).

41

4. Die Anforderungen an ein zum Vorsteuerabzug berechtigendes Abrechnungspapier sind im Streitfall nicht erfüllt.

42

a) Die streitbefangene Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthält keine hinreichenden Angaben i.S. des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG zum Umfang der von der GmbH abgerechneten Leistungen.

43

Die vorliegenden Rechnungsangaben beschränken sich auf "Personalgestellung – Schreibarbeiten" sowie "andere Kosten: ... Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur". Sie ermöglichen --wie das FG zu Recht entschied-- auch angesichts der für Angaben in einer Rechnung gebotenen Kürze und der gelegentlich auftretenden Schwierigkeit, zutreffende Kurzformeln für Leistungsbeschreibungen zu finden, jedenfalls keine Konkretisierung der abgerechneten Leistungen nach deren Umfang. Derartige allgemeine Bezeichnungen allein genügen --ebenso wie z.B. "Trockenbauarbeiten", "Fliesenarbeiten", "Außenputzarbeiten" oder "zur Deckung Ihrer erhaltenen Vorauszahlungen"-- nicht den Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbeschreibung im Abrechnungspapier (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 2010 XI B 31/09, BFH/NV 2010, 962, m.w.N.; vom 10. Januar 2012 XI B 80/11, BFH/NV 2012, 815). Sie schließen --worauf das FA zutreffend hinweist-- eine mehrfache Abrechnung der damit verbundenen Leistungen in einer anderen Rechnung nicht aus (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 962, m.w.N.).

44

Die Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthält keine Angaben zum Umfang der "Personalgestellung – Schreibarbeiten", z.B. nach der Anzahl der insoweit geleisteten Stunden. Entsprechendes gilt für den Umfang der Überlassung von "Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur". Auch ergibt sich --wie die Vorentscheidung zutreffend erkannt hat-- aus dem in der streitbefangenen Rechnung enthaltenen Angabe "Nachzahlungs[Zeitraum] 2008" keine Quantifizierung der von der GmbH an den Kläger erbrachten Leistungen.

45

b) Es kann dahinstehen, ob Angaben tatsächlicher Art im Abrechnungspapier, welche ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen, unter der Geltung des die Rechnungs-Richtlinie umsetzenden § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG n.F. noch als ausreichend angesehen werden können (zur Identifizierung des Leistungsgegenstandes unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel unter der Geltung des § 14 UStG a.F., vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, unter II.7.). Derartige Angaben tatsächlicher Art enthält die streitbefangene Rechnung jedenfalls nicht. Die vorhandene Angabe "lt. mündlicher Vereinbarung" ist inhaltlich unzureichend. Sie stellt keine eindeutige Bezugnahme auf andere Geschäftsunterlagen dar, aus denen der Umfang der abgerechneten Leistungen zu entnehmen wäre (zum Verweis auf andere Geschäftsunterlagen vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 2000 V B 178/99, BFH/NV 2000, 1504; vom 29. November 2002 V B 119/02, BFH/NV 2003, 518; vom 3. Mai 2007 V B 87/05, BFH/NV 2007, 1550; ferner Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 815, unter II.1.c).

46

5. Die Einwendungen des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.

47

a) Soweit der Kläger vorbringt, für die Gewährung des Vorsteuerabzugs reiche es nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH aus, dass die Angaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistungen ermöglichten, es lediglich auf die Identifizierung dieser Leistung ankomme und der Vorsteuerabzug nicht durch detaillierte Leistungsbeschreibungen erschwert werden dürfe, verkennt er schon, dass für Abrechnungsperioden ab dem 1. Januar 2004 --mithin nach Umsetzung der Rechnungs-Richtlinie-- sich die Rechtslage im Gegensatz zu der, die den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 59/07, BFHE 222, 189, BStBl II 2009, 218, unter II.2.a, m.w.N.) zugrunde lag, grundlegend anders darstellt (vgl. auch Englisch, UR 2009, 181).

48

aa) Der Unternehmer konnte nach § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 UStG a.F. die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen als Vorsteuer abziehen.

49

bb) Nach der seit 1. Januar 2004 geltenden, für den Streitfall maßgebenden Rechtslage setzt der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG hingegen den Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung voraus, für die nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 8 UStG Angaben unter anderem zu Umfang und Art von abgerechneten Dienstleistungen erforderlich sind. Dies entspricht --wie vorstehend unter II.2. ausgeführt-- zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben. Bei dem Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung handelt es sich seither um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Die durch Umfang und Art konkretisierte Angabe des Leistungsgegenstandes dient mithin nicht mehr lediglich der Erleichterung der Kontrolle, ob der in Rechnung gestellte Leistungsaustausch überhaupt stattgefunden hat (vgl. Englisch, UR 2009, 181, m.w.N.).

50

b) Es verstößt --entgegen der Auffassung des Klägers-- weder gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeits- noch gegen den Neutralitätsgrundsatz, dass der Leistungsumfang in einer Rechnung anzugeben ist.

51

aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Hierbei ist zu prüfen, ob eine Regelung zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten konkreten Ziels erforderlich und geeignet ist und die Ziele und Grundsätze der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nunmehr der ihr nachfolgenden MwStSystRL nicht mehr als erforderlich beeinträchtigt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 19. September 2000 C-177/99 und C-181/99 --Ampafrance und Sanofi--, Slg. 2000, I-7013, UR 2000, 474, Rz 42 f.; vom 21. Februar 2008 C-271/06 --Netto Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, HFR 2008, 408, Rz 18 f.; Senatsurteil vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.b bb).

52

(1) Die zwingende Angabe des Umfangs der abgerechneten Leistungen beeinträchtigt die Interessen des Leistungsempfängers --wie hier die des Klägers-- schon deshalb nicht mehr als erforderlich, weil dieser, wenn er eine Rechnung ohne Angabe des Leistungsumfangs erhält, vom leistenden Unternehmer eine korrigierte, den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG entsprechende Rechnung verlangen kann (zur Rechnung ohne Angabe eines Leistungszeitpunkts, vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432, unter II.3.).

53

(2) Nichts anderes gilt, soweit der Kläger weiter vorbringt, von der GmbH könne keine detaillierte Abrechnung gefordert werden, weil der hierzu notwendige Dokumentationsaufwand die Leistungserbringung unwirtschaftlich machen würde und zur Offenlegung der Kalkulation zwingen würde. Dies trifft nach Auffassung des Senats im Übrigen nicht zu.

54

bb) Aus dem Neutralitätsgrundsatz ergibt sich, dass der Steuerpflichtige weder ganz noch teilweise durch die Mehrwertsteuer belastet werden darf (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.3.b dd [3] [a]). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 22. Februar 2001 C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, UR 2001, 164, Rz 24; vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling--, Slg. 2006, I-6161, UR 2006, 594, Rz 48). Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis (vgl. z.B. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-6161, UR 2006, 594, Rz 48; ferner Senatsurteil vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.e).

55

Nach der Rechtsprechung des EuGH darf dementsprechend die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug nur insoweit davon abhängig gemacht werden, dass die Rechnung über die in dieser Bestimmung geforderten Angaben hinaus noch weitere Angaben enthält, als dies erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Außerdem dürfen solche (weitere) Angaben nicht durch ihre Zahl oder technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Juli 1988 C-123/87 --Jeunehomme und EGI--, Slg. 1988, I-4517, Rz 17; vom 21. April 2005 C-25/03 --HE--, Slg. 2005, I-3123, DStR 2005, 775, Rz 80, m.w.N.; in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 41; in UR 2012, 366, HFR 2012, 461, Rz 42).

56

Es verstößt hiernach nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz, wenn im Streitfall der Vorsteuerabzug zu versagen ist, weil die nach Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL notwendigen Angaben zu den abgerechneten Leistungen in der streitbefangenen Rechnung fehlen. Die geforderte Angabe zum Leistungsumfang geht über das unionsrechtlich nunmehr notwendige Mindestmaß nicht hinaus und würde überdies weder durch Zahl oder technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen.

57

Darüber hinaus ist dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer genügt, wenn der Leistungsempfänger --wie hier der Kläger-- den Vorsteuerabzug mit dem Zugang einer berichtigten Rechnung, auf die er einen Anspruch hat (vgl. hierzu vorstehend unter II.5.b aa), geltend machen kann. Dem Steuerpflichtigen ist es nicht verboten, fehlerhafte Rechnungen berichtigen zu lassen und den ihm zunächst verwehrten Vorsteuerabzug nachzuholen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 43).

58

c) Dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug mithin von der Erfüllung von Voraussetzungen betreffend den Inhalt der Rechnung abhängig machen, die --wie hier die Angaben zu Umfang und Art der abgerechneten sonstigen Leistungen-- in Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 39 bis 41; in UR 2012, 366, HFR 2012, 461, Rz 41), kommt es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht --wie der Kläger weiter vorbringt-- darauf an, dass die GmbH die Umsatzsteuer zutreffend ermittelt, alle Umsätze versteuert und die in der streitbefangenen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer an das FA abgeführt habe.

59

d) Es kann daher auch dahinstehen, ob das FG --wie der Kläger meint-- unzutreffend nicht zwischen unzulässiger pauschaler Leistungsbeschreibung und zulässiger Pauschalpreisvereinbarung differenziere.

60

e) Soweit der Kläger im Kern vorbringt, es bestehe keine gesetzliche Grundlage, die abgerechneten Leistungen durch konkrete Angaben näher zu bezeichnen, trifft dies nicht zu. Die Angaben zu Umfang und Art der abgerechneten sonstigen Leistungen im Abrechnungspapier sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG materiell-rechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzugs (hierzu vorstehend unter II.5.a bb).

61

f) Es kann im Streitfall weiter offenbleiben, ob bei Steuerberatern und Rechtsanwälten der Hinweis auf die entsprechenden Vorschriften der StBGebV bzw. des RVG als Leistungsbezeichnung ausreichend ist. Denn solche Angaben sind in der streitbefangenen Rechnung nicht enthalten.

62

g) Der Senat vermag dem Kläger nicht darin zu folgen, die Angabe zum Umfang der abgerechneten sonstigen Leistungen sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit sowie eine Formalisierung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse unter Verstoß gegen das Übermaßverbot. Denn die Angabe des Leistungsumfangs macht die Vereinbarung eines Pauschalpreises weder unmöglich noch zwingt sie die am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer zur Schriftform hinsichtlich der diesem Austausch zugrunde liegenden privatrechtlichen Vereinbarung.

63

h) Ferner ist es --entgegen dem Revisionsvorbringen-- für die nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG notwendigen Rechnungsangaben nicht erforderlich, gegenüber dem FA die Identität von Mandanten und die Tatsache ihrer Beratung offenzulegen sowie Einzelheiten des Mandantenverhältnisses zu offenbaren. Die umfangmäßige Konkretisierung der zwischen dem Kläger und der GmbH abgerechneten Leistungen "Personalgestellung – Schreibarbeiten" sowie "Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur" bedarf keiner Zuordnung zu dem jeweiligen, vom Kläger betreuten Mandat.

64

i) Soweit der Kläger schließlich vorbringt, aus der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungsbeschreibungen "Arbeitnehmerüberlassung" und "Montagearbeiten", ergebe sich, dass es wegen der Art der vorliegend erbrachten sonstigen Leistungen keiner weiteren Quantifizierung bedarf, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil jene Entscheidung des BFH in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 zu den Streitjahren 1980 und 1981, mithin zu einer anderen Rechtslage, ergangen ist. Im Übrigen war dort --anders als hier-- nach geleisteten Arbeitsstunden abgerechnet worden.

65

6. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht verpflichtet war, den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug anzuerkennen.

66

a) Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733; Senatsurteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613). Er verdrängt jedoch gesetztes Recht --wie im Streitfall die fehlende Voraussetzung zum Vorsteuerabzug-- nur in Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 107, BStBl II 1978, 274; vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, unter II.1.; vom 29. November 2000 X R 25/97, BFH/NV 2001, 1013, unter II.2.a; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.2.a).

67

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 1.; BFH-Beschluss vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, unter II.1.b; BFH-Urteile vom 29. April 2008 VIII R 75/05, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817, unter II.3.e; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, BFH/NV 2010, 1096, unter II.5.; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.2.b).

68

b) Hiernach kann sich der Kläger zur Anerkennung seines geltend gemachten Vorsteuerabzugs nicht mit Erfolg auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen.

69

aa) Dem Kläger ist keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn er eine verbindliche Auskunft beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369, unter II.1.b; vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155, unter II.2.i; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.3.). Dies liegt hier nicht vor.

70

Das FA hat in dem Schreiben vom 1. April 2008 dem Kläger hinsichtlich der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2006 mitgeteilt, dass "beabsichtigt [ist,] trotz o.g. Ausführungen, die strittigen Vorsteuerbeträge zum Abzug zuzulassen". Eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass Vorsteuerbeträge darüber hinaus auch für nachfolgende Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume --wie im Streitfall für Dezember 2008-- anerkannt werden, hat es in diesem Schreiben dem Kläger gegenüber nicht erteilt.

71

bb) Das FA hat auch durch sein Verhalten außerhalb einer verbindlichen Zusage keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

72

Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. Senatsurteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II.5.a; vom 15. Dezember 1999 XI R 11/99, BFH/NV 2000, 708, unter II.1.; in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.4.a).

73

(1) Aus dem Umstand, dass das FA auf das Schreiben des Klägers vom 10. April 2008 mit übersandter Musterrechnung nicht reagiert hat, ergibt sich --wie das FG zutreffend erkannte-- keine Bindungswirkung nach Treu und Glauben. Dem Stillschweigen des FA kann bei objektiver Beurteilung kein Erklärungswert dahingehend beigemessen werden, es werde künftig die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen, die der übersandten Musterrechnung inhaltlich entsprechen, anerkennen.

74

Hierin liegt auch kein --wie der Kläger meint-- widersprüchliches Verhalten. Das FA hat sich mit dem Versagen des geltend gemachten Vorsteuerabzugs aus der streitbefangenen Rechnung nicht gegensätzlich zu seinem vorausgegangenen Stillschweigen, das keinen entgegenstehenden Erklärungswert hatte, verhalten.

75

(2) Gleiches gilt für den Umstand, dass das FA --wie mit der Revision vorgebracht wird-- einen von ihm geltend gemachten Vorsteuerabzug aus Rechnungen der GmbH über Mietzinsen anerkannt habe, die den Anforderungen in dessen Schreiben vom 1. April 2008 entsprochen hätten. Bei objektiver Beurteilung durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, das FA werde auch Vorsteuerbeträge aus weiteren, nachfolgenden Rechnungen anerkennen.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn

1.
die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist und
2.
ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen an einer Erteilung vor dem Abschluss der Außenprüfung besteht und dies glaubhaft gemacht wird.

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 5. Februar 2014  4 K 200/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) hat bei einem Nachtclubbesitzer, dessen Erben Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind, eine Umsatzzuschätzung vorgenommen, weil es davon ausging, nicht nur Getränke- und Vermietungsumsätze, sondern die gesamten Umsätze aus der Tätigkeit der Prostituierten seien dem Inhaber zuzurechnen. Die Zuschätzung verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, obschon bei vier vorangegangenen Außenprüfungen die steuerliche Behandlung als Zimmervermietung nicht beanstandet wurde.

2

Das FG habe sein Urteil vom 5. Dezember 2014 in der geschäftsplanmäßigen Besetzung Vorsitzender Richter am FG A, RiFG B und RiFG C getroffen. Unschädlich sei, dass der in der letzten Sitzung für den erkrankten RiFG D aufgetretene geschäftsplanmäßige Vertreter RiFG B nicht an den vorangegangenen Sitzungsterminen, an denen Beweisaufnahmen stattgefunden hatten, teilgenommen habe, weil es sich wegen des großen zeitlichen Abstandes nicht um einen Fortsetzungstermin (Unterbrechung), sondern um einen neuen Verhandlungstermin (Vertagung) gehandelt habe. Die Vernehmungsprotokolle der vorangegangenen Beweisaufnahmen wurden in der letzten Sitzung nicht verlesen.

Entscheidungsgründe

3

II. Die auf Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet.

4

1. Die Revision ist nicht bereits wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob die während eines Zeitraums von 41 Jahren bei vier Außenprüfungen sowie einer entsprechenden Auskunft an die Ortspolizei aus dem Jahr 1984 unbeanstandet gebliebene Rechtsauffassung der Kläger, nach der einem Nachtclubbesitzer die Umsätze der bei ihm tätigen Prostituierten nicht in vollem Umfang, sondern lediglich zu 1/3 als Umsatz aus Zimmervermietung zugerechnet werden, im Streitjahr 2005 geändert werden durfte.

5

Denn die Rechtsfrage der Bindung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) an seine früheren steuerlichen Beurteilungen für die Zukunft ist bereits geklärt. Aus § 204 der Abgabenordnung (AO) ergibt sich, dass das FA im Anschluss an eine Außenprüfung eine verbindliche Auskunft erteilen soll über die zukünftige Behandlung eines für die Vergangenheit geprüften und im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhaltes. Diese Zusage ist dann gemäß § 206 AO für den im Antrag des Steuerpflichtigen genannten Zeitraums verbindlich. Hat der Steuerpflichtige eine derartige verbindliche Zusage nach § 206 oder nach § 89 Abs. 2 AO oder der vorangegangenen Verwaltungsregelung jedoch nicht beantragt, hat das FA grundsätzlich das Recht und die Pflicht, aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, aus dem der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung folgt, eine als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung frühestmöglich zu ändern (BFH-Urteile vom 25. Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660; vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414). Darüber hinaus ist geklärt, dass ein Verbot der Rückkehr des FA zur als richtig erkannten Besteuerung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben oder der Verwirkung nur dann ausnahmsweise angenommen werden kann, wenn eindeutig erkennbar ist, dass das FA mit einer bestimmten Sachbehandlung auch eine Festlegung für die Zukunft treffen wollte (BFH-Urteile vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652, Rz 26; vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414, Rz 34-36; vom 25. Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660). Ohne eine solche verbindliche Zusage nach § 204 AO oder ihr gleichkommende zukunftsgerichtete Erklärung des FA ist das Vertrauen auf Fortsetzung einer für den Steuerpflichtigen günstigen Behandlung auf unabsehbare Zeit nicht geschützt.

6

2. Die Beschwerde führt aber zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, weil das Urteil nicht auf einer verfahrensfehlerfreien Grundlage beruht.

7

a) Eine "Entziehung des gesetzlichen Richters" und ein "Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme" liegt zwar nicht deshalb vor, weil innerhalb der drei Sitzungstage jeweils mit Beweisaufnahme (am 12. Dezember 2012, 7. Februar 2013 und 5. Februar 2014) die Richterbank gewechselt hat, nämlich wegen Erkrankung des RiFG D dessen Vertreter RiFG B teilgenommen hat sowie die beiden ehrenamtlichen Richter gewechselt haben. Denn ein Urteil kann zwar gemäß § 103 FGO nur von denjenigen Richtern gefällt werden, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Hiermit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jedoch nur das Gericht gemeint, das in der letzten mündlichen Verhandlung auch das Urteil gesprochen hat. Daraus ergibt sich weiter, dass auch nach --wie vorliegend-- der Vertagung und nicht nur einer Unterbrechung einer mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme, bei der sich ein und dieselbe mündliche Verhandlung über mehrere Verhandlungstage (Sitzungstage) hinzieht, ein Wechsel auf der Richterbank grundsätzlich zulässig ist (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 72/90, BFH/NV 1992, 115; Beschluss vom 22. Oktober 2003 I B 39/03, BFH/NV 2004, 350).

8

Dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) wäre allerdings am besten genügt, wenn nur diejenigen Richter das Urteil sprechen, die an allen Beweisaufnahmen zugegen waren. Jedoch führt das Gesetz diesen Grundsatz aus prozessökonomischen Gründen nicht streng durch, denn es sieht in § 81 Abs. 2 und § 79 Abs. 3 FGO auch die Möglichkeit der Übertragung einer Beweisaufnahme auf einzelne Mitglieder des Gerichts oder durch ein anderes Gericht vor, was zur Folge hat, dass in diesen Fällen Richter zur Entscheidung mit berufen sind, die an der Beweisaufnahme selbst nicht teilgenommen haben. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nur dann erforderlich, wenn es auf den persönlichen Eindruck des Zeugen zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit ankommt.

9

b) Im Hinblick auf die Einschränkung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme bei Richterwechsel nach vorangegangener Beweisaufnahme ist aber als Ausgleich zwingend erforderlich, dass sich die neu hinzugetretenen Richter zuverlässig Kenntnis vom Inhalt der Zeugenaussagen verschaffen. Das setzt nicht nur voraus, dass die Zeugenvernehmung protokolliert wurde, sondern dass zudem die Protokolle wie nach Vernehmung durch einen beauftragten Richter im Wege des Urkundenbeweises durch Verlesung in das Verfahren eingeführt werden (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962; vom 3. August 2006 V B 27/06, juris; vom 30. April 2003 I B 120/02, BFH/NV 2003, 1587; vom 26. März 1991 VII R 72/90, BFH/NV 1992, 115; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1990 XI ZR 162/89 unter I.2.b, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1302; vom 12. Juni 2012 X ZR 131/09, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2012, 895, Rz 31).

10

Die Einführung der Protokolle über die vorangegangenen Zeugenvernehmungen durch Verlesung ist vorliegend jedoch dem Sitzungsprotokoll nicht zu entnehmen.

11

c) Entgegen der Rechtsauffassung des FA ist der Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit vorliegend auch nicht durch Verzicht oder rügeloser Einlassung geheilt worden (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 1992, 115). Denn die Kläger haben den Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit laut Sitzungsprotokoll ausdrücklich gerügt.

12

Die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit wegen Wechsel der Richterbank nach vorangegangener Beweisaufnahme mit der Begründung, nicht die gesamte Richterbank besitze einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt der Zeugenaussagen, umfasst auch die Rüge der Nichteinführung der Protokolle im Wege des Urkundenbeweises, da die Rüge auf dasselbe Ziel gerichtet ist, das Fehlen der zuverlässigen Kenntnis der Richter vom Inhalt der Zeugenaussagen zu beanstanden.

13

3. Die weiter gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Von einer Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

14

4. Der Senat hält es daher für sachgerecht, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die Protokolle der Zeugeneinvernahmen ordnungsgemäß im Wege des Urkundenbeweises in das Verfahren eingeführt werden.

15

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Abzug von Vorsteuern in Höhe von … € für den Monat Dezember 2008 aus einer Abschlussrechnung, insbesondere, ob Art und Umfang der erbrachten Leistung in der Rechnung hinreichend bezeichnet sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei unternehmerisch tätig. Darüber hinaus war er Mitgeschäftsführer der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH).

3

Der Kläger hatte mit der Rechnungsausstellerin, der GmbH, eine Bürogemeinschaft. Er nahm auf der Grundlage einer mündlichen Vereinbarung mit der GmbH Leistungen dieser Gesellschaft in Anspruch. Bei diesen Leistungen handelte es sich u.a. um Personalüberlassung, Ausführung von Schreibarbeiten, Gestellung von Büromaterial, EDV und Fachliteratur.

4

Der Kläger durfte aufgrund mündlicher Vereinbarung mit der GmbH deren Räume für seine Tätigkeiten nutzen, Schreibkräfte etc. für seine Tätigkeit in Anspruch nehmen und leistete im Laufe des Jahres hierfür pauschale Abschlagszahlungen von etwa … € monatlich. Die GmbH erteilte unterjährig Rechnungen über diese Abschlagszahlungen. Es wurde nicht festgehalten, welcher Mitarbeiter/in in welchem Umfang für den Kläger oder die GmbH tätig war.

5

Am Jahresende fand nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) sodann eine Besprechung zwischen dem Kläger und einer der Mitgeschäftsführerinnen der GmbH statt, in der besprochen wurde, welche Aufwendungen der GmbH im Zusammenhang mit den für die Kanzlei des Klägers erbrachten Dienstleistungen entstanden waren. Grundlage dieser Feststellung waren die für die GmbH darstellbaren Kosten. Anhand dieser wurde festgestellt, ob mit den monatlichen Zahlungen zumindest ungefähr die der GmbH entstandenen Aufwendungen "aufgefangen" wurden. Sodann wurden unter Berücksichtigung des Gesamtaufwandes --letztlich im Wege griffweiser Schätzung-- in der Besprechung eine etwaige Nachzahlung für das Kalenderjahr festgelegt. Dies erfolgte im Rahmen einer Pauschalpreisvereinbarung, die zwar keine Abrechnung "auf den Punkt" erlaubte, allerdings einen größeren Aufwand im Zusammenhang mit der Ermittlung der konkreten Kosten vermied. Bei dem Gespräch zwischen dem Kläger und der GmbH, bei dem die Abschlusszahlung festgesetzt wurde, legte die Mitgeschäftsführerin aufgrund der Kostenstruktur der GmbH den Aufwand mündlich dar. Hierzu wurden betriebswirtschaftliche Auswertungen herangezogen.

6

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bei der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2006 vom Kläger geltend gemachte Vorsteuerbeträge nicht an. Im Rahmen eines gegen diese Festsetzung gerichteten Einspruchsverfahrens teilte das FA in einem vom zuständigen Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle unterschriebenen Schreiben vom 1. April 2008 dem Kläger unter Hinweis darauf, dass für künftige Abrechnungszeiträume den gesetzlichen Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entsprechende Rechnungen zugrunde zu legen seien, mit, die strittigen Vorsteuerbeträge würden zum Abzug zugelassen.

7

Daraufhin übermittelte der Kläger dem FA mit Schreiben vom 10. April 2008 eine "Proberechnung" der GmbH. Er bat um entsprechende Mitteilung für den Fall, dass die Ausgestaltung der Rechnung wider Erwarten nicht den aus Sicht des FA zu beachtenden Vorgaben genüge. Das FA reagierte hierauf nicht.

8

Die GmbH erteilte dem Kläger am 17. Dezember 2008 für den Leistungszeitraum Januar bis Dezember 2008 die im vorliegenden Verfahren umstrittene Abschlussrechnung mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von … €. Die ausgeführten Leistungen wurden in der Rechnung wie folgt bezeichnet:

9
                 

           

Nachzahlung [Zeitraum] 2008

                 

Personalgestellung - Schreibarbeiten

                 

lt. mündlicher Vereinbarung

… €     

        

Nachzahlung für andere Kosten: [Zeitraum] 2008

                 

Büromaterial, Porto, EDV,

                 

Fachliteratur

                 

lt. mündlicher Vereinbarung

… €     

        
                          

Summe Nettobeträge

… €     

Umsatzsteuerbetrag 19 %

… €     

Rechnungsbetrag

… €     

10

Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2008 vom 9. März 2009 versagte das FA den vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2008 aus der vorgenannten Rechnung geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von … €. Die abgerechneten Umsätze seien weder dem Grunde nach noch der Höhe nach eindeutig und leicht nachprüfbar zuzuordnen. Die Festlegungen entsprechend der getroffenen mündlichen Vereinbarung seien nicht nachvollziehbar.

11

Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

12

Die sich anschließende Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, die Leistungsbeschreibungen in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 seien auch angesichts der für Rechnungsangaben gebotenen Kürze unzulänglich. Sie ermöglichten keine konkrete Identifizierung der abgerechneten Leistungen. Eine genügende Leistungsbeschreibung erfordere eine Konkretisierung der Leistung nach Art und Umfang. Vorliegend fehlten Angaben zum konkreten Umfang der erbrachten Leistungen völlig. Aus der Bezugnahme auf die Monate der Leistungserbringung ergebe sich nicht deren Dauer im Sinne einer Quantifizierung. Diese sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, da sich der Umfang der erbrachten Leistungen mit hinreichender Notwendigkeit weder aus der Bezeichnung der Art der Leistungen noch aus der bloßen Angabe der Zeiträume ergebe. Der in der streitbefangenen Rechnung erteilte Hinweis nach "mündlicher Vereinbarung" lasse keine Rückschlüsse auf den Umfang der erbrachten Leistungen zu.

13

Die Konkretisierung des Leistungsumfangs, etwa durch nähere Angaben zu den tätigen Personen, Einsatztagen, geleistete Stunden bzw. Stundensätzen oder zu Art und Umfang der Leistungen mache eine zulässige Pauschalpreisvereinbarung nicht unmöglich. Im Übrigen seien, wie die Nachzahlung zeige, Pauschalhonorare nicht vereinbart worden.

14

Die Forderung des FA nach einer näheren Konkretisierung des Umfangs der erbrachten sonstigen Leistungen verstoße nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Soweit der Kläger vorgebracht habe, ein Steuerpflichtiger würde hierdurch zu einem Aufwand gezwungen, der sein Handeln unwirtschaftlich mache, habe der Kläger nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen dies in seinem konkreten Fall gegeben sei.

15

Das FA sei auch nach Treu und Glauben nicht gebunden gewesen, den vom Kläger beanspruchten Vorsteuerabzug aus der streitigen Abschlussrechnung der GmbH anzuerkennen.

16

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 281 veröffentlicht.

17

Der Kläger stützt seine vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

18

Er trägt im Einzelnen vor, die Vorentscheidung verkenne die Anforderungen an den Inhalt einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung. Die Angaben "Personalgestellung/Schreibarbeiten" bzw. "Nachzahlung für andere Kosten", welche detailliert mit "Büromaterial, Porto, EDV und Fachliteratur" bezeichnet worden seien, ermöglichten die nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesfinanzhofs (BFH) geforderte eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistungen. Angesichts dieser Leistungsbeschreibungen komme es auf den in der streitbefangenen Rechnung aufgenommenen Verweis auf die getroffene mündliche Vereinbarung nicht an.

19

Eine detaillierte Leistungsbeschreibung könne nicht gefordert werden, da der Vorsteuerabzug nicht durch übertriebene Anforderungen erschwert werden dürfe.

20

Der hierzu notwendige Dokumentationsaufwand mache die Leistungserbringung unwirtschaftlich. Eine detaillierte Leistungsbeschreibung würde der Finanzverwaltung gegenüber die Kalkulation offenlegen.

21

Das Verlangen nach einer weitergehenden Aufschlüsselung und Erläuterung der abgerechneten Leistungen sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Neutralität unvereinbar und schlösse jedwede Pauschalpreisvereinbarung aus.

22

Die in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthaltenen Leistungsbeschreibungen seien auch im Hinblick auf den Zweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG, die Besteuerung des leistenden Unternehmers zu erleichtern, hinreichend genau. Die Gefahr, die GmbH hätte die Umsatzsteuer unzutreffend ermitteln oder die Umsätze nicht versteuern können, habe ersichtlich nicht bestanden. Sie habe die ausgewiesene Umsatzsteuer unstreitig an das FA abgeführt.

23

Die Vorentscheidung verkenne weiter, dass mit der streitbefangenen Rechnung keine unzulässige pauschale Leistungsbeschreibung vorgenommen worden sei, und differenziere nicht zwischen einer pauschalen Beschreibung und einer pauschalen Abrechnung von Leistungen im Wege einer Pauschalpreisfestlegung.

24

Es bestehe keine gesetzliche Grundlage, die Leistungen durch Angabe der tätigen Personen, Einzeltage, geleisteten Stunden bzw. Stundensätze oder durch Art oder Umfang der durch das Personal erbrachten Arbeitsleistungen konkret zu bezeichnen.

25

Das FG berücksichtige nicht, dass bei Steuerberatern und Rechtsanwälten bereits der Hinweis auf die entsprechenden Vorschriften der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) oder des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) als hinreichende Leistungsbezeichnung anzusehen sei.

26

Der geforderte detaillierte Nachweis der im Einzelnen erbrachten Leistungen sei ein unzulässiger, da unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit sowie eine gegen das Übermaßverbot verstoßende Formalisierung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse. Zudem wären er, der Kläger, und die GmbH gezwungen, unter Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflichten und Auskunftsverweigerungsrechte, die Identität von Mandanten und die Tatsache ihrer Beratung offenzulegen.

27

Zudem ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungsbeschreibungen "Arbeitnehmerüberlassung" und "Montagearbeiten", dass es wegen der Art der vorliegend erbrachten sonstigen Leistungen keiner weiteren Quantifizierung bedürfe.

28

Abgesehen davon habe das FA mit seinen Ausführungen in dem vom zuständigen Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle unterschriebenen Schreiben vom 1. April 2008 eine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bindende Zusage erteilt.

29

Das FA habe schließlich gegen das im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben geltende Verbot des "venire contra factum proprium" verstoßen, wenn es den Vorsteuerabzug versage, ohne auf die übersandte Musterrechnung reagiert zu haben.

30

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben sowie den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Dezember 2008 vom 9. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von … € abgezogen werden.

31

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

32

Bei mehreren Rechnungen über dieselben Leistungen gegenüber demselben Leistungsempfänger drohe die Gefahr einer mehrfachen Abrechnung. Aus der streitbefangenen Rechnung werde lediglich der Zeitraum der Leistungserbringung, nicht jedoch der Umfang der erbrachten sonstigen Leistungen ersichtlich. Die Abrechnung sei nicht anhand der tatsächlich erbrachten Leistungen, sondern auf Basis subjektiver Einschätzungen sowie je nach den Bedürfnissen anhand der jeweiligen Kostensituation erfolgt.

33

Das Schreiben vom 1. April 2008 könne nicht als Zusage dahingehend gewertet werden, der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus der streitigen Abschlussrechnung werde anerkannt.

Entscheidungsgründe

34

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

35

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die in der Rechnung vom 17. Dezember 2008 ausgewiesene Steuer nicht als Vorsteuer abziehen darf, weil der Kläger keine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

36

1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

37

2. Die dem Unternehmer erteilte Rechnung muss ordnungsgemäß sein und den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.2.). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat daher nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG folgende Angaben zu enthalten: "die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung".

38

a) Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in der Fassung der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung (Rechnungs-Richtlinie). Hiernach mussten ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke u.a. "die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistung" enthalten.

39

b) Auch nach Art. 226 Nr. 6 der ab dem 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1) "müssen" ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke u.a. "Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistung" enthalten.

40

3. Fehlen die erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger grundsätzlich kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Juli 2010 C-368/09 --Pannon Gép--, Slg. 2010, I-7467, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 1475, Rz 39 bis 41; vom 1. März 2012 C-280/10 --Polski Trawertyn--, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 366, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 461, Rz 41; BFH-Urteil in BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.3., m.w.N.).

41

4. Die Anforderungen an ein zum Vorsteuerabzug berechtigendes Abrechnungspapier sind im Streitfall nicht erfüllt.

42

a) Die streitbefangene Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthält keine hinreichenden Angaben i.S. des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG zum Umfang der von der GmbH abgerechneten Leistungen.

43

Die vorliegenden Rechnungsangaben beschränken sich auf "Personalgestellung – Schreibarbeiten" sowie "andere Kosten: ... Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur". Sie ermöglichen --wie das FG zu Recht entschied-- auch angesichts der für Angaben in einer Rechnung gebotenen Kürze und der gelegentlich auftretenden Schwierigkeit, zutreffende Kurzformeln für Leistungsbeschreibungen zu finden, jedenfalls keine Konkretisierung der abgerechneten Leistungen nach deren Umfang. Derartige allgemeine Bezeichnungen allein genügen --ebenso wie z.B. "Trockenbauarbeiten", "Fliesenarbeiten", "Außenputzarbeiten" oder "zur Deckung Ihrer erhaltenen Vorauszahlungen"-- nicht den Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsbeschreibung im Abrechnungspapier (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 2010 XI B 31/09, BFH/NV 2010, 962, m.w.N.; vom 10. Januar 2012 XI B 80/11, BFH/NV 2012, 815). Sie schließen --worauf das FA zutreffend hinweist-- eine mehrfache Abrechnung der damit verbundenen Leistungen in einer anderen Rechnung nicht aus (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 962, m.w.N.).

44

Die Rechnung vom 17. Dezember 2008 enthält keine Angaben zum Umfang der "Personalgestellung – Schreibarbeiten", z.B. nach der Anzahl der insoweit geleisteten Stunden. Entsprechendes gilt für den Umfang der Überlassung von "Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur". Auch ergibt sich --wie die Vorentscheidung zutreffend erkannt hat-- aus dem in der streitbefangenen Rechnung enthaltenen Angabe "Nachzahlungs[Zeitraum] 2008" keine Quantifizierung der von der GmbH an den Kläger erbrachten Leistungen.

45

b) Es kann dahinstehen, ob Angaben tatsächlicher Art im Abrechnungspapier, welche ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen, unter der Geltung des die Rechnungs-Richtlinie umsetzenden § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG n.F. noch als ausreichend angesehen werden können (zur Identifizierung des Leistungsgegenstandes unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel unter der Geltung des § 14 UStG a.F., vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, unter II.7.). Derartige Angaben tatsächlicher Art enthält die streitbefangene Rechnung jedenfalls nicht. Die vorhandene Angabe "lt. mündlicher Vereinbarung" ist inhaltlich unzureichend. Sie stellt keine eindeutige Bezugnahme auf andere Geschäftsunterlagen dar, aus denen der Umfang der abgerechneten Leistungen zu entnehmen wäre (zum Verweis auf andere Geschäftsunterlagen vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 2000 V B 178/99, BFH/NV 2000, 1504; vom 29. November 2002 V B 119/02, BFH/NV 2003, 518; vom 3. Mai 2007 V B 87/05, BFH/NV 2007, 1550; ferner Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 815, unter II.1.c).

46

5. Die Einwendungen des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.

47

a) Soweit der Kläger vorbringt, für die Gewährung des Vorsteuerabzugs reiche es nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH aus, dass die Angaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistungen ermöglichten, es lediglich auf die Identifizierung dieser Leistung ankomme und der Vorsteuerabzug nicht durch detaillierte Leistungsbeschreibungen erschwert werden dürfe, verkennt er schon, dass für Abrechnungsperioden ab dem 1. Januar 2004 --mithin nach Umsetzung der Rechnungs-Richtlinie-- sich die Rechtslage im Gegensatz zu der, die den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 59/07, BFHE 222, 189, BStBl II 2009, 218, unter II.2.a, m.w.N.) zugrunde lag, grundlegend anders darstellt (vgl. auch Englisch, UR 2009, 181).

48

aa) Der Unternehmer konnte nach § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 UStG a.F. die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen als Vorsteuer abziehen.

49

bb) Nach der seit 1. Januar 2004 geltenden, für den Streitfall maßgebenden Rechtslage setzt der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG hingegen den Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung voraus, für die nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 8 UStG Angaben unter anderem zu Umfang und Art von abgerechneten Dienstleistungen erforderlich sind. Dies entspricht --wie vorstehend unter II.2. ausgeführt-- zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben. Bei dem Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung handelt es sich seither um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Die durch Umfang und Art konkretisierte Angabe des Leistungsgegenstandes dient mithin nicht mehr lediglich der Erleichterung der Kontrolle, ob der in Rechnung gestellte Leistungsaustausch überhaupt stattgefunden hat (vgl. Englisch, UR 2009, 181, m.w.N.).

50

b) Es verstößt --entgegen der Auffassung des Klägers-- weder gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeits- noch gegen den Neutralitätsgrundsatz, dass der Leistungsumfang in einer Rechnung anzugeben ist.

51

aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Hierbei ist zu prüfen, ob eine Regelung zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten konkreten Ziels erforderlich und geeignet ist und die Ziele und Grundsätze der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nunmehr der ihr nachfolgenden MwStSystRL nicht mehr als erforderlich beeinträchtigt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 19. September 2000 C-177/99 und C-181/99 --Ampafrance und Sanofi--, Slg. 2000, I-7013, UR 2000, 474, Rz 42 f.; vom 21. Februar 2008 C-271/06 --Netto Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, HFR 2008, 408, Rz 18 f.; Senatsurteil vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.b bb).

52

(1) Die zwingende Angabe des Umfangs der abgerechneten Leistungen beeinträchtigt die Interessen des Leistungsempfängers --wie hier die des Klägers-- schon deshalb nicht mehr als erforderlich, weil dieser, wenn er eine Rechnung ohne Angabe des Leistungsumfangs erhält, vom leistenden Unternehmer eine korrigierte, den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG entsprechende Rechnung verlangen kann (zur Rechnung ohne Angabe eines Leistungszeitpunkts, vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432, unter II.3.).

53

(2) Nichts anderes gilt, soweit der Kläger weiter vorbringt, von der GmbH könne keine detaillierte Abrechnung gefordert werden, weil der hierzu notwendige Dokumentationsaufwand die Leistungserbringung unwirtschaftlich machen würde und zur Offenlegung der Kalkulation zwingen würde. Dies trifft nach Auffassung des Senats im Übrigen nicht zu.

54

bb) Aus dem Neutralitätsgrundsatz ergibt sich, dass der Steuerpflichtige weder ganz noch teilweise durch die Mehrwertsteuer belastet werden darf (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II.3.b dd [3] [a]). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 22. Februar 2001 C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, UR 2001, 164, Rz 24; vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling--, Slg. 2006, I-6161, UR 2006, 594, Rz 48). Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis (vgl. z.B. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-6161, UR 2006, 594, Rz 48; ferner Senatsurteil vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.e).

55

Nach der Rechtsprechung des EuGH darf dementsprechend die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug nur insoweit davon abhängig gemacht werden, dass die Rechnung über die in dieser Bestimmung geforderten Angaben hinaus noch weitere Angaben enthält, als dies erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Außerdem dürfen solche (weitere) Angaben nicht durch ihre Zahl oder technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Juli 1988 C-123/87 --Jeunehomme und EGI--, Slg. 1988, I-4517, Rz 17; vom 21. April 2005 C-25/03 --HE--, Slg. 2005, I-3123, DStR 2005, 775, Rz 80, m.w.N.; in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 41; in UR 2012, 366, HFR 2012, 461, Rz 42).

56

Es verstößt hiernach nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz, wenn im Streitfall der Vorsteuerabzug zu versagen ist, weil die nach Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL notwendigen Angaben zu den abgerechneten Leistungen in der streitbefangenen Rechnung fehlen. Die geforderte Angabe zum Leistungsumfang geht über das unionsrechtlich nunmehr notwendige Mindestmaß nicht hinaus und würde überdies weder durch Zahl oder technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen.

57

Darüber hinaus ist dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer genügt, wenn der Leistungsempfänger --wie hier der Kläger-- den Vorsteuerabzug mit dem Zugang einer berichtigten Rechnung, auf die er einen Anspruch hat (vgl. hierzu vorstehend unter II.5.b aa), geltend machen kann. Dem Steuerpflichtigen ist es nicht verboten, fehlerhafte Rechnungen berichtigen zu lassen und den ihm zunächst verwehrten Vorsteuerabzug nachzuholen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 43).

58

c) Dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug mithin von der Erfüllung von Voraussetzungen betreffend den Inhalt der Rechnung abhängig machen, die --wie hier die Angaben zu Umfang und Art der abgerechneten sonstigen Leistungen-- in Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2010, I-7467, DStR 2010, 1475, Rz 39 bis 41; in UR 2012, 366, HFR 2012, 461, Rz 41), kommt es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht --wie der Kläger weiter vorbringt-- darauf an, dass die GmbH die Umsatzsteuer zutreffend ermittelt, alle Umsätze versteuert und die in der streitbefangenen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer an das FA abgeführt habe.

59

d) Es kann daher auch dahinstehen, ob das FG --wie der Kläger meint-- unzutreffend nicht zwischen unzulässiger pauschaler Leistungsbeschreibung und zulässiger Pauschalpreisvereinbarung differenziere.

60

e) Soweit der Kläger im Kern vorbringt, es bestehe keine gesetzliche Grundlage, die abgerechneten Leistungen durch konkrete Angaben näher zu bezeichnen, trifft dies nicht zu. Die Angaben zu Umfang und Art der abgerechneten sonstigen Leistungen im Abrechnungspapier sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG materiell-rechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzugs (hierzu vorstehend unter II.5.a bb).

61

f) Es kann im Streitfall weiter offenbleiben, ob bei Steuerberatern und Rechtsanwälten der Hinweis auf die entsprechenden Vorschriften der StBGebV bzw. des RVG als Leistungsbezeichnung ausreichend ist. Denn solche Angaben sind in der streitbefangenen Rechnung nicht enthalten.

62

g) Der Senat vermag dem Kläger nicht darin zu folgen, die Angabe zum Umfang der abgerechneten sonstigen Leistungen sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit sowie eine Formalisierung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse unter Verstoß gegen das Übermaßverbot. Denn die Angabe des Leistungsumfangs macht die Vereinbarung eines Pauschalpreises weder unmöglich noch zwingt sie die am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer zur Schriftform hinsichtlich der diesem Austausch zugrunde liegenden privatrechtlichen Vereinbarung.

63

h) Ferner ist es --entgegen dem Revisionsvorbringen-- für die nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG notwendigen Rechnungsangaben nicht erforderlich, gegenüber dem FA die Identität von Mandanten und die Tatsache ihrer Beratung offenzulegen sowie Einzelheiten des Mandantenverhältnisses zu offenbaren. Die umfangmäßige Konkretisierung der zwischen dem Kläger und der GmbH abgerechneten Leistungen "Personalgestellung – Schreibarbeiten" sowie "Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur" bedarf keiner Zuordnung zu dem jeweiligen, vom Kläger betreuten Mandat.

64

i) Soweit der Kläger schließlich vorbringt, aus der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungsbeschreibungen "Arbeitnehmerüberlassung" und "Montagearbeiten", ergebe sich, dass es wegen der Art der vorliegend erbrachten sonstigen Leistungen keiner weiteren Quantifizierung bedarf, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil jene Entscheidung des BFH in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 zu den Streitjahren 1980 und 1981, mithin zu einer anderen Rechtslage, ergangen ist. Im Übrigen war dort --anders als hier-- nach geleisteten Arbeitsstunden abgerechnet worden.

65

6. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht verpflichtet war, den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug anzuerkennen.

66

a) Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733; Senatsurteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613). Er verdrängt jedoch gesetztes Recht --wie im Streitfall die fehlende Voraussetzung zum Vorsteuerabzug-- nur in Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 107, BStBl II 1978, 274; vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, unter II.1.; vom 29. November 2000 X R 25/97, BFH/NV 2001, 1013, unter II.2.a; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.2.a).

67

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 1.; BFH-Beschluss vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, unter II.1.b; BFH-Urteile vom 29. April 2008 VIII R 75/05, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817, unter II.3.e; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, BFH/NV 2010, 1096, unter II.5.; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.2.b).

68

b) Hiernach kann sich der Kläger zur Anerkennung seines geltend gemachten Vorsteuerabzugs nicht mit Erfolg auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen.

69

aa) Dem Kläger ist keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn er eine verbindliche Auskunft beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369, unter II.1.b; vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155, unter II.2.i; Senatsurteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.3.). Dies liegt hier nicht vor.

70

Das FA hat in dem Schreiben vom 1. April 2008 dem Kläger hinsichtlich der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2006 mitgeteilt, dass "beabsichtigt [ist,] trotz o.g. Ausführungen, die strittigen Vorsteuerbeträge zum Abzug zuzulassen". Eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass Vorsteuerbeträge darüber hinaus auch für nachfolgende Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume --wie im Streitfall für Dezember 2008-- anerkannt werden, hat es in diesem Schreiben dem Kläger gegenüber nicht erteilt.

71

bb) Das FA hat auch durch sein Verhalten außerhalb einer verbindlichen Zusage keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

72

Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. Senatsurteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II.5.a; vom 15. Dezember 1999 XI R 11/99, BFH/NV 2000, 708, unter II.1.; in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, unter II.4.a).

73

(1) Aus dem Umstand, dass das FA auf das Schreiben des Klägers vom 10. April 2008 mit übersandter Musterrechnung nicht reagiert hat, ergibt sich --wie das FG zutreffend erkannte-- keine Bindungswirkung nach Treu und Glauben. Dem Stillschweigen des FA kann bei objektiver Beurteilung kein Erklärungswert dahingehend beigemessen werden, es werde künftig die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen, die der übersandten Musterrechnung inhaltlich entsprechen, anerkennen.

74

Hierin liegt auch kein --wie der Kläger meint-- widersprüchliches Verhalten. Das FA hat sich mit dem Versagen des geltend gemachten Vorsteuerabzugs aus der streitbefangenen Rechnung nicht gegensätzlich zu seinem vorausgegangenen Stillschweigen, das keinen entgegenstehenden Erklärungswert hatte, verhalten.

75

(2) Gleiches gilt für den Umstand, dass das FA --wie mit der Revision vorgebracht wird-- einen von ihm geltend gemachten Vorsteuerabzug aus Rechnungen der GmbH über Mietzinsen anerkannt habe, die den Anforderungen in dessen Schreiben vom 1. April 2008 entsprochen hätten. Bei objektiver Beurteilung durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, das FA werde auch Vorsteuerbeträge aus weiteren, nachfolgenden Rechnungen anerkennen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.