Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Sept. 2015 - 7 SaGa 4/15

bei uns veröffentlicht am15.09.2015

Gründe

LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG

7 SaGa 4/15

Urteil

Datum: 15.09.2015

10 Ga 6/15 (Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg -)

Rechtsvorschriften:

Leitsatz:

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 15.07.2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Weiterbeschäftigung.

Der Antragsteller ist seit 01.09.1981 beim Antragsgegner beschäftigt. Seit 01.03.2011 ist er als Beauftragter für Sonderaufgaben im Rettungsdienst tätig.

Unmittelbarer Vorgesetzter des Antragstellers ist der Kreisgeschäftsführer, Herr E.

Die Ehefrau des Antragstellers richtete unter dem 08.06.2015 zwei gleichlautende Schreiben an den Vorsitzenden des B. Kreisverbands, Herrn Dr. T., und an den Schatzmeister des B. Kreisverbands, Herrn R.

In den Schreiben heißt es auszugsweise:

Als erster Vorsitzender des B. bzw. als Schatzmeister des B. schauen Sie bzw. schaust Du tatenlos dem „Mord“ an meinem Mann zu. Ich vergleiche das damit, wie in der U-Bahn-Station ein Mensch zu Tode geprügelt und getreten wird, Sie aber greifen bzw. Du greifst nicht ein.

Der Kreisgeschäftsführer, Herr E., führt einen persönlichen Vernichtungskrieg gegen meinen wehrlosen Gatten. Dass er dabei Zwängen unterliegt, ist schlichtweg eine Lüge. Recherchen bei verschiedenen Stellen ergaben, dass die Initiative stets von Herrn E. ausging und die vorgesetzten Stellen nichts davon wussten. ... Herr E. fährt eine Retourkutsche nach der anderen, die Gründe sind für mich eigentlich klar. Mein Mann hat immer sehr genau, korrekt und konsequent gearbeitet. Und gerade die Korrektheit wurde ihm von Herrn E. teilweise sehr übel genommen. Dafür nimmt er jetzt Rache. ... Dass ein Mensch vernichtet wird? Stuff it!

Jetzt treibt Herr E. einen Sargnagel nach dem anderen ein. Mehrmals war mein Ehemann nach Meinung sämtlicher Ärzte soweit, dass er sehr gute Aussichten auf Genesung hatte. Herr E. fährt dann stets ein neues Geschütz auf und hat auch Erfolg damit. Bei jeder Attacke verschlechtert sich der Zustand meines Mannes dramatisch und zwischenzeitlich befindet er sich in akuter Lebensgefahr. In den letzten Jahren hat ihn stets der Gedanke motiviert, bald wieder an seinem Arbeitsplatz zu sitzen und ein weitestgehend normales Leben zu führen. Aber das wusste Herr E. zu verhindern. Wenn mein Gatte arbeitsfähig und an seinem Arbeitsplatz war, wurde ihm systematisch die Arbeit verweigert. Er musste oft sehen, wie er die Zeit totschlägt. Das war bestimmt die „Fürsorgepflicht“ des Kreisgeschäftsführers - ich nenne das Mobbing.

...

Mein Gatte würde gern im Juli seinen 60. Geburtstag feiern. Ob das möglich ist, und ob er, wie er es sich sehr wünschen würde, an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann, steht in den Sternen. Sie jedoch können sich gratulieren und eine Flasche Champagner leeren, dass Sie das „sozialverträgliche Ableben“ meines Mannes tagtäglich vorantreiben/Du jedoch kannst Dir gratulieren und eine Flasche Champagner leeren, dass Du das „sozialverträgliche Ableben“ meines Mannes tagtäglich vorantreibst.

In einem Schreiben vom 26.06.2015 an den Antragsteller führte Herr E. u. a. aus:

...

Ich habe Sie und Ihre Arbeit stets geschätzt. Die nun geäußerten schwerwiegenden Äußerungen führe ich auf Ihren bedauerlichen Gesundheitszustand zurück, offenbart mir jedoch auch das dahinterliegende Gedankengut, das sich als Verfasser dieser Briefe, sicher nicht nur auf Ihre Frau beschränkt.

...

Die besonders herausgehobene Anschuldigung eines persönlichen Vernichtungskriegs weise ich von mir und sicher sind Sie meiner Meinung, dass die Basis für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr vorhanden ist. Dies bedauere ich sehr.

Aus diesem Grunde bleibt mir leider keine andere Wahl, Sie widerruflich, unter Berücksichtigung Ihres genehmigten Urlaubes, von Ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung mit sofortiger Wirkung zu entbinden.

Weiterhin fordere ich Sie und Ihre Frau auf, sämtlichen Schriftverkehr mit der Geschäftsstelle sowie Verantwortlichen des Kreisverbandes zu unterlassen.

...

Der Antragsteller erschien am 01.07.2015 beim Antragsgegner. Da der Zugang zu seinem Büro gesperrt war, rief er Herrn K., einen Mitarbeiter des Antragsgegners, an. Herr K. öffnete das Büro, der Antragsteller nahm persönliche Gegenstände daraus mit nach Hause.

Der Antragsteller leitete am 06.07.2015 das vorliegende Verfahren beim Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - ein, mit dem er die tatsächliche Weiterbeschäftigung anstrebt.

In der Sitzung vom 15.07.2015 legte der Antragsgegner die Kopie der Schreiben der Ehefrau des Antragstellers vor. Der Prozessvertreter des Antragstellers erklärte, der Kläger wolle das Schreiben seiner Ehefrau nicht lesen. Der Antragsteller erklärte, dass er die im Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.07.2015 verwendeten Begrifflichkeiten „Mord“, „persönlicher Vernichtungskrieg“ und „sozialverträgliches Ableben“ niemals gegenüber dem Kreisgeschäftsführer, Herrn E., als Vorwurf unterstellt habe und dies auch nicht tue.

Mit Endurteil vom 15.07.2015 verurteilte das Erstgericht den Antragsgegner, den Antragsteller zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Beauftragten für Sonderaufgaben im Rettungsdienst in Vollzeit zu beschäftigen.

Das Urteil wurde dem Antragsgegner am 27.07.2015 zugestellt.

Der Antragsgegner legte gegen das Urteil am 29.07.2015 Berufung ein und begründete sie gleichzeitig.

Der Antragsgegner macht geltend, er habe zum Zeitpunkt der Suspendierung davon ausgehen müssen, dass die Anschreiben in Billigung des Antragstellers erfolgt seien. Der Antragsteller habe sich im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Würzburg geweigert, den Inhalt der Anschreiben seiner Ehefrau zur Kenntnis zu nehmen, zu dem Inhalt der schriftsätzlich vorgelegten Anschuldigungen Stellung zu beziehen und sich vollends inhaltlich von den Vorwürfen zu distanzieren. Dies stelle eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar. Der Antragsteller habe sich bereits nach der Übersendung des Freistellungsschreibens über den Inhalt der Anschreiben informieren können und müssen.

Die Suspendierung des Antragstellers sei einziges verhältnismäßiges Mittel gewesen, um die vorherrschende Störung des Betriebsfriedens abzuwenden. Bewusste Zielsetzung der Anschreiben sei gewesen, seinen, des Beklagten, Geschäftsführer zu diffamieren. Dies allein begründe eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens.

Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass er aus Loyalitätsgründen die schädigende Ausführung sehenden Auges unkommentiert im Raum stehen lasse. Die Ausführungen der Ehefrau seien öffentlich geworden.

Der Beklagte führt aus, dass der Antragsteller seinen Geschäftsführer auch weiterhin der Anschuldigung aussetze, führe zur Suspendierungsmöglichkeit.

Der Antragsteller habe auch in der Folgezeit nach außen hin dokumentiert, dass er den persönlichen Anordnungen durch den Geschäftsführer nicht Folge leiste, was gleichsam Ausdruck seiner Geringschätzung sei. Der Antragsteller sei trotz der Freistellung am 01.07.2015 auf der Arbeitsstelle erschienen und habe für die Mitarbeiter erkennbar Einlass in die Geschäftsräume begehrt.

Der Antragsgegner macht geltend, es bestehe auch kein Verfügungsgrund.

Der Antragsgegner beantragt:

Wir beantragen,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 15.07.2015, Aktenzeichen - 10 Ga 6/15 -, abzuändern und den Antrag zurückzuweisen

2. die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.07.2015, Aktenzeichen - 10 Ga 6/15 - einstweilen einzustellen.

Der Antragsteller beantragt:

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt vor, er habe die von seiner Ehefrau verfassten Schreiben nicht gelesen. Teils aus gesundheitlichen Gründen, aber auch aus Gründen der Loyalität der Ehefrau gegenüber wolle er die Schreiben nicht lesen. Welche Intention seine Ehefrau mit den Schreiben verfolgt habe, sei ihm nicht bekannt.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 b) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.

Die Berufung ist unbegründet. Die vom Antragsteller beantragte einstweilige Verfügung ist vom Erstgericht zu Recht erlassen worden, §§ 935, 940 ZPO.

Dem Antragsteller steht ein Verfügungsanspruch zur Seite.

Der Beklagte ist, wie das Erstgericht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht entschieden hat, verpflichtet, den Antragsteller tatsächlich zu beschäftigen, §§ 611, 242 BGB i. V. m. Art. 1 und 2 GG.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den ihm durch den Arbeitsvertrag verbundenen Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen, ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen Treupflicht des Arbeitgebers, die ihre Grundlage in dem in § 242 BGB normierten Grundsatz von Treu und Glauben hat. Bei der Beantwortung der Frage nach dem, was Treu und Glauben jeweils gebieten, ist auch auf die in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung der Verfassung Bedacht zu nehmen. Die in den Grundrechtsnormen enthaltene objektive Wertordnung gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts und wirkt deshalb auch auf das Privatrecht ein. Das Grundgesetz hat in seinen Art. 1 und 2 die Würde des Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu zentralen Werten unserer Verfassung erhoben. Das Leben des Arbeitnehmers wird zu einem ganz wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt. Sein Selbstwertgefühl sowie die Achtung und Wertschätzung, die er in seiner Familie, bei seinen Freunden und Kollegen und überhaupt in seinem Lebenskreis erfährt, werden entscheidend mitbestimmt von der Art, wie er seine Arbeit leistet. Die Arbeit in seinem Arbeitsverhältnis stellt für den Arbeitnehmer zugleich eine wesentliche Möglichkeit zur Entfaltung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten und damit zur Entfaltung seiner Persönlichkeit dar. Wird dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung durch Arbeitsleistung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses genommen, so berührt dies seine Würde als Mensch. Die besondere Interessenlage im Arbeitsverhältnis gebietet, dass die Arbeitsleistung nicht nur als ein Wirtschaftsgut, sondern auch als Ausdruck der Persönlichkeit des Arbeitnehmers verstanden wird. Die Nichtberücksichtigung dieser ideellen Interessen des Arbeitnehmers im Dienstvertragsrecht des BGB stellt sich auf dem Boden des Grundgesetzes und seiner in den Art. 1 und 2 getroffenen Wertentscheidung heute als eine Regelungslücke dar, die durch die grundsätzliche Anerkennung eines arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs zu schließen ist (Bundesarbeitsgericht - Großer Senat - Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84; juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Antragsteller der geltend gemachte Beschäftigungsanspruch zu.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist ungekündigt.

Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig. Der Anspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 09.04.2014 - 10 AZR 637/13; juris). Ein solches überwiegendes Interesse des Arbeitgebers besteht beispielsweise dann, wenn die Beschäftigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.

Dem Antragsgegner ist die Beschäftigung des Antragstellers nicht unzumutbar.

Der Arbeitgeber ist allerdings auch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, wenn die Beschäftigung die Gefahr birgt, dass hierdurch wesentliche, vor allem absolut geschützte Rechte des Arbeitgebers (§ 823 BGB) gefährdet werden, insbesondere die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer widerrechtlich auf Leib oder Leben oder das Eigentum des Arbeitgebers oder seiner Mitarbeiter einwirken würde.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller Rechte des Antragsgegners bzw. seines Geschäftsführers verletzen würde. Der Antragsteller hat derartige Rechtsverletzungen in der Vergangenheit nicht getätigt. Zwar stellen die Briefe der Ehefrau des Antragstellers sowohl inhaltlich als auch sprachlich einen schwerwiegenden Angriff auf den Geschäftsführer des Antragsgegners dar. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, ob sie durch die in Art. 5 GG garantierte Meinungsfreiheit geschützt sind.

Dem Antragsteller sind die Briefe seiner Ehefrau indes nicht zuzurechnen. Der Antragsteller hat nicht für das Handeln seiner Ehefrau einzustehen und ist auch nicht dafür verantwortlich. Insbesondere hat, unabhängig davon, ob dies eine Freistellung des Antragstellers begründen könnte, der Antragsteller sich die Ausführungen seiner Ehefrau nicht zu eigen gemacht. Der Antragsgegner hat eine solche Haltung des Antragstellers weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Vielmehr drückt die Erklärung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Würzburg am 15.07.2015 das Gegenteil aus.

Die einseitige Freistellung des Antragstellers ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt berechtigt, sie sei erforderlich, um dem Betriebsfrieden Geltung zu verschaffen.

Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Betriebsfrieden gestört ist.

Unter „Betriebsfrieden“ ist das störungsfreie Zusammenleben von Arbeitgeber einerseits und Arbeitnehmern andererseits sowie der Arbeitnehmer untereinander zu verstehen. Dabei setzt der Begriff der Störung in diesem Zusammenhang ein aktives Tätigwerden voraus, das geeignet ist, Beziehungen im oben dargestellten Sinne zu beeinträchtigen, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist. Dagegen liegt eine sanktionsfähige Störung des Betriebsfriedens nicht bereits vor, wenn bestehende Konflikte ausgetragen werden und hierbei zulässige Mittel, insbesondere solche der verbalen Kommunikation eingesetzt werden.

In diesem Sinn hat der Antragsteller den Betriebsfrieden nicht gestört. Zwar berühren die Briefe der Ehefrau des Antragstellers unzweifelhaft die Integrität und damit das Ansehen des Geschäftsführers des Antragsgegners. Wie bereits ausgeführt, ist indes ein Anteil des Antragstellers an den Briefen seiner Ehefrau ist nicht erkennbar.

Ein solcher Anteil ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller sich weigert, den Inhalt der Briefe zur Kenntnis zu nehmen und in irgendeiner Weise auf seine Ehefrau einzuwirken. Es mag sein, dass dieses Verhalten ungewöhnlich ist, da der Gedanke, dass Ehepartner sich austauschen, wohl grundsätzlich nahe liegt. Dies schließt aber nicht aus, dass dies beim Antragsteller und seiner Ehefrau anders ist, insbesondere in diesem Fall.

Darauf kommt es indes nicht an.

Es ist zunächst festzustellen, dass nicht ersichtlich ist, welche konkreten Erwartungen der Antragsgegner insoweit überhaupt an den Antragsteller richtet. Was soll der Antragsteller über die bereits abgegebenen Erklärungen hinaus tun?

Maßgebend ist indes, dass der Antragsteller arbeitsvertraglich nicht verpflichtet ist, auf seine Ehefrau Einfluss zu nehmen.

Nach der allgemeinen Regel des § 241 Absatz 2 BGB ist allerdings jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 20.06.2013 - 2 AZR 583/12; juris).

Diese somit dem Grunde nach bestehende Loyalitätspflicht des Antragstellers dem Antragsgegner gegenüber verlangt nicht, dass der Antragsteller sich in irgendeiner Form gegen seine Ehefrau entscheidet. Die beiden Lebensbereiche sind nicht in der Weise miteinander vergleichbar, dass eine Interessenabwägung stattzufinden habe.

Darüber hinaus ist die Freistellung unverhältnismäßig. Sie ist nicht geeignet, den zweifelsohne bestehenden Konflikt zu lösen. Es ist vor allem nicht nachvollziehbar, dass der Konflikt während der Freistellung in irgendeiner Weise bearbeitet werden sollte, etwa durch Gespräche zwischen den Beteiligten.

Das Verhalten des Antragstellers am 01.07.2015 kann die Freistellung vom 26.06.2015 nicht rechtfertigen und ist auch kein Grund, an der Freistellung festzuhalten. Der Antragsteller mag sich zwar unangemessen geäußert haben, er hat aber keine Gewalt (gegen die Tür zu seinem Büro) angewendet. Dies behauptet der Antragsgegner selbst nicht. Dazu kommt, dass der Antragsgegner den Antragsteller ins Unrecht gesetzt hatte. Wenn der Antragsteller unwirsch darauf reagierte, sein eigenes Büro versperrt vorzufinden und dieses ihm nicht mehr zugänglich war, liegt darin kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten.

Es besteht somit ein Verfügungsanspruch.

Es ist auch ein Verfügungsgrund gegeben, §§ 935, 940 ZPO.

Die Art des Verfügungsanspruchs erfordert eine Regelungsverfügung (§ 940 ZPO). Sie ist notwendig zur Abwendung wesentlicher Nachteile.

Ohne die Regelungsverfügung hätte der Antragsteller einen nicht zu ersetzenden Rechtsverlust.

Der Beschäftigungsanspruch kann nur an jedem Arbeitstag erfüllt werden. Insbesondere kann er nicht nachgeholt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Fixschuld.

Ein wesentlicher Nachteil ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller die vertragsgemäße Vergütung zahlt. Der Beschäftigungsanspruch stellt nicht nur das Äquivalent zur Arbeitsvergütung dar. Vielmehr hat die Arbeitsleistung als solche einen Wert an sich, da sie, wie oben ausgeführt, Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Dieser immaterielle Wert kann durch die Vergütung nicht ersetzt werden.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich somit als zutreffend. Die Berufung muss deshalb erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Sept. 2015 - 7 SaGa 4/15

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Sept. 2015 - 7 SaGa 4/15 zitiert 13 §§.

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

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Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Sept. 2015 - 7 SaGa 4/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor 1. Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Beauftragten für Sonderaufgaben im Rettungsdienst in Vollzeit zu beschäftigen. 2.

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bei uns veröffentlicht am 20.06.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2011 - 19 Sa 1075/11 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Sept. 2015 - 7 SaGa 4/15.

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Referenzen

Tenor

1. Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Beauftragten für Sonderaufgaben im Rettungsdienst in Vollzeit zu beschäftigen.

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert beträgt 3.444,- €.

Tatbestand

A.

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um einen Anspruch des klägerischen Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung nach Suspendierung.

Der am ...1955 geborene, verheiratete Verfügungskläger war seit 01.09.1981 bei dem Verfügungsbeklagten als Rettungssanitäter und später als Wachleiter der Dienststelle in A-Stadt tätig. Am 25.09.1995 erlitt er im Rahmen eines Notarzteinsatzes schwere Verletzungen, an denen er noch heute laboriert, so dass ihm die bisherige Tätigkeit nicht mehr möglich war. Nach entsprechender Vereinbarung übernahm er mit Wirkung zum 01.03.2011 Sonderaufgaben im Rettungsdienst bei unveränderter Fortführung der Eingruppierung und der Vergütungsberechnung. Die Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt 4.306,- €.

Mit nahezu gleichlautenden Schreiben vom 08.06.2015 wandte sich die Ehefrau des Klägers, Ru. A., sowohl an den Vorsitzenden des ... Kreisverbandes, Herrn Dr. Th. R. als auch an den Schatzmeister des Kreisverbandes, Herrn R. K. In diesen Schreiben warf die Ehefrau des Verfügungsklägers dem unter anderem „Mord“ an ihrem Ehemann vor, sowie die Verfolgung eines „persönlichen Vernichtungskrieges“, um ein „sozialverträgliches Ableben“ des Verfügungsklägers voranzutreiben (hinsichtlich des genauen Inhalts der Schreiben wird auf die als Anlage B 1 und B 2 zum Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 15.07.2015 eingereichten Kopien, Bl. 72 und Bl. 74 d. A. Bezug genommen).

Mit Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 26.06.2015 wies der Kreisgeschäftsführer Pf. die Vorwürfe aus den Schreiben der Ehefrau des Verfügungsklägers vom 08.06.2015 zurück und entband den Kläger widerruflich mit sofortiger Wirkung sowie unter Berücksichtigung des genehmigten Urlaubes von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung (auf die als Anlage 4 zur Antragsschrift vom 06.07.2015 eingereichten Kopie, Bl. 22 ff d. A. wird Bezug genommen).

Der Verfügungskläger trägt vor,

dass er von dem Schreiben seiner Ehefrau keine Kenntnis habe. Dieses sei weder auf seine Veranlassung noch mit seinem Wissen verfasst worden.

Der Verfügungskläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihn tatsächlich zu den bisherigen Bedingungen beschäftigen müsse. Der Verfügungsanspruch ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Arbeitsvertrag ungekündigt sei.

Ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass ihm durch die auf nicht absehbare Zeit erfolgende Freistellung ein erheblicher Wissensverlust drohe. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung sei insbesondere erforderlich, um den Anspruch auf Justizgewährung zu erfüllen, weil die einstweilige Verfügung die einzig wirksame Möglichkeit darstelle, das Recht des Verfügungsklägers durchzusetzen.

Hinzu komme aus dem Grund ein besonderes Interesse des Verfügungsklägers an der tatsächlichen Beschäftigung, als eine derartige tatsächliche Beschäftigung aufgrund ärztlichen Anratens psychologisch zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes erforderlich sei. Der Kläger verweist insoweit auf eine ärztliche Bescheinigung des K. N. GmbH vom 30.06.2015, die er als Anlage A 7 der Antragsschrift in Kopie beigefügt hat (Bl. 27 d. A.).

Der Kläger beantragt,

dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Beauftragter für Sonderaufgaben im Rettungsdienst zu beschäftigen,

hilfsweise

dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Beauftragten für Sonderaufgaben im Rettungsdienst in Vollzeit zu beschäftigen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte trägt im Wesentlichen Folgendes vor:

Vor dem Hintergrund der inhaltlichen Ausführungen in dem Anschreiben des Kreisgeschäftsführers vom 26.06.2015 an den Kläger erscheint es nicht nachvollziehbar, dass sich der Verfügungskläger über den Inhalt der entsprechenden Anschreiben bei seiner Ehefrau nicht informiert habe. Darüber hinausgehend wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, entsprechende Nachforschungen zu betreiben, um sich ggf. von den inhaltlichen Ausführungen ausdrücklich zu distanzieren. Dies alles sei bis zum heutigen Tage nicht geschehen und stelle eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar.

Zum Zeitpunkt des Ausspruches der Suspendierung habe die Verfügungsbeklagte davon ausgehen müssen, dass die entsprechenden Anschreiben der Ehefrau mit Billigung des Verfügungsklägers erfolgt seien. Trotz der zumindest abstrakten Kenntnis von den Schreiben seiner Ehefrau habe der Verfügungskläger es unterlassen, sich gegenüber den angeschriebenen Dritten und insbesondere gegenüber der Belegschaft von den Vorwürfen ausdrücklich zu distanzieren. Bei der klägerseits behaupteten Konstellation des angeblichen Sachverhaltes stünde der Geschäftsführer des Verfügungsbeklagten derzeit in betrieblicher und arbeitsrechtlicher Hinsicht schutzlos gegenüber den ihm erhobenen Vorwürfen dar. Zwar sei es bedenkenswert, gegen die Ehefrau des Verfügungsklägers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bzw. unter Zuhilfenahme strafrechtlicher Unterlassungserklärung vorzugehen. Dies würde jedoch im Ergebnis nicht dazu führen, dass die vorherrschende Störung des Betriebsfriedens beseitigt werden könne.

Bewusste Zielsetzung der Anschreiben der Ehefrau vom 08.06.2015 sei es gewesen, den Geschäftsführer des Antragsgegners persönlich zu diffamieren. Aus diesem Grund sei nicht nur der Vorsitzende des Kreisverbandes, sondern auch der Schatzmeister angeschrieben worden, um einen größtmöglichen Flurschaden anzurichten. Weitergehend sei der Inhalt des Anschreibens mittlerweile unter der Belegschaft größtenteils bekannt. Dies begründe eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens.

Selbst unterstellt den Fall, dass die Anschreiben ohne das Wissen des Verfügungsklägers an die innerbetriebliche Öffentlichkeit gelangt seien, erwachse aus § 611 BGB für den Verfügungskläger eine Nebenpflicht, seinen Vertragspartner aktiv zu schützen, wenn aus seiner beherrschbaren Risikosphäre Nachteile für den Vertragspartner erwüchsen. Der Verfügungskläger sei daher verpflichtet gewesen, durch eine entsprechende öffentliche Abgrenzung zu den Anfeindungen seiner Ehefrau, den Betriebsfrieden wiederherzustellen; dies habe er unterlassen. Vielmehr habe er weitgehend durch sein Auftreten in der Folgezeit nach außen hin dokumentiert, dass er den persönlichen Anordnungen durch den Geschäftsführer des Antragsgegners nicht Folge leiste, was gleichsam Ausdruck seiner Geringschätzung sei. Trotz der ihm zugegangenen Freistellung vom 26.06.2015 sei der Verfügungskläger am 01.07.2015 auf der Arbeitsstelle erschienen und habe erkennbar Einlass in die Geschäftsräume verlangt. Hierbei habe er geäußert, dass er die Tür zum Büro aufbrechen werde, wenn er nicht an seine persönlichen Sachen kommen würde.

Der Verfügungsbeklagte ist daher der Auffassung, dass dem Kläger bereits ein Verfügungsanspruch nicht zustehe.

Zudem treffe es nicht zu, dass die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit zur Förderung seines Gesundheitszustandes beitragen würde. Vielmehr habe der Verfügungskläger sich mit Datum vom 26.06.2015 einer arbeitsmedizinischen Begutachtung unterzogen. Die Arbeitsmedizinerin sei zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der gesundheitlichen Gesamtsituation derzeit eine abschließende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht möglich sei (vgl. Stellungnahme Dr. J. W. vom 14.07.2015, als Anlage B 6 zur Antragserwiderung vom 15.07.2015 in Kopie eingereicht, Bl. 81 d. A.).

Zudem fehle es am Verfügungsgrund. Der Justizgewährungsanspruch auf effektiven Rechtsschutz gelte nicht nur für den Verfügungskläger, sondern ebenso für den Verfügungsbeklagten. Er werde primär durch das Hauptverfahren verwirklicht. Für den Beschäftigungsanspruch habe dasselbe zu gelten wie für alle sonstigen Ansprüche: Eine zu Unrecht erlassene Verfügung erhöhe die Gefahr irreversibler Nachteile und irreparabler Schäden.

Zudem sei der Verfügungsanspruch auch deshalb zu verneinen, weil sich der Kläger im Zeitraum vom 06.07.2015 bis einschließlich 30.07.2015 im genehmigten Jahresurlaub befinde.

Gründe

Der Kläger hat in einer als Anlage A 5 vorgelegten Versicherung an Eides statt versichert, dass er bis zu dem Schreiben des ... Kreisgeschäftsführers vom 26.06.2015 keine Kenntnis von den angeblichen Schreiben seiner Ehefrau gehabt habe. Er hätte und habe noch nie seine Ehefrau gebeten, sich in seine beruflichen Belange einzumischen. Vom Inhalt der beiden Schreiben habe er keine Kenntnis (Bl. 25 d. A.).

Der Verfügungskläger legte als Anlage A 6 zur Antragsschrift des Weiteren eine eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau Ru. A. vor. Dort erklärt die Ehefrau, dass sie die Schreiben an Herrn Dr. R. und an Herrn K. selbst und in eigener Verantwortung ohne Zutun ihres Ehemannes verfasst habe. Ihr Ehemann habe weder damals noch habe er heute Kenntnis vom Inhalt der beiden Schriftstücke. Weder ihr Ehemann noch dessen Anwalt würden in Zukunft Informationen über den Inhalt von ihr erfahren. Der Inhalt der beiden Schreiben gebe lediglich ihre eigene Ansicht wieder (hinsichtlich des genauen Inhaltes wird auf die Kopie, Bl. 26 d. A. Bezug genommen).

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

A

Der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Das Arbeitsgericht Würzburg ist sowohl örtlich (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17, 29 ZPO) als auch vom Rechtsweg her (§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. a ArbGG) zuständig zum Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 62 ArbGG). Der vorliegende Antrag ist – zumindest mit der im Hilfsantrag enthaltenen Präzisierung hinsichtlich des begehrten Arbeitszeitumfanges – genügend bestimmt.

B

Dem Verfügungskläger steht sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund zur Seite.

I.

Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch auf tatsächliche Beschäftigung.

1. Der Arbeitnehmer hat im ungekündigten Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 GG einen Anspruch darauf, entsprechend seinem Arbeitsvertrag tatsächlich beschäftigt zu werden (BAG GS vom 27.02.1985 – GS 1/84; BAG vom 13.06.1990 – 5 AZR 350/89 –). Verweigert der Arbeitgeber die vertragsgemäße Beschäftigung, kann der Arbeitnehmer diese gerichtlich geltend machen. Diese allgemeine Beschäftigungspflicht leitet sich aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab (BAG vom 10.11.1955 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; ErfK/Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 611 BGB Rn. 563). Diese Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ist nur im Fall einer berechtigten einseitigen Suspendierung durchbrochen. Eine einseitige Suspendierung ohne vertragliche Vereinbarung ist angesichts des Rechtscharakters der Beschäftigungspflicht grundsätzlich nicht möglich (BAG vom 21.09.1993, NZA 1994, 267; ErfK/Preis, a.a.O., § 611 BGB Rn. 567). Allenfalls unter den Voraussetzungen des § 626 BGB kann zur Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung ein Arbeitsverhältnis suspendiert werden (ErfK/Preis, a.a.O., mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

2. a)

Vorliegend kann sich der Verfügungsbeklagte nicht auf einen derart gewichtigen Suspendierungsgrund stützen. Der Verfügungskläger hat keine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung begangen, die den Verfügungsbeklagten zu einer Suspendierung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde. Zwar enthalten die beiden Schreiben der Ehefrau des Klägers vom 08.06.2015 verunglimpfende Behauptungen und ehrverletzende Wertungen gegenüber herausragenden Repräsentanten des Beklagten. Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob derartige Äußerungen noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind.

b) Jedoch hat sich der Verfügungskläger nicht der Verletzung vertraglicher Pflichten schuldig gemacht, die eine Suspendierung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten.

Der Verfügungsbeklagte hat selbst nicht behauptet, dass der Verfügungskläger die in Rede stehenden Schreiben selbst verfasst oder auch nur ihre Verfassung durch seine Ehefrau veranlasst habe. Ebenso wenig hat der Verfügungsbeklagte substantiiert vorgetragen, dass diese Schreiben mit Kenntnis des Verfügungsklägers erstellt und auf den Weg gebracht worden seien.

Vielmehr steht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Klägers zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes fest, dass er keine Kenntnis vom Inhalt der beiden Schriftstücke und auch seine Ehefrau nicht gebeten hat, sich in seine beruflichen Belange einzumischen. Weiter steht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Verfügungsklägers zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes fest, dass sie die beiden Schreiben ohne Zutun des Verfügungsklägers verfasst hat, der Verfügungskläger keine Kenntnis vom Inhalt der Schriftstücke hat und der Inhalt der beiden Schreiben lediglich die eigene Meinung der Ehefrau wiedergibt. Dem ist der Verfügungsbeklagte nicht unter Anerbietung von Beweismitteln entgegengetreten.

3. Das erkennende Gericht teilt nicht die Auffassung des Verfügungsbeklagten, dass der Verfügungskläger zumindest durch das Unterlassen einer Distanzierung und Aufklärung gegen nebenvertragliche Pflichten verstoßen hat und die Suspendierung aus diesem Grund gerechtfertigt wäre. Zwar unterliegt der Verfügungskläger wie jeder Arbeitnehmer einer bereits aus § 242 BGB herzuleitenden Pflicht zur Rücksichtnahme, zum Schutz und zur Förderung des Vertragszweckes. Hieraus resultiert unter anderem eine nebenvertragliche Pflicht jedes Arbeitnehmers, die betriebliche Ordnung sowie den Betriebsfrieden zu wahren (ErfK/Preis, a.a.O., § 611 BGB Rn. 707 ff, 738 mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Jedoch besteht nach Überzeugung des Gerichts keine Einstandspflicht von Arbeitnehmern hinsichtlich des Verhaltens ihrer Ehepartner. Ein Arbeitnehmer schuldet seinem Arbeitgeber im Grundsatz nicht die Unterlassung diffamierender Äußerungen durch Dritte. Ebenso wenig schuldet ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine Distanzierung von diffamierenden Äußerungen seines Ehepartners gegenüber dem Arbeitgeber. Zudem hat der Verfügungsbeklagte nicht substantiiert aufzuzeigen vermocht, inwieweit der Inhalt der Schreiben an die Betriebsöffentlichkeit gelangt ist und ob und wodurch der Verfügungskläger konkret dies verursacht habe.

Nach alledem hat der Verfügungsbeklagte einen ausreichenden Suspendierungsgrund nicht aufzuzeigen vermocht. Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung des Verfügungsklägers besteht uneingeschränkt.

II.

Der Verfügungskläger hat auch einen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund.

Die Art des Verfügungsanspruchs erfordert eine Regelungsverfügung (§ 940 ZPO). Sie ist notwendig zur Abwendung wesentlicher Nachteile.

Ohne die Regelungsverfügung hätte der Verfügungskläger einen nicht zu ersetzenden Rechtsverlust.

Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann nur an jedem Arbeitstag erfüllt werden. Insbesondere kann er nicht nachgeholt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Fixschuld.

Der Antragsteller kann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

Der Verfügungsgrund ist gegeben, weil der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht und auch im Hauptsacheverfahren anerkannt werden müsste.

Auch auf die Frage, ob der Verfügungskläger zur Förderung seiner Gesundheit auf die tatsächliche Beschäftigung angewiesen ist, kommt es nicht mehr an.

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

Der Streitwert bemisst sich gemäß § 42 GKG in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes von € 4.306,-. Wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme im einstweiligen Verfügungsverfahren war der Gegenstandswert um 20% auf € 3.444,- zu reduzieren.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2011 - 19 Sa 1075/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war beim beklagten Land seit Oktober 2001 als Wachpolizist im Objektschutz beschäftigt. Er versah seinen Dienst mit Dienstwaffe und in Polizeiuniform. Den Angehörigen der Wachpolizei sind die nach § 3 der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch die Dienstkräfte der Polizei vom 17. Februar 1993 des beklagten Landes (PDieVO) vorgesehenen polizeilichen Befugnisse übertragen.

3

Nach dem Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2001 waren für das Arbeitsverhältnis der Parteien der „Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen“ sowie „die mit dem … (beklagten Land) bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das … (beklagte Land) angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten, insbesondere Vergütungstarifverträge“ maßgebend.

4

Im Januar 2010 wurde auf Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg die Wohnung des Klägers polizeilich durchsucht. Dabei wurden verschiedene Behälter mit Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) und Gamma-Butyrolacton (GBL), Natriumhydroxid, sowie eine Anleitung und Utensilien zur Herstellung von GHB gefunden. GHB ist ein als „K.o.-Tropfen“ bezeichnetes, verbotenes Betäubungsmittel. GBL und Natriumhydroxid sind die Grundstoffe zur Herstellung von GHB.

5

Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe wurde der Kläger in den Innendienst versetzt. Nach einem Drogenscreening ohne Befund beschäftigte ihn das beklagte Land seit dem 24. Mai 2010 wieder mit Dienstwaffe im Objektschutz.

6

Am 30. Juni 2010 erfuhr die Disziplinarstelle, dass die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage gegen den Kläger erhoben hatte. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 hörte das beklagte Land den Kläger zu den Vorwürfen an. Darauf antwortete dieser mit Schreiben vom 19. Juli 2010. Mit Zustimmung der Frauenvertreterin und des Personalrats kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. August 2010 ordentlich zum 31. Dezember 2010. Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben.

7

Ende März 2011 wurde in der Presse über das Kündigungsschutzverfahren berichtet. Am 30. Mai 2011 verurteilte das Landgericht den Kläger rechtskräftig wegen des unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minderschweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Das Landgericht stellte fest, der Kläger habe in nicht geringer Menge unerlaubt Betäubungsmittel hergestellt. Er habe eingeräumt, die Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch hergestellt zu haben.

8

Der Kläger hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Straftat habe er außerdienstlich begangen. Diese habe keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Er unterliege nicht mehr den besonderen Pflichten des § 8 BAT, sondern nur noch denen des § 41 TVöD. Seit dem 19. Juli 2010 sei er wieder in der Aktensammelstelle eingesetzt worden.

9

Der Kläger hat beantragt

        

        

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 13. August 2010 nicht aufgelöst worden ist;

                 

2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Angestellter des Zentralen Objektschutzes weiter zu beschäftigen.

10

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, der Kläger habe das Ansehen seines Dienstherrn in der Öffentlichkeit beschädigt. Bei einem Polizisten sei jedes Delikt von Bedeutung, er stelle für die Öffentlichkeit das „Auge des Gesetzes“ dar. Zudem sei der Fall in der Tagespresse wiedergegeben worden. Der negative Befund des Drogenscreenings sei unbeachtlich, da GHB schon nach kurzer Zeit vom Körper abgebaut werde.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen. Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Kündigung des beklagten Landes vom 13. August 2010 sei aus personen- und verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

14

1. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen ( BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 19; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08  - Rn. 2 4, BAGE 132, 72 ). Auch strafbares außerdienstliches Verhalten kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen. Sie können dazu führen, dass es ihm - abhängig von seiner Funktion - an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben mangelt. Ob daraus ein personenbedingter Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts, den konkreten Arbeitspflichten des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Generelle Wertungen lassen sich nicht treffen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).

15

a) Danach war die außerdienstliche Straftat des Klägers grundsätzlich geeignet, eine Kündigung aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen. Die Herstellung eines verbotenen Betäubungsmittels in nicht unerheblichem Umfang ist geeignet, berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit und damit an der Eignung des Klägers für die künftige Erledigung seiner Aufgaben als Wachpolizist im Objektschutz zu begründen.

16

aa) Zwar ist nicht festgestellt, dass der Kläger wegen des privaten Konsums des von ihm hergestellten GHB und daraus resultierender körperlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seinen Aufgaben nachzugehen. Die bislang festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch nicht die Annahme, es liege nahe, dass er seinen Dienst unter Drogeneinfluss versehe. Aufgabenstellung und Funktion eines Wachpolizisten stellen aber weitergehende Anforderungen auch an die charakterliche Eignung des Beschäftigten. Dieser muss die Gewähr dafür bieten, jederzeit zuverlässig und vertrauenswürdig seinen Dienst zu versehen. Je näher die Aufgaben eines Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes dem Bereich der klassischen Eingriffsverwaltung kommen, desto höhere Anforderungen sind an seine Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu stellen. Bei einem Mitarbeiter, dem hoheitliche Befugnisse übertragen sind, können sich berechtigte Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit schon daraus ergeben, dass er außerdienstlich in erheblicher Weise straffällig geworden ist.

17

bb) Aufgabe des Klägers war es, gegenüber der Öffentlichkeit als mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Ordnungshüter - ggf. durch Ausübung unmittelbaren Zwangs - aufzutreten. Aufgrund der ihm als Wachpolizist im Objektschutz eingeräumten Befugnisse war er auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Eingriffsnormen und damit hoheitlich tätig (vgl. zu diesem Merkmal Kutzki in Dörring/Kutzki TVöD § 41 BT-V Rn. 1, 7; KomTVöD/Dahlem 2011 § 41 TVöD, Rn. 4). Nach § 3 PDieVO idF vom 11. Dezember 2001 sind den Angehörigen der Wachpolizei des beklagten Landes weitgehend dieselben Befugnisse wie verbeamteten Polizisten auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts übertragen. Das hoheitliche Handeln des Klägers zeigte sich äußerlich darin, dass er Polizeiuniform und Dienstwaffe trug.

18

cc) Die Herstellung eines verbotenen Betäubungsmittels in nicht unerheblichem Umfang ist mit dieser hoheitlichen Funktion unvereinbar. Auch wenn es nicht unmittelbar zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte, Betäubungsmittelstraftaten zu verfolgen, hatte er im Rahmen des ihm übertragenen Objektschutzes bei einer polizeirechtlichen Gefahr, zu der auch Verstöße gegen das BtMG gehören, doch einzuschreiten. Nachdem er planmäßig ein mit Strafe bewehrtes Verbot übertreten und sich damit in Widerspruch zu seinen und zu den Aufgaben seiner Anstellungsbehörde gesetzt hatte, bestanden berechtigte Zweifel daran, dass er die Gewähr dafür biete, jederzeit korrekt und integer seinen Dienst als Wachpolizist zu versehen. Es handelte sich um ein schwer wiegendes, über einen längeren Zeitraum begangenes Delikt. Der Kläger hat sich nicht nur aufgrund eines „Augenblicksversagens“ strafbar gemacht, sondern hat zielgerichtet eine nicht geringe Menge eines verbotenen Betäubungsmittels hergestellt. Die bei ihm aufgefundenen Grundstoffe hätten es zudem ermöglicht, das Mittel in noch weitaus größerem Umfang zu produzieren.

19

b) Eine Kündigung ist trotz Vorliegens von Gründen in der Person des Arbeitnehmers durch diese nicht „bedingt“, deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer zu anderen (ggf. auch schlechteren) Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen, unter denen sich die eingetretene Vertragsstörung nicht mehr, zumindest nicht mehr in erheblicher Weise auswirkt (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 14). Grundsätzlich ist daher auch beim Fehlen der Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen in Betracht kommt (BAG 31. Januar 1996 - 2 AZR 68/95 - zu II 2 der Gründe, BAGE 82, 139). Das gilt auch bei Eignungsmängeln aufgrund außerdienstlicher Straftaten, es sei denn, dem Arbeitnehmer fehlte aufgrund ihrer zwangsläufig die Eignung für sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten.

20

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG sind in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Dienstes solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs bestehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 17).

21

bb) Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein freier Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind ( BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10  - Rn. 24 , BAGE 140, 169). Dem steht es gleich, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird ( BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - aaO; 1. März 2007 -  2 AZR 650/05  - Rn. 24).

22

cc) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich, nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt werden zu können, genügt der Vortrag des Arbeitgebers zu den Gründen, aus denen eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen nicht möglich sein soll. Will der Arbeitnehmer (außerdem) vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Dabei genügt es, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist. Einen konkreten freien Arbeitsplatz muss er in der Regel nicht benennen ( BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05  - Rn. 21 ; 6. November 1997 - 2 AZR 253/97  - zu II 4 b der Gründe). Erst daraufhin hat der Arbeitgeber eingehend zu erläutern, aus welchen Gründen (auch) eine Umsetzung nicht möglich gewesen sei (vgl. BAG 25. Oktober 2012  - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05  - aaO).

23

dd) Ob eine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht geprüft. Dazu hätte Veranlassung bestanden. Das beklagte Land hatte den Kläger nach Bekanntwerden der Vorwürfe zunächst im Innendienst eingesetzt. Der Kläger hat sich außerdem darauf berufen, er sei ab dem 19. Juli 2010 erneut in der Aktensammelstelle eingesetzt worden. Dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, ihn dort dauerhaft weiter zu beschäftigen, steht bislang nicht fest. Der Kläger war wegen der außerdienstlich begangenen Straftat nicht zwangsläufig für sämtliche Tätigkeiten auch im Innendienst ungeeignet. Ihm fehlte zwar die Eignung für eine weitere Tätigkeit als Wachpolizist im Objektschutz. Dies muss aber nicht gleichermaßen für eine nicht hoheitliche Aufgabe im Innendienst gelten.

24

2. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ und damit sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34 mwN). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, BAGE 132, 72). Eine Nebenpflicht kann auch durch die Begehung einer außerdienstlichen Straftat verletzt werden.

25

a) § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT begründete in seinem Anwendungsbereich die Pflicht, sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Danach hatten sich Arbeitnehmer auch außerdienstlich so zu verhalten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt würde. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht vermochte auf dieser tariflichen Grundlage die verhaltensbedingte Kündigung eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu rechtfertigen (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 16, BAGE 132, 72; 21. Juni 2001 -  2 AZR 325/00  - zu B I 2 a der Gründe). Die Regelung wurde in die den BAT ablösenden Tarifwerke des öffentlichen Dienstes nicht übernommen. So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 1 TVöD-BT-V und § 3 Abs. 1 Satz 1 TV-L nur noch „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 TVöD-BT-V müssen sich Beschäftigte von Arbeitgebern, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, zwar überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“. Damit ist aber lediglich bei den politischen Loyalitätspflichten auch außerdienstliches Verhalten erfasst (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 17). Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO). Dies gilt ebenso für die Regelungen des TV-L.

26

b) Nach der allgemeinen Regel des § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72; 26. März 2009 -  2 AZR 953/07  - Rn. 24). Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Durch - rechtswidriges - außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21). Diese Grundsätze gelten auch für eine außerdienstlich begangene Straftat. Der Arbeitnehmer verstößt mit einer solchen Tat gegen die schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden(BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO).

27

c) Ob der Kläger dadurch, dass er außerdienstlich in nicht unerheblichem Umfang ein verbotenes Betäubungsmittel hergestellt hat, zugleich eine vertragliche (Neben-)Pflicht aus der Bestimmung des für ihn seinerzeit möglicherweise noch geltenden § 8 Abs. 1 BAT oder aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat, bedarf keiner Entscheidung. Es kann daher auch dahinstehen, ob - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - ein relevanter Bezug zum konkreten Arbeitsverhältnis tatsächlich dadurch gegeben war, dass das beklagte Land nach Ausspruch der Kündigung durch Presseberichte über den Kündigungsschutzprozess mit der Straftat des Klägers in Verbindung gebracht wurde.

28

aa) Selbst wenn der Kläger mit seiner Straftat zugleich eine vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt haben sollte, hätte dies das beklagte Land nicht - ebenso wenig wie mit Blick auf Kündigungsgründe in seiner Person - von der Pflicht entbunden, ihn auf einem anderen, für beide Seiten zumutbaren Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, wenn dadurch künftige Störungen des Arbeitsverhältnisses hätten vermieden werden können. Auch eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist nur dann sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine andere zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Die Weiterbeschäftigung des Klägers mit einer - nicht-hoheitlichen - Tätigkeit, die nicht in gleichem Maße Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers stellt, kann ein zumutbares milderes Mittel gegenüber der (Beendigungs-)Kündigung darstellen. Ob dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Innendienst zumutbar war, ist bislang nicht festgestellt.

29

bb) Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen kommt selbst dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der vom Kläger begangenen Straftat die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT für das Arbeitsverhältnis der Parteien noch gegolten haben sollte. Danach hatte zwar jeder Angestellte des öffentlichen Dienstes auch sein außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt würde. Das Maß der Beeinträchtigung ist aber abhängig von der konkret übertragenen Tätigkeit. Könnte der Kläger künftig mit nicht-hoheitlichen Aufgaben betraut werden, könnte sich seine Weiterbeschäftigung als zumutbar erweisen. Hinzu kommt, dass im Zeitpunkt der Kündigung der Anwendungs-Tarifvertrag vom 31. Juli/1. August 2003, der zunächst zur statischen Fortgeltung des BAT im beklagten Land geführt hatte, bereits außer Kraft getreten und nach dem veröffentlichten Eckpunktepapier der Tarifvertragsparteien vom 12. März 2010 die Übernahme des Tarifrechts der Tarifgemeinschaft der Länder auch für das beklagte Land absehbar war (vgl. Bochmann ZTR 2011, 459, 462 Fn. 33, 464 Fn. 52; Conze öAT 2011, 247, 248).

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cc) Ob der Kläger durch seine außerdienstliche Straftat schuldhaft eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, kann auch dann dahinstehen, wenn eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestanden haben sollte. Die Kündigung wäre in diesem Fall - vorbehaltlich des Ergebnisses der vorzunehmenden Interessenabwägung - bereits aus Gründen in seiner Person bedingt und sozial gerechtfertigt. Soweit das Landesarbeitsgericht die spätere Presseveröffentlichung in die Interessenabwägung hat einfließen lassen, ist zu berücksichtigen, dass nachträglich eingetretene Umstände allenfalls insoweit von Bedeutung sein können, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53 mwN, BAGE 134, 349). Das dürfte für die vom Kläger nicht beeinflusste Berichterstattung über den Kündigungsschutzprozess nicht der Fall sein. Andererseits hat bei einer Kündigung aus Gründen mangelnder Eignung zu Lasten des Arbeitnehmers Berücksichtigung zu finden, dass der Eignungsmangel aus einem von dem Arbeitnehmer selbst verschuldeten Verhalten resultiert (vgl. zur selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung wegen Verurteilung zu einer Freiheitstrafe BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 29; 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 29, BAGE 136, 213).

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II. Der nur hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)