Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14

bei uns veröffentlicht am29.01.2015
vorgehend
Arbeitsgericht München, 27 Ca 14113/13, 06.06.2014
nachgehend
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 156/15, 09.12.2015

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 6. Juni 2014 - 27 Ca 14113/13 - werden zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6 zu tragen.

III.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des Anspruchs des Klägers als Arbeitnehmers der Beklagten auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen.

Der - ausweislich der vorgelegten Unterlagen: am ... geborene - Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 seit 04.08.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als „Kraftfahrer“ - Lkw-Fahrer - tätig. Nach ihren Angaben sei die Beklagte, als Teil der U.-Gruppe, dafür zuständig, Paketsendungen zwischen Niederlassungen und Hauptumschlagsbasen (sog. „HUBs“) in großen Lastkraftwagen (sog. „Feedern“) zu transportieren, wobei sie auch für andere Auftraggeber außerhalb der U.-Gruppe tätig sei. Die zum Transport durch die Beklagte vorgesehenen Paketsendungen würden nach ihren näheren Ausführungen zunächst von einem Zusteller bei ihrem Kunden abgeholt und bis ca. 20.00 Uhr in die örtliche Niederlassung der Beklagten gebracht. Dort würden die Paketsendungen aus dem Paketzustellfahrzeug entladen, sortiert und entsprechend ihrer jeweiligen Zieldestinationen in Container verladen, die anschließend zur entsprechenden Hauptumschlagsbasis transportiert würden. Der Transport der Paketsendungen von einer Abholniederlassung zum HUB sowie anschließend von einem HUB wiederum zur Zielniederlassung erfolge in solchen großen Lastkraftwagen („Feedern“). In der Zielniederlassung würden die angelieferten Container entladen, nach Zustellgebieten sortiert und in die jeweiligen Zustellfahrzeuge verladen - dort sodann vom jeweiligen Paketzusteller beim Empfänger zugestellt. Die, nicht tarifgebundene, Beklagte beschäftigt nach ihren Angaben bundesweit insgesamt ca. 500 Kraftfahrer, von denen ca. 90% auf sog. Nachttouren und die übrigen auf sog. Tagtouren eingesetzt würden. Die Beklagte sei bei ihrer Tätigkeit jeweils an die Vorgaben der U. Deutschland Inc. & Co oHG bzw. an diejenigen großer Geschäftskunden gebunden, die der Beklagten insoweit wie ein Kunde/Auftraggeber gegenüberstünden. Der Kläger ist im Regionalbetrieb Süd der Beklagten mit dem Dienstsitz in G. bei M. tätig, wobei er als sog. Springer verschiedene Nachttouren - v. a. eine Route von G. nach R. und zurück nach G. sowie die Route von A. über N. und zurück nach A. - befahre. Nach seinen Angaben habe er im hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 im Rahmen der meisten von ihm gefahrenen Touren seine Arbeit regelmäßig um 19.30 aufgenommen und zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr am Folgetag beendet. Er hat von Beginn seiner Beschäftigung im August 1997 an jeweils Nachtarbeitszuschläge von anfänglich 8% (bzw. von 7,35/7,53%) bis nunmehr, seit August 2014, ansteigend auf 20% seines jeweiligen Stundenlohns erhalten (tabellarische Aufstellung des Klägers hinsichtlich seiner „Lohnentwicklung“ sowie der Entwicklung der Nachtzuschläge in absoluter Zahl und prozentual zum jeweiligen Stundenlohn zuletzt im Schriftsatz vom 24.11.2014, dort S. 17, Bl. 669 f/685 d. A.). Die Beklagte hat die jeweiligen Nachtarbeitszuschläge ab 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr des folgenden Morgens gezahlt.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages in Höhe von 30% seines jeweiligen Stundenlohns ab Januar 2010 im Wesentlichen mit der Begründung geltend, dass er, da er nahezu ausschließlich nachts tätig sei, damit am sozialen Leben überhaupt nicht teilnehmen könne und erheblichen gesundheitlichen Risiken und Beeinträchtigungen ausgesetzt sei, er im Übrigen allenfalls sehr kurze Pausen habe (u. a.) - weshalb ein solcher Zuschlag angemessen sei. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, dass sie für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden an den Kläger stets einen angemessenen Zuschlag gewährt habe, wobei bei der Bewertung dessen Angemessenheit insbesondere zu berücksichtigen sei, dass sie solche Nachtarbeitszuschläge bereits ab 21.00 Uhr leiste, zur Durchführung ihres Geschäfts der nächtliche Warentransport zwingend erforderlich und deshalb Nachtarbeit üblich seien und sie im Übrigen einen deutlich übertariflichen Grundlohn an den Kläger gezahlt habe und zahle. Die entsprechenden tariflichen Regelungen könnten als Orientierung herangezogen werden, wobei es einschlägige Tarifregelungen hinsichtlich einer Pauschalierung von 5,- € je Nacht gebe. Des Weiteren seien sog. Verfügungszeiten des Klägers während seiner Tätigkeit zu berücksichtigen, die zwischen einer und ca. 1,5 Stunden pro Nacht liegen würden und in denen der Kläger nicht aktiv tätig sein müsse.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.07.2014 und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 07.07.2014 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses dem Kläger die Differenzbeträge zu einem Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% seines jeweiligen Stundenlohns für den streitgegenständlichen Zeitraum mit der Begründung zuerkannt hat, dass entgegen dem Einwand der Beklagten die Ansprüche des Klägers aus der Zeit vor dem 01.07.2013 nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen seien, da diese gemäß § 305c Abs. 1 BGB, ggf. weiter gemäß § 307 Abs. 1 BGB, unwirksam sei. Der Anspruch des Klägers als Nachtarbeitnehmers im Sinne des Arbeitszeitgesetzes damit auf Zahlung eines angemessenen Nachtarbeitszuschlages gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG sei in Höhe eines 25-prozentiger Zuschlages begründet - hinsichtlich dessen die Beklagte durch durchgängige Zahlung eines in den Gehaltsabrechnungen jeweils ausgewiesenen „Nachtzuschlages fest“ ihr Wahlrecht bzgl. der gegebenen Wahlschuld ausgeübt gehabt habe. Dies folge aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der von einem solchen regelmäßig als angemessen anzusehenden Prozentsatz auszugehen sei, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass der Kläger dauerhaft, nahezu ausschließlich, in Nachtarbeit tätig sei und sog. Verfügbarkeitszeiten nur auf der einen Tour nach N. in überschaubarem Umfang anfielen; die Zahlung von Nachtzuschlägen bereits zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr sei hierbei jedoch irrelevant, da dies keinen Ausgleich für die Erschwernisse der Nachtarbeit darstelle, sondern auch den Tagarbeitnehmern bezahlt würde. Auch wenn die Beklagte einen Stundensatz deutlich über dem Tariflohn zahle, könne von einer etwa damit gegebenen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlages hierdurch nicht ausgegangen werden, da dies voraussetzen würde, dass der Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte für eine dort enthaltene solche Pauschalierung von Nachtarbeitszuschlägen enthielte - wie hier nicht gegeben. Ebenso wenig sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im KfzVerkehr zur Nachtzeit erhöhten Anforderungen ausgesetzt sei, da die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG dem Ausgleich der mit der Nachtarbeit an sich verbundenen Belastung, nicht aber erhöhten Anforderungen an die Art der Tätigkeit diene. Nach allem stehe dem Kläger für den klagegegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 ein weiterer Betrag von deshalb 6.359,08 € brutto, zzgl. Zinsen jeweils ab dem 5. Arbeitstag des jeweils folgenden Monats aufgrund der entsprechenden Regelungen über die Fälligkeit der Vergütungsansprüche in der Arbeitsordnung der Beklagten, zu - ein weitergehender Nachtarbeitszuschlag in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 30% bestehe dagegen nicht.

Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2014, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, und die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.07.2014, am 30.07.2014 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen.

Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger nach auf seinen Antrag erfolgter Verlängerung der Frist zu deren Begründung bis 20.10.2014 mit, am selben Tag zunächst wiederum per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz vom 24.09.2014 ausgeführt, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei dauerhafter Nachtarbeit wie hier grundsätzlich ein Nachtarbeitszuschlag von 30% angemessen sei, gegen den hier keine gewichtigen Gründe sprächen. Seine Nachtarbeit beinhalte eine besondere Belastung, da seine Tätigkeit als Fahrer während der Nacht besonders hoher Aufmerksamkeit bedürfe und erhöhte Anforderungen stelle. Bei § 6 Abs. 5 ArbZG spielten auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie die erschwerte Teilhabe des Nachtarbeitnehmers am sozialen Leben eine wesentliche Rolle, die bei der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages zu berücksichtigen seien. Zu seinen von der Beklagten erstinstanzlich genannten Verfügbarkeitszeiten während seiner Nachtarbeit bleibe nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts unklar, ob und inwieweit dies berücksichtigt worden sei. Die Belastungen im Straßenverkehr seien nachts besonders hoch und Ruhezeiten erst recht dringend notwendig. Hinzu komme, dass der Fahrer vor jeder Fahrt die gesamten Funktionen am Fahrzeug prüfen müsse, was jeweils ca. 25 Minuten in Anspruch nehme. Des Weiteren seien während sog. Verfügbarkeitszeiten tatsächlich kleinste Reparaturen wie z. B. der Austausch einer Glühbirne durchzuführen. Solche Wartezeiten ergäben sich auch nicht etwa am Stück, sondern hingen von der jeweils zu fahrenden Tour ab und fielen überdies nicht stets in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr an. Auch während solcher Wartezeiten müsse der Kläger jedoch durchgängig verfügbar sein und darauf warten, wann er wieder losfahren könne, weshalb solche Zeiten nicht planbar seien. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass - wie auch das Arbeitsgericht angenommen habe - der Ausschluss einer Tätigkeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr der Beklagten nicht möglich sein sollte. Ebenso wenig habe das Arbeitsgericht näher ausgeführt, in welcher Weise die Tatsache, dass die Beklagte als deutschlandweit tätiges Unternehmen unterschiedliche Löhne in Ost und West bezahle, Berücksichtigung gefunden habe. Die Schwestergesellschaft der Beklagten Fa. U. Inc. & Co. oHG bezahle im Übrigen einen Nachtarbeitszuschlag von 29,67% - was die Angemessenheit eines entsprechenden Zuschlages auch bei der Beklagten bestätige. Der einschlägige Tarifvertrag in Bayern lege für die streitgegenständliche Nachtarbeit einen - damit als angemessen anzusehenden - Zuschlag von 50% fest. Die Nachtarbeit bei der Beklagten betrage im Übrigen nicht 90%, sondern lediglich 50%. Nach allem habe der Kläger Anspruch auf einen 30-prozentigen Nachtarbeitszuschlag, wobei die Verzinsung eines entsprechenden Nachzahlungsanspruches entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ab dem ersten Kalendertag des jeweiligen Folgemonats zu erfolgen habe, da die Arbeitsordnung von der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelung nicht wirksam zugunsten des Klägers abweichen habe können.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, Aktenzeichen 27 Ca 14113/13 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

II. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, Aktenzeichen 27 Ca 14113/13 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.393,83 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 303,33 seit 01.02.2010, aus € 232,68 seit

01.03.2010, aus € 388,34 seit 01.04.2010, aus € 144,84 seit

01.05.2010, aus € 150,52 seit 01.06.2010, aus € 102,24 seit

01.07.2010, aus € 41,18 seit 01.08.2010, aus € 289,68 seit

01.09.2010, aus € 78,10 seit 01.10.2010, aus €158,84 seit

01.11.2010, aus € 253,87 seit 01.12.2010, aus € 357,61 seit

01.01.2011, aus € 119,28 seit 01.02.2011, aus € 268,12 seit

01.03.2011, aus € 394,05 seit 01.04.2011, aus € 248,07 seit

01.05.2011, aus € 253,47 seit 01.07.2011, aus € 96,53 seit

01.08.2011, aus € 151,94 seit 01.09.2011, aus € 119,28 seit

01.10.2011, aus € 145,55 seit 01.11.2011, aus € 302,85 seit

01.12.2011, aus € 367,67 seit 01.01.2012, aus € 204,73 seit

01.02.2012, aus € 268,37 seit 01.03.2012, aus € 301,04 seit

01.04.2012, aus € 274,95 seit 01.05.2012, aus € 167,18 seit

01.06.2013 (2), aus € 120,14 seit 01.07.2012, aus € 303,97 seit

01.08.2012, aus € 100,44 seit 01.09.2012, aus €216,62 seit

01.10.2012, aus € 115,17 seit 01.11.2012, aus € 191,55 seit

01.12.2012, aus € 56,20 seit 01.01.2013, aus € 146,17 seit

01.02.2013, aus € 185,89 seit 01.03.2012 (3), aus € 144,45 seit

01.04.2013, aus € 151,12 seit 01.05.2013, aus € 59,12 seit

01.06.2013, aus € 106,20 seit 01.07.2013, aus € 233,20 seit

01.08.2013, aus € 217,27 seit 01.09.2013, aus € 8068 seit

01.10.2013, aus € 176,38 seit 01.11.2013, aus € 136,95 seit

01.12.2013, aus € 136,39 seit 01.01.2014, aus € 165,57 seit

01.02.2014 und aus € 169,05 seit 01.03.2014 zu bezahlen.

(Hilfsweise: oder dem Kläger einen Freizeitausgleich von 146 Tagen zu gewähren).

2. Die Beklagte wird verurteilt dem Kläger ab 01.03.2014 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 30% vom Bruttostundenlohn (bis 30.09.2014: € 4,77 brutto pro Stunde und ab 01.10.2014: € 4,86 brutto pro Stunde) zu bezahlen.

(Hilfsweise: oder dem Kläger einen Freizeitausgleich von 3 Arbeitstagen für 80 vom Kläger geleistete Nachtarbeitsstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu gewähren).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06. Juni 2014 (Az. 27 Ca 14113/13) abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Berufungsantrages vor, dass der Umfang ihrer, ganz überwiegenden, Nachttouren mit ihren Aufgaben innerhalb der U. Gruppe, wie vorstehend wiedergegeben, zusammenhänge. Bei seiner rechtsfehlerhaften Entscheidung habe das Arbeitsgericht im Rahmen der Überprüfung des von der Beklagten gezahlten Nachtarbeitszuschlages am Merkmal „angemessen“ im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG seinen Beurteilungsspielraum überschritten und wesentliche Umstände des Einzelfalls nicht beachtet. Zum einen handle es sich hierbei um eine Wahlschuld gemäß § 262 BGB, die als solche so lange bestehen bleibe, bis der Arbeitgeber seine Wahl getroffen habe - was bei Dauerschuldverhältnissen wie hier bedeute, dass das Wahlrecht nur für denjenigen Zeitraum ausgeübt sei, für den es ausgesprochen worden sei, also den jeweiligen Kalendermonat. Deshalb hätte das Arbeitsgericht weder den Feststellungsantrag noch den Leistungsantrag für die Vergangenheit ohne einen wahlweise zu gewährenden Freizeitausgleich zusprechen dürfen. Hinsichtlich der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages nach § 6 Abs. 5 ArbZG sei zu berücksichtigen, dass Dauernachtarbeit wie hier nicht zur Rechtfertigung eines höheren Zuschlages herangezogen werden könne. Der unterschiedlichen Belastung des menschlichen Organismus durch einen Einsatz in Wechselschicht einerseits und einen dauerhaften Einsatz in Nachtschicht andererseits werde bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass nach den gesetzlichen Vorgaben ein Zuschlag nur für die Zeit der Nachtarbeit zu gewähren sei - woraus sich zwangsläufig ergebe, dass der Ausgleichsanspruch tatsächlich umso höher ausfalle, je häufiger und länger der Mitarbeiter während der Nachtstunden eingesetzt sei, weshalb ein in Dauernachtarbeit eingesetzter Mitarbeiter zwangsläufig deutlich höhere Ansprüche auf Zahlung von Nachtzuschlägen als ein solcher habe, der in Wechselschicht und damit lediglich in periodischen Abständen zur Nachtarbeit herangezogen werde. Das Arbeitsgericht habe auch die bei der Nachtarbeit des Klägers anfallenden sog. Verfügbarkeitszeiten nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Diese habe die Beklagte erstinstanzlich mit einem Zeitraum von ca. einer Stunde bis ca. 1,5 Stunden je Nacht je nach Tour angegeben, was natürlich variiere. Verfügbarkeitszeiten und Pausenzeiten würden jeweils gesondert erfasst. Während der Verfügbarkeitszeiten müsse der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen, erhalte diese jedoch vergütet. Weiter habe das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn nicht bereits Erschwernisse der Nachtarbeit berücksichtige. Nach der einschlägigen Rechtsprechung wäre in Fällen ständiger und fast ausschließlicher Nachtarbeit aller betroffenen Arbeitnehmer eine Aufspaltung der Vergütung in Grundlohn und Nachtzuschlag gekünstelt. Auch habe das Arbeitsgericht die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere, dass die Beklagte bereits einen für die Branche sehr hohen Stundenlohn bezahle, der deutlich über dem Tariflohn liege. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht auch den bereits für den Zeitraum von 21.00 Uhr bis 23.00 Uhr von ihr freiwillig geleisteten Nachtarbeitszuschlag bei der Beurteilung dessen Angemessenheit nach § 6 Abs. 5 ArbZG unberücksichtigt gelassen und hierbei verkannt, dass auch diese Zulagen ausweislich der Verdienstabrechnung sowie der Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat hierüber deutlich erkennbar dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Gewährung eines angemessenen Ausgleichs für Nachtarbeit dienten. Wenngleich sich das Arbeitsgericht im Übrigen hinsichtlich der Angemessenheit der Nachtarbeitszuschläge auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer Orientierung an Tarifverträgen bezogen habe, habe es den ihm obliegenden Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgeübt. Der Kläger mit Dienstsitz G. bei M. würde in den Anwendungsbereich eines Manteltarifvertrages für das Bundesland Bayern fallen, wobei nach dem damit einschlägigen Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern aus 2012 für Kraftfahrer, die Fahrten im Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen

Standort ausführten, lediglich eine Pauschale von 5,- € pro Nacht als solcher Zuschlag zu zahlen sei; gleiches würde auch nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag für das Land Nordrhein-Westfalen gelten.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten vor, dass das Wahlrecht im Rahmen der vorliegenden Wahlschuld auch stillschweigend ausgeübt werden könne, wobei die Beklagte aufgrund durchgängiger Auszahlung des, zu niedrigen, Geldzuschlages bereits von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe und kein Wahlrecht mehr bestehe. Seit Beginn seiner Beschäftigung im Jahr 1997 habe er zu keinem Zeitpunkt einen Freizeitausgleich für die Nachtarbeit, sondern ausschließlich Zahlungen hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge erhalten - diese führe nach wie vor nicht aus, dass sie das bisher ausgeübte Wahlrecht ändern und ggf. künftig Freizeitausgleich gewähren wolle. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei bei der vorliegenden Dauernachtarbeit von einem angemessenen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von grundsätzlich 30% auszugehen. Die Behauptungen der Beklagten zu den Verfügbarkeitszeiten seien hinsichtlich deren zeitlichen Umfangs völlig unsubstantiiert - solche seien tatsächlich täglich völlig unterschiedlich. Im Schnitt betrügen diese insgesamt pro Nacht höchstens eine halbe Stunde, wo der Kläger eben auch notwendige Überprüfungsarbeiten und Kleinstreparaturen ausführen müsse. Keinesfalls lägen hierbei Pausen vor, da der Kläger hier zu keinem Zeitpunkt genau wisse, wann er den Container zur Weiterfahrt zugewiesen bekomme, er also jederzeit verfügbar sein müsse. Auch fielen solche Verfügbarkeitszeiten meist nicht während der Nachtarbeit, sondern vor dem hier relevanten Zeitraum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr oder danach, fraktioniert, an. Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass nicht bereits sein Grundlohn Erschwernisse seiner Nachtarbeit abgelten wolle. Der Arbeitsvertrag enthalte, anders als hierzu erforderlich, keine Regelung, dass damit auch Nachtarbeit bezahlt werden sollte. Schließlich habe das Arbeitsgericht nicht festgestellt, dass die Beklagte einen besonders hohen Lohn für die Branche bezahle - festgestellt sei nur, dass diese übertariflich bezahle. Dies erfolge jedoch deshalb, weil die Beklagte gute Mitarbeiter erhalten und die bestehenden Mitarbeiter motivieren wolle - was nichts mit dem Nachtarbeitszuschlag gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG zu tun habe. Im Hinblick auf das von der Beklagten angezogene Lohngefälle zwischen Ost und West und des von ihr deutschlandweit einheitlich gezahlten Stundenlohnes sei zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten in Bayern, insbesondere in M. und im Großraum dort, am höchsten seien. Die Tatsache, dass die Beklagte Nachtarbeitszuschläge bereits in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr bezahle, leite sich zwar nicht aus § 6 Abs. 5 ArbZG ab, jedoch stelle dies keine freiwillige Leistung der Beklagten dar, da die Arbeitnehmer aufgrund entsprechender betrieblicher Übung Anspruch auf eine solche Leistung hätten. Dies verfolge eine andere Zielrichtung, zumal es sich in diesem Zeitraum nicht um die üblichen Schlafzeiten handle. Der von der Beklagten angezogene Gesamtbetriebsrat habe im Übrigen stets versucht, mit dieser eine Einigung über einen aus dessen Sicht ebenfalls angemessenen Zuschlag von 30% zu erzielen. Hinsichtlich einschlägiger Tarifverträge könne im Rahmen des Ermessens des Gerichts eine Orientierung hieran erfolgen. Der Tarifvertrag in Bayern würde einen Nachtarbeitszuschlag von 50% vorsehen, wobei die von der Beklagten angezogene Pauschalierungsregelung von 5,- € je Nacht für den Kläger nicht gelten würde, da er nicht ein Arbeitnehmer sei, der Fahrten von einem mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort entfernten Standort ausführe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst seit Beginn der Tätigkeit des Klägers im Jahr 1997 den Nachtarbeitszuschlag von damals 8% auf mittlerweile 20% erhöht habe.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung des Klägers vor, dass entgegen dessen Ansicht seine Tätigkeit in Dauernachtarbeit nicht zu einem höheren Zuschlagsanspruch von 30% führen könne. Der gesetzliche Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG sei kein Erschwerniszuschlag für die Art der Tätigkeit, wie das Arbeitsgericht insoweit zutreffend entschieden habe. Andernfalls müsste dann etwa im Rettungsdienst ein besonders hoher Nachtarbeitszuschlag gezahlt werden - was der einschlägigen Rechtsprechung des BAG hierzu widerspräche. Zwar habe das Arbeitsgericht bei der Festlegung des angemessenen Ausgleichs zu Recht Verfügbarkeitszeiten (Wartezeiten) berücksichtigt. Diese fielen jedoch in größerem Umfang als vom Kläger behauptet an. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Zweck, die Nachtarbeit zu verteuern, um sie möglichst zu vermeiden, hier keine Rolle spielen könne, da das Geschäft der Beklagten darauf abziele, Pakete schnell vom Absender an den Zielort zu transportieren, was notwendige Nachtarbeit bedinge. Der vom Kläger angezogene Nachtarbeitszuschlag bei der „Schwestergesellschaft“ der Beklagten (?) spreche wohl an, dass bei der U. Deutschland Inc. & Co. oHG ein Nachtzuschlag aufgrund deren Tarifbindung gezahlt werde. Weiter sei auf die einschlägigen tariflichen Bestimmungen für das Speditionsgewerbe in Bayern zu verweisen. Der vom Kläger gestellte Antrag auf künftige Leistungen sei unzulässig, da die erforderlichen Voraussetzungen hierfür nach § 259 ZPO nicht vorlägen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug zu ihrer jeweiligen eigenen sowie der gegnerischen Berufung im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 24.09.2014, vom 07.10.2014 und vom 24.11.2014 (Kläger und Beklagte), weiter auf ihre ergänzenden Einlassungen im Rahmen ihrer Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 28.11.2014 (Bl. 694 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Berufungen beider Parteien bleiben in der Sache ohne Erfolg.

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthaften Berufungen beider Parteien sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. 1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und mit ausführlicher und überzeugender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag von 25% auf seinen jeweiligen Stundenlohn hat.

a) Der Kläger hat ab 01.01.2010 als Beginn des streitgegenständlichen Forderungszeitraums Anspruch auf einen i. S. d. § 6 Abs. 5 ArbZG als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlag von 25% seines jeweiligen Stundenlohnes

aa) Da - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - mangels beiderseitiger Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme kein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Nachtarbeitszuschlag allein § 6 Abs. 5 ArbZG in Betracht. Hiernach hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden (außerhalb tarifvertraglicher Ausgleichsregelungen) eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Diese Regelung dient dem Gesundheitsschutz, auch mit dem Ziel, Nachtarbeit wegen der mit ihr verbundenen sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst einzuschränken (vgl. etwa BAG, U. v. 27.05.2003, 9 AZR 180/02, . 4. b bb der Gründe-; ständ. Rspr. d. BAG).

Diese gesetzliche Regelung begründet, trotz ihrer Stellung im Arbeitszeitgesetz als primär öffentlich-rechtliches Schutzgesetz, auch einen schuldrechtlichen Vergütungs/Zuschlagsanspruch des hierunter fallenden Arbeitnehmers unmittelbar.

§ 6 Abs. 5 ArbZG findet Anwendung. Der Kläger ist tatbestandlich unstreitig Nachtarbeitnehmer in diesem Sinn, weil er Nachtarbeit gemäß § 2 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 ArbZG an mindestens 48 Tagen je Kalenderjahr leistet.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich die Berufungskammer anschließt, ist im Regelfall - auch im vorliegenden Fall und den konkreten Umständen der Dauernachtarbeit im Paketdienst bei der Beklagten - ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des jeweiligen Bruttostundenlohnes als angemessen anzusehen (vgl. zuletzt BAG, U. v. 16.04.2014, 4 AZR 802/11, NZA 2014, S. 1277 f - Rz. 59, m. w. N.; zur Situation bei der Beklagten vgl. LAG Hamburg, U. v. 09.04.2014, 6 Sa 106/13, Juris - Rzn. 76 f -, in einem der Parallelverfahren gegen die Beklagte), wobei hier keine Besonderheiten vorliegen, die eine Abweichung von einem solchen Nachtarbeitszuschlag nach unten - oder, gemäß der Intention der Berufung des Klägers: nach oben (30% - s.u. 2.) - rechtfertigen müssten (zum von der Beklagten erholten privaten Rechtsgutachten von Prof. Dr. Raab - hier: Anl. B8, Bl. 292 f d. A., jetzt auch in ZfA 2014, S. 231 f - und der dortigen Annahme eines Vergütungszuschlages von 10% als Ausgangspunkt für einen, bei der Beklagten, als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlag (dort: S. 40 f) hat bereits das LAG Hamburg im zit. U. vom 09.04.2014, a. a. O. - dort unter Rzn. 77 - alles Erforderliche gesagt, dem sich die erkennende Berufungskammer vollständig anschließt):

(1) Der Kläger arbeitet in Dauernachtschicht. Nach Ansicht des BAG - unter Bezugnahme auf arbeitsmedizinische Erkenntnisse - sei ein ständiger Einsatz im Rahmen der Nachtarbeit objektiv stärker belastend als etwa eine Wechselschichttätigkeit mit Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit (vgl. nur BAG, U. v. 27.05.2003, a. a. O. - I. 4. b aa der Gründe -).

Dies mag insofern zutreffend sein, als hinsichtlich der mit Nachtarbeit verbundenen Belastungssituation zu unterscheiden ist zwischen subjektiver Gesundheitsgefährdung, die wegen ihres Eingriffs in den natürlichen Lebens-/Biorhythmus nahezu zwangsläufig mit Nachtarbeit verbunden ist, und einer damit objektiv in gewissem Maß verbundenen sozialen Exklusion, weil der „reine“ Nachtarbeitnehmer kaum oder wenig Gelegenheit hat, insbesondere abends am üblichen sozialen Leben teilzunehmen. Ob sich auch Letzteres - typischerweise und mittelbar - auf die gesundheitliche Situation solcher Arbeitnehmer auswirkt, wie das BAG hierzu andeutungsweise annehmen will (U. v. 27.05.2003, a. a. O.), lässt sich in allgemeiner Form kaum feststellen, mag im Einzelfall und bei Vorliegen besonderer Empfindlichkeiten/Befindlichkeiten zutreffen. Hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen der Nachtarbeit wird Wechselschichtarbeit - zumal solche, die zwischen Tagschichten und Nachtdiensten ohne gewohnheitsinduzierten festen Rhythmus etwa dienstplanmäßig unregelmäßig wechselt - wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf den Lebensrhythmus und die individuellen Arbeits- /Ruhensgewohnheiten arbeitsphysiologisch mindestens ebenso, wenn nicht stärker, belastend sein als durchgängige Nachtarbeit immer im annähernd gleichen Zeitraum und der gleichen Zeitspanne - wenngleich solche natürlich grundsätzlich dem üblichen Biorhythmus widerspricht.

Die Beklagte verwechselt mit ihrer Argumentation, dass der besonderen Situation von Dauernachtarbeit schon dadurch ausreichend Rechnung getragen werde, dass beim Kläger der Nachtarbeitszuschlag eben durchgängig für die gesamte (Nacht-)Arbeitszeit - deshalb insgesamt in höherem absoluten Betrag - gezahlt werde, während etwa bei Wechselschichtarbeit solche Zuschläge nur für die Zeit der periodischen tatsächlichen Heranziehung zur Nachtarbeit anfielen, Quantität und Qualität im Rahmen der Intention des Nachtarbeitszuschlages: dieser wird eben, auch, für die besondere durch die Nachtarbeit verursachte Situation sozialer Exklusion gezahlt. Außerdem werden die mit dem ständigen Wechsel der Arbeitszeiten bei Wechselschichtarbeit verbundenen besonderen Belastungen des individuellen Lebensrhythmus - die die einschlägige Rechtsprechung des BAG immer wieder akzentuiert hat (etwa U. v. 5.2.1997, 10 AZR 639/96, ) - tarifpolitisch häufig flankiert durch zusätzliche gleichbleibend hohe Wechselschichtzulagen (auch: Schichtzulagen), die eben solches zusätzlich besonders ausgleichen wollen (vgl. etwa § 8 Abs. 5 und Abs. 6 TVöD bzw. § 8 Abs. 7 und Abs. 8 TV-L, ebenso deren Vorgängerregelungen etwa in § 33 a BAT, u. a. ).

(2) Ebenso wenig erheblich hinsichtlich der Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlages sind die von der Beklagten ins Feld geführten „Verfügbarkeitszeiten“, in denen der Nachtarbeitnehmer „keine Arbeitsleistung zu erbringen“ habe.

Nach dem von der Beklagten nicht qualifiziert bestrittenen - erst recht nicht widerlegten - Vorbringen des Klägers hierzu müsse er während dieser, nach ihrem zeitlichen Umfang: streitigen, Zeiten notwendige Überprüfungsarbeiten und auch kleinste Reparaturen am Lkw durchführen (z. B. Austausch einer Glühbirne) - keinesfalls könne er in solchen Zeiten „Pause“ machen oder das Fahrzeug/die Arbeit verlassen. Unabhängig davon, dass solche - von der Beklagten innovativ so bezeichneten - „Verfügbarkeitszeiten“ tatbestandlich, begrifflich, von vornherein nicht etwa als Pausen im Rechtssinn (im Sinne des § 4 ArbZG und ebenso hinsichtlich nicht zu vergütender Arbeitszeit im arbeitsvertraglichen Sinn, vgl. nur BAG, U. v. 13.10.2009, 9 AZR 139/08, NZA-RR 2010, S. 623 f - Rz. 30, m. w. N. -) angesehen werden könnten - insoweit wäre das Vorbringen der Beklagten hierzu auch nicht ansatzweise schlüssig -, stellen solche Zeiten, wie sie die Beklagte als eine Art inaktiver Präsenzzeiten, hier ausführt, nicht einmal „Bereitschaftsdienst“ im Rechtssinne, sondern ggf. Arbeitsbereitschaft gemäß der hierzu entwickelten Definition („Wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“, vgl. zuletzt etwa BAG, U. v. 19.11.2014, 5 AZR 1101/12, nunmehr in DB 2015, S. 253 f - Rz. 16 -) dar:

Solche Belastungsausgleichszulagen sind jedoch grundsätzlich auch für Zeiten von Arbeitsbereitschaft im Rechtssinn, wie selbst für Bereitschaftsdienstzeiten zu zahlen, da diese nicht nur im arbeitsschutzrechtlichen Sinn, sondern auch vergütungsrechtlich in vollem Umfang Arbeitsleistung im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB darstellen, weil sich der Arbeitnehmer in beiden Fällen an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort bereit halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wie hier maßgeblich (vgl. näher BAG, U. v. 19.11.2014, a. a. O.; BAG, U. v. 12.12.2012, 10 AZR 192/11, Rzn. 17 f, m. w. N. -).

Allerdings kann ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt (BAG, U. v. 15.07.2009, 5 AZR 867/08, Rz. 21 aE -; BAG, U. v. 31.08.2005, 5 AZR 545/04, 4. a und b der Gründe -, jeweils m. w. N.).

(3) In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn von, ab August 2013, 15,63 € brutto/Stunde (ab 8/14: 15,90 € brutto/Stunde, und nunmehr, seit 10/14, 16,20 € brutto/Stunde: siehe wiederum die aktualisierte Aufstellung zur „Lohnentwicklung“ bei der Beklagten ab 1997 im Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2014, dort S. 17, Bl. 669 f/685 d. A.) bereits inzident einen Nachtarbeitszuschlag enthielte, wie die Beklagte weiter annehmen will:

Zwar können, ähnlich wie in tarifvertraglichen Vergütungsbestimmungen, auch in einzelvertraglichen Vergütungsregelungen wie hier, soweit diese atypische hohe Vergütungssätze enthalten, bereits inzident, stillschweigend, Erschwernis-/Nachtarbeitszuschläge inkludiert sein (vgl. nur BAG, U. v. 05.09.2002, 9 AZR 202/01, B. I. 2. b der Gründe, m. w. N. -; vgl. auch BAG, U. v. 18.05.2011, 10 AZR 369/10, ). Voraussetzung ist jedoch immer, dass die arbeitsvertragliche Entgeltregelung selbst entsprechende konkrete Anhaltspunkte für einen solchen inzidenten Pauschalierungsanteil enthält oder sich solches aus den konkreten Umständen/Besonderheiten greifbar ableiten lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (U. v. 05.09.2002 a. a. O.) wäre hierfür bereits nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG - nach dem der geschuldete angemessene Nachtarbeitszuschlag „auf“ das dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt zu gewähren ist - erforderlich, dass ein irgendwie erkennbarer Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist.

Zwar liegt der jeweilige Stundenlohn, den die Beklagte bezahlt, unstreitig über dem einschlägigen Tariflohn, auch in Bayern, wie hier als Vergleichsmaßstab zunächst und vorrangig maßgeblich. Darüber hinaus gibt es jedoch keinerlei, erforderliche, konkretisierbaren Anhaltspunkte für eine entsprechende Einbeziehung eines pauschalierten Nachtarbeitszuschlages o. ä. in die Grundvergütung als deren inzidenten Vergütungsbestandteils.

Auch wenn die, streitige, Behauptung der Beklagten zutrifft, dass ca. 90% ihrer ca. 500 Kraftfahrer im Bundesgebiet auf sog. Nachttouren eingesetzt würden, die übrigen ca. 10% ihrer Kraftfahrer dagegen auf sog. Tagtouren, erhalten jedoch alle die gleiche (Grund-)Stundenvergütung ohne Differenzierung zwischen den Schichteinsatzmodellen. Andererseits hat die Beklagte seit jedenfalls 1997 (dem Arbeitsbeginn des Klägers hier) gesondert ausgewiesene Nachtarbeitszuschläge gezahlt, die von ca. 7,5/8% sukzessive auf den aktuellen Satz von 20% angehoben wurden (als solche inhaltlich unstreitige

Tabelle der aktuellen „Lohnentwicklung“ zuletzt im Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2014, a. a. O.). Dies würde gerade eine Annahme konterkarieren, auch der, atypisch bzw. im Vergleich zu den branchenüblichen Vergütungssätzen: relativ hohe, Grundstundenlohnsatz habe seit jeher - oder jedenfalls seit geraumer Zeit bzw. zumindest seit Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums Anfang 2010 - inzident oder stillschweigend auch Nachtarbeitszuschlagsanteile (wie hoch, jeweils, auch immer) enthalten sollen.

(4) Des Weiteren ist es ebenfalls unerheblich, dass die Beklagte den Nachtarbeitszuschlag unstreitig seit jeher bereits ab 21.00 Uhr, bis 23.00 Uhr, bezahlt:

Wieso dies überhaupt „freiwillig“ geschehen (sein) soll, wie die Beklagte hierzu geltend macht, erschließt sich nicht - dies ist offensichtlich arbeitsvertraglich in dieser Weise festgelegt bzw. nach den Grundsätzen der Betriebsübung Vertragsbestandteil, wie der Kläger - von der Beklagten insoweit offensichtlich auch nicht grundsätzlich in Abrede gestellt - ausführt.

Des Weiteren hat bereits das Arbeitsgericht hierzu zu Recht darauf verwiesen, dass diese Zuschlagszahlung offensichtlich schon deshalb keinen Ausgleich für Nachtarbeitserschwernisse der Nachtarbeitnehmer darstellt, weil diese auch den Tagarbeitnehmern für Arbeitsleistung zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr gezahlt wird.

Schließlich betrifft die Definition der „Nachtzeit“ (zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr) gemäß § 2 Abs. 3 ArbZG, an der sich die Beklagte hierbei offensichtlich orientieren will, nur die öffentlich-rechtliche Festlegung für die hierauf aufbauende Annahme des Vorliegens einer „Nachtarbeit“ im Sinne des § 2 Abs. 4 ArbZG und die wiederum hierauf basierende Definition des „Nachtarbeitnehmers“ im Sinne des § 2 Abs. 5 ArbZG, also im Ergebnis die arbeitszeitschutzrechtliche Festlegung, nicht die zivilrechtlichen Voraussetzungen für Nachtarbeit.

(5) Schließlich ist es auch nicht relevant, dass die für/in Bayern etwa geltende einschlägige Tarifregelung (Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern in der Fassung vom 01.12.2012, hier: Bl. 142 f d. A.) für Nachtarbeitnehmer lediglich einen Nachtarbeitszuschlag von 5,-- € pauschal je Nacht vorsähe (dort § 11 Abschnitt 3. Ziff. 2.). Hier ist grundsätzlich zunächst ein Nachtarbeitszuschlag von 50% für Nachtarbeit im zehnstündigen Zeitraum von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr vorgesehen - alternativ für Kraftfahrer, die Fahrten in einem Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort ausführen, ein pauschaler Zuschlag von 5,-- €/Nacht.

Zwar ist diese Tarifregelung nach den bei der Auslegung von Tarifverträgen geltenden (tendenziell objektiven) Grundsätzen nicht so auszulegen, wie dies der Kläger annehmen will - dass diese nur für Kraftfahrer gelte, die ihre Fahrten von einem mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort gelegenen anderen Standort ausführten; Letzteres, ein eigener Standort hier außerhalb von G., als spezieller Fahrtausgangspunkt findet sich dort nicht. Jedoch ist die „Einschlägigkeit“ dieser tariflichen Bestimmung schon deshalb fraglich, weil, auch gerichtsbekannt, der regelmäßige Standort G. als Ausgangspunkt der Nachtfahrten des Klägers nicht mehr als 100 km Luftlinie vom Ziel der einen üblichen Fahrtstrecke des Klägers in R. entfernt sein dürfte - bereits die reine Straßen-Fahrtstrecke nach R. beträgt von G. aus gerichtsbekannt nur ca. 100/110 km (je nach Ziel - Niederlassung/HUB der Beklagten - dort).

Im Übrigen können die einschlägigen tariflichen Regelungen - nur - als Orientierung für die etwa als angemessen anzusehende Höhe eines Nachtarbeitszuschlages dienen, diesen nicht etwa bereits verbindlich präfigurieren (vgl. etwa BAG, U. v. 11.02.2009, 5 AZR 148/08, Rz. 18 -; BAG, U. v. 27.05.2003, 9 AZR 180/02, a. a. O. - I. 4. a der Gründe -; sh. zur Situation bei der Beklagten auch LAG Berlin-Brandenburg, U. v. 12.08.2014, 7 Sa 852/14, BB 2014, S. 2740 und Juris - Rz. 55 -).

dd) Nach allem besteht zur Überzeugung auch der Berufungskammer kein Anlass, von einem Nachtarbeitszuschlag von 25% als grundsätzlich angemessenen Zuschlags im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG, nach unten (wie nach oben: s. u.), abzuweichen.

b) Der Kläger macht zu Recht auch allein einen finanziellen Nachtarbeitszuschlag geltend. Der in § 6 Abs. 5 ArbZG nur allgemein geregelte Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag kann hier, mangels anwendbarer tariflicher Vorgaben o. ä., durch einzelvertragliche Regelung näher - als Geldzuschlag oder gesonderter Freizeitausgleichsanspruch - ausgestaltet werden (etwa BAG, U. v. 15.07.2009, 5 AZR 867/08, Rz. 17 -). Durch die unstreitig bisher, über viele Jahre - sämtliche (bisher etwa 17) Beschäftigungsjahre des Klägers hinweg - ausschließlich erfolgte finanzielle Ausgleichszahlung durch Nachtarbeitszuschlagszahlung ist jedenfalls eine konkludente Vereinbarung über eine finanzielle Kompensation in dieser Weise, somit dauerhaft und auch künftig, zustande gekommen - weshalb die ursprünglich bestehende Wahlschuld der Beklagten (§ 262 BGB) hierbei erloschen ist.

c) Zu den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einem nicht anzunehmenden Verfall der damit gegebenen Nachzahlungsansprüche des Klägers auf einen solchen Nachtarbeitszuschlag nach der einzelvertraglichen Ausschlussfristenregelung unter Paragraf 7 Ziff. 4. des Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 hat bereits das Arbeitsgericht das Wesentliche gesagt - ohne dass die Beklagte gesonderte Einwände hiergegen, gegen die Wirksamkeit dieser vertraglichen Ausschlussfristenregelung, als ersichtlich AGB-Bestimmung (§§ 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), gemäß § 305 c Abs. 1 BGB (wohl auch gemäß § § 307 Abs. 1 BGB) erhoben hat, weshalb hierzu keine erneuten Ausführungen veranlasst sind.

d) Auch die Zinsentscheidung des Arbeitsgerichts - Verzinsungsbeginn am Fünften des jeweiligen Folgemonats - ist zutreffend, da Paragraf 6 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 ausdrücklich auf die Geltung/Anerkennung der Arbeitsordnung der Beklagten in deren jeweils gültiger Fassung und diese (Anl. B6, Bl. 160 f d. A.) wiederum in § 6 Ziff. 5 auf „Überweisungsaufträge“ hinsichtlich der Lohnbeträge spätestens eben am fünften Arbeitstag des Folgemonats verweisen - was zu einer jeweiligen Lohnfälligkeit mit Gutschrift auf dem Konto des Arbeitnehmers und abhängig von der jeweiligen Situation der Arbeitstage am Monatsanfang frühestens am Fünften des jeweiligen Folgemonats führt (§ 271 Abs. 1 BGB).

d) Damit ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2. Aus diesen Gründen bleibt auch die Berufung des Klägers ohne Erfolg.

Mangels entscheidungserheblicher Besonderheiten besteht keine Veranlassung, von einem als im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG angemessen anzusehenden (finanziellen) Nachtarbeitszuschlag von 25% nach oben abzuweichen. Dies ergibt sich (gerade auch) nicht aus der Tätigkeit des Klägers als Nachtarbeitnehmers, etwa der Leistung von Nachtarbeit im Rahmen einer (Wechsel-)Schichtarbeit.

Hinsichtlich seines Hilfsantrages auf Gewährung von Freizeitausgleich „von 3 Arbeitstagen für 80 von vom Kläger geleisteten Nachtarbeitsstunden von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr“), im Sinne einer Wahlschuld, ist der Antrag des Klägers unzulässig, weil nicht ausreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Er will damit für jeweils 80 im Zeitraum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden einen Freizeitausgleich von (jeweils) „3 Arbeitstagen“.

Bereits der Begriff des „Arbeitstages“ ist jedoch quantitativ nicht ausreichend bestimmt, der Antrag des Klägers damit unzulässig:

Der Arbeitsvertrag normiert eine Arbeitszeit von „zur Zeit 40 Stunden wöchentlich“ (Paragraf 4 Ziff. 1 dort). Bei deren etwaiger, im Zweifel anzunehmender, - gleichmäßiger (?) - Verteilung auf fünf Arbeitstage/Woche (?) würde dies eine Arbeitszeit von acht Stunden je Arbeitstag (Nacht) bedeuten. Bei proportionaler Umsetzung eines 25prozentigen Nachtarbeitszuschlages (vgl. BAG, U. v. 01.02.2006, 5 AZR 422/04, NZA 2006, S. 494 f - Rzn. 22 f -) würde ein solcher Arbeitstag bei einem Nachtarbeitszuschlag von 25% (wie vorstehend als angemessen entschieden) bei 80 Nachtarbeitsstunden einem Freizeitausgleichsanspruch von (jeweils) 20 Stunden entsprechen - also nur 2 ½ solcher Arbeitstage. Andererseits hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, von der Beklagten nicht bestritten, ausgeführt (Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 28.11.2014, S. 2, Bl. 694 f/695 d. A.), dass er im streitgegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 seine Arbeit regelmäßig um 19.30 Uhr aufgenommen und zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr am Folgetag beendet habe. Diese Schichtzeit müsste, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mindestpausen von sonach 45 Minuten (§ 4 Satz 1 ArbZG), - und ohne Rücksicht auf die gesetzlich geregelte tägliche Höchstarbeitszeit: § 3 ArbZG - einer reinen Arbeitszeit von 10 ¾ Stunden bzw. 11 ¼ Stunden entsprechen. Ein Freizeitausgleich an solchen - nach unbestrittener Einlassung des Klägers: üblichen - Arbeitstagen würde deshalb zu einer (Über-)Erfüllung eines Freizeitausgleichsanspruches des Klägers für seine Nachtarbeitszuschläge von annähernd 40% (3 x ca. 11 Stunden = 33 Stunden für jeweils 80 Nachtarbeitsstunden) führen.

Hiernach ist dieser - der Höhe nach auch nicht begründete - Leistungsantrag nicht ausreichend bestimmt und einer Vollstreckung nicht zugänglich - damit unzulässig.

III. Wegen Erfolglosigkeit der Berufungen beider Parteien ergibt sich, angesichts nahezu identischer Anträge, die gleiche Kostenverteilung wie im erstinstanzlichen Urteil (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV. Die Berufungskammer hat die Revision für beide Parteien wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14 zitiert 22 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag


(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 3 Tarifgebundenheit


(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. (2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 271 Leistungszeit


(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. (2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 259 Klage wegen Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung


Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 6 Nacht- und Schichtarbeit


(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. (2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 4 Ruhepausen


Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nac

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit. (2) Arbeitn

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer


Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglic

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 262 Wahlschuld; Wahlrecht


Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Nov. 2014 - 5 AZR 1101/12

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2012 - 4 Sa 48/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Apr. 2014 - 4 AZR 802/11

bei uns veröffentlicht am 16.04.2014

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - wird zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 09. Apr. 2014 - 6 Sa 106/13

bei uns veröffentlicht am 09.04.2014

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 3. September 2013 – 9 Ca 77/13 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - 10 AZR 192/11

bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2010 - 17 Sa 830/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10

bei uns veröffentlicht am 18.05.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. April 2010 - 10 Sa 276/10 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 Sa 557/14.

Arbeitsgericht Trier Urteil, 21. Juni 2016 - 3 Ca 1527/15

bei uns veröffentlicht am 21.06.2016

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Fahrtkosten für die Zeit von Januar bis September sowie für November und Dezember von insgesamt 390,90 € brutto nebst Z

Referenzen

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2011 - 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 9. Dezember 2010 - 1 Ca 769/10 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 239,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers nach einem Mindestlohntarifvertrag.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsfachunternehmen. Sie betreibt ua. eine Niederlassung in S. Dort ist der Kläger als Altpapiersortierer im „4-Schichtsystem“ beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 21. September 2005 heißt es ua.:

        

„4.     

Sie erhalten die Vergütungsgruppe 6 = 6,73 €/ Stunde.

                 

Die Vergütung richtet sich nach den derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen.

        

5.    

Zuschläge und Zulagen werden entsprechend den hierfür geltenden Bestimmungen gewährt. Alle derzeit oder später gezahlten Zulagen sind arbeitsplatzbezogen. Außerdem sind sie stets freiwillige und widerrufliche Leistungen und können auf Lohnerhöhungen, auch wenn sie durch eine Änderung der Lohngruppe bedingt sind, angerechnet werden, soweit sie nicht ausdrücklich als feste Zulagen vereinbart sind.“

3

Der Kläger wird bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in wechselnden Schichten im Umfang von 37,5 Stunden eingesetzt. Wöchentliche Pausenzeiten werden von der Beklagten mit dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn vergütet.

4

Die Beklagte kauft Altpapier an. Das angelieferte Altpapier wird in ihrem Betrieb für die weitere Bearbeitung in sog. De-Inking-Papier für die Papier- sowie in Karton und Papier für die Kartonherstellung getrennt. Nach einer maschinellen Grobsortierung am Förderband einer Sortieranlage, an der ua. der Kläger tätig ist, wird das sortierte Altpapier ausschließlich von der auf demselben Gelände tätigen L GmbH (L GmbH) weiterverarbeitet. Die Altpapierversorgung der L GmbH, die alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist, bildet den Betriebszweck der Beklagten. Bei der L GmbH geht das sortierte Papier vom Förderband in eine Presse und dann in einen Stoffauflöser (sog. Pulper).

5

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte im Jahr 1999 mit dem am Standort S gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV 1999) geschlossen, in der ua. Zuschläge bei regelmäßiger Nachtarbeit iHv. 25 vH und für Spätschichten iHv. 5 vH je Stunde geregelt sind.

6

Am 31. Dezember 2009 wurde im Bundesanzeiger (BAnz. Nr. 198 S. 4573) die auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 AEntG(vom 20. April 2009, BGBl. I S. 799) erlassene „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst“ (AbfallArbbV) veröffentlicht. In dieser heißt es ua.:

        

§ 1   

        

Zwingende Arbeitsbedingungen

        

Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Mindestlohntarifvertrages für die Branche Abfallwirtschaft vom 7. Januar 2009 in der Fassung des ersten Änderungstarifvertrages vom 12. August 2009 … finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet oder Dienstleistungen des Kehrens und Reinigens öffentlicher Verkehrsflächen und Schnee- und Eisbeseitigung von öffentlichen Verkehrsflächen einschließlich Streudienste erbringt. …

        

§ 2     

        

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

        

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und am 31. Oktober 2010 außer Kraft.“

7

Der Mindestlohntarifvertrag für die Branche Abfallwirtschaft (vom 7. Januar 2009 idF vom 12. August 2009, nachfolgend TV Mindestlohn) enthält ua. folgende Regelungen:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Räumlicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

        

(2)     

Betrieblicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für die Branche Abfallwirtschaft. Diese umfasst alle Betriebe oder selbstständigen Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Abfälle sammeln, befördern, lagern, behandeln, verwerten oder beseitigen und/oder öffentliche Verkehrsflächen reinigen.

        

Protokollerklärung

        

…       

                 
        

§ 2

        

Mindestlohn

        

Der Mindestlohn beträgt mit Wirkung vom 1. Mai 2009 8,02 Euro je Stunde.

        

(2) Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens am letzten Werktag des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den der Mindestlohn zu zahlen ist.

        

(3) Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.“

8

Die Beklagte, die keinem der tarifschließenden Arbeitgeberverbände des TV Mindestlohn angehört, zahlte dem Kläger in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 einen Stundenlohn von 6,73 Euro brutto sowie für Zeiten von Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 7,45 Euro brutto bzw. 7,47 Euro brutto. Der Kläger erhielt auf Basis des vertraglich vereinbarten Stundenlohns einen Zuschlag iHv. 25 vH für geleistete Nachtarbeit, für Spätschichten einen iHv. 5 vH sowie vermögenswirksame Leistungen iHv. 39,88 Euro brutto im Monat.

9

Der Kläger hat mit seiner der Beklagten am 28. August 2010 zugestellten Klage für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 die monatliche - rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige - Differenz zwischen dem ihm tatsächlich gezahlten Stundenlohn (ohne Berücksichtigung der Zuschläge für Spätschichten und Nachtarbeit sowie den vermögenswirksamen Leistungen) und dem Mindestlohn von 8,02 Euro brutto verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten werde als Abfallverwertungsbetrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Weder die gezahlten Zuschläge für die Spätschichten und die Nachtarbeit noch die vermögenswirksamen Leistungen könnten auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden. Gleiches gelte für die bezahlten Pausen, die vergütet würden, weil Vor- und Nacharbeiten sowie Zeiten der Übergaben ohne Bezahlung blieben.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.285,85 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2010 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Mindestlohn stelle eine verfassungswidrige Sonderabgabe dar. Zudem habe der Vorordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn erweitert. Dies führe zur Nichtigkeit der AbfallArbbV. Nach der Richtlinie 2008/98/EG (vom 19. November 2008) sei Altpapier kein Abfall, sondern ein recyclingfähiger Rohstoff, der von ihr für die Produktion von Papier sortiert werde. Es liege weder eine Behandlung noch eine Verwertung von Abfällen vor. Neben den Spätschicht- und Nachtarbeitszuschlägen sowie den vermögenswirksamen Leistungen müssten die vergüteten Pausenzeiten bei der Ermittlung des für wöchentlich 37,5 Stunden gezahlten Entgelts berücksichtigt werden. Selbst wenn nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein Ausgleich für Nachtarbeit zu zahlen sei, wäre ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH des Stundenlohns bereits ausreichend und angemessen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und sie unter Anrechnung der gezahlten Spätschichtzulagen und der vermögenswirksamen Leistungen im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien zurückgewiesen und für beide die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt mit der von ihr eingelegten Revision die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers ist teilweise begründet.

14

Der Kläger kann nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn iVm. § 5 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG für die in der Zeit von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 vergüteten Arbeitsstunden ein Entgelt iHv. 8,02 Euro brutto verlangen. Die Rechtsnormen des TV Mindestlohn gelten für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis (unter I). Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die von ihr geleisteten Zuschläge für Nachtarbeit und die vermögenswirksamen Leistungen den Mindestlohnanspruch des Klägers in den jeweiligen Monaten nicht teilweise erfüllt. Demgegenüber ist der Vergütungsanspruch in den einzelnen Monaten durch Zahlung der Spätschichtzuschläge iHv. 104,99 Euro brutto erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), weshalb die Beklagte nur verpflichtet ist, an den Kläger insgesamt 1.180,96 Euro brutto zu zahlen (unter II).

15

I. Der Betrieb der Beklagten in S wird vom betrieblichen Geltungsbereich des TV Mindestlohn erfasst. Aufgrund der wirksamen AbfallArbbV findet der TV Mindestlohn im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

16

1. Die AbfallArbbV ist wirksam.

17

a) Ein Verstoß gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten(zu diesem einschlägigen Maßstab BVerfG 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25) liegt nicht vor.

18

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nach § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Es fehlt bereits an einer Geldleistungspflicht gegenüber der öffentlichen Hand (zu den Voraussetzungen ausf. BVerfG 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 156; s. auch 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - Rn. 25).

19

bb) Gleiches gilt für die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Verpflichtung, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, die sich aus der erhöhten Zahlungsverpflichtung ergeben, zu zahlen. Es handelt sich bei diesen um Beiträge im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, die nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden (vgl. dazu BSG 25. Januar 2006 - B 12 KR 27/04 R - Rn. 18 mwN zur Rspr. des BVerfG).

20

b) Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Revision verletzt § 4 AEntG auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG, in dem die gesetzliche Regelung die Möglichkeit der zwingenden Anwendung tariflicher Regelungen nur auf bestimmte Branchen ermöglicht.

21

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 ua. - Rn. 73 ff., BVerfGE 133, 377; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 21 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400).

22

bb) Die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 4 AEntG nur bestimmte Branchen aufzunehmen, kann sich auf einen hinreichenden Differenzierungsgrund stützen. Der Gesetzgeber konnte, nachdem (lediglich) die Tarifvertragsparteien der in § 4 Nr. 4 bis Nr. 8 AEntG genannten Branchen bereits bis zum 31. März 2008 Anträge auf Aufnahme in den Regelungsbereich des AEntG gestellt hatten (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23), davon ausgehen, dass die dort üblicherweise durch Tarifverträge geregelten Arbeitsbedingungen (vgl. BT-Drucks. 16/11669 S. 23) aktuell gefährdet seien (vgl. dazu die Gesetzesbegründung BR-Drucks. 542/08 S. 13, unter Hinweis auf die Erwägungen in BT-Drucks. 13/2414 S. 7). Das gesetzgeberische Handeln war deshalb auch unter Berücksichtigung der Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1 GG möglich(ebenso für das Baugewerbe nach dem AEntG idF vom 19. Dezember 1998, BGBl. I S. 3843 BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 405/00 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 357; sowie Däubler/Lakies TVG 3. Aufl. Anhang 2 zu § 5 TVG Rn. 71).

23

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die AbfallArbbV auch nicht deshalb unwirksam, weil der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des TV Mindestlohn in unzulässiger Weise erweitert hat. Soweit § 1 AbfallArbbV den Anwendungsbereich auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt, wenn der Betrieb oder die Betriebsabteilung „Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet“, ist die gesetzliche Bestimmung inhaltlich identisch mit § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Maßstäben etwa BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238).

24

aa) Bedienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337).

25

bb) Nach diesen Grundsätzen entspricht der Begriff „Abfall“ in § 1 Abs. 2 TV Mindestlohn dem Abfallbegriff in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG(vom 27. September 1994, BGBl. I S. 2705, in Kraft bis zum 31. Mai 2012). Danach sind „Abfälle im Sinne dieses Gesetzes … alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung.“ Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem langjährig unverändert gesetzlich definierten Abfallbegriff abweichen wollten, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich.

26

2. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV Mindestlohn erfasst. Bei dem dort sortierten Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. TV Mindestlohn und nicht bereits um einen sog. Sekundärrohstoff. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

27

a) Für die Auslegung der Begriffe „Abfälle“ und „verwerten“ nach § 1 Abs. 2 Satz 2 TV Mindestlohn sind nach den genannten Maßstäben(oben I 1 c bb) die einschlägigen, durch das KrW-/AbfG näher bestimmten Rechtsbegriffe heranzuziehen.

28

b) Bei dem von der Beklagten angekauften Altpapier handelt es sich um Abfall iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG(in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung).

29

aa) Abfälle iSd. Gesetzes sind alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Zu diesen beweglichen Sachen zählen nach der Gruppe Q14 „Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z.B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.)“. Die früheren Besitzer haben ihre Sachherrschaft an dem Papier aufgegeben und es einer Verwertung iSd. § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG iVm. dem Anhang II B zum KrW-/AbfG - Fall R2: Verwertung organischer Stoffe - zugeführt. Das ist insoweit zwischen den Parteien auch nicht streitig.

30

bb) Die Abfalleigenschaft des Altpapiers war weder schon vor der Anlieferung entfallen noch wurde sie durch die bei der Beklagten vorgenommene Sortierung und damit vor Verlassen des Betriebsgeländes beendet.

31

(1) Das Ende der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG die Beendigung des Verwertungsverfahrens bei gleichzeitiger Erfüllung der sich aus dem Abfallrecht ergebenden Pflichten des Abfallbesitzers in Bezug auf die Schadlosigkeit der Verwertung voraus. Erst mit der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des Abfalls endet das Regime des Abfallrechts. Die stoffliche Verwertung iSd. § 4 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 KrW-/AbfG durch Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen und somit die Beendigung der Abfalleigenschaft eines Stoffes setzt voraus, dass die Eigenschaften der gewonnenen Stoffe mit den Eigenschaften der zu substituierenden Primärrohstoffe identisch oder vergleichbar sind und ein Auftreten abfalltypischer Gefahrenlagen ausscheidet(BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Dies liegt etwa - unter bloßer Änderung der stofflichen Eigenschaften - vor bei der Gewinnung von Pappe aus Altpapier, von Glas aus Altglas oder von Kupfer aus Kabeln (BVerwG 14. Dezember 2006 - 7 C 4/06 - Rn. 21 f., 14, BVerwGE 127, 250; s. auch 4. September 2009 - 7 B 8/09 - Rn. 9 mwN).

32

(2) Danach handelt es sich beim Vorsortieren unterschiedlicher (Alt-)Papiersorten im Betrieb der Beklagten nicht um ein eigenständiges Verwertungsverfahren, sondern nur um einen ersten Teilschritt einer beabsichtigten weiteren Verwertung - die Bereitstellung des sortierten Ausgangsmaterials für den Betrieb der L GmbH, die im Rahmen eines weiteren Verwertungsprozesses das sortierte Altpapier in einem sog. Pulper weiter bearbeitet, um diejenige Faserstoffsuspension zu gewinnen, die für die Papier- und Kartonagenproduktion geeignet ist. Jedenfalls bei der Beklagten ist der Verwertungsvorgang noch nicht abgeschlossen. Deshalb hat die Abfalleigenschaft des Altpapiers noch nicht geendet. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 19. Juni 2003 - C-444/00 - [Mayer Parry Recycling] Rn. 84, Slg. 2003, I-6163; sowie 11. November 2004 - C-457/02 - [Antonio Niselli] Rn. 52, Slg. 2004, I-10853; 18. Dezember 1997 - C-129/96 - [Inter-Environnement Wallonie] Rn. 34, Slg. 1997, I-7411 zur RL 91/156/EG).

33

(3) Dass die Beklagte das Altpapier am Markt erwirbt, ist für dessen Abfalleigenschaft ohne Bedeutung. Auch die Verwertung von Abfällen ist Teil des Wirtschaftsgeschehens (vgl. EuGH Urteil vom 25. Juni 1997 - C-304/94 - [Tombesi] Rn. 54, Slg. 1997, I-3561). Sowohl das europäische als auch das deutsche Abfallrecht wollen im Interesse der Schonung der natürlichen Ressourcen die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder von Energie aus dafür geeigneten Abfällen befördern. Um dies sicherzustellen, soll der betreffende Stoff so lange den spezifischen Anforderungen des Abfallrechts unterliegen, bis der Verwertungserfolg eingetreten ist. Ob auf dem Weg zu dem Verwertungserfolg Veräußerungsgeschäfte stattfinden, ist grundsätzlich ohne Belang (BVerwG 19. November 1998 - 7 C 31/97 - zu 1 der Gründe). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2008/98/EG(vom 19. November 2008, ABl. EG L 312 vom 22. November 2008 S. 3) nicht gefolgert werden, dass „wiederwertbare Stoffe nicht als Abfall gelten dürfen“. Die Beklagte übersieht, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens erforderlich ist und weitere spezifische Kriterien zu erfüllen sind.

34

II. Den Mindestentgeltanspruch auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden hat die Beklagte in den einzelnen Monaten von Januar 2010 bis Juli 2010, die nach der Fälligkeitsregelung in § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn jeweils maßgebend sind, nicht in vollem Umfang erfüllt.

35

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers auf eine Vergütung mit einem Mindestlohn iHv. 8,02 Euro brutto gemäß § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn nicht nur im Umfang der von der Beklagten angenommenen Arbeitsleistung von 37,5 Stunden besteht, sondern aufgrund des bei ihr bestehenden Schichtsystems und der Vergütung von weiteren 2,5 Stunden als „bezahlte Pausen“ im Umfang der vertraglich vereinbarten 40 Stunden. Deshalb kommt eine Umrechnung der auf Basis von wöchentlich 40 Stunden geleisteten Vergütung auf einen Mindestlohnanspruch iHv. lediglich 37,5 Stunden in der Woche - wie es die Beklagte geltend macht - nicht in Betracht.

36

Soweit die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers entgegen der vertraglichen Vereinbarung im Umfang von 2,5 Stunden nicht angenommen hat, befand sie sich entweder - wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat - im Annahmeverzug (§ 615 BGB)oder - was nach dem Vorbringen des Klägers näher liegt - die tatsächliche Durchführung des Arbeitsvertrags ist dahingehend zu verstehen, dass die bezahlten Pausen als Bestandteil der Arbeitszeit zu vergüten war (vgl. dazu etwa BAG 24. November 1999 - 4 AZR 479/98 - zu I 3 der Gründe, BAGE 93, 26; s. auch 24. Mai 2007 - 6 AZR 706/06 - Rn. 20, BAGE 122, 371; 23. Januar 2001 - 9 AZR 4/00 - zu II 3 c bb (3) der Gründe).

37

2. Die von der Beklagten in den Monaten Januar 2010 bis Juli 2010 geleisteten Spätschichtzuschläge haben den Mindestlohnanspruch des Klägers erfüllt (unter a). Die weiteren Zahlungen für Nachtarbeit (unter b) sowie die vermögenswirksamen Leistungen (unter c) haben ihn hingegen nicht zum Erlöschen gebracht (§ 362 Abs. 1 BGB).

38

a) Die gezahlten Spätschichtzuschläge iHv. 5 vH zum vereinbarten Stundenentgelt sind auf den Anspruch des Klägers nach dem TV Mindestlohn anzurechnen, sodass sich der geltend gemachte Anspruch um 104,99 Euro brutto verringert. Der Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn ist in dieser Höhe erfüllt.

39

aa) Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individual- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Besteht danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit Sachgruppenbildung nach § 4 Abs. 3 TVG - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen(vgl. dazu etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244: „funktional äquivalent“), ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen (ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 28, BAGE 141, 163).

40

Zur Beurteilung der „funktionalen Gleichwertigkeit“ ist es erforderlich, die „Funktion“ zu bestimmen, die die reale Leistung des Arbeitgebers hat, um sodann festzustellen, ob sie sich auf diejenige vom Arbeitnehmer geleistete oder zu leistende Arbeit bezieht, die nach dem durch eine Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag mit dem Mindestlohn abgegolten sein soll. Für diese Bestimmung der Funktion ist jedenfalls dann der subjektive Wille des Arbeitgebers nicht entscheidend, wenn die Leistung nach einer an anderer Stelle als in dem durch Rechtsverordnung verbindlichen Tarifvertrag getroffenen Regelung erfolgt und sich ihre Funktion aus dieser Regelung ergibt. Soweit die vom Arbeitgeber danach angewandte Regelung etwa die Arbeitsleistung als besonders schwierig oder als unter erschwerten Bedingungen geleistet ansieht und hierfür einen in den Entgeltabrechnungen gesondert ausgewiesenen „Zuschlag“ an den Arbeitnehmer zahlt, ist dieser gleichwohl auf den Mindestentgeltanspruch anzurechnen, wenn der betreffende Mindestlohntarifvertrag diese Tätigkeit gerade nicht als zuschlagspflichtig ansieht, sondern sie als im Rahmen der mit dem Grundentgelt abzugeltenden „Normaltätigkeit“ bewertet (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 20, BAGE 141, 173; - 4 AZR 139/10 - Rn. 31, BAGE 141, 163).

41

Eine Erfüllungswirkung aller von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich deshalb nicht bereits aus dem Umstand, dass es sich um gezahltes Entgelt handelt. Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung insbesondere nicht auf die Entscheidung des Fünften Senats vom 23. März 2011 (BAG - 5 AZR 7/10 - Rn. 33, BAGE 137, 249) stützen. Das Urteil handelt von der Gewährung der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ gemäß § 10 Abs. 4, § 9 Nr. 2 AÜG während der Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung. Nur für diese Fallgestaltung, nicht aber für die Leistung von „Mindestentgeltsätzen“ iSd. § 5 Nr. 1 AEntG hat der Fünfte Senat auf einen Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum abgestellt.

42

bb) Die von der Beklagten gezahlten Spätschichtzuschläge haben den Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn in Höhe von 104,99 Euro erfüllt.

43

(1) Der nach dem TV Mindestlohn geregelte Mindestlohn erfasst jede Tätigkeit in der Abfallwirtschaft und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitsleistung unter erschwerten Bedingungen einer Spätschicht (dazu etwa BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 34; zur Zahlung einer Wechselschichtzulage wegen der erheblichen Einwirkung auf den Lebensrhythmus vgl. 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 39 mwN, BAGE 128, 42) erbracht wird oder nicht. Der von der Beklagten gezahlte Spätschichtzuschlag vergütet neben dem vertraglichen Stundenlohn iHv. 6,73 Euro brutto die Arbeitsbedingungen des Klägers, die nach dem TV Mindestlohn allein einen Anspruch von 8,02 Euro brutto für die dort geregelte „Normaltätigkeit“ begründen würden (vgl. auch BAG 18. April 2012 - 4 AZR 139/10 - Rn. 32, BAGE 141, 163 für eine Verkehrsmittelzulage).

44

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus § 2 Abs. 3 TV Mindestlohn kein anderes Ergebnis.

45

(a) Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine eigene tarifliche Kollisionsregelung, die der Auflösung eventueller Anspruchskonkurrenzen dient (dazu BAG 26. September 2012 - 4 AZR 782/10 - Rn. 33). Danach bleiben sowohl günstigere tarifliche als auch - namentlich im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG - betriebliche Regelungen „unberührt“. Für günstigere vertragliche Vereinbarungen wird das sowieso anwendbare Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG im Tarifvertrag festgehalten(vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14).

46

(b) Danach ist es zwar zutreffend, wenn der Kläger ausführt, die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn hätten „die Regelung … von besonderen Erschwernissen anderen Regelwerken … überlassen“. Seine weitere Schlussfolgerung, damit seien etwaige Erschwernisse nicht mit der „Stundenlohnvergütung als abgegolten“ anzusehen, wird von § 2 Abs. 3 iVm. Abs. 1 TV Mindestlohn aber nicht getragen. Entsprechend seinem Regelungswillen bestimmt der TV Mindestlohn als Mindestlohntarifvertrag den Mindestlohn „je Stunde“ unabhängig von den konkreten Arbeitsbedingungen oder „Erschwerungen“. Ihm kann nach Wortlaut und Systematik nicht entnommen werden, einzelne Vergütungsbestandteile, die aufgrund „anderer Tarifverträge, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Vereinbarungen“ zu zahlen sind, seien bei der Bestimmung des „höheren Entgeltanspruchs“ - in Anwendung des TV Mindestlohn einerseits und nach den anderen genannten Rechtsgrundlagen andererseits - nicht zu berücksichtigen.

47

(3) Einer Anrechenbarkeit der Spätschichtzulagen auf den Mindestlohnanspruch steht Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c Richtlinie 96/71/EG nicht entgegen.

48

(a) Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen „Isbir“ (7. November 2013 - C-522/12 - Rn. 36 ff., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14; unter Hinweis auf 14. April 2005 - C-341/02 - [Kommission/Deutschland] Rn. 39, Slg. 2005, I-2733) gibt die Richtlinie 96/71 selbst keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Definition des Mindestlohns. Vielmehr ist im Recht des betreffenden Mitgliedsstaates festzulegen, aus welchen Bestandteilen sich der Mindestlohn zusammensetzt. Die „Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteile des Mindestlohns definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern“, können „nicht aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 als derartige Bestandteile betrachtet werden“ (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 38, aaO).

49

(b) In Anwendung dieser Grundsätze kann nach den Rechtsvorschriften und Praktiken der Bundesrepublik Deutschland dem TV Mindestlohn nicht entnommen werden, dass Zuschläge für Spätschichten „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ worden sind. Die Vergütung für eine Arbeitsleistung unter den zeitlichen Bedingungen einer Spätschicht wurde nach dem TV Mindestlohn nicht einer separaten Regelung vorbehalten. Der tarifliche Mindestlohn ist „je Stunde“ festgelegt und unabhängig von der zeitlichen Lage sowie von den damit verbundenen Bedingungen, unter denen die Arbeitsleistungen zu erbringen sind. Nach den Gepflogenheiten des nationalen Tarifrechts bestand für die Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn - grundsätzlich und vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher oder tariflicher Regelungen - kein Erfordernis, ausdrücklich festzulegen, dass diese Entgeltregelung auch Arbeitsleistungen zu bestimmten Tageszeiten oder unter erschwerten Bedingungen erfasst, wenn - wie hier - ein Mindestlohn je Arbeitsstunde vereinbart ist.

50

b) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die von der Beklagten geleisteten Nachtarbeitszuschläge erloschen.

51

aa) Dem Kläger wurde für geleistete Nachtarbeit ein Zuschlag iHv. 25 vH des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. Dabei kann dahinstehen, ob der Zuschlag auf Grundlage der vom Kläger angeführten BV 1999 - deren weitere Geltung nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte und der vom Landesarbeitsgericht festgestellten „Eingliederung in den Betrieb der Beklagten“ vom Kläger nicht näher dargelegt wurde (dazu BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu III 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 356; 19. Juli 1957 - 1 AZR 420/54 - zu 2 der Gründe, BAGE 4, 232; für eine betriebliche Vergütungsordnung 14. August 2013 - 7 ABR 56/11 - Rn. 26), einer betrieblichen Übung, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, oder in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung nach § 6 Abs. 5 ArbZG geleistet worden ist. Da eine tarifliche Ausgleichsregelung für geleistete Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht bestand(zur vorrangigen Ausgestaltung durch die Tarifvertragsparteien BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272), war die Beklagte nach § 6 Abs. 5 ArbZG verpflichtet, „eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das“ dem Kläger zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist sie durch die Leistung der Nachtarbeitszuschläge als von ihr gewählter Schuldnerleistung (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 102, 309) nachgekommen. Indem sie das ihr nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehende Ermessen für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2010 ausgeübt hat, hat sie jedenfalls selbst den Inhalt des(gesetzlichen) Wahlschuldverhältnisses konkretisiert.

52

bb) Auch nach den Bestimmungen des TV Mindestlohn hätte die Beklagte über den dort in § 2 Abs. 1 geregelten Mindestlohn hinaus nach dem Inhalt des von ihr konkretisierten Wahlschuldverhältnisses einen Zuschlag für geleistete Nachtarbeit im Rahmen ihrer Ausgleichspflicht nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu leisten gehabt. Der Entgeltbestimmung in § 2 Abs. 1 TV Mindestlohn kann - anders als für eine Arbeitsleistung unter den Bedingungen einer Spätschicht(oben II 2 a bb) - nicht entnommen werden, dass mit dem tariflichen Mindestlohn von 8,02 Euro zugleich ein Ausgleich iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit geregelt ist.

53

(1) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich braucht zwar nicht nur ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein. Eine stillschweigende Ausgleichsregelung kann den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18 mwN).

54

(2) Der TV Mindestlohn enthält keine ausdrückliche Ausgleichsregelung für die Nachtarbeit. Ihm sind auch keine weiteren Hinweise zu entnehmen, dass die Belastungen durch Nachtarbeit in der Abfallwirtschaft bei der Bemessung des tariflichen Mindestlohns - stillschweigend - berücksichtigt worden sind. Bei Tätigkeiten im Rahmen der „Branche Abfallwirtschaft“ (§ 1 Abs. 2 TV Mindestlohn) fehlt es an Anhaltspunkten, die Tarifvertragsparteien der Abfallwirtschaft hätten diese Belastungen bereits mit dem Grundlohn erfasst. Allein der Umstand, dass in dieser Branche auch Nachtarbeit geleistet wird, reicht für eine solche Annahme nicht aus (vgl. nur BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).

55

(3) Da die Leistung von Nachtarbeitszuschlägen nach den nationalen Bestimmungen des TV Mindestlohn „nicht als Bestandteil des Mindestlohns definiert“ wurde (dazu oben II 2 a bb (3) (a)), können sie, weil der Arbeitnehmer „auf Verlangen des Arbeitgebers … Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet“ auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Bestimmung des Mindestlohns iSd. Richtlinie 96/71 unberücksichtigt bleiben (7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 39, ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

56

cc) Diesen in der Vergangenheit als Nachtzuschlag iHv. 25 vH geleisteten Zahlungen kann die Beklagte auf Grundlage von Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht rückwirkend eine teilweise andere Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB zuordnen.

57

(1) Der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, der als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterfällt, ist bereits wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam und kann auch nicht hinsichtlich eines der beiden Teile aufrecht erhalten werden(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 24 f., BAGE 139, 156).

58

(2) Ob der in Nr. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags gleichfalls enthaltene Anrechnungsvorbehalt (zur Teilbarkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 691/10 - Rn. 33, BAGE 141, 207) überhaupt einen durch Ausübung des Wahlrechts konkretisierten gesetzlich geregelten Zuschlag (dazu BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 15) nach § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit erfasst und die bereits in der Vergangenheit geleisteten Nachtarbeitszuschläge auf den höheren Entgeltanspruch nach dem TV Mindestlohn wenigstens teilweise angerechnet werden können(zum vertraglich vereinbarten Vorbehalt hinsichtlich der Tilgungsbestimmung bei übertariflichen Zulagen BAG 27. August 2008 - 5 AZR 821/07 - Rn. 12, 18, 22 ff. mwN), muss der Senat nicht entscheiden.

59

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, sie wolle mit ihrem Vorbringen, ein Zuschlag iHv. 10 vH oder 5 vH sei angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG, eine rückwirkende teilweise Anrechnung der bereits geleisteten Nachtarbeitszuschläge geltend machen, hat sie schon nicht dargetan, dass eine Zuschlagsregelung in dieser - geringeren - Höhe „angemessen“ ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt ein Zuschlag iHv. 25 vH regelmäßig als angemessen (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 19; 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - Rn. 21; 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - zu I 4 b aa der Gründe). Umstände, die es rechtfertigen, hiervon abzuweichen und einen geringeren Zuschlag als angemessen anzusehen (etwa bei Arbeitsbereitschaftszeiten BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 25; oder wenn der vom Gesetzgeber mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern, nicht zum Tragen kommt BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 115, 372), hat die Beklagte weder vorgetragen noch sind solche im Entscheidungsfall ersichtlich.

60

c) Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die in den Monaten Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010 gezahlten vermögenswirksamen Leistungen erfüllt worden.

61

aa) Vermögenswirksame Leistungen dienen wesentlich anderen Zwecken als der unmittelbaren Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit. Sie sind sowohl nach der Konzeption des nationalen Gesetzgebers als auch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zur langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorgesehen und verfolgen gerade im Hinblick auf die staatliche Förderung konkrete sozialpolitische Zwecke. Trotz regelmäßiger monatlicher Zahlung sind sie nicht dazu bestimmt, unmittelbar dem Bestreiten des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers zu dienen. Sie stehen ihm grundsätzlich nicht zur freien Verfügung, sondern sind zwingend langfristig anzulegen. Dabei gelten je nach Anlageart unterschiedliche Sperrfristen, etwa sieben Jahre bei Sparverträgen über Wertpapiere oder andere Vermögensbeteiligungen (§ 4 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Fünftes VermBG)und sechs Jahre beim Wertpapier-Kaufvertrag (§ 5 Abs. 2 Fünftes VermBG)und beim Beteiligungsvertrag oder dem Beteiligungs-Kaufvertrag mit dem Arbeitgeber (§ 6 Abs. 3, § 7 Abs. 3 Fünftes VermBG). Die vermögenswirksamen Leistungen sind danach unter nationalrechtlichen Gesichtspunkten nicht „funktional gleichwertig“ mit dem vom Arbeitgeber zu entrichtenden Mindestlohn (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 34, BAGE 141, 173). Nach dem Recht der Europäischen Union ergibt sich kein anderes Ergebnis (EuGH 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] - Rn. 43 f., ABl. EU 2014 Nr. C 9, 14).

62

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine mögliche Kündigung des der jeweiligen Anlageform zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses - hier der vom Kläger geschlossene Bausparvertrag - für eine Anrechenbarkeit ohne Bedeutung. Die von der Beklagten selbst für den Kläger nach § 2 Abs. 1 Einleitungssatz Fünftes VermBG angelegten Geldleistungen sind nach ihrer Zweckbestimmung gerade nicht dazu bestimmt, den laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern dienen der Vermögensbildung des Arbeitnehmers(§ 1 Abs. 1 Fünftes VermBG).

63

Darüber hinaus ist der Kläger aus keinem Rechtsgrund gehalten, die zwischen den Parteien vereinbarte Zweckbestimmung der von der Beklagten geleisteten vermögenwirksamen Leistungen zu ihren Gunsten abzuändern, um - wie diese meint - eine Anrechenbarkeit herbeizuführen.

64

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

65

III. Die Kostentscheidung ergibt sich in Anwendung von § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Valerie Holsboer    

                 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 3. September 2013 – 9 Ca 77/13 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2013 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 25 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von zwei Arbeitstagen zu gewähren.

Im Übrigen wird der Klagantrag zu 2) abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und der Kläger haben jeweils 50% der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe von Nachtarbeitszuschlägen.

2

Die Beklagte ist Teil der U.-Gruppe, die weltweit im Paketdienst tätig ist. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Eine Tarifbindung besteht nicht. Die Beklagte beschäftigt ca. 500 Kraftfahrer.

3

Der Kläger ist seit dem 22. März 1993 als Lkw-Fahrer im Linientransport für die Beklagte tätig. Derzeit ist der Kläger im Regionalbetrieb Nord-Ost mit Dienstsitz Hamburg-Ost eingesetzt. Bis zum 30. September 2013 erhielt der Kläger einen Bruttostundenlohn von 15,63 €. Seit dem 1. Oktober 2013 beträgt sein Bruttostundenlohn 15,90 €.

4

Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 22./30. März 1993 zugrunde. Dieser Arbeitsvertrag enthält unter § 7 Abs. 4 folgende Regelung:

5

„Alle Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis müssen spätestens drei Monate nach Fälligkeit, bei Ausscheiden spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden schriftlich bei der Firma geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche verfallen.“

6

Für die Regelungen des Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen.

7

Für die im Zeitraum von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zahlt die Beklagte einen Nachtarbeitszuschlag. Dieser Zuschlag ist in der Vergangenheit regelmäßig erhöht worden. So betrug der Zuschlag im Jahr 2010 bis einschließlich des Monats September 1,65 € brutto/Stunde, zwischen Oktober 2010 und September 2011 1,75 € brutto/Stunde, zwischen Oktober 2011 und September 2012 1,90 € brutto/Stunde und zwischen Oktober 2012 und September 2013 2,92 € brutto/Stunde. Seit Oktober 2013 gewährt die Beklagte Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 3,18 € brutto/Stunde. Bei einer prozentualen Betrachtung belief sich der Nachtarbeitszuschlag bezogen auf die Bruttostundenvergütung des Klägers im Zeitraum Oktober 2012 bis September 2013 auf 18,68 % und beträgt aktuell 20,00 %.

8

Nach der „U. Tariftabelle und Serviceleistungen 2013“ (Stand: 8. Juli 2013) bietet die Beklagte verschiedene Zustelltarife für Sendungen an. Neben Express-Zustellungen, bei denen die Zustellung zu bestimmten Zeiten zugesichert ist, gibt es für weniger dringliche Sendungen den „U. Standardtarif“. Die Laufzeit hängt bei diesem Tarif vom Herkunfts- und Bestimmungsort ab und lässt sich mit einem Tool „Laufzeit und Kosten berechnen“ auf dem Internetauftritt der Beklagen unter www...com berechnen. Für die verschiedenen Zustelltarife wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. August 2013 verwiesen (Bl. 60 f. d. A.).

9

Die Paketzustellung vollzieht sich in folgenden Schritten: Zunächst wird die Paketsendung von einem Zustellfahrzeug beim Kunden abgeholt und in die Abholniederlassung vor Ort gebracht. Dort werden die abgeholten Sendungen entladen und je nach Zieldestination in Container verladen. Dies erfolgt bis ca. 20:00 Uhr.

10

Die Container werden anschließend zu Hauptumschlagsbasen (so genannte "HUBs") transportiert. Im jeweiligen HUB erfolgt eine Sortierung aller von verschiedenen Abholniederlassungen oder von anderen HUBs in Containern eingehenden Sendungen. Diese werden dann sortiert nach Zielniederlassungen wieder in Container verladen und zur Zielniederlassung gebracht. Dort angekommen werden die Container entladen, nach Zustellgebieten sortiert und in die jeweiligen Zustellfahrzeuge verladen. Anschließend werden die Pakete vom jeweiligen Paketzusteller beim Kunden zugestellt.

11

Der Transport von einer Abholniederlassung zur HUB sowie von einer HUB-Sortierung zur Zielniederlassung erfolgt in großen Lastkraftwagen (so genannten "Feedern"). Diese Transporte sind Aufgabe der Beklagten innerhalb der U.-Gruppe.

12

Der Kläger wird regelmäßig für Nachtfahrten eingesetzt. Derzeit fährt der Kläger zumeist die Nachtroute zwischen der Niederlassung in Hamburg-Ost und der HUB in N. Seine Arbeitszeit beginnt dann um 20:15 Uhr in der Niederlassung Hamburg. Nach der Ankunft in der HUB in N. macht der Kläger in der Zeit zwischen 1:10 Uhr und 2:10 Uhr Pause. Anschließend übernimmt der Kläger die in der HUB in Container verpackten Transportgüter und bringt diese nach Hamburg.

13

Der Kläger arbeitete wie folgt:

14

- 2009: 1056,16 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2010: 1309,32 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2011: 1591,95 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2012: 1614,67 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 01/13 bis 07/13: 1041,98 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

15

Mit Schreiben des Klägers vom 27. Juli 2012, der Beklagten am 1. August 2012 zugegangen, wurde die Beklagte aufgefordert, Nachtschichtzuschläge auf der Grundlage von 30 % des Bruttostundenentgelts in Höhe von insgesamt 10.593,31 € brutto für den Zeitraum Januar 2010 bis Juni 2012 zu zahlen. Für die Aufstellung der Forderungen im Einzelnen wird auf die Anlage K 2 zur Klagschrift (Bl. 11 f. d. A.) verwiesen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. September 2012 wies die Beklagte die Forderung zurück. Insoweit wird auf die Anlagen K 3 zur Klageschrift (Bl. 14 f. d. A.) verwiesen.

16

Mit seiner am 8. Februar 2013 erhobenen Klage sowie mit Klagerweiterungen unter dem 27. Juni 2013 und 3. September 2013 Klage macht der Kläger Nachtarbeitszuschläge für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2009 bis zum 31.07.2013, ersatzweise Freizeitausgleich geltend. Weiterhin hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte für die Zeit ab dem 1. August 2013 verpflichtet ist, einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30% vom Bruttostundenlohn, ersatzweise Freizeitausgleich von 2 Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden, zu gewähren.

17

Im Hinblick auf geltend gemachte Ansprüche für das Jahr 2009 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

18

Der Kläger hat vorgetragen, da die Zahlung der steuerfreien Zuschläge regelmäßig und ohne jegliche Ausnahme seit 1993 für die Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr erfolgt sei, sei von einer entsprechenden betrieblichen Übung der Zahlung von steuerfreien Nachtarbeitszuschlägen auszugehen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Position zurückziehen, Nachtarbeit liege nach § 2 Abs. 3 ArbZG nur von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr vor.

19

Der grundsätzlich zu gewährende Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Bruttostundenlohns sei zu erhöhen, wenn die Arbeit – wie beim Kläger - dauerhaft in der Nacht geleistet werde. Die Nachtarbeit des Klägers sei mit erheblichen Anstrengungen und gesundheitlichen Belastungen verbunden. Nachtfahrten mit dem Lkw würden eine besonders hohe Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erfordern. Ferner seien die gesundheitlichen Belastungen bei Nachtfahrten besonders hoch, da der natürliche körperliche Biorhythmus gestört sei. Insoweit sei ein Nachtarbeitszuschlag von 30 % des Bruttostundenlohns angemessen.

20

Der Zweck der Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG, Nachtarbeit durch Verteuerung unattraktiv zu machen, sei auch bei der Beklagten zu erreichen. Die Nachtarbeit des Klägers sei vermeidbar. Die Transportgüter seien nach dem Standardtarif der Beklagten innerhalb von 48 Stunden zuzustellen. Die Transportzeit von der Abholung der Paketsendungen in der Niederlassung vor Ort bis zur Zustellung an die Kunden dauere maximal 14 Stunden. Bis zur Ausschöpfung der Zustellzeit von 48 Stunden bleibe eine Reserve von 30 Stunden. Somit sei es möglich, dass der Kläger mit seiner Arbeit erst um 6:00 Uhr beginne. Mit einer Zeitverschiebung von 9 Stunden und 45 Minuten wäre die Zustellzeit von 48 Stunden einhaltbar.

21

Der Kläger habe zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr wie folgt gearbeitet:

22

- 2009: 134 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2010: 169 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2011: 202 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2012: 132,35 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 01/13 bis 07/13: 69,1 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

23

Die Ansprüche seien nicht verfallen. Die arbeitsvertragliche Verfallfrist sei gewahrt. Der Kläger habe die Ansprüche innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht. Die Fälligkeit werde an den Umstand geknüpft, dass der Arbeitnehmer in der Lage sei, seine Forderung annähernd zu beziffern. Der Kläger sei zunächst davon ausgegangen, dass die von der Beklagten gezahlten Nachtschichtzuschläge angemessen seien. Erst anlässlich eines Gesprächs mit dem Betriebsratsvorsitzenden im Juli 2012 habe dieser dem Kläger mitgeteilt, dass die gezahlten Nachtarbeitszuschläge unangemessen seien. Erst ab diesem Zeitpunkt sei der Kläger in der Lage gewesen, den eingetretenen Anspruchsverlust zu verhindern.

24

Die Verfallsklausel sei im Übrigen unwirksam. Diese Klausel sei so zu verstehen, dass sie lediglich einseitig für den Arbeitnehmer anwendbar sei.

25

Der Kläger hat beantragt,

26

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 18.159,48 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz

27

auf € 57,98 seit dem 1.3.2009,

auf € 45,60 seit dem 1.4.2009,

auf € 413,48 seit dem 1.5.2009,

auf € 196,96 seit dem 1.6.2009,

auf € 448,53 seit dem 1.7.2009,

auf € 291,26 seit dem 1.8.2009,

auf € 21,41 seit dem 1.9.2009,

auf € 399,91 seit dem 1.10.2009,

auf € 331,44 seit dem 1.11.2009,

auf € 477,66 seit dem 1.12.2009,

auf € 312,20 seit dem 1.1.2010,

auf € 603,00 seit dem 1.1.2010,

auf € 485,52 seit dem 1.2.2010,

auf € 426,51 seit dem 1.3.2010,

auf € 493,12 seit dem 1.4.2010,

auf € 325,86 seit dem 1.5.2010,

auf € 279,42 seit dem 1.6.2010,

auf € 454,49 seit dem 1.7.2010,

auf € 104,82 seit dem 1.8.2010,

auf € 411,53 seit dem 1.9.2010,

auf € 89,34 seit dem 1.10.2010,

auf € 22,80 seit dem 1.11.2010,

auf € 256,79 seit dem 1.12.2010,

auf € 381,66 seit dem 1.1.2011,

auf € 763,50 seit dem 1.1.2011,

auf € 424,84 seit dem 1.2.2011,

auf € 431,94 seit dem 1.3.2011,

auf € 465,48 seit dem 1.4.2011,

auf € 297,81 seit dem 1.5.2011,

auf € 431,53 seit dem 1.6.2011,

auf € 333,63 seit dem 1.7.2011,

auf € 450,53 seit dem 1.8.2011,

auf € 228,00 seit dem 1.9.2011,

auf € 385,83 seit dem 1.10.2011,

auf € 336,00 seit dem 1.11.2011,

auf € 353,57 seit dem 1.12.2011,

auf € 380,66 seit dem 1.1.2012,

auf € 929,20 seit dem 1.1.2012,

auf € 380,09 seit dem 1.2.2012,

auf € 447,49 seit dem 1.3.2012,

auf € 467,82 seit dem 1.4.2012,

auf € 274,53 seit dem 1.5.2012,

auf € 428,34 seit dem 1.6.2012,

auf € 243,54 seit dem 1.7.2012,

auf € 470,20 seit dem 1.8.2012,

auf € 178,73 seit dem 1.9.2012,

auf € 326,26 seit dem 1.10.2012,

auf € 239,46 seit dem 1.11.2012,

auf € 284,80 seit dem 1.12.2012,

auf € 240,91 seit dem 1.1.2013 und

auf € 622,05 seit dem 1.1.2013

28

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 88 Arbeitstagen zu gewähren.

29

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. August 2013 eine Nachtschichtzuschlag in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen und im Falle des Verzugs den geschuldeten Betrag mit Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen Abrechnungsmonat folgenden Monatsersten zu verzinsen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von zwei Arbeitstagen zu gewähren;

30

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1461,74 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf

31

€ 323,00 seit dem 1.2.2013,

€ 315,03 seit dem 1.3.2013,

€ 317,81 seit dem 1.4.2013,

€ 342,62 seit dem 1.5.2013 und

€ 86,05 seit dem 1.6.2013

32

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 3,45 Arbeitstagen zu gewähren;

33

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 717,79 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf

34

€ 336,50 seit dem 1.7.2013 und auf

€ 381,29 seit dem 1.8.2013

35

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 3,39 Arbeitstagen zu gewähren.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe stets einen angemessenen Zuschlag für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden gewährt. Bei der Bewertung der Angemessenheit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte für den Zeitraum zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr freiwillige Zuschläge leiste, dass zur Durchführung des Geschäfts der Beklagten der nächtliche Warentransport zwingend erforderlich und Nachtarbeit üblich sei und dass die Beklagte an den Kläger bereits einen deutlich übertariflichen Grundlohn (15,63 € statt 11,35 € nach dem Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Verkehrsgewerbes für das Land Hamburg, gültig ab dem 1. Januar 2013, vgl. Anlage B 1, Bl. 32 ff. d. A.) zahle.

39

Bei der Beklagten werde die Nachtarbeit nicht geleistet, um die Produktion zu steigern, sondern um eine wettbewerbsfähige Warenzustellung überhaupt erst zu ermöglichen. Es sei zu bestreiten, dass die vom Kläger durchgeführten Feeder-Transporte auch am Tage durchgeführt werden könnten. Um eine zeitnahe Zustellung zu realisieren, sei es entscheidend und unerlässlich, dass die zuzustellenden Paketsendungen über Nacht von der Beklagten zum jeweiligen HUB bzw. zur jeweiligen Zielniederlassung transportiert würden. Anders ließe sich eine konkurrenzfähige und vom Markt erwartete zeitnahe Zustellung der Pakete nicht realisieren. Dies gelte natürlich erst recht für die verschiedenen Express-Produkte, die von U. angeboten würden. Der Kläger verkenne, dass das Marktumfeld in Deutschland durch einen sehr intensiven Wettbewerb in der Branche geprägt sei. Die Beklagte arbeite hierbei vorwiegend für Geschäftskunden. Für diese Kunden spiele neben der Preisgestaltung insbesondere die Servicequalität der Anbieter eine überragende Rolle. Zu der von den Kunden erwünschten Servicequalität gehöre naturgemäß insbesondere die möglichst zeitnahe, unbeschädigte und verlässliche Zustellung versandter Pakete. Dementsprechend biete die Beklagte in Deutschland ein umfassendes Portfolio an Servicearten an.

40

Bei Berücksichtigung der für die Arbeitszeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gewährten Nachtarbeitszuschläge betrage der von der Beklagten gewährte Nachtarbeitszuschlag derzeit faktisch 25 % der Arbeitsvergütung für die Nachtstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Der für die Zeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr gewährte Zuschlag sei auf die Nachtarbeitszeit nach 23:00 Uhr umzulegen. Zu berücksichtigen sei bei der Berechnung, dass der Kläger seine einstündige Pause in der Zeit nach 23:00 Uhr nehme. Für die Zeit der Pausen sei kein Zuschlag zu zahlen, da sie keine Arbeitszeit sei. Daher würde dem Kläger insgesamt für den siebenstündigen Zeitraum zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr lediglich für 6 Stunden ein Nachtarbeitszuschlag zustehen.

41

Ein Rückgriff auf die im Wirtschaftszweig der Beklagten bestehenden Tarifverträge führe nicht zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten gewährten Nachtarbeitszuschläge unangemessen seien. Die Tariflandschaft im Bundesgebiet sei insoweit außerordentlich „bunt“. Dies sei vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bundesweit tätig sei, zu berücksichtigen. Zudem verbiete sich ein direkter Rückgriff auf tarifvertragliche Regelungen schon deshalb, weil die Beklagte nicht tarifgebunden sei.

42

Etwaige Ansprüche des Klägers für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2012 seien verfallen.

43

Die Berechnungen des Klägers seien mit Rechenfehlern behaftet. Die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil sie unschlüssig sei.

44

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 3. September 2013 über den Feststellungantrag zu 2) entschieden und diesem Antrag teilweise stattgegeben. Mit seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. August 2013 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis vor 6:00 Uhr in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von 2 Arbeitstagen zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zu 2) zurückgewiesen.

45

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch und bestehe kein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO, sodass der Antrag insoweit als unzulässig abzuweisen sei. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des ausgeurteilten Nachzuschlages ergebe sich aus § 6 Abs. 5 ArbZG. Der Kläger sei Nachtarbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Ihm stehe daher entweder ein angemessener Vergütungszuschlag oder eine angemessene Zahl freier Tage zu. Bei dem Merkmal „angemessen“ handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger Nachtarbeit im Dauereinsatz ausübe, seien ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % bzw. der beantragte Freizeitausgleich von zwei freien Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden als angemessen anzusehen. Der Nachtarbeitszuschlag sei dem Kläger lediglich für die gesetzlich definierte Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr zuzusprechen (§ 2 Abs. 3 ArbZG). Für die Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Teilurteils vom 3. September 2013 verwiesen.

46

Die Beklagte hat das ihrem Prozessbevollmächtigten am 16. September 2013 zugestellte Urteil am 9. Oktober 2013 mit der Berufung angegriffen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Dezember 2013 ist die Berufungsbegründung der Beklagten am 16. Dezember 2013 bei Gericht eingegangen.

47

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht Hamburg habe bei der Überprüfung des von der Beklagten gezahlten Zuschlags am Merkmal "angemessen" i. S. des § 6 Abs. 5 ArbZG seinen Beurteilungsspielraum überschritten und wesentliche Umstände des Einzelfalls nicht beachtet.

48

Die U.- Gruppe arbeite überwiegend für Geschäftskunden. Für diese spiele neben der Preisgestaltung insbesondere die Servicequalität eine überragende Rolle. Hierzu gehören insbesondere, dass U. eine fristgerechte Zustellung von Express-Produkt garantiere und sogar eine Geld-Zurück-Garantie für den Fall einer nicht rechtzeitigen Zustellung gewähre. Die Darstellung des Klägers, dass Paketsendungen im Standardtarif ohne Qualitätsverlust auch während der Tag Zeit transportiert werden könnten, sei falsch und realitätsfremd. Auch bei diesem Tarif erwarte der Kunde gerade in Ballungszentren eine Zustellung am folgenden Werktag. Um die Zustellung der Express-und Standardprodukte entsprechend dem Serviceversprechen zu ermöglichen, müssten die Paketsendungen über Nacht zum jeweiligen HUB und zur jeweiligen Zielniederlassung transportiert werden.

49

Hieraus ergebe sich, dass bei der Beklagten – dem Zweck entsprechend – zwingend Nachtarbeit geleistet werden müsse. Dies sei bei der Höhe des zu leistenden Nachtarbeitszuschlags deutlich mindernd zu berücksichtigen.

50

Auch habe das Arbeitsgericht die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere hätte das Arbeitsgericht den sehr hohen Grundlohn, den die Beklagte zahle, bei der Überprüfung der Angemessenheit der gezahlten Zuschläge berücksichtigen müssen. Bei einem hohen Stundenlohn würden die Nachtarbeitszuschläge auch bei einem geringeren Prozentsatz sehr teuer. Es sei darauf hinzuweisen, dass das Gesetz eine prozentuale Koppelung des Zuschlags an den Grundlohn überhaupt nicht vorsehe. Durch den Ansatz des Arbeitsgerichts würde die Beklagte letztlich dafür "bestraft", dass sie ihren Arbeitnehmern einen hohen, deutlich übertariflichen Stundenlohn zahle.

51

Das Arbeitsgericht sei zudem fehlerhaft davon ausgegangen, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn nicht bereits Erschwernisse der Nachtarbeit berücksichtige. Insoweit liege eine stillschweigende Ausgleichsregelung vor. Bei der Beklagten seien ca. 90 % der Kraftfahrer in Nachtarbeit tätig. In einem solchen Fall sei nicht zwingend erforderlich, dass zwischen dem Grundlohn und einer Nachtarbeitspauschale unterschieden werde.

52

Der Umstand, dass der Manteltarifvertrag für Lohnempfänger im Güterverkehrs- und Speditionsgewerbe Hamburg nach § 5 Abs. 2 Ziffer 1 während der Nachtarbeit einen Zuschlag von 25 % vorsehe, könne bei einer vollständigen Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine maßgebliche Rolle spielen. Die Beklagte sei bundesweit tätig. Beispielsweise betrügen die Nachtarbeitszuschläge gemäß § 3 Nr. 2 b) des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik-und Transportwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009 für Kraftfahrer, die Fahrten in einem Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort ausführten, 5,00 € je Nachtschicht (vgl. Anlage B 4, Bl. 224 d. A.).

53

Der Leistung von Dauernachtarbeit könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass der Prozentsatz für einen „angemessenen“ Ausgleich hier generell gegenüber einem Einsatz in Wechselschicht zu erhöhen wäre. Vielmehr sei dem Umstand einer stärkeren Belastung im Falle der Dauernachtarbeit bereits dadurch Rechnung getragen, dass hier naturgemäß ein größerer Anteil der Arbeitszeit in die zuschlagspflichtigen Zeiträume falle.

54

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht hätte richtigerweise zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die seitens der Beklagten gezahlten Nachtarbeitszuschläge bereits "angemessen" seien und damit kein Raum für eine darüber hinausgehende Verurteilung zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen oder Gewährung von Freizeitausgleich bestehe.

55

Die Beklagte verweist ergänzend auf ein Rechtsgutachten des Herrn R./Universität T. zur Frage der Bestimmung des Vergütungszuschlags für Nachtarbeitnehmer, das dieser im Auftrag der Beklagten erstellt hat, und macht sich dessen Rechtsausführungen zu eigen. Für den Inhalt des Rechtsgutachtens wird auf die Anlage B 7, Bl. 352 ff. d. A. verwiesen.

56

Die Beklagte beantragt,

57

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. September 2013, Az. 9 Ca 77/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

58

Der Kläger beantragt,

59

die Berufung zurückzuweisen

60

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und trägt ergänzend vor, es werde bestritten, dass 90 % der bei der Beklagten beschäftigten Kraftfahrer auf Nachttouren eingesetzt wurden. Wie sich aus einer beispielhaften Betrachtung der Woche 13. bis 18. Januar 2014 für den Regionalbetrieb H. ergebe, dem der Kläger zugeordnet sei, seien etwa die Hälfte der Nachttouren von Fremdspeditionen oder Leiharbeitern durchgeführt worden. Abzüglich dieser Touren sowie der Tagestouren verbliebe ein Nachttourenanteil für die Mitarbeiter der Beklagten von rund 50 %.

61

Es sei nicht korrekt, wenn die Beklagte vortrage, sie zahle allen Kraftfahrern einen Nachtarbeitszuschlag von 20 %. Die Beklagte zahle keinen prozentualen Anteil vom Bruttogrundlohn, sondern einen Betrag von 3,18 € pro Stunde. Bei einer künftigen Erhöhung des Bruttogrundlohns würde sich der Zuschlag nicht entsprechend erhöhen.

62

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

63

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

I.

64

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft. Sie ist, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG), auch im Übrigen zulässig.

II.

65

Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Feststellungsantrag zu 2) ist in geringerem Umfang stattzugeben, als dies durch das Arbeitsgericht erfolgt ist.

66

1. Der dem Teilurteil des Arbeitsgerichts zugrundeliegende Feststellungsantrag zu 2) des Klägers ist zulässig.

67

Ein Feststellungsinteresse für den Antrag ist gegeben, soweit er in der Berufungsinstanz zur Entscheidung anfällt (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies gilt, obwohl er sich nicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien insgesamt, sondern lediglich auf die Höhe der Nachtarbeitszuschläge bzw. den zum Ausgleich für Nachtarbeit zu gewährenden Freizeitausgleich bezieht. Auch streitige Teilrechtsverhältnisse können Gegenstand von Feststellungsklagen sein, wenn die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, eine Klärung herbeizuführen (vgl. etwa BAG 23.09.2009 – 5 AZR 628/08 - AP Nr. 36 zu § 157 BGB).

68

Hier sind die Höhe der Nachtarbeitszuschläge zwischen den Parteien nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft im Streit. Die Entscheidung über den zukunftsgerichteten Feststellungsantrag ist zur Klärung dieses Teilrechtsverhältnisses geeignet.

69

2. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den zur Entscheidung gestellten Zeitraum ab dem 1. August 2013 für Arbeitszeiten zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr einen höheren Nachtarbeitszuschlag als den aktuell gewährten Zuschlag zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von 2 Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden zu gewähren.

70

Soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass der zu zahlende Nachtarbeitszuschlag 30 % vom Bruttostundenlohn des Klägers zu betragen habe, ist der angesetzte Prozentsatz allerdings zu hoch. Angemessen ist ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % der Bruttovergütung des Klägers.

71

a) Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Die gesetzliche Regelung ist subsidiär und tritt nur ein, wenn eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht (vgl. BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG).

72

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG erfüllt. Der Kläger ist Nachtarbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Er leistet an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG i.V. mit § 2 Abs. 3 und 4 ArbZG). Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung kommt nicht zum Tragen. Tarifvertragliche Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

73

Entsprechend dem Antrag des Klägers war sowohl über die Höhe des Nachtzuschlags zu entscheiden als auch der Umfang des Freizeitausgleichs festzusetzen, den der Arbeitgeber alternativ zum Nachtarbeitszuschlag gewähren kann.

74

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist noch nicht beendet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Beklagte deshalb ein Wahlrecht, ob sie den Anspruch des Klägers durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder auch durch eine Kombination von beidem erfüllt (vgl. zum Wahlrecht des Arbeitgebers etwa BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249; BAG 24.02.1999 – 4 AZR 62/98 – BAGE 91, 63; BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich in der Vergangenheit entschieden hat, für Nachtarbeitsstunden Zuschläge und keinen Freizeitausgleich zu gewähren. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 263 BGB) hat sich hierdurch für die Zukunft nicht auf eine der wahlweise geschuldeten Leistungen konkretisiert. Denn der Leistung von Nachtarbeitszuschlägen lag keine vertragliche Vereinbarung der Parteien, sondern eine einseitige Entscheidung der Beklagten zugrunde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte ihr Wahlrecht (unter Berücksichtigung des insoweit bestehenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, vgl. hierzu BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249; BAG 26.04.2005 – 1 ABR 1/04 – AP Nr. 118 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit) im fortbestehenden Arbeitsverhältnis in anderer Weise ausübt und sich entscheidet, statt der Nachtarbeitszuschläge Freizeit im ausgeurteilten Umfang zu gewähren.

75

b) Bei dem Merkmal „angemessen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Rechtsanwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. etwa BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; LAG Köln, 02.06.2005 – 6 (8) Sa 206/05 – AFP 2006, 85 f.).

76

aa) Im Regelfall ist ein Prozentsatz von 25 % der Bruttovergütung als angemessen anzusehen (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG; BAG 01.02.2006 – 5 AZR 422/04 – NZA 2006, 494; BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG). Ob dieser Wert auch im Einzelfall angemessen ist oder ob von diesem Prozentsatz nach oben oder unten abgewichen werden muss, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach der Art der Arbeitsleistung zu beurteilen (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Eine (prozentuale) Verknüpfung zwischen Grundvergütung und Nachtarbeitszuschlag ist hierbei nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG schon deshalb geboten, weil der Zuschlag „auf“ das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren ist (vgl. BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG).

77

Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Gutachten des Herrn R. (Anlage B 7, Bl. 352 ff. d.A., Seite 41 f. Bl. 396 d. A.) einen Vergütungszuschlag von 10 v.H. als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Angemessenheit wählen will, kann ihr nicht gefolgt werden. Zur Begründung des Ausgangswertes von 10 % nimmt Herr R. in seinem Gutachten Bezug auf Vorschläge zu Freistellungsansprüchen, die im Gesetzgebungsverfahren zu § 6 Abs. 5 ArbZG diskutiert worden sind. Die entsprechenden Gesetzentwürfe sahen eine zwingende Freizeitgewährung (im Umfang von weniger als 10 %) für geleistete Nachtarbeit vor (s. hierzu. S. 25 f. des Gutachtens, Anlage B 7, Bl. 352 ff., Bl. 380 f. d.A., sowie S. 38 f. des Gutachtens, Anlage B 7, Bl. 393 f. d.A.; siehe auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf, Anlage 2 zum RegE, BT-Drucks. 12/5888, S. 41; vgl. zu einer mit dem Gesetzgebungsverfahren begründeten Zulagenhöhe von etwa 10 % als „untere Grenze der Angemessenheit“ auch BAG, 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG).

78

Die Argumentation des Herrn R. überzeugt schon deshalb nicht, weil die von ihm angeführten Entwürfe nicht Gesetz geworden sind.

79

Der Gesetzgeber hat sich gegen eine gesetzlich zwingende Regelung zum Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeitsstunden entschieden und den Arbeitgebern die Wahl ermöglicht, stattdessen Nachtarbeitszuschläge an die Nachtarbeitnehmer zu zahlen. Dies muss bei der Anwendung des § 6 Abs. 5 ArbZG berücksichtigt werden (vgl. auch BAG, 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 - AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG).

80

Die Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG soll dem Gesundheitsschutz dienen (vgl. die Begründung zum RegE BT-Drucks.12/5888, S. 21). Hinter der Regelung steht das Ziel, Nachtarbeit wegen der mit ihr verbundenen sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst einzuschränken (vgl. etwa BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG).

81

Die gesundheitsschützende Wirkung einer Regelung, die einen zwingenden Freizeitausgleich für eine bestimmte Zahl von Nachtarbeitsstunden vorsieht, unterscheidet sich von der Wirkung einer Regelung, die einen finanziellen Ausgleich für die Arbeit in den Nachtstunden ermöglicht:

82

Eine Freizeitausgleichsregelung kommt der Gesundheit und der sozialen Einbindung der betroffenen Nachtarbeitnehmer unmittelbar zugute. Die Nachtarbeitnehmer können die zusätzliche Freizeit zur Erholung und zur Teilhabe am sozialen Leben zu nutzen.

83

Demgegenüber hat ein finanzieller Ausgleich durch Nachtarbeitszuschläge keine Auswirkung auf die gesundheitlichen und sozialen Belastungen der Nachtarbeit. Die Nachtarbeitszuschläge schützen die Gesundheit und die sozialen Belange der Betroffenen nicht, sondern gewähren den Nachtarbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich - eine Kompensation - für die erlittenen Belastungen (so auch das Rechtsgutachten des Herrn R., S. 25, Anlage B 7, Bl. 352 ff., Bl. 380 d. A.). Nachtarbeitszuschläge sind für den Arbeitgeber die organisatorisch einfacher umsetzbare Ausgleichsmaßnahme, weil sich die Zahlung von Zuschlägen – anders als die Gewährung zusätzlicher Freizeit – auf den Betriebsablauf nicht auswirkt.

84

Die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, den Ausgleich für Nachtarbeit durch Zuschläge zu leisten, entspricht dem gesetzgeberischen Ziel des Gesundheitsschutzes nur dann, wenn die Zahlungen über die Kompensation der Belastungen für die einzelnen Betroffenen hinaus eine gesundheitsschützende „Fernwirkung“ erzeugen. Eine solche mittelbar gesundheitsschützende Wirkung der Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG tritt ein, wenn die Nachtarbeit durch die zu leistenden Zuschläge so verteuert wird, dass sie wegen der mit ihr verbundenen betriebswirtschaftlichen Kosten auf die wirklich notwendigen Fälle beschränkt wird. Die mittelbare nachtarbeitsvermeidende Wirkung von Nachtarbeitszuschlägen verlangt, dass die Zuschläge nicht nur die Belastungen der Nachtarbeitnehmer kompensieren, sondern die Nachtarbeit darüber hinaus spürbar verteuern. Dies ist bei einem Zuschlag von 25 % auf die Bruttovergütung, nicht aber bei geringeren Zuschlägen der Fall (BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG).

85

Dass ein Zuschlag von 25 % der Bruttovergütung als „Regelnachtzuschlag“ angemessen ist, wird durch die gesetzlichen Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von Nachtarbeitszuschlägen bestätigt (§ 3b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EStG). Indem Nachtarbeitszuschläge von 25 % für die Zeit zwischen 20:00 Uhr und 24:00 Uhr sowie 4:00 Uhr bis 6:00 Uhr und von 40 % für die Zeit von 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr von der Einkommenssteuer befreit sind, hat der Gesetzgeber einen Anhaltspunkt dafür geliefert, welchen Wert er der Nachtarbeit beimisst (so auch BAG 05.09.2002 -– 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Zwar verfolgt die steuerrechtliche Regelung keine Ziele des Gesundheitsschutzes. Doch macht sie deutlich, bis zu welcher Grenze Ausgleichszahlungen für die Belastungen der Nachtarbeit als angemessen angesehen werden.

86

cc) Aus den Zwecken, denen die Nachtarbeitszuschläge dienen, ergeben sich zugleich die Kriterien, nach denen in Ansehung der Gegenleistung von der regelmäßig zu zahlenden Zulage von 25 % nach oben oder unten abgewichen werden kann:

87

Eine geringere Zuschlagshöhe ist angemessen, wenn die Arbeitszeit während der Nachtzeit auch Bereitschaftszeiten oder Phasen der Entspannung umfasst (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Denn wenn die Belastungen durch die Nachtarbeit geringer sind, ist hierfür auch ein geringerer finanzieller Ausgleich zu zahlen.

88

Ein geringerer Zuschlag ist auch dann festzusetzen, wenn das Ziel des Gesetzgebers, Nachtarbeit zu vermeiden, wegen der Art der Tätigkeit nicht erreichbar ist (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Wenn die von den Nachtarbeitnehmern geschuldeten Tätigkeiten zwingend auch nachts anfallen, kann die Nachtarbeit durch eine Verteuerung der Arbeitsleistungen nicht vermieden werden (z.B. Bewachungsgewerbe, BAG 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG; Rettungssanitäter BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG).

89

Demgegenüber ist grundsätzlich ein höherer Prozentsatz gerechtfertigt, wenn der Einsatz der Arbeitnehmer in Dauernachtschicht erfolgt. Grund hierfür sind die besonderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die mit der Dauernachtarbeit einhergehen, sowie die besonderen Einschränkungen bei der Teilhabe am sozialen Leben, die Arbeitnehmer mit Dauernachtarbeit hinzunehmen haben (BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG; BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Diese Belastungen werden entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon dadurch ausgeglichen, dass Arbeitnehmer in Dauernachtschicht für alle gearbeiteten Nachtstunden Zulagen erhalten. Denn der dauerhafte Verzicht auf nächtlichen Schlaf und auf das soziale Leben, das sich nach dem Arbeitsende des überwiegenden Teils der erwerbstätigen Bevölkerung abspielt, hat ein gesteigertes Maß an gesundheitlicher und sozialer Belastung zur Folge. Diese Belastungen verlangen einen höheren finanziellen Ausgleich für die einzelne geleistete Nachtarbeitsstunde.

90

Anhaltspunkte bei der Bestimmung der angemessenen Zuschlagshöhe können auch die branchenüblichen Tarifverträge bieten. Zwingend ist dies allerdings nicht (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; BAG – 9 AZR 180/02 – juris). Zudem können bei der Bemessung des Nachtzuschlags die wirtschaftlichen Bedingungen in der jeweiligen Branche und die Konditionen der Erwerbstätigkeit im Übrigen eine Rolle spielen (vgl. BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Es ist jeweils eine Betrachtung des Einzelfalls geboten (vgl. BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249).

91

c) Eine Beurteilung der Umstände im vorliegenden Fall führt zum Ergebnis, dass ein Nachtarbeitszuschlag in der „regelmäßigen Höhe“ von 25 % angemessen ist.

92

Für einen hohen Nachtarbeitszuschlag spricht, dass der Kläger Dauernachtarbeit leistet und den mit dieser Art der Beschäftigung einhergehenden besonderen gesundheitlichen und sozialen Belastungen ausgesetzt ist.

93

Für einen hohen Nachtzuschlag spricht weiter, dass der Einsatz des Klägers als LKW-Fahrer keine Bereitschafts- oder Entspannungszeiten umfasst, sondern konzentriertes Arbeiten während der gesamten Nachtzeit erfordert.

94

Zudem ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als LKW-Fahrer im Pakettransport um eine Arbeit handelt, die nicht zwingend in der Nacht anfällt: Faktisch besteht die Möglichkeit, Paketsendungen ohne den Einsatz von Nachtarbeit zu ihrem Bestimmungsort zu bringen. Bei einer Betrachtung der Tätigkeit an sich ist die Verteuerung der Nachtarbeit deshalb grundsätzlich geeignet, den Umfang der Nachtarbeit im Pakettransport zu verringern.

95

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann aus diesen Umständen jedoch nicht geschlossen werden, dass ein Nachtarbeitszuschlag für den Kläger in einer die „übliche“ Höhe von 25 % übersteigenden Höhe von 30% der Bruttovergütung angemessen ist. Der Nachtarbeitszuschlag ist vielmehr auf 25 % zu begrenzen, da auf der anderen Seite Umstände zu berücksichtigen sind, die einer Bemessung des Zuschlags in einer das übliche Maß übersteigenden Höhe entgegenstehen:

96

Zum einen muss Berücksichtigung finden, dass die Nachtarbeit für das unternehmerische Konzept der Beklagten essenziell ist: Die Beklagte besteht im Wettbewerb dadurch, dass sie verlässliche, kurze Transportzeiten für Paketsendungen gewährleistet. Dies gilt insbesondere für die Spezialtarife. Aber auch im Standardtarif bedeuten die Geschwindigkeit und die Zuverlässigkeit einen Wettbewerbsvorteil. Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass sie die für ihr Geschäftsmodell erforderliche Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit nur durch regelmäßige Nachttouren realisieren kann. Kommt das unternehmerische Konzept der Beklagten aber nicht ohne Nachtarbeit im bisherigen Umfang aus, so kann – bezogen auf dieses unternehmerische Konzept – das Ziel der Vermeidung von Nachtarbeit durch Verteuerung nicht erreicht werden.

97

Ein Begrenzung des Zuschlags auf 25 % für die Tätigkeit des Klägers in Dauernachtarbeit ist auch deshalb angemessen, weil die Beklagte ihren Arbeitnehmern für Tätigkeiten zwischen 21:00 Uhr und 23:00 eine Zulage von 3,18 € brutto/Stunde gewährt. Zwar kann diese Zulage nicht - wie es die Beklagte praktizieren will - rechnerisch auf die Nachtarbeitsstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr „umgelegt“ werden. Eine Umrechnung ist schon wegen der Zielrichtung der Leistung nicht möglich: Die Zulage wird gerade nicht als Ausgleich für die Belastungen der Arbeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr, sondern als Ausgleich für die Belastungen der Arbeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gezahlt. Zudem hätte eine Umrechnung die der Intention der Beklagten nicht entsprechende Folge, dass die Nachtarbeitnehmer der Beklagten unterschiedlich hohe und damit ungleiche Nachtarbeitszuschläge für die Arbeitszeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr erhielten. Denn der Arbeitsbeginn der Nachtarbeitnehmer unterscheidet sich je nach der Tour, die diese fahren. Bei einer Umrechnung würde die Höhe des Nachtzuschlags davon abhängen, wann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgenommen hat: Je mehr Arbeitszeit er in der Zeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr absolvierte, desto höher wäre der rechnerische Nachtarbeitszuschlag.

98

Wenn auch eine Umrechnung nicht möglich ist, so ist die „Spätarbeitszulage“ für die Arbeitszeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr bei der Bestimmung der angemessenen Höhe des Nachtarbeitszuschlags dennoch zu berücksichtigen und steht einer Bemessung des Nachtarbeitszuschlags in einer 25 % übersteigenden Höhe entgegen. Denn die „Spätarbeitszulage“ betrifft die Tageszeit, die für die Teilhabe am sozialen Leben besonders wichtig ist. Sie kompensiert die Einbußen im sozialen Bereich, die die Arbeitnehmer der Beklagten wegen ihrer Arbeitstätigkeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr hinzunehmen haben. Der Zweck der „Spätarbeitszulage“ entspricht damit einem der Zwecke der gesetzlichen Nachtarbeitszuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Dies rechtfertigt es, die freiwillige Spätzulage bei der Beurteilung, welche Nachtzulagenhöhe angemessen ist, zulagenmindernd einzubeziehen.

99

Keine Rolle bei der Festsetzung der angemessenen Zuschlagshöhe kann demgegenüber der Umstand spielen, dass die Beklagte eine im Branchenvergleich hohe Grundvergütung zahlt. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsparteien auf eine gesonderte Zuschlagsregelung verzichten und stattdessen den Grundlohn wegen der vereinbarten Nachtarbeit entsprechend erhöhen (BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Von einer derartigen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlags kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitsvertrag konkrete Inhalte für eine Pauschalierung enthält. Hierfür muss ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt sein. Diese Anforderung ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG. Der für die geleistete Nachtarbeit geschuldete angemessene Zuschlag ist danach „auf“ dass dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG; BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86,249). Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Kläger mit einem Teil der Grundvergütung einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag gewähren will. Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass ein Großteil der Arbeitnehmer der Beklagten Nachtarbeit leistet, kann insoweit nicht ausreichen.

100

Auch die tarifvertraglichen Regelungen zu Nachtarbeitszuschlägen im Transportgewerbe führen im vorliegenden Fall bei der Ermittlung des angemessenen Nachtzuschlags nicht weiter. Dies ergibt sich schon daraus, dass die tariflichen Regelungen im Bundesgebiet sehr unterschiedlich sind. Der Umstand, dass der Manteltarifvertrag für Lohnempfänger im Güterverkehrs- und Speditionsgewerbe Hamburg nach § 5 Abs. 2 Ziffer 1 während der Nachtarbeit (zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr) einen Zuschlag von 25 % vorsieht, lässt lediglich die Aussage zu, dass der hier festgesetzte angemessene Nachtarbeitszuschlag von 25% nicht branchenunüblich ist.

101

d) Das Arbeitsgericht hat den alternativ zu gewährenden Freizeitausgleich zutreffend antragsgemäß auf zwei Arbeitstage für 90 geleistete Nachtschichtstunden festgesetzt.

102

Zwar gilt grundsätzlich, dass sich der Freizeitausgleich und der Vergütungszuschlag nach ihrem Wert entsprechen sollen (BAG 01.02. 2006 – 5 AZR 422/04 – NZA 2006,494). Hier hat der Kläger jedoch in seinem Klagantrag zu 2) einen Freistellungsumfang formuliert, der in seinem Wert hinter der mit dem Antrag begehrten Zuschlagshöhe von 30 % und auch hinter der vom Berufungsgericht als angemessen festgestellten Zuschlagshöhe von 25 % zurückbleibt. Nach den Ausführungen des Klägers liegt weder in Bezug auf die Zuschlagshöhe noch in Bezug auf den Freistellungsumfang ein Berechnungsfehler vor.

103

Dem Kläger kann durch Urteil nicht mehr zugesprochen werden, als er beantragt hat. Da der Kläger keinen dem Wert des angemessenen Nachtarbeitszuschlags von 25 % entsprechenden, sondern einen geringeren Freistellungsumfang beantragt hat, war die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts in Bezug auf den Freistellungsumfang aufrechtzuerhalten. Für die Beklagte resultiert aus der insoweit antragsgemäßen Tenorierung die Möglichkeit, ihr Wahlrecht aus § 6 Abs. 5 ArbZG zu Gunsten der wertmäßig niedrigeren Freistellung auszuüben.

III.

104

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

105

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2012 - 4 Sa 48/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung und dabei insbesondere darüber, ob das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 (BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571) auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

2

Die 1954 geborene Klägerin war vom 1. Juli bis zum 29. Oktober 2010 bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. Arbeitsort war das Haus der Katholischen Schwesternschaft V e.V. in S.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2010 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Der Arbeitnehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflegehelferin für die Rudu Pflege und Betreuung an der Pflegestelle VS für Sr. E, Sr. U und Sr. C unbefristet eingestellt.

        

Er ist nach jeweiliger näherer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet, Pflege- und sonstige Dienstleistungen für die pflegebedürftigen Personen zu erbringen. Die Dienstleistungen erfolgen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.

        

…       

        

§ 3

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält ein Festlohn von € 1.685,85 brutto monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen)

        

2.    

Es ist wird eine Arbeitszeit von 204 Rudu - Einsätzen abzüglich der 24 Urlaubstage sind 180 Rudu-Einsätzen / Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart.

        

3.    

Der Arbeitnehmer ist jedoch auf Anweisung der Arbeitgebers verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten.

        

4.    

Rudu wird berechnet nach Pflegemodulen / Pflegezeiten dabei wird der Mindeslohn anzuwenden, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bereitschaft und Anwesenheit gesondert Ruhezeiten und Pausen werden nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)

        

Fahrtzeiten und Fahrtkosten werden nicht vergütet.

        

…“    

4

Die Klägerin leistete im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 Rund- um-die-Uhr-Dienste vom 6. August, 21:00 Uhr, bis zum 20. August, 12:00 Uhr, vom 2. September, 21:00 Uhr, bis zum 16. September, 12:00 Uhr, und vom 30. September, 21:00 Uhr, bis zum 15. Oktober, 12:00 Uhr. Dabei bewohnte sie im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Von diesen leiden Sr. E und Sr. U an Demenz und sind an den Rollstuhl gebunden. Sr. C kam am 15. August 2010 ins Krankenhaus und verstarb dort. Neben Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie zB Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Geschirr spülen, Wechseln und Waschen von Wäsche). Täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr nahmen die Pflegebedürftigen am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft, von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

5

Mit der am 19. November 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, während der Rund-um-die-Uhr-Dienste durchgehend gearbeitet zu haben. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei zudem nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst zu zahlen.

6

Die Klägerin hat zuletzt - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.198,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 670,53 Euro seit dem 16. September 2010, aus 696,03 Euro seit dem 16. Oktober 2010 und aus 832,03 Euro seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin habe nicht rund um die Uhr gearbeitet, sondern arbeitstäglich mindestens vier Stunden Pause nehmen können. Sie habe in der Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr allenfalls Rufbereitschaft gehabt und nachts schlafen können. Zudem sei Bereitschaftsdienst nicht mit dem Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV zu entlohnen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur weiteren Vergütungszahlung nebst Zinsen verurteilt. Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet. Das folgt aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV.

10

I. Streitgegenständlich ist in der Revisionsinstanz aufgrund der beschränkten Revisionseinlegung der Beklagten und mangels Anschlussrevision der Klägerin die Differenzvergütung, die sich aus der Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung und dem Mindestentgelt von - im Streitzeitraum - 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV ergeben kann. Das sind auf der Basis von 22 Arbeitsstunden je Arbeitstag - rechnerisch unstreitig - für den Monat August 2010 670,53 Euro brutto, für den Monat September 2010 696,03 Euro brutto und für den Monat Oktober 2010 832,03 Euro brutto.

11

II. Die Klägerin hat Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Das ergibt die Auslegung der Norm, die die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede in der Entgelthöhe korrigiert.

12

1. Die PflegeArbbV ist wirksam (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 17 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit entsprechender Verordnungen siehe auch BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 17 ff.). Das stellt die Beklagte nicht in Frage. Für eine (erneute) Prüfung der Wirksamkeit der PflegeArbbV besteht von Amts wegen kein Anlass (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 21 f.).

13

2. Der Geltungsbereich der PflegeArbbV ist eröffnet. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Landesarbeitsgericht hat zudem festgestellt, dass die Beklagte einen Pflegebetrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PflegeArbbV betreibt und die Klägerin mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Pflege und Betreuung der Schwestern E, U und C überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI erbrachte, § 1 Abs. 3 Satz 1 PflegeArbbV.

14

3. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist „je Stunde“ festgelegt. Damit knüpft die Norm - entsprechend den Gepflogenheiten der Tarifpartner und auch vieler Arbeitsvertragsparteien, als Entgelt einen bestimmten Euro-Betrag in Relation zu einer bestimmten Zeiteinheit (zumeist Stunde oder Monat, bisweilen auch Tag, Woche, Jahr) bzw. dem Umfang der in einer bestimmten Zeiteinheit zu leistenden Arbeit festzusetzen - an die „vergütungspflichtige Arbeitszeit“ an. Dieser Begriff hat zwar insofern eine gewisse Unschärfe, als die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB allein für die „Leistung der versprochenen Dienste“ besteht und damit unabhängig ist von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 143, 107). Er hat sich aber zur Unterscheidung von Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne, zeitlichem Umfang der zu vergütenden Arbeit und Arbeitszeit im Sinne der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes eingebürgert (vgl. Wank RdA 2014, 285). Die Anknüpfung des Mindestlohns an die vergütungspflichtige Arbeitszeit bestätigt § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV, der die Fälligkeit des Mindestentgelts „für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit“ regelt.

15

4. Damit ist das Mindestentgelt in der Pflegebranche zu zahlen für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bzw. - präziser - für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt oder, was im Streitfall nicht erheblich ist, aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist. § 2 PflegeArbbV stellt weder auf die Art der Tätigkeit(§ 11 Abs. 1 iVm. § 5 Nr. 1 AEntG), noch auf die Intensität der Arbeit (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst) ab. Ist der Anwendungsbereich der PflegeArbbV eröffnet, weil der Arbeitnehmer in einem Pflegebetrieb überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI zu erbringen hat, muss deshalb das Mindestentgelt auch für die nicht pflegerischen (Zusammenhangs-)Tätigkeiten (wie zB im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) und für alle Formen von Arbeit gezahlt werden.

16

Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG (zur gesetzeshistorischen Entwicklung aufgrund von Vorgaben des Unionsrechts, vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 42, BAGE 119, 41), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, BAGE 137, 366). Diese Voraussetzung ist bei der Arbeitsbereitschaft, die gemeinhin umschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung (vgl. ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 21), und dem Bereitschaftsdienst gegeben. In beiden Fällen muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung“ (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 19; vgl. zum Ganzen auch: Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 33 ff.; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 ff., jeweils mwN). Zwar kann für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366). Von dieser Möglichkeit hat aber der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege weder in § 2 noch in den übrigen Bestimmungen der PflegeArbbV Gebrauch gemacht. Deshalb ist es unerheblich, ob arbeitsvertraglich für den Bereitschaftsdienst eine geringere Vergütung vereinbart werden sollte. In einer solchen Auslegung wäre der - sprachlich gänzlich missglückte - § 3 Nr. 4 Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam, § 134 BGB.

17

5. Danach schuldet die Beklagte jedenfalls für die vom Landesarbeitsgericht angesetzten 22 Stunden pro Arbeitstag das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV. Denn die Klägerin musste sich, so sie keine Vollarbeit leistete, auch nach dem Vorbringen der Beklagten rund um die Uhr bei oder jedenfalls in der Nähe der zu pflegenden Schwestern aufhalten, um bei Bedarf tätig werden zu können. Sie durfte die in § 1 Arbeitsvertrag bezeichnete Pflegestelle nicht verlassen. Ob die Klägerin in der Zeit von 11:45 bis 12:45 Uhr und 17:50 bis 18:50 Uhr tatsächlich Pausen im Rechtssinne hatte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die diesbezügliche Wertung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen.

18

Soweit die Beklagte die Zeit von 21:00 bis 06:30 Uhr als Rufbereitschaft bewertet wissen will, verkennt sie, dass eine solche nicht schon dann vorliegt, wenn die Arbeit nur „auf Zuruf“ (hier: der Pflegebedürftigen) aufgenommen werden muss. Rufbereitschaft setzt - in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst - vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern - unter freier Wahl des Aufenthaltsorts - lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können (EuGH 3. Oktober 2000 - C-303/98 - [Simap] Rn. 50, Slg. 2000, I-07963; BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 41, BAGE 119, 41; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 48 ff.; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Schliemann 2. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 28 ff., jeweils mwN). Dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, des Nachts die in § 1 Arbeitsvertrag genannte Pflegestelle zu verlassen und eigenen Interessen nachzugehen, hat die Beklagte nicht behauptet. Ob die Klägerin, wie die Beklagte vorbringt, nachts (durch-)schlafen konnte, ist für die Einordnung als Bereitschaftsdienst ohne Belang.

19

Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr („Mittagsruhe“ der zu pflegenden Schwestern) unter Übergehen von - in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierten - Beweisangeboten zu Unrecht nicht als Pause bewertet, greift nicht durch. Nach § 4 ArbZG sind - nicht zur Arbeitszeit zählende und nicht nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütende - Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann(BAG 23. September 1992 - 4 AZR 562/91 - zu I 2 der Gründe; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10; Baeck/Deutsch 3. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 9; ErfK/Wank 15. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 1; Schliemann 2. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 6, jeweils mwN). Unstreitig musste die Klägerin aber auch während der „Mittagsruhe“ an der Pflegestelle anwesend sein, um bei Bedarf jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können.

20

6. Die Anzahl der im Streitzeitraum geleisteten Dienste ist unstreitig. Auch im Übrigen hat die Revision die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Höhe der Differenzvergütung in rechnerischer Hinsicht nicht angegriffen.

21

III. Zinsen auf die Differenzvergütung stehen der Klägerin jeweils ab dem 16. des Folgemonats zu, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV.

22

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Rainer Rehwald    

        

    Dirk Pollert    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2010 - 17 Sa 830/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst in den Jahren 2007 und 2008.

2

Der Kläger ist seit 1988 für die Beklagte als OP-Pfleger tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD - Allgemeiner Teil -) und der TVöD - Besonderer Teil Krankenhäuser - (BT-K) - (TVöD-BT-K) Anwendung.

3

Die durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vom 1. August 2006 hat im Streitzeitraum folgende Regelung enthalten:

        

„§ 27 

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

[nicht besetzt]

        

(3)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschichtarbeit und nicht ständiger Schichtarbeit soll bei annähernd gleicher Belastung die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage durch Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt werden.

        

(3.1) 

Beschäftigte erhalten bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens

                          

150 Nachtarbeitsstunden

1 Arbeitstag

                          

300 Nachtarbeitsstunden

2 Arbeitstage

                          

450 Nachtarbeitsstunden

3 Arbeitstage

                          

600 Nachtarbeitsstunden

4 Arbeitstage

                 

Zusatzurlaub im Kalenderjahr. Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen geleistet werden, für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, bleiben unberücksichtigt.

        

(3.2) 

Bei Anwendung des Absatzes 3.1 werden nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6) in der Zeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Nachtarbeitsstunden berücksichtigt.

        

…       

        
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage, bei Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit 36 Tage, nicht überschreiten. …

        

(5)     

Im Übrigen gilt § 26 mit Ausnahme von Absatz 2 Buchst. b entsprechend.

                 
        

Protokollerklärung zu den Absätzen 1, 2 und 3.1:

        

…       

        
        

2.    

Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach Absatz 3.1 bemisst sich nach den abgeleisteten Nachtarbeitsstunden und entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach Absatz 3.1 Satz 1 erfüllt sind.“

4

Die zuvor geltende durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 7. Februar 2006 (TVöD-K aF) enthielt eine § 27 Abs. 3.2 TVöD-K vergleichbare Regelung nicht. Mit Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum TVöD-BT-K vom 1. Februar 2011 ist in § 27 Abs. 3.4 TVöD-K ergänzend ein Anspruch auf Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst normiert worden.

5

Der Kläger leistete im Jahr 2007 37 und im Jahr 2008 36 nächtliche Bereitschaftsdienste. Bereitschaftsdienste dauern von Montag bis Donnerstag von 18:15 Uhr bis 7:30 Uhr des Folgetags, am Freitag von 15:30 Uhr bis Samstag 8:00 Uhr und am Wochenende von Samstag 8:00 Uhr bis Sonntag 8:00 Uhr bzw. von Sonntag 8:00 Uhr bis Montag 7:30 Uhr.

6

Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 hat der Kläger die Gewährung von je zwei Tagen Zusatzurlaub für 333 im Jahr 2007 und 324 im Jahr 2008 geleistete nächtliche Bereitschaftsdienststunden verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich aus § 27 Abs. 3.1 TVöD-K, weil die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K geregelte Nichtberücksichtigung nächtlicher Bereitschaftsdienste gesetzeswidrig sei; jedenfalls habe er einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG, weil er in Wechselschicht gearbeitet habe.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2007 zwei zusätzliche Urlaubstage zu gewähren;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2008 zwei zusätzliche Urlaubstage zu gewähren.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K hätten nächtliche Bereitschaftsdienste im Streitzeitraum keinen Anspruch auf Zusatzurlaub ausgelöst; etwaige Belastungen seien durch die Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach § 8.1 TVöD-K ausgeglichen gewesen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise, das Landesarbeitsgericht hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Der Anspruch des Klägers ist nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K entstanden, weil die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 bestimmte Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes beim Ausgleich für Nachtarbeit gegen § 6 Abs. 5 ArbZG verstoßen hat und deshalb rechtsunwirksam ist (unter I). Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen zur Übertragung des Zusatzurlaubs in die jeweiligen Folgejahre in der Sache nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO (unter II).

11

I. § 27 TVöD-K enthält eine umfassende und abschließende Regelung des nach § 6 Abs. 5 ArbZG gebotenen Ausgleichs für Nachtarbeit. Soweit nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 nächtlicher Bereitschaftsdienst unberücksichtigt bleiben sollte, hat die Vorschrift im Streitzeitraum gegen § 6 Abs. 5 ArbZG verstoßen(zutreffend Fieberg in Fürst GKÖD IV Teil 2 Stand November 2012 E § 27 TVöD/TV-L Rn. 34a).

12

1. Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.

13

a) § 6 Abs. 5 ArbZG ist zwingendes Gesetzesrecht und steht nur unter dem Vorbehalt einer tarifvertraglichen Ausgleichsregelung; der Nachtarbeitnehmer erhält entweder auf tarifvertraglicher oder auf Grundlage von § 6 Abs. 5 ArbZG einen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit(BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (2) (b) der Gründe, BAGE 114, 272). Wegen größerer Sachnähe ist die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit den Tarifvertragsparteien überlassen und es besteht nur subsidiär ein gesetzlicher Anspruch (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, aaO; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 86, 249).

14

b) Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifvertragliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und aus Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein; allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).

15

c) Ein Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG kann auch bestehen, wenn der Tarifvertrag nur für einen Teilbereich der Nachtarbeit einen Ausgleich regelt; dies kommt in der Formulierung „soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen“ deutlich zum Ausdruck. Eine tarifvertragliche Regelung, die partiell keinen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit vorsieht, aber nicht abschließend ist, kann rechtswirksam sein. Wird der gesetzliche Anspruch des Nachtarbeitnehmers aus § 6 Abs. 5 ArbZG auf einen Ausgleich für Nachtarbeit dagegen(partiell) ausgeschlossen, ohne dass tariflich selbst ein Ausgleich für geleistete Nachtarbeit bestimmt wird, so verstößt dies gegen § 6 Abs. 5 ArbZG(BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (2) (b) der Gründe, BAGE 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 23, AP ArbZG § 6 Nr. 11 = EzA ArbZG § 6 Nr. 9).

16

2. Die in § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 bestimmte Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes bei dem in § 27 Abs. 3.1 TVöD-K geregelten Ausgleich für Nachtarbeit verstößt gegen § 6 Abs. 5 ArbZG.

17

a) Nächtlicher Bereitschaftsdienst ist ausgleichspflichtige Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG(BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA ArbZG § 6 Nr. 8; 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 15, BAGE 137, 157; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 21, BAGE 131, 215). Nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 ist ein Anspruch auf Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst jedoch ausgeschlossen, weil nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6 TVöD-K) geleisteten Nachtarbeitsstunden berücksichtigt werden sollen, (nächtlicher) Bereitschaftsdienst aber keine regelmäßige Arbeitszeit iSd. § 6 TVöD-K ist, sondern außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird(vgl. § 7 Abs. 3 TVöD-K). § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 hat damit festgelegt, dass nächtlicher Bereitschaftsdienst nicht als Nachtarbeitszeit iSd. § 27 Abs. 3.1 TVöD-K anzusehen sein soll (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD IV Teil 2 Stand November 2012 E § 27 TVöD/TV-L Rn. 34).

18

b) § 27 TVöD-K idF vom 1. August 2006 hat den Ausgleich der Belastungen durch Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit abschließend geregelt. Es ist nicht erkennbar, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur der Ausgleich dienstplanmäßig geleisteter Nachtarbeitsstunden geregelt und daneben ein tariflich ungeregelter Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG auf Ausgleich nächtlicher Bereitschaftsdienststunden bestehen sollte.

19

aa) Dies zeigt der Wortlaut der Norm. § 27 TVöD-K ist allgemein überschrieben mit „Zusatzurlaub“; die Norm regelt in Abs. 1 und Abs. 3 umfassend den Belastungsausgleich für sämtliche Formen der Schichtarbeit und in Abs. 3.1 für „Nachtarbeitsstunden“. Nächtliche Bereitschaftsdienststunden sind Nachtarbeitsstunden iSv. § 27 Abs. 3.1 TVöD-K (vgl. zum nahezu wortgleichen § 22 Abs. 6 TV-Ärzte Hessen: BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA ArbZG § 6 Nr. 8 und zu § 28 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA: BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 15, BAGE 137, 157); vor Inkrafttreten des TVöD-K idF vom 1. August 2006 waren sie nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K aF auszugleichen. Irgendein Vorbehalt, dass unter der Geltung von § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 der Belastungsausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG gewährleistet sein sollte, findet sich nicht.

20

bb) Auch der Tarifzusammenhang ergibt, dass § 27 TVöD-K den Belastungsausgleich für Arbeit zu ungünstigen Zeiten umfassend und abschließend regelt. Die Norm erfasst die unterschiedlichen Formen von Schicht- und Nachtarbeit und bestimmt das Verhältnis der Ausgleichsansprüche zueinander; nach § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-K bleiben Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen geleistet werden, für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, unberücksichtigt. Dass demgegenüber eine Anrechnung möglicher Ansprüche auf Ausgleich nächtlichen Bereitschaftsdienstes nach § 6 Abs. 5 ArbZG ungeregelt blieb, spricht dafür, dass ein solcher Ausgleich nicht vorgesehen war.

21

cc) Dies verdeutlicht die Regelung des Bereitschaftsdienstentgelts. Nach § 8.1 Abs. 5 Satz 2 TVöD-K werden für Bereitschaftsdienst, abgesehen von einem Feiertagszuschlag, keine weiteren Zuschläge nach § 8 TVöD-K gezahlt. Nächtlicher Bereitschaftsdienst sollte im Streitzeitraum demnach weder durch Zusatzurlaub noch durch Zuschläge ausgeglichen werden.

22

dd) Die Tarifgeschichte bestätigt diese Auslegung. Die Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes nach § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 ist zeitgleich mit einer höheren Bewertung der während des Bereitschaftsdienstes anfallenden Arbeitsleistungen in § 8.1 TVöD-K in den Tarifvertrag aufgenommen worden; dies legt die Annahme einer tariflichen „Kompensation“ der höheren Bewertung des Bereitschaftsdienstes im Rahmen einer umfassenden und abschließenden Regelung nahe.

23

ee) Schließlich sprechen Praktikabilitätserwägungen für das vorstehende Tarifverständnis. Es ist fernliegend, dass neben einem tariflich exakt gestaffelten Ausgleich für dienstplanmäßige Nachtarbeit ein der Höhe nach nicht bestimmter Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG bestehen sollte, dessen Ausgestaltung grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG oder vergleichbaren Vorschriften des Personalvertretungsrechts unterliegt(vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 62/10 - AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 7) und der nach Art und Höhe des Ausgleichs zu unterschiedlichen Regelungen hätte führen können.

24

c) Der TVöD-K enthält auch keinen stillschweigenden Ausgleich für nächtliche Bereitschaftsdienste. Insbesondere stellt § 8.1 Abs. 1 TVöD-K keine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar.

25

aa) § 8.1 TVöD-K regelt die Bezahlung der Bereitschaftsdienste. Das Bereitschaftsdienstentgelt wird nach dem Umfang der innerhalb des Bereitschaftsdienstes zu erbringenden Arbeitsleistung (Belastungsstufen) berechnet. Dabei richtet sich die Bezahlung des Bereitschaftsdienstes grundsätzlich nach der durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes. Insgesamt sind drei Belastungsstufen gebildet.

26

bb) Von einer darin enthaltenen stillschweigenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelung kann keine Rede sein. Es gibt keinerlei Umstände, die den Schluss rechtfertigen können, die Belastungen durch Nachtarbeit seien bereits bei dem tariflichen Bereitschaftsdienstentgelt berücksichtigt. Die Tarifvertragsparteien stellen bei ihrer typisierenden Bewertung des Bereitschaftsdienstes in § 8.1 Abs. 1 TVöD-K allein auf die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes als solche unabhängig davon ab, zu welchen Zeiten er erbracht wird. Eine Unterscheidung zwischen tagsüber und nachts geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten findet nicht statt. In Fällen ständiger oder nahezu ausschließlicher Nachtarbeit - etwa bei Nachtwächtern - mag die Annahme gerechtfertigt sein, ein Nachtzuschlag sei bereits bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung berücksichtigt (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II a bb (1) (a) (bb) der Gründe, BAGE 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 22, AP ArbZG § 6 Nr. 11 = EzA ArbZG § 6 Nr. 9 ). Derartige Verhältnisse bestehen in den vom Geltungsbereich des TVöD-K erfassten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern nicht. Bereitschaftsdienste finden nicht nur nachts, sondern auch tagsüber, an Wochenenden und an Feiertagen statt.

27

3. Die Unwirksamkeit der Herausnahme nächtlichen Bereitschaftsdienstes aus dem Ausgleich für Nachtarbeit durch § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch sich nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K richtet. Bei Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung wegen Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung ist grundsätzlich nur die jeweilige Klausel unwirksam, sofern der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dargestellt (vgl. BAG 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27, ZTR 2012, 331; 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 37, AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 23 = EzA GG Art. 9 Nr. 91). Der in § 27 Abs. 3.1 TVöD-K geregelte gestaffelte Ausgleich für Nachtarbeitsstunden wird von der Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes nicht berührt. § 27 TVöD-K ist auch ohne § 27 Abs. 3.2 TVöD-K idF vom 1. August 2006 sinnvoll und praktikabel und stellt einen angemessenen Ausgleich für Nachtarbeit einschließlich des nächtlichen Bereitschaftsdienstes dar (zu § 22 Abs. 6 TV-Ärzte Hessen: BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 17, AP ArbZG § 6 Nr. 12 = EzA ArbZG § 6 Nr. 8; zu § 28 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA: BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 18, BAGE 137, 157; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 22, BAGE 131, 215). Es ist keine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Zudem ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes im Rahmen der tariflichen Ausgleichsregelung erkannt, es bei der Tariflage bis zum 31. Juli 2006 belassen hätten.

28

II. Nach § 27 Abs. 3.1 TVöD-K iVm. der Protokollerklärung Nr. 2 ist der geltend gemachte Anspruch auf Zusatzurlaub nach den in den Jahren 2007 und 2008 geleisteten nächtlichen Bereitschaftsdienststunden im jeweiligen Jahr entstanden. Der Kläger hat den Zusatzurlaub jedoch jeweils erst im Folgejahr geltend gemacht. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erlauben keine Entscheidung, ob der Zusatzurlaub in die Folgejahre übertragen worden ist. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

29

1. Gemäß § 27 Abs. 5 TVöD-K gilt für den Zusatzurlaub § 26 TVöD-K mit Ausnahme von dessen Abs. 2 Buchst. b entsprechend. Zusatzurlaub muss entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD-K im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit den Maßgaben des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD-K. Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TVöD-K muss der Zusatzurlaub „im Falle der Übertragung“ in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Die Übertragung richtet sich nach § 7 Abs. 3 BUrlG(Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Oktober 2012 Ordner 2 § 26 TVöD Rn. 234 ff.). Der Zusatzurlaub wird deshalb nur dann auf das nächste Kalenderjahr übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD-K kommt eine Übertragung bis zum 31. Mai des folgenden Kalenderjahres in Betracht. Liegen deren Voraussetzungen vor, vollzieht sich die Übertragung kraft Gesetzes ( BAG 9. August 1994 -  9 AZR 384/92 - zu 1 c aa der Gründe, BAGE 77, 296). Da der Kläger seine Ansprüche erst mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 für das jeweils vergangene Jahr geltend gemacht hat, könnten die Ansprüche am Ende des jeweiligen Kalenderjahres verfallen sein.

30

2. Die Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG auf Ansprüche auf Zusatzurlaub steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2009 S. 9).

31

a) Ansprüche auf Zusatzurlaub sind nicht Teil des durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten Mindestjahresurlaubs von vier Wochen, sie werden zusätzlich zu dem Erholungsurlaub nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K gewährt. Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen ( EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9; BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10, PersR 2012, 411). Auch Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln( EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] aaO ; BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - aaO ). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen ( BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - aaO ).

32

b) Ob Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/EG Nachtarbeitnehmern ein unmittelbares Recht auf Freizeitausgleich gewähren will, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, stünde eine Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht entgegen.

33

aa) Die Richtlinie 2003/88/EG enthält keine Vorgaben hinsichtlich des Verfahrens zur Geltendmachung etwaiger durch Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/EG gewährter Rechte. In einem solchen Fall ist es mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen ( EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 25 mwN, Slg. 2010, I-7003; BAG 13. Dezember 2011 - 9  AZR 399/10  - Rn. 26, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 93 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20). Die Verfahren dürfen allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Verfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] aaO; 18. September 2003 C-125/01 - [Pflücke] Rn. 34, Slg. 2003, I-9375 ). Die Prüfung, ob eine Ausschlussfrist die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität wahrt, obliegt dem nationalen Gericht (vgl. EuGH 24. März 2009 - C-445/06 - [Danske Slagterier] Rn. 34 f., Slg. 2009, I-2119).

34

bb) Die grundsätzlich für alle Urlaubsansprüche geltende Vorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG genügt diesen Vorgaben. Die Geltendmachung des tariflichen Zusatzurlaubs wird durch § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG nicht übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht. Der Zusatzurlaub wird gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG übertragen, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen(ErfK/Gallner 13. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 62 mwN); er wird aber auch dann übertragen, wenn er so spät im laufenden Jahr nach Ableistung der entsprechenden Nachtarbeitsstunden entstanden ist, dass er (faktisch) nicht mehr genommen werden kann. § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD-K stellt ausschließlich eine Erleichterung der Geltendmachung für den Arbeitnehmer dar.

35

3. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zum Vorliegen eines Übertragungsgrundes iSd. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Dabei ist auch zu prüfen, ob nach konkludenter Vertragspraxis Urlaub unabhängig vom Vorliegen eines gesetzlichen Übertragungstatbestands in das nächste Kalenderjahr übertragen worden ist (vgl. hierzu HWK/Schinz 5. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 79).

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Schürmann    

        

    Fieback    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. April 2010 - 10 Sa 276/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit.

2

Die Beklagte ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der DBAutoZug GmbH. Sie erbringt Serviceleistungen für Zugreisende im Nachtreiseverkehr („City Night Line“) sowie in Autozügen. Sie ist im Jahr 2002 aus dem Teilbereich Nachtreiseverkehr des Geschäftsbereichs „Service im Zug“ (SiZ) der MITROPA AG entstanden und beschäftigt ca. 45 Mitarbeiter im stationären Dienst sowie - saisonabhängig - ca. 650 Mitarbeiter im Fahrdienst.

3

Die Klägerin ist seit 1997 für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin als „Stewardess mit Zugschaffnerfunktion“ tätig. Sie betreut die Kunden in Schlaf- und Liegewagen und versorgt sie mit gastronomischen Leistungen. Als Zugschaffnerin kontrolliert und verkauft sie Fahrausweise, sammelt Reisedokumente ein und unterstützt den Zugführer.

4

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Firmentarifverträge der Beklagten aufgrund Verbandszugehörigkeit der Klägerin Anwendung. Nach einer Vereinbarung mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) im Zuge der Überleitung der Arbeitsverhältnisse von der MITROPA AG zur Beklagten gelten bestimmte für den Geschäftsbereich SiZ der MITROPA AG am 30. Juni 2002 geltende Tarifverträge fort, so der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der MITROPA AG vom 27. Juni 1997 (MTV) und der Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs SiZ - Service im Zug/Ost vom 27. Juni 1997 (ErgTV SiZ/Ost).

5

Der MTV regelt ua. Folgendes:

        

§ 5   

        

Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

        

…       

        

3. Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit - Zuschläge      

        

Entsprechend dem besonderen Charakter des Gaststättengewerbes gelten die Sonntage als zuschlagsfreie Arbeitstage/Arbeitszeit. Davon kann nur einzelvertraglich im Rahmen der jeweils geltenden steuerlichen Bestimmungen abgewichen werden.

        

Die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages. Soweit tariflich eine Öffnungsklausel vorhanden ist, kann einzelvertraglich vom Tarifvertrag nach dem Günstigkeitsprinzip abgewichen werden. Grundlohn im Sinne des Einkommenssteuergesetzes ist der jeweils geltende tarifliche Stundenlohn.

        

…       

        

5. Nachtarbeit      

        

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr gilt als Nachtarbeit.

        

Im regelmäßigen Schichtdienst beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.“

6

Der ErgTV SiZ/Ost lautet auszugsweise:

        

„§ 2   

        

Anwendung des Tarifvertrages

        

Nachfolgende Regelungen ersetzen, ergänzen oder verändern die entsprechenden Regelungsgegenstände in dem jeweils gültigen MITROPA-Entgelttarifvertrag und MITROPA-Manteltarifvertrag. Die nachfolgenden Vorschriften haben Tarifvorrang.

        

§ 3     

        

Regelungsgegenstände

        

…       

        

4.    

Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

        

…       

        

4.3     

Nachtarbeit

                 

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr gilt als Nachtarbeit. Stationär beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.

        

...     

        
        

§ 5     

        

Eingruppierung und Entlohnung

        

1.    

Eingruppierung

                 

…       

        

1.1     

Arbeitnehmer/innen im stationären Dienst erhalten Tarifentgelt der Staffel I sowie Feiertags-, Mehrarbeits- und Nachtzuschläge.

        

1.2     

Arbeitnehmer/innen im Fahrdienst erhalten Tarifentgelt der Staffel II (85 % von Staffel I) und einen umsatzabhängigen Provisionslohn sowie Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge.

        

...     

        

§ 7     

        

Tätigkeitsbeispiele

        

1.    

In Ergänzung des § 2 ETV-MITROPA werden bis zur Vereinbarung eines unternehmensweiten Eingruppierungsrasters den einzelnen Tarifgruppen unter Beachtung der Besonderheiten des GB Service im Zug insbesondere hinsichtlich der Verantwortung und der physischen Belastung folgende Tätigkeitsbeispiele zugeordnet:

                 

…       

                 

Tarifgruppe 5:

                 

-       

Kellner/in/Steward/ess

                 

-       

Bufettier/euse/Bistrosteward/ess

                 

-       

Schlafwagenschaffner/in/Nachtsteward/ess

                 

-       

Kraftfahrer/in LkW mit Be- und Entladetätigkeit

                 

-       

Arbeitnehmer/in im stationären Bereich mit erhöhten Anforderungen

                 

-       

Einkäufer/in

                 

…“    

        
7

Die Klägerin ist eingruppiert in die Tarifgruppe 5. Ihre tarifliche Stundenvergütung belief sich auf 7,52 Euro brutto; seit dem 1. Oktober 2008 beträgt sie 7,86 Euro brutto. Sie erhält für jede Einsatzstunde als Zugschaffnerin zusätzlich eine Zulage von 0,50 Euro brutto und für jede Einsatzstunde mit einem „mobilen Terminal“ (Fahrscheinverkaufsgerät) eine Zulage von 0,38 Euro.

8

Die Lage der Arbeitszeiten der im Fahrdienst beschäftigten Mitarbeiter richtet sich nach den Verkehrszeiten der von der Beklagten betreuten und bewirtschafteten Züge. Die Dienstzeiten beschränken sich nicht auf die Nachtzeit. Bei Nachtreisezügen liegt der Dienstbeginn im Regelfall zwischen 19:30 Uhr und 22:00 Uhr und das Dienstende zwischen 7:30 Uhr und 10:00 Uhr des Folgetags. Bei internationalen Autoreisezügen kann der Dienst um 12:00 Uhr beginnen und um 16:00 Uhr des Folgetags enden.

9

Mit der Klage begehrt die Klägerin einen Ausgleich für 214,75 Nachtarbeitsstunden im Zeitraum vom 1. Februar bis 30. April 2008 sowie für weitere 264,5 Nachtarbeitsstunden im Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009. Als angemessenen Ausgleich für diese Nachtarbeit habe die Beklagte nach § 6 Abs. 5 ArbZG wahlweise einen Zuschlag von 25 % des Tariflohns oder einen freien bezahlten Arbeitstag für jeweils 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 923,47 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 403,77 Euro, 497,26 Euro und 22,48 Euro jeweils ab Rechtshängigkeit zu zahlen oder ihr fünf bezahlte freie Tage zu gewähren;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 1. Februar 2009 für die von der Klägerin geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des Tariflohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder der Klägerin für jeweils 90 zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag zu gewähren.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Ausgleich für Nachtarbeit sei in der Tarifvergütung des Fahrdienstes enthalten. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Bemessung des Tarifentgelts berücksichtigt, dass die Tätigkeit im Fahrdienst durch Nachtarbeit und nächtliche Arbeitsbereitschaft geprägt sei.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Revision führt deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Die Klägerin hat für die im Streitzeitraum (Antrag zu 1.) sowie nachfolgend (Feststellungsantrag zu 2.) geleistete Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Ausgleichs.

15

1. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht besteht, dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt(BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - Rn. 15, NZA 2006, 494). Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 102, 309).

16

2. Die Klägerin ist Nachtarbeitnehmerin iSv. § 2 Abs. 5 Nr. 2 iVm. § 2 Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG. Sie leistet an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr umfasst.

17

3. Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht nicht. Weder der MTV noch der ErgTV SiZ/Ost sehen einen Ausgleich für die im Fahrdienst geleistete Nachtarbeit vor.

18

a) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch(BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 86, 249). Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und entspricht Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend geregelt sein. Den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, aaO; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, aaO).

19

b) Nach § 5 Ziff. 5 Satz 2 MTV erhalten Beschäftigte im regelmäßigen Schichtdienst und nach § 3 Ziff. 4.3 Satz 2 ErgTV SiZ/Ost die bei der Beklagten stationär Beschäftigten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag. Für den Fahrdienst ist ein Nachtzuschlag nicht geregelt.

20

c) Ausreichende Hinweise darauf, dass die Belastungen durch Nachtarbeit im Fahrdienst bei der Bemessung des tariflichen Grundentgelts berücksichtigt wurden, bestehen nicht.

21

aa) Es hätte nahe gelegen, einen solchen Regelungswillen in § 5 ErgTV SiZ/Ost(Eingruppierung und Entlohnung) zum Ausdruck zu bringen. § 5 Ziff. 1 ErgTV SiZ/Ost stellt die Vergütungsbestandteile der Arbeitnehmer im stationären Dienst denen der Arbeitnehmer im Fahrdienst gegenüber. Nachtarbeitszuschläge sind nach Ziff. 1.1 dieser Vorschrift nur im stationären Dienst Bestandteil der Vergütung, nach Ziff. 1.2 nicht im Fahrdienst. Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien in Bezug auf Nachtzuschläge zwischen den beiden Gruppen unterscheiden wollten. Dass die Nachtarbeit im Fahrdienst bei der Bemessung der Grundvergütung berücksichtigt wurde, ergibt sich daraus aber nicht.

22

bb) Anhaltspunkte dafür lassen sich auch den Tätigkeitsbeispielen zu den Tarifgruppen (§ 7 ErgTV SiZ/Ost) nicht entnehmen. Zwar werden Schlafwagenschaffner und Nachtstewards in den Tätigkeitsbeispielen der Tarifgruppe 5 genannt. Dies kann bei ständiger oder nahezu ausschließlicher Nachtarbeit (zB Nachtwächter) ein Hinweis darauf sein, dass ein Nachtarbeitszuschlag bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung berücksichtigt ist (vgl. BAG 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249). Die Tarifgruppe 5 differenziert aber nicht zwischen vergleichbaren nachtarbeits- und nicht nachtarbeitsgeprägten Tätigkeiten. Kellner/innen und Steward/essen sind dieser Tarifgruppe auch zugeordnet und beziehen eine identische Vergütung, ohne den Belastungen durch Nachtarbeit ausgesetzt zu sein. Auch die Tätigkeit der Klägerin als Stewardess mit Zugschaffnerfunktion im Nachtreiseverkehr und in Autozügen findet nicht weit überwiegend oder ausschließlich nachts statt. Die Arbeitszeiten im Fahrdienst richten sich nach den Verkehrszeiten der von der Beklagten betreuten und bewirtschafteten Züge und beinhalten in erheblichem Umfang Dienstzeiten außerhalb der Nachtzeiten. Eine Regelung, die unabhängig von der tatsächlichen Heranziehung zur Nachtarbeit für alle Arbeitnehmer im Fahrdienst als pauschalen Ausgleich für Nachtarbeit dieselbe Grundvergütung vorsähe, sähe sich nach Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt(vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (bb) der Gründe, BAGE 114, 272; 26. August 1997 - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 b aa der Gründe, BAGE 86, 249).

23

cc) Soweit nach § 5 Ziff. 3 Satz 3 MTV die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sich „ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages“ richtet, ergibt sich auch daraus nicht, dass für den Fahrdienst ein tariflicher Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorgesehen ist. Im Zusammenhang mit den weiteren tariflichen Bestimmungen zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags im regelmäßigen Schichtdienst und im stationären Dienst der Beklagten gibt dies im Gegenteil einen Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit im Fahrdienst weder eine zusätzliche Vergütung noch ein bezahlter Freizeitausgleich gewährt werden sollte. Um den gesetzlichen Ausgleichsanspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss eine tarifliche Regelung aber eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen(BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272). Daran fehlt es.

24

4. Der Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Ausgleichs für geleistete Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist nicht nach § 16 MTV oder nach § 8 ErgTV SiZ/Ost verfallen. Der Anwendungsbereich beider Tarifnormen bezieht sich lediglich auf „Ansprüche aus den Tarifverträgen der MITROPA AG“ bzw. auf „Ansprüche aus diesem Ergänzungstarifvertrag“. Die Klägerin verfolgt einen gesetzlichen Anspruch.

25

II. In welcher Höhe ein Ausgleich für die im Streitzeitraum des Antrags zu 1. bzw. für die ab diesem Zeitpunkt geleisteten Nachtarbeitsstunden nach § 6 Abs. 5 ArbZG „angemessen“ ist, kann der Senat nicht entscheiden. Bei der Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs kommt dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu, der durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar ist. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - eine Beurteilung der Angemessenheit des gesetzlichen Ausgleichs für die geleistete Nachtarbeit nicht vorgenommen. Es hat auch die zur Vornahme der Beurteilung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Anhaltspunkt kann der in § 3 Ziff. 4.3 ErgTV SiZ/Ost bestimmte Nachtarbeitszuschlag von 15 % zum Tarifentgelt sein. Zwingend ist dies jedoch nicht. Die Höhe des angemessenen Ausgleichs für Nachtarbeit richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist. Ein geringerer Ausgleich kann erforderlich sein, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt. Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern, zum Tragen kommen muss (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12, AP ArbZG § 6 Nr. 9; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 115, 372).

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Walter Huber    

        

    D. Kiel    

                 

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.

(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.

(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.

(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die

1.
auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2.
Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.

(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)