Arbeitsgericht Trier Urteil, 21. Juni 2016 - 3 Ca 1527/15

ECLI:ECLI:DE:ARBGTRI:2016:0621.3CA1527.15.0A
bei uns veröffentlicht am21.06.2016

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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Fahrtkosten für die Zeit von Januar bis September sowie für November und Dezember von insgesamt 390,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten aus 322,60 € seit dem 11.12.2015 und aus 68,30 € seit dem 05.02.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Nachtzuschläge in Höhe von 803,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten aus 755,19 € seit dem 11.12.2015 sowie aus 48,89 € seit dem 05.02.2016 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird auf 1.194,88 € festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Fahrtkosten und Nachtzuschläge.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.10.2010 als Zusteller beschäftigt. Er arbeitet in einer 6-Tage-Woche, und zwar ausschließlich nachts. Gemäß Anlage 2 seines Arbeitsvertrages erhält er pro Zeitungszustellung 1,87 € Stücklohn nebst einer "steuerfreien Zulage" i.H.v. 0,47 € (= 25 %), was den von der Beklagten gezahlten Nachtzuschlag bezeichnet. Anlässlich des zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Mindestlohngesetzes diente die Beklagte dem Kläger eine Änderung des Arbeitsvertrages an, der keinen Stück-, sondern einen Stundenlohn vorsieht, bei einem Nachtzuschlag von nur noch 10 %; zudem sollten die dem Kläger bislang gezahlten Fahrtkosten von monatlich 120,00 € künftig nach Kilometern abgerechnet werden, wobei der Kläger seine Arbeit anstatt mit seinem Pkw nunmehr nachts mit einem Zweirad verrichten sollte. Der Kläger unterschrieb den neuen Arbeitsvertrag nicht. Gleichwohl zahlte ihm die Beklagte seit Januar 2015 lediglich einen 10%igen Nachtzuschlag sowie Fahrtkosten in unterschiedlicher Höhe, namentlich für Januar bis September 81,61 € / 88,96 € / 89,33 € / 83,41 € / 65,32 € / 59,94 € / 55,84 € / 39,29 € / 41,54 € sowie für November und Dezember 2015 jeweils

3

51,70 €. Mit der Abrechnung für Oktober 2015 zahlte sie darüber hinaus 132,02 € an Fahrtkosten nach. Der Kläger begehrt nun die restlichen Fahrtkosten sowie die Differenz der Nachtzuschläge in Höhe von (25 - 10 =) 15%.

4

Hierzu beruft er sich zum einen auf den Arbeitsvertrag und vertritt insoweit die Ansicht, der dort ausgewiesene Nachtzuschlag von 25% gelte weiterhin, auch wenn die Beklagte nicht mehr stück-, sondern stundenbezogen vergüte. Des Weiteren ergebe sich ein 25%iger Nachtzuschlag aus § 6 Abs. 5 ArbZG.

5

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn

6

1. rückständige Fahrkosten für die Zeit von Januar bis September sowie für die Monate November und Dezember insgesamt 390,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 322,60 € seit Zustellung der ursprünglichen Klage und aus weiteren 68,30 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 01.02.2016 zu zahlen;

7

2. rückständige Nachtzuschläge in Höhe von 803,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus 755,19 € seit Zustellung der Klage sowie aus 48,89 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 01.02.2016 zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie vertritt hinsichtlich der Nachtzuschläge die Ansicht, die im Arbeitsvertrag ausgewiesenen 25% seien nur auf den vereinbarten Stücklohn bezogen, nicht aber auf einen Stundenlohn nach dem Mindestlohngesetz. Die von ihr gezahlten 10% seien im Rahmen von § 6 Abs. 5 ArbZG auch angemessen, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Zweck des Nachtzuschlages darin liege, den Arbeitgeber durch Verteuerung von Nachtarbeit von dieser abzuhalten. Könne dieser Zweck von vornherein nicht erreicht werden, weil bestimmte Arbeiten – wie etwa die von Zeitungszustellern – nur nachts ausgeübt werden könnten, laufe dieser Sanktionscharakter leer, was einen Abschlag von den grundsätzlich angemessenen 25% i.H.v. 15% rechtfertige.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

12

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet. Dem Kläger stehen sowohl die geltend gemachten Fahrtkosten wie auch die geltend gemachten Nachtzuschläge in der eingeklagten Höhe zu.

13

1. Hinsichtlich der Fahrtkosten hat die Beklagte keine spezifischen Einwände erhoben und dies mit Schriftsatz vom 14.03.2016 auch zum Ausdruck gebracht. Der Kläger erhielt unstreitig monatlich 120,00 €. Ein Grund, diese Fahrtkosten nunmehr einseitig anders zu bemessen, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen. Daher war dem Klageantrag zu 1, dessen Höhe der Kläger substantiiert dargelegt hat, stattzugeben.

14

2. Gleiches gilt für die geltend gemachten Nachtzuschläge (die ausweislich der Klagebegründung als Bruttobetrag eingeklagt werden sollten, so dass der Klageantrag entsprechend auszulegen war).

15

a) Dies ergibt sich zunächst schon aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dieser sieht unstreitig einen 25%igen Nachtzuschlag ("steuerfreie Zulage") auf den Grundlohn vor. Warum sich an diesem Satz allein dadurch etwas ändern soll, dass die Beklagte den Grundlohn nicht mehr stückbezogen, sondern entsprechend dem Mindestlohngesetz stundenbezogen vornimmt, erschließt sich der Kammer nicht. Unabhängig davon, dass die vertragliche Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien weder einvernehmlich noch wirksam einseitig geändert wurde – und damit fortgilt –, ist der Nachtzuschlag "auf" den dem Kläger in jedem Fall zustehenden Lohn, also den Mindestlohn, zu zahlen, d. h. zusätzlich zu diesem. Die Beklagte kann sich in diesem Rahmen nicht darauf berufen – wie es im Kammertermin anklang –, dass der stückbezogene Nachtzuschlag nach dem Arbeitsvertrag lediglich für die Zeitungszustellungen, nicht aber für die Zustellungen anderer Druckwerke vorgesehen gewesen sei, wohingegen der stundenbezogene Mindestlohn sämtliche Arbeitsleistungen erfasse, weshalb von den vertraglichen 25% ein Abschlag vorzunehmen sei. Nach dem Mindestlohngesetz ist der Zuschlag "auf" den Mindestlohn zu zahlen und daher noch nicht in diesem enthalten, weder ganz noch teilweise. Die Beklagte selbst bringt in ihrem Arbeitsvertrag deutlich zum Ausdruck, dass die steuerfreie Zulage zusätzlich zu dem Grundlohn für die Zeitungszustellung in Höhe von 25% zu zahlen ist. Nur zu diesem "Grundlohn" verhält sich das Mindestlohngesetz, weshalb dem Kläger die 8,50 € pro Stunde ohne Anrechnung auf Nachtzuschläge zustehen.

16

b) Unabhängig hiervon steht dem Kläger ein Anspruch auf die Zahlung eines 25%igen Nachtzuschlags aus § 6 Abs. 5 ArbZG zu. Danach hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (das in der vorgenannten Norm enthaltene Wahlrecht des Arbeitgebers hat die Beklagte vorliegend durch die stetige Zahlung eines Nachtzuschlages ausgeübt [vgl. BAG 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 56], weshalb der Klageantrag nicht auf eine wahlweise Verurteilung zur Zahlung oder Arbeitsfreistellung zu richten war). "Angemessen" i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG ist regelmäßig ein Nachtzuschlag von 25% (BAG 27.05.2003 AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG; 11.02.2009 AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rn. 19; 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 16, 21, 23 ff.; LAG Berlin-Brandenburg 17.09.2009 – 26 Sa 809/09 – Rn. 33; 25.10.2012 – 18 Sa 1021/12 – Rn. 119; LAG Hamburg 10.10.2012 – H 6 Sa 35/12; 09.04.2014 – 6 Sa 106/13 – Rn. 76; LAG Düsseldorf 19.11.2014 – 7 Sa 645/14 – Rn. 78; LAG München 29.01.2015 – 4 Sa 557/14 – Rn. 27; 26.06.2015 – 7 Sa 839/14; LAG Thüringen 07.11.2013 – 4 Sa 254/13 – Rn. 35). Von diesem Grundsatz kann indes nach oben wie nach unten abgewichen werden. So ist bei einem Arbeitnehmer, der in Dauernachtarbeit tätig wird, wegen der damit verbundenen höheren Belastung ein Nachtzuschlag von 30% als angemessen anzusehen (BAG 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 28). Umgekehrt kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ein geringerer Ausgleich genügen, wenn in die Zeit der Nachtarbeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt (BAG 11.02.2009 AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rn. 18 f.; 31.08.2005 NZA 2006, 324 Rn. 17; 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 29) oder wenn der vom Gesetzgeber mit dem Nachtzuschlag verfolgte Zweck, Nachtarbeit zu verteuern und dadurch einzuschränken, wegen der Art der Arbeitsleistung nicht zum Tragen kommen kann, weil die Nachtarbeit aus zwingenden technischen oder zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung unvermeidbar ist (BAG 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 29; ähnlich schon BAG 31.08.2005 NZA 2006, 324 Rn. 16 f.; 11.02.2009 AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rn. 12; 18.05.2011 NZA-RR 2011, 581 Rn. 25). Auf letzteres beruft sich vorliegend die Beklagte mit der Begründung, Tageszeitungen könnten nur nachts und nicht tagsüber zugestellt werden. Daher laufe der den Arbeitgeber "sanktionierende" Anteil des Nachtzuschlags, der ihn von Nachtarbeit abhalten solle, leer, weshalb nur noch der dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dienende Anteil des Nachtzuschlags verbleibe. Dieser sei mit 10% hinreichend bedient (ebenso für Zeitungszusteller LAG Köln 02.09.2005 – 12 Sa 132/05).

17

Dieser Argumentation der Beklagten und der von ihr insoweit in Bezug genommenen Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts schließt sich die erkennende Kammer ausdrücklich nicht an.

18

aa) Der Gesetzgeber will den Arbeitgeber von Nachtarbeit abhalten, weil diese das Privatleben des Arbeitnehmers in gravierendem Maße beeinträchtigt und seiner Gesundheit abträglich ist. Auch ohne eine Vertiefung der evolutionsbiologischen Zugehörigkeit des Menschen zu den tagaktiven Primaten ist hinlänglich bekannt, dass es seiner Gesundheit schadet, wenn der dem natürlichen Tageslicht korrespondierende Circadiane Rhythmus (Schlaf-Wach-Rhythmus / Biorhythmus) des Menschen beeinträchtigt wird, indem ihm die Nacht als typische, von der Natur vorgesehene Ruhe-, Regenerations- und Erholungsphase genommen und er nicht nur wachgehalten, sondern zudem noch mit Arbeitstätigkeiten und damit einhergehenden Sorgfaltspflichten betraut wird. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber ausdrücklich dazu verpflichtet, angesichts der "nachgewiesenen Schädlichkeit (von Nachtarbeit) für die menschliche Gesundheit" Regelungen zum "Schutz der Arbeitnehmer vor (diesen) schädlichen Folgen" zu treffen, um so dem Recht des Arbeitnehmers "auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) Genüge zu tun" (BVerfG 28.01.1992 NZA 1992, 270, 273). Dieser Gedanke des Gesundheitsschutzes findet sich denn naheliegenderweise auch in der Begründung des seinerzeitigen Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 12/5888, S. 21), den Erwägungsgründen der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG (Nr. 7-10) sowie in Art. 3 des IAO-Übereinkommens Nr. 171 über Nachtarbeit v. 26.06.1990.

19

Für den menschlichen Biorhythmus spielt es nun aber keine Rolle, ob die nächtliche Arbeit nach Bewertung der Gesellschaft oder der Juristen "zwingend" nur nachts erbracht werden kann. Biologisch bleibt die Beeinträchtigung identisch (bzw. steigt bei bestimmten Tätigkeiten im Vergleich zur normalen "Tagesbeanspruchung" sogar auf bis zu 150% an, vgl. HK-ArbSchR/Habich, 2014, § 6 ArbZG Rn. 1 mwN zur sog. "Verstärkerfunktion" von Nachtarbeit; ferner Anzinger/Kobers-ki, ArbZG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 84 mwN).

20

Zudem ändert sich die Bewertung, ob eine Tätigkeit "zwingend" nachts zu erbringen ist, mit den Ansprüchen der jeweiligen Gesellschaft. Dass – wie hier – Tageszeitungen nachts ausgetragen werden, ist mittlerweile zweifellos üblicher Standard, aber weder in den Worten des Bundesarbeitsgerichts "technisch zwingend" noch aus anderen Gründen "zwingend", zumal sich gerade angesichts des enormen Stellenwerts der digitalen Medien und ihrer Verbreitung in unserer modernen Industriegesellschaft die Aktualität von Nachrichten mittlerweile stündlich überholt. Wenn die Gesellschaft es nicht nur als sinnvoll, sondern entsprechend den Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts als "unvermeidbar" betrachtet, Zeitungen nachts zustellen zu lassen, hat sie hierfür einen Preis zu zahlen, der der dadurch hervorgerufenen "spezifischen Gesundheitsgefährdung" und der "erschwerten Teilhabe am sozialen Leben" der betroffenen Arbeitnehmer Rechnung trägt (BAG 27.05.2003 AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG; 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 18). Diesen Arbeitnehmern den üblichen Nachtzuschlag von 25% noch unter das Regelmaß herabzusetzen mit der Begründung, ihre Tätigkeit könne nun einmal nur nachts erbracht werden (was ihre Beeinträchtigung ja gerade noch erhöht), würde dem eigentlichen Sinn und Zweck, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, geradezu Hohn sprechen. Für ihn macht die Art der Tätigkeit die Nacht nicht zum Tag. Bleibt seine gesundheitliche Beeinträchtigung aber gleich, gibt es keine Veranlassung, den Nachtzuschlag (der ähnlich wie eine Gefahrenzulage eine besondere Gesundheitsgefährdung durch die Tätigkeit abgelten soll) unter das übliche, angemessene Maß abzusenken. Die Verteuerung von Nachtarbeit ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Sie dient dem erkennbar übergeordneten, finalen Ziel des Gesundheitsschutzes des Nachtarbeitnehmers bzw. einem Ausgleich der bei ihm hervorgerufenen Gesundheitsgefährdung. Soweit Tätigkeiten nachts aus technischen, gesellschaftlichen oder sonstigen Gründen durchgeführt werden "müssen", ändert dies an dieser Gefährdungs-/Beeinträchtigungssituation für den Arbeitnehmer nichts, weshalb der Ausgleich (Nachtzuschlag) auch in diesen Fällen in voller Höhe zu zahlen ist. Im übrigen dienen die Regelungen des § 6 ArbZG selbst nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts "in erster Linie" dem Schutz des Arbeitnehmers und sehen eine Verteuerung von Nachtarbeit "im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers" vor (BAG 05.09.2002 NZA 2003, 563, 567; 31.08.2005 NZA 2006, 324 Rn. 16; 11.02.2009 AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rn. 12; 18.05.2011 NZA-RR 2011, 581 Rn. 25; 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 29). Die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG soll die mit Nachtarbeit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen der Arbeitnehmer "ausgleichen" bzw. "abgelten" (BAG 05.09.2002 NZA 2003, 563, 567; 27.05.2003 AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG; 31.08.2005 NZA 2006, 324 Rn. 12, 14, 17; 11.02.2009 AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rn. 12; 09.12.2015 NZA 2016, 426 Rn. 16, 23). Ein solcher Ausgleich ist aber auch dann noch möglich, wenn die Tätigkeit als solche nachts erbracht werden muss und die daraus resultierende Beeinträchtigung des Arbeitnehmers unmittelbar nicht vermieden werden kann.

21

bb) Selbst wenn man sich dem aber nicht anschließen wollte, ändert sich vorliegend am Ergebnis nichts. Nach Auffassung der Kammer kommt dem Zweck des Gesundheitsschutzes jedenfalls eine so überragende Bedeutung zu, dass für den anderen vom Bundesarbeitsgericht genannten, hier dann wohl leerlaufenden Zweck der Verteuerung von Nachtarbeit zwecks ihrer Unterbindung, allenfalls ein Abschlag von 5% vorzunehmen wäre. Da nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einem in Dauernachtschicht tätigen Arbeitnehmer ein Zuschlag von 30% zusteht und es sich bei dem Kläger unstreitig um einen Dauernachtarbeitnehmer handelt – er arbeitet 6 Tage die Woche ausschließlich nachts –, wäre der ihm damit an sich zustehende Nachtzuschlag von 30% jedenfalls nicht auf weniger als die hier eingeklagten 25% abzusenken (ebenso werten dies ausdr. und zutr. LAG Berlin-Brandenburg 11.01.2013 – 6 Sa 1490/12 – Rn. 26 ["Nachtstewardess" im Zug] und LAG München 23.05.2013 – 4 Sa 893/12 – Rn. 33 ["Schlafwagenschaffner"]).

22

3. Daher war der Klage insgesamt stattzugeben.

B.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

C.

24

Die Berufung war vorliegend nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt. Insbesondere ist die Abweichung der Rechtsansicht der erkennenden Kammer von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht alleinentscheidend für die vollumfängliche Klagestattgabe.

Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Trier Urteil, 21. Juni 2016 - 3 Ca 1527/15

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
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(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 3. September 2013 – 9 Ca 77/13 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2013 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 25 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von zwei Arbeitstagen zu gewähren.

Im Übrigen wird der Klagantrag zu 2) abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und der Kläger haben jeweils 50% der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe von Nachtarbeitszuschlägen.

2

Die Beklagte ist Teil der U.-Gruppe, die weltweit im Paketdienst tätig ist. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Eine Tarifbindung besteht nicht. Die Beklagte beschäftigt ca. 500 Kraftfahrer.

3

Der Kläger ist seit dem 22. März 1993 als Lkw-Fahrer im Linientransport für die Beklagte tätig. Derzeit ist der Kläger im Regionalbetrieb Nord-Ost mit Dienstsitz Hamburg-Ost eingesetzt. Bis zum 30. September 2013 erhielt der Kläger einen Bruttostundenlohn von 15,63 €. Seit dem 1. Oktober 2013 beträgt sein Bruttostundenlohn 15,90 €.

4

Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 22./30. März 1993 zugrunde. Dieser Arbeitsvertrag enthält unter § 7 Abs. 4 folgende Regelung:

5

„Alle Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis müssen spätestens drei Monate nach Fälligkeit, bei Ausscheiden spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden schriftlich bei der Firma geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche verfallen.“

6

Für die Regelungen des Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen.

7

Für die im Zeitraum von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zahlt die Beklagte einen Nachtarbeitszuschlag. Dieser Zuschlag ist in der Vergangenheit regelmäßig erhöht worden. So betrug der Zuschlag im Jahr 2010 bis einschließlich des Monats September 1,65 € brutto/Stunde, zwischen Oktober 2010 und September 2011 1,75 € brutto/Stunde, zwischen Oktober 2011 und September 2012 1,90 € brutto/Stunde und zwischen Oktober 2012 und September 2013 2,92 € brutto/Stunde. Seit Oktober 2013 gewährt die Beklagte Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 3,18 € brutto/Stunde. Bei einer prozentualen Betrachtung belief sich der Nachtarbeitszuschlag bezogen auf die Bruttostundenvergütung des Klägers im Zeitraum Oktober 2012 bis September 2013 auf 18,68 % und beträgt aktuell 20,00 %.

8

Nach der „U. Tariftabelle und Serviceleistungen 2013“ (Stand: 8. Juli 2013) bietet die Beklagte verschiedene Zustelltarife für Sendungen an. Neben Express-Zustellungen, bei denen die Zustellung zu bestimmten Zeiten zugesichert ist, gibt es für weniger dringliche Sendungen den „U. Standardtarif“. Die Laufzeit hängt bei diesem Tarif vom Herkunfts- und Bestimmungsort ab und lässt sich mit einem Tool „Laufzeit und Kosten berechnen“ auf dem Internetauftritt der Beklagen unter www...com berechnen. Für die verschiedenen Zustelltarife wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. August 2013 verwiesen (Bl. 60 f. d. A.).

9

Die Paketzustellung vollzieht sich in folgenden Schritten: Zunächst wird die Paketsendung von einem Zustellfahrzeug beim Kunden abgeholt und in die Abholniederlassung vor Ort gebracht. Dort werden die abgeholten Sendungen entladen und je nach Zieldestination in Container verladen. Dies erfolgt bis ca. 20:00 Uhr.

10

Die Container werden anschließend zu Hauptumschlagsbasen (so genannte "HUBs") transportiert. Im jeweiligen HUB erfolgt eine Sortierung aller von verschiedenen Abholniederlassungen oder von anderen HUBs in Containern eingehenden Sendungen. Diese werden dann sortiert nach Zielniederlassungen wieder in Container verladen und zur Zielniederlassung gebracht. Dort angekommen werden die Container entladen, nach Zustellgebieten sortiert und in die jeweiligen Zustellfahrzeuge verladen. Anschließend werden die Pakete vom jeweiligen Paketzusteller beim Kunden zugestellt.

11

Der Transport von einer Abholniederlassung zur HUB sowie von einer HUB-Sortierung zur Zielniederlassung erfolgt in großen Lastkraftwagen (so genannten "Feedern"). Diese Transporte sind Aufgabe der Beklagten innerhalb der U.-Gruppe.

12

Der Kläger wird regelmäßig für Nachtfahrten eingesetzt. Derzeit fährt der Kläger zumeist die Nachtroute zwischen der Niederlassung in Hamburg-Ost und der HUB in N. Seine Arbeitszeit beginnt dann um 20:15 Uhr in der Niederlassung Hamburg. Nach der Ankunft in der HUB in N. macht der Kläger in der Zeit zwischen 1:10 Uhr und 2:10 Uhr Pause. Anschließend übernimmt der Kläger die in der HUB in Container verpackten Transportgüter und bringt diese nach Hamburg.

13

Der Kläger arbeitete wie folgt:

14

- 2009: 1056,16 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2010: 1309,32 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2011: 1591,95 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 2012: 1614,67 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

- 01/13 bis 07/13: 1041,98 Stunden in der Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr

15

Mit Schreiben des Klägers vom 27. Juli 2012, der Beklagten am 1. August 2012 zugegangen, wurde die Beklagte aufgefordert, Nachtschichtzuschläge auf der Grundlage von 30 % des Bruttostundenentgelts in Höhe von insgesamt 10.593,31 € brutto für den Zeitraum Januar 2010 bis Juni 2012 zu zahlen. Für die Aufstellung der Forderungen im Einzelnen wird auf die Anlage K 2 zur Klagschrift (Bl. 11 f. d. A.) verwiesen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. September 2012 wies die Beklagte die Forderung zurück. Insoweit wird auf die Anlagen K 3 zur Klageschrift (Bl. 14 f. d. A.) verwiesen.

16

Mit seiner am 8. Februar 2013 erhobenen Klage sowie mit Klagerweiterungen unter dem 27. Juni 2013 und 3. September 2013 Klage macht der Kläger Nachtarbeitszuschläge für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2009 bis zum 31.07.2013, ersatzweise Freizeitausgleich geltend. Weiterhin hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte für die Zeit ab dem 1. August 2013 verpflichtet ist, einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30% vom Bruttostundenlohn, ersatzweise Freizeitausgleich von 2 Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden, zu gewähren.

17

Im Hinblick auf geltend gemachte Ansprüche für das Jahr 2009 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

18

Der Kläger hat vorgetragen, da die Zahlung der steuerfreien Zuschläge regelmäßig und ohne jegliche Ausnahme seit 1993 für die Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr erfolgt sei, sei von einer entsprechenden betrieblichen Übung der Zahlung von steuerfreien Nachtarbeitszuschlägen auszugehen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Position zurückziehen, Nachtarbeit liege nach § 2 Abs. 3 ArbZG nur von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr vor.

19

Der grundsätzlich zu gewährende Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Bruttostundenlohns sei zu erhöhen, wenn die Arbeit – wie beim Kläger - dauerhaft in der Nacht geleistet werde. Die Nachtarbeit des Klägers sei mit erheblichen Anstrengungen und gesundheitlichen Belastungen verbunden. Nachtfahrten mit dem Lkw würden eine besonders hohe Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erfordern. Ferner seien die gesundheitlichen Belastungen bei Nachtfahrten besonders hoch, da der natürliche körperliche Biorhythmus gestört sei. Insoweit sei ein Nachtarbeitszuschlag von 30 % des Bruttostundenlohns angemessen.

20

Der Zweck der Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG, Nachtarbeit durch Verteuerung unattraktiv zu machen, sei auch bei der Beklagten zu erreichen. Die Nachtarbeit des Klägers sei vermeidbar. Die Transportgüter seien nach dem Standardtarif der Beklagten innerhalb von 48 Stunden zuzustellen. Die Transportzeit von der Abholung der Paketsendungen in der Niederlassung vor Ort bis zur Zustellung an die Kunden dauere maximal 14 Stunden. Bis zur Ausschöpfung der Zustellzeit von 48 Stunden bleibe eine Reserve von 30 Stunden. Somit sei es möglich, dass der Kläger mit seiner Arbeit erst um 6:00 Uhr beginne. Mit einer Zeitverschiebung von 9 Stunden und 45 Minuten wäre die Zustellzeit von 48 Stunden einhaltbar.

21

Der Kläger habe zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr wie folgt gearbeitet:

22

- 2009: 134 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2010: 169 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2011: 202 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 2012: 132,35 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

- 01/13 bis 07/13: 69,1 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr

23

Die Ansprüche seien nicht verfallen. Die arbeitsvertragliche Verfallfrist sei gewahrt. Der Kläger habe die Ansprüche innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht. Die Fälligkeit werde an den Umstand geknüpft, dass der Arbeitnehmer in der Lage sei, seine Forderung annähernd zu beziffern. Der Kläger sei zunächst davon ausgegangen, dass die von der Beklagten gezahlten Nachtschichtzuschläge angemessen seien. Erst anlässlich eines Gesprächs mit dem Betriebsratsvorsitzenden im Juli 2012 habe dieser dem Kläger mitgeteilt, dass die gezahlten Nachtarbeitszuschläge unangemessen seien. Erst ab diesem Zeitpunkt sei der Kläger in der Lage gewesen, den eingetretenen Anspruchsverlust zu verhindern.

24

Die Verfallsklausel sei im Übrigen unwirksam. Diese Klausel sei so zu verstehen, dass sie lediglich einseitig für den Arbeitnehmer anwendbar sei.

25

Der Kläger hat beantragt,

26

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 18.159,48 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz

27

auf € 57,98 seit dem 1.3.2009,

auf € 45,60 seit dem 1.4.2009,

auf € 413,48 seit dem 1.5.2009,

auf € 196,96 seit dem 1.6.2009,

auf € 448,53 seit dem 1.7.2009,

auf € 291,26 seit dem 1.8.2009,

auf € 21,41 seit dem 1.9.2009,

auf € 399,91 seit dem 1.10.2009,

auf € 331,44 seit dem 1.11.2009,

auf € 477,66 seit dem 1.12.2009,

auf € 312,20 seit dem 1.1.2010,

auf € 603,00 seit dem 1.1.2010,

auf € 485,52 seit dem 1.2.2010,

auf € 426,51 seit dem 1.3.2010,

auf € 493,12 seit dem 1.4.2010,

auf € 325,86 seit dem 1.5.2010,

auf € 279,42 seit dem 1.6.2010,

auf € 454,49 seit dem 1.7.2010,

auf € 104,82 seit dem 1.8.2010,

auf € 411,53 seit dem 1.9.2010,

auf € 89,34 seit dem 1.10.2010,

auf € 22,80 seit dem 1.11.2010,

auf € 256,79 seit dem 1.12.2010,

auf € 381,66 seit dem 1.1.2011,

auf € 763,50 seit dem 1.1.2011,

auf € 424,84 seit dem 1.2.2011,

auf € 431,94 seit dem 1.3.2011,

auf € 465,48 seit dem 1.4.2011,

auf € 297,81 seit dem 1.5.2011,

auf € 431,53 seit dem 1.6.2011,

auf € 333,63 seit dem 1.7.2011,

auf € 450,53 seit dem 1.8.2011,

auf € 228,00 seit dem 1.9.2011,

auf € 385,83 seit dem 1.10.2011,

auf € 336,00 seit dem 1.11.2011,

auf € 353,57 seit dem 1.12.2011,

auf € 380,66 seit dem 1.1.2012,

auf € 929,20 seit dem 1.1.2012,

auf € 380,09 seit dem 1.2.2012,

auf € 447,49 seit dem 1.3.2012,

auf € 467,82 seit dem 1.4.2012,

auf € 274,53 seit dem 1.5.2012,

auf € 428,34 seit dem 1.6.2012,

auf € 243,54 seit dem 1.7.2012,

auf € 470,20 seit dem 1.8.2012,

auf € 178,73 seit dem 1.9.2012,

auf € 326,26 seit dem 1.10.2012,

auf € 239,46 seit dem 1.11.2012,

auf € 284,80 seit dem 1.12.2012,

auf € 240,91 seit dem 1.1.2013 und

auf € 622,05 seit dem 1.1.2013

28

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 88 Arbeitstagen zu gewähren.

29

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. August 2013 eine Nachtschichtzuschlag in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen und im Falle des Verzugs den geschuldeten Betrag mit Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen Abrechnungsmonat folgenden Monatsersten zu verzinsen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von zwei Arbeitstagen zu gewähren;

30

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1461,74 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf

31

€ 323,00 seit dem 1.2.2013,

€ 315,03 seit dem 1.3.2013,

€ 317,81 seit dem 1.4.2013,

€ 342,62 seit dem 1.5.2013 und

€ 86,05 seit dem 1.6.2013

32

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 3,45 Arbeitstagen zu gewähren;

33

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 717,79 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf

34

€ 336,50 seit dem 1.7.2013 und auf

€ 381,29 seit dem 1.8.2013

35

zu zahlen oder Freizeitausgleich von 3,39 Arbeitstagen zu gewähren.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe stets einen angemessenen Zuschlag für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden gewährt. Bei der Bewertung der Angemessenheit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte für den Zeitraum zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr freiwillige Zuschläge leiste, dass zur Durchführung des Geschäfts der Beklagten der nächtliche Warentransport zwingend erforderlich und Nachtarbeit üblich sei und dass die Beklagte an den Kläger bereits einen deutlich übertariflichen Grundlohn (15,63 € statt 11,35 € nach dem Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Verkehrsgewerbes für das Land Hamburg, gültig ab dem 1. Januar 2013, vgl. Anlage B 1, Bl. 32 ff. d. A.) zahle.

39

Bei der Beklagten werde die Nachtarbeit nicht geleistet, um die Produktion zu steigern, sondern um eine wettbewerbsfähige Warenzustellung überhaupt erst zu ermöglichen. Es sei zu bestreiten, dass die vom Kläger durchgeführten Feeder-Transporte auch am Tage durchgeführt werden könnten. Um eine zeitnahe Zustellung zu realisieren, sei es entscheidend und unerlässlich, dass die zuzustellenden Paketsendungen über Nacht von der Beklagten zum jeweiligen HUB bzw. zur jeweiligen Zielniederlassung transportiert würden. Anders ließe sich eine konkurrenzfähige und vom Markt erwartete zeitnahe Zustellung der Pakete nicht realisieren. Dies gelte natürlich erst recht für die verschiedenen Express-Produkte, die von U. angeboten würden. Der Kläger verkenne, dass das Marktumfeld in Deutschland durch einen sehr intensiven Wettbewerb in der Branche geprägt sei. Die Beklagte arbeite hierbei vorwiegend für Geschäftskunden. Für diese Kunden spiele neben der Preisgestaltung insbesondere die Servicequalität der Anbieter eine überragende Rolle. Zu der von den Kunden erwünschten Servicequalität gehöre naturgemäß insbesondere die möglichst zeitnahe, unbeschädigte und verlässliche Zustellung versandter Pakete. Dementsprechend biete die Beklagte in Deutschland ein umfassendes Portfolio an Servicearten an.

40

Bei Berücksichtigung der für die Arbeitszeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gewährten Nachtarbeitszuschläge betrage der von der Beklagten gewährte Nachtarbeitszuschlag derzeit faktisch 25 % der Arbeitsvergütung für die Nachtstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Der für die Zeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr gewährte Zuschlag sei auf die Nachtarbeitszeit nach 23:00 Uhr umzulegen. Zu berücksichtigen sei bei der Berechnung, dass der Kläger seine einstündige Pause in der Zeit nach 23:00 Uhr nehme. Für die Zeit der Pausen sei kein Zuschlag zu zahlen, da sie keine Arbeitszeit sei. Daher würde dem Kläger insgesamt für den siebenstündigen Zeitraum zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr lediglich für 6 Stunden ein Nachtarbeitszuschlag zustehen.

41

Ein Rückgriff auf die im Wirtschaftszweig der Beklagten bestehenden Tarifverträge führe nicht zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten gewährten Nachtarbeitszuschläge unangemessen seien. Die Tariflandschaft im Bundesgebiet sei insoweit außerordentlich „bunt“. Dies sei vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bundesweit tätig sei, zu berücksichtigen. Zudem verbiete sich ein direkter Rückgriff auf tarifvertragliche Regelungen schon deshalb, weil die Beklagte nicht tarifgebunden sei.

42

Etwaige Ansprüche des Klägers für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2012 seien verfallen.

43

Die Berechnungen des Klägers seien mit Rechenfehlern behaftet. Die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil sie unschlüssig sei.

44

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 3. September 2013 über den Feststellungantrag zu 2) entschieden und diesem Antrag teilweise stattgegeben. Mit seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. August 2013 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis vor 6:00 Uhr in Höhe von 30 % vom Bruttostundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich für 90 geleistete Nachtstunden von 2 Arbeitstagen zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zu 2) zurückgewiesen.

45

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch und bestehe kein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO, sodass der Antrag insoweit als unzulässig abzuweisen sei. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des ausgeurteilten Nachzuschlages ergebe sich aus § 6 Abs. 5 ArbZG. Der Kläger sei Nachtarbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Ihm stehe daher entweder ein angemessener Vergütungszuschlag oder eine angemessene Zahl freier Tage zu. Bei dem Merkmal „angemessen“ handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger Nachtarbeit im Dauereinsatz ausübe, seien ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % bzw. der beantragte Freizeitausgleich von zwei freien Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden als angemessen anzusehen. Der Nachtarbeitszuschlag sei dem Kläger lediglich für die gesetzlich definierte Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr zuzusprechen (§ 2 Abs. 3 ArbZG). Für die Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Teilurteils vom 3. September 2013 verwiesen.

46

Die Beklagte hat das ihrem Prozessbevollmächtigten am 16. September 2013 zugestellte Urteil am 9. Oktober 2013 mit der Berufung angegriffen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Dezember 2013 ist die Berufungsbegründung der Beklagten am 16. Dezember 2013 bei Gericht eingegangen.

47

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht Hamburg habe bei der Überprüfung des von der Beklagten gezahlten Zuschlags am Merkmal "angemessen" i. S. des § 6 Abs. 5 ArbZG seinen Beurteilungsspielraum überschritten und wesentliche Umstände des Einzelfalls nicht beachtet.

48

Die U.- Gruppe arbeite überwiegend für Geschäftskunden. Für diese spiele neben der Preisgestaltung insbesondere die Servicequalität eine überragende Rolle. Hierzu gehören insbesondere, dass U. eine fristgerechte Zustellung von Express-Produkt garantiere und sogar eine Geld-Zurück-Garantie für den Fall einer nicht rechtzeitigen Zustellung gewähre. Die Darstellung des Klägers, dass Paketsendungen im Standardtarif ohne Qualitätsverlust auch während der Tag Zeit transportiert werden könnten, sei falsch und realitätsfremd. Auch bei diesem Tarif erwarte der Kunde gerade in Ballungszentren eine Zustellung am folgenden Werktag. Um die Zustellung der Express-und Standardprodukte entsprechend dem Serviceversprechen zu ermöglichen, müssten die Paketsendungen über Nacht zum jeweiligen HUB und zur jeweiligen Zielniederlassung transportiert werden.

49

Hieraus ergebe sich, dass bei der Beklagten – dem Zweck entsprechend – zwingend Nachtarbeit geleistet werden müsse. Dies sei bei der Höhe des zu leistenden Nachtarbeitszuschlags deutlich mindernd zu berücksichtigen.

50

Auch habe das Arbeitsgericht die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere hätte das Arbeitsgericht den sehr hohen Grundlohn, den die Beklagte zahle, bei der Überprüfung der Angemessenheit der gezahlten Zuschläge berücksichtigen müssen. Bei einem hohen Stundenlohn würden die Nachtarbeitszuschläge auch bei einem geringeren Prozentsatz sehr teuer. Es sei darauf hinzuweisen, dass das Gesetz eine prozentuale Koppelung des Zuschlags an den Grundlohn überhaupt nicht vorsehe. Durch den Ansatz des Arbeitsgerichts würde die Beklagte letztlich dafür "bestraft", dass sie ihren Arbeitnehmern einen hohen, deutlich übertariflichen Stundenlohn zahle.

51

Das Arbeitsgericht sei zudem fehlerhaft davon ausgegangen, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn nicht bereits Erschwernisse der Nachtarbeit berücksichtige. Insoweit liege eine stillschweigende Ausgleichsregelung vor. Bei der Beklagten seien ca. 90 % der Kraftfahrer in Nachtarbeit tätig. In einem solchen Fall sei nicht zwingend erforderlich, dass zwischen dem Grundlohn und einer Nachtarbeitspauschale unterschieden werde.

52

Der Umstand, dass der Manteltarifvertrag für Lohnempfänger im Güterverkehrs- und Speditionsgewerbe Hamburg nach § 5 Abs. 2 Ziffer 1 während der Nachtarbeit einen Zuschlag von 25 % vorsehe, könne bei einer vollständigen Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine maßgebliche Rolle spielen. Die Beklagte sei bundesweit tätig. Beispielsweise betrügen die Nachtarbeitszuschläge gemäß § 3 Nr. 2 b) des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik-und Transportwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009 für Kraftfahrer, die Fahrten in einem Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort ausführten, 5,00 € je Nachtschicht (vgl. Anlage B 4, Bl. 224 d. A.).

53

Der Leistung von Dauernachtarbeit könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass der Prozentsatz für einen „angemessenen“ Ausgleich hier generell gegenüber einem Einsatz in Wechselschicht zu erhöhen wäre. Vielmehr sei dem Umstand einer stärkeren Belastung im Falle der Dauernachtarbeit bereits dadurch Rechnung getragen, dass hier naturgemäß ein größerer Anteil der Arbeitszeit in die zuschlagspflichtigen Zeiträume falle.

54

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht hätte richtigerweise zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die seitens der Beklagten gezahlten Nachtarbeitszuschläge bereits "angemessen" seien und damit kein Raum für eine darüber hinausgehende Verurteilung zur Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen oder Gewährung von Freizeitausgleich bestehe.

55

Die Beklagte verweist ergänzend auf ein Rechtsgutachten des Herrn R./Universität T. zur Frage der Bestimmung des Vergütungszuschlags für Nachtarbeitnehmer, das dieser im Auftrag der Beklagten erstellt hat, und macht sich dessen Rechtsausführungen zu eigen. Für den Inhalt des Rechtsgutachtens wird auf die Anlage B 7, Bl. 352 ff. d. A. verwiesen.

56

Die Beklagte beantragt,

57

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. September 2013, Az. 9 Ca 77/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

58

Der Kläger beantragt,

59

die Berufung zurückzuweisen

60

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und trägt ergänzend vor, es werde bestritten, dass 90 % der bei der Beklagten beschäftigten Kraftfahrer auf Nachttouren eingesetzt wurden. Wie sich aus einer beispielhaften Betrachtung der Woche 13. bis 18. Januar 2014 für den Regionalbetrieb H. ergebe, dem der Kläger zugeordnet sei, seien etwa die Hälfte der Nachttouren von Fremdspeditionen oder Leiharbeitern durchgeführt worden. Abzüglich dieser Touren sowie der Tagestouren verbliebe ein Nachttourenanteil für die Mitarbeiter der Beklagten von rund 50 %.

61

Es sei nicht korrekt, wenn die Beklagte vortrage, sie zahle allen Kraftfahrern einen Nachtarbeitszuschlag von 20 %. Die Beklagte zahle keinen prozentualen Anteil vom Bruttogrundlohn, sondern einen Betrag von 3,18 € pro Stunde. Bei einer künftigen Erhöhung des Bruttogrundlohns würde sich der Zuschlag nicht entsprechend erhöhen.

62

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

63

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

I.

64

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft. Sie ist, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG), auch im Übrigen zulässig.

II.

65

Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Feststellungsantrag zu 2) ist in geringerem Umfang stattzugeben, als dies durch das Arbeitsgericht erfolgt ist.

66

1. Der dem Teilurteil des Arbeitsgerichts zugrundeliegende Feststellungsantrag zu 2) des Klägers ist zulässig.

67

Ein Feststellungsinteresse für den Antrag ist gegeben, soweit er in der Berufungsinstanz zur Entscheidung anfällt (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies gilt, obwohl er sich nicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien insgesamt, sondern lediglich auf die Höhe der Nachtarbeitszuschläge bzw. den zum Ausgleich für Nachtarbeit zu gewährenden Freizeitausgleich bezieht. Auch streitige Teilrechtsverhältnisse können Gegenstand von Feststellungsklagen sein, wenn die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, eine Klärung herbeizuführen (vgl. etwa BAG 23.09.2009 – 5 AZR 628/08 - AP Nr. 36 zu § 157 BGB).

68

Hier sind die Höhe der Nachtarbeitszuschläge zwischen den Parteien nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft im Streit. Die Entscheidung über den zukunftsgerichteten Feststellungsantrag ist zur Klärung dieses Teilrechtsverhältnisses geeignet.

69

2. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den zur Entscheidung gestellten Zeitraum ab dem 1. August 2013 für Arbeitszeiten zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr einen höheren Nachtarbeitszuschlag als den aktuell gewährten Zuschlag zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von 2 Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtstunden zu gewähren.

70

Soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass der zu zahlende Nachtarbeitszuschlag 30 % vom Bruttostundenlohn des Klägers zu betragen habe, ist der angesetzte Prozentsatz allerdings zu hoch. Angemessen ist ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % der Bruttovergütung des Klägers.

71

a) Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Die gesetzliche Regelung ist subsidiär und tritt nur ein, wenn eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht (vgl. BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG).

72

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG erfüllt. Der Kläger ist Nachtarbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Er leistet an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG i.V. mit § 2 Abs. 3 und 4 ArbZG). Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung kommt nicht zum Tragen. Tarifvertragliche Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

73

Entsprechend dem Antrag des Klägers war sowohl über die Höhe des Nachtzuschlags zu entscheiden als auch der Umfang des Freizeitausgleichs festzusetzen, den der Arbeitgeber alternativ zum Nachtarbeitszuschlag gewähren kann.

74

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist noch nicht beendet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Beklagte deshalb ein Wahlrecht, ob sie den Anspruch des Klägers durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder auch durch eine Kombination von beidem erfüllt (vgl. zum Wahlrecht des Arbeitgebers etwa BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249; BAG 24.02.1999 – 4 AZR 62/98 – BAGE 91, 63; BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich in der Vergangenheit entschieden hat, für Nachtarbeitsstunden Zuschläge und keinen Freizeitausgleich zu gewähren. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 263 BGB) hat sich hierdurch für die Zukunft nicht auf eine der wahlweise geschuldeten Leistungen konkretisiert. Denn der Leistung von Nachtarbeitszuschlägen lag keine vertragliche Vereinbarung der Parteien, sondern eine einseitige Entscheidung der Beklagten zugrunde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte ihr Wahlrecht (unter Berücksichtigung des insoweit bestehenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, vgl. hierzu BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249; BAG 26.04.2005 – 1 ABR 1/04 – AP Nr. 118 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit) im fortbestehenden Arbeitsverhältnis in anderer Weise ausübt und sich entscheidet, statt der Nachtarbeitszuschläge Freizeit im ausgeurteilten Umfang zu gewähren.

75

b) Bei dem Merkmal „angemessen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Rechtsanwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. etwa BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; LAG Köln, 02.06.2005 – 6 (8) Sa 206/05 – AFP 2006, 85 f.).

76

aa) Im Regelfall ist ein Prozentsatz von 25 % der Bruttovergütung als angemessen anzusehen (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG; BAG 01.02.2006 – 5 AZR 422/04 – NZA 2006, 494; BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG). Ob dieser Wert auch im Einzelfall angemessen ist oder ob von diesem Prozentsatz nach oben oder unten abgewichen werden muss, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach der Art der Arbeitsleistung zu beurteilen (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Eine (prozentuale) Verknüpfung zwischen Grundvergütung und Nachtarbeitszuschlag ist hierbei nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG schon deshalb geboten, weil der Zuschlag „auf“ das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren ist (vgl. BAG 05.02.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG).

77

Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Gutachten des Herrn R. (Anlage B 7, Bl. 352 ff. d.A., Seite 41 f. Bl. 396 d. A.) einen Vergütungszuschlag von 10 v.H. als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Angemessenheit wählen will, kann ihr nicht gefolgt werden. Zur Begründung des Ausgangswertes von 10 % nimmt Herr R. in seinem Gutachten Bezug auf Vorschläge zu Freistellungsansprüchen, die im Gesetzgebungsverfahren zu § 6 Abs. 5 ArbZG diskutiert worden sind. Die entsprechenden Gesetzentwürfe sahen eine zwingende Freizeitgewährung (im Umfang von weniger als 10 %) für geleistete Nachtarbeit vor (s. hierzu. S. 25 f. des Gutachtens, Anlage B 7, Bl. 352 ff., Bl. 380 f. d.A., sowie S. 38 f. des Gutachtens, Anlage B 7, Bl. 393 f. d.A.; siehe auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf, Anlage 2 zum RegE, BT-Drucks. 12/5888, S. 41; vgl. zu einer mit dem Gesetzgebungsverfahren begründeten Zulagenhöhe von etwa 10 % als „untere Grenze der Angemessenheit“ auch BAG, 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG).

78

Die Argumentation des Herrn R. überzeugt schon deshalb nicht, weil die von ihm angeführten Entwürfe nicht Gesetz geworden sind.

79

Der Gesetzgeber hat sich gegen eine gesetzlich zwingende Regelung zum Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeitsstunden entschieden und den Arbeitgebern die Wahl ermöglicht, stattdessen Nachtarbeitszuschläge an die Nachtarbeitnehmer zu zahlen. Dies muss bei der Anwendung des § 6 Abs. 5 ArbZG berücksichtigt werden (vgl. auch BAG, 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 - AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG).

80

Die Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG soll dem Gesundheitsschutz dienen (vgl. die Begründung zum RegE BT-Drucks.12/5888, S. 21). Hinter der Regelung steht das Ziel, Nachtarbeit wegen der mit ihr verbundenen sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst einzuschränken (vgl. etwa BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG).

81

Die gesundheitsschützende Wirkung einer Regelung, die einen zwingenden Freizeitausgleich für eine bestimmte Zahl von Nachtarbeitsstunden vorsieht, unterscheidet sich von der Wirkung einer Regelung, die einen finanziellen Ausgleich für die Arbeit in den Nachtstunden ermöglicht:

82

Eine Freizeitausgleichsregelung kommt der Gesundheit und der sozialen Einbindung der betroffenen Nachtarbeitnehmer unmittelbar zugute. Die Nachtarbeitnehmer können die zusätzliche Freizeit zur Erholung und zur Teilhabe am sozialen Leben zu nutzen.

83

Demgegenüber hat ein finanzieller Ausgleich durch Nachtarbeitszuschläge keine Auswirkung auf die gesundheitlichen und sozialen Belastungen der Nachtarbeit. Die Nachtarbeitszuschläge schützen die Gesundheit und die sozialen Belange der Betroffenen nicht, sondern gewähren den Nachtarbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich - eine Kompensation - für die erlittenen Belastungen (so auch das Rechtsgutachten des Herrn R., S. 25, Anlage B 7, Bl. 352 ff., Bl. 380 d. A.). Nachtarbeitszuschläge sind für den Arbeitgeber die organisatorisch einfacher umsetzbare Ausgleichsmaßnahme, weil sich die Zahlung von Zuschlägen – anders als die Gewährung zusätzlicher Freizeit – auf den Betriebsablauf nicht auswirkt.

84

Die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, den Ausgleich für Nachtarbeit durch Zuschläge zu leisten, entspricht dem gesetzgeberischen Ziel des Gesundheitsschutzes nur dann, wenn die Zahlungen über die Kompensation der Belastungen für die einzelnen Betroffenen hinaus eine gesundheitsschützende „Fernwirkung“ erzeugen. Eine solche mittelbar gesundheitsschützende Wirkung der Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG tritt ein, wenn die Nachtarbeit durch die zu leistenden Zuschläge so verteuert wird, dass sie wegen der mit ihr verbundenen betriebswirtschaftlichen Kosten auf die wirklich notwendigen Fälle beschränkt wird. Die mittelbare nachtarbeitsvermeidende Wirkung von Nachtarbeitszuschlägen verlangt, dass die Zuschläge nicht nur die Belastungen der Nachtarbeitnehmer kompensieren, sondern die Nachtarbeit darüber hinaus spürbar verteuern. Dies ist bei einem Zuschlag von 25 % auf die Bruttovergütung, nicht aber bei geringeren Zuschlägen der Fall (BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG).

85

Dass ein Zuschlag von 25 % der Bruttovergütung als „Regelnachtzuschlag“ angemessen ist, wird durch die gesetzlichen Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von Nachtarbeitszuschlägen bestätigt (§ 3b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EStG). Indem Nachtarbeitszuschläge von 25 % für die Zeit zwischen 20:00 Uhr und 24:00 Uhr sowie 4:00 Uhr bis 6:00 Uhr und von 40 % für die Zeit von 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr von der Einkommenssteuer befreit sind, hat der Gesetzgeber einen Anhaltspunkt dafür geliefert, welchen Wert er der Nachtarbeit beimisst (so auch BAG 05.09.2002 -– 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Zwar verfolgt die steuerrechtliche Regelung keine Ziele des Gesundheitsschutzes. Doch macht sie deutlich, bis zu welcher Grenze Ausgleichszahlungen für die Belastungen der Nachtarbeit als angemessen angesehen werden.

86

cc) Aus den Zwecken, denen die Nachtarbeitszuschläge dienen, ergeben sich zugleich die Kriterien, nach denen in Ansehung der Gegenleistung von der regelmäßig zu zahlenden Zulage von 25 % nach oben oder unten abgewichen werden kann:

87

Eine geringere Zuschlagshöhe ist angemessen, wenn die Arbeitszeit während der Nachtzeit auch Bereitschaftszeiten oder Phasen der Entspannung umfasst (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Denn wenn die Belastungen durch die Nachtarbeit geringer sind, ist hierfür auch ein geringerer finanzieller Ausgleich zu zahlen.

88

Ein geringerer Zuschlag ist auch dann festzusetzen, wenn das Ziel des Gesetzgebers, Nachtarbeit zu vermeiden, wegen der Art der Tätigkeit nicht erreichbar ist (BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Wenn die von den Nachtarbeitnehmern geschuldeten Tätigkeiten zwingend auch nachts anfallen, kann die Nachtarbeit durch eine Verteuerung der Arbeitsleistungen nicht vermieden werden (z.B. Bewachungsgewerbe, BAG 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG; Rettungssanitäter BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG).

89

Demgegenüber ist grundsätzlich ein höherer Prozentsatz gerechtfertigt, wenn der Einsatz der Arbeitnehmer in Dauernachtschicht erfolgt. Grund hierfür sind die besonderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die mit der Dauernachtarbeit einhergehen, sowie die besonderen Einschränkungen bei der Teilhabe am sozialen Leben, die Arbeitnehmer mit Dauernachtarbeit hinzunehmen haben (BAG 27.05.2003 – 9 AZR 180/02 – AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG; BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Diese Belastungen werden entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon dadurch ausgeglichen, dass Arbeitnehmer in Dauernachtschicht für alle gearbeiteten Nachtstunden Zulagen erhalten. Denn der dauerhafte Verzicht auf nächtlichen Schlaf und auf das soziale Leben, das sich nach dem Arbeitsende des überwiegenden Teils der erwerbstätigen Bevölkerung abspielt, hat ein gesteigertes Maß an gesundheitlicher und sozialer Belastung zur Folge. Diese Belastungen verlangen einen höheren finanziellen Ausgleich für die einzelne geleistete Nachtarbeitsstunde.

90

Anhaltspunkte bei der Bestimmung der angemessenen Zuschlagshöhe können auch die branchenüblichen Tarifverträge bieten. Zwingend ist dies allerdings nicht (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – AP Nr. 11 zu § 6 ArbZG; BAG – 9 AZR 180/02 – juris). Zudem können bei der Bemessung des Nachtzuschlags die wirtschaftlichen Bedingungen in der jeweiligen Branche und die Konditionen der Erwerbstätigkeit im Übrigen eine Rolle spielen (vgl. BAG 11.02.2009 – 5 AZR 148/08 – AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG). Es ist jeweils eine Betrachtung des Einzelfalls geboten (vgl. BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249).

91

c) Eine Beurteilung der Umstände im vorliegenden Fall führt zum Ergebnis, dass ein Nachtarbeitszuschlag in der „regelmäßigen Höhe“ von 25 % angemessen ist.

92

Für einen hohen Nachtarbeitszuschlag spricht, dass der Kläger Dauernachtarbeit leistet und den mit dieser Art der Beschäftigung einhergehenden besonderen gesundheitlichen und sozialen Belastungen ausgesetzt ist.

93

Für einen hohen Nachtzuschlag spricht weiter, dass der Einsatz des Klägers als LKW-Fahrer keine Bereitschafts- oder Entspannungszeiten umfasst, sondern konzentriertes Arbeiten während der gesamten Nachtzeit erfordert.

94

Zudem ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als LKW-Fahrer im Pakettransport um eine Arbeit handelt, die nicht zwingend in der Nacht anfällt: Faktisch besteht die Möglichkeit, Paketsendungen ohne den Einsatz von Nachtarbeit zu ihrem Bestimmungsort zu bringen. Bei einer Betrachtung der Tätigkeit an sich ist die Verteuerung der Nachtarbeit deshalb grundsätzlich geeignet, den Umfang der Nachtarbeit im Pakettransport zu verringern.

95

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann aus diesen Umständen jedoch nicht geschlossen werden, dass ein Nachtarbeitszuschlag für den Kläger in einer die „übliche“ Höhe von 25 % übersteigenden Höhe von 30% der Bruttovergütung angemessen ist. Der Nachtarbeitszuschlag ist vielmehr auf 25 % zu begrenzen, da auf der anderen Seite Umstände zu berücksichtigen sind, die einer Bemessung des Zuschlags in einer das übliche Maß übersteigenden Höhe entgegenstehen:

96

Zum einen muss Berücksichtigung finden, dass die Nachtarbeit für das unternehmerische Konzept der Beklagten essenziell ist: Die Beklagte besteht im Wettbewerb dadurch, dass sie verlässliche, kurze Transportzeiten für Paketsendungen gewährleistet. Dies gilt insbesondere für die Spezialtarife. Aber auch im Standardtarif bedeuten die Geschwindigkeit und die Zuverlässigkeit einen Wettbewerbsvorteil. Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass sie die für ihr Geschäftsmodell erforderliche Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit nur durch regelmäßige Nachttouren realisieren kann. Kommt das unternehmerische Konzept der Beklagten aber nicht ohne Nachtarbeit im bisherigen Umfang aus, so kann – bezogen auf dieses unternehmerische Konzept – das Ziel der Vermeidung von Nachtarbeit durch Verteuerung nicht erreicht werden.

97

Ein Begrenzung des Zuschlags auf 25 % für die Tätigkeit des Klägers in Dauernachtarbeit ist auch deshalb angemessen, weil die Beklagte ihren Arbeitnehmern für Tätigkeiten zwischen 21:00 Uhr und 23:00 eine Zulage von 3,18 € brutto/Stunde gewährt. Zwar kann diese Zulage nicht - wie es die Beklagte praktizieren will - rechnerisch auf die Nachtarbeitsstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr „umgelegt“ werden. Eine Umrechnung ist schon wegen der Zielrichtung der Leistung nicht möglich: Die Zulage wird gerade nicht als Ausgleich für die Belastungen der Arbeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr, sondern als Ausgleich für die Belastungen der Arbeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gezahlt. Zudem hätte eine Umrechnung die der Intention der Beklagten nicht entsprechende Folge, dass die Nachtarbeitnehmer der Beklagten unterschiedlich hohe und damit ungleiche Nachtarbeitszuschläge für die Arbeitszeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr erhielten. Denn der Arbeitsbeginn der Nachtarbeitnehmer unterscheidet sich je nach der Tour, die diese fahren. Bei einer Umrechnung würde die Höhe des Nachtzuschlags davon abhängen, wann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgenommen hat: Je mehr Arbeitszeit er in der Zeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr absolvierte, desto höher wäre der rechnerische Nachtarbeitszuschlag.

98

Wenn auch eine Umrechnung nicht möglich ist, so ist die „Spätarbeitszulage“ für die Arbeitszeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr bei der Bestimmung der angemessenen Höhe des Nachtarbeitszuschlags dennoch zu berücksichtigen und steht einer Bemessung des Nachtarbeitszuschlags in einer 25 % übersteigenden Höhe entgegen. Denn die „Spätarbeitszulage“ betrifft die Tageszeit, die für die Teilhabe am sozialen Leben besonders wichtig ist. Sie kompensiert die Einbußen im sozialen Bereich, die die Arbeitnehmer der Beklagten wegen ihrer Arbeitstätigkeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr hinzunehmen haben. Der Zweck der „Spätarbeitszulage“ entspricht damit einem der Zwecke der gesetzlichen Nachtarbeitszuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Dies rechtfertigt es, die freiwillige Spätzulage bei der Beurteilung, welche Nachtzulagenhöhe angemessen ist, zulagenmindernd einzubeziehen.

99

Keine Rolle bei der Festsetzung der angemessenen Zuschlagshöhe kann demgegenüber der Umstand spielen, dass die Beklagte eine im Branchenvergleich hohe Grundvergütung zahlt. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsparteien auf eine gesonderte Zuschlagsregelung verzichten und stattdessen den Grundlohn wegen der vereinbarten Nachtarbeit entsprechend erhöhen (BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG). Von einer derartigen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlags kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitsvertrag konkrete Inhalte für eine Pauschalierung enthält. Hierfür muss ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt sein. Diese Anforderung ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG. Der für die geleistete Nachtarbeit geschuldete angemessene Zuschlag ist danach „auf“ dass dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01 – AP Nr. 4 zu § 6 ArbZG; BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86,249). Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Kläger mit einem Teil der Grundvergütung einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag gewähren will. Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass ein Großteil der Arbeitnehmer der Beklagten Nachtarbeit leistet, kann insoweit nicht ausreichen.

100

Auch die tarifvertraglichen Regelungen zu Nachtarbeitszuschlägen im Transportgewerbe führen im vorliegenden Fall bei der Ermittlung des angemessenen Nachtzuschlags nicht weiter. Dies ergibt sich schon daraus, dass die tariflichen Regelungen im Bundesgebiet sehr unterschiedlich sind. Der Umstand, dass der Manteltarifvertrag für Lohnempfänger im Güterverkehrs- und Speditionsgewerbe Hamburg nach § 5 Abs. 2 Ziffer 1 während der Nachtarbeit (zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr) einen Zuschlag von 25 % vorsieht, lässt lediglich die Aussage zu, dass der hier festgesetzte angemessene Nachtarbeitszuschlag von 25% nicht branchenunüblich ist.

101

d) Das Arbeitsgericht hat den alternativ zu gewährenden Freizeitausgleich zutreffend antragsgemäß auf zwei Arbeitstage für 90 geleistete Nachtschichtstunden festgesetzt.

102

Zwar gilt grundsätzlich, dass sich der Freizeitausgleich und der Vergütungszuschlag nach ihrem Wert entsprechen sollen (BAG 01.02. 2006 – 5 AZR 422/04 – NZA 2006,494). Hier hat der Kläger jedoch in seinem Klagantrag zu 2) einen Freistellungsumfang formuliert, der in seinem Wert hinter der mit dem Antrag begehrten Zuschlagshöhe von 30 % und auch hinter der vom Berufungsgericht als angemessen festgestellten Zuschlagshöhe von 25 % zurückbleibt. Nach den Ausführungen des Klägers liegt weder in Bezug auf die Zuschlagshöhe noch in Bezug auf den Freistellungsumfang ein Berechnungsfehler vor.

103

Dem Kläger kann durch Urteil nicht mehr zugesprochen werden, als er beantragt hat. Da der Kläger keinen dem Wert des angemessenen Nachtarbeitszuschlags von 25 % entsprechenden, sondern einen geringeren Freistellungsumfang beantragt hat, war die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts in Bezug auf den Freistellungsumfang aufrechtzuerhalten. Für die Beklagte resultiert aus der insoweit antragsgemäßen Tenorierung die Möglichkeit, ihr Wahlrecht aus § 6 Abs. 5 ArbZG zu Gunsten der wertmäßig niedrigeren Freistellung auszuüben.

III.

104

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

IV.

105

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 6. Juni 2014 - 27 Ca 14113/13 - werden zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6 zu tragen.

III.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des Anspruchs des Klägers als Arbeitnehmers der Beklagten auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen.

Der - ausweislich der vorgelegten Unterlagen: am ... geborene - Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 seit 04.08.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als „Kraftfahrer“ - Lkw-Fahrer - tätig. Nach ihren Angaben sei die Beklagte, als Teil der U.-Gruppe, dafür zuständig, Paketsendungen zwischen Niederlassungen und Hauptumschlagsbasen (sog. „HUBs“) in großen Lastkraftwagen (sog. „Feedern“) zu transportieren, wobei sie auch für andere Auftraggeber außerhalb der U.-Gruppe tätig sei. Die zum Transport durch die Beklagte vorgesehenen Paketsendungen würden nach ihren näheren Ausführungen zunächst von einem Zusteller bei ihrem Kunden abgeholt und bis ca. 20.00 Uhr in die örtliche Niederlassung der Beklagten gebracht. Dort würden die Paketsendungen aus dem Paketzustellfahrzeug entladen, sortiert und entsprechend ihrer jeweiligen Zieldestinationen in Container verladen, die anschließend zur entsprechenden Hauptumschlagsbasis transportiert würden. Der Transport der Paketsendungen von einer Abholniederlassung zum HUB sowie anschließend von einem HUB wiederum zur Zielniederlassung erfolge in solchen großen Lastkraftwagen („Feedern“). In der Zielniederlassung würden die angelieferten Container entladen, nach Zustellgebieten sortiert und in die jeweiligen Zustellfahrzeuge verladen - dort sodann vom jeweiligen Paketzusteller beim Empfänger zugestellt. Die, nicht tarifgebundene, Beklagte beschäftigt nach ihren Angaben bundesweit insgesamt ca. 500 Kraftfahrer, von denen ca. 90% auf sog. Nachttouren und die übrigen auf sog. Tagtouren eingesetzt würden. Die Beklagte sei bei ihrer Tätigkeit jeweils an die Vorgaben der U. Deutschland Inc. & Co oHG bzw. an diejenigen großer Geschäftskunden gebunden, die der Beklagten insoweit wie ein Kunde/Auftraggeber gegenüberstünden. Der Kläger ist im Regionalbetrieb Süd der Beklagten mit dem Dienstsitz in G. bei M. tätig, wobei er als sog. Springer verschiedene Nachttouren - v. a. eine Route von G. nach R. und zurück nach G. sowie die Route von A. über N. und zurück nach A. - befahre. Nach seinen Angaben habe er im hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 im Rahmen der meisten von ihm gefahrenen Touren seine Arbeit regelmäßig um 19.30 aufgenommen und zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr am Folgetag beendet. Er hat von Beginn seiner Beschäftigung im August 1997 an jeweils Nachtarbeitszuschläge von anfänglich 8% (bzw. von 7,35/7,53%) bis nunmehr, seit August 2014, ansteigend auf 20% seines jeweiligen Stundenlohns erhalten (tabellarische Aufstellung des Klägers hinsichtlich seiner „Lohnentwicklung“ sowie der Entwicklung der Nachtzuschläge in absoluter Zahl und prozentual zum jeweiligen Stundenlohn zuletzt im Schriftsatz vom 24.11.2014, dort S. 17, Bl. 669 f/685 d. A.). Die Beklagte hat die jeweiligen Nachtarbeitszuschläge ab 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr des folgenden Morgens gezahlt.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages in Höhe von 30% seines jeweiligen Stundenlohns ab Januar 2010 im Wesentlichen mit der Begründung geltend, dass er, da er nahezu ausschließlich nachts tätig sei, damit am sozialen Leben überhaupt nicht teilnehmen könne und erheblichen gesundheitlichen Risiken und Beeinträchtigungen ausgesetzt sei, er im Übrigen allenfalls sehr kurze Pausen habe (u. a.) - weshalb ein solcher Zuschlag angemessen sei. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, dass sie für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden an den Kläger stets einen angemessenen Zuschlag gewährt habe, wobei bei der Bewertung dessen Angemessenheit insbesondere zu berücksichtigen sei, dass sie solche Nachtarbeitszuschläge bereits ab 21.00 Uhr leiste, zur Durchführung ihres Geschäfts der nächtliche Warentransport zwingend erforderlich und deshalb Nachtarbeit üblich seien und sie im Übrigen einen deutlich übertariflichen Grundlohn an den Kläger gezahlt habe und zahle. Die entsprechenden tariflichen Regelungen könnten als Orientierung herangezogen werden, wobei es einschlägige Tarifregelungen hinsichtlich einer Pauschalierung von 5,- € je Nacht gebe. Des Weiteren seien sog. Verfügungszeiten des Klägers während seiner Tätigkeit zu berücksichtigen, die zwischen einer und ca. 1,5 Stunden pro Nacht liegen würden und in denen der Kläger nicht aktiv tätig sein müsse.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.07.2014 und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 07.07.2014 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses dem Kläger die Differenzbeträge zu einem Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% seines jeweiligen Stundenlohns für den streitgegenständlichen Zeitraum mit der Begründung zuerkannt hat, dass entgegen dem Einwand der Beklagten die Ansprüche des Klägers aus der Zeit vor dem 01.07.2013 nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen seien, da diese gemäß § 305c Abs. 1 BGB, ggf. weiter gemäß § 307 Abs. 1 BGB, unwirksam sei. Der Anspruch des Klägers als Nachtarbeitnehmers im Sinne des Arbeitszeitgesetzes damit auf Zahlung eines angemessenen Nachtarbeitszuschlages gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG sei in Höhe eines 25-prozentiger Zuschlages begründet - hinsichtlich dessen die Beklagte durch durchgängige Zahlung eines in den Gehaltsabrechnungen jeweils ausgewiesenen „Nachtzuschlages fest“ ihr Wahlrecht bzgl. der gegebenen Wahlschuld ausgeübt gehabt habe. Dies folge aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der von einem solchen regelmäßig als angemessen anzusehenden Prozentsatz auszugehen sei, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass der Kläger dauerhaft, nahezu ausschließlich, in Nachtarbeit tätig sei und sog. Verfügbarkeitszeiten nur auf der einen Tour nach N. in überschaubarem Umfang anfielen; die Zahlung von Nachtzuschlägen bereits zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr sei hierbei jedoch irrelevant, da dies keinen Ausgleich für die Erschwernisse der Nachtarbeit darstelle, sondern auch den Tagarbeitnehmern bezahlt würde. Auch wenn die Beklagte einen Stundensatz deutlich über dem Tariflohn zahle, könne von einer etwa damit gegebenen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlages hierdurch nicht ausgegangen werden, da dies voraussetzen würde, dass der Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte für eine dort enthaltene solche Pauschalierung von Nachtarbeitszuschlägen enthielte - wie hier nicht gegeben. Ebenso wenig sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im KfzVerkehr zur Nachtzeit erhöhten Anforderungen ausgesetzt sei, da die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG dem Ausgleich der mit der Nachtarbeit an sich verbundenen Belastung, nicht aber erhöhten Anforderungen an die Art der Tätigkeit diene. Nach allem stehe dem Kläger für den klagegegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 ein weiterer Betrag von deshalb 6.359,08 € brutto, zzgl. Zinsen jeweils ab dem 5. Arbeitstag des jeweils folgenden Monats aufgrund der entsprechenden Regelungen über die Fälligkeit der Vergütungsansprüche in der Arbeitsordnung der Beklagten, zu - ein weitergehender Nachtarbeitszuschlag in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 30% bestehe dagegen nicht.

Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2014, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, und die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.07.2014, am 30.07.2014 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen.

Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger nach auf seinen Antrag erfolgter Verlängerung der Frist zu deren Begründung bis 20.10.2014 mit, am selben Tag zunächst wiederum per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz vom 24.09.2014 ausgeführt, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei dauerhafter Nachtarbeit wie hier grundsätzlich ein Nachtarbeitszuschlag von 30% angemessen sei, gegen den hier keine gewichtigen Gründe sprächen. Seine Nachtarbeit beinhalte eine besondere Belastung, da seine Tätigkeit als Fahrer während der Nacht besonders hoher Aufmerksamkeit bedürfe und erhöhte Anforderungen stelle. Bei § 6 Abs. 5 ArbZG spielten auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie die erschwerte Teilhabe des Nachtarbeitnehmers am sozialen Leben eine wesentliche Rolle, die bei der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages zu berücksichtigen seien. Zu seinen von der Beklagten erstinstanzlich genannten Verfügbarkeitszeiten während seiner Nachtarbeit bleibe nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts unklar, ob und inwieweit dies berücksichtigt worden sei. Die Belastungen im Straßenverkehr seien nachts besonders hoch und Ruhezeiten erst recht dringend notwendig. Hinzu komme, dass der Fahrer vor jeder Fahrt die gesamten Funktionen am Fahrzeug prüfen müsse, was jeweils ca. 25 Minuten in Anspruch nehme. Des Weiteren seien während sog. Verfügbarkeitszeiten tatsächlich kleinste Reparaturen wie z. B. der Austausch einer Glühbirne durchzuführen. Solche Wartezeiten ergäben sich auch nicht etwa am Stück, sondern hingen von der jeweils zu fahrenden Tour ab und fielen überdies nicht stets in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr an. Auch während solcher Wartezeiten müsse der Kläger jedoch durchgängig verfügbar sein und darauf warten, wann er wieder losfahren könne, weshalb solche Zeiten nicht planbar seien. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass - wie auch das Arbeitsgericht angenommen habe - der Ausschluss einer Tätigkeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr der Beklagten nicht möglich sein sollte. Ebenso wenig habe das Arbeitsgericht näher ausgeführt, in welcher Weise die Tatsache, dass die Beklagte als deutschlandweit tätiges Unternehmen unterschiedliche Löhne in Ost und West bezahle, Berücksichtigung gefunden habe. Die Schwestergesellschaft der Beklagten Fa. U. Inc. & Co. oHG bezahle im Übrigen einen Nachtarbeitszuschlag von 29,67% - was die Angemessenheit eines entsprechenden Zuschlages auch bei der Beklagten bestätige. Der einschlägige Tarifvertrag in Bayern lege für die streitgegenständliche Nachtarbeit einen - damit als angemessen anzusehenden - Zuschlag von 50% fest. Die Nachtarbeit bei der Beklagten betrage im Übrigen nicht 90%, sondern lediglich 50%. Nach allem habe der Kläger Anspruch auf einen 30-prozentigen Nachtarbeitszuschlag, wobei die Verzinsung eines entsprechenden Nachzahlungsanspruches entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ab dem ersten Kalendertag des jeweiligen Folgemonats zu erfolgen habe, da die Arbeitsordnung von der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelung nicht wirksam zugunsten des Klägers abweichen habe können.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, Aktenzeichen 27 Ca 14113/13 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

II. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.06.2014, Aktenzeichen 27 Ca 14113/13 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.393,83 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 303,33 seit 01.02.2010, aus € 232,68 seit

01.03.2010, aus € 388,34 seit 01.04.2010, aus € 144,84 seit

01.05.2010, aus € 150,52 seit 01.06.2010, aus € 102,24 seit

01.07.2010, aus € 41,18 seit 01.08.2010, aus € 289,68 seit

01.09.2010, aus € 78,10 seit 01.10.2010, aus €158,84 seit

01.11.2010, aus € 253,87 seit 01.12.2010, aus € 357,61 seit

01.01.2011, aus € 119,28 seit 01.02.2011, aus € 268,12 seit

01.03.2011, aus € 394,05 seit 01.04.2011, aus € 248,07 seit

01.05.2011, aus € 253,47 seit 01.07.2011, aus € 96,53 seit

01.08.2011, aus € 151,94 seit 01.09.2011, aus € 119,28 seit

01.10.2011, aus € 145,55 seit 01.11.2011, aus € 302,85 seit

01.12.2011, aus € 367,67 seit 01.01.2012, aus € 204,73 seit

01.02.2012, aus € 268,37 seit 01.03.2012, aus € 301,04 seit

01.04.2012, aus € 274,95 seit 01.05.2012, aus € 167,18 seit

01.06.2013 (2), aus € 120,14 seit 01.07.2012, aus € 303,97 seit

01.08.2012, aus € 100,44 seit 01.09.2012, aus €216,62 seit

01.10.2012, aus € 115,17 seit 01.11.2012, aus € 191,55 seit

01.12.2012, aus € 56,20 seit 01.01.2013, aus € 146,17 seit

01.02.2013, aus € 185,89 seit 01.03.2012 (3), aus € 144,45 seit

01.04.2013, aus € 151,12 seit 01.05.2013, aus € 59,12 seit

01.06.2013, aus € 106,20 seit 01.07.2013, aus € 233,20 seit

01.08.2013, aus € 217,27 seit 01.09.2013, aus € 8068 seit

01.10.2013, aus € 176,38 seit 01.11.2013, aus € 136,95 seit

01.12.2013, aus € 136,39 seit 01.01.2014, aus € 165,57 seit

01.02.2014 und aus € 169,05 seit 01.03.2014 zu bezahlen.

(Hilfsweise: oder dem Kläger einen Freizeitausgleich von 146 Tagen zu gewähren).

2. Die Beklagte wird verurteilt dem Kläger ab 01.03.2014 einen Nachtschichtzuschlag für die Nachtarbeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr in Höhe von 30% vom Bruttostundenlohn (bis 30.09.2014: € 4,77 brutto pro Stunde und ab 01.10.2014: € 4,86 brutto pro Stunde) zu bezahlen.

(Hilfsweise: oder dem Kläger einen Freizeitausgleich von 3 Arbeitstagen für 80 vom Kläger geleistete Nachtarbeitsstunden von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu gewähren).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06. Juni 2014 (Az. 27 Ca 14113/13) abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Berufungsantrages vor, dass der Umfang ihrer, ganz überwiegenden, Nachttouren mit ihren Aufgaben innerhalb der U. Gruppe, wie vorstehend wiedergegeben, zusammenhänge. Bei seiner rechtsfehlerhaften Entscheidung habe das Arbeitsgericht im Rahmen der Überprüfung des von der Beklagten gezahlten Nachtarbeitszuschlages am Merkmal „angemessen“ im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG seinen Beurteilungsspielraum überschritten und wesentliche Umstände des Einzelfalls nicht beachtet. Zum einen handle es sich hierbei um eine Wahlschuld gemäß § 262 BGB, die als solche so lange bestehen bleibe, bis der Arbeitgeber seine Wahl getroffen habe - was bei Dauerschuldverhältnissen wie hier bedeute, dass das Wahlrecht nur für denjenigen Zeitraum ausgeübt sei, für den es ausgesprochen worden sei, also den jeweiligen Kalendermonat. Deshalb hätte das Arbeitsgericht weder den Feststellungsantrag noch den Leistungsantrag für die Vergangenheit ohne einen wahlweise zu gewährenden Freizeitausgleich zusprechen dürfen. Hinsichtlich der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlages nach § 6 Abs. 5 ArbZG sei zu berücksichtigen, dass Dauernachtarbeit wie hier nicht zur Rechtfertigung eines höheren Zuschlages herangezogen werden könne. Der unterschiedlichen Belastung des menschlichen Organismus durch einen Einsatz in Wechselschicht einerseits und einen dauerhaften Einsatz in Nachtschicht andererseits werde bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass nach den gesetzlichen Vorgaben ein Zuschlag nur für die Zeit der Nachtarbeit zu gewähren sei - woraus sich zwangsläufig ergebe, dass der Ausgleichsanspruch tatsächlich umso höher ausfalle, je häufiger und länger der Mitarbeiter während der Nachtstunden eingesetzt sei, weshalb ein in Dauernachtarbeit eingesetzter Mitarbeiter zwangsläufig deutlich höhere Ansprüche auf Zahlung von Nachtzuschlägen als ein solcher habe, der in Wechselschicht und damit lediglich in periodischen Abständen zur Nachtarbeit herangezogen werde. Das Arbeitsgericht habe auch die bei der Nachtarbeit des Klägers anfallenden sog. Verfügbarkeitszeiten nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Diese habe die Beklagte erstinstanzlich mit einem Zeitraum von ca. einer Stunde bis ca. 1,5 Stunden je Nacht je nach Tour angegeben, was natürlich variiere. Verfügbarkeitszeiten und Pausenzeiten würden jeweils gesondert erfasst. Während der Verfügbarkeitszeiten müsse der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen, erhalte diese jedoch vergütet. Weiter habe das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn nicht bereits Erschwernisse der Nachtarbeit berücksichtige. Nach der einschlägigen Rechtsprechung wäre in Fällen ständiger und fast ausschließlicher Nachtarbeit aller betroffenen Arbeitnehmer eine Aufspaltung der Vergütung in Grundlohn und Nachtzuschlag gekünstelt. Auch habe das Arbeitsgericht die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere, dass die Beklagte bereits einen für die Branche sehr hohen Stundenlohn bezahle, der deutlich über dem Tariflohn liege. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht auch den bereits für den Zeitraum von 21.00 Uhr bis 23.00 Uhr von ihr freiwillig geleisteten Nachtarbeitszuschlag bei der Beurteilung dessen Angemessenheit nach § 6 Abs. 5 ArbZG unberücksichtigt gelassen und hierbei verkannt, dass auch diese Zulagen ausweislich der Verdienstabrechnung sowie der Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat hierüber deutlich erkennbar dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Gewährung eines angemessenen Ausgleichs für Nachtarbeit dienten. Wenngleich sich das Arbeitsgericht im Übrigen hinsichtlich der Angemessenheit der Nachtarbeitszuschläge auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer Orientierung an Tarifverträgen bezogen habe, habe es den ihm obliegenden Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgeübt. Der Kläger mit Dienstsitz G. bei M. würde in den Anwendungsbereich eines Manteltarifvertrages für das Bundesland Bayern fallen, wobei nach dem damit einschlägigen Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern aus 2012 für Kraftfahrer, die Fahrten im Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen

Standort ausführten, lediglich eine Pauschale von 5,- € pro Nacht als solcher Zuschlag zu zahlen sei; gleiches würde auch nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag für das Land Nordrhein-Westfalen gelten.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten vor, dass das Wahlrecht im Rahmen der vorliegenden Wahlschuld auch stillschweigend ausgeübt werden könne, wobei die Beklagte aufgrund durchgängiger Auszahlung des, zu niedrigen, Geldzuschlages bereits von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe und kein Wahlrecht mehr bestehe. Seit Beginn seiner Beschäftigung im Jahr 1997 habe er zu keinem Zeitpunkt einen Freizeitausgleich für die Nachtarbeit, sondern ausschließlich Zahlungen hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge erhalten - diese führe nach wie vor nicht aus, dass sie das bisher ausgeübte Wahlrecht ändern und ggf. künftig Freizeitausgleich gewähren wolle. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei bei der vorliegenden Dauernachtarbeit von einem angemessenen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von grundsätzlich 30% auszugehen. Die Behauptungen der Beklagten zu den Verfügbarkeitszeiten seien hinsichtlich deren zeitlichen Umfangs völlig unsubstantiiert - solche seien tatsächlich täglich völlig unterschiedlich. Im Schnitt betrügen diese insgesamt pro Nacht höchstens eine halbe Stunde, wo der Kläger eben auch notwendige Überprüfungsarbeiten und Kleinstreparaturen ausführen müsse. Keinesfalls lägen hierbei Pausen vor, da der Kläger hier zu keinem Zeitpunkt genau wisse, wann er den Container zur Weiterfahrt zugewiesen bekomme, er also jederzeit verfügbar sein müsse. Auch fielen solche Verfügbarkeitszeiten meist nicht während der Nachtarbeit, sondern vor dem hier relevanten Zeitraum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr oder danach, fraktioniert, an. Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass nicht bereits sein Grundlohn Erschwernisse seiner Nachtarbeit abgelten wolle. Der Arbeitsvertrag enthalte, anders als hierzu erforderlich, keine Regelung, dass damit auch Nachtarbeit bezahlt werden sollte. Schließlich habe das Arbeitsgericht nicht festgestellt, dass die Beklagte einen besonders hohen Lohn für die Branche bezahle - festgestellt sei nur, dass diese übertariflich bezahle. Dies erfolge jedoch deshalb, weil die Beklagte gute Mitarbeiter erhalten und die bestehenden Mitarbeiter motivieren wolle - was nichts mit dem Nachtarbeitszuschlag gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG zu tun habe. Im Hinblick auf das von der Beklagten angezogene Lohngefälle zwischen Ost und West und des von ihr deutschlandweit einheitlich gezahlten Stundenlohnes sei zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten in Bayern, insbesondere in M. und im Großraum dort, am höchsten seien. Die Tatsache, dass die Beklagte Nachtarbeitszuschläge bereits in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr bezahle, leite sich zwar nicht aus § 6 Abs. 5 ArbZG ab, jedoch stelle dies keine freiwillige Leistung der Beklagten dar, da die Arbeitnehmer aufgrund entsprechender betrieblicher Übung Anspruch auf eine solche Leistung hätten. Dies verfolge eine andere Zielrichtung, zumal es sich in diesem Zeitraum nicht um die üblichen Schlafzeiten handle. Der von der Beklagten angezogene Gesamtbetriebsrat habe im Übrigen stets versucht, mit dieser eine Einigung über einen aus dessen Sicht ebenfalls angemessenen Zuschlag von 30% zu erzielen. Hinsichtlich einschlägiger Tarifverträge könne im Rahmen des Ermessens des Gerichts eine Orientierung hieran erfolgen. Der Tarifvertrag in Bayern würde einen Nachtarbeitszuschlag von 50% vorsehen, wobei die von der Beklagten angezogene Pauschalierungsregelung von 5,- € je Nacht für den Kläger nicht gelten würde, da er nicht ein Arbeitnehmer sei, der Fahrten von einem mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort entfernten Standort ausführe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst seit Beginn der Tätigkeit des Klägers im Jahr 1997 den Nachtarbeitszuschlag von damals 8% auf mittlerweile 20% erhöht habe.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung des Klägers vor, dass entgegen dessen Ansicht seine Tätigkeit in Dauernachtarbeit nicht zu einem höheren Zuschlagsanspruch von 30% führen könne. Der gesetzliche Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG sei kein Erschwerniszuschlag für die Art der Tätigkeit, wie das Arbeitsgericht insoweit zutreffend entschieden habe. Andernfalls müsste dann etwa im Rettungsdienst ein besonders hoher Nachtarbeitszuschlag gezahlt werden - was der einschlägigen Rechtsprechung des BAG hierzu widerspräche. Zwar habe das Arbeitsgericht bei der Festlegung des angemessenen Ausgleichs zu Recht Verfügbarkeitszeiten (Wartezeiten) berücksichtigt. Diese fielen jedoch in größerem Umfang als vom Kläger behauptet an. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Zweck, die Nachtarbeit zu verteuern, um sie möglichst zu vermeiden, hier keine Rolle spielen könne, da das Geschäft der Beklagten darauf abziele, Pakete schnell vom Absender an den Zielort zu transportieren, was notwendige Nachtarbeit bedinge. Der vom Kläger angezogene Nachtarbeitszuschlag bei der „Schwestergesellschaft“ der Beklagten (?) spreche wohl an, dass bei der U. Deutschland Inc. & Co. oHG ein Nachtzuschlag aufgrund deren Tarifbindung gezahlt werde. Weiter sei auf die einschlägigen tariflichen Bestimmungen für das Speditionsgewerbe in Bayern zu verweisen. Der vom Kläger gestellte Antrag auf künftige Leistungen sei unzulässig, da die erforderlichen Voraussetzungen hierfür nach § 259 ZPO nicht vorlägen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug zu ihrer jeweiligen eigenen sowie der gegnerischen Berufung im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 24.09.2014, vom 07.10.2014 und vom 24.11.2014 (Kläger und Beklagte), weiter auf ihre ergänzenden Einlassungen im Rahmen ihrer Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 28.11.2014 (Bl. 694 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Berufungen beider Parteien bleiben in der Sache ohne Erfolg.

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthaften Berufungen beider Parteien sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. 1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und mit ausführlicher und überzeugender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag von 25% auf seinen jeweiligen Stundenlohn hat.

a) Der Kläger hat ab 01.01.2010 als Beginn des streitgegenständlichen Forderungszeitraums Anspruch auf einen i. S. d. § 6 Abs. 5 ArbZG als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlag von 25% seines jeweiligen Stundenlohnes

aa) Da - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - mangels beiderseitiger Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme kein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Nachtarbeitszuschlag allein § 6 Abs. 5 ArbZG in Betracht. Hiernach hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden (außerhalb tarifvertraglicher Ausgleichsregelungen) eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Diese Regelung dient dem Gesundheitsschutz, auch mit dem Ziel, Nachtarbeit wegen der mit ihr verbundenen sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst einzuschränken (vgl. etwa BAG, U. v. 27.05.2003, 9 AZR 180/02, . 4. b bb der Gründe-; ständ. Rspr. d. BAG).

Diese gesetzliche Regelung begründet, trotz ihrer Stellung im Arbeitszeitgesetz als primär öffentlich-rechtliches Schutzgesetz, auch einen schuldrechtlichen Vergütungs/Zuschlagsanspruch des hierunter fallenden Arbeitnehmers unmittelbar.

§ 6 Abs. 5 ArbZG findet Anwendung. Der Kläger ist tatbestandlich unstreitig Nachtarbeitnehmer in diesem Sinn, weil er Nachtarbeit gemäß § 2 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 ArbZG an mindestens 48 Tagen je Kalenderjahr leistet.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich die Berufungskammer anschließt, ist im Regelfall - auch im vorliegenden Fall und den konkreten Umständen der Dauernachtarbeit im Paketdienst bei der Beklagten - ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des jeweiligen Bruttostundenlohnes als angemessen anzusehen (vgl. zuletzt BAG, U. v. 16.04.2014, 4 AZR 802/11, NZA 2014, S. 1277 f - Rz. 59, m. w. N.; zur Situation bei der Beklagten vgl. LAG Hamburg, U. v. 09.04.2014, 6 Sa 106/13, Juris - Rzn. 76 f -, in einem der Parallelverfahren gegen die Beklagte), wobei hier keine Besonderheiten vorliegen, die eine Abweichung von einem solchen Nachtarbeitszuschlag nach unten - oder, gemäß der Intention der Berufung des Klägers: nach oben (30% - s.u. 2.) - rechtfertigen müssten (zum von der Beklagten erholten privaten Rechtsgutachten von Prof. Dr. Raab - hier: Anl. B8, Bl. 292 f d. A., jetzt auch in ZfA 2014, S. 231 f - und der dortigen Annahme eines Vergütungszuschlages von 10% als Ausgangspunkt für einen, bei der Beklagten, als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlag (dort: S. 40 f) hat bereits das LAG Hamburg im zit. U. vom 09.04.2014, a. a. O. - dort unter Rzn. 77 - alles Erforderliche gesagt, dem sich die erkennende Berufungskammer vollständig anschließt):

(1) Der Kläger arbeitet in Dauernachtschicht. Nach Ansicht des BAG - unter Bezugnahme auf arbeitsmedizinische Erkenntnisse - sei ein ständiger Einsatz im Rahmen der Nachtarbeit objektiv stärker belastend als etwa eine Wechselschichttätigkeit mit Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit (vgl. nur BAG, U. v. 27.05.2003, a. a. O. - I. 4. b aa der Gründe -).

Dies mag insofern zutreffend sein, als hinsichtlich der mit Nachtarbeit verbundenen Belastungssituation zu unterscheiden ist zwischen subjektiver Gesundheitsgefährdung, die wegen ihres Eingriffs in den natürlichen Lebens-/Biorhythmus nahezu zwangsläufig mit Nachtarbeit verbunden ist, und einer damit objektiv in gewissem Maß verbundenen sozialen Exklusion, weil der „reine“ Nachtarbeitnehmer kaum oder wenig Gelegenheit hat, insbesondere abends am üblichen sozialen Leben teilzunehmen. Ob sich auch Letzteres - typischerweise und mittelbar - auf die gesundheitliche Situation solcher Arbeitnehmer auswirkt, wie das BAG hierzu andeutungsweise annehmen will (U. v. 27.05.2003, a. a. O.), lässt sich in allgemeiner Form kaum feststellen, mag im Einzelfall und bei Vorliegen besonderer Empfindlichkeiten/Befindlichkeiten zutreffen. Hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen der Nachtarbeit wird Wechselschichtarbeit - zumal solche, die zwischen Tagschichten und Nachtdiensten ohne gewohnheitsinduzierten festen Rhythmus etwa dienstplanmäßig unregelmäßig wechselt - wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf den Lebensrhythmus und die individuellen Arbeits- /Ruhensgewohnheiten arbeitsphysiologisch mindestens ebenso, wenn nicht stärker, belastend sein als durchgängige Nachtarbeit immer im annähernd gleichen Zeitraum und der gleichen Zeitspanne - wenngleich solche natürlich grundsätzlich dem üblichen Biorhythmus widerspricht.

Die Beklagte verwechselt mit ihrer Argumentation, dass der besonderen Situation von Dauernachtarbeit schon dadurch ausreichend Rechnung getragen werde, dass beim Kläger der Nachtarbeitszuschlag eben durchgängig für die gesamte (Nacht-)Arbeitszeit - deshalb insgesamt in höherem absoluten Betrag - gezahlt werde, während etwa bei Wechselschichtarbeit solche Zuschläge nur für die Zeit der periodischen tatsächlichen Heranziehung zur Nachtarbeit anfielen, Quantität und Qualität im Rahmen der Intention des Nachtarbeitszuschlages: dieser wird eben, auch, für die besondere durch die Nachtarbeit verursachte Situation sozialer Exklusion gezahlt. Außerdem werden die mit dem ständigen Wechsel der Arbeitszeiten bei Wechselschichtarbeit verbundenen besonderen Belastungen des individuellen Lebensrhythmus - die die einschlägige Rechtsprechung des BAG immer wieder akzentuiert hat (etwa U. v. 5.2.1997, 10 AZR 639/96, ) - tarifpolitisch häufig flankiert durch zusätzliche gleichbleibend hohe Wechselschichtzulagen (auch: Schichtzulagen), die eben solches zusätzlich besonders ausgleichen wollen (vgl. etwa § 8 Abs. 5 und Abs. 6 TVöD bzw. § 8 Abs. 7 und Abs. 8 TV-L, ebenso deren Vorgängerregelungen etwa in § 33 a BAT, u. a. ).

(2) Ebenso wenig erheblich hinsichtlich der Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlages sind die von der Beklagten ins Feld geführten „Verfügbarkeitszeiten“, in denen der Nachtarbeitnehmer „keine Arbeitsleistung zu erbringen“ habe.

Nach dem von der Beklagten nicht qualifiziert bestrittenen - erst recht nicht widerlegten - Vorbringen des Klägers hierzu müsse er während dieser, nach ihrem zeitlichen Umfang: streitigen, Zeiten notwendige Überprüfungsarbeiten und auch kleinste Reparaturen am Lkw durchführen (z. B. Austausch einer Glühbirne) - keinesfalls könne er in solchen Zeiten „Pause“ machen oder das Fahrzeug/die Arbeit verlassen. Unabhängig davon, dass solche - von der Beklagten innovativ so bezeichneten - „Verfügbarkeitszeiten“ tatbestandlich, begrifflich, von vornherein nicht etwa als Pausen im Rechtssinn (im Sinne des § 4 ArbZG und ebenso hinsichtlich nicht zu vergütender Arbeitszeit im arbeitsvertraglichen Sinn, vgl. nur BAG, U. v. 13.10.2009, 9 AZR 139/08, NZA-RR 2010, S. 623 f - Rz. 30, m. w. N. -) angesehen werden könnten - insoweit wäre das Vorbringen der Beklagten hierzu auch nicht ansatzweise schlüssig -, stellen solche Zeiten, wie sie die Beklagte als eine Art inaktiver Präsenzzeiten, hier ausführt, nicht einmal „Bereitschaftsdienst“ im Rechtssinne, sondern ggf. Arbeitsbereitschaft gemäß der hierzu entwickelten Definition („Wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“, vgl. zuletzt etwa BAG, U. v. 19.11.2014, 5 AZR 1101/12, nunmehr in DB 2015, S. 253 f - Rz. 16 -) dar:

Solche Belastungsausgleichszulagen sind jedoch grundsätzlich auch für Zeiten von Arbeitsbereitschaft im Rechtssinn, wie selbst für Bereitschaftsdienstzeiten zu zahlen, da diese nicht nur im arbeitsschutzrechtlichen Sinn, sondern auch vergütungsrechtlich in vollem Umfang Arbeitsleistung im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB darstellen, weil sich der Arbeitnehmer in beiden Fällen an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort bereit halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wie hier maßgeblich (vgl. näher BAG, U. v. 19.11.2014, a. a. O.; BAG, U. v. 12.12.2012, 10 AZR 192/11, Rzn. 17 f, m. w. N. -).

Allerdings kann ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt (BAG, U. v. 15.07.2009, 5 AZR 867/08, Rz. 21 aE -; BAG, U. v. 31.08.2005, 5 AZR 545/04, 4. a und b der Gründe -, jeweils m. w. N.).

(3) In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Beklagten gezahlte Grundlohn von, ab August 2013, 15,63 € brutto/Stunde (ab 8/14: 15,90 € brutto/Stunde, und nunmehr, seit 10/14, 16,20 € brutto/Stunde: siehe wiederum die aktualisierte Aufstellung zur „Lohnentwicklung“ bei der Beklagten ab 1997 im Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2014, dort S. 17, Bl. 669 f/685 d. A.) bereits inzident einen Nachtarbeitszuschlag enthielte, wie die Beklagte weiter annehmen will:

Zwar können, ähnlich wie in tarifvertraglichen Vergütungsbestimmungen, auch in einzelvertraglichen Vergütungsregelungen wie hier, soweit diese atypische hohe Vergütungssätze enthalten, bereits inzident, stillschweigend, Erschwernis-/Nachtarbeitszuschläge inkludiert sein (vgl. nur BAG, U. v. 05.09.2002, 9 AZR 202/01, B. I. 2. b der Gründe, m. w. N. -; vgl. auch BAG, U. v. 18.05.2011, 10 AZR 369/10, ). Voraussetzung ist jedoch immer, dass die arbeitsvertragliche Entgeltregelung selbst entsprechende konkrete Anhaltspunkte für einen solchen inzidenten Pauschalierungsanteil enthält oder sich solches aus den konkreten Umständen/Besonderheiten greifbar ableiten lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (U. v. 05.09.2002 a. a. O.) wäre hierfür bereits nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG - nach dem der geschuldete angemessene Nachtarbeitszuschlag „auf“ das dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt zu gewähren ist - erforderlich, dass ein irgendwie erkennbarer Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist.

Zwar liegt der jeweilige Stundenlohn, den die Beklagte bezahlt, unstreitig über dem einschlägigen Tariflohn, auch in Bayern, wie hier als Vergleichsmaßstab zunächst und vorrangig maßgeblich. Darüber hinaus gibt es jedoch keinerlei, erforderliche, konkretisierbaren Anhaltspunkte für eine entsprechende Einbeziehung eines pauschalierten Nachtarbeitszuschlages o. ä. in die Grundvergütung als deren inzidenten Vergütungsbestandteils.

Auch wenn die, streitige, Behauptung der Beklagten zutrifft, dass ca. 90% ihrer ca. 500 Kraftfahrer im Bundesgebiet auf sog. Nachttouren eingesetzt würden, die übrigen ca. 10% ihrer Kraftfahrer dagegen auf sog. Tagtouren, erhalten jedoch alle die gleiche (Grund-)Stundenvergütung ohne Differenzierung zwischen den Schichteinsatzmodellen. Andererseits hat die Beklagte seit jedenfalls 1997 (dem Arbeitsbeginn des Klägers hier) gesondert ausgewiesene Nachtarbeitszuschläge gezahlt, die von ca. 7,5/8% sukzessive auf den aktuellen Satz von 20% angehoben wurden (als solche inhaltlich unstreitige

Tabelle der aktuellen „Lohnentwicklung“ zuletzt im Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2014, a. a. O.). Dies würde gerade eine Annahme konterkarieren, auch der, atypisch bzw. im Vergleich zu den branchenüblichen Vergütungssätzen: relativ hohe, Grundstundenlohnsatz habe seit jeher - oder jedenfalls seit geraumer Zeit bzw. zumindest seit Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums Anfang 2010 - inzident oder stillschweigend auch Nachtarbeitszuschlagsanteile (wie hoch, jeweils, auch immer) enthalten sollen.

(4) Des Weiteren ist es ebenfalls unerheblich, dass die Beklagte den Nachtarbeitszuschlag unstreitig seit jeher bereits ab 21.00 Uhr, bis 23.00 Uhr, bezahlt:

Wieso dies überhaupt „freiwillig“ geschehen (sein) soll, wie die Beklagte hierzu geltend macht, erschließt sich nicht - dies ist offensichtlich arbeitsvertraglich in dieser Weise festgelegt bzw. nach den Grundsätzen der Betriebsübung Vertragsbestandteil, wie der Kläger - von der Beklagten insoweit offensichtlich auch nicht grundsätzlich in Abrede gestellt - ausführt.

Des Weiteren hat bereits das Arbeitsgericht hierzu zu Recht darauf verwiesen, dass diese Zuschlagszahlung offensichtlich schon deshalb keinen Ausgleich für Nachtarbeitserschwernisse der Nachtarbeitnehmer darstellt, weil diese auch den Tagarbeitnehmern für Arbeitsleistung zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr gezahlt wird.

Schließlich betrifft die Definition der „Nachtzeit“ (zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr) gemäß § 2 Abs. 3 ArbZG, an der sich die Beklagte hierbei offensichtlich orientieren will, nur die öffentlich-rechtliche Festlegung für die hierauf aufbauende Annahme des Vorliegens einer „Nachtarbeit“ im Sinne des § 2 Abs. 4 ArbZG und die wiederum hierauf basierende Definition des „Nachtarbeitnehmers“ im Sinne des § 2 Abs. 5 ArbZG, also im Ergebnis die arbeitszeitschutzrechtliche Festlegung, nicht die zivilrechtlichen Voraussetzungen für Nachtarbeit.

(5) Schließlich ist es auch nicht relevant, dass die für/in Bayern etwa geltende einschlägige Tarifregelung (Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern in der Fassung vom 01.12.2012, hier: Bl. 142 f d. A.) für Nachtarbeitnehmer lediglich einen Nachtarbeitszuschlag von 5,-- € pauschal je Nacht vorsähe (dort § 11 Abschnitt 3. Ziff. 2.). Hier ist grundsätzlich zunächst ein Nachtarbeitszuschlag von 50% für Nachtarbeit im zehnstündigen Zeitraum von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr vorgesehen - alternativ für Kraftfahrer, die Fahrten in einem Umkreis von mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort ausführen, ein pauschaler Zuschlag von 5,-- €/Nacht.

Zwar ist diese Tarifregelung nach den bei der Auslegung von Tarifverträgen geltenden (tendenziell objektiven) Grundsätzen nicht so auszulegen, wie dies der Kläger annehmen will - dass diese nur für Kraftfahrer gelte, die ihre Fahrten von einem mehr als 100 km Luftlinie vom regelmäßigen Standort gelegenen anderen Standort ausführten; Letzteres, ein eigener Standort hier außerhalb von G., als spezieller Fahrtausgangspunkt findet sich dort nicht. Jedoch ist die „Einschlägigkeit“ dieser tariflichen Bestimmung schon deshalb fraglich, weil, auch gerichtsbekannt, der regelmäßige Standort G. als Ausgangspunkt der Nachtfahrten des Klägers nicht mehr als 100 km Luftlinie vom Ziel der einen üblichen Fahrtstrecke des Klägers in R. entfernt sein dürfte - bereits die reine Straßen-Fahrtstrecke nach R. beträgt von G. aus gerichtsbekannt nur ca. 100/110 km (je nach Ziel - Niederlassung/HUB der Beklagten - dort).

Im Übrigen können die einschlägigen tariflichen Regelungen - nur - als Orientierung für die etwa als angemessen anzusehende Höhe eines Nachtarbeitszuschlages dienen, diesen nicht etwa bereits verbindlich präfigurieren (vgl. etwa BAG, U. v. 11.02.2009, 5 AZR 148/08, Rz. 18 -; BAG, U. v. 27.05.2003, 9 AZR 180/02, a. a. O. - I. 4. a der Gründe -; sh. zur Situation bei der Beklagten auch LAG Berlin-Brandenburg, U. v. 12.08.2014, 7 Sa 852/14, BB 2014, S. 2740 und Juris - Rz. 55 -).

dd) Nach allem besteht zur Überzeugung auch der Berufungskammer kein Anlass, von einem Nachtarbeitszuschlag von 25% als grundsätzlich angemessenen Zuschlags im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG, nach unten (wie nach oben: s. u.), abzuweichen.

b) Der Kläger macht zu Recht auch allein einen finanziellen Nachtarbeitszuschlag geltend. Der in § 6 Abs. 5 ArbZG nur allgemein geregelte Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag kann hier, mangels anwendbarer tariflicher Vorgaben o. ä., durch einzelvertragliche Regelung näher - als Geldzuschlag oder gesonderter Freizeitausgleichsanspruch - ausgestaltet werden (etwa BAG, U. v. 15.07.2009, 5 AZR 867/08, Rz. 17 -). Durch die unstreitig bisher, über viele Jahre - sämtliche (bisher etwa 17) Beschäftigungsjahre des Klägers hinweg - ausschließlich erfolgte finanzielle Ausgleichszahlung durch Nachtarbeitszuschlagszahlung ist jedenfalls eine konkludente Vereinbarung über eine finanzielle Kompensation in dieser Weise, somit dauerhaft und auch künftig, zustande gekommen - weshalb die ursprünglich bestehende Wahlschuld der Beklagten (§ 262 BGB) hierbei erloschen ist.

c) Zu den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einem nicht anzunehmenden Verfall der damit gegebenen Nachzahlungsansprüche des Klägers auf einen solchen Nachtarbeitszuschlag nach der einzelvertraglichen Ausschlussfristenregelung unter Paragraf 7 Ziff. 4. des Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 hat bereits das Arbeitsgericht das Wesentliche gesagt - ohne dass die Beklagte gesonderte Einwände hiergegen, gegen die Wirksamkeit dieser vertraglichen Ausschlussfristenregelung, als ersichtlich AGB-Bestimmung (§§ 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), gemäß § 305 c Abs. 1 BGB (wohl auch gemäß § § 307 Abs. 1 BGB) erhoben hat, weshalb hierzu keine erneuten Ausführungen veranlasst sind.

d) Auch die Zinsentscheidung des Arbeitsgerichts - Verzinsungsbeginn am Fünften des jeweiligen Folgemonats - ist zutreffend, da Paragraf 6 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages vom 01.07.2000 ausdrücklich auf die Geltung/Anerkennung der Arbeitsordnung der Beklagten in deren jeweils gültiger Fassung und diese (Anl. B6, Bl. 160 f d. A.) wiederum in § 6 Ziff. 5 auf „Überweisungsaufträge“ hinsichtlich der Lohnbeträge spätestens eben am fünften Arbeitstag des Folgemonats verweisen - was zu einer jeweiligen Lohnfälligkeit mit Gutschrift auf dem Konto des Arbeitnehmers und abhängig von der jeweiligen Situation der Arbeitstage am Monatsanfang frühestens am Fünften des jeweiligen Folgemonats führt (§ 271 Abs. 1 BGB).

d) Damit ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2. Aus diesen Gründen bleibt auch die Berufung des Klägers ohne Erfolg.

Mangels entscheidungserheblicher Besonderheiten besteht keine Veranlassung, von einem als im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG angemessen anzusehenden (finanziellen) Nachtarbeitszuschlag von 25% nach oben abzuweichen. Dies ergibt sich (gerade auch) nicht aus der Tätigkeit des Klägers als Nachtarbeitnehmers, etwa der Leistung von Nachtarbeit im Rahmen einer (Wechsel-)Schichtarbeit.

Hinsichtlich seines Hilfsantrages auf Gewährung von Freizeitausgleich „von 3 Arbeitstagen für 80 von vom Kläger geleisteten Nachtarbeitsstunden von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr“), im Sinne einer Wahlschuld, ist der Antrag des Klägers unzulässig, weil nicht ausreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Er will damit für jeweils 80 im Zeitraum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden einen Freizeitausgleich von (jeweils) „3 Arbeitstagen“.

Bereits der Begriff des „Arbeitstages“ ist jedoch quantitativ nicht ausreichend bestimmt, der Antrag des Klägers damit unzulässig:

Der Arbeitsvertrag normiert eine Arbeitszeit von „zur Zeit 40 Stunden wöchentlich“ (Paragraf 4 Ziff. 1 dort). Bei deren etwaiger, im Zweifel anzunehmender, - gleichmäßiger (?) - Verteilung auf fünf Arbeitstage/Woche (?) würde dies eine Arbeitszeit von acht Stunden je Arbeitstag (Nacht) bedeuten. Bei proportionaler Umsetzung eines 25prozentigen Nachtarbeitszuschlages (vgl. BAG, U. v. 01.02.2006, 5 AZR 422/04, NZA 2006, S. 494 f - Rzn. 22 f -) würde ein solcher Arbeitstag bei einem Nachtarbeitszuschlag von 25% (wie vorstehend als angemessen entschieden) bei 80 Nachtarbeitsstunden einem Freizeitausgleichsanspruch von (jeweils) 20 Stunden entsprechen - also nur 2 ½ solcher Arbeitstage. Andererseits hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, von der Beklagten nicht bestritten, ausgeführt (Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 28.11.2014, S. 2, Bl. 694 f/695 d. A.), dass er im streitgegenständlichen Zeitraum ab Anfang 2010 seine Arbeit regelmäßig um 19.30 Uhr aufgenommen und zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr am Folgetag beendet habe. Diese Schichtzeit müsste, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mindestpausen von sonach 45 Minuten (§ 4 Satz 1 ArbZG), - und ohne Rücksicht auf die gesetzlich geregelte tägliche Höchstarbeitszeit: § 3 ArbZG - einer reinen Arbeitszeit von 10 ¾ Stunden bzw. 11 ¼ Stunden entsprechen. Ein Freizeitausgleich an solchen - nach unbestrittener Einlassung des Klägers: üblichen - Arbeitstagen würde deshalb zu einer (Über-)Erfüllung eines Freizeitausgleichsanspruches des Klägers für seine Nachtarbeitszuschläge von annähernd 40% (3 x ca. 11 Stunden = 33 Stunden für jeweils 80 Nachtarbeitsstunden) führen.

Hiernach ist dieser - der Höhe nach auch nicht begründete - Leistungsantrag nicht ausreichend bestimmt und einer Vollstreckung nicht zugänglich - damit unzulässig.

III. Wegen Erfolglosigkeit der Berufungen beider Parteien ergibt sich, angesichts nahezu identischer Anträge, die gleiche Kostenverteilung wie im erstinstanzlichen Urteil (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV. Die Berufungskammer hat die Revision für beide Parteien wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 18.02.2013 - 4 Ca 1284/12 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten vorliegend darüber, ob das vorangegangene Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB mit der Folge der Begründung von Zahlungsansprüchen ab 01.06.2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen oder ob zwischen den Parteien ab diesem Zeitpunkt auf der Basis des TVöD-V ein neues Arbeitsverhältnis mit einer Tätigkeit des am 18.12.1962 geborenen Klägers als Rettungssanitäter begründet worden ist.

2

Bis zum 31.05.2011 sicherte der ... e.V. (nachfolgend kurz: ... ) den Rettungsdienst für den beklagten Landkreis, der im Zuge der Gebietsreform 2007 entstanden war, im Altkreis S ab. Es wurden die Rettungswachen „S“, „R“, „Sch“ und „A“ betrieben. Der ... beschäftigte 41 Arbeitnehmer, darunter seit 30.05.2000 auch den Kläger zu den Bedingungen der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Seit dem 01.06.2011 nimmt der beklagte Landkreis die Aufgaben des Rettungsdienstes selbst wahr. Zu diesem Zweck war bereits zum 01.01.2011 die Betriebssatzung für den Eigenbetrieb Rettungsdienst des Landkreises M-S neu gefasst worden. Außerdem erfolgten Stellenausschreibungen für die Organisation des Rettungsdienstes. Von den etwa 70 Bewerbern wurden mehr als 50 zum 01.06.2011 eingestellt, darunter alle zuvor bei dem ... für den Rettungsdienst im Altkreis S beschäftigten Mitarbeiter. Die Rettungsleitstelle wurde - wie bereits zuvor - durch den beklagten Landkreis weiter betrieben. Der territoriale Zuschnitt für den Rettungsdienst (Altkreis S) blieb unverändert. Außerdem wurden die eingerichteten Rettungswachen an den jeweiligen Standorten weiter genutzt. Das Inventar des ... wurde im Juni 2011 vom beklagten Landkreis zum Preis von insgesamt 10.000,00 € käuflich erworben. Im Januar und Februar 2011 hatte dieser den Auftrag für die Lieferung und den Ausbau von Neufahrzeugen, nämlich 5 Rettungstransportwagen (RTW), 1 Krankentransportwagen (KTW) und 1 Notarztfahrzeug (NFZ) erteilt. Die Fahrzeuge kamen ab dem 01.06.2011 zum Einsatz. Der ... betrieb den Rettungsdienst bis zum 31.05.2011 mit im Jahr 2006 beschafften Fahrzeugen, nämlich 5 Rettungstransportwagen, 1 Krankentransportwagen, 1 Notarzteinsatzfahrzeug. Bis zur vollständigen Auslieferung der neuen Bekleidung für den Rettungsdienst im Juni 2011 versahen die ehemaligen ...-Mitarbeiter ihren Dienst in der bisherigen Bekleidung des ... .

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein zuvor mit dem ... begründetes Arbeitsverhältnis bestehe mit dem beklagten Landkreis wegen des Betriebsüberganges „Rettungsdienst“ unverändert fort; dieser habe den Rettungsdienst des ... durch eine Vielzahl von Rechtsgeschäften übernommen und führe den Rettungsdienst jetzt in eigener Zuständigkeit. Er nutze hierfür dieselben Rettungswachen mit dem erworbenen Inventar und setze alle ehemaligen Mitarbeiter des ... zeitweise noch in ihrer alten Bekleidung ein.

4

Dem stehe die fehlende Übernahme der abgeschriebenen Fahrzeugflotte nicht entgegen. Diese werde regelmäßig auf Kosten der Krankenkasse neu angeschafft. Deshalb komme der Fahrzeugflotte hier keine prägende Bedeutung zu. Wegen des Betriebsübergangs stehe ihm weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage der AVR zu. Daraus ergeben sich aus seiner Sicht die hier geltend gemachten Differenzvergütungsansprüche.

5

Der beklagte Landkreis hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Rettungsdienst werde durch ihn im Wege der Funktionsnachfolge wahrgenommen. Auch spreche die grundverschiedene Arbeitsorganisation gegen den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit. Das frühere Personal sei nicht übernommen, sondern im Wege der Ausschreibung aus einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt worden. Bei den käuflich erworbenen Inventargegenständen der Rettungswachen handele es sich nicht um wesentliche Betriebsmittel. Prägendes Betriebsmittel des Rettungsdienstes sei allein die Fahrzeugflotte. Diese habe er selbst neu angeschafft und seinen Vorstellungen entsprechend technisch neu ausstatten lassen. Bereits mangels Übernahme der alten Rettungsfahrzeuge des ... scheide ein Betriebsübergang aus. Da dieser fehle, könne der Kläger hieraus auch keine Zahlungsansprüche herleiten.

6

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Verbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das im obigen Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Halle Bezug genommen. Mit diesem ist die Klage abgewiesen worden. Der Kläger hat gegen dieses Urteil ordnungsgemäß Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Beide Seiten wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihr bisheriges Vorbringen.

7

Der Kläger geht weiterhin davon aus, dass das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB zum 01. Juni 2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen ist. Die Art des betreffenden Unternehmens/Betriebs sei auch über den 31. Mai 2011 hinaus gleich geblieben. Eine stringente Unterteilung von betriebsmittel- und personalgeprägten Betrieben sei nicht stets möglich. Bei personalorientierten Betrieben komme ein Betriebsübergang bereits bei einer Übernahme der Hauptbelegschaft in Betracht. Hier sei zur Absicherung des Rettungsdienstes unter der Leitung des ... ein Personalbestand von ca. 42 Arbeitnehmern erforderlich gewesen. Hinzu seien verschiedene Sachmittel gekommen. Zunächst sei auf die Rettungswachen abzustellen; ein weiteres finde sich in den Rettungswagen. Hinzu kämen betriebsnotwendige Sachmittel und sonstige Gegenstände des Inventars. Die Jahresmiete sei mit 16.800,00 Euro zu beziffern. Für 24 Mitarbeiter ergebe sich eine monatliche Lohnsumme von rund 105.000,00 Euro. Bei alledem komme der Übertragung der sächlichen Betriebsmittel allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Annahme eines Betriebsübergangs zu.

8

Das Arbeitsgericht Halle habe nicht berücksichtigt, dass der beklagte Landkreis die wesentlichen materiellen Betriebsmittel, die den Rettungsdienstbetrieb bis zum Übergangszeitpunkt gekennzeichnet hätten, zum 01. Juni 2011 übernommen habe. Das betreffe zunächst die Rettungswachen nebst Inventar und Kommunikationstechnik.

9

Darüber hinaus sei die Hauptbelegschaft übernommen worden. Auch die „Kundschaft“ sei übernommen worden, die im Sinne des Patientenkreises zu begreifen sei. Die Ähnlichkeit der vor und nach dem Betriebsübergang verrichteten Tätigkeiten im Rettungsdienst könne kaum angezweifelt werden. Es habe überhaupt keine Unterbrechung der Tätigkeit auf Seiten der Arbeitnehmer stattgefunden. Das Argument des beklagten Landkreises, der Rettungsdienst werde durch Rettungsfahrzeuge mit eingebauter Technik geprägt, trage wenig. Es liege auf der Hand, dass der Rettungsdienstbereich in seiner Funktionalität in erster Linie durch das Personal geprägt sei. Ein Personalaustausch im Falle eines Wegfalls von Personal könne nicht ohne weiteres erfolgen. Die Behauptung des beklagten Landkreises, die zuvor vom ... genutzten Rettungsfahrzeuge für das Rettungsdienstgebiet „Altkreis S“ würden weiter genutzt, treffe nicht zu. Der turnusmäßige Wechsel der Rettungsfahrzeuge vermöge den Betriebsübergang nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund des noch offenen Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens hätten der beklagte Landkreis und der ... außerdem vereinbart, das letzterer die vom beklagten Landkreis neu erworbenen Rettungsfahrzeuge für den Rettungsdienstbereich Altkreis S im Falle des Obsiegens in diesem Rechtsstreit übernehmen werde. Diese Vereinbarung beruhe darauf, dass die Krankenkassen die Rettungswagen nebst eingebauter Medizintechnik für einen bestimmten Zeitraum und für ein Rettungsdienstgebiet nur insgesamt einmal finanzieren würden. Es würden hier auch keine besonderen Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Übernahme der gesamten Belegschaft gegen einen Betriebsübergang sprechen und eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten. Außerdem führt der Kläger aus:

10

Wenn der Rettungsdienst betriebsmittelgeprägt sei, sei vorliegend ein Betriebsübergang anzunehmen; die sächlichen Betriebsmittel seien vom beklagten Landkreis übernommen worden. Die Rettungswache und deren Inventar zählten zu den unverzichtbaren Sachmitteln des Rettungsdienstes. Wenn die Rettungsfahrzeuge den eigentlichen Kern des erforderlichen Funktionszusammenhangs im Rettungsdienst ausmachen würden, sei ebenfalls von einem Betriebsübergang auszugehen. Auch die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehenden Betriebsmittel würden dazugehören, wenn diese aufgrund einer Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung der Betriebszwecke eingesetzt werden können. Die Rettungsfahrzeuge seien unstreitig von den Krankenkassen voll finanziert worden. Den jeweiligen Rettungsdiensten sei es auch untersagt, einen etwaigen Restwert der wirtschaftlich abgeschriebenen Rettungsfahrzeuge zu vereinnahmen. in 2011 sei gegenüber den Sozialversicherungsträgern kein Restbuchwert betreffend einzelne Fahrzeuge/Ausstattung derselben angezeigt worden. Es sei auch nicht mitgeteilt worden, dass es zu Veräußerungen gekommen sei. Der beklagte Landkreis sei gehalten gewesen, die gebrauchten Rettungsfahrzeuge zu übernehmen und so lange weiter zu benutzen, bis eine Neufinanzierung durch die Krankenkassen erfolgt sei. Tatsächlich habe sich die Übernahme des Rettungsdienstes vom xxx und ... nicht unterschieden. Der beklagte Landkreis habe vielmehr die Rettungsdiensttätigkeit in denselben Gebieten mit denselben Rettungswachen und im Wesentlichen mit demselben Personal fortgesetzt.

11

Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2014 auf Seite 2 (Bl. 400 d. A.) Bezug genommen.

12

Der beklagte Landkreis führt unter anderem aus, der ... sei nicht Mieter der Liegenschaften in A, Sch und R gewesen, sondern lediglich Untermieter dieser Rettungswachen gewesen. In A und R habe ein Untermietverhältnis mit dem beklagten Landkreis bestanden. Dieser wiederum habe in einem Mietverhältnis mit der M KG und der Stadtverwaltung A gestanden. Auch bezüglich der Rettungswache in Sch sei die ... Untermieter gewesen. Die Rettungswache S habe immer im Eigentum des beklagten Landkreises gestanden. Ebenso sei die Rettungsleitstelle S, S-weg 7, bereits zuvor von dem beklagten Landkreis betrieben worden. Der beklagte Landkreis habe mit der ... keine Vereinbarung geschlossen, wonach dieser die vom beklagten Landkreis beschafften Rettungsfahrzeuge im Falle der gerichtlichen Durchsatzung der geltend gemachten Ansprüche auf Fortführung des Rettungsdienstes im Gebiet des Altkreises S übernehme.

13

Das Schreiben des ... vom 08. Juni 2011 könne des beklagten Landkreis nicht zugerechnet werden. Es sei daher keinesfalls unbestritten, dass ein Betriebsübergang zwischen dem ... und dem beklagten Landkreis vereinbart worden sei. Weder die Rettungsfahrzeuge des ... noch die sich darin befindliche Medizintechnik sei bereits abgeschrieben.

14

Die betreffenden Fahrzeuge seien beim ... im Burgenlandkreis einschließlich der Medizintechnik auch noch nach dem 01. Juni 2011 weiter im Einsatz. Es sei ohne Probleme möglich, die medizinischen Geräte aus den Rettungsfahrzeugen auszubauen. Die Halterungsvorrichtungen seien darauf bereits eingerichtet. Diese Vorgehensweise sei auch durchaus üblich. Im Übrigen würden auch wirtschaftlich abgeschriebene Fahrzeuge in den Rettungsdiensten in Deutschland üblicherweise noch weiter verwendet. Daneben würden solche Rettungsfahrzeuge üblicherweise als Ersatzwagen innerhalb der Landkreise weitergegeben. Schließlich bestehe die Möglichkeit, abgeschriebene Fahrzeuge umzubauen. All das zeige, dass es dem beklagten Landkreis möglich gewesen wäre, die Rettungsfahrzeuge des ... im Rahmen eines Betriebsübergangs zu übernehmen und auch weiter zu nutzen. Hiergegen habe sich der beklagte Landkreis jedoch entschieden und eigene Rettungsfahrzeuge bereits Anfang des Jahres 2011 in Auftrag gegeben. Diese seien ausweislich der Rechnungen bereits im Mai 2011 geliefert worden. Der beklagte Landkreis habe diese zum 01. Juni 2011 erstmals eingesetzt. Nach alldem sei das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht von dem ... zum 01. Juni 2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen. Bei einem Rettungsdienst handele es sich um einen betriebsmittelgeprägten Betrieb, bei dem insbesondere die Rettungsfahrzeuge identitätsprägend seien. Auf die Übernahme des Inventars in den Rettungswachen komme es ebenfalls nicht an. Dies sei nicht identitätsprägend. Da die Rettungsfahrzeuge des ... nicht übernommen worden seien, stehe bereits dieses einem Betriebsübergang entgegen. Das hindere auch nicht der Umstand, dass die Rettungsfahrzeuge durch die Krankenkassen finanziert werden. Der Finanzierungsanspruch beruhe auf § 2 Abs. 14 RettDG LSA Es handele sich hierbei um einen gesetzlichen Anspruch. Der beklagte Landkreis habe sich gerade nicht dazu entschieden, die Fahrzeuge sowie die Medizintechnik des ... zu übernehmen.

15

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Die statthafte(§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 ZPO) des Klägers gegen das im obigen Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Halle ist ohne Weiteres zulässig.

II.

17

Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts Halle ist jedoch unbegründet und war demgemäß zurückzuweisen. Dabei folgt die Berufungskammer zunächst den zutreffenden Gründen des vorgenannten Urteils des Arbeitsgerichts Halle auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz in vollem Umfang und macht sich diese Gründe auch zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Übrigen gilt folgendes:

1.

18

Ein Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Erwerber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zu einer auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie Personal, Führungskräfte, Arbeitsorganisation, Betriebsmethoden und ggf. den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG vom 18. Dezember 2003 - 8 AZR 621/02 - = NZA 2004, 791 ff. und BAG vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - = NZA 2007, 1296 ff. jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

a)

19

In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Falle anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte.

20

Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig wie die reine Auftragsnachfolge einen Betriebsübergang dar. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal gegeben sein. Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Falle einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer.

21

Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht. Der Betriebsübergang tritt dabei mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Entscheidend ist die Übernahme der Organisation- und Leitungsmacht (so BAG vom 18. Dezember 2003 - 8 AZR 621/02 - und BAG vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - a. a. 0.).

b)

22

Bei der Durchführung von Rettungsdiensten handelt es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Dies steht der Annahme eines Betriebsübergangs grundsätzlich nicht entgegen. § 613 a BGB findet auch Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen privaten Betrieb übernimmt oder ein Betriebsinhaberwechsel zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften stattfindet. Die Übertragung von Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse sind, schließt die Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie EGRL - 23/2001 dann nicht aus, wenn die betreffende Tätigkeit keine hoheitliche Tätigkeit darstellt. Hoheitliche Tätigkeit setzt eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen voraus, die bei der Durchführung des Rettungsdienstes nicht vorliegt. Die sächlichen Betriebsmittel, insbesondere die überlassenen Rettungsfahrzeuge, sind für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend, da bei wertender Betrachtung ihr Einsatz der eigentliche Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind. Alleine die Herausgabe der sächlichen Betriebsmittel durch den Leistungserbringer und bisherigen Inhaber des Betriebs „Rettungsdienste“ an den Träger des Rettungsdienstes führt nicht dazu, dass dieser zum neuen Betriebsinhaber wird. Ein für ein Betriebsübergang maßgeblicher Fortführungswille des Trägers des Rettungsdienstes fehlt, wenn die materiellen Betriebsmittel sofort anderen privaten Hilfsdiensten zur Durchführung des Rettungsdienstes zur Verfügung gestellt werden. Für die Beurteilung eines Betriebsübergangs i.S.d. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es deshalb auf die Übernahme der tatsächlichen Betriebsinhaberschaft an, nicht aber darauf, ob der Träger des Rettungsdienstes nach öffentlichem Recht verpflichtet gewesen wäre, eine bedarfsgerechte Versorgung mit Leistungen des Rettungsdienstes selbst durchzuführen (so BAG vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - = NZA 2012, 1161).

2.

23

Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall ergibt den Befund, dass hier kein Betriebsübergang auf den beklagten Landkreis stattgefunden hat, weil dieser ab dem 01. Juni 2011 nicht Inhaber des Betriebs „Rettungsdienst“ geworden ist. Der hier im Streit stehende „Rettungsdienst“ der ... ist nämlich nicht unter Wahrung seiner Identität auf den beklagten Landkreis übergegangen.

a)

24

Dass es sich bei der Durchführung dieses Rettungsdienstes um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelte, steht der Annahme eines Betriebsübergangs nicht grundsätzlich entgegen.§ 613 a BGB findet nämlich auch Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen privaten Betrieb übernimmt oder ein Betriebsinhaberwechsel zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften stattfindet. Die Übertragung von Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse sind, schließt die Anwendung der Richtlinie dann nicht aus, wenn die betreffende Tätigkeit - wie hier - keine hoheitliche Tätigkeit darstellt. Hoheitliche Tätigkeit setzt eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen voraus, die bei der Durchführung von Krankentransportleistungen nicht vorliegt. Die Einsatzkennzeichnung durch Blaulicht und Einsatzhorn bei höchster Eile, um Menschenleben zu retten oder um schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, ist keine unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Leistungserbringer des Rettungsdienstes sind nicht mit besonderen Vorrechten oder Zwangsbefugnissen ausgestattet, um die Einhaltung des allgemeinen Rechts zu gewährleisten. Auch die Zusammenarbeit beim Rettungsdienst mit öffentlichen Stellen, die – wie z.B. die Polizei - mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind, führt nicht dazu, dass solche Dienstleistungen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Die Übergabe von Rettungsdienstleistungen seitens der öffentlichen Hand an private Leistungserbringer stellt lediglich ein Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 1 GWB dar. Das jedoch steht der Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie und der Anwendung von § 613 a BGB nicht entgegen. Insoweit schließt sich die Berufungskammer ausdrücklich der Rechtsprechung des BAG gemäß dem vorgenannten Urteil vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - an.

b)

25

Im vorliegenden Fall ist im Einklang mit dem vorgenannten Urteil vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 davon auszugehen, dass die sächlichen Betriebsmittel - insbesondere die überlassenen Rettungsfahrzeuge - als für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend anzusehen sind. Bei wertender Betrachtung ist ihr Einsatz der eigentliche Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs. Dieser ist unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit. Identitätsprägend sind deshalb im vorliegenden Streitfall vor allem die zur Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes überlassenen Rettungsmittel Dazu sind geeignete Krankentransportwagen (KTW) einzusetzen. Weitere Rettungsmittel für die Notfallrettung sind zum einen der Rettungswagen (RTW) und zum anderen das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF). Demgegenüber ist das Einsatzpersonal im Rettungsdienst (Rettungshelfer, Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notärzte) zwar hochqualifiziert und umfassend für die jeweiligen Aufgaben bei der Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports ausgebildet. Gleichwohl ist deren Übernahme oder Nichtübernahme nicht von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Nur in betriebsmittelarmen Betrieben kann das Personal identitätsprägend sein. In anderen Betrieben - wie auch hier - ist die Übernahme der Belegschaft nur ein Kriterium u.a. für die Annahme eines Betriebsübergangs.

26

Im vorliegenden Streitfall sind folglich die sächlichen Betriebsmittel des ..., insbesondere die überlassenen Rettungsfahrzeugen, für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend. Hier ist jedoch kein einziges Rettungsfahrzeug auf den beklagten Landkreis übergegangen. Der beklagte Landkreis hat vielmehr bereits weit vor dem 01. Juni 2011 im Januar/Februar 2011 die Anschaffung eines eigenen neuen Rettungsfuhrparks in Auftrag gegeben, der ihm ab dem 01. Juni 2011 vollständig zur Verfügung stand. Die hiergegen seitens des Klägers ins Feld geführten Argumente vermögen nicht durchzugreifen. Selbst ein wirtschaftlich abgeschriebener Rettungsfuhrpark kann noch funktionstüchtig sein. Er darf auch noch weiter benutzt werden und muss nicht mit dem Zeitpunkt des Erreichens der wirtschaftlichen Abschreibung sofort und vollständig durch einen neuen Rettungsfuhrpark ersetzt werden. in Deutschland werden vielfach noch Kraftfahrzeuge auch im Bereich des öffentlichen Dienstes in Fuhrparks weiterhin genutzt, obwohl sie „wirtschaftlich“ abgeschrieben sind. Für die Entscheidung, solche Fahrzeuge noch weiter zu nutzen, kann es auf verschiedene Aspekte ankommen. Jedenfalls vermag die Berufungskammer aufgrund des Verbringens des Klägers nicht zu erkennen, dass sich der alte Rettungsfuhrpark nicht mehr in einem funktionsfähigen Zustand befand. Vielmehr ist im Rahmen der Berufungsverhandlung am 26. November 2014 in der Sphäre des Klägers bekundet worden, dass die technischen Gerätschaften im alten Fahrzeugfuhrpark sich in einem mindestens so guten Zustand befanden wie diejenigen in den vom beklagten Landkreis aktuell benutzten Fahrzeugen. Mithin ergibt sich insoweit folgender Befund: An den beklagten Landkreis sind seitens des ... keinerlei sächliche Betriebsmittel im Zusammenhang mit den Rettungsfahrzeugen übergeben worden. Somit fehlt es insoweit bereits an der Übergabe der identitätsprägenden sächlichen Betriebsmittel bezüglich der gesamten Rettungsfahrzeuge an den beklagten Landkreis.

c)

27

Die Liegenschaften betreffend Leitstelle(n), Rettungswachen und Außenwachen sind ebenfalls nicht seitens der ... gemäß § 613 a (1) BGB auf den beklagten Landkreis übergegangen. Der ... hatte offenbar zuvor seine diesbezüglichen Rechtspositionen vom beklagten Landkreis hergeleitet. Alle diesbezüglichen Rechtsverhältnisse sind mit Ablauf des 31. Mai 2011 beendet worden; der ... hat all seine betreffenden Rechte - insbesondere Besitzrechte - offenbar aufgegeben bzw. nicht länger innegehabt.

28

Darauf kommt es jedoch hier nicht an. Insbesondere die Rettungsfahrzeuge sind für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend, da - wie oben dargelegt - deren Einsatz der eigentliche Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind. Alleine die Herausgabe bzw. Aufgabe der vorgenannten sächlichen Betriebsmittel durch den ... an den beklagten Landkreis führte somit nicht dazu, dass dieser der neue Betriebsinhaber wurde.

d)

29

Unstreitig sind die Kleidungsstücke des ... ab dem 01. Juni 2011 noch für kurze Zeit beim beklagten Landkreis benutzt worden, bis die neuen Kleidungsstücke zur Verfügung standen. Insoweit fehlt es aber an jedweder Dauerhaftigkeit dieser nur kurzfristigen Überlassung bis zur Lieferung der neuen Kleidung und damit an einer nachhaltigen Identitätsprägung.

e)

30

Der beklagte Landkreis hat zwar die Rettungsdienstaufgaben ab dem 01.06.2011 unter anderem mit dem bisherigen Personal des ... fortgesetzt. Damit ist aber nicht einhergegangen die weitere Vergabe des Rettungsdienstes an einen privaten Träger. Der beklagte Landkreis hat sich entschlossen, den Rettungsdienst als Aufgabe der Daseinsvorsorge selbst über einen Eigenbetrieb selbst durchzuführen. Dies stellt jedoch nach Auffassung der Berufungskammer im vorliegenden Fall keinen Betriebsübergang i. S. d. § 613 a BGB dar, weil es nicht dazu gekommen ist, dass der Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend vom... auf den beklagten Landkreis übergegangen ist. Es fehlt insoweit daran, dass die sächlichen Betriebsmittel - insbesondere die Rettungsfahrzeuge - hier gerade nicht vom ... auf den beklagten Landkreis übergegangen sind. Diese waren - wenn auch wirtschaftlich abgeschrieben - voll funktionstüchtig und mit einer ordnungsgemäßen Technik ausgestattet. Gleichwohl sind diese Fahrzeuge seitens des ... ausdrücklich nicht an den beklagten Landkreis übergeben worden.

31

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

III.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

33

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.