Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2016:0802.8SA1454.15.00
bei uns veröffentlicht am02.08.2016

Tenor

1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.10.2015 - Az. 3 Ca 5022/15 - abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37.500,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2015 zu zahlen.

2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei


(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Aug. 2016 - 8 Sa 1454/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2013 - XII ZR 23/12

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 23/12 Verkündet am: 17. April 2013 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Versäumnisurteil, 13. Nov. 2014 - IX ZR 267/13

bei uns veröffentlicht am 13.11.2014

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2013 aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Nov. 2013 - 10 AZR 848/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2013

Tenor I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. April 2012 - 7 Sa 1232/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Okt. 2011 - 10 AZR 510/10

bei uns veröffentlicht am 12.10.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2010 - 10 Sa 1574/08 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit Vertrag vom 27. Oktober 2005 vermietete der Kläger dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, Räumlichkeiten zum Betrieb einer Kanzlei. Dem Vertrage nach richtete sich die Miete nach dem erzielten Umsatz. Der Beklagte hatte dem Kläger jeweils zum 15. eines Monats die Nettoumsätze des Vormonats nachzuweisen. In den folgenden Jahren kam es zu mehreren Nachtragsvereinbarungen. Der Beklagte war in den gemieteten Räumen als Rechtsanwalt tätig. Er vertrat den Kläger, dem weitere Immobilien gehören, in zahlreichen Mietstreitigkeiten. Wie die Berechnung und Bezahlung der Mieten einerseits, des anwaltlichen Honorars andererseits gehandhabt wurde, ist streitig.

2

Der Kläger hat zunächst im Wege der Stufenklage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft und Rechenschaft über die erzielten monatlichen Nettoumsätze seiner Kanzlei für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 zu erteilen, die Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern und die sich aus der Auskunft ergebenden Mieten zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Nutzungsentschädigung von 22.412,99 € zu zahlen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die bisherigen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

3

Da der Revisionsbeklagte trotz rechtzeitiger Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, musste auf Antrag des Revisionsklägers durch Versäumnisurteil entschieden werden. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81; vom 4. Juli 2013 - IX ZR 229/12, WM 2013, 1615 Rn. 6; insoweit in BGHZ 198, 77 nicht abgedruckt). Danach ist die Revision begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Vereinbarungen der Parteien seien gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 49b Abs. 1 BRAO nichtig. Der Beklagte habe den Kläger in vielen Mietstreitigkeiten vertreten, was einen Großteil seines Umsatzes ausgemacht habe, habe aber denjenigen Betrag, der 2.900 € übersteige, als Miete dem Kläger "rückvergüten" müssen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er damit im Ergebnis zu niedrige Gebühren in gerichtlichen Angelegenheiten erhalten habe. Der Hilfsantrag sei unzulässig. Es handele sich um eine Änderung des Streitgegenstandes, in welche der Beklagte nicht eingewilligt habe und welche der Senat nicht für sachdienlich halte.

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

1. Der Hilfsantrag war zulässig und hätte sachlich beschieden werden müssen, nachdem das Berufungsgericht den Hauptantrag für unbegründet erachtete. Der in der Berufungsbegründung erstmals gestellte Hilfsantrag führte nicht zu einer Klageänderung im Sinne von §§ 533, 263 ZPO.

7

a) Der Begriff der Klageänderung in § 533 ZPO entspricht demjenigen in §§ 263, 264 ZPO. Wird nachträglich, also nach Rechtshängigkeit der Klage, ein neuer prozessualer Anspruch unbedingt oder hilfsweise geltend gemacht, liegt in der Regel eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO vor.

8

b) Der Kläger hat den im Hauptantrag im Wege der Stufenklage geltend gemachten Anspruch auf Miete aus einem zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Mietvertrag in Verbindung mit der Überlassung der Mieträume hergeleitet, den Anspruch auf Nutzungsentschädigung hingegen aus § 812 BGB. Darin liegt jedoch noch keine Klageänderung. Mit der Klage wird nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch, der sich aus Klageantrag und Klagegrund - dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet - zusammensetzt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 52/10, WM 2013, 763 Rn. 17; vom 25. April 2013 - IX ZR 49/12, WM 2013, 1514 Rn. 13). Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Kläger, der eine vertragliche Vergütung fordert, sich nachträglich aber hilfsweise auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen (Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung) beruft, keine Klageänderung vornimmt (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - III ZR 287/01, NVwZ 2002, 1535, 1536).

9

c) Dass der Kläger als Hauptantrag bisher nur den Auskunftsanspruch gestellt hatte, führt ebenfalls nicht dazu, dass der Hilfsantrag als Klageänderung anzusehen wäre. Im Falle einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO werden sämtliche Ansprüche rechtshängig, auch der noch unbestimmte Zahlungsanspruch (BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 - XII ARZ 36/94, NJW-RR 1995, 513; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 254 Rn. 1; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 109/02, WM 2003, 1522, 1523). Der auf Zahlung gerichtete Hilfsantrag blieb also, was den Grund des Anspruchs im prozessualen Sinne angeht, im Rahmen der schon rechtshängigen Ansprüche, aus denen sich die Stufenklage zusammensetzte.

10

d) Der Zahlungsanspruch, der Teil der Stufenklage war, war allerdings noch nicht beziffert worden, während der Hilfsantrag auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet war. Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist es jedoch nicht als Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 162/83, NJW 1985, 1784; vom 12. Mai 1992 - VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296; ebenso Zöller/Greger, aaO § 264 Rn. 3b; § 256 Rn. 15c) fällt der Übergang von einem nicht bezifferten Feststellungsantrag zu einem bezifferten Zahlungsantrag unter § 264 Nr. 2 ZPO. Wird zunächst eine Stufenklage erhoben und der Auskunftsantrag gestellt, stellt der Kläger dann aber, ohne die Bescheidung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, sogleich den Zahlungsantrag, ist dieser Antrag ebenfalls nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Um eine Klageänderung handelt es sich nicht (BGH, Urteil vom 8. November 1978 - VIII ZR 199/77, NJW 1979, 925, 926; vom 21. Februar 1991 - III ZR 169/88, WM 1991, 1319; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 2000 - IV ZR 274/99, WM 2001, 273, 274 zum Übergehen der zweiten Stufe einer Stufenklage). Für einen neben einer Stufenklage hilfsweise geltend gemachten, auf dem nämlichen Klagegrund beruhenden Zahlungsanspruch kann nichts anderes gelten, auch dann nicht, wenn sich die Stufenklage noch im Stadium des Auskunftsanspruchs befindet und der Zahlungsanspruch deshalb noch nicht beziffert war.

11

2. Die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen hat, trägt gleichfalls nicht. Die Vereinbarungen, welche die Parteien hinsichtlich der vom Beklagten zu zahlenden Miete und des vom Kläger zu zahlenden Anwaltshonorars getroffen haben, sind nicht wegen Verstoßes gegen § 49b BRAO gemäß § 134 BGB nichtig.

12

a) Nach § 49b Abs. 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht. Gemäß § 4 Abs. 1 RVG kann in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden, die aber in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen muss. Für die anwaltliche Vertretung in gerichtlichen Verfahren gibt es keine entsprechende Bestimmung. Insoweit enthalten die Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zwingendes Recht.

13

b) Die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO nach sich zieht, ist damit allerdings noch nicht beantwortet. Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandant, die gegen die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG und die Voraussetzungen für den Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung nach § 4a Abs. 1 und 2 RVG verstößt, wirksam ist; aus ihr kann die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung gefordert werden (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - IX ZR 137/12, WM 2014, 1352, zVb in BGHZ). Auf einen Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO kann diese Rechtsprechung nicht ohne besondere Begründung übertragen werden. Die Vorschrift des § 4b RVG gilt jedenfalls ihrem Wortlaut nach nur für Vergütungsvereinbarungen, die den Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG nicht genügen oder ein Erfolgshonorar ohne Einhaltung der in § 4a Abs. 1 und 2 RVG gezogenen Grenzen zum Gegenstand haben.

14

c) Im Ergebnis kommt es auf diese Frage jedoch nicht an.

15

aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Parteien für die Tätigkeit des Beklagten überhaupt andere als die gesetzlichen Gebühren vereinbart haben. Der Beklagte hat den Kläger in verschiedenen Mietstreitigkeiten vertreten und konnte diese Tätigkeiten nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abrechnen. Das hat er auch getan. Seinem eigenen Vorbringen nach hat er Honorarrechnungen gestellt, die der Kläger dann bezahlte.

16

bb) Die "Rückvergütung", welche das Berufungsgericht für ausschlaggebend gehalten hat, betraf die Verwendung der vom Beklagten verdienten Gebühren, nicht deren Höhe. Die Gebühren in gesetzlicher Höhe, welche der Kläger dem Beklagten für dessen Tätigkeit schuldete, bildeten einen Teil des Umsatzes, auf dessen Grundlage die vom Beklagten zu zahlende Miete berechnet wurde. Zu welchem Zweck der Rechtsanwalt die von ihm verdienten Gebühren einsetzen darf, ist weder in der Bundesrechtsanwaltsordnung noch im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt. Der Rechtsanwalt unterliegt insoweit keinen auf seinen Berufsstand bezogenen Einschränkungen. Geht er Verträge ein, hat er diese grundsätzlich ebenso zu erfüllen wie jede andere geschäftsfähige Person. Er kann nicht die Erfüllung eines Vertrages mit der Begründung verweigern, dadurch werde im Ergebnis sein Gebührenaufkommen verkürzt. Das gilt auch dann, wenn der Vertragspartner ein Mandant von ihm ist. Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages sowie die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen und sonstigen Störungen des Vertragsverhältnisses richten sich nach allgemeinem Vertragsrecht, nicht nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Der Anwendungsbereich des § 49b Abs. 1 BRAO ist nicht berührt.

III.

17

Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere tragen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss auf eine Nichtigkeit des Mietvertrages nach § 138 BGB.

18

1. Zum Tatbestand des Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) gehört das Ausbeuten der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des anderen Teils. Der Beklagte hat den Vertrag geschlossen, kurz nachdem er das zweite juristische Staatsexamen abgelegt hatte. In dieser Lebensphase mag er Berufsanfänger und als Anwalt "unerfahren" gewesen sein. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass er den allgemeinen Anforderungen des Geschäftsverkehrs nicht gewachsen gewesen wäre. Auch die Voraussetzungen einer Zwangslage sind nicht erfüllt. Der Beklagte war arbeitsuchend; das allein reicht für § 138 Abs. 2 BGB jedoch nicht aus.

19

2. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen den Leistungen besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 - V ZR 249/12, WM 2014, 1440 Rn. 5). Ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein Missverhältnis herrscht, lässt sich erst dann beurteilen, wenn der Wert der beiderseitigen Leistungen feststeht, hier also die ortsübliche Miete für die Kanzleiräume einerseits, der im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages und im Zeitpunkt der Nachträge, die besonders zu beurteilen sein könnten, von den Parteien geschätzte oder vom Beklagten bereits erzielte Umsatz andererseits. Dabei ist auch das beiderseits übernommene Risiko - dasjenige des Klägers, wegen geringer Umsätze des Beklagten eine geringere als die ortsübliche Miete zu erhalten, dasjenige des Beklagten, bei hohen Umsätzen eine höhere als die ortsübliche Miete bezahlen zu müssen - zu berücksichtigen. Hierzu hat der für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 138 BGB darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1970 - III ZB 23/68, BGHZ 53, 369, 379; Urteil vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1429; vom 24. Januar 2014, aaO Rn. 10) bisher nicht oder nicht ausreichend vorgetragen.

IV.

20

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Rechtsbehelfsbelehrung

21

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Kayser                           Vill                           Lohmann

                  Fischer                        Pape

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 23/12 Verkündet am:
17. April 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 2, 27; ZPO § 254

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 2
EuGVVO ist auch für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegeben, mit der Auskunft
über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt in
noch zu beziffernder Höhe verlangt wird.

b) Ist zunächst eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt erhoben worden und
wird das Unterhaltsbegehren erst nachträglich im Wege der Stufenklage verfolgt,
so hat dies auf die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch
dann keinen Einfluss, wenn der Kläger bei Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht
mehr in Deutschland wohnt.
BGH, Urteil vom 17. April 2013 - XII ZR 23/12 - OLG Frankfurt am Main
AG Seligenstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über die Erteilung von Auskunft und die Zahlung von Trennungsunterhalt.
2
Die Klägerin besitzt die brasilianische sowie die deutsche Staatsangehörigkeit ; der Beklagte hat die brasilianische und die italienische Staatsangehörigkeit. Die Parteien hatten am 25. November 1997 geheiratet. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten sie in den Niederlanden. Im März 2004 trennten sie sich. Die Klägerin zog damals nach Brasilien. Sie hat behauptet, im November 2004 nach Deutschland gezogen zu sein und hier ihren Wohnsitz begründet zu haben. Spätestens seit Anfang des Jahres 2009 wohnt die Klägerin wieder in Brasilien.
3
Die Klage auf Trennungsunterhalt wurde am 15. August 2005 mit einem bezifferten Zahlungsantrag, mit dem Teilunterhalt begehrt wurde, eingereicht und dem Beklagten am 14. November 2005 an seinem damaligen Wohnort in den Niederlanden zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, hat die Klägerin die Klage umgestellt und im Wege der Stufenklage die Erteilung von Auskunft über das Einkommen des Beklagten nebst Belegen sowie Zahlung von Trennungsunterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt.
4
Bereits mit Antrag vom 10. Januar 2005 hatte der Beklagte vor einem Gericht in Rio de Janeiro ein "Unterhaltsangebotsverfahren" eingeleitet und beantragt , für seine Ehefrau gerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 Real festzusetzen. Mit Beschluss des brasilianischen Gerichts vom 17. Januar 2005 wurden die Alimente provisorisch in Höhe dieses Angebots festgesetzt. Im Hauptsacheverfahren wurde versucht, der Klägerin als dortiger Verfahrensgegnerin die Antragsschrift unter der dort genannten Anschrift in Rio de Janeiro zuzustellen. Die Zustellung gelang jedoch nicht. Die hiermit in Brasilien beauftragte Gerichtsvollzieherin teilte am 10. Februar 2005 mit, dass die Adressatin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft sei und sich seit ungefähr zwei Monaten in Deutschland aufhalten solle. Auch der Versuch einer erneuten Zustellung im April 2005 misslang. Daraufhin beantragte der Beklagte bei dem brasilianischen Gericht die öffentliche Zustellung. Nachdem weitere Ermittlungen des Gerichts zu keiner anderen ladungsfähigen Anschrift führten, ordnete dieses am 23. Juni 2005 die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an.
5
Das Amtsgericht hat dem Auskunftsbegehren durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Teilurteil abgeändert und den Auskunftsantrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist begründet.
7
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

8
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2012, 1506 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die internationale Zuständigkeit beurteile sich im vorliegenden Fall noch nach den Bestimmungen der EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EG-Verordnung 44/2001 - EuGVVO). Die Verordnung sei auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil der Beklagte bei Zustellung der Klage seinen Wohnsitz in den Niederlanden und damit in einem Mitgliedstaat gehabt habe. Für die ursprüngliche Klage auf Trennungsunterhalt habe die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestanden, da die Klägerin bei Erhebung der Klage ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt ha- be. Bereits aus zwei erfolglos geführten Scheidungsverfahren ergebe sich, dass sich die Klägerin seit November 2004 in Deutschland aufgehalten habe. Vor allem lasse sich aber dem vorgelegten Entlassungsbericht der M.-Kliniken vom 26. Juni 2008 entnehmen, dass die Klägerin hier bis Juni 2008 in stationärer Behandlung gewesen sei. In dem Bericht werde es als problematisch für den psychischen Zustand der Klägerin beschrieben, dass sie täglich von ihrem Wohnort zur Arbeit fahre, sich gleichzeitig mit der Wohnungssuche beschäftige und zudem mit einer Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber konfrontiert sei. Da die Klägerin ihren Wohnsitz bereits vor der Klageumstellung wieder nach Brasilien verlegt habe, gelte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aber nicht für den mit dem Teilurteil entschiedenen Streitgegenstand der Auskunfts - und Belegstufe. Zwar statuiere der Grundsatz der perpetuatio fori eine Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeit während des Prozesses bestanden hätten, im Entscheidungszeitraum aber nicht mehr vorlägen. Dieser Grundsatz, der auch der EuGVVO zugrunde liege, finde jedoch seine Grenze, wenn ein neuer Streitgegenstand rechtshängig gemacht werde. Diese Grenze gelte auch für die internationale Zuständigkeit. Der Wechsel von der Leistungs- zur Stufenklage sei eine nachträgliche Anspruchshäufung, die von der Rechtsprechung wie eine Klageänderung behandelt werde. Ob zwischen dem ursprünglich bezifferten Leistungsantrag und dem nunmehr unbeziffert geltend gemachten Leistungsantrag Identität bestehe, könne offenbleiben, da der Leistungsantrag in der Berufung nicht angefallen sei. Jedenfalls bestehe keine Identität hinsichtlich der bezifferten Trennungsunterhaltsklage und den Auskunfts- und Beleganträgen. Durch den Übergang zur Stufenklage sei insoweit ein neuer Streitgegenstand hinzugekommen. Bei Eintritt der Rechtshängigkeit dieses Streitgegenstandes hätten die Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht mehr vorgelegen und seien seitdem auch nicht eingetreten. Die Klägerin habe zur Zeit der Zustellung des Schriftsatzes, dem 24. September 2009, nicht mehr in Deutschland gelebt. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht begründet. Da die Klage bezüglich der Auskunfts- und Beleganträge schon mangels internationaler Zuständigkeit abzuweisen sei, könne offenbleiben, ob in dem brasilianischen Unterhaltsangebotsverfahren ein Prozesshindernis für den vorliegenden Rechtsstreit zu sehen sei.

II.

10
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
11
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang. Danach ist das für die Wertbemessung maßgebliche Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, in der Regel nach dem Aufwand zu bemessen, der mit der Erteilung der Auskunft verbunden ist (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 128/09 - FamRZ 2010, 964 Rn. 10 und vom 22. April 2009 - XII ZB 49/07 - FamRZ 2009, 1211 Rn. 9 jeweils mwN). Insofern begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht werterhöhend die Notwendigkeit berücksichtigt hat, die beizubringenden ausländischen Belege übersetzen zu lassen, wodurch zusätzliche Kosten anfallen.
12
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die zunächst erhobene Leistungsklage auf Trennungsunterhalt bejaht.
13
a) Diese richtet sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76, 66 EuGVVO) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden als Mitgliedstaaten eröffnet ist. Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl. EG 2009 L 7, S. 1 - EuUnthVO) ist hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen nicht anzuwenden, da das Verfahren nicht vor dem Datum der Anwendbarkeit, dem 18. Juni 2011 (Art. 76 Satz 3 EuUnthVO) eingeleitet worden ist (Art. 75 EuUnthVO).
14
b) Nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (vgl. jetzt: Art. 3 Buchst. b EuUnthVO) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in Unterhaltssachen unter anderem vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 59 Abs. 1 EuGVVO richtet sich die Entscheidung, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, nach nationalem Recht. Maßgeblich ist deshalb nach § 7 Abs. 1 BGB, ob die Klägerin sich im Bereich des angerufenen Amtsgerichts ständig niedergelassen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet hatte. Das hat das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Umstände rechtsfehlerfrei bejaht.
Es konnte aus den beiden vor dem Amtsgericht eingeleiteten Scheidungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Klägerin längerfristig in den M.-Kliniken behandelt worden war, in Verbindung mit den in dem Entlassungsbericht geschilderten weiteren Umständen zu der Beurteilung gelangen, dass sich die Klägerin hier dauerhaft niedergelassen hatte.
15
Soweit die Revisionserwiderung diese Feststellungen für unzureichend hält, vermag sie damit nicht durchzudringen. Das in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz, die Klägerin habe nicht in Deutschland gelebt, steht im Widerspruch zu dessen früherem Vortrag. So hat der Beklagte etwa in dem wegen des Trennungsunterhalts eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren im November 2005 ausgeführt, die Klägerin habe ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt und vermutlich mit den ihr nicht bekömmlichen Klimaverhältnissen ihre behauptete krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt. Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihm in einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Deutschland berichtet ; Zweifel hieran wurden nicht aufgezeigt. Im Übrigen hat der Beklagte noch im Februar 2009 in dem in Brasilien anhängigen Verfahren zur Begründung seines Begehrens auf Herabsetzung des dort festgesetzten Unterhalts darauf hingewiesen, dass die Klägerin darauf bestehe, in Deutschland zu leben, anstatt sich bei ihrer wirtschaftlich gut situierten Familie in Brasilien aufzuhalten. Auch diese Umstände durfte das Berufungsgericht in seine Beurteilung einbeziehen.
16
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für die von der Klägerin erhobene Stufenklage.
17
a) Der Begriff "Unterhaltssache" in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen. Erfasst werden alle Verfahren, deren Gegenstand ein Unterhaltsanspruch ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Unterhalt an, so dass auch mehrere Rechtsbegriffe aus derselben Rechtsordnung unter den Begriff fallen können. Unerheblich ist grundsätzlich ferner, ob eine Leistung periodisch oder durch einen Pauschalbetrag erbracht werden soll (Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 164, 172; Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 5 EuGVO Rn. 56; Rauscher/Leible Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 62; Schlosser-Bericht Abl. 1979 C 59/71 Rn. 91, 93). In Betracht kommt auch die Übertragung von Gegenständen des einen (ehemaligen) Ehegatten auf den anderen in (teilweiser) Erfüllung der nachehelichen Unterhaltspflicht (EuGH Slg. 1997 I 1147 - van den Boogard/Laumen zum EuGVÜ; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 172). Dementsprechend geht der Europäische Gerichtshof von einem weiten Unterhaltsbegriff aus, von dem auch die im französischen Recht vorgesehenen Ausgleichsleistungen, die nach Art. 270 ff. Code Civile den Charakter einer pauschalen Abgeltung haben, umfasst werden (EuGH IPRax 1981, 19, 20 - De Cavel; vgl. Senatsbeschluss vom 12. August 2009 - XII ZB 12/05 - FamRZ 2009, 1659 Rn. 15 ff.).
18
b) Im Hinblick auf dieses weite Verständnis des Begriffs der Unterhaltssache müssen auch die der Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Unterhalt dienenden Hilfsansprüche auf Auskunft und Versicherung der Richtigkeit zu den Unterhaltssachen im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO gerechnet werden. Eine andere Auslegung verstieße gegen die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis, die, wie der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat, bereits Ziele des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) waren (EuGH IPRax 2006, 161, 163 und Slg. 1997 I 3767 Rn. 26 - Benincasa).
Denn mit der Geltendmachung der Ansprüche auf Auskunft und Unterhalt in einem einzigen Rechtsstreit werden aus prozessökonomischen Gründen aufeinanderfolgende Doppelprozesse über dasselbe Lebensverhältnis verhindert und der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt, seinen Anspruch zu konkretisieren (Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 254 Rn. 1; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 254 Rn. 1). Eine Stufenklage, bei der gemäß § 254 ZPO mit der Klage auf Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit ein zunächst unbeziffertes Zahlungsbegehren verbunden wird, muss deshalb ebenfalls der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO unterfallen.
19
c) Die Klägerin hatte allerdings zunächst eine Leistungsklage erhoben und den begehrten Unterhalt als Teilunterhalt bezeichnet, weil sie sich zu einer endgültigen Bezifferung nicht in der Lage sah. Als sie mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, ihren Antrag umgestellt und Auskunft über das Einkommen des Beklagten sowie Unterhaltszahlung in noch zu beziffernder Höhe verlangt hatte, hatte sie in Deutschland keinen Wohnsitz mehr. Durch den Umzug der Klägerin nach Brasilien ist indessen die hier begründete internationale Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen.
20
aa) Der im deutschen Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits wegfallen (perpetuatio fori, BGH Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - NJW 2001, 2477, 2478 mwN), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar (BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 23 mwN). Er ist auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO anzuwenden.
21
bb) Von der Geltung dieses Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für gemeinschaftsrechtliche Gerichtsstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls - das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates - verfehlt würden (EuGH IPRax 2006, 161 Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und IPRax 2006, 149 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; Senatsbeschlüsse BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 16 zu Art. 4, 7 HUVÜ 73 und BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 9 zu Art. 8 EuGVVO). In solchen Fällen muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bleiben, wenn die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient (EuGH Slg. 2006 I-701 Rn. 24 ff.; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 24).
22
cc) Diese Erwägungen lassen sich auf die nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO bestehende internationale Zuständigkeit übertragen. Nach dieser Bestimmung kann der Unterhaltsberechtigte als Kläger die Klage an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz des Unterhaltsgläubigers dient; ihm soll die Rechtsverfolgung erleichtert und er soll nicht genötigt werden, seine Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist (Kropholler/von Hein aaO Art. 5 EuGVO Rn. 54; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 157). Dieser Schutzzweck würde zunichte gemacht, wenn von dem Unterhaltsgläubiger verlangt würde, nach einem Umzug in einen anderen Staat vor einem anderen Gericht erneut gegen den Schuldner vorzugehen. Das wäre auch uneffizient, weil es zu einer Häufung der Gerichtsstände und regelmäßig zu einer Verlängerung des Verfahrens führen würde.
23
dd) Der Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze zwar im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung , ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen (BGH Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - NJW 2001, 2477, 2478; Stein/Jonas/Schumann aaO § 261 Rn. 83; Zöller/Greger aaO § 261 Rn. 12). Eine solche Klageänderung liegt hier aber nicht vor.
24
(1) Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO stellt der auf Antrag des Klägers zulässige Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, sondern eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO (BGH Urteil vom 21. Februar 1991 - III ZR 169/88 - NJW 1991, 1893; Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Ebenso wird das Übergehen einer zunächst angekündigten zweiten Stufe beurteilt (BGH Urteil vom 15. November 2000 - IV ZR 274/99 - NJW 2001, 833). Auch eine Rückkehr in die erste Stufe wird nach § 264 Nr. 2 ZPO für zulässig gehalten (Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Das soll auch für den hier vorliegenden Fall des erstmaligen Übergangs von der Leistungsklage zur Stufenklage gelten (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 15. November 2005 - 5 Sa 4/05 - juris Rn. 42; Hk-ZPO/Saenger 5. Aufl. § 254 Rn. 12).
25
(2) Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Da es um die Frage der internationalen Zuständigkeit geht, ist für die Beurteilung, ob eine Klageänderung, also eine Änderung des Streitgegenstandes, vorliegt, nicht, wie die Revision zu Recht geltend macht, das nationale Prozessrecht heranzuziehen, sondern es ist eine gemeinschaftsrechtlich autonome Interpretation der insoweit maßgeblichen Bestimmungen vorzunehmen.
26
Art. 27 EuGVVO regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit. Nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht , wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Ob derselbe Anspruch betroffen ist, muss aber auch dann beurteilt werden, wenn ein Begehren in einem bereits anhängigen Verfahren noch nachträglich geltend gemacht werden soll. Falls es sich um denselben Anspruch handelt, wäre ein von der anderen Partei über den betreffenden Anspruch eingeleitetes späteres Verfahren auszusetzen. Insofern können aus Gründen der Rechtssicherheit für die Prüfung der Identität der Streitgegenstände keine unterschiedlichen Kriterien gelten. Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht das Verständnis des Begriffs desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 EuGVVO heranzuziehen.
27
(3) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 38 ff. - Tatry). Es genügt , wenn die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an (EuGHE 1987, 4861 Rn. 6 - Gubisch Maschinenfabrik

).

28
Nach diesen Maßstäben hat der Europäische Gerichtshof das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksamkeit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist (EuGHE 1987, 4861 Rn. 16). Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 43 - Tatry; vgl. auch Geimer/Schütze aaO Art. 2 EuGVVO; Kropholler/von Hein aaO Art. 27 EuGVO Rn. 6 ff.; Rauscher/Leible aaO Art. 27 Brüssel I-VO Rn. 8 f.; Stein/Jonas/Wagner aaO Art. 27 EuGVVO Rn. 22 ff.). Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 43 - Tatry).
29
(4) Unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Leistungsklage auf Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben. Beide beruhen auf demselben Lebenssachverhalt, nämlich der Trennung der Parteien und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, und dienen demselben Zweck, der Durchsetzung der Unterhaltspflicht. Die Anspruchsgrundlagen für die Begehren sind nach dem bis zum Aufenthaltswechsel der Klägerin anwendbaren materiellen deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973, siehe auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) zwar unterschiedlich , nämlich § 1361 Abs. 1 BGB für den Trennungsunterhalt und § 1361 Abs. 4 BGB iVm § 1605 BGB für das Auskunftsbegehren. Auskunft kann der Unterhaltsberechtigte aber nur verlangen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Anspruchsgrundlagen. Im Kernpunkt betreffen deshalb sowohl die Leistungsklage als auch die Stufenklage den Unterhaltsanspruch, so dass es sich um denselben Anspruch handelt. Die Unterschiedlichkeit der Klageanträge ist nicht von Bedeutung.
30
Da der Übergang von der Leistungsklage zur Stufenklage hier somit keine Klageänderung darstellt, war das Amtsgericht für die Stufenklage nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO weiterhin international zuständig. Die Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass nur das dem Auskunftsantrag stattgebende Teilurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Das Berufungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen können, wenn es zu dem Ergebnis gelangt wäre , dass sich der Auskunftsanspruch aus Erwägungen als unbegründet erweist, die auch dem Zahlungsanspruch die Grundlage entziehen (vgl. BGHZ 94, 268 = NJW 1985, 2405, 2407).
31
4. Die vorgenommene Auslegung erfordert keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung. Die Frage der Geltung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat der Europäische Gerichtshof bereits grundsätzlich beantwortet (EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 13 f., 21); der dort vertretenen Auffassung folgt der Senat. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO richtige Auslegung ist aus den aufgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 30 und BGH Urteil vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09 - WM 2010, 647 Rn. 35). Die Frage nach dem Vorliegen einer den Grundsatz der perpetuatio fori einschränkenden Klageänderung ist auf der Grundlage der erfolgten Auslegung sowie unter Heranziehung von Art. 27 EuGVVO ebenfalls zweifelsfrei zu beantworten.

III.

32
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sie mangels Sachprü- fung durch das Berufungsgericht nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

IV.

33
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
34
Vorrangig wird der Frage nachzugehen sein, ob durch das von dem Beklagten in Brasilien beantragte Unterhaltsangebotsverfahren eine anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache begründet worden ist (vgl. Art. 27 EuGVVO). Diese bestimmt sich nach der lex fori, also nach brasilianischem Recht, und steht der Rechtshängigkeit bei einem deutschen Gericht nur gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird (BGH Urteil vom 10. Oktober 1985 - I ZR 1/83 - NJW 1986, 2195; Stein/Jonas/Roth aaO § 261 Rn. 53; Hk-Saenger aaO § 261 Rn. 4; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 261 Rn. 2).
35
Für diese Beurteilung dürfte nicht nach Art. 30 Nr. 1 EuGVVO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags vom 10. Januar 2005 bei dem brasilianischen Gericht abzustellen sein. Art. 30 Abs. 1 EuGVVO, der diesen Zeitpunkt für maßgeblich erklärt, dürfte nur heranzuziehen sein, wenn es um die Beurteilung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten geht (vgl. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO). Nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des MaxPlanck -Instituts vom 5. Juli 2010 ist nach brasilianischem Recht (Art. 213, 219 CPC) für den Eintritt der Rechtshängigkeit die Zustellung der Klage an den Beklagten erforderlich. Danach dürfte es darauf ankommen, ob eine an die (hiesige ) Klägerin erfolgte öffentliche Zustellung in Brasilien wirksam ist oder ob der Wirksamkeit, wie das Amtsgericht angenommen hat, die positive Kenntnis des Beklagten von dem Aufenthalt der Klägerin in Deutschland entgegensteht.
36
Für die Frage, ob die Streitgegenstände einer Leistungs- oder Stufenklage und das in Brasilien eingeleitete Verfahren identisch sind, dürfte der hierzu zum brasilianischen Recht vertretenen Auffassung Bedeutung zukommen. In dem Gutachten des Max-Planck-Instituts wird unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen brasilianischer Gerichte ausgeführt, die wohl herrschende Meinung lehne eine Identität zwischen einem Unterhaltsangebotsverfahren und einer Unterhaltsklage ab. Das von dem Beklagten vorgelegte Privatgutachten gelangt zu einem anderen Ergebnis. Danach betreffen die zitierten Entscheidungen Fallgestaltungen, die mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar seien. Auch dieser Frage dürfte erforderlichenfalls nachzugehen sein.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Seligenstadt, Entscheidung vom 18.10.2010 - 2 F 450/05 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.02.2012 - 1 UF 365/10 -

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2010 - 10 Sa 1574/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Zahlung eines Incentive Compensation Plan Bonus (im Folgenden: ICP-Bonus) aus Gleichbehandlungsgründen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Dienstleistungsunternehmen für die Erdöl- und Erdgasindustrie, vom 15. September 1995 bis zum 31. Juli 2009 beschäftigt und zuletzt als sog. „Tool Specialist Technician/Field-Service-Techniker“ am Standort C tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 13. September 1995 regelt ua.:

        

„4    

        

Tätigkeitsvergütung

        

(1) Nach der Probezeit erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Gehalt von DM ... 6.250,00 ... brutto.

        

…       

        
        

(4) Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer eine Weihnachtsgratifikation in Höhe des am 1. November gezahlten, gültigen Grundgehalts zahlbar mit den Bezügen für den Monat November. Im Einstellungsjahr erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat Dienst ein Zwölftel der Weihnachtsgratifikation. Ebenfalls erhält der Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld von 1.425,00 DM, das mit den Bezügen für den Monat Juni zur Auszahlung kommt. Im Einstellungsjahr erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat Dienst ein Zwölftel der Urlaubsgratifikation. Die Zahlungen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes erfordern eine Betriebszugehörigkeit von mindestens einem halben Jahr.

        

…       

        
        

(5) Die vorgenannten Sonderleistungen sind vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig und begründen bei Zahlungen über den festgelegten Mindestbetrag keinen Rechtsanspruch für folgende Jahre. Die zusätzlichen Zahlungen von Gratifikationen, Tantiemen, Prämien und sonstigen Leistungen liegen im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründen keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.

        

(6) Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer ‚Job bonus’ für Feldarbeitstage, die auf Job Ticket und Kundenrechnung stehen. ‚Service Bonus’ wird bezahlt für vom Kunden bezahlte ‚Job-Tage’ im Feld, wenn der Arbeitnehmer als Aufsichtsperson tätig ist, das heißt für den ‚Baker’ job zuständig und verantwortlich ist.

        

(7) ‚Service Bonus’ wird nicht bezahlt für ‚Job Training’ am Einsatzort.“

3

Der Kläger wurde hauptsächlich auf Ölfeldern eingesetzt. An ca. 30 Tagen im Jahr arbeitete er in der Betriebswerkstatt. Er erhielt zuletzt eine Grundvergütung von 48.575,00 Euro brutto pro Jahr zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Jahr 2007 erzielte er eine Gesamtvergütung von 103.592,64 Euro brutto, in der der sog. Feldbonus in Höhe von 46.200,00 Euro brutto für 154 Feldeinsätze enthalten war. Den Feldbonus in Höhe von 300,00 Euro brutto gewährte die Beklagte dem Kläger für jeden Einsatztag im Ölfeld.

4

Am Standort C sind insgesamt 57 Mitarbeiter beschäftigt, davon 15 im sog. „Field Service“ und mindestens 15 in der Werkstatt. Die Werkstattmitarbeiter und die Anwendungsingenieure werden nur gelegentlich auf Ölfeldern eingesetzt.

5

Bis zum Jahr 2004 erhielten alle Arbeitnehmer des Betriebs einen sog. „Special Performance Bonus“ (im Folgenden: SPA-Bonus), dessen Höhe allein vom Unternehmensergebnis und nicht von individuellen Leistungen der Mitarbeiter abhing. Diesen Bonus ersetzte die Beklagte im Jahr 2005 durch den ICP-Bonus. Am 4. Juli 2005 ließ sie die Mitarbeiter wissen:

        

„Lieber Kollege,

        

wie Ihnen bekannt sein muss, gibt es den SPA, den Bonus für Sonderleistungen, nicht mehr, dieser wird ersetzt durch den ICP, den Plan, 2005 eine zusätzliche Zahlung als Anreiz zu gewähren.

        

Die hauptsächlichen Unterschiede sind:

        

- Der SPA war eine einmalige Leistung, während der ICP ein Prozentteil ihres Grundgehalts ist.

        

- Die Zentrale von B hat entschieden, dass die Arbeiter auf dem Feld, welche tägliche Boni als Teil ihrer normalen Vergütung erhalten, nicht für ICP infrage kommen.

        

- Für Angestellte der höheren Zahlungsgruppen werden neunzig (90) Prozent ihrer ICP-Boni nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, Gebietes, der Abteilung oder anderer Kriterien der Leistungen des Teilnehmers berechnet. Die restlichen zehn (10) Prozent der Auszahlung, die Leistung und Basiswerte (PCV) genannt werden, werden so vergütet, wie der Manager die Leistung des Angestellten beurteilt.

        

- In Ihrem persönlichen ICP-Brief finden Sie den Prozentsatz ihrer EV und ob der PVC sich auf Sie bezieht.

        

...     

        

Die Auszahlung des ICP wird bestimmt, indem die folgenden Leistungsmerkmale erreicht werden:

        

1. BBPV (Gewichtung 90 %): 50 % B WW BVA / 50 % B WW PBT

        

(BVA = B-Mehrwert, ...; PBT (Profit vor Steuern))

        

2. WWT (Gewichtung 10 %): 100 % B WW Inventar- Umsatz

        

...     

        

Lassen Sie uns zusammenarbeiten beim Erreichen des Ziels, welches für Kontinental-Europa gesetzt ist. ...

        

...     

        

V“    

6

Ein Anhang „zur Police für 2005“ hat folgenden Inhalt:

        

„Leistung und Basis-Werte (PCV)

        

Für die Angestellten der Einstufungen 8 bis 19 bei der Firma B werden neunzig Prozent (90 %) ihrer Boni berechnet nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungs-Merkmalen des Teilnehmers. Die verbleibenden zehn Prozent (10 %) der Auszahlung, welche Leistung und Basis-Werte (PCV) genannt werden, werden gezahlt basierend auf der Einschätzung der Leistungen des Angestellten durch den Manager. Die Leistung wird gemessen an der Fertigstellung des PDP, des Leistungs-Entwicklungs-Plans des Angestellten oder anderer Leistungs-Kriterien, die die Abteilung hat, ebenso wie Leistung gegenüber den BHI-Basiswerten und Schlüsseln zum Erfolg.

        

Für die Angestellten von B in allen anderen Einstufungen basieren 100 % ihrer Boni auf den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungs-Merkmalen des Teilnehmers.

        

Angestellte, die unter den amerikanischen Plan des Anreizes (OIP) fallen sowie Aufseher (Arbeiter auf dem Feld, die tägliche Boni als einen Teil ihrer normalen Kompensation erhalten), kommen nicht für ICP infrage.“

7

Der Kläger erhielt als Field-Service-Mitarbeiter keinen ICP-Bonus. Hiergegen hat er sich mit der beim Arbeitsgericht am 7. März 2008 eingegangenen Stufenklage gewandt, mit der er Auskunft über die Berechnungsgrundlagen des ICP-Bonus sowie die Auszahlung möglicher Bonusansprüche geltend gemacht hat. Er hat die Auffassung vertreten, seine Herausnahme aus dem ICP-Bonussystem verletze den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der ICP-Bonus sei - jedenfalls für seine Vergütungsgruppe - lediglich vom Unternehmenserfolg abhängig. Er gewähre eine Teilhabe der Mitarbeiter an dem von ihnen erarbeiteten Erfolg und diene der Mitarbeitermotivation. Zum Unternehmenserfolg habe er mit seiner Tätigkeit wesentlich beigetragen. Mit dem leistungsabhängigen Feldbonus, der nur für tatsächlich geleistete Einsätze gezahlt werde und ausschließlich den persönlichen Einsatz des Mitarbeiters belohnen solle, erhalte er keinen, nur vom Unternehmenserfolg abhängigen Bonus. Seine höhere Vergütung, die im Übrigen seine gefahrträchtigere und höherwertige Tätigkeit kompensiere, rechtfertige einen Ausschluss vom ICP-Bonus nicht. Auch die Anwendungsingenieure der Abteilung „Big Fishing“, die vergleichbare Arbeit wie er leisteten, erhielten alle Vergütungsbestandteile einschließlich des ICP-Bonus und des Feldbonus.

8

Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2011 erklärt hat, der ICP-Bonus würde bei Anwendung auf die Field-Service-Mitarbeiter für das Jahr 2005 fünf Prozent des Jahresgrundgehalts (bei 100%iger Erfüllung der gewöhnlichen Ziele) betragen, hat der Kläger seinen ursprünglichen Auskunftsantrag für erledigt erklärt und - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen nach Erteilung der Auskunft näher zu beziffernden Incentive Compensation Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, der Kläger gehöre nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten des freiwillig geleisteten ICP-Bonus. Dieser ICP-Bonus sei eingeführt worden, um die freiwilligen Entgeltbestandteile neu zu strukturieren und ein durchgehendes System von unterschiedlichen ergebnis- und leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen zu schaffen. Die Planteilnehmer sollten mit ihrer individuellen Ergebnisbeteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben. Da die Field-Service-Mitarbeiter mit den Werkstattmitarbeitern und den Anwendungsingenieuren nicht vergleichbar seien, werde auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Es bestünden hinreichende sachliche Differenzierungsgründe. Die Werkstattmitarbeiter würden im Wesentlichen die Geräte in der Werkstatt reparieren und warten. Die Anwendungsingenieure hätten sich mit komplexen technischen und kaufmännischen Planungsaufgaben eines Projekts zu befassen. Zu Feldeinsätzen seien beide Gruppen arbeitsvertraglich nicht verpflichtet; sie würden lediglich bei Engpässen (Not- und Ausnahmefälle) ausnahmsweise auf freiwilliger Basis dort eingesetzt. Auch verfolgten ICP- und Feld-Bonus den gleichen Zweck, einen vom Unternehmenserfolg abhängigen Vergütungsbestandteil zu gewähren. Mit dem Feldbonus erhielten die Field-Service-Mitarbeiter bereits eine entsprechende Zusatzleistung. Bei einer Gewährung beider Boni würde der Kläger ungerechtfertigt besserstehen als die anderen Arbeitnehmer, die im Übrigen nur den deutlich geringeren ICP-Bonus (im Jahr 2005 in Höhe von durchschnittlich 2.000,00 Euro) bekämen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert und die Beklagte zur Auskunft über die Einstufungen (grades) in den ICP-Bonus sämtlicher bei ihr angestellter Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Nachdem die Beklagte über die Rahmendaten und den Prozentsatz des ICP-Bonus Auskunft gegeben und der Kläger seinen Auskunftsanspruch für erledigt erklärt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht muss nunmehr über den Zahlungsanspruch und darüber entscheiden, ob sich der Auskunftsanspruch erledigt hat oder von vornherein unbegründet war.

12

I. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Auskunftsanspruch begründet war und ob dem Kläger der Anspruch auf Zahlung des ICP-Bonus für das Kalenderjahr 2005 in einer von ihm noch zu beziffernden Höhe gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz zusteht.

13

1. Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine vertraglich nicht vereinbarte Leistung freiwillig gewährt. Bei einer solchen Gewährung ist er aber an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden, wenn er die freiwillige Leistung nach von ihm selbst gesetzten allgemeinen Regelungen gewährt. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Zwar gilt im Bereich der Vergütung der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund genereller Regelungen für bestimmte Zwecke gewährt. Zahlt er aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er entsprechend dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die anderen Arbeitnehmern gewährten Leistungen vorzuenthalten.

14

Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Dementsprechend ist zunächst der Zweck der Leistung zu ermitteln und zu beurteilen, ob der von ihr ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht (BAG 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13; 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 - Rn. 15, BAGE 128, 342). Steht eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzleistung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offenzulegen und substanziiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne Weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer(gruppe) behandelt zu werden (st. Rspr., vgl. BAG 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284; 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 - Rn. 17, aaO; 30. Juli 2008 - 10 AZR 497/07 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 17; 26. September 2007 - 10 AZR 569/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 205 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 13; 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 19, BAGE 122, 1; 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 2 c aa der Gründe, BAGE 113, 55).

15

2. Danach kann eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bisher weder bejaht noch verneint werden.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet ist. Die Beklagte hat den ICP-Bonus nicht als eine individuelle Leistung an einzelne Mitarbeiter, sondern nach einem allgemeinen System an eine Gruppe von Arbeitnehmern gezahlt.

17

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher über den Zahlungsanspruch nicht entschieden. Es hat im Rahmen der Entscheidung über den Auskunftsanspruch ausgeführt, eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Klägers mit der Folge eines Zahlungsanspruchs erscheine möglich. Der Anspruch auf einen ICP-Bonus ist aber nur begründet, wenn eine sachwidrige Ungleichbehandlung feststeht. Hierfür kommt es darauf an, ob der ICP-Bonus lediglich eine vom Unternehmenserfolg abhängige Zusatzleistung darstellt oder ob mit ihm weitere Zwecke verfolgt werden.

18

aa) Die Beklagte hat den ICP-Bonus - zunächst für bestimmte „grades“ (Einstufung 1 bis 7) - als eine Leistung ausgestaltet, die auf den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungsmerkmalen beruht. Der ICP-Bonus stellt damit die Teilhabe am Unternehmenserfolg als Zweck der Leistung in den Vordergrund.

19

bb) Dies gilt auch bei den anderen „grades“ (Einstufung 8 bis 19). Nur 90 % des ICP-Bonus sind von finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen abhängig. Lediglich die restlichen 10 % stehen mit den individuellen Leistungen des Mitarbeiters im Zusammenhang.

20

cc) Ob die Beklagte mit dem ICP-Bonus noch weitere Zwecke verfolgt, steht aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht fest. Zum einen enthält der ICP-Bonus bei einigen „grades“ noch eine individuelle Leistungskomponente. Zum anderen kann der Arbeitgeber ein Vergütungssystem mit unterschiedlichen Komponenten und Faktoren einführen. So kann er beispielsweise Arbeitnehmern im Innendienst eine höhere Grundvergütung zahlen als Mitarbeitern im Außendienst. Er kann die verschiedenartigen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Tätigkeit eines Field-Service-Technikers und die eines Werkstattmitarbeiters oder eines Anwendungsingenieurs, auch unterschiedlich vergüten, indem er ihnen nicht nur abweichende Grundvergütungen, sondern auch verschiedene, unterschiedlich hohe und an die Tätigkeit oder den Marktwert der Arbeitsleistung anknüpfende Zuschläge und Boni zahlt. So gewährt die Beklagte den Field-Service-Mitarbeitern, ohne dass dagegen rechtliche Bedenken bestünden, bei einem entsprechenden Einsatz den Feldbonus. Einem Arbeitgeber ist es darüber hinaus möglich, zur Schaffung einer ausgewogenen Vergütungsstruktur im Betrieb Arbeitnehmergruppen unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Leistungen - abhängig von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - zu gewähren, um bestehende erhebliche Vergütungsunterschiede (siehe bspw. BAG 23. Februar 2011 - 5 AZR 84/10 - Rn. 19, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 24) oder andere finanzielle Nachteile, die zwischen den verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern bestehen, abzumildern oder auszugleichen (vgl. bspw. BAG 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BAGE 122, 1).

21

II. Das Landesarbeitsgericht muss demnach aufklären, ob für die verschiedenen Arbeitnehmergruppen eine unterschiedliche Vergütungsstruktur in dem bezeichneten Sinne besteht und aus welchen Vergütungsbestandteilen sich die Vergütung ggf. zusammensetzt. Sofern aufgrund einer andersartigen Tätigkeit der Field-Service-Mitarbeiter eine unterschiedliche Vergütungsstruktur gerechtfertigt ist, dürfen diese Arbeitnehmer von der Zahlung des ICP-Bonus ausgenommen werden. Mit einer durch Besonderheiten charakterisierten und deshalb eigenständig zu bewertenden Tätigkeit können nicht nur unterschiedliche Grundvergütungen, sondern auch unterschiedliche Zusatzzahlungen verbunden sein. Auch diese Wertung ist noch vom Landesarbeitsgericht nach Feststellung der hierfür maßgeblichen Tatsachen vorzunehmen.

22

Darüber hinaus kann es darauf ankommen, ob dem ICP-Bonus neben der Teilhabe am Unternehmenserfolg weitere Zwecke beizulegen sind. In diesem Zusammenhang ist erheblich, welche Arbeitnehmer in der Werkstatt und bei den Anwendungsingenieuren welche Grundvergütungen erhalten und ob und welche Vergütungsdifferenzen insoweit gegenüber der Grundvergütung der Field-Service-Mitarbeiter bestehen. Sollten sich schon bei der Basisvergütung erhebliche Differenzen zwischen den Arbeitnehmergruppen ergeben, kann dies dafür sprechen, dem ICP-Bonus auch eine entsprechende Kompensationsfunktion beizulegen, was ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Gruppenbildung sein kann.

23

Bei dem Vergütungsvergleich ist allerdings der Feldbonus außer Betracht zu lassen. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Vergütung für eine tatsächliche, unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung. Entgegen der Ansicht der Revision ist er keine vom Unternehmenserfolg abhängige Zusatzleistung, sondern eine zusätzliche „Prämie“ für jeden konkreten Einsatztag. Die Field-Service-Mitarbeiter erhalten für ihre konkrete - auch gefährlichere - Tätigkeit und ihren täglichen Einsatz eine Einsatzprämie oder Erschwerniszulage. Eine sachgerechte Differenzierung kann demgemäß nicht bei einer Gruppenbildung ansetzen, die zwischen Mitarbeitern mit Feldbonus und Mitarbeitern ohne Feldbonus unterscheidet. Dies gilt um so mehr, als auch die anderen Mitarbeiter, wenn sie entsprechende Feldeinsätze leisten, den Feldbonus erhalten.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Stefan Fluri    

        

    Rigo Züfle    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. April 2012 - 7 Sa 1232/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2011 - 2 Ca 7935/10 - hinsichtlich des Antrags zu 1. zurückgewiesen hat.

II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2011 - 2 Ca 7935/11 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.299,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz hat die Beklagte jeweils zu 2/5 und der Kläger jeweils zu 3/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2010.

2

Der Kläger war nach seiner bei der Beklagten absolvierten Berufsausbildung ab Januar 2006 als Controller auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags von Dezember 2005 beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag enthielt unter § 3(Bezüge) ua. folgende Regelung:

„2. Die Zahlung von Gratifikationen und sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Verlages und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Zahlung durch gültigen Tarifvertrag geregelt ist.“

4

Gemäß § 11 des Arbeitsvertrags fanden die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Hessen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Hessen vom 4. Juli 1997 (MTV) ist ausweislich des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichten Verzeichnisses der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (Stand 1. Oktober 2013) ab dem 1. Januar 1997 allgemeinverbindlich mit einer hier nicht interessierenden Einschränkung.

5

Im MTV findet sich unter § 14(Sonderzahlungen) folgende Regelung:

        

„1.     

Arbeitnehmer und Auszubildende, die am 1.12. eines Kalenderjahres dem Betrieb/Unternehmen/Konzern ununterbrochen mindestens 12 Monate angehören, haben kalenderjährlich einen Anspruch auf eine Sonderzahlung in folgender Höhe:

                 

1997   

1998   

1999   

2000   

                 

1115,-

1130,-

1145,-

1160,- [DM]

                 

…       

                          
        

3.    

Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund grob treuwidrigen Verhaltens oder Vertragsbruches des Arbeitnehmers beendet, so entfällt der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung. Gegebenenfalls für das laufende Kalenderjahr gewährte Sonderzahlungen sind als Vorschuss zurückzuzahlen.

        

4.    

Die im laufenden Kalenderjahr erbrachten Sonderzahlungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlussvergütungen, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Jahresergebnisbeteiligungen, Jahresprämien und ähnliches, gelten als Sonderzahlungen im Sinne dieser Vereinbarung und erfüllen den tariflichen Anspruch, soweit sie zusammengerechnet die Höhe der tariflich zu erbringenden Leistungen erreichen.

                 

…       

        

5.    

Wenn dem Anspruchsberechtigten in dem Kalenderjahr keine Ansprüche auf Entgelt oder Zuschüsse zum Krankengeld gemäß § 15 Ziffer 2 - 4 oder zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Mutterschutzgesetz zustehen, entfällt der Anspruch auf die nach Ziffer 1 garantierte Sonderzahlung. Wenn nur für einen Teil des Kalenderjahres derartige Ansprüche bestehen, ermäßigt sich der Anspruch auf die Sonderzahlung für jeden Kalendermonat ohne derartige Ansprüche um ein Zwölftel.

        

6.    

Arbeitnehmer, die vor dem Stichtag 1.12. wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder Erreichung der Altersgrenze aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten eine anteilige Leistung.

        

…“    

        
6

Der Kläger erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine jeweils als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 zusätzlich auch als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Hierzu übersandte die Beklagte jeweils im Herbst ein Schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in dem sie „Richtlinien“ für die Auszahlung der Gratifikation aufführte, die im Wesentlichen unverändert blieben.

7

Im Schreiben vom 30. September 2010 hieß es ua.:

        

„Als Dank für Ihren bisherigen persönlichen Einsatz in diesem Jahr und zugleich als ein Stück Motivation für eine weiterhin loyale und wirkungsvolle Zusammenarbeit zahlen wir Ihnen eine Weihnachtsgratifikation aus, deren Höhe im Vergleich zum letzten Jahr unverändert bleibt. Sie wird mit dem November-Gehalt 2010 abgerechnet und auf die Konten überwiesen.

        

Die Gratifikation wird nach folgenden Richtlinien ermittelt:

        

1.    

Die Zahlung erfolgt an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.

        

2.    

Die Gratifikation beträgt 100 % des November-Bruttogehaltes/-lohnes bzw. der Ausbildungsvergütung, wenn das Arbeitsverhältnis seit 01.01.2010 besteht und keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen zu verzeichnen sind. Bei Arbeitszeitveränderungen im Laufe des Jahres errechnet sich die Gratifikation anteilig.

        

3.    

Verlagsangehörige, die nach dem 01.01.2010 eingetreten sind oder eine unbezahlte Arbeitsbefreiung aufweisen, erhalten für jeden Kalendermonat des bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. der bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehaltes/-lohnes.

                 

Dabei wird ein angefangener Monat als voller Monat gerechnet, wenn die Betriebszugehörigkeit/bezahlte Arbeitsleistung 15 Kalendertage übersteigt. Auszubildende erhalten in jedem Fall 100 % der Ausbildungsvergütung.

        

4.    

Tariflich zu zahlende Jahresleistungen werden auf diese Zahlungen angerechnet.

        

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Zahlung der Weihnachtsgratifikation eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung des Verlages ist. Auf diese besteht für die Zukunft auch durch wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch.“

8

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung am 30. September 2010.

9

Mit der Klage hat der Kläger - soweit noch von Interesse - unter Berufung auf die Richtlinien Zahlung der anteiligen (9/12 eines Monatsgehalts) Sonderzahlung für das Jahr 2010 verlangt. Er hat gemeint, sein Anspruch ergebe sich aus der Gesamtzusage vom 30. September 2010. Diese stelle gegenüber § 14 MTV eine eigene Rechtsgrundlage für seinen Anspruch dar. Die Stichtagsregelung in der Zusage sei unwirksam. Es handele sich um eine die Kündigung der Arbeitnehmer erschwerende Bedingung. Die Regelung sei sowohl in sich als auch gegenüber der tarifvertraglichen Stichtagsregelung widersprüchlich.

10

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.299,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe das Schreiben vom 30. September 2010 nicht erhalten. Im Übrigen erfülle er wegen seines Ausscheidens zum 30. September 2010 weder die Voraussetzungen der tarifvertraglichen Regelung noch die der Richtlinien. Die dort geregelte Anforderung, dass am 31. Dezember 2010 noch ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestanden haben müsse, sei wirksam.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung in Höhe von 9/12 eines Monatsgehalts (zu I). Grundlage des Anspruchs ist die von der Beklagten in Gestalt der Richtlinien erteilte Gesamtzusage für das Jahr 2010 (zu I 1). Bei der in den Richtlinien vorgesehenen Leistung handelt es sich um eine Sonderzahlung, die sowohl Gegenleistung für erbrachte Arbeit ist als auch Anreiz zu künftiger Betriebstreue des Arbeitnehmers sein soll („Mischcharakter“, zu I 2). Die in den Richtlinien vorgesehene Klausel, nach der am 31. Dezember des Bezugsjahres ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen muss, ist unwirksam. Sie kann nicht in dem Sinne teilweise aufrechterhalten werden, dass sie lediglich den Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember verlangt (zu I 3). Im Übrigen kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Gegenleistung für laufend erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde (zu I 4). Der im Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem Anspruch nicht entgegen (zu I 5).

14

I. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der von ihm erhobene und der Höhe nach außer Streit stehende Anspruch zu.

15

1. Rechtsgrundlage des Anspruchs ist die von der Beklagten am 30. September 2010 erteilte Gesamtzusage.

16

a) Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer gesonderten Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 17).

17

b) Diesen Anforderungen entsprachen die Richtlinien der Beklagten. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Die Richtlinien richteten sich an alle Arbeitnehmer der Beklagten und legten die rechtlichen Regeln fest, nach denen Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer gegen die Beklagte begründet werden sollten. Auf die Frage, wie die Richtlinien dem Kläger im Jahr 2010 zugegangen sind, kommt es nicht an, weil das Zustandekommen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Gesamtzusage nicht vom konkret nachgewiesenen Zugang der Zusage an den einzelnen Arbeitnehmer abhängig ist (BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 31, BAGE 118, 360).

18

2. Nach den Richtlinien dient die Sonderzahlung einerseits der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung, andererseits auch dem Anreiz zur Betriebstreue. Anspruchsvoraussetzung soll der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2010 sein. Dies ergibt die Auslegung der Richtlinien, die ein an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtetes Vertragsangebot iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen(vgl. BAG 29. September 2010 - 3 AZR 557/08 - Rn. 24 ff., BAGE 135, 334) und den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln unterliegen.

19

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 20. März 2013 - 10 AZR 636/11 - Rn. 20).

20

b) Die Richtlinien gewähren dem Arbeitnehmer die Sonderzahlung einerseits als Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Es handelt sich nicht um eine reine Gratifikation, deren Zweck allein in der Zuwendung von Geld aus Anlass des Weihnachtsfestes läge. Zwar könnte die in den Richtlinien verwendete Bezeichnung „Weihnachtsgratifikation“ in diese Richtung weisen. Jedoch soll die Zahlung ausdrücklich auch „Dank für ... persönlichen Einsatz“ sein. Außerdem zeigen die Anspruchsvoraussetzungen in Ziff. 2 und Ziff. 3, dass die Zahlung jedenfalls auch eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit darstellt. Die Zahlung knüpft nicht an das bloße Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugsjahr an. Sie ist abhängig davon, dass entweder Arbeitsleistung erbracht wurde oder doch keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen vorlagen. Wie aus Ziff. 3 hervorgeht, erhalten unterjährig eintretende Mitarbeiter und solche mit einer unbezahlten Arbeitsbefreiung eine anteilige Sonderzahlung, und zwar entsprechend der Anzahl der Monate, in denen sie gearbeitet haben.

21

c) Andererseits verlangen die Richtlinien Betriebstreue über das Bezugsjahr hinaus. Die Stichtagsklausel benennt zwar den letzten Tag des Bezugsjahres als den Tag, an dem das Arbeitsverhältnis noch bestehen muss. Damit liegt der Stichtag für den Bestand des Arbeitsverhältnisses aber nur scheinbar innerhalb des Jahres, in dem die Arbeitsleistung, die mit der Sonderzahlung entgolten wird, erbracht wird. In Wahrheit macht die Klausel entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts den Anspruch auf die Sonderzahlung in aller Regel vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das Jahr 2010 hinaus abhängig. Dies wird dadurch bewirkt, dass nach der Klausel das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember „ungekündigt“ bestehen muss. Ein Arbeitnehmer, der sich den Anspruch erhalten will, darf demnach frühestens am 1. Januar des Folgejahres kündigen. Jede Kündigung vor dem 1. Januar 2011 soll dem Anspruch entgegenstehen. Dies kann den Arbeitnehmer, je nach Dauer der Kündigungsfrist, zum Verbleib im Arbeitsverhältnis bis weit in das Folgejahr hinaus zwingen. Entsprechendes gilt für Arbeitgeberkündigungen. Keine über das Jahr 2010 hinausgehende Bindung wurde als Anspruchsvoraussetzung nur für die Fälle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am oder zum 31. Dezember 2010 ohne Ausspruch einer Kündigung verlangt, was insbesondere bei Befristung, Aufhebungsvertrag oder Betriebsübergang in Betracht kommt.

22

3. Mit diesem Inhalt hält die Stichtagsregelung der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie ist insgesamt unwirksam mit der Folge, dass die Richtlinien ohne die Stichtagsklausel gelten (§ 306 Abs. 1 BGB).

23

a) Eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB(vgl. ausführlich BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231). Wie ausgeführt, erstreckt sich die hier durch die Stichtagsklausel vermittelte Bindung des Arbeitnehmers auf einen Zeitraum außerhalb des Bezugsjahres. Daran ändern auch die erwähnten, in der Klausel aber nicht genannten Fallgestaltungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung nichts.

24

b) Die Klausel kann nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass die Entstehung des Anspruchs auf die Sonderzahlung lediglich den - sei es auch gekündigten - Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember voraussetzt. Die Klausel ist nicht teilbar.

25

aa) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, BAGE 139, 156).

26

bb) Der Senat hat für eine ähnlich lautende Klausel die Teilbarkeit bejaht (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11). Er hat angenommen, eine derartige Klausel sei sprachlich abtrennbar; bei Streichung des Wortes „unkündbar“ bleibe als verständliche Regelung immer noch die Bestimmung eines Stichtags übrig (kritisch ErfK/Preis 14. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 103a; wohl zweifelnd Lüders GwR 2009, 206; differenzierend Salamon NZA 2010, 314 ff., 317).

27

cc) Daran hält der Senat nicht fest. Die sprachliche Teilbarkeit einer Klausel ist nur ein Indiz für die - entscheidende - inhaltliche Teilbarkeit (ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 103). Die hier fragliche Regelung verfolgt mit dem Zusammenspiel von Bestand und besonderer Qualität („ungekündigt“) des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung ein Zielbündel von Betriebstreue und Motivation des Arbeitnehmers, das sich nicht sinnvoll aufspalten lässt. Es geht nicht um mehrere unterschiedliche sachliche Regelungen der Beklagten, die unabhängig voneinander beurteilt werden könnten. Vielmehr verlangt die Klausel das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Ende des Bezugszeitraums gerade mit der Besonderheit, es dürfe weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt haben; damit geht eine Erweiterung der Bestandsvoraussetzung einher, die sich im Einzelfall unterschiedlich auswirkt. Für den Arbeitnehmer stellt sie sich als Obliegenheit dar, auf eine Eigenkündigung zu verzichten, was als Einforderung einer weiteren Betriebstreue verstanden werden kann; im Fall der Arbeitgeberkündigung geht es eher um das Interesse des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer, der in absehbarer Zeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, keine auch der Motivation für die künftige Arbeit dienende Sonderzahlung mehr leisten zu wollen. Diese durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmten Anspruchsvoraussetzungen hängen so eng miteinander zusammen, dass es auf eine im Rahmen von § 306 BGB unzulässige Neubestimmung des Vertragsinhalts hinauslaufen würde, wollte man aus Ziff. 1 der Richtlinien das Wort „ungekündigt“ herausstreichen.

28

4. Im Übrigen kann eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig.

29

a) Der Senat hat die Unzulässigkeit eines Stichtags außerhalb des Bezugszeitraums damit begründet, dass die Stichtagsklausel im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB stehe, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können, sei nicht ersichtlich (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231; zustimmend ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 534a - 534f; Bartholomä BB 2012, 2250; Schmitt-Rolfes AuA 2012, 455; Reinecke BB 2013, 437; Beitz SAE 2013, 17; ablehnend: jurisPK-BGB/Lapp/Salamon 6. Aufl. § 310 Rn. 104; vgl. auch Salamon NZA 2011, 1328). Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn der Stichtag innerhalb des Bezugsjahres liegt und die Sonderzahlung - auch - Arbeitsleistung abgelten soll, die in dem Zeitraum vor dem Stichtag erbracht wurde.

30

b) Auch in diesem Fall ist die Sonderzahlung zum Teil Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Ein im Austausch von Arbeit und Vergütung liegender Grund für die Kürzung der Vergütung besteht nicht. Die Kürzung erfolgt vielmehr aufgrund einer aus Sicht des Arbeitgebers nicht hinreichend erwiesenen Betriebstreue. Dieser Gesichtspunkt ändert aber nichts daran, dass der Arbeitnehmer die nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht hat. Irgendeine Störung des Austauschverhältnisses ist nicht gegeben.

31

c) Auch ein Stichtag innerhalb des Bezugsjahres erschwert dem Arbeitnehmer die Ausübung des Kündigungsrechts, obwohl er seine Arbeitsleistung jedenfalls teilweise erbracht hat. Er erleidet einen ungerechtfertigten Nachteil. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 25, BAGE 140, 231).

32

d) Anders mag es liegen, wenn die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert hat. Das kann bei Saisonbetrieben der Fall sein, aber auch auf anderen branchen- oder betriebsbezogenen Besonderheiten beruhen. Möglich ist auch, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpft; in diesen Fällen ist eine zu bestimmten Stichtagen erfolgende Betrachtung oftmals zweckmäßig und nicht zu beanstanden (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 15). Für solche besonderen Einflüsse ist hier jedoch nichts ersichtlich. Im Gegenteil spricht die Zuwendung von - bezogen auf die zurückgelegten Beschäftigungsmonate - anteiligen Sonderzahlungen an unterjährig eintretende Arbeitnehmer dafür, dass den Richtlinien die Vorstellung zugrunde liegt, die Sonderzahlung werde gleichmäßig im Lauf des Jahres als zusätzliches Entgelt für die laufende Arbeitsleistung verdient.

33

e) Diesen Überlegungen entspricht die insolvenzrechtliche Einordnung von leistungsbezogenen Sonderzahlungen durch den Senat. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht danach regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Insolvenzrechtlich sind arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind: Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen. Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 793/11 - Rn. 14, 20).

34

f) An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass § 14 MTV für die dort geregelten Ansprüche auf Sonderzahlung zulässigerweise einen unterjährigen Stichtag vorsieht, nämlich den 1. Dezember des Bezugsjahres.

35

aa) Die Tarifvertragsparteien überschreiten den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn sie Sonderzahlungen, die sowohl eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen als auch der Honorierung von Betriebstreue dienen, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag im Bezugszeitraum abhängig machen (vgl. zum TV Zuwendung: BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218). Ihr Gestaltungsspielraum ist dabei sowohl gegenüber den Betriebsparteien (vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - BAGE 137, 300; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 -; 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 -) als auch gegenüber den einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231) erweitert (BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 39 - 41).

36

bb) Tarifvertragliche Regelungen sind zwar kein Maßstab für die Inhaltskontrolle (MüKoBGB/Basedow 6. Aufl. § 310 Rn. 104; Lingemann NZA 2002, 181, 188; Thüsing BB 2002, 2666, 2674; aA Däubler NZA 2001, 1329, 1334). Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB jedoch nicht, soweit sie keine von den Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen abweichenden Regelungen oder diese Kollektivverträge lediglich ergänzende Regelungen vereinbaren (§ 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 BGB; vgl. BeckOK BGB/Becker Stand 1. November 2013 § 310 BGB Rn. 42). Im Streitfall weichen die Richtlinien zulasten der Arbeitnehmer von den Regelungen des Tarifvertrags ab und unterliegen deshalb als eigenständige Allgemeine Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle. Während nach den Richtlinien eine Bindung ggf. bis weit in das auf das Bezugsjahr folgende Jahr vorgesehen ist, bindet der Tarifvertrag den Arbeitnehmer nur bis zum 1. Dezember des laufenden Jahres. Andererseits gewährt der Tarifvertrag einen Anspruch lediglich bei mindestens einjährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember eines Jahres. Das Arbeitsverhältnis muss also spätestens am 1. Dezember des Vorjahres begonnen haben. Einen anteiligen Zahlungsanspruch bei unterjährigem Eintritt ins Arbeitsverhältnis gewährt der Tarifvertrag nicht, er sieht aber Ausnahmen von der Stichtagsregelung bei Verrentung vor. Der Tarifvertrag betont insgesamt wesentlich stärker den Gesichtspunkt der Betriebstreue, als es die Richtlinien tun: Während nach den Richtlinien ein Arbeitnehmer, der am 1. Dezember eintritt, einen Anspruch auf 1/12 des Novembergehaltes für das laufende Jahr erwirbt, besteht nach dem Tarifvertrag für einen solchen Arbeitnehmer selbst dann kein Anspruch, wenn er ein Jahr arbeitet und dann am 30. November des Folgejahres ausscheidet.

37

5. Der Anspruch ist nicht durch den arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeschlossen. Dieser Vorbehalt ist unwirksam.

38

a) Nach § 3 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags, der als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist, bezieht sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht nur auf Gratifikationen, sondern auf alle Leistungen, die nicht im Arbeitsvertrag oder durch „gültigen Tarifvertrag“ geregelt sind. Die Entstehung von Rechtsansprüchen soll generell ausgeschlossen sein. „Freies Ermessen“ bedeutet, dass der es Ausübende lediglich die - stets geltenden - allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie den Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten hat. Die Entscheidung muss sich nicht am Maßstab der Billigkeit ausrichten (vgl. BAG 4. Januar 2009 - 5 AZR 75/08 - Rn. 14, 17).

39

b) Mit diesem Inhalt hält die Vertragsklausel der Inhaltskontrolle nicht stand. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 36 - 41, BAGE 139, 156; 16. Januar 2013 - 10 AZR 26/12 - Rn. 22; zustimmend Worzalla SAE 2012, 92; Preis/Sagan NZA 2012, 1077; kritisch Bauer/von Medem NZA 2012, 894; Niebling NJW 2013, 3011).

40

c) Soweit die Gratifikation in der Gesamtzusage vom 30. September 2010 als „freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung“ bezeichnet wird, ändert das ebenfalls nichts an der Verpflichtung der Beklagten.

41

II. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 288 Abs. 1 BGB.

42

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    Petri    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.