Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Feb. 2014 - 2 Sa 119/13

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:0220.2SA119.13.0A
bei uns veröffentlicht am20.02.2014

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1338/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt. Bei der Firma Z. e. K. sind von deren Arbeitnehmern auf der Grundlage eines nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages vom 7. April 1995 Betriebsräte in den darin festgelegten Betriebsratsbezirken gewählt worden, die Mitglieder in den errichteten Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung "Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates (GBR) sowie die Entsendung der GBR-Mitglieder" vom 21. November 2000 nebst der Ergänzung vom 30. April 2002 entsandt haben. Die Klägerin war dem Betriebsratsbezirk Y-Stadt zugeordnet, in dem ein Betriebsrat gebildet war.

3

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: ...) wurde über das Vermögen des Z., Inhaber der Firma Z. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: 00000) wurde über das Vermögen der zum Z.-Konzern gehörenden Z.x. GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

In der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Z. abgehaltenen Gläubigerversammlung vom 05. Juni 2012 wurde die vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Betriebsstilllegung bestätigt. Der aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung durchgeführte Abverkauf wurde bei der Firma Z. e. K. am 27. Juni 2012 beendet.

5

Am 28. Juni 2012 schlossen der Beklagte und der Insolvenzverwalter der Firma Z.x. GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

6

"Präambel

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28.03.2012 wurde über die Vermögen der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH die Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer A. und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zu Insolvenzverwaltern bestellt.

8

Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 28.03.2012 sind als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleichs.

9

§ 1
Geltungsbereich

10

Räumlicher Geltungsbereich

11

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Firmen Z. e. K. und Z.x. GmbH.
(…)

12

§ 2
Informationen

13

Dem GBR beziehungsweise dessen Vertretern wurden Informationen über die wirtschaftliche Situation der Z. e. K. gegeben. Insbesondere erhielt der GBR Vermögensübersichten sowie Listen derjenigen Filialen beziehungsweise Betriebe (Stand 25.06.2012), für die eventuell Interessenten vorhanden sind. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z. e. K. durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 30.06.2012 hinaus nicht möglich ist.

14

Der Insolvenzverwalter hat die Stilllegung der Firma Z.x. GmbH, vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses, zum 31.07.2012 beschlossen. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z.x. GmbH durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 31.07.2012 hinaus nicht möglich ist.

15

Die Insolvenzverwalter werden auch nach Abschluss des Interessenausgleiches den GBR beziehungsweise dessen Vertreter über den jeweils aktuellen Stand der Interessenten, mindestens 14-tägig (erstmals zum 11.07.2012) unterrichten.

16

§ 3
Regelungsgegenstand / Betriebsänderung
(unternehmerische Entscheidung)

17

Die unternehmerischen Entscheidungen, die aufgrund der oben genannten Informationen, getroffen wurden, sind:

18

Der Geschäftsbetrieb der Z. Y. wird zum 30.06.2012 eingestellt. Ab dem 01.07.2012 erfolgt die Abwicklung.

19

Der Geschäftsbetrieb der Firma Z.x. GmbH wird vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses zum 31.07.2012 eingestellt. Ab dem 01.08.2012 erfolgt die Abwicklung.

20

In einer Vereinbarung vom selben Tag wird ergänzend festgehalten, wie die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Rahmen der Insolvenz gewährleistet werden.
(…)

21

§ 8
Schlussbestimmungen

22

Abschluss der Verhandlungen

23

Der Gesamtbetriebsrat bestätigt, dass er im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß informiert wurde und ihm auch die dazu gehörigen Unterlagen übergeben wurden.

24

Der Gesamtbetriebsrat hat die Entscheidung der Insolvenzverwalter mit größtem Bedauern und Unverständnis entgegengenommen.

25

Die Interessenausgleichsverhandlungen sind damit abgeschlossen.

26

Massenentlassungsklausel / Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zu § 17 KSchG

27

Dieser Interessenausgleich ersetzt zugleich die Stellungnahme des GBR zur Anzeige der Massenentlassung gemäß § 17 KSchG.

28

Ebenso ersetzt diese Vereinbarung die Anhörung des GBR zur Kündigung von Arbeitnehmern gemäß BErzGG, MuSchG sowie SGB IX.

29

Der GBR wird im Rahmen des § 17 KSchG keine weitere Stellungnahme mehr abgeben, insbesondere auch nicht nach § 20 KSchG.

30

Integrale Bestandteile des Interessenausgleichs

31

Die Präambel und sämtliche im Text aufgeführten in Bezug genommenen Anlagen sind Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.

32

Freistellung

33

Der Interessenausgleich gilt zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zur Freistellung gekündigter Arbeitnehmer. Eine separate Anhörung zur Freistellung ist somit nicht durchzuführen.

34

Einsichtnahme und Veröffentlichung

35

Der Interessenausgleich kann beim BR eingesehen werden. Die Insolvenzverwalter versuchen, den Interessenausgleich über das Gläubigerinformationssystem den Mitarbeitern ebenfalls zugänglich zu machen. Er wird ohne Anlagen auf der Internetseite der Insolvenzverwalter veröffentlicht.

§ 9

36

Der Insolvenzverwalter ist bemüht, soweit Filialen durch anderweitige Firmen übernommen werden, auch wenn dies nicht im Rahmen des § 613 a BGB erfolgt, die Erwerber zu veranlassen, Mitarbeiter mit zu übernehmen.

37

Soweit Mitarbeiter Filialen in Eigenregie übernehmen wollen, wird der Insolvenzverwalter, soweit dies möglich ist, die Mitarbeiter hierbei unterstützen (z. B. bei Übernahme Mietverträge etc.).

38

Soweit sich für einzelne Filialen oder Lagerstandorte neue Übernahmeangebote ergeben sollten, wird der Insolvenzverwalter den GBR, auch wenn die Kündigungen bereits ausgesprochen sind hierüber informieren.

39

Die Insolvenzverwalter haben der Gewerkschaft T. zugesagt, dass mit diesen unverzüglich auf Grundlage des beigefügten Entwurfes ein Transfertarifvertrag verhandelt und abgeschlossen wird, sofern dessen Finanzierung darstellbar ist.

40

§ 10
Salvatorische Klausel

41

Sollten einzelne Punkte dieser Vereinbarung aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetz oder Tarifvertrag unwirksam sein, so werden die Vertragsparteien die unwirksame Regelung durch eine Regelung ersetzen, die dem Gewollten am Nächsten kommt.

42

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist und diese Vereinbarung den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung mit konkreten Ansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer hat.

43

Sollte die Rechtauffassung der Beteiligten unrichtig sein, dass der Gesamtbetriebsrat in einer Vereinbarung den Interessenausgleich für beide Betriebe / Unternehmen (x und Y.) regeln kann, so besteht das Einvernehmen, dass diese Vereinbarung auch getrennt für x und y. gelten soll und in diesem Fall zwei Vereinbarungen zusammengefasst in einem Schriftstück wirken sollen.
(…)"

44

Am 29. Juni 2012 erstattete der Beklagte gegenüber den Agenturen für Arbeit in R.-Stadt und Q.-Stadt jeweils eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, auf die Bezug genommen wird.

45

Mit Schreiben vom 02. Juli 2012 wurde der Betriebsrat Y-Stadt vom Beklagten zu den beabsichtigten Kündigungen der in der beigefügten "Kündigungsliste" aufgeführten Mitarbeiterinnen, darunter die Klägerin, angehört. In der dem Anhö-rungsschreiben anliegenden "Kündigungsliste" ist bei der Klägerin als "Eintritt" der "28.03.2012" und unter "Kdgs-frist" der "31.08.2012" angegeben.

46

Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, das am 23. Juli 2012 zur Post gegeben wurde und der Klägerin am 24. Juli 2012 zuging, kündigte der Beklagte das mit der Klä-gerin bestehende Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31. August 2012. Diese Kündigung ist Gegenstand des Parallelverfahrens der Parteien (Arbeitsgericht Trier - 3 Ca 1143/12 -; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - 2 Sa 120/13 -), auf das verwiesen wird.

47

Mit Schreiben vom 20. Juli 2012 wurde der Betriebsrat Y-Stadt vom Beklagten zu der beabsichtigten (erneuten) Kündigung der Klägerin angehört.

48

Am 22. August 2012 erstattete der Beklagte erneut gegenüber der Agentur für Arbeit R.-Stadt eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, nach der am 23. August 2012 insgesamt 126 Arbeitnehmer entlassen werden sollen; der Massenentlassungsanzeige, auf die Bezug genommen wird, war der Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 beigefügt.

49

Mit Schreiben vom 23. August 2012, das am 24. August 2012 versandt wurde und der Klägerin am 25. August 2012 (Samstag) zuging, kündigte der Beklagte erneut das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 30. November 2012. Hiergegen wendet sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren mit ihrer am 17. September 2012 (Montag) per Telefax beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Kündigungsschutzklage.

50

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Kündigung sei trotz der zunächst getroffenen Entscheidung zur vollständigen Betriebsstilllegung unwirksam, weil nicht alle Verkaufsstellen tatsächlich geschlossen würden, sondern für eine ihr nicht bekannte Anzahl Übernahme- bzw. Weiterführungsangebote etwa von den Firmen O. oder N. gemacht worden seien. Gegen die endgültige Betriebsstilllegung spreche § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012, wonach der Beklagte auch weiterhin bemüht sei, die Übernahme von Filialen durch andere Firmen zu unterstützen. Zudem sei die weitere Kündigung vom 23. August 2012 mangels erneuter Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Im Übrigen sei der Gesamtbetriebsrat unter Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen errichtet worden und habe daher keine wirksame Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG abgeben können, mit der Folge, dass die Massenentlassungsanzeige nicht wirksam erfolgt sei.

51

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

52

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 23. August 2012 nicht zum 30. November 2012 aufgelöst wird, sondern fortbesteht.

53

Der Beklagte hat beantragt,

54

die Klage abzuweisen.

55

Er hat erwidert, die Kündigung sei aufgrund der vollständigen Stilllegung des Betriebes der Firma Z. e. K. aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Die von der Klägerin angeführte Übernahme von Filialen durch O. oder N. sei unsubstantiiert. Nach dem Stilllegungsbeschluss seien auch keine neuen Z.-Märkte entstanden. Der Betriebsrat sei zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden. Auch die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere sei der Gesamtbetriebsrat angesichts der bundesweiten Filialschließung zuständig gewesen.

56

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 31. Januar 2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Kündigung bereits deshalb unwirksam sei, weil es an einer Anhörung des Betriebsrats fehle. Der Beklagte habe trotz mehrfacher Rüge der Klägerin nur das Anhörungsschreiben vom 2. Juli 2012 vorgelegt, welches die erste Kündigung der Klägerin vom 12. Juli 2012 zum Gegenstand habe. Mit Zugang dieser ersten Kündigung sei das Anhörungsverfahren verbraucht, weshalb es zum Ausspruch einer neuen Kündigung einer erneuten Anhörung bedurft hätte. Darüber hinaus könne die Kündigung auch deshalb keinen Bestand haben, weil es an einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG fehle. Zum einen sei lediglich die erste Kündigung der Klägerin vom 12. Juli 2012 überhaupt Gegenstand der Massenentlassungsanzeige gewesen. Auch wenn man dies genügen ließe, sei die Anzeige gleichwohl unwirksam. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH um zwei eigenständige Unternehmen innerhalb eines Konzernes handele, habe kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden dürfen. Der nach dem Vortrag des Beklagten gleichwohl unternehmensübergreifend gebildete "Gesamtbetriebsrat" sei rechtlich nicht existent, so dass der Beklagte im Rahmen von § 17 KSchG den örtlichen Betriebsrat hätte beteiligen müssen, was er nicht getan habe.

57

Gegen das ihm am 25. Februar 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. März 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. April 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

58

Er trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei kein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat gebildet worden, weil bei der Firma Z.x. GmbH - unstreitig - keine Betriebsräte gewählt worden seien. Hinsichtlich der bei der Firma Z. e. K. beschäftigten Arbeitnehmer habe mit dem Gesamtbetriebsrat in jedem Falle das zuständige Gremium gehandelt, das im Rahmen des geschlossenen Interessenausgleiches vom 28. Juni 2012 die nach § 17 KSchG erforderliche Stellungnahme ordnungsgemäß abgegeben habe. Selbst wenn die aufgrund der neu abgeschlossenen Tarifverträge vom 18. März 2012, 28. März 2012 sowie 17. April 2012 erfolgte Ausdehnung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates auch auf die bei der Firma Z.x. GmbH beschäftigten Mitarbeiter tatsächlich unwirksam gewesen sein sollte, so habe dies auf die bei der Firma Z. e. K. beschäftigten Mitarbeiter keine Auswirkung, sondern führe lediglich dazu, dass die bei der Firma Z.x. GmbH beschäftigten Mitarbeiter weder im Rahmen des § 102 BetrVG noch des § 17 KSchG durch den Gesamtbetriebsrat vertreten worden wären. Die vor Ausspruch der Kündigung vom 23. August 2012 erstattete Massenentlassungsanzeige vom 22. August 2012 sei ordnungsgemäß erfolgt. Eine Wiederholung des Konsultationsverfahrens sei nach Ausspruch der vorangegangenen Kündigung vom 12. Juli 2012 nach Sinn und Zweck des § 17 KSchG nicht angezeigt gewesen. Im Hinblick darauf, dass beiden Kündigungen der identische Sachverhalt (vollständige Betriebseinstellung) zugrunde liege und der Gesamtbetriebsrat im Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 eindeutig klargestellt habe, dass er sämtliche im Zusammenhang mit der Betriebsstillegung stehenden Informationen vollumfänglich erhalten habe und hierzu keine weiteren Stellungnahmen mehr abgeben werde, wäre eine nochmalige Konsultation im Rahmen des § 17 KSchG eine bloße Förmelei.

59

Der Beklagte beantragt,

60

das am 31. Januar 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier - 3 Ca 1338/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

61

Die Klägerin beantragt,

62

die Berufung zurückzuweisen.

63

Sie erwidert, der neue Sachvortrag des Beklagten hinsichtlich der Errichtung des Gesamtbetriebsrates sei in der Berufungsinstanz wegen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht ausgeschlossen. Auch unter Zugrundelegung des neuen Sachvortrags in der Berufungsinstanz ändere sich nichts am rechtlichen Ergebnis. Mangels Umsetzung des Tarifvertrages vom 18. März 2012 durch Bildung neuer Betriebsratsgremien und Errichtung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrates sei lediglich der ursprünglich gebildete Gesamtbetriebsrat der Firma Z. e. K. wirksam im Amt gewesen, der jedoch nicht als unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat für beide Unternehmen im Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 habe agieren können. Aufgrund der fehlenden Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrates für beide Unternehmen habe dieser keine wirksame Stellungnahme gemäß § 17 KSchG zur Massenentlassungsanzeige beider Unternehmen abgeben können. Insoweit sei der letzte Absatz des § 10 des Interessenausgleichs unbeachtlich. Da die Vereinbarung mit dem noch nicht existierenden unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat geschlossen worden sei, könne man nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Vereinbarung im Zweifelsfalle für beide Unternehmen getrennt wirken solle. Vielmehr sei die geschlossene Vereinbarung mit einem nicht existenten Gesamtbetriebsrat geschlossen worden und folglich unwirksam. Unabhängig davon habe der Verweis auf den Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 in der erneuten Massenentlassungsanzeige vom 22. August 2012 den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG nicht genügt. Die im Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 enthaltene Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats habe sich konkret nur auf die im Juli 2012 ausgesprochenen und angezeigten Kündigungen im damals angezeigten Zeitraum bezogen und nur hierfür abschließend sein sollen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012 sei noch nicht absehbar gewesen, dass in einem nachfolgenden Entlassungszeitraum weitere anzeigepflichtige Entlassungen notwendig würden, über die der zuständige Betriebsrat zumindest hätte informiert werden müssen. Die durch eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige entstandene Möglichkeit werde durch den Ausspruch der Kündigung verbraucht, so dass die Wirksamkeit einer nachfolgenden Kündigung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG eine weitere Massenentlassungsanzeige und dementsprechend auch eine erneute Durchführung des Konsultationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 KSchG erfordere.

64

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

65

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

66

Die Berufung des Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der gegen die Kündigung vom 23. August 2014 gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben.

67

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht bereits durch die vorangegangene Kündigung vom 12. Juli 2012, die Streitgegenstand des Parallelverfahrens der Parteien ist, vorzeitig beendet worden. In diesem Verfahren hat das Arbeitsgericht Trier mit Urteil vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Die Berufungskammer hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ebenfalls mit Urteil vom 20. Februar 2014 - 2 Sa 120/13 -, auf das verwiesen wird, zurückgewiesen.

68

Die streitgegenständliche Kündigung vom 23. August 2012 ist gemäß § 17 Abs. 2 KSchG i.V.m. § 134 BGB unwirksam, weil der Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt hat.

69

1. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Diese Voraussetzung war bei der Kündigung vom 23. August 2012 nach dem Vortrag beider Parteien erfüllt. Bei dem zentral vom Standort der Hauptverwaltung in M.-Stadt geleiteten Betrieb der Firma Z. e. K., der rund 6.500 unselbständige Verkaufsstellen mit jeweils in der Regel weniger als fünf Mitarbeitern umfasst hat, handelte es sich bundesweit um einen einheitlichen Betrieb. Auch in den übergeordneten Organisationseinheiten (Verkaufsregionen) war nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien keine personelle oder soziale Entscheidungskompetenz vorhanden, die unstreitig allein und ausschließlich bei der zentralen Verwaltung in M.-Stadt lag. Der Beklagte hat unter dem 23. August 2012 insgesamt 126 Kündigungen ausgesprochen, so dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSchG unstreitig erfüllt sind.

70

2. Der Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung vom 23. August 2012 das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG stellt neben dem Anzeigeerfordernis nach § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KSchG eine eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 19 und 30, NZA 2013, 966).

71

Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ist auch nicht entbehrlich, wenn eine Betriebsstilllegung erfolgt ist und alle Arbeitnehmer entlassen worden sind (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - Rn. 39, juris). Auch wenn die Amtszeit des Betriebsrats wegen einer Betriebsstilllegung endet, bleibt der Betriebsrat gemäß § 21 b BetrVG so lange im Amt, wie das zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 49, NZA-RR 2008, 367). Der Arbeitgeber, der beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat den Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

72

Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Durchführung des Konsultationsverfahrens vor Ausspruch der weiteren Kündigung vom 23. August 2012 nicht entbehrlich, weil er bereits vor Ausspruch der vorangegangenen Kündigung vom 12. Juli 2012 ein Konsultationsverfahren mit dem Gesamtbetriebsrat durchgeführt hatte. Vielmehr muss vor jeder Kündigungsentscheidung das in der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) vorgesehene und durch § 17 KSchG in nationales Recht umgesetzte Konsultationsverfahren durchgeführt werden, sofern ein beteiligungsfähiges Gremium besteht, und die erforderliche Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde erfolgen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, NZA 2010, 1057). Mit dem Ausspruch der vorangegangenen Kündigung vom 12. Juli 2012 war die Kündigungsmöglichkeit, die durch die erstattete Massenentlassungsanzeige vom 29. Juni 2012 - nach Durchführung des Konsultationsverfahrens mit dem nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständigen Gesamtbetriebsrat und der von diesem im Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 abgegebenen Stellungnahme - eröffnet worden war, verbraucht (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 14, NZA 2010, 1057). Für die hier streitgegenständliche Kündigung vom 23. August 2012, bei der die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt waren, hätte der Beklagte nicht nur eine neue Anzeige gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit, sondern auch das Konsultationsverfahren erneut durchführen müssen. Der Beklagte hat aber den Gesamtbetriebsrat vor Ausspruch der erneuten Kündigung vom 23. August 2012 überhaupt nicht mehr beteiligt, sondern lediglich auf dessen Stellungnahme vor Ausspruch der Kündigung vom 12. Juli 2012 im abgeschlossenen Interessenausgleich vom 28. Juni 2012 verwiesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelt es sich dabei nicht um eine bloße Förmelei. Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Die Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung müssen sich dabei nicht auf die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen beziehen. Sie können auch die Möglichkeit betreffen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dabei kann es sich insbesondere um Hilfen zu einer anderweitigen Verwendung oder Umschulungen der entlassenen Arbeitnehmer handeln (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - Rn. 40, juris). Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Betriebsrat bzw. hier der Gesamtbetriebsrat nach Ausspruch der Kündigungen wegen Betriebsstilllegung im Zuge einer Massenentlassung, zu der er eine abschließende Stellungnahme abgegeben hatte, sich bei einer erneut anstehenden Massenentlassung durch Ausspruch von Folgekündigungen in der Zwischenzeit - z. B. aufgrund veränderter Umstände, Einnahmen neuer Standpunkte, Gewinnung neuer Erkenntnisse usw. - veranlasst sieht, eine geänderte Stellungnahme abzugeben. Diese nach der gesetzlichen Regelung bestehende Möglichkeit darf der Arbeitnehmervertretung nicht von vornherein dadurch abgeschnitten werden, dass diese vor weiteren Massenentlassungen überhaupt nicht mehr konsultiert wird. Der Beklagte hat dem Gesamtbetriebsrat nach Ausspruch der vorangegangenen Kündigung vom 12. Juli 2012, mit der die durch die Massenentlassungsanzeige vom 29. Juni 2012 eröffnete Kündigungsmöglichkeit verbraucht worden ist, keine Gelegenheit zur Beratung gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 23. August 2012, die ihrerseits die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllte, mehr gegeben. Wurde - wie hier - das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt, ist eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung - unabhängig von dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anzeige bei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KSchG - wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB rechtsunwirksam (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 19, NZA 2013, 966).

73

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

74

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Feb. 2014 - 2 Sa 119/13

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(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er 1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und wenig

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 50 Zuständigkeit


(1) Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können; seine Zuständigkeit

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 20 Entscheidungen der Agentur für Arbeit


(1) Die Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 und 2 trifft deren Geschäftsführung oder ein Ausschuß (Entscheidungsträger). Die Geschäftsführung darf nur dann entscheiden, wenn die Zahl der Entlassungen weniger als 50 beträgt. (2) De

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Feb. 2014 - 2 Sa 119/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Feb. 2014 - 2 Sa 119/13 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Feb. 2014 - 2 Sa 120/13

bei uns veröffentlicht am 20.02.2014

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. März 2013 - 2 AZR 60/12

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 - 17 Sa 512/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Dez. 2012 - 6 AZR 772/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Juli 2011 - 17 Sa 177/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin betref

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Apr. 2010 - 6 AZR 948/08

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2008 - 8 Sa 476/07 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Die Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 und 2 trifft deren Geschäftsführung oder ein Ausschuß (Entscheidungsträger). Die Geschäftsführung darf nur dann entscheiden, wenn die Zahl der Entlassungen weniger als 50 beträgt.

(2) Der Ausschuß setzt sich aus dem Geschäftsführer, der Geschäftsführerin oder dem oder der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit oder einem von ihm oder ihr beauftragten Angehörigen der Agentur für Arbeit als Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften zusammen, die von dem Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit benannt werden. Er trifft seine Entscheidungen mit Stimmenmehrheit.

(3) Der Entscheidungsträger hat vor seiner Entscheidung von Arbeitgeber und den Betriebsrat anzuhören. Dem Entscheidungsträger sind, insbesondere vom Arbeitgeber und Betriebsrat, die von ihm für die Beurteilung des Falles erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen.

(4) Der Entscheidungsträger hat sowohl das Interesse des Arbeitgebers als auch das der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört, zu berücksichtigen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt. Bei der Firma Z. e. K. sind von deren Arbeitnehmern auf der Grundlage eines nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages vom 7. April 1995 Betriebsräte in den darin festgelegten Betriebsratsbezirken gewählt worden, die Mitglieder in den errichteten Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung "Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates (GBR) sowie die Entsendung der GBR-Mitglieder" vom 21. November 2000 nebst der Ergänzung vom 30. April 2002 entsandt haben. Die Klägerin war dem Betriebsratsbezirk Y.-Stadt zugeordnet, in dem ein Betriebsrat gebildet war.

3

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: ...) wurde über das Vermögen des Z., Inhaber der Firma Z. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: 00000) wurde über das Vermögen der zum Z.-Konzern gehörenden Z.x. GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

In der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Z. abgehaltenen Gläubigerversammlung vom 05. Juni 2012 wurde die vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Betriebsstilllegung bestätigt. Der aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung durchgeführte Abverkauf wurde bei der Firma Z. e. K. am 27. Juni 2012 beendet.

5

Am 28. Juni 2012 schlossen der Beklagte und der Insolvenzverwalter der Firma Z.x. GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

6

"Präambel

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28.03.2012 wurde über die Vermögen der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH die Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer A. und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zu Insolvenzverwaltern bestellt.

8

Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 28.03.2012 sind als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleichs.

9

§ 1
Geltungsbereich

10

Räumlicher Geltungsbereich

11

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Firmen Z. e. K. und Z.x. GmbH.
(…)

12

§ 2
Informationen

13

Dem GBR beziehungsweise dessen Vertretern wurden Informationen über die wirtschaftliche Situation der Z. e. K. gegeben. Insbesondere erhielt der GBR Vermögensübersichten sowie Listen derjenigen Filialen beziehungsweise Betriebe (Stand 25.06.2012), für die eventuell Interessenten vorhanden sind. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z. e. K. durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 30.06.2012 hinaus nicht möglich ist.

14

Der Insolvenzverwalter hat die Stilllegung der Firma Z.x. GmbH, vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses, zum 31.07.2012 beschlossen. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z.x. GmbH durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 31.07.2012 hinaus nicht möglich ist.

15

Die Insolvenzverwalter werden auch nach Abschluss des Interessenausgleiches den GBR beziehungsweise dessen Vertreter über den jeweils aktuellen Stand der Interessenten, mindestens 14-tägig (erstmals zum 11.07.2012) unterrichten.

16

§ 3
Regelungsgegenstand / Betriebsänderung
(unternehmerische Entscheidung)

17

Die unternehmerischen Entscheidungen, die aufgrund der oben genannten Informationen, getroffen wurden, sind:

18

Der Geschäftsbetrieb der Z.y wird zum 30.06.2012 eingestellt. Ab dem 01.07.2012 erfolgt die Abwicklung.

19

Der Geschäftsbetrieb der Firma Z.x. GmbH wird vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses zum 31.07.2012 eingestellt. Ab dem 01.08.2012 erfolgt die Abwicklung.

20

In einer Vereinbarung vom selben Tag wird ergänzend festgehalten, wie die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Rahmen der Insolvenz gewährleistet werden.
(…)

21

§ 8
Schlussbestimmungen

22

Abschluss der Verhandlungen

23

Der Gesamtbetriebsrat bestätigt, dass er im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß informiert wurde und ihm auch die dazu gehörigen Unterlagen übergeben wurden.

24

Der Gesamtbetriebsrat hat die Entscheidung der Insolvenzverwalter mit größtem Bedauern und Unverständnis entgegengenommen.

25

Die Interessenausgleichsverhandlungen sind damit abgeschlossen.

26

Massenentlassungsklausel / Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zu § 17 KSchG

27

Dieser Interessenausgleich ersetzt zugleich die Stellungnahme des GBR zur Anzeige der Massenentlassung gemäß § 17 KSchG.

28

Ebenso ersetzt diese Vereinbarung die Anhörung des GBR zur Kündigung von Arbeitnehmern gemäß BErzGG, MuSchG sowie SGB IX.

29

Der GBR wird im Rahmen des § 17 KSchG keine weitere Stellungnahme mehr abgeben, insbesondere auch nicht nach § 20 KSchG.

30

Integrale Bestandteile des Interessenausgleichs

31

Die Präambel und sämtliche im Text aufgeführten in Bezug genommenen Anlagen sind Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.

32

Freistellung

33

Der Interessenausgleich gilt zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zur Freistellung gekündigter Arbeitnehmer. Eine separate Anhörung zur Freistellung ist somit nicht durchzuführen.

34

Einsichtnahme und Veröffentlichung

35

Der Interessenausgleich kann beim BR eingesehen werden. Die Insolvenzverwalter versuchen, den Interessenausgleich über das Gläubigerinformationssystem den Mitarbeitern ebenfalls zugänglich zu machen. Er wird ohne Anlagen auf der Internetseite der Insolvenzverwalter veröffentlicht.

§ 9

36

Der Insolvenzverwalter ist bemüht, soweit Filialen durch anderweitige Firmen übernommen werden, auch wenn dies nicht im Rahmen des § 613 a BGB erfolgt, die Erwerber zu veranlassen, Mitarbeiter mit zu übernehmen.

37

Soweit Mitarbeiter Filialen in Eigenregie übernehmen wollen, wird der Insolvenzverwalter, soweit dies möglich ist, die Mitarbeiter hierbei unterstützen (z. B. bei Übernahme Mietverträge etc.).

38

Soweit sich für einzelne Filialen oder Lagerstandorte neue Übernahmeangebote ergeben sollten, wird der Insolvenzverwalter den GBR, auch wenn die Kündigungen bereits ausgesprochen sind hierüber informieren.

39

Die Insolvenzverwalter haben der Gewerkschaft T. zugesagt, dass mit diesen unverzüglich auf Grundlage des beigefügten Entwurfes ein Transfertarifvertrag verhandelt und abgeschlossen wird, sofern dessen Finanzierung darstellbar ist.

40

§ 10
Salvatorische Klausel

41

Sollten einzelne Punkte dieser Vereinbarung aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetz oder Tarifvertrag unwirksam sein, so werden die Vertragsparteien die unwirksame Regelung durch eine Regelung ersetzen, die dem Gewollten am Nächsten kommt.

42

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist und diese Vereinbarung den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung mit konkreten Ansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer hat.

43

Sollte die Rechtauffassung der Beteiligten unrichtig sein, dass der Gesamtbetriebsrat in einer Vereinbarung den Interessenausgleich für beide Betriebe / Unternehmen (x. und y.) regeln kann, so besteht das Einvernehmen, dass diese Vereinbarung auch getrennt für x. und y. gelten soll und in diesem Fall zwei Vereinbarungen zusammengefasst in einem Schriftstück wirken sollen.
(…)"

44

Am 29. Juni 2012 erstattete der Beklagte gegenüber den Agenturen für Arbeit in R.-Stadt und Q.-Stadt jeweils eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, auf die Bezug genommen wird.

45

Mit Schreiben vom 02. Juli 2012 wurde der Betriebsrat Y.-Stadt vom Beklagten zu den beabsichtigten Kündigungen der in der beigefügten "Kündigungsliste" aufgeführten Mitarbeiterinnen, darunter die Klägerin, angehört. In der dem Anhörungsschreiben anliegenden "Kündigungsliste" ist bei der Klägerin als "Eintritt" der "28.03.2012" und unter "Kdgs-frist" der "31.08.2012" angegeben.

46

Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, das am 23. Juli 2012 zur Post gegeben wurde und der Klägerin am 24. Juli 2012 zuging, kündigte der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31. August 2012.

47

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier am 14. August 2012 eingegangenen Kündigungsschutzklage.

48

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Kündigung sei trotz der zunächst getroffenen Entscheidung zur vollständigen Betriebsstilllegung unwirksam, weil nicht alle Verkaufsstellen tatsächlich geschlossen würden, sondern für eine ihr nicht bekannte Anzahl Übernahme- bzw. Weiterführungsangebote etwa von den Firmen O. oder N. gemacht worden seien. Gegen die endgültige Betriebsstilllegung spreche § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012, wonach der Beklagte auch weiterhin bemüht sei, die Übernahme von Filialen durch andere Firmen zu unterstützen. Die Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen des dem Betriebsrat falsch mitgeteilten Eintrittsdatums und der dementsprechend unzutreffend angegebenen Kündigungsfrist unwirksam.

49

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

50

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Juli 2012 nicht zum 31. August 2012 aufgelöst wird, sondern fortbesteht,
den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, an sie eine Abfindung in Höhe von 2.571,50 EUR zu zahlen,
den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, ihr ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches der Gesamtnote "gut" entspricht.

51

Der Beklagte hat beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hat erwidert, die Kündigung sei aufgrund der vollständigen Stilllegung des Betriebes der Firma Z. e. K. aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012 widerspreche dem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht, weil darin lediglich geregelt sei, dass er den Gesamtbetriebsrat über etwaige neue Übernahmeangebote informieren werde. Die von der Klägerin angeführte Übernahme von Filialen durch O. oder N. sei unsubstantiiert. Nach dem Stilllegungsbeschluss seien auch keine neuen Z.-Märkte entstanden. Die Betriebsratsanhörung sei nach dem Grundsatz der subjektiven Determination trotz des unrichtigen Eintrittsdatums ordnungsgemäß erfolgt.

54

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 31. Januar 2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG unwirksam sei. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH um zwei eigenständige Unternehmen innerhalb eines Konzernes handele, habe kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden dürfen. Der nach dem Vortrag des Beklagten gleichwohl unternehmensübergreifend gebildete "Gesamtbetriebsrat" sei rechtlich nicht existent, so dass der Beklagte im Rahmen von § 17 KSchG den örtlichen Betriebsrat hätte beteiligen müssen, was er nicht getan habe.

55

Gegen das ihm am 25. Februar 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. März 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. April 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

56

Er trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei kein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat gebildet worden, weil bei der Firma Z.x. GmbH - unstreitig - keine Betriebsräte gewählt worden seien. Mit dem nur bei der Firma Z. e. K. errichteten Gesamtbetriebsrat habe das zuständige Gremium im Rahmen des geschlossenen Interessenausgleiches vom 28. Juni 2012 die nach § 17 KSchG erforderliche Stellungnahme ordnungsgemäß abgegeben.

57

Der Beklagte beantragt,

58

das am 31. Januar 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier - 3 Ca 1143/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

59

Die Klägerin beantragt,

60

die Berufung zurückzuweisen.

61

Sie erwidert, der neue Sachvortrag des Beklagten hinsichtlich der Errichtung des Gesamtbetriebsrates sei in der Berufungsinstanz wegen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht ausgeschlossen. Auch unter Zugrundelegung des neuen Sachvortrags in der Berufungsinstanz ändere sich nichts am rechtlichen Ergebnis. Der bei der Firma Z. e.K. gebildete Gesamtbetriebsrat habe im Interessenausgleich nicht als unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat für beide Unternehmen agieren können, so dass er aufgrund der fehlenden Zuständigkeit für beide Unternehmen auch keine wirksame Stellungnahme gemäß § 17 KSchG zur Massenentlassungsanzeige beider Unternehmen habe abgeben können. Insoweit sei der letzte Absatz des § 10 des Interessenausgleichs unbeachtlich. Weiterhin sei die Anhörung des Betriebsrats nicht wirksam erfolgt, weil dem Betriebsrat - unstreitig - als ihr Eintrittsdatum der "28.03.2012" und folglich eine Kündigungsfrist zum 31. August 2012 mitgeteilt worden sei.

62

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

63

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

64

Die Berufung des Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung vom 12. Juli 2012 ist mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

I.

65

Auch wenn die Amtszeit des Betriebsrats wegen einer Betriebsstilllegung endet, bleibt der Betriebsrat gemäß § 21 b BetrVG so lange im Amt, wie das zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht erforderlich ist. Daraus folgt, dass der Betriebsrat vor jedem Kündigungsausspruch nach § 102 Abs. 1 BetrVG auch nach erfolgter Betriebsstilllegung zu hören ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 49, NZA-RR 2008, 367). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, NZA-RR 2010, 583) ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat. Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat den aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhalt mitteilen. Diesen Kündigungssachverhalt muss der Arbeitgeber unter Angabe von Tatsachen so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Entsprechend dem Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG, dem Betriebsrat ein Bild von der beabsichtigten Kündigung zu vermitteln, ist bei einer betriebsbedingten Kündigung im Regelfall die Mitteilung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auch dann unverzichtbar, wenn der Arbeitgeber keine Sozialauswahl vorgenommen hat (BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 36, NZA 2007, 798).

II.

66

Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung vom 12. Juli 2012 wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

67

Der Beklagte hat mit seinem Anhörungsschreiben vom 02. Juli 2012 in der beigefügten "Kündigungsliste" dem Betriebsrat fehlerhaft als Eintrittsdatum der Klägerin den "28. März 2012" mitgeteilt, obwohl ihm unstreitig bekannt war, dass die Klägerin bereits seit dem 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt war. Im Falle einer Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem "28. März 2012" gemäß der fehlerhaften Angabe des Beklagten hätte die Klägerin im Kündigungszeitpunkt keinen Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG und eine kürzere Kündigungsfrist mit einem entsprechend früheren Kündigungstermin (31. August 2012 anstatt richtigerweise 31. Oktober 2012) gehabt. Dem Betriebsrat wurde damit die Betriebszugehörigkeit der Klägerin sowohl objektiv als auch aus Sicht des Beklagten, dem die Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem 12. Juli 2004 unstreitig bekannt war, derart fehlerhaft mitgeteilt, dass hierdurch die Entscheidung bzw. die Vorgehensweise des Betriebsrats hinsichtlich der nach dem Anhörungsschreiben beabsichtigten Kündigung beeinflusst werden konnte (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz 15. November 2006 - 10 Sa 390/06 - Rn. 39, LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 6). Nach dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG soll die Anhörung dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnen, in sachgerechter Weise Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben (§ 102 Abs. 2 S. 1 und 3 BetrVG) und im Falle einer ordentlichen Kündigung Widerspruch (§ 102 Abs. 3 BetrVG) einzulegen (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 17, NZA-RR 2010, 583). Aufgrund der vom Beklagten fehlerhaft mitgeteilten Betriebszugehörigkeit der Klägerin, die sich sowohl auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als auch auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin auswirkt, wurde der Betriebsrat nicht in die Lage versetzt, sich in sachgerechter Weise zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern. Mithin ist die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

69

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt. Bei der Firma Z. e. K. sind von deren Arbeitnehmern auf der Grundlage eines nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages vom 7. April 1995 Betriebsräte in den darin festgelegten Betriebsratsbezirken gewählt worden, die Mitglieder in den errichteten Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung "Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates (GBR) sowie die Entsendung der GBR-Mitglieder" vom 21. November 2000 nebst der Ergänzung vom 30. April 2002 entsandt haben. Die Klägerin war dem Betriebsratsbezirk Y.-Stadt zugeordnet, in dem ein Betriebsrat gebildet war.

3

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: ...) wurde über das Vermögen des Z., Inhaber der Firma Z. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: 00000) wurde über das Vermögen der zum Z.-Konzern gehörenden Z.x. GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

In der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Z. abgehaltenen Gläubigerversammlung vom 05. Juni 2012 wurde die vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Betriebsstilllegung bestätigt. Der aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung durchgeführte Abverkauf wurde bei der Firma Z. e. K. am 27. Juni 2012 beendet.

5

Am 28. Juni 2012 schlossen der Beklagte und der Insolvenzverwalter der Firma Z.x. GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

6

"Präambel

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28.03.2012 wurde über die Vermögen der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH die Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer A. und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zu Insolvenzverwaltern bestellt.

8

Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 28.03.2012 sind als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleichs.

9

§ 1
Geltungsbereich

10

Räumlicher Geltungsbereich

11

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Firmen Z. e. K. und Z.x. GmbH.
(…)

12

§ 2
Informationen

13

Dem GBR beziehungsweise dessen Vertretern wurden Informationen über die wirtschaftliche Situation der Z. e. K. gegeben. Insbesondere erhielt der GBR Vermögensübersichten sowie Listen derjenigen Filialen beziehungsweise Betriebe (Stand 25.06.2012), für die eventuell Interessenten vorhanden sind. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z. e. K. durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 30.06.2012 hinaus nicht möglich ist.

14

Der Insolvenzverwalter hat die Stilllegung der Firma Z.x. GmbH, vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses, zum 31.07.2012 beschlossen. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z.x. GmbH durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 31.07.2012 hinaus nicht möglich ist.

15

Die Insolvenzverwalter werden auch nach Abschluss des Interessenausgleiches den GBR beziehungsweise dessen Vertreter über den jeweils aktuellen Stand der Interessenten, mindestens 14-tägig (erstmals zum 11.07.2012) unterrichten.

16

§ 3
Regelungsgegenstand / Betriebsänderung
(unternehmerische Entscheidung)

17

Die unternehmerischen Entscheidungen, die aufgrund der oben genannten Informationen, getroffen wurden, sind:

18

Der Geschäftsbetrieb der Z.y wird zum 30.06.2012 eingestellt. Ab dem 01.07.2012 erfolgt die Abwicklung.

19

Der Geschäftsbetrieb der Firma Z.x. GmbH wird vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses zum 31.07.2012 eingestellt. Ab dem 01.08.2012 erfolgt die Abwicklung.

20

In einer Vereinbarung vom selben Tag wird ergänzend festgehalten, wie die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Rahmen der Insolvenz gewährleistet werden.
(…)

21

§ 8
Schlussbestimmungen

22

Abschluss der Verhandlungen

23

Der Gesamtbetriebsrat bestätigt, dass er im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß informiert wurde und ihm auch die dazu gehörigen Unterlagen übergeben wurden.

24

Der Gesamtbetriebsrat hat die Entscheidung der Insolvenzverwalter mit größtem Bedauern und Unverständnis entgegengenommen.

25

Die Interessenausgleichsverhandlungen sind damit abgeschlossen.

26

Massenentlassungsklausel / Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zu § 17 KSchG

27

Dieser Interessenausgleich ersetzt zugleich die Stellungnahme des GBR zur Anzeige der Massenentlassung gemäß § 17 KSchG.

28

Ebenso ersetzt diese Vereinbarung die Anhörung des GBR zur Kündigung von Arbeitnehmern gemäß BErzGG, MuSchG sowie SGB IX.

29

Der GBR wird im Rahmen des § 17 KSchG keine weitere Stellungnahme mehr abgeben, insbesondere auch nicht nach § 20 KSchG.

30

Integrale Bestandteile des Interessenausgleichs

31

Die Präambel und sämtliche im Text aufgeführten in Bezug genommenen Anlagen sind Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.

32

Freistellung

33

Der Interessenausgleich gilt zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zur Freistellung gekündigter Arbeitnehmer. Eine separate Anhörung zur Freistellung ist somit nicht durchzuführen.

34

Einsichtnahme und Veröffentlichung

35

Der Interessenausgleich kann beim BR eingesehen werden. Die Insolvenzverwalter versuchen, den Interessenausgleich über das Gläubigerinformationssystem den Mitarbeitern ebenfalls zugänglich zu machen. Er wird ohne Anlagen auf der Internetseite der Insolvenzverwalter veröffentlicht.

§ 9

36

Der Insolvenzverwalter ist bemüht, soweit Filialen durch anderweitige Firmen übernommen werden, auch wenn dies nicht im Rahmen des § 613 a BGB erfolgt, die Erwerber zu veranlassen, Mitarbeiter mit zu übernehmen.

37

Soweit Mitarbeiter Filialen in Eigenregie übernehmen wollen, wird der Insolvenzverwalter, soweit dies möglich ist, die Mitarbeiter hierbei unterstützen (z. B. bei Übernahme Mietverträge etc.).

38

Soweit sich für einzelne Filialen oder Lagerstandorte neue Übernahmeangebote ergeben sollten, wird der Insolvenzverwalter den GBR, auch wenn die Kündigungen bereits ausgesprochen sind hierüber informieren.

39

Die Insolvenzverwalter haben der Gewerkschaft T. zugesagt, dass mit diesen unverzüglich auf Grundlage des beigefügten Entwurfes ein Transfertarifvertrag verhandelt und abgeschlossen wird, sofern dessen Finanzierung darstellbar ist.

40

§ 10
Salvatorische Klausel

41

Sollten einzelne Punkte dieser Vereinbarung aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetz oder Tarifvertrag unwirksam sein, so werden die Vertragsparteien die unwirksame Regelung durch eine Regelung ersetzen, die dem Gewollten am Nächsten kommt.

42

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist und diese Vereinbarung den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung mit konkreten Ansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer hat.

43

Sollte die Rechtauffassung der Beteiligten unrichtig sein, dass der Gesamtbetriebsrat in einer Vereinbarung den Interessenausgleich für beide Betriebe / Unternehmen (x. und y.) regeln kann, so besteht das Einvernehmen, dass diese Vereinbarung auch getrennt für x. und y. gelten soll und in diesem Fall zwei Vereinbarungen zusammengefasst in einem Schriftstück wirken sollen.
(…)"

44

Am 29. Juni 2012 erstattete der Beklagte gegenüber den Agenturen für Arbeit in R.-Stadt und Q.-Stadt jeweils eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, auf die Bezug genommen wird.

45

Mit Schreiben vom 02. Juli 2012 wurde der Betriebsrat Y.-Stadt vom Beklagten zu den beabsichtigten Kündigungen der in der beigefügten "Kündigungsliste" aufgeführten Mitarbeiterinnen, darunter die Klägerin, angehört. In der dem Anhörungsschreiben anliegenden "Kündigungsliste" ist bei der Klägerin als "Eintritt" der "28.03.2012" und unter "Kdgs-frist" der "31.08.2012" angegeben.

46

Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, das am 23. Juli 2012 zur Post gegeben wurde und der Klägerin am 24. Juli 2012 zuging, kündigte der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31. August 2012.

47

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier am 14. August 2012 eingegangenen Kündigungsschutzklage.

48

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Kündigung sei trotz der zunächst getroffenen Entscheidung zur vollständigen Betriebsstilllegung unwirksam, weil nicht alle Verkaufsstellen tatsächlich geschlossen würden, sondern für eine ihr nicht bekannte Anzahl Übernahme- bzw. Weiterführungsangebote etwa von den Firmen O. oder N. gemacht worden seien. Gegen die endgültige Betriebsstilllegung spreche § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012, wonach der Beklagte auch weiterhin bemüht sei, die Übernahme von Filialen durch andere Firmen zu unterstützen. Die Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen des dem Betriebsrat falsch mitgeteilten Eintrittsdatums und der dementsprechend unzutreffend angegebenen Kündigungsfrist unwirksam.

49

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

50

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Juli 2012 nicht zum 31. August 2012 aufgelöst wird, sondern fortbesteht,
den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, an sie eine Abfindung in Höhe von 2.571,50 EUR zu zahlen,
den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, ihr ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches der Gesamtnote "gut" entspricht.

51

Der Beklagte hat beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hat erwidert, die Kündigung sei aufgrund der vollständigen Stilllegung des Betriebes der Firma Z. e. K. aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012 widerspreche dem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht, weil darin lediglich geregelt sei, dass er den Gesamtbetriebsrat über etwaige neue Übernahmeangebote informieren werde. Die von der Klägerin angeführte Übernahme von Filialen durch O. oder N. sei unsubstantiiert. Nach dem Stilllegungsbeschluss seien auch keine neuen Z.-Märkte entstanden. Die Betriebsratsanhörung sei nach dem Grundsatz der subjektiven Determination trotz des unrichtigen Eintrittsdatums ordnungsgemäß erfolgt.

54

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 31. Januar 2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG unwirksam sei. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH um zwei eigenständige Unternehmen innerhalb eines Konzernes handele, habe kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden dürfen. Der nach dem Vortrag des Beklagten gleichwohl unternehmensübergreifend gebildete "Gesamtbetriebsrat" sei rechtlich nicht existent, so dass der Beklagte im Rahmen von § 17 KSchG den örtlichen Betriebsrat hätte beteiligen müssen, was er nicht getan habe.

55

Gegen das ihm am 25. Februar 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. März 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. April 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

56

Er trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei kein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat gebildet worden, weil bei der Firma Z.x. GmbH - unstreitig - keine Betriebsräte gewählt worden seien. Mit dem nur bei der Firma Z. e. K. errichteten Gesamtbetriebsrat habe das zuständige Gremium im Rahmen des geschlossenen Interessenausgleiches vom 28. Juni 2012 die nach § 17 KSchG erforderliche Stellungnahme ordnungsgemäß abgegeben.

57

Der Beklagte beantragt,

58

das am 31. Januar 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier - 3 Ca 1143/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

59

Die Klägerin beantragt,

60

die Berufung zurückzuweisen.

61

Sie erwidert, der neue Sachvortrag des Beklagten hinsichtlich der Errichtung des Gesamtbetriebsrates sei in der Berufungsinstanz wegen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht ausgeschlossen. Auch unter Zugrundelegung des neuen Sachvortrags in der Berufungsinstanz ändere sich nichts am rechtlichen Ergebnis. Der bei der Firma Z. e.K. gebildete Gesamtbetriebsrat habe im Interessenausgleich nicht als unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat für beide Unternehmen agieren können, so dass er aufgrund der fehlenden Zuständigkeit für beide Unternehmen auch keine wirksame Stellungnahme gemäß § 17 KSchG zur Massenentlassungsanzeige beider Unternehmen habe abgeben können. Insoweit sei der letzte Absatz des § 10 des Interessenausgleichs unbeachtlich. Weiterhin sei die Anhörung des Betriebsrats nicht wirksam erfolgt, weil dem Betriebsrat - unstreitig - als ihr Eintrittsdatum der "28.03.2012" und folglich eine Kündigungsfrist zum 31. August 2012 mitgeteilt worden sei.

62

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

63

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

64

Die Berufung des Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung vom 12. Juli 2012 ist mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

I.

65

Auch wenn die Amtszeit des Betriebsrats wegen einer Betriebsstilllegung endet, bleibt der Betriebsrat gemäß § 21 b BetrVG so lange im Amt, wie das zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht erforderlich ist. Daraus folgt, dass der Betriebsrat vor jedem Kündigungsausspruch nach § 102 Abs. 1 BetrVG auch nach erfolgter Betriebsstilllegung zu hören ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 49, NZA-RR 2008, 367). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, NZA-RR 2010, 583) ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat. Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat den aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhalt mitteilen. Diesen Kündigungssachverhalt muss der Arbeitgeber unter Angabe von Tatsachen so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Entsprechend dem Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG, dem Betriebsrat ein Bild von der beabsichtigten Kündigung zu vermitteln, ist bei einer betriebsbedingten Kündigung im Regelfall die Mitteilung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auch dann unverzichtbar, wenn der Arbeitgeber keine Sozialauswahl vorgenommen hat (BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 36, NZA 2007, 798).

II.

66

Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung vom 12. Juli 2012 wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

67

Der Beklagte hat mit seinem Anhörungsschreiben vom 02. Juli 2012 in der beigefügten "Kündigungsliste" dem Betriebsrat fehlerhaft als Eintrittsdatum der Klägerin den "28. März 2012" mitgeteilt, obwohl ihm unstreitig bekannt war, dass die Klägerin bereits seit dem 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt war. Im Falle einer Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem "28. März 2012" gemäß der fehlerhaften Angabe des Beklagten hätte die Klägerin im Kündigungszeitpunkt keinen Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG und eine kürzere Kündigungsfrist mit einem entsprechend früheren Kündigungstermin (31. August 2012 anstatt richtigerweise 31. Oktober 2012) gehabt. Dem Betriebsrat wurde damit die Betriebszugehörigkeit der Klägerin sowohl objektiv als auch aus Sicht des Beklagten, dem die Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem 12. Juli 2004 unstreitig bekannt war, derart fehlerhaft mitgeteilt, dass hierdurch die Entscheidung bzw. die Vorgehensweise des Betriebsrats hinsichtlich der nach dem Anhörungsschreiben beabsichtigten Kündigung beeinflusst werden konnte (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz 15. November 2006 - 10 Sa 390/06 - Rn. 39, LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 6). Nach dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG soll die Anhörung dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnen, in sachgerechter Weise Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben (§ 102 Abs. 2 S. 1 und 3 BetrVG) und im Falle einer ordentlichen Kündigung Widerspruch (§ 102 Abs. 3 BetrVG) einzulegen (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 17, NZA-RR 2010, 583). Aufgrund der vom Beklagten fehlerhaft mitgeteilten Betriebszugehörigkeit der Klägerin, die sich sowohl auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als auch auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin auswirkt, wurde der Betriebsrat nicht in die Lage versetzt, sich in sachgerechter Weise zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern. Mithin ist die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

69

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 - 17 Sa 512/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit Juli 1976 beschäftigt, zuletzt als Teilezurichter für ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.400,00 Euro.

3

Am 2. August 2010 unterrichtete die Beklagte den für ihren Betrieb gebildeten Betriebsrat darüber, dass das Unternehmen liquidiert und allen verbliebenen 36 Arbeitnehmern gekündigt werden solle. Sie übergab dem Betriebsrat die schriftliche Kündigung ihres einzigen Auftraggebers vom 29. Juli 2010, ein Informationsschreiben vom 2. August 2010 sowie Anhörungsschreiben zu den beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger - vom 3. August 2010. Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen.

4

Mit Schreiben vom 20. August 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2011.

5

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe das erforderliche Konsultationsverfahren nicht eingeleitet. Außerdem sei keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Dies habe die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Im Übrigen verstoße die Kündigung gegen eine Betriebsvereinbarung von März 2010. Nach dieser seien betriebsbedingte Kündigungen bis zum Ablauf der Kurzarbeit ausgeschlossen. Der Kläger hat behauptet, der Betrieb sei nicht stillgelegt, sondern entweder als gemeinsamer Betrieb mit einem Unternehmen in H fortgeführt worden oder sei auf dieses übergegangen. In jedem Fall habe eine Sozialauswahl durchgeführt werden müssen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 20. August 2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, es sei zunächst beabsichtigt gewesen, den Betrieb nach H zu verlagern. Dazu sei es nicht gekommen, weil sie sämtliche Aufträge verloren habe. Sie habe allen Arbeitnehmern gekündigt. Eine Sozialauswahl habe sie nicht durchführen müssen. Die Produktion sei eingestellt, alle Mitarbeiter seien entlassen, das Anlagevermögen sei veräußert worden. Mit einem am 11. August 2010 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Schreiben habe sie die Entlassung von 36 Arbeitnehmern angezeigt. Der Anzeige seien die Widersprüche des Betriebsrats gegen sämtliche beabsichtigten Kündigungen beigefügt gewesen. Die Agentur für Arbeit habe die Anzeige mit dem Vermerk „Anzeige vollständig und somit wirksam erstattet am 12. August 2010“ versehen und mit Schreiben vom 12. August 2010 die Entlassungen innerhalb der genannten Fristen genehmigt. Das notwendige Konsultationsverfahren sei eingehalten. Zudem führten Mängel in diesem Verfahren nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, jedenfalls dann nicht, wenn die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige als ausreichend angesehen habe.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung der Beklagten vom 20. August 2010 zu Recht als unwirksam angesehen.

10

I. Die Kündigung ist gem. § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2, Satz 3 KSchG iVm. § 134 BGB rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien daher nicht beendet. Die Beklagte hat weder das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt, noch gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Beides führt zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB. Ob weitere Unwirksamkeitsgründe vorliegen, bedarf keiner Entscheidung.

11

1. Die Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung nicht das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren durchgeführt.

12

a) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich über die im Gesetz näher bestimmten Umstände zu unterrichten. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen abzumildern.

13

b) Die von der Beklagten beabsichtigten Entlassungen waren nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG anzeigepflichtig. Es sollte allen 36 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen betriebsbedingt gekündigt werden. Unter „Entlassung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen(BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 18, BAGE 117, 281 im Anschluss an EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885).

14

c) Im Streitfall muss nicht entschieden werden, ob der Betriebsrat dem Schreiben der Beklagten vom 2. August 2010 die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 6 KSchG erforderlichen Angaben entnehmen konnte. Die Beklagte hat mit ihm entgegen § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG jedenfalls nicht die Möglichkeiten beraten, die Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, oder ihm zumindest Gelegenheit hierzu gegeben.

15

aa) Der Arbeitgeber, der beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Soweit die ihm gegenüber dem Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG obliegenden Pflichten mit denen aus § 102 Abs. 1 BetrVG und § 111 BetrVG übereinstimmen, kann er sie gleichzeitig erfüllen(BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23). Er muss in diesem Fall hinreichend klarstellen, dass und welchen Pflichten er gleichzeitig nachkommen will (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - aaO; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34 mwN ; APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 20 ). Die Pflicht zur Beratung gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG geht dabei über eine bloße Anhörung deutlich hinaus(APS/Moll aaO Rn. 74). Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung verhandeln, ihm dies zumindest anbieten (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 58).

16

bb) Es bedarf keiner Entscheidung, inwiefern eine gleichzeitige Erfüllung der Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und aus § 102 Abs. 1 BetrVG praktisch durchführbar ist(kritisch APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 20; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26). Im Streitfall war dem Schreiben an den Betriebsrat vom 2. August 2010 nach der nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts schon nicht zu entnehmen, dass die Beklagte mit seiner Übermittlung zugleich ihre Pflichten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllen und dem Betriebsrat Gelegenheit zur Beratung gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG geben wollte. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, mit dem Betriebsrat tatsächlich über die geplante Massenentlassung und deren Folgen beraten zu haben.

17

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus den dem Betriebsrat übergebenen Informationen habe sich nicht ergeben, dass mit den Anhörungen zu den beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG habe verbunden werden sollen. Die gleichzeitige Übergabe sämtlicher Anhörungsbögen habe der Betriebsrat mangels näherer Erläuterung nur als Einleitung des Verfahrens nach § 102 BetrVG und nicht auch des Verfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG verstehen können.

18

(2) Die Revision zeigt diesbezüglich keinen Rechtsfehler auf. Das Schreiben an den Betriebsrat vom 2. August 2010 informiert nach Darstellung der wirtschaftlichen Hintergründe über die Entscheidung des Gesellschafters der Beklagten, das Unternehmen zu liquidieren. Vorsorglich werde die Liste aller Mitarbeiter überreicht, deren Arbeitsverhältnisse zu kündigen seien. Einen Hinweis darauf, der Betriebsrat erhalte Gelegenheit, die geplanten Entlassungen mit der Beklagten zwecks möglicher Vermeidung zu beraten, enthält das Schreiben nicht. Ein solcher Hinweis lässt sich nicht der dortigen Bemerkung entnehmen, die Beklagte werde in den kommenden Tagen die notwendigen Schritte mit dem Betriebsrat abstimmen und hoffe dabei auf eine kooperative Zusammenarbeit und Unterstützung. Dies lässt keine Bereitschaft erkennen, über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung noch zu verhandeln. Nach dem gesamten Inhalt des Schreibens musste der Betriebsrat die Kündigungen vielmehr als bereits beschlossene Sache verstehen, die es nurmehr abzuwickeln gelte.

19

2. Wurde zuvor kein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt, ist eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung - unabhängig von dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anzeige bei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG - wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB rechtsunwirksam. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens ist ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung (KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63; Appel DB 2005, 1002, 1004/1006; Reinhard RdA 2007, 207, 211; Clemenz FS Bauer 2010, 229, 238; Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 24: Wirksamkeitsvoraussetzung „für die Massenentlassung“; aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Dies ergibt eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 17 Abs. 2 KSchG.

20

a) Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Das Verbot muss dabei nicht unmittelbar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden haben. Es kann sich auch aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ergeben. Maßgebend ist insoweit die Reichweite von deren Schutzzweck (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 38; 19. März 2009 - 8 AZR 722/07 - Rn. 25, BAGE 130, 90).

21

b) § 17 Abs. 2 KSchG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB.

22

aa) § 17 KSchG dient der Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL). Diese bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer im Falle von Massenentlassungen (EuGH 17. Dezember 1998 - C-250/97 - [Lauge ua.] Rn. 19, Slg. 1998, I-8737; vgl. auch MERL Erwägungsgründe Nr. 2). Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung dürfen vom Arbeitgeber erst ausgesprochen werden, wenn das nach Art. 2 MERL erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt ist(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskuslitto] Rn. 70, Slg. 2009, I-8163; 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 45, Slg. 2005, I-885; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81). Art. 2 Abs. 2 MERL bestimmt, dass sich die Konsultationen zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, und die Möglichkeit erstrecken müssen, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dem entspricht § 17 Abs. 2 KSchG. Die Vorschrift dient damit ihrerseits - zumindest auch - dem Arbeitnehmerschutz (ebenso APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 12). Sie zielt primär auf Maßnahmen, die die von einer geplanten Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit bewahren sollen. Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu beraten, ob und ggf. wie die Entlassungen vermieden werden können (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, BAGE 138, 301; 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176).

23

bb) Mit Blick auf diesen Gesetzeszweck ist § 17 Abs. 2 KSchG als gesetzliches Verbot zu verstehen, Kündigungen vor Durchführung des Konsultationsverfahrens auszusprechen.

24

(1) § 17 KSchG regelt nicht ausdrücklich, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat gem. Abs. 2 der Bestimmung hat. Ebenso wenig lässt sich dies aus § 18 KSchG entnehmen.

25

(2) Auch die Richtlinie 98/59/EG bestimmt nicht selbst die Rechtsfolgen eines Unterbleibens des nach Art. 2 MERL vorgesehenen Konsultationsverfahrens. Gemäß Art. 6 MERL müssen die Mitgliedstaaten jedoch Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Sie haben dabei darauf zu achten, dass die Verstöße gegen das Unionsrecht nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht gelten. Die Sanktion muss wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (EuGH 8. Juni 1994 - C-383/92 - Slg. 1994, I-2479). Die den Mitgliedstaaten überlassene Umsetzung dieser Maßgabe darf der Richtlinie nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36, Slg. 2009, I-6653).

26

(3) Praktische Wirksamkeit erlangen die mit Art. 2 MERL und § 17 Abs. 2 KSchG verfolgten Ziele des Arbeitnehmerschutzes allein dadurch, dass die Regelungen in § 17 Abs. 2 KSchG als gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB verstanden werden, eine Kündigung vor Abschluss des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat zu erklären. Nur auf diese Weise wird verhindert, dass der Arbeitgeber durch den Ausspruch von Kündigungen unumkehrbare Fakten schafft, bevor das Konsultationsverfahren durchgeführt ist. Für die Arbeitnehmervertreter wäre es erheblich schwieriger, die „Rücknahme“ einer bereits ausgesprochenen Kündigung zu erreichen als den Verzicht auf eine nur beabsichtigte Entlassung (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 38 und 44, Slg. 2005, I-885). Wann das Konsultationsverfahren als ausreichend durchgeführt und damit abgeschlossen anzusehen ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Insbesondere kann offenbleiben, wie es zu bewerten wäre, wenn sich der Betriebsrat der Beratung verweigert oder sie verzögert.

27

(a) Andere denkbare Sanktionen könnten den Eintritt vollendeter Tatsachen durch den Ausspruch von Kündigungen vor Abschluss des Konsultationsverfahrens nicht effektiv verhindern (aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Dies gilt sowohl für einen möglichen Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG als auch für mögliche Sanktionen nach § 121 Abs. 1 BetrVG oder § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Es bliebe trotz ihrer bei einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Dem von der Richtlinie 98/59/EG intendierten Arbeitnehmerschutz ist auch nicht dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer den Betriebsrat dazu drängen können, sein Beteiligungsrecht durchzusetzen. Ob umgekehrt der Betriebsrat die Möglichkeit haben muss, sein Beteiligungsrecht unabhängig davon einzufordern, ob die betroffenen Arbeitnehmer die Unwirksamkeit ihrer Kündigungen geltend machen (vgl. dazu Wißmann RdA 1998, 221, 226), bedarf in diesem Zusammenhang ebenfalls keiner Entscheidung.

28

(b) Die Unwirksamkeit der Kündigungen bei einer gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG verstoßenden Massenentlassungsanzeige(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 37 ff.) macht eine effektive Sanktion für den Fall, dass das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG vor Ausspruch der Kündigung nicht in ausreichender Weise durchgeführt wurde, nicht entbehrlich(aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Zwar wirken die Unterrichtungs- und Beratungspflichten nach § 17 Abs. 2 KSchG gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG in das Anzeigeverfahren hinein. Massenentlassungsanzeige und nachfolgende Kündigungen sind unwirksam, wenn nicht der Anzeige gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt oder den Erfordernissen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG genügt war(BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 75; im Einzelnen 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37). Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG steht aber selbständig neben dem Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG (ebenso BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 65; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56). Dies entspricht den Vorgaben der Richtlinie 98/59/EG. Auf die Frage, ob die Richtlinie einen bestimmten zeitlichen Ablauf von Beteiligung des Betriebsrats und Anzeigeerstattung verlangt, kommt es insofern nicht an (zu einer daraus resultierenden Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 23 ff., BVerfGK 17, 108). Der Arbeitgeber darf Massenentlassungen jedenfalls erst nach dem Ende des Konsultationsverfahrens und der Erstattung der Anzeige vornehmen (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 54, Slg. 2005, I-885). Auch wenn beide Verfahren dem Arbeitnehmerschutz dienen, tun sie dies auf unterschiedliche Weise. Die Konsultation des Betriebsrats zielt in erster Linie auf Maßnahmen, aufgrund derer die geplanten Entlassungen vermieden werden können. Durch die korrekte Erfüllung der Anzeigepflicht soll die Agentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, die Folgen der Entlassungen für die Betroffenen möglichst zu mildern.

29

Es erscheint zudem nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG wirksam erstatten kann, ohne zuvor oder zumindest vor Ausspruch der Kündigung das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt zu haben. So kann die Darlegung des Stands der Beratungen mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ergeben, dass das Konsultationsverfahren noch nicht abgeschlossen ist(vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b).

30

cc) Hat die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige als ausreichend angesehen, steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten einer Unwirksamkeit der Kündigung nach § 17 Abs. 2 KSchG iVm. § 134 BGB nicht entgegen. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG stellt neben dem Anzeigeerfordernis nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG eine eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar. Wird selbst eine fehlerhafte Anzeige durch einen solchen Bescheid der Agentur nicht geheilt (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 28; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff.), so erstreckt sich der Bescheid schon inhaltlich nicht auf einen korrekten Ablauf des Konsultationsverfahrens.

31

3. Die Beklagte hat überdies keine den Anforderungen gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG genügende Massenentlassungsanzeige erstattet. Ihrer Anzeige war weder eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt, noch waren die Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt. Auch dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB.

32

a) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Ist ein Interessenausgleich mit Namensliste gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vereinbart worden, sieht § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG vor, dass dieser die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt.

33

b) Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam, wenn zwar eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er diesen mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt.

34

c) Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats bzw. das Vorbringen des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige(BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 67; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 52 mwN; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 15. Aufl. § 17 Rn. 97).

35

d) Im Streitfall lag keine wirksame Massenentlassungsanzeige vor. Der nach dem Vorbringen der Beklagten am 11. August 2010 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Massenentlassungsanzeige war keine Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beigefügt. Dessen Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen stellen eine solche Stellungnahme nicht dar. Ein Interessenausgleich mit Namensliste war nicht abgeschlossen. Die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG lagen nicht vor.

36

aa) Die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats muss sich auf das Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erforderlichen Beratung beziehen. Die Stellungnahme soll Auskunft darüber geben, ob und welche Möglichkeiten der Betriebsrat sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihm beraten und ggf. getroffen worden sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).

37

bb) Die im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG vom Betriebsrat erklärten Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Ihnen war zwar möglicherweise zu entnehmen, dass der Betriebsrat für alle betroffenen Arbeitnehmer anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten sah und er die beabsichtigten Kündigungen daher für vermeidbar hielt. Aus den Widerspruchsschreiben ergibt sich aber nicht, dass sie das Ergebnis von Beratungen nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG gewesen wären. Anders als das Konsultationsverfahren erfordern Anhörungen nach § 102 BetrVG keine Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

38

cc) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt gewesen seien. Sie hat vorgetragen, sie habe die Agentur für Arbeit auf die dem Betriebsrat am 2. August 2010 erteilten Informationen hingewiesen. Unbeschadet der Frage, ob sie damit die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG glaubhaft gemacht hat, ist diese jedenfalls nicht mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige erfolgt. Die Beklagte hat die Anzeige nach ihrem eigenen Vorbringen bereits am 11. August 2010 und damit vor Ablauf von zwei Wochen nach Übergabe der Unterlagen an den Betriebsrat erstattet. Es kann dahinstehen, ob es außerdem an einer Darlegung des Stands der Beratungen mit dem Betriebsrat fehlte.

39

e) Die Prüfung, ob vor Ausspruch der Kündigung vom 20. August 2010 eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet wurde, ist der gerichtlichen Kontrolle auch dann nicht entzogen, wenn die Agentur für Arbeit - wie die Beklagte behauptet hat - am 12. August 2010 die Vollständigkeit der Anzeige bestätigt und mit Schreiben vom selben Tag mitgeteilt hat, die Entlassungen könnten wie angezeigt vorgenommen werden.

40

aa) Eine nach § 20 KSchG auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG getroffene Entscheidung der Agentur für Arbeit über eine Abkürzung oder Verlängerung der Sperrfrist steht einer Überprüfung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht entgegen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung bestandskräftig geworden ist. Die Bindungswirkung eines solchen Bescheids umfasst nur seinen eigentlichen Inhalt, dh. die Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 28). Er vermag deshalb mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht zu heilen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff.). Für die frühere abweichende Rechtsprechung (BAG 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe; 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 84, 267; vgl. auch 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 -), die auf der Annahme beruhte, die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG verfolgten einen ausschließlich arbeitsmarktpolitischen Zweck, ist spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885) die Grundlage entfallen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81 f.). Auch für die Gewährung von Vertrauensschutz in einen Fortbestand dieser Rechtsprechung besteht seither keine Veranlassung mehr.

41

bb) Die Beklagte hat sich auf einen Bescheid nach § 20 KSchG iVm. § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG nicht einmal berufen. Sie hat geltend gemacht, die Agentur für Arbeit habe die Vollständigkeit der Anzeige bestätigt und mit Schreiben vom 12. August 2010 die geplanten Entlassungen bei Einhaltung der Sperrfrist genehmigt. Tatsächlich enthält das Schreiben lediglich den Hinweis, die Entlassungen könnten wie angezeigt vorgenommen werden. Bei solchen Erklärungen handelt es sich nicht um Entscheidungen, die einer materiellen Bindungswirkung fähig wären (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 69). Die Agentur für Arbeit erteilt insofern eine bloße Auskunft über ihre Bewertung der Massenentlassungsanzeige und deren gesetzliche Rechtsfolgen, ohne selbst eine Regelung zu treffen.

42

f) Das Fehlen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige hat ebenfalls die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. In der Erklärung der Kündigung ohne wirksame Massenentlassungsanzeige liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37).

43

aa) Auch das Anzeigeerfordernis gem. Art. 3 MERL bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer im Falle von Massenentlassungen(EuGH 17. Dezember 1998 - C-250/97 - [Lauge ua.] Rn. 19, Slg. 1998, I-8737; vgl. auch Nr. 2 der Erwägungsgründe zur MERL). Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 MERL muss die Anzeige „alle zweckdienlichen Angaben über … die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter“ enthalten. „Entlassungen“ im Sinne der MERL sind die Kündigungserklärungen des Arbeitgebers. Dieser darf sie erst nach Erstattung der Anzeige abgeben (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 54, Slg. 2005, I-885).

44

bb) Der Umsetzung dieser Vorgaben der Richtlinie 98/59/EG dient § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Satz 2 ff. KSchG. Durch die Anzeige soll der Agentur für Arbeit die Möglichkeit verschafft werden, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder doch zum Aufschub von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Betroffenen zu sorgen (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, BAGE 138, 301; 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Hierfür ist der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG - auch wenn Art. 3 MERL dies nicht ausdrücklich fordert - die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen oder - ersatzweise - die Rechtzeitigkeit der Konsultationen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG glaubhaft zu machen. Dies dient der Dokumentation der Durchführung und ggf. des Ergebnisses der Konsultationen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 53; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Die Agentur für Arbeit soll dadurch Kenntnis auch von der Sichtweise des Betriebsrats erlangen.

45

cc) Praktische Wirksamkeit erlangen diese mit dem Anzeigeerfordernis verfolgten Ziele erst dadurch, dass die Regelungen in § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG als gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB verstanden werden, eine Kündigung ohne die erforderliche Massenentlassungsanzeige zu erklären(im Einzelnen BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 39 ff.).

46

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

47

III. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Wolf    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Juli 2011 - 17 Sa 177/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin betreffend die Beklagte zu 1. zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 371/10 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. durch die Kündigung vom 24. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden ist.

3. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz hat die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 1. zu 3/5, in zweiter Instanz die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 1. zu 3/4 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. in erster und zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen. Die Beklagte zu 1. trägt ihre außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz selbst.

4. Die Beklagte zu 1. hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über eine ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung.

2

Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft nach griechischem Recht mit Sitz in Athen, ist eine ehemalige Fluggesellschaft, deren Hauptanteilseigner der griechische Staat ist. Sie unterhielt in Deutschland eine Niederlassung in F mit 36 Arbeitnehmern. Daneben waren weitere 33 Arbeitnehmer in den Stationen M, S, B und D tätig. An allen Standorten bestand ein Betriebsrat, zudem war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

3

Zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebs gewährte der griechische Staat der Beklagten zu 1. in der Vergangenheit wiederholt Leistungen, was zur Einleitung mehrerer Verfahren wegen unionsrechtswidriger Beihilfen durch die Europäische Kommission führte. Im Jahr 2008 unterrichtete Griechenland die Europäische Kommission gemäß Art. 88 Abs. 3 EGV(jetzt: Art. 108 Abs. 3 AEUV) über Pläne, bestimmte Vermögenswerte ua. der Beklagten zu 1. an die Pantheon S.A. zu verkaufen und im Anschluss die Beklagte zu 1. zu liquidieren. Im September 2008 entschied daraufhin die Kommission, dass die gemeldete Maßnahme keine staatliche Beihilfe iSv. Art. 87 Abs. 1 EGV(jetzt: Art. 107 Abs. 1 AEUV) darstelle.

4

Im Anschluss verabschiedete der griechische Gesetzgeber mit Wirkung zum 23. Oktober 2008 das Gesetz 3710/2008, mit dessen Artikel 40 in das Gesetz 3429/2005 Artikel 14 A neu hinzugefügt wurde. Art. 14 A lautet in der beglaubigten Übersetzung auszugsweise:

        

„Sonderliquidation öffentlicher Unternehmen

        

1.    

Öffentliche Unternehmen, die vermehrt:

        

a)    

schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Problemen bei der Strukturierung ihres Eigenkapitals gegenüberstehen oder offensichtlich nicht in der Lage sind, die ihnen gesetzten Zahlungsfristen einzuhalten, oder bei denen sich der Wert des Eigenkapitals gemäß der zuletzt veröffentlichten Bilanz in einer Weise gemindert hat, dass der Artikel 48 des kodifizierten Gesetzes k.n. 2190/1920 Anwendung findet, und

        

b)    

in der Vergangenheit bereits staatliche Beihilfen bezogen haben, weshalb die Gewährung weiterer Beihilfen einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts bedeuten würde, können sich in Abweichung von den Bestimmungen des Insolvenzgesetzbuches einer Sonderliquidation unterziehen. In diesem Fall wird ein Liquidator bestimmt. Liquidator darf jede natürliche oder juristische Person sein, die von den die Liquidation Beantragenden vorgeschlagen wird; Letztere reichen bei dem gemäß dem nachstehenden Absatz zuständigen Gericht die von der als Liquidator vorgeschlagenen Person abgegebene Erklärung darüber ein, dass sie diesen Vorschlag annimmt.

        

…       

        
        

4.    

Die Sonderliquidation bildet für das Unternehmen keinen Grund, sich aufzulösen, sie impliziert auch weder den Betriebsstillstand noch die Auflösung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art noch stellt sie einen Grund zur Auflösung dieser Verträge dar. In jedem Falle bildet sie jedoch allein für den Liquidator einen Grund, mit dem Unternehmen bestehende Verträge jedweder Art zu kündigen. Der Liquidator führt die Geschäfte des Unternehmens, er verwaltet und vertritt es. Der Liquidator darf den sofortigen Betriebsstillstand oder die allmähliche Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs des Unternehmens sowie das Weiterbestehen oder die Beendung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art beschließen: Insbesondere die mit dem Personal, das mit dem Unternehmen aufgrund eines abhängigen oder unabhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder durch die Erbringung von Leistungen der Rechtsberatung oder der juristischen Vertretung verbunden ist, bestehenden Arbeits-, Honorar- oder Werkverträge können nach der Bekanntgabe des entsprechenden Beschlusses des Efeteio [Berufungsgerichtes] und nach der von dem Liquidator erfolgenden Einschätzung sowie nach im Interesse der Liquidation liegenden Beschlüssen des Liquidators und je nach Notwendigkeit allesamt oder teilweise durch Auflösung gekündigt oder vorläufig außer Kraft gesetzt werden, ohne dass sich hieraus Strafzahlungen für das Unternehmen ergeben. ...

        

...     

        
        

20.     

Für die Dauer von achtzehn Monaten ab der Veröffentlichung des durch das Efeteio [Berufungsgericht] erlassenen Beschlusses über die Sonderliquidation des Unternehmens werden alle gegen das Unternehmen ergriffenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sowie Sicherungsmaßnahmen vorläufig außer Kraft gesetzt.“

5

Im Zuge der Umsetzung des der Europäischen Kommission vorgestellten Privatisierungsverfahrens stellte die Beklagte zu 1. Ende September 2009 den Flugbetrieb weltweit ein. Anschließend nahm die P S.A. den Flugbetrieb in Griechenland auf, ohne Ziele von und nach Deutschland anzusteuern, und firmierte Anfang Oktober 2009 zur Beklagten zu 2. um.

6

Auf Antrag der Griechischen Republik vom 24. September 2009 unterstellte das Berufungsgericht Athen (Efeteio) mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 die Beklagte zu 1. der Sonderliquidation nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 und setzte die E S.A., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, als Liquidatorin ein. Bereits am 27. Mai 2009 war in der Zeitung der Regierung der Griechischen Republik (Band Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Bl. Nr. 3847) ein Protokoll des Verwaltungsrats der E S.A. veröffentlicht worden. Danach hatte dieser entschieden, dem Direktor T und dem geschäftsführenden Ratsmitglied Ma, mit der Möglichkeit, dass jeder getrennt handelt, die volle Verwaltungs- und Vertretungsmacht der Gesellschaft zu übertragen, für alle Fragen außer denjenigen, welche, nach dem Gesetz, eine kollektive Handlung des Verwaltungsrats erfordern. Im Rahmen ihrer Handlungsmacht sollten diese Mitglieder des Verwaltungsrats das Recht haben, unter Gewährung von diesbezüglichen notariellen Vollmachten oder Vollmachtsurkunden die Ausführung konkreter Aufträge zur Vertretung der Gesellschaft vor Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden oder gegenüber Dritten an Angestellte der Gesellschaft oder andere zu übertragen.

7

Von August bis Dezember 2009 fanden in Deutschland zwischen der Beklagten zu 1. und dem Gesamtbetriebsrat Interessenausgleichsverhandlungen vor der Einigungsstelle statt. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheiterten, der Sozialplan vom 4. Dezember 2009 erging als Spruch der Einigungsstelle.

8

Die Klägerin war seit dem 1. Dezember 1983 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt als Leadofficer. Die maßgeblichen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Beschäftigungsbestimmungen. Gemäß Ziff. 20 dieser Bestimmungen galten sie für die im Anhang 1 aufgeführten Personengruppen, die örtlich in Deutschland durch die Beklagte zu 1. angestellt wurden. Dazu gehörte auch der Leadofficer.

9

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 leitete Rechtsanwalt G, der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1., die Anhörung des Betriebsrats der Niederlassung F zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ein. In diesem Schreiben ist ua. ausgeführt:

        

„Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 BetrVG

        

Mitteilung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG

        

Kündigung des Arbeitsverhältnisses

        

Sehr geehrter Herr …,

        

...     

        

Ich nehme Bezug insbesondere auf die im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens geführten Gespräche und das Ihnen sicherlich zugeleitete Sitzungsprotokoll nebst Sozialplan vom 04.12.09. Wie daraus ersichtlich ist, sind die Interessenausgleichsgespräche leider gescheitert; ein Sozialplan ist im Wege des Spruchs zustande gekommen.

        

Zu den Hintergründen vorliegender Anhörung teile ich mit, dass nachdem der Flugbetrieb des Unternehmens Ende September 2009 eingestellt wurde, die vollständige Betriebsstilllegung in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen und nunmehr in die Wege geleitet ist. Ich überreiche in Anlage das Schreiben meiner Partei vom 01.12.09 nebst amtlicher Übersetzung. Dieses Schreiben wurde dem Gesamtbetriebsrat am 04.12.09 bereits übergeben.

        

Wie daraus ersichtlich ist, wurde das Unternehmen mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 02.10.09 unter Sonderliquidation im Sinne von Art. 1 der EU- Verordnung-Nr.: 1346/2000 nebst Anhängen I und II gestellt, somit dieses Verfahren einem Insolvenzverfahren gleichzustellen ist.

        

Folglich gilt es, sämtliche derzeit in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden 69 Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten, gem. § 113 InsO, zu kündigen. Die Bundesagentur für Arbeit wurde über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt.

        

Vorliegend ist mitzuteilen, dass beabsichtigt ist folgendes Arbeitsverhältnis mit der o.g. 3-monatigen Kündigungsfrist zum 31.03.2010 zu kündigen:

        

...“   

10

Am 17. Dezember 2009 erstattete die Beklagte zu 1. bei der Agentur für Arbeit F eine Massenentlassungsanzeige zur Beendigung aller 36 Arbeitsverhältnisse. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige „vom 15.12.09 der O S.A.“ und teilte mit:

        

„Ihre Anzeige gemäß § 17 KSchG ist am 17.12.09 (wirksam) eingegangen.

        

Auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 ist die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis, das als Entlassung gilt.

        

Entlassungen (Kündigungen), die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden (§ 18 Abs. 1 KSchG).

        

Im Einzelfall kann die Agentur für Arbeit bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG).

        

Im vorliegenden Fall beginnt die einmonatige Sperrfrist am 18.12.09 und endet am 17.01.10.

        

Die 36 Kündigungen werden nach dieser Frist wirksam.

        

Gründe, die eine Sperrfristverlängerung auf bis zu zwei Monate rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

        

...     

                 
        

Der Vorsitzende des Betriebsrates erhält eine Durchschrift dieses Schreibens.

        

…“    

11

Mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2009 teilte die Agentur für Arbeit darüber hinaus mit:

        

„…    

        

der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.01.2005 beschlossen, dass bereits die Kündigungserklärung (Ausspruch der Kündigung) des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung im Sinne des § 17 Kündigungsschutzgesetz gilt. Deshalb muss eine rechtswirksame Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit vor Ausspruch der Kündigungen vorliegen.

        

Ihre Anzeige ist am 17.12.09 rechtswirksam eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ihrerseits Kündigungen ausgesprochen werden.

        

Die Sperrzeit vom 18.12.09 bis 17.01.10 regelt, dass kein Arbeitsverhältnis vor dem 18.01.10 enden darf. Ihrer Anzeige kann ich ersehen, dass die ersten Beendigungen ab 31.03.10 vorgesehen sind. Da die Sperrzeit aber bereits am 17.01.10 endet, muss eine Verkürzung dieser nicht erfolgen. Ich sehe ihren Antrag hiermit als gegenstandslos an.“

12

Wegen fehlender Originalvollmacht rügte der Betriebsrat mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 die eingeleitete Betriebsratsanhörung nach § 174 BGB und teilte mit, er habe die beabsichtigte Kündigung nur hilfsweise behandelt und widerspreche der Kündigung.

13

Mit Schreiben vom 24. Dezember 2009 kündigte Rechtsanwalt G „namens und in Vollmacht des Sonderliquidators“ das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2010. Im Betreff dieses Schreibens ist angegeben:

        

„O S.A. ./. …

        

hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“.

14

Dem Kündigungsschreiben war eine von Herrn Ma für die E S.A. unterzeichnete, auf Rechtsanwalt G lautende Originalvollmacht beigefügt. Ebenso kündigte Rechtsanwalt G die Arbeitsverhältnisse aller anderen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in Deutschland.

15

Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Bis zur Berufungsinstanz hat sie darüber hinaus den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2. geltend gemacht. In der Klageschrift ist als Beklagte zu 1. die „Firma O S.A. unter Sonderliquidation des Artikel 14 A des Gesetzes 3429/2005 der Hellenischen Republik Griechenland, vertreten und verwaltet von der Liquidatorin der E A.E., diese vertreten durch die Geschäftsführung, Zweigniederlassung Deutschland“ angegeben. Der Klageschrift war ua. eine Ablichtung des Kündigungsschreibens beigefügt.

16

Soweit für die Revision von Bedeutung, hat die Klägerin bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Unterrichtung und Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassungsanzeige fehle. Dem Betriebsrat sei dadurch die Möglichkeit genommen worden, der Agentur für Arbeit den Ausgang des Einigungsstellenverfahrens mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass er den Spruch der Einigungsstelle anfechten werde.

17

Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Interesse - unter Klarstellung, dass mit diesem Antrag kein allgemeiner Feststellungsantrag verbunden sein soll, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der O S.A. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 24. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31. März 2010 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

18

Die Beklagte zu 1. hat ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 17 KSchG allein damit begründet, die Agentur für Arbeit habe bestandskräftig die Wirksamkeit der Anzeige festgestellt und die Zustimmung zu den angezeigten Kündigungen erteilt. Dieser rechtskräftige Verwaltungsakt binde die Arbeitsgerichte.

19

Das Arbeitsgericht hat nach Erörterung das Passivrubrum bezüglich der Beklagten zu 1. auf die E S.A., vertreten durch den Vorstand, als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A., geändert und hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat ua. angenommen, die Kündigung sei nicht gemäß § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zwar bestünden Bedenken, ob den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG und des § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG genügt sei. Etwaige Fehler seien jedoch durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit geheilt. Mit der gegenüber der Beklagten zu 1. zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel in Bezug auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision ist begründet. Die Beklagte zu 1. hat den ihr nach § 17 KSchG obliegenden Pflichten in mehrfacher Weise nicht genügt. Sie hat kein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem dafür zuständigen Gesamtbetriebsrat durchgeführt. Zudem war der Massenentlassungsanzeige entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats beigefügt. Die Beklagte zu 1. hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vorgelegen haben, so dass die Beifügung der Stellungnahme entbehrlich gewesen wäre. Die Massenentlassungsanzeige war deshalb unwirksam. Diese Unwirksamkeit ist, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, durch die Schreiben der Agentur für Arbeit vom 18. Dezember 2009 nicht geheilt worden. Die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 24. Dezember 2009 ist deshalb unwirksam.

21

A. Die deutschen Gerichte sind auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29, ZIP 2011, 2377) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1. ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat (vgl. EuGH 1. März 2005 - C-281/02 - [Owusu] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Das vorliegende Kündigungsschutzverfahren ist kein Annexverfahren iSd. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), bei dem aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO die internationale Zuständigkeit den Gerichten des Staats der Verfahrenseröffnung, hier also den griechischen Gerichten, zugeordnet wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das über das Vermögen der Beklagten zu 1. mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 2. Oktober 2009 eröffnete Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 idF des Art. 40 des Gesetzes 3710/2008(künftig: Sonderliquidationsverfahren) ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO darstellt. Kündigungsschutzklagen gegen eine wie hier nach deutschem Recht erklärte Kündigung fehlt der spezifische Insolvenzbezug, um den für die Annahme eines Annexverfahrens erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn die kurze Kündigungsfrist des § 113 InsO maßgeblich sein soll. Solche Klagen haben ihren Rechtsgrund nicht im Insolvenzrecht, sondern im Arbeitsrecht. Für solche Verfahren bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deshalb nach der EuGVVO und nicht nach der EuInsVO (ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 16 ff., ZIP 2012, 2312). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich, wenn nicht gemäß Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts, so jedenfalls aufgrund der rügelosen Einlassung der Beklagten zu 1. aus Art. 24 EuGVVO.

22

B. Die Beklagte zu 1. als Schuldnerin ist, vertreten durch die E S.A. als Sonderliquidatorin, passivlegitimiert. Die Auswirkungen der Bestellung der E S.A. zur Liquidatorin über das Vermögen der Beklagten zu 1. als Schuldnerin sowie ihre Befugnisse und ihre Rechtsstellung als Liquidatorin beurteilen sich unabhängig davon, ob das Sonderliquidationsverfahren ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO darstellt, nach griechischem Recht. Einer Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung dieser Frage bedarf es darum nicht.

23

I. Gemäß Art. 14 A Ziff. 4 Satz 1 des Gesetzes 3429/2005 hat die Sonderliquidation nicht die Auflösung des Schuldnerunternehmens zur Folge. Der Liquidator wird nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens. Vielmehr werden gemäß Art. 14 A Ziff. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 die Geschäfte dieses Unternehmens von dem Liquidator, der das Unternehmen vertritt, lediglich geführt. Anders als im deutschen Recht verbleibt damit die Arbeitgeberstellung bei dem Schuldnerunternehmen.

24

II. Diese nach dem griechischen Recht vorliegende Rechtsstellung von Schuldnerunternehmen und Liquidator ist vorliegend maßgeblich.

25

1. Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und Art. 17 EuInsVO anzuerkennen sein, weil für Griechenland das Sonderliquidationsverfahren im Anhang A zur EuInsVO und der Sonderliquidator im Anhang C aufgeführt sind(in diesem Sinne wohl Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877), wäre gemäß Art. 4 EuInsVO iVm. Art. 18 Abs. 1 EuInsVO für die Befugnisse der Beklagten zu 1. als Schuldnerin und der E S.A. als Liquidatorin griechisches Recht maßgeblich (lex fori concursus).

26

2. Wäre das Sonderliquidationsverfahren vom closed-list-system der EuInsVO nicht erfasst und damit der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eröffnet, bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin gemäß § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht.

27

a) In diesem Fall käme eine Anerkennung dieses Verfahrens nach dem in den §§ 335 ff. InsO normierten deutschen autonomen Internationalen Insolvenzrecht in Betracht (vgl. BGH 3. Februar 2011 - V ZB 54/10 - Rn. 11, BGHZ 188, 177; Stephan in HK-InsO 6. Aufl. Vor §§ 335 ff. Rn. 18 ff.; HambKomm/Undritz 4. Aufl. Vorbemerkungen zu §§ 335 ff. InsO Rn. 15; Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877; ders. WM 2011, 1201, 1202). Die EuInsVO verdrängt das autonome nationale Recht außerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht. Wird ein nationales Insolvenzverfahren von den Anhängen der EuInsVO nicht erfasst, verbleibt ein Spielraum, den das nationale Internationale Insolvenzrecht nutzen kann (Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877). Dies nimmt den Definitionen der EuInsVO als speziellerer Regelung des europäischen Internationalen Insolvenzrechts und deren Anhängen nicht die praktische Wirksamkeit (aA Cranshaw DZWIR 2012, 133, 134). Für die von ihren Anhängen nicht erfassten Verfahren reklamiert die EuInsVO keine Geltung und entfaltet daher keine Regelungssperre für das nationale autonome Internationale Insolvenzrecht. Insoweit gilt nichts anderes als für die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO(vgl. dazu MünchKommBGB/Kindler 5. Aufl. Vor §§ 335 ff. InsO Rn. 3).

28

b) Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, so bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin gemäß § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht als dem lex fori concursus(vgl. LSZ/Smid Internationales Insolvenzrecht 2. Aufl. InsO § 335 Rn. 8; MünchKommInsO/Reinhart 2. Aufl. § 335 Rn. 65).

29

c) Sollte das Sonderliquidationsverfahren dagegen nicht als Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO zu qualifizieren sein, so dass eine Anerkennung nach § 343 InsO ausschiede, wäre die gesellschaftsrechtliche Frage, wie die Beklagte zu 1. als Schuldnerin (organschaftlich) vertreten ist, gleichwohl nach griechischem Recht zu beantworten. Das Gesellschaftsstatut richtet sich nach dem Gründungsstatut und damit für die in Griechenland gegründete Beklagte zu 1. nach griechischem Recht. Nach allgemeiner Auffassung, die sich auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Sachen Centros (9. März 1999 - C-212/97 - Slg. 1999, I-1459), Überseering (5. November 2002 - C-208/00 - Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (30. September 2003 - C-167/01 - Slg. 2003, I-10155) stützt, richtet sich das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind, nicht nach ihrem Verwaltungssitz, sondern nach ihrem Gründungsort, weil nur so die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit gewährt werden kann (vgl. BGH 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10 - Rn. 22, BGHZ 190, 364).

30

C. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten zu 1. bestimmt sich nach deutschem Arbeitsrecht. Auch insoweit kann dahinstehen, ob das Sonderliquidationsverfahren der EuInsVO unterfällt, so dass auch zur Klärung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich ist.

31

I. Ist der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet, ist gemäß Art. 10 EuInsVO für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist(lex causae). Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, wäre gemäß § 337 InsO ebenfalls das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich. Die Bestimmung des § 337 InsO ist Art. 10 EuInsVO nachgebildet(vgl. BT-Drucks. 15/16 S. 18). Das Recht des Staats, dem das Arbeitsverhältnis unterliegt, soll auch die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diese Rechtsbeziehung bestimmen (Braun/Tashiro InsO 5. Aufl. § 337 Rn. 3). Läge überhaupt kein anzuerkennendes Insolvenzverfahren vor, wäre nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zu bestimmen, welches Recht Anwendung fände.

32

II. In allen drei denkbaren Konstellationen ist nach den vorliegend noch maßgeblichen Art. 27, 30 und 34 EGBGB zu ermitteln, welches Recht Anwendung findet. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass nach diesen Kollisionsregeln des Internationalen Privatrechts für das Arbeitsverhältnis der Parteien deutsches Arbeitsrecht maßgeblich ist. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich, und die Feststellung wird auch von keiner Partei angegriffen.

33

D. Die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG ist gewahrt. Die Klägerin hat Klage gegen die O S.A. unter Sonderliquidation und damit gegen die Beklagte zu 1. erhoben. Wie unter Rn. 23 ausgeführt, ist unter Beachtung des maßgeblichen griechischen Rechts die Arbeitgeberstellung bei der Beklagten zu 1. verblieben, die durch die E S.A. als Sonderliquidatorin vertreten wird. Die Kündigungsschutzklage war deshalb gegen die Beklagte zu 1. zu richten. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Berichtigung der Parteibezeichnung war unzutreffend. Der Senat hat die infolge der fehlerhaften Parteiberichtigung unrichtig gewordene Parteibezeichnung abermals „berichtigt“.

34

E. Die Klage ist nicht unschlüssig, weil die Klägerin behauptet, ihr Arbeitsverhältnis sei im Wege eines Betriebsübergangs bereits Ende September 2009, also vor Zugang der Kündigung vom 24. Dezember 2009, auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Sie hat sich das Vorbringen der Beklagten zu 1. und 2. es liege kein Betriebsübergang vor, hilfsweise zu eigen gemacht und ihre Klage auch hierauf gestützt. Damit ist die Klage jedenfalls nach dem Hilfsvorbringen schlüssig (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132).

35

F. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestand das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. begründete Arbeitsverhältnis noch. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte zu 2. übergegangen, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin keinem etwaig übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen ist.

36

G. Die Beklagte zu 1. hat den ihr nach § 17 KSchG obliegenden Pflichten in mehrfacher Weise nicht genügt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Darum kann dahinstehen, ob die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe vorliegen.

37

I. Die am 17. Dezember 2009 angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Alle in der Niederlassung F beschäftigten 36 Arbeitnehmer sollten entlassen werden. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG überschritten. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

38

II. Die Beklagte zu 1. hat das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt.

39

1. Entgegen der im Revisionsverfahren von der Beklagten zu 1. vertretenen Auffassung war das Konsultationsverfahren nicht entbehrlich, weil der Betrieb der Beklagten zu 1. stillgelegt worden ist und alle Arbeitnehmer entlassen worden sind. Die Beklagte zu 1. macht geltend, in einer solchen Situation habe die Arbeitnehmervertretung keine Möglichkeit, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die Massenentlassungen zu vermeiden oder auch nur zu beschränken. Die Milderung der Folgen der Massenentlassung erfolge durch den beschlossenen Sozialplan. Mit dieser Argumentation verkürzt die Beklagte zu 1. den Zweck des Konsultationsverfahrens.

40

a) Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 60 mwN, ZIP 2012, 2412). Die Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung müssen sich dabei nicht auf die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen beziehen. Sie können auch die Möglichkeit betreffen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dabei kann es sich insbesondere um Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulungen der entlassenen Arbeitnehmer handeln (EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337).

41

b) Solche Beratungen, die vor allem auf die Zahlung von Abfindungen oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft zielen, sind zwar auch Gegenstand der Sozialplanverhandlungen, insbesondere dann, wenn über einen Transfersozialplan verhandelt wird, der von der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 110 SGB III (bis zum 31. März 2012 § 216a SGB III) gefördert werden soll. Unabhängig davon handelt es sich dabei um unterschiedliche Verfahren, die nicht vollständig deckungsgleich sind. Auch bei einer geplanten Betriebsstilllegung muss deshalb bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen nicht nur das Verfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch das nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt werden. Die verschiedenen Beteiligungsverfahren können lediglich, soweit die Pflichten nach den unterschiedlichen Verfahren übereinstimmen, miteinander verbunden und damit vom Arbeitgeber gleichzeitig erfüllt werden. Eine solche Verbindung verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 ff., ZIP 2012, 2412). Das Konsultationsverfahren ist nur dann entbehrlich, wenn kein Arbeitgeber mehr vorhanden ist, der als Ansprechpartner für Verhandlungen dienen könnte. Ein solcher Fall liegt bei der Stilllegung eines von einer natürlichen Person geführten Betriebs infolge des Tods des Arbeitgebers, der nach dem spanischen Recht die Beendigung der Arbeitsverträge zur Folge hat, vor (EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodgríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621), nicht aber bei einer Betriebsstilllegung wie der von der Beklagten zu 1. beabsichtigten.

42

2. Das Konsultationsverfahren hätte mit dem Gesamtbetriebsrat durchgeführt werden müssen. Für dieses Verfahren war der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig, weil der geplante Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt werden sollte und mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen waren. Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser, wie ausgeführt, ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Sind mehrere Betriebe von einer nach einem einheitlichen Unternehmenskonzept durchgeführten Betriebsänderung betroffen, kann nur durch eine Durchführung des Konsultationsverfahrens auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats den betriebsübergreifenden Zusammenhängen Rechnung getragen werden und eine ggf. betriebsübergreifende Lösung zur Vermeidung oder Einschränkung der geplanten Massenentlassungen bzw. einer sozialen Abmilderung der Folgen einer solchen Entlassung entwickelt werden (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 74c mwN; Hützen ZInsO 2012, 1801, 1803). Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).

43

3. Die Beklagte zu 1. hat nicht dargelegt, dass sie mit dem zuständigen Gremium ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt hat. Sie hat hinsichtlich der Erfüllung ihrer Pflichten aus § 17 KSchG lediglich auf die Heilungswirkung der Bescheide der Agentur für Arbeit verwiesen.

44

III. Die Beklagte zu 1. ist außerdem ihrer Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG, der Massenentlassungsanzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, nicht nachgekommen.

45

1. Dabei kann zugunsten der Beklagten zu 1. unterstellt werden, dass, wie sie in der Revisionsinstanz vorgetragen hat, der Massenentlassungsanzeige das Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 4. Dezember 2009 und der auf dieser Sitzung ergangene Spruch beigefügt waren. Diese Unterlagen genügten den Anforderungen an eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht, weil sich ihnen keine abschließende Meinungsäußerung des Gesamtbetriebsrats zu den angezeigten Kündigungen entnehmen ließ. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG lagen nicht vor.

46

2. Die Stellungnahme ist auch nicht nach § 125 Abs. 2 InsO ersetzt worden, weil kein Interessenausgleich mit Namensliste zustande gekommen ist. Entgegen der von der Beklagten zu 1. im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung ersetzt ein Einigungsstellenverfahren, an dem der zuständige Gesamtbetriebsrat beteiligt worden ist und das zu einem Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan geführt hat, die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme nicht. Die gesetzliche Fiktion des § 125 Abs. 2 InsO gilt nur für den Interessenausgleich mit Namensliste, nicht für den Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle.

47

IV. Sowohl die Missachtung der Pflicht, ein Konsultationsverfahren durchzuführen, als auch der Verstoß gegen die Pflichten aus § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG führen zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.

48

1. Die Massenentlassungsanzeige ist bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte zu 1. kein Konsultationsverfahren mit dem dafür zuständigen Gremium durchgeführt hat.

49

a) Jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall das Konsultationsverfahren überhaupt nicht durchgeführt worden ist, führt die Verletzung der dem Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 KSchG obliegenden Pflichten zu einer Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige(ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 24; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer KSchG 4. Aufl. § 17 Rn. 23; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; Reinhard RdA 2007, 207, 213; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 174; wohl auch Bader/Bram/Dörner/Suckow § 17 Rn. 82; unklar Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918, die annehmen, jedenfalls sei eine Missachtung nicht ohne Bedeutung; differenzierend APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76 ff.).

50

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht das Hauptziel der MERL darin, Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen. Ausgehend von diesen Zielen hat der Gerichtshof den Arbeitnehmern ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation im Vorfeld einer Massenentlassung zugebilligt und zur Wahrung dieses Rechts ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt. Er hat damit der MERL und insbesondere der in deren Art. 2 geregelten Konsultationspflicht auch eine individualschützende Komponente, die zugunsten der Arbeitnehmer als Gemeinschaft ausgestaltet ist, zuerkannt(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 82 mwN aus der Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2012, 1822). Art. 2 MERL ist das Kernstück dieser Richtlinie (Wißmann RdA 1998, 221, 224).

51

bb) Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 KSchG, die Art. 2 MERL in das nationale Recht umsetzt, enthält somit ein eigenständiges, gleichwertig neben den in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Verpflichtungen gegenüber der Agentur für Arbeit stehendes Formerfordernis(Reinhard RdA 2007, 207, 213). Dies schließt die Annahme aus, die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anzeige seien in § 17 Abs. 3 KSchG abschließend aufgezählt(anders noch die insoweit überholte Rechtsprechung des BAG vor der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885, vgl. nur BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 84, 267, sowie APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76 ff., der § 17 Abs. 3 KSchG immer noch als gegenüber § 17 Abs. 2 KSchG unabhängige und selbstständige Wirksamkeitsvoraussetzung ansieht und deshalb annimmt, dass bei Beifügung einer Stellungnahme oder Glaubhaftmachung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Anzeige auch dann wirksam sei, wenn in Wirklichkeit keine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt sei). Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen, die Arbeitnehmervertretung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu unterrichten und sich mit ihr iSd. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu beraten, überhaupt nicht nach, führt vielmehr auch dieser Fehler zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.

52

b) Aus der von der Beklagten zu 1. angezogenen Passage aus dem Urteil des Senats vom 18. Januar 2012 (- 6 AZR 407/10 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 6 Nr. 6 = EzA KSchG § 6 Nr. 4) folgt nichts anderes. Die Ausführungen des Senats beziehen sich ausschließlich auf die fehlende Unterrichtung über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer. Der Senat hat insoweit offengelassen, ob eine solche Verletzung der Konsultationspflicht nachteilige Rechtsfolgen für den Arbeitgeber haben könne. Eine partiell in einem Nebenpunkt unvollständige Information nach § 17 Abs. 2 KSchG ist jedoch mit dem vorliegenden Fall, in dem es an einem Konsultationsverfahren gänzlich fehlt, nicht zu vergleichen.

53

2. Die Massenentlassungsanzeige ist auch deshalb unwirksam, weil ihr entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt waren. Die Beifügung der Stellungnahme bzw. die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sind Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Anzeige(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 52, ZIP 2012, 1822). Soweit die Beklagte zu 1. im Revisionsverfahren geltend macht, die Agentur für Arbeit sei durch den Verstoß gegen § 17 Abs. 3 KSchG nicht in ihrer Prüfung beeinflusst worden, ob und welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sie einleiten könne und wolle, legt sie nicht dar, worauf sie diese Behauptung stützt. Die Stellungnahme soll gegenüber der Agentur für Arbeit ua. belegen, ob und welche Möglichkeiten nach Auffassung der zuständigen Arbeitnehmervertretung bestehen, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern. Ferner soll eine ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Agentur für Arbeit nicht vorenthalten werden (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, EzA KSchG § 17 Nr. 25). Es bleibt damit Spekulation, ob und welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Agentur für Arbeit bei einer auf ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren folgenden Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats eingeleitet hätte. Jedenfalls darf ihr eine solche Prüfung nicht durch das Unterlassen des Konsultationsverfahrens, das zugleich das Fehlen jeglicher Stellungnahme zur Folge hat, abgeschnitten werden.

54

V. Die Fehler, die der Beklagten zu 1. bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, sind nicht dadurch geheilt worden, dass die Arbeitsverwaltung diese Fehler nicht bemerkt, jedenfalls in den Schreiben vom 18. Dezember 2009 nicht beanstandet hat.

55

1. Unabhängig davon, dass diese Schreiben mangels eines Regelungscharakters schon keine Verwaltungsakte waren (zu den Voraussetzungen eines Verwaltungsakts BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 65 ff., ZIP 2012, 1822), hinderte selbst ein bestandskräftiger Bescheid der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen.

56

a) Ob die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß erstattet ist, ist lediglich Vorfrage für einen Bescheid der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG, gehört nicht zum Regelungsinhalt eines solchen Verwaltungsakts und wird deshalb von dessen Bestandskraft nicht erfasst(ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 25 ff., ZIP 2012, 2412; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff., ZIP 2012, 1822). Die Beteiligungspflichten des Ausschusses nach § 20 Abs. 3 KSchG und seine Verpflichtung gemäß § 20 Abs. 4 KSchG, das Interesse des Arbeitgebers, der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes zu berücksichtigen, ändern daran nichts(aA wohl Ferme DB 2012, 2162, 2165). Diese Pflichten erstrecken sich nur auf die vom Ausschuss zu entscheidenden Fragen, also die Länge der Sperrfrist sowie den Zeitpunkt ihres Ablaufs und die Genehmigung, Entlassungen vor ihrem Ablauf vorzunehmen, nicht aber auf die inhaltliche Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst.

57

b) Darüber hinaus steht auch Art. 6 MERL der Annahme einer Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Arbeitsverwaltung entgegen. Eine solche Auslegung der §§ 17 ff. KSchG führte zur Unterschreitung des von Art. 6 MERL geforderten Schutzniveaus und nähme den Anforderungen des § 17 KSchG ihre praktische Wirksamkeit(ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 29, ZIP 2012, 2412; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 76 ff., ZIP 2012, 1822). Soweit dem entgegengehalten wird, die MERL entfalte keine unmittelbare Drittwirkung (Ferme DB 2012, 2162, 2165 f.), missversteht diese Argumentation Art. 6 MERL. Nach dieser Bestimmung sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der MERL vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die nähere Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren ist Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 50, ZIP 2012, 2412 unter Bezug auf EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff., 38 ff. und 59 ff., Slg. 2009, I-6653). Die nationalen Gerichte sind Teil des Mitgliedstaats und daher gehalten, bei ihrer Auslegung nationalen Rechts, das wie § 17 KSchG Richtlinien der Europäischen Union umsetzt, das Gebot der Effektivität zu beachten(vgl. nur EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 122, Slg. 2006, I-6057). Mit der Frage der mittelbaren oder unmittelbaren Wirkung von Richtlinien hat das nichts zu tun.

58

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1. und von Teilen des Schrifttums (Ferme DB 2012, 2162, 2165 f.) ist der Beklagten zu 1. kein Vertrauensschutz vor den Folgen der Rechtsprechungsänderung zur Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung durch die Entscheidung des Senats vom 28. Juni 2012 (- 6 AZR 780/10 - ZIP 2012, 1822) zu gewähren. Es kann daher dahinstehen, ob die Gewährung von Vertrauensschutz durch die nationalen höchsten Gerichte im Hinblick auf die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung des § 17 KSchG, die neben verwaltungsverfahrensrechtlichen Gesichtspunkten des nationalen Rechts der Annahme einer Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung entgegensteht, überhaupt möglich wäre(vgl. dazu Koch SR 2012, 159, 166 ff.; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1168).

59

a) Die Beklagte zu 1. hat die gesetzlichen Vorgaben in § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG eindeutig missachtet. Darauf, dass die Arbeitsverwaltung selbst eine derart eindeutig gesetzwidrige Handhabung der Vorschriften zur Massenentlassung hinnehmen und ungeachtet ihrer Verpflichtung, im Wege der Amtsermittlung die Vollständigkeit der Anzeige zu ermitteln und bei Zweifeln an der Erfüllung der formellen Voraussetzungen beim Arbeitgeber rückzufragen (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 27, EzA KSchG § 17 Nr. 25), insbesondere das Fehlen der Stellungnahme des Betriebsrats nicht beanstanden würde, konnte die Beklagte zu 1. kein schutzwürdiges Vertrauen stützen.

60

b) Unabhängig davon kommt die Gewährung von Vertrauensschutz hinsichtlich der Auslegung nationalen Rechts durch die nationale höchstrichterliche Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG nicht in Betracht(zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; BAG 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 15 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19). Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 17 KSchG im Allgemeinen und zur Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Arbeitsverwaltung im Besonderen, die auf der Annahme eines rein arbeitsmarktpolitischen Zwecks des Verfahrens der Massenentlassungsanzeige beruhte, ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union seit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885) die Grundlage entzogen. Dies gilt auch für die letzte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2009 (- 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20), wie der Senat bereits ausführlich dargelegt hat (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 82, ZIP 2012, 1822). Die Beklagte zu 1. durfte deshalb im Dezember 2009, also in dem Zeitpunkt, in dem die Massenentlassungsanzeige zu erstatten war, nicht mehr auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen. Auch wurden ihr nicht nachträglich durch eine Rechtsprechungsänderung Handlungspflichten auferlegt, die sie nun nicht mehr hätte erfüllen können. Vielmehr war es ihr ohne Weiteres möglich, den gesetzlichen Anforderungen des § 17 KSchG im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu genügen. Auf diese Anforderungen hätte sie sich deshalb einstellen müssen. Anlass, ihr Vertrauensschutz in den Fortbestand der Rechtsprechung zur Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung zu gewähren, bestand daher nicht.

61

VI. Die fehlende Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG und das Fehlen einer Stellungnahme des Betriebsrats iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG führten nicht nur zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Diese Fehler haben auch die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge (ausführlich BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 -).

62

H. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Koch    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2008 - 8 Sa 476/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Der 1952 geborene Kläger war bei der Schuldnerin seit 1990 als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 3. November 2006 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Durch Beschluss vom 6. November 2006 bestellte das Amtsgericht Erfurt den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter.Die Schuldnerin zeigte mit Zustimmung des Beklagten im Schreiben vom 20. November 2006 gegenüber der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 19 ihrer insgesamt 59 Arbeitnehmer an. Der Kläger war von dieser Massenentlassungsanzeige erfasst. Als vorgesehenen Entlassungszeitpunkt für den Kläger gab sie den 30. April 2007 an. Tatsächlich lief die Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung noch im November 2006 erst am 31. Mai 2007 ab. Die abweichende Angabe gegenüber der Agentur für Arbeit beruhte auf einem Schreibversehen. Die Agentur für Arbeit setzte im Bescheid vom 24. November 2006 vorbehaltlich der Tatsache, dass im Betrieb kein Betriebsrat bestehe, die Sperrfrist auf die Zeit vom 23. November 2006 bis zum 22. Dezember 2006 fest. Die Amtszeit des Betriebsrats der Schuldnerin hatte im Mai 2006 geendet. Eine im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig.

3

Die Schuldnerin kündigte unter dem 23. November 2006 19 Arbeitnehmern. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte sie zum 31. Mai 2007. Das dagegen eingeleitete Kündigungsschutzverfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

4

Die Schuldnerin zeigte - wiederum mit Zustimmung des Beklagten - mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 bei der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung der verbliebenen 40 Arbeitnehmer an. Von dieser Massenentlassungsanzeige war der Kläger unstreitig nicht erfasst. Die Agentur für Arbeit setzte mit Bescheid vom 8. Januar 2007 die Sperrfrist auf die Zeit vom 19. Dezember 2006 bis zum 18. Januar 2007 fest.

5

Am 22. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte am 28. Dezember 2006 36 Arbeitnehmern und nach Zustimmung des Integrationsamtes den vier schwerbehinderten Arbeitnehmern der Schuldnerin im Januar 2007. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte er ordentlich mit Schreiben vom 9. Januar 2007 zum 30. April 2007, nachdem er von der gegen die erste Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers Kenntnis erlangt hatte. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete der Beklagte bezüglich dieser Kündigung, gegen die sich der Kläger mit seiner am 30. Januar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet, nicht. Zwischenzeitlich ist das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch eine weitere Kündigung des Beklagten zum 30. November 2007 beendet worden.

6

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 sei unwirksam, weil es insoweit an der erforderlichen Massenentlassungsanzeige fehle. Dieser Mangel könne auch nicht durch § 18 Abs. 4 KSchG geheilt werden. Dieser Vorschrift komme nach der Änderung der Rechtsprechung zum Entlassungsbegriff keine praktische Bedeutung mehr zu. Jedenfalls sei die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Die Kündigung vom 9. Januar 2007 hätte das Arbeitsverhältnis aber erst nach Ablauf der bis zum 22. März 2007 laufenden Freifrist beenden können. Im Übrigen seien die Massenentlassungsanzeigen der Schuldnerin auch inhaltlich nicht ordnungsgemäß und damit nicht rechtswirksam erfolgt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt


        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht aufgelöst wird.
8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, er habe vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 keine erneute Massenentlassungsanzeige erstatten müssen. Diese Kündigung sei noch von der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 gedeckt. § 18 Abs. 4 KSchG sei auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Entlassungsbegriff nicht bedeutungslos geworden. Diese Vorschrift verlange nur, dass die Kündigung innerhalb der Freifrist erklärt werde. Die Freifrist gelte damit insbesondere für den Fall der Nachkündigung im eröffneten Insolvenzverfahren.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Entscheidung des Beklagten, den Betrieb stillzulegen, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht zum 30. April 2007 aufgelöst worden, weil der Beklagte vor Erklärung dieser Kündigung keine erneute Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG erstattet hat.

11

I.1. Der Beklagte konnte zwar das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 30. April 2007 kündigen, obwohl bereits die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit seiner Zustimmung durch Schreiben vom 23. November 2006 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Mai 2007 gekündigt hatte(vgl. BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331, 333). Bei dieser Nachkündigung war er jedoch uneingeschränkt an die in §§ 17 f. KSchG geregelten Pflichten gebunden (KR/Weigand 9. Aufl. §§ 113, 120 - 124 InsO Rn. 46; vgl. allgemein für die Pflichten aus §§ 17 f. KSchG BSG 5. Dezember 1978 - 7 RAr 32/78 - BB 1979, 1666).

12

2. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Diese Voraussetzungen waren bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 erfüllt.

13

Unter Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL(ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) die Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - BAGE 119, 66). Davon ausgehend war - was auch der Beklagte im Grundsatz nicht in Zweifel zieht - die Kündigung vom 9. Januar 2007 anzeigepflichtig. Die Schuldnerin hatte mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 36 der verbliebenen 40 Arbeitnehmer gekündigt. Die Kündigung des Klägers vom 9. Januar 2007 erfolgte weniger als 30 Tage danach. Der gesetzliche Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war damit auch dann überschritten, wenn kein einheitlicher Stilllegungsbeschluss vorgelegen haben sollte und deshalb die nach der ersten Kündigungswelle verbliebenen 40 Arbeitnehmer zu der den Betrieb kennzeichnenden Belegschaftsstärke geworden wären(vgl. BAG 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu III 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9).

14

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten entband ihn die von der Schuldnerin erstattete Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006, von der der Kläger erfasst war, nicht von der Verpflichtung, vor Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 eine erneute Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Die durch eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG eröffnete Kündigungsmöglichkeit war mit der Erklärung der Kündigung der Schuldnerin vom 23. November 2006 verbraucht. Für jede weitere Kündigung war eine neue Massenentlassungsanzeige erforderlich, sofern wie bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt waren. Aus § 18 Abs. 4 KSchG folgt nichts anderes.

15

1. Zwar entfaltet eine vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters erstattete ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach Insolvenzeröffnung in der Regel für den Insolvenzverwalter weiterhin Wirkung. Dieser ist in die Arbeitgeberstellung der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnisse eingerückt(vgl. zu dieser Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Senat 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 308 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 136; zur Wirkung der vom Betriebsveräußerer erstatteten Massenentlassungsanzeige für den Erwerber im Falle des § 613a BGB KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 72; APS/Moll 3. Aufl. § 17 KSchG Rn. 95 mwN).

16

2. Dies gilt jedoch nur, solange die angezeigte Kündigung noch nicht erklärt worden ist.

17

a) Der Beklagte musste allerdings vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht durchführen. Die im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig. Der Betriebsrat hat damit rechtlich nie existiert(ErfK/Koch 10. Aufl. § 19 BetrVG Rn. 14; Fitting 25. Aufl. § 19 Rn. 6). Der Beklagte blieb jedoch verpflichtet, die Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen Arbeitsverwaltung ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies hat er unterlassen.

18

b) Unter dem Begriff der „Entlassung“ in § 17 KSchG und in § 18 Abs. 1 und 2 KSchG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH(27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) die Erklärung der Kündigung zu verstehen. Eine Kündigung kann darum schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht vor Ablauf der Fristen des § 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 KSchG ausscheiden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 25 ff., AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Ob auch in § 18 Abs. 4 KSchG der Begriff der „Entlassung“ unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass darunter die Kündigungserklärung zu verstehen ist, kann dahinstehen(ebenso offengelassen von BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, aaO). Jedenfalls lässt sich dieser Norm bei unionsrechtskonformer Auslegung entgegen der Auffassung der Revision nicht das Recht entnehmen, ein nach einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige gekündigtes Arbeitsverhältnis innerhalb der Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG ein weiteres Mal zu kündigen, wenn diese zweite Kündigung wie hier im zeitlichen Zusammenhang von 30 Tagen mit einer weiteren Massenentlassung erklärt wird. Anderenfalls liefe der von §§ 17 f. KSchG verfolgte Zweck leer, Massenentlassungen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern (vgl. für Art. 2 der MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 3; zum bei richtlinienkonformer Berücksichtigung der MERL im Vordergrund der §§ 17 f. KSchG stehenden individuellen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer APS/Moll 3. Aufl. Vor §§ 17 ff. KSchG Rn. 12; vgl. auch KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2). Die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber bei Massenentlassungen einzuhalten hat, würden bei einer derartigen Auslegung gegenüber den nach der Richtlinie einzuhaltenden Anforderungen verringert. Eine solche Auslegung verbietet das Gebot der unionsrechtskonformen Anwendung des nationalen Rechts (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 54 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

19

aa) Nach Art. 3 Abs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. § 17 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er die in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KSchG genannte Anzahl der Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Sowohl die Richtlinie als auch das diese umsetzende nationale Recht stellen also darauf ab, ob durch die beabsichtigten Kündigungen die Schwellenwerte überschritten werden, die die Pflichten nach Art. 2 bis 4 der MERL bzw. §§ 17 f. KSchG auslösen. Sie verlangen in jedem Fall, in dem dies der Fall ist, eine eigenständige Anzeige für alle von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer.

20

bb) Diese Verpflichtung entspricht auch dem dargelegten Sinn und Zweck der MERL, Massenentlassungen zu vermeiden oder jedenfalls ihre Zahl zu beschränken bzw. ihre Folgen zu mildern. Dazu ist zum einen den Arbeitnehmern als Gemeinschaft mit Art. 2 der MERL ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt worden(vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Zum anderen soll nach Art. 4 Abs. 2 der MERL die zuständige Behörde, dh. die Agentur für Arbeit, in die Lage versetzt werden, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Dafür steht ihr die Frist des Art. 4 Abs. 1 der MERL, dh. nach dem nationalen Recht die in der Regel 30 Tage betragende Frist des § 18 Abs. 1 KSchG, zur Verfügung(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885). Sollen diese Zwecke erfüllt werden, muss vor jeder Kündigungsentscheidung das in der Richtlinie vorgesehene und durch § 17 KSchG in nationales Recht umgesetzte Konsultationsverfahren durchgeführt werden, sofern ein beteiligungsfähiges Gremium besteht, und die erforderliche Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde erfolgen. Der Agentur für Arbeit muss die Möglichkeit verbleiben, hinsichtlich der konkreten Kündigung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 1 KSchG Lösungen für die durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme zu finden.

21

cc) Die Schuldnerin hat nach Anzeige der im November 2006 beabsichtigten Massenentlassung von ihrer dadurch eröffneten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Entgegen der Auffassung des Beklagten berechtigte ihn § 18 Abs. 4 KSchG nicht dazu, innerhalb der Freifrist eine weitere, an sich massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigung ohne Erstattung einer solchen Anzeige zu erklären. Der Beklagte berücksichtigt bei seiner Argumentation nicht, dass, wie er selbst in der Revisionsbegründung formuliert, „die“ Kündigung innerhalb von 90 Tagen nach der erfolgten Massenentlassungsanzeige erklärt sein muss. Er weist selbst darauf hin, dass es keiner weiteren Aktivitäten der Arbeitsverwaltung bedarf, wenn der Arbeitgeber innerhalb dieser Frist nicht gekündigt hat und nach ihrem Ablauf keine weitere Massenentlassung vornimmt. Er blendet dabei aus, dass die Besonderheit des vorliegenden Falls darin besteht, dass nach der ersten Massenentlassungsanzeige die Kündigung erklärt worden ist und der Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit einer weiteren Massenentlassung dem Kläger unter Verkürzung der Kündigungsfrist ein weiteres Mal gekündigt hat. § 18 Abs. 4 KSchG verhindert Vorratsmeldungen bzw. -kündigungen (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Diese Vorschrift berechtigt den Arbeitgeber zu einer Kündigung ohne erneute Erstattung einer Massenentlassungsanzeige möglicherweise dann, wenn er zunächst von der Kündigung eines von einer Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmers - etwa wegen der fehlenden Zustimmung einer Behörde - Abstand genommen hat, das Formerfordernis nachgeholt hat und nunmehr innerhalb der Freifrist kündigt. Sie berechtigt ihn aber nicht dazu, bereits erklärte, massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigungen in der Freifrist zu wiederholen.

22

dd) Daraus, dass die Schuldnerin aufgrund der Verwendung eines veralteten Formulars in der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 sowie in der Liste der zu entlassenden Arbeitnehmer den Termin der Beendigung der Arbeitsverhältnisse angegeben hat und dabei für den Kläger infolge eines, wie der Beklagte selbst vorträgt, „offensichtlichen Schreibversehens“ nicht den 31. Mai 2007, sondern den 30. April 2007, zu dem die Kündigung vom 9. Januar 2007 dann tatsächlich erklärt wurde, folgt nichts anderes. Ohne eine erneute Massenentlassungsanzeige konnte hinsichtlich der Nachkündigung ungeachtet der versehentlich richtigen Angabe des beabsichtigten Entlassungsdatums den mit §§ 17 f. KSchG verfolgten Zwecken nicht genügt werden. Die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG hatte hinsichtlich der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 am 23. November 2006 begonnen und am 22. Dezember 2006 geendet. Diese Frist, die der Agentur für Arbeit für die „Lösung der durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme“(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) zur Verfügung stehen sollte, war im Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 bereits verstrichen.

23

III. Es kann wie in der bisherigen Rechtsprechung(BAG 29. November 2007 - 2 AZR 763/06 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 79; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, BAGE 119, 66; BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32, BAGE 117, 281) offenbleiben, ob Kündigungen, die der Arbeitgeber erklärt, ohne zuvor die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß vorzunehmen, stets unwirksam sind(in diesem Sinne KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 101 ff.; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). In der Regel führt die Unterlassung der Massenentlassungsanzeige vor der Kündigung dazu, dass diese das Arbeitsverhältnis nicht auflösen kann und deshalb der Kündigungsschutzklage stattzugeben ist. Für eine besondere Sachverhaltsgestaltung, in der die Kündigung möglicherweise doch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, zB wenn andere Kündigungen einvernehmlich „zurückgenommen” werden, so dass der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG wieder unterschritten wird, oder wenn die Agentur für Arbeit auf eine nachträgliche Anzeige hin der Entlassung zustimmt(vgl. hierzu APS/Moll 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 50 mwN zum Streitstand; gegen jede Heilungsmöglichkeit KR/Weigand § 17 KSchG Rn. 104), besteht kein Anhaltspunkt. Deshalb konnte die Kündigung vom 9. Januar 2007 mangels der erforderlichen Massenentlassungsanzeige das Arbeitsverhältnis nicht auflösen, so dass der Kündigungsschutzklage stattzugeben war (Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, aaO).

24

IV. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten der Revisionsinstanz aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat zwar der Kündigungsschutzklage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts stattgegeben. Es hat dem Beklagten aber lediglich die Kosten der Berufung auferlegt. Über die Prozesskosten war gem. § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu entscheiden(BGH 24. November 1980 - VIII ZR 208/79 - WM 1981, 46). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.


        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    
                 

(1) Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können; seine Zuständigkeit erstreckt sich insoweit auch auf Betriebe ohne Betriebsrat. Er ist den einzelnen Betriebsräten nicht übergeordnet.

(2) Der Betriebsrat kann mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Der Betriebsrat kann sich dabei die Entscheidungsbefugnis vorbehalten. § 27 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2008 - 8 Sa 476/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Der 1952 geborene Kläger war bei der Schuldnerin seit 1990 als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 3. November 2006 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Durch Beschluss vom 6. November 2006 bestellte das Amtsgericht Erfurt den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter.Die Schuldnerin zeigte mit Zustimmung des Beklagten im Schreiben vom 20. November 2006 gegenüber der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 19 ihrer insgesamt 59 Arbeitnehmer an. Der Kläger war von dieser Massenentlassungsanzeige erfasst. Als vorgesehenen Entlassungszeitpunkt für den Kläger gab sie den 30. April 2007 an. Tatsächlich lief die Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung noch im November 2006 erst am 31. Mai 2007 ab. Die abweichende Angabe gegenüber der Agentur für Arbeit beruhte auf einem Schreibversehen. Die Agentur für Arbeit setzte im Bescheid vom 24. November 2006 vorbehaltlich der Tatsache, dass im Betrieb kein Betriebsrat bestehe, die Sperrfrist auf die Zeit vom 23. November 2006 bis zum 22. Dezember 2006 fest. Die Amtszeit des Betriebsrats der Schuldnerin hatte im Mai 2006 geendet. Eine im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig.

3

Die Schuldnerin kündigte unter dem 23. November 2006 19 Arbeitnehmern. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte sie zum 31. Mai 2007. Das dagegen eingeleitete Kündigungsschutzverfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

4

Die Schuldnerin zeigte - wiederum mit Zustimmung des Beklagten - mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 bei der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung der verbliebenen 40 Arbeitnehmer an. Von dieser Massenentlassungsanzeige war der Kläger unstreitig nicht erfasst. Die Agentur für Arbeit setzte mit Bescheid vom 8. Januar 2007 die Sperrfrist auf die Zeit vom 19. Dezember 2006 bis zum 18. Januar 2007 fest.

5

Am 22. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte am 28. Dezember 2006 36 Arbeitnehmern und nach Zustimmung des Integrationsamtes den vier schwerbehinderten Arbeitnehmern der Schuldnerin im Januar 2007. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte er ordentlich mit Schreiben vom 9. Januar 2007 zum 30. April 2007, nachdem er von der gegen die erste Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers Kenntnis erlangt hatte. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete der Beklagte bezüglich dieser Kündigung, gegen die sich der Kläger mit seiner am 30. Januar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet, nicht. Zwischenzeitlich ist das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch eine weitere Kündigung des Beklagten zum 30. November 2007 beendet worden.

6

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 sei unwirksam, weil es insoweit an der erforderlichen Massenentlassungsanzeige fehle. Dieser Mangel könne auch nicht durch § 18 Abs. 4 KSchG geheilt werden. Dieser Vorschrift komme nach der Änderung der Rechtsprechung zum Entlassungsbegriff keine praktische Bedeutung mehr zu. Jedenfalls sei die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Die Kündigung vom 9. Januar 2007 hätte das Arbeitsverhältnis aber erst nach Ablauf der bis zum 22. März 2007 laufenden Freifrist beenden können. Im Übrigen seien die Massenentlassungsanzeigen der Schuldnerin auch inhaltlich nicht ordnungsgemäß und damit nicht rechtswirksam erfolgt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt


        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht aufgelöst wird.
8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, er habe vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 keine erneute Massenentlassungsanzeige erstatten müssen. Diese Kündigung sei noch von der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 gedeckt. § 18 Abs. 4 KSchG sei auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Entlassungsbegriff nicht bedeutungslos geworden. Diese Vorschrift verlange nur, dass die Kündigung innerhalb der Freifrist erklärt werde. Die Freifrist gelte damit insbesondere für den Fall der Nachkündigung im eröffneten Insolvenzverfahren.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Entscheidung des Beklagten, den Betrieb stillzulegen, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht zum 30. April 2007 aufgelöst worden, weil der Beklagte vor Erklärung dieser Kündigung keine erneute Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG erstattet hat.

11

I.1. Der Beklagte konnte zwar das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 30. April 2007 kündigen, obwohl bereits die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit seiner Zustimmung durch Schreiben vom 23. November 2006 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Mai 2007 gekündigt hatte(vgl. BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331, 333). Bei dieser Nachkündigung war er jedoch uneingeschränkt an die in §§ 17 f. KSchG geregelten Pflichten gebunden (KR/Weigand 9. Aufl. §§ 113, 120 - 124 InsO Rn. 46; vgl. allgemein für die Pflichten aus §§ 17 f. KSchG BSG 5. Dezember 1978 - 7 RAr 32/78 - BB 1979, 1666).

12

2. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Diese Voraussetzungen waren bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 erfüllt.

13

Unter Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL(ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) die Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - BAGE 119, 66). Davon ausgehend war - was auch der Beklagte im Grundsatz nicht in Zweifel zieht - die Kündigung vom 9. Januar 2007 anzeigepflichtig. Die Schuldnerin hatte mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 36 der verbliebenen 40 Arbeitnehmer gekündigt. Die Kündigung des Klägers vom 9. Januar 2007 erfolgte weniger als 30 Tage danach. Der gesetzliche Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war damit auch dann überschritten, wenn kein einheitlicher Stilllegungsbeschluss vorgelegen haben sollte und deshalb die nach der ersten Kündigungswelle verbliebenen 40 Arbeitnehmer zu der den Betrieb kennzeichnenden Belegschaftsstärke geworden wären(vgl. BAG 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu III 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9).

14

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten entband ihn die von der Schuldnerin erstattete Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006, von der der Kläger erfasst war, nicht von der Verpflichtung, vor Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 eine erneute Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Die durch eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG eröffnete Kündigungsmöglichkeit war mit der Erklärung der Kündigung der Schuldnerin vom 23. November 2006 verbraucht. Für jede weitere Kündigung war eine neue Massenentlassungsanzeige erforderlich, sofern wie bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt waren. Aus § 18 Abs. 4 KSchG folgt nichts anderes.

15

1. Zwar entfaltet eine vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters erstattete ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach Insolvenzeröffnung in der Regel für den Insolvenzverwalter weiterhin Wirkung. Dieser ist in die Arbeitgeberstellung der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnisse eingerückt(vgl. zu dieser Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Senat 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 308 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 136; zur Wirkung der vom Betriebsveräußerer erstatteten Massenentlassungsanzeige für den Erwerber im Falle des § 613a BGB KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 72; APS/Moll 3. Aufl. § 17 KSchG Rn. 95 mwN).

16

2. Dies gilt jedoch nur, solange die angezeigte Kündigung noch nicht erklärt worden ist.

17

a) Der Beklagte musste allerdings vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht durchführen. Die im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig. Der Betriebsrat hat damit rechtlich nie existiert(ErfK/Koch 10. Aufl. § 19 BetrVG Rn. 14; Fitting 25. Aufl. § 19 Rn. 6). Der Beklagte blieb jedoch verpflichtet, die Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen Arbeitsverwaltung ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies hat er unterlassen.

18

b) Unter dem Begriff der „Entlassung“ in § 17 KSchG und in § 18 Abs. 1 und 2 KSchG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH(27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) die Erklärung der Kündigung zu verstehen. Eine Kündigung kann darum schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht vor Ablauf der Fristen des § 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 KSchG ausscheiden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 25 ff., AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Ob auch in § 18 Abs. 4 KSchG der Begriff der „Entlassung“ unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass darunter die Kündigungserklärung zu verstehen ist, kann dahinstehen(ebenso offengelassen von BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, aaO). Jedenfalls lässt sich dieser Norm bei unionsrechtskonformer Auslegung entgegen der Auffassung der Revision nicht das Recht entnehmen, ein nach einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige gekündigtes Arbeitsverhältnis innerhalb der Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG ein weiteres Mal zu kündigen, wenn diese zweite Kündigung wie hier im zeitlichen Zusammenhang von 30 Tagen mit einer weiteren Massenentlassung erklärt wird. Anderenfalls liefe der von §§ 17 f. KSchG verfolgte Zweck leer, Massenentlassungen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern (vgl. für Art. 2 der MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 3; zum bei richtlinienkonformer Berücksichtigung der MERL im Vordergrund der §§ 17 f. KSchG stehenden individuellen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer APS/Moll 3. Aufl. Vor §§ 17 ff. KSchG Rn. 12; vgl. auch KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2). Die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber bei Massenentlassungen einzuhalten hat, würden bei einer derartigen Auslegung gegenüber den nach der Richtlinie einzuhaltenden Anforderungen verringert. Eine solche Auslegung verbietet das Gebot der unionsrechtskonformen Anwendung des nationalen Rechts (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 54 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

19

aa) Nach Art. 3 Abs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. § 17 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er die in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KSchG genannte Anzahl der Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Sowohl die Richtlinie als auch das diese umsetzende nationale Recht stellen also darauf ab, ob durch die beabsichtigten Kündigungen die Schwellenwerte überschritten werden, die die Pflichten nach Art. 2 bis 4 der MERL bzw. §§ 17 f. KSchG auslösen. Sie verlangen in jedem Fall, in dem dies der Fall ist, eine eigenständige Anzeige für alle von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer.

20

bb) Diese Verpflichtung entspricht auch dem dargelegten Sinn und Zweck der MERL, Massenentlassungen zu vermeiden oder jedenfalls ihre Zahl zu beschränken bzw. ihre Folgen zu mildern. Dazu ist zum einen den Arbeitnehmern als Gemeinschaft mit Art. 2 der MERL ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt worden(vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Zum anderen soll nach Art. 4 Abs. 2 der MERL die zuständige Behörde, dh. die Agentur für Arbeit, in die Lage versetzt werden, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Dafür steht ihr die Frist des Art. 4 Abs. 1 der MERL, dh. nach dem nationalen Recht die in der Regel 30 Tage betragende Frist des § 18 Abs. 1 KSchG, zur Verfügung(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885). Sollen diese Zwecke erfüllt werden, muss vor jeder Kündigungsentscheidung das in der Richtlinie vorgesehene und durch § 17 KSchG in nationales Recht umgesetzte Konsultationsverfahren durchgeführt werden, sofern ein beteiligungsfähiges Gremium besteht, und die erforderliche Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde erfolgen. Der Agentur für Arbeit muss die Möglichkeit verbleiben, hinsichtlich der konkreten Kündigung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 1 KSchG Lösungen für die durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme zu finden.

21

cc) Die Schuldnerin hat nach Anzeige der im November 2006 beabsichtigten Massenentlassung von ihrer dadurch eröffneten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Entgegen der Auffassung des Beklagten berechtigte ihn § 18 Abs. 4 KSchG nicht dazu, innerhalb der Freifrist eine weitere, an sich massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigung ohne Erstattung einer solchen Anzeige zu erklären. Der Beklagte berücksichtigt bei seiner Argumentation nicht, dass, wie er selbst in der Revisionsbegründung formuliert, „die“ Kündigung innerhalb von 90 Tagen nach der erfolgten Massenentlassungsanzeige erklärt sein muss. Er weist selbst darauf hin, dass es keiner weiteren Aktivitäten der Arbeitsverwaltung bedarf, wenn der Arbeitgeber innerhalb dieser Frist nicht gekündigt hat und nach ihrem Ablauf keine weitere Massenentlassung vornimmt. Er blendet dabei aus, dass die Besonderheit des vorliegenden Falls darin besteht, dass nach der ersten Massenentlassungsanzeige die Kündigung erklärt worden ist und der Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit einer weiteren Massenentlassung dem Kläger unter Verkürzung der Kündigungsfrist ein weiteres Mal gekündigt hat. § 18 Abs. 4 KSchG verhindert Vorratsmeldungen bzw. -kündigungen (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Diese Vorschrift berechtigt den Arbeitgeber zu einer Kündigung ohne erneute Erstattung einer Massenentlassungsanzeige möglicherweise dann, wenn er zunächst von der Kündigung eines von einer Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmers - etwa wegen der fehlenden Zustimmung einer Behörde - Abstand genommen hat, das Formerfordernis nachgeholt hat und nunmehr innerhalb der Freifrist kündigt. Sie berechtigt ihn aber nicht dazu, bereits erklärte, massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigungen in der Freifrist zu wiederholen.

22

dd) Daraus, dass die Schuldnerin aufgrund der Verwendung eines veralteten Formulars in der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 sowie in der Liste der zu entlassenden Arbeitnehmer den Termin der Beendigung der Arbeitsverhältnisse angegeben hat und dabei für den Kläger infolge eines, wie der Beklagte selbst vorträgt, „offensichtlichen Schreibversehens“ nicht den 31. Mai 2007, sondern den 30. April 2007, zu dem die Kündigung vom 9. Januar 2007 dann tatsächlich erklärt wurde, folgt nichts anderes. Ohne eine erneute Massenentlassungsanzeige konnte hinsichtlich der Nachkündigung ungeachtet der versehentlich richtigen Angabe des beabsichtigten Entlassungsdatums den mit §§ 17 f. KSchG verfolgten Zwecken nicht genügt werden. Die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG hatte hinsichtlich der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 am 23. November 2006 begonnen und am 22. Dezember 2006 geendet. Diese Frist, die der Agentur für Arbeit für die „Lösung der durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme“(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) zur Verfügung stehen sollte, war im Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 bereits verstrichen.

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III. Es kann wie in der bisherigen Rechtsprechung(BAG 29. November 2007 - 2 AZR 763/06 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 79; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, BAGE 119, 66; BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32, BAGE 117, 281) offenbleiben, ob Kündigungen, die der Arbeitgeber erklärt, ohne zuvor die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß vorzunehmen, stets unwirksam sind(in diesem Sinne KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 101 ff.; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). In der Regel führt die Unterlassung der Massenentlassungsanzeige vor der Kündigung dazu, dass diese das Arbeitsverhältnis nicht auflösen kann und deshalb der Kündigungsschutzklage stattzugeben ist. Für eine besondere Sachverhaltsgestaltung, in der die Kündigung möglicherweise doch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, zB wenn andere Kündigungen einvernehmlich „zurückgenommen” werden, so dass der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG wieder unterschritten wird, oder wenn die Agentur für Arbeit auf eine nachträgliche Anzeige hin der Entlassung zustimmt(vgl. hierzu APS/Moll 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 50 mwN zum Streitstand; gegen jede Heilungsmöglichkeit KR/Weigand § 17 KSchG Rn. 104), besteht kein Anhaltspunkt. Deshalb konnte die Kündigung vom 9. Januar 2007 mangels der erforderlichen Massenentlassungsanzeige das Arbeitsverhältnis nicht auflösen, so dass der Kündigungsschutzklage stattzugeben war (Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, aaO).

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IV. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten der Revisionsinstanz aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat zwar der Kündigungsschutzklage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts stattgegeben. Es hat dem Beklagten aber lediglich die Kosten der Berufung auferlegt. Über die Prozesskosten war gem. § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu entscheiden(BGH 24. November 1980 - VIII ZR 208/79 - WM 1981, 46). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.


        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    
                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Juli 2011 - 17 Sa 177/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin betreffend die Beklagte zu 1. zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 371/10 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. durch die Kündigung vom 24. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden ist.

3. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz hat die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 1. zu 3/5, in zweiter Instanz die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 1. zu 3/4 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. in erster und zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen. Die Beklagte zu 1. trägt ihre außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz selbst.

4. Die Beklagte zu 1. hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über eine ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung.

2

Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft nach griechischem Recht mit Sitz in Athen, ist eine ehemalige Fluggesellschaft, deren Hauptanteilseigner der griechische Staat ist. Sie unterhielt in Deutschland eine Niederlassung in F mit 36 Arbeitnehmern. Daneben waren weitere 33 Arbeitnehmer in den Stationen M, S, B und D tätig. An allen Standorten bestand ein Betriebsrat, zudem war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

3

Zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebs gewährte der griechische Staat der Beklagten zu 1. in der Vergangenheit wiederholt Leistungen, was zur Einleitung mehrerer Verfahren wegen unionsrechtswidriger Beihilfen durch die Europäische Kommission führte. Im Jahr 2008 unterrichtete Griechenland die Europäische Kommission gemäß Art. 88 Abs. 3 EGV(jetzt: Art. 108 Abs. 3 AEUV) über Pläne, bestimmte Vermögenswerte ua. der Beklagten zu 1. an die Pantheon S.A. zu verkaufen und im Anschluss die Beklagte zu 1. zu liquidieren. Im September 2008 entschied daraufhin die Kommission, dass die gemeldete Maßnahme keine staatliche Beihilfe iSv. Art. 87 Abs. 1 EGV(jetzt: Art. 107 Abs. 1 AEUV) darstelle.

4

Im Anschluss verabschiedete der griechische Gesetzgeber mit Wirkung zum 23. Oktober 2008 das Gesetz 3710/2008, mit dessen Artikel 40 in das Gesetz 3429/2005 Artikel 14 A neu hinzugefügt wurde. Art. 14 A lautet in der beglaubigten Übersetzung auszugsweise:

        

„Sonderliquidation öffentlicher Unternehmen

        

1.    

Öffentliche Unternehmen, die vermehrt:

        

a)    

schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Problemen bei der Strukturierung ihres Eigenkapitals gegenüberstehen oder offensichtlich nicht in der Lage sind, die ihnen gesetzten Zahlungsfristen einzuhalten, oder bei denen sich der Wert des Eigenkapitals gemäß der zuletzt veröffentlichten Bilanz in einer Weise gemindert hat, dass der Artikel 48 des kodifizierten Gesetzes k.n. 2190/1920 Anwendung findet, und

        

b)    

in der Vergangenheit bereits staatliche Beihilfen bezogen haben, weshalb die Gewährung weiterer Beihilfen einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts bedeuten würde, können sich in Abweichung von den Bestimmungen des Insolvenzgesetzbuches einer Sonderliquidation unterziehen. In diesem Fall wird ein Liquidator bestimmt. Liquidator darf jede natürliche oder juristische Person sein, die von den die Liquidation Beantragenden vorgeschlagen wird; Letztere reichen bei dem gemäß dem nachstehenden Absatz zuständigen Gericht die von der als Liquidator vorgeschlagenen Person abgegebene Erklärung darüber ein, dass sie diesen Vorschlag annimmt.

        

…       

        
        

4.    

Die Sonderliquidation bildet für das Unternehmen keinen Grund, sich aufzulösen, sie impliziert auch weder den Betriebsstillstand noch die Auflösung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art noch stellt sie einen Grund zur Auflösung dieser Verträge dar. In jedem Falle bildet sie jedoch allein für den Liquidator einen Grund, mit dem Unternehmen bestehende Verträge jedweder Art zu kündigen. Der Liquidator führt die Geschäfte des Unternehmens, er verwaltet und vertritt es. Der Liquidator darf den sofortigen Betriebsstillstand oder die allmähliche Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs des Unternehmens sowie das Weiterbestehen oder die Beendung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art beschließen: Insbesondere die mit dem Personal, das mit dem Unternehmen aufgrund eines abhängigen oder unabhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder durch die Erbringung von Leistungen der Rechtsberatung oder der juristischen Vertretung verbunden ist, bestehenden Arbeits-, Honorar- oder Werkverträge können nach der Bekanntgabe des entsprechenden Beschlusses des Efeteio [Berufungsgerichtes] und nach der von dem Liquidator erfolgenden Einschätzung sowie nach im Interesse der Liquidation liegenden Beschlüssen des Liquidators und je nach Notwendigkeit allesamt oder teilweise durch Auflösung gekündigt oder vorläufig außer Kraft gesetzt werden, ohne dass sich hieraus Strafzahlungen für das Unternehmen ergeben. ...

        

...     

        
        

20.     

Für die Dauer von achtzehn Monaten ab der Veröffentlichung des durch das Efeteio [Berufungsgericht] erlassenen Beschlusses über die Sonderliquidation des Unternehmens werden alle gegen das Unternehmen ergriffenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sowie Sicherungsmaßnahmen vorläufig außer Kraft gesetzt.“

5

Im Zuge der Umsetzung des der Europäischen Kommission vorgestellten Privatisierungsverfahrens stellte die Beklagte zu 1. Ende September 2009 den Flugbetrieb weltweit ein. Anschließend nahm die P S.A. den Flugbetrieb in Griechenland auf, ohne Ziele von und nach Deutschland anzusteuern, und firmierte Anfang Oktober 2009 zur Beklagten zu 2. um.

6

Auf Antrag der Griechischen Republik vom 24. September 2009 unterstellte das Berufungsgericht Athen (Efeteio) mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 die Beklagte zu 1. der Sonderliquidation nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 und setzte die E S.A., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, als Liquidatorin ein. Bereits am 27. Mai 2009 war in der Zeitung der Regierung der Griechischen Republik (Band Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Bl. Nr. 3847) ein Protokoll des Verwaltungsrats der E S.A. veröffentlicht worden. Danach hatte dieser entschieden, dem Direktor T und dem geschäftsführenden Ratsmitglied Ma, mit der Möglichkeit, dass jeder getrennt handelt, die volle Verwaltungs- und Vertretungsmacht der Gesellschaft zu übertragen, für alle Fragen außer denjenigen, welche, nach dem Gesetz, eine kollektive Handlung des Verwaltungsrats erfordern. Im Rahmen ihrer Handlungsmacht sollten diese Mitglieder des Verwaltungsrats das Recht haben, unter Gewährung von diesbezüglichen notariellen Vollmachten oder Vollmachtsurkunden die Ausführung konkreter Aufträge zur Vertretung der Gesellschaft vor Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden oder gegenüber Dritten an Angestellte der Gesellschaft oder andere zu übertragen.

7

Von August bis Dezember 2009 fanden in Deutschland zwischen der Beklagten zu 1. und dem Gesamtbetriebsrat Interessenausgleichsverhandlungen vor der Einigungsstelle statt. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheiterten, der Sozialplan vom 4. Dezember 2009 erging als Spruch der Einigungsstelle.

8

Die Klägerin war seit dem 1. Dezember 1983 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt als Leadofficer. Die maßgeblichen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Beschäftigungsbestimmungen. Gemäß Ziff. 20 dieser Bestimmungen galten sie für die im Anhang 1 aufgeführten Personengruppen, die örtlich in Deutschland durch die Beklagte zu 1. angestellt wurden. Dazu gehörte auch der Leadofficer.

9

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 leitete Rechtsanwalt G, der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1., die Anhörung des Betriebsrats der Niederlassung F zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ein. In diesem Schreiben ist ua. ausgeführt:

        

„Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 BetrVG

        

Mitteilung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG

        

Kündigung des Arbeitsverhältnisses

        

Sehr geehrter Herr …,

        

...     

        

Ich nehme Bezug insbesondere auf die im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens geführten Gespräche und das Ihnen sicherlich zugeleitete Sitzungsprotokoll nebst Sozialplan vom 04.12.09. Wie daraus ersichtlich ist, sind die Interessenausgleichsgespräche leider gescheitert; ein Sozialplan ist im Wege des Spruchs zustande gekommen.

        

Zu den Hintergründen vorliegender Anhörung teile ich mit, dass nachdem der Flugbetrieb des Unternehmens Ende September 2009 eingestellt wurde, die vollständige Betriebsstilllegung in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen und nunmehr in die Wege geleitet ist. Ich überreiche in Anlage das Schreiben meiner Partei vom 01.12.09 nebst amtlicher Übersetzung. Dieses Schreiben wurde dem Gesamtbetriebsrat am 04.12.09 bereits übergeben.

        

Wie daraus ersichtlich ist, wurde das Unternehmen mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 02.10.09 unter Sonderliquidation im Sinne von Art. 1 der EU- Verordnung-Nr.: 1346/2000 nebst Anhängen I und II gestellt, somit dieses Verfahren einem Insolvenzverfahren gleichzustellen ist.

        

Folglich gilt es, sämtliche derzeit in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden 69 Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten, gem. § 113 InsO, zu kündigen. Die Bundesagentur für Arbeit wurde über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt.

        

Vorliegend ist mitzuteilen, dass beabsichtigt ist folgendes Arbeitsverhältnis mit der o.g. 3-monatigen Kündigungsfrist zum 31.03.2010 zu kündigen:

        

...“   

10

Am 17. Dezember 2009 erstattete die Beklagte zu 1. bei der Agentur für Arbeit F eine Massenentlassungsanzeige zur Beendigung aller 36 Arbeitsverhältnisse. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige „vom 15.12.09 der O S.A.“ und teilte mit:

        

„Ihre Anzeige gemäß § 17 KSchG ist am 17.12.09 (wirksam) eingegangen.

        

Auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 ist die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis, das als Entlassung gilt.

        

Entlassungen (Kündigungen), die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden (§ 18 Abs. 1 KSchG).

        

Im Einzelfall kann die Agentur für Arbeit bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG).

        

Im vorliegenden Fall beginnt die einmonatige Sperrfrist am 18.12.09 und endet am 17.01.10.

        

Die 36 Kündigungen werden nach dieser Frist wirksam.

        

Gründe, die eine Sperrfristverlängerung auf bis zu zwei Monate rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

        

...     

                 
        

Der Vorsitzende des Betriebsrates erhält eine Durchschrift dieses Schreibens.

        

…“    

11

Mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2009 teilte die Agentur für Arbeit darüber hinaus mit:

        

„…    

        

der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.01.2005 beschlossen, dass bereits die Kündigungserklärung (Ausspruch der Kündigung) des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung im Sinne des § 17 Kündigungsschutzgesetz gilt. Deshalb muss eine rechtswirksame Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit vor Ausspruch der Kündigungen vorliegen.

        

Ihre Anzeige ist am 17.12.09 rechtswirksam eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ihrerseits Kündigungen ausgesprochen werden.

        

Die Sperrzeit vom 18.12.09 bis 17.01.10 regelt, dass kein Arbeitsverhältnis vor dem 18.01.10 enden darf. Ihrer Anzeige kann ich ersehen, dass die ersten Beendigungen ab 31.03.10 vorgesehen sind. Da die Sperrzeit aber bereits am 17.01.10 endet, muss eine Verkürzung dieser nicht erfolgen. Ich sehe ihren Antrag hiermit als gegenstandslos an.“

12

Wegen fehlender Originalvollmacht rügte der Betriebsrat mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 die eingeleitete Betriebsratsanhörung nach § 174 BGB und teilte mit, er habe die beabsichtigte Kündigung nur hilfsweise behandelt und widerspreche der Kündigung.

13

Mit Schreiben vom 24. Dezember 2009 kündigte Rechtsanwalt G „namens und in Vollmacht des Sonderliquidators“ das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2010. Im Betreff dieses Schreibens ist angegeben:

        

„O S.A. ./. …

        

hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“.

14

Dem Kündigungsschreiben war eine von Herrn Ma für die E S.A. unterzeichnete, auf Rechtsanwalt G lautende Originalvollmacht beigefügt. Ebenso kündigte Rechtsanwalt G die Arbeitsverhältnisse aller anderen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in Deutschland.

15

Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Bis zur Berufungsinstanz hat sie darüber hinaus den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2. geltend gemacht. In der Klageschrift ist als Beklagte zu 1. die „Firma O S.A. unter Sonderliquidation des Artikel 14 A des Gesetzes 3429/2005 der Hellenischen Republik Griechenland, vertreten und verwaltet von der Liquidatorin der E A.E., diese vertreten durch die Geschäftsführung, Zweigniederlassung Deutschland“ angegeben. Der Klageschrift war ua. eine Ablichtung des Kündigungsschreibens beigefügt.

16

Soweit für die Revision von Bedeutung, hat die Klägerin bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Unterrichtung und Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassungsanzeige fehle. Dem Betriebsrat sei dadurch die Möglichkeit genommen worden, der Agentur für Arbeit den Ausgang des Einigungsstellenverfahrens mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass er den Spruch der Einigungsstelle anfechten werde.

17

Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Interesse - unter Klarstellung, dass mit diesem Antrag kein allgemeiner Feststellungsantrag verbunden sein soll, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der O S.A. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 24. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31. März 2010 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

18

Die Beklagte zu 1. hat ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 17 KSchG allein damit begründet, die Agentur für Arbeit habe bestandskräftig die Wirksamkeit der Anzeige festgestellt und die Zustimmung zu den angezeigten Kündigungen erteilt. Dieser rechtskräftige Verwaltungsakt binde die Arbeitsgerichte.

19

Das Arbeitsgericht hat nach Erörterung das Passivrubrum bezüglich der Beklagten zu 1. auf die E S.A., vertreten durch den Vorstand, als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A., geändert und hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat ua. angenommen, die Kündigung sei nicht gemäß § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zwar bestünden Bedenken, ob den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG und des § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG genügt sei. Etwaige Fehler seien jedoch durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit geheilt. Mit der gegenüber der Beklagten zu 1. zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel in Bezug auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision ist begründet. Die Beklagte zu 1. hat den ihr nach § 17 KSchG obliegenden Pflichten in mehrfacher Weise nicht genügt. Sie hat kein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem dafür zuständigen Gesamtbetriebsrat durchgeführt. Zudem war der Massenentlassungsanzeige entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats beigefügt. Die Beklagte zu 1. hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vorgelegen haben, so dass die Beifügung der Stellungnahme entbehrlich gewesen wäre. Die Massenentlassungsanzeige war deshalb unwirksam. Diese Unwirksamkeit ist, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, durch die Schreiben der Agentur für Arbeit vom 18. Dezember 2009 nicht geheilt worden. Die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 24. Dezember 2009 ist deshalb unwirksam.

21

A. Die deutschen Gerichte sind auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29, ZIP 2011, 2377) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1. ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat (vgl. EuGH 1. März 2005 - C-281/02 - [Owusu] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Das vorliegende Kündigungsschutzverfahren ist kein Annexverfahren iSd. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), bei dem aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO die internationale Zuständigkeit den Gerichten des Staats der Verfahrenseröffnung, hier also den griechischen Gerichten, zugeordnet wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das über das Vermögen der Beklagten zu 1. mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 2. Oktober 2009 eröffnete Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 idF des Art. 40 des Gesetzes 3710/2008(künftig: Sonderliquidationsverfahren) ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO darstellt. Kündigungsschutzklagen gegen eine wie hier nach deutschem Recht erklärte Kündigung fehlt der spezifische Insolvenzbezug, um den für die Annahme eines Annexverfahrens erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn die kurze Kündigungsfrist des § 113 InsO maßgeblich sein soll. Solche Klagen haben ihren Rechtsgrund nicht im Insolvenzrecht, sondern im Arbeitsrecht. Für solche Verfahren bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deshalb nach der EuGVVO und nicht nach der EuInsVO (ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 16 ff., ZIP 2012, 2312). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich, wenn nicht gemäß Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts, so jedenfalls aufgrund der rügelosen Einlassung der Beklagten zu 1. aus Art. 24 EuGVVO.

22

B. Die Beklagte zu 1. als Schuldnerin ist, vertreten durch die E S.A. als Sonderliquidatorin, passivlegitimiert. Die Auswirkungen der Bestellung der E S.A. zur Liquidatorin über das Vermögen der Beklagten zu 1. als Schuldnerin sowie ihre Befugnisse und ihre Rechtsstellung als Liquidatorin beurteilen sich unabhängig davon, ob das Sonderliquidationsverfahren ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO darstellt, nach griechischem Recht. Einer Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung dieser Frage bedarf es darum nicht.

23

I. Gemäß Art. 14 A Ziff. 4 Satz 1 des Gesetzes 3429/2005 hat die Sonderliquidation nicht die Auflösung des Schuldnerunternehmens zur Folge. Der Liquidator wird nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens. Vielmehr werden gemäß Art. 14 A Ziff. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 die Geschäfte dieses Unternehmens von dem Liquidator, der das Unternehmen vertritt, lediglich geführt. Anders als im deutschen Recht verbleibt damit die Arbeitgeberstellung bei dem Schuldnerunternehmen.

24

II. Diese nach dem griechischen Recht vorliegende Rechtsstellung von Schuldnerunternehmen und Liquidator ist vorliegend maßgeblich.

25

1. Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und Art. 17 EuInsVO anzuerkennen sein, weil für Griechenland das Sonderliquidationsverfahren im Anhang A zur EuInsVO und der Sonderliquidator im Anhang C aufgeführt sind(in diesem Sinne wohl Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877), wäre gemäß Art. 4 EuInsVO iVm. Art. 18 Abs. 1 EuInsVO für die Befugnisse der Beklagten zu 1. als Schuldnerin und der E S.A. als Liquidatorin griechisches Recht maßgeblich (lex fori concursus).

26

2. Wäre das Sonderliquidationsverfahren vom closed-list-system der EuInsVO nicht erfasst und damit der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eröffnet, bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin gemäß § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht.

27

a) In diesem Fall käme eine Anerkennung dieses Verfahrens nach dem in den §§ 335 ff. InsO normierten deutschen autonomen Internationalen Insolvenzrecht in Betracht (vgl. BGH 3. Februar 2011 - V ZB 54/10 - Rn. 11, BGHZ 188, 177; Stephan in HK-InsO 6. Aufl. Vor §§ 335 ff. Rn. 18 ff.; HambKomm/Undritz 4. Aufl. Vorbemerkungen zu §§ 335 ff. InsO Rn. 15; Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877; ders. WM 2011, 1201, 1202). Die EuInsVO verdrängt das autonome nationale Recht außerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht. Wird ein nationales Insolvenzverfahren von den Anhängen der EuInsVO nicht erfasst, verbleibt ein Spielraum, den das nationale Internationale Insolvenzrecht nutzen kann (Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877). Dies nimmt den Definitionen der EuInsVO als speziellerer Regelung des europäischen Internationalen Insolvenzrechts und deren Anhängen nicht die praktische Wirksamkeit (aA Cranshaw DZWIR 2012, 133, 134). Für die von ihren Anhängen nicht erfassten Verfahren reklamiert die EuInsVO keine Geltung und entfaltet daher keine Regelungssperre für das nationale autonome Internationale Insolvenzrecht. Insoweit gilt nichts anderes als für die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO(vgl. dazu MünchKommBGB/Kindler 5. Aufl. Vor §§ 335 ff. InsO Rn. 3).

28

b) Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, so bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin gemäß § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht als dem lex fori concursus(vgl. LSZ/Smid Internationales Insolvenzrecht 2. Aufl. InsO § 335 Rn. 8; MünchKommInsO/Reinhart 2. Aufl. § 335 Rn. 65).

29

c) Sollte das Sonderliquidationsverfahren dagegen nicht als Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO zu qualifizieren sein, so dass eine Anerkennung nach § 343 InsO ausschiede, wäre die gesellschaftsrechtliche Frage, wie die Beklagte zu 1. als Schuldnerin (organschaftlich) vertreten ist, gleichwohl nach griechischem Recht zu beantworten. Das Gesellschaftsstatut richtet sich nach dem Gründungsstatut und damit für die in Griechenland gegründete Beklagte zu 1. nach griechischem Recht. Nach allgemeiner Auffassung, die sich auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Sachen Centros (9. März 1999 - C-212/97 - Slg. 1999, I-1459), Überseering (5. November 2002 - C-208/00 - Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (30. September 2003 - C-167/01 - Slg. 2003, I-10155) stützt, richtet sich das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind, nicht nach ihrem Verwaltungssitz, sondern nach ihrem Gründungsort, weil nur so die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit gewährt werden kann (vgl. BGH 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10 - Rn. 22, BGHZ 190, 364).

30

C. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten zu 1. bestimmt sich nach deutschem Arbeitsrecht. Auch insoweit kann dahinstehen, ob das Sonderliquidationsverfahren der EuInsVO unterfällt, so dass auch zur Klärung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich ist.

31

I. Ist der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet, ist gemäß Art. 10 EuInsVO für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist(lex causae). Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, wäre gemäß § 337 InsO ebenfalls das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich. Die Bestimmung des § 337 InsO ist Art. 10 EuInsVO nachgebildet(vgl. BT-Drucks. 15/16 S. 18). Das Recht des Staats, dem das Arbeitsverhältnis unterliegt, soll auch die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diese Rechtsbeziehung bestimmen (Braun/Tashiro InsO 5. Aufl. § 337 Rn. 3). Läge überhaupt kein anzuerkennendes Insolvenzverfahren vor, wäre nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zu bestimmen, welches Recht Anwendung fände.

32

II. In allen drei denkbaren Konstellationen ist nach den vorliegend noch maßgeblichen Art. 27, 30 und 34 EGBGB zu ermitteln, welches Recht Anwendung findet. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass nach diesen Kollisionsregeln des Internationalen Privatrechts für das Arbeitsverhältnis der Parteien deutsches Arbeitsrecht maßgeblich ist. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich, und die Feststellung wird auch von keiner Partei angegriffen.

33

D. Die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG ist gewahrt. Die Klägerin hat Klage gegen die O S.A. unter Sonderliquidation und damit gegen die Beklagte zu 1. erhoben. Wie unter Rn. 23 ausgeführt, ist unter Beachtung des maßgeblichen griechischen Rechts die Arbeitgeberstellung bei der Beklagten zu 1. verblieben, die durch die E S.A. als Sonderliquidatorin vertreten wird. Die Kündigungsschutzklage war deshalb gegen die Beklagte zu 1. zu richten. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Berichtigung der Parteibezeichnung war unzutreffend. Der Senat hat die infolge der fehlerhaften Parteiberichtigung unrichtig gewordene Parteibezeichnung abermals „berichtigt“.

34

E. Die Klage ist nicht unschlüssig, weil die Klägerin behauptet, ihr Arbeitsverhältnis sei im Wege eines Betriebsübergangs bereits Ende September 2009, also vor Zugang der Kündigung vom 24. Dezember 2009, auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Sie hat sich das Vorbringen der Beklagten zu 1. und 2. es liege kein Betriebsübergang vor, hilfsweise zu eigen gemacht und ihre Klage auch hierauf gestützt. Damit ist die Klage jedenfalls nach dem Hilfsvorbringen schlüssig (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132).

35

F. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestand das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. begründete Arbeitsverhältnis noch. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte zu 2. übergegangen, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin keinem etwaig übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen ist.

36

G. Die Beklagte zu 1. hat den ihr nach § 17 KSchG obliegenden Pflichten in mehrfacher Weise nicht genügt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Darum kann dahinstehen, ob die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe vorliegen.

37

I. Die am 17. Dezember 2009 angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Alle in der Niederlassung F beschäftigten 36 Arbeitnehmer sollten entlassen werden. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG überschritten. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

38

II. Die Beklagte zu 1. hat das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt.

39

1. Entgegen der im Revisionsverfahren von der Beklagten zu 1. vertretenen Auffassung war das Konsultationsverfahren nicht entbehrlich, weil der Betrieb der Beklagten zu 1. stillgelegt worden ist und alle Arbeitnehmer entlassen worden sind. Die Beklagte zu 1. macht geltend, in einer solchen Situation habe die Arbeitnehmervertretung keine Möglichkeit, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die Massenentlassungen zu vermeiden oder auch nur zu beschränken. Die Milderung der Folgen der Massenentlassung erfolge durch den beschlossenen Sozialplan. Mit dieser Argumentation verkürzt die Beklagte zu 1. den Zweck des Konsultationsverfahrens.

40

a) Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 60 mwN, ZIP 2012, 2412). Die Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung müssen sich dabei nicht auf die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen beziehen. Sie können auch die Möglichkeit betreffen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dabei kann es sich insbesondere um Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulungen der entlassenen Arbeitnehmer handeln (EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337).

41

b) Solche Beratungen, die vor allem auf die Zahlung von Abfindungen oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft zielen, sind zwar auch Gegenstand der Sozialplanverhandlungen, insbesondere dann, wenn über einen Transfersozialplan verhandelt wird, der von der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 110 SGB III (bis zum 31. März 2012 § 216a SGB III) gefördert werden soll. Unabhängig davon handelt es sich dabei um unterschiedliche Verfahren, die nicht vollständig deckungsgleich sind. Auch bei einer geplanten Betriebsstilllegung muss deshalb bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen nicht nur das Verfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch das nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt werden. Die verschiedenen Beteiligungsverfahren können lediglich, soweit die Pflichten nach den unterschiedlichen Verfahren übereinstimmen, miteinander verbunden und damit vom Arbeitgeber gleichzeitig erfüllt werden. Eine solche Verbindung verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 ff., ZIP 2012, 2412). Das Konsultationsverfahren ist nur dann entbehrlich, wenn kein Arbeitgeber mehr vorhanden ist, der als Ansprechpartner für Verhandlungen dienen könnte. Ein solcher Fall liegt bei der Stilllegung eines von einer natürlichen Person geführten Betriebs infolge des Tods des Arbeitgebers, der nach dem spanischen Recht die Beendigung der Arbeitsverträge zur Folge hat, vor (EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodgríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621), nicht aber bei einer Betriebsstilllegung wie der von der Beklagten zu 1. beabsichtigten.

42

2. Das Konsultationsverfahren hätte mit dem Gesamtbetriebsrat durchgeführt werden müssen. Für dieses Verfahren war der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig, weil der geplante Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt werden sollte und mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen waren. Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser, wie ausgeführt, ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Sind mehrere Betriebe von einer nach einem einheitlichen Unternehmenskonzept durchgeführten Betriebsänderung betroffen, kann nur durch eine Durchführung des Konsultationsverfahrens auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats den betriebsübergreifenden Zusammenhängen Rechnung getragen werden und eine ggf. betriebsübergreifende Lösung zur Vermeidung oder Einschränkung der geplanten Massenentlassungen bzw. einer sozialen Abmilderung der Folgen einer solchen Entlassung entwickelt werden (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 74c mwN; Hützen ZInsO 2012, 1801, 1803). Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).

43

3. Die Beklagte zu 1. hat nicht dargelegt, dass sie mit dem zuständigen Gremium ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt hat. Sie hat hinsichtlich der Erfüllung ihrer Pflichten aus § 17 KSchG lediglich auf die Heilungswirkung der Bescheide der Agentur für Arbeit verwiesen.

44

III. Die Beklagte zu 1. ist außerdem ihrer Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG, der Massenentlassungsanzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, nicht nachgekommen.

45

1. Dabei kann zugunsten der Beklagten zu 1. unterstellt werden, dass, wie sie in der Revisionsinstanz vorgetragen hat, der Massenentlassungsanzeige das Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 4. Dezember 2009 und der auf dieser Sitzung ergangene Spruch beigefügt waren. Diese Unterlagen genügten den Anforderungen an eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht, weil sich ihnen keine abschließende Meinungsäußerung des Gesamtbetriebsrats zu den angezeigten Kündigungen entnehmen ließ. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG lagen nicht vor.

46

2. Die Stellungnahme ist auch nicht nach § 125 Abs. 2 InsO ersetzt worden, weil kein Interessenausgleich mit Namensliste zustande gekommen ist. Entgegen der von der Beklagten zu 1. im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung ersetzt ein Einigungsstellenverfahren, an dem der zuständige Gesamtbetriebsrat beteiligt worden ist und das zu einem Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan geführt hat, die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme nicht. Die gesetzliche Fiktion des § 125 Abs. 2 InsO gilt nur für den Interessenausgleich mit Namensliste, nicht für den Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle.

47

IV. Sowohl die Missachtung der Pflicht, ein Konsultationsverfahren durchzuführen, als auch der Verstoß gegen die Pflichten aus § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG führen zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.

48

1. Die Massenentlassungsanzeige ist bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte zu 1. kein Konsultationsverfahren mit dem dafür zuständigen Gremium durchgeführt hat.

49

a) Jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall das Konsultationsverfahren überhaupt nicht durchgeführt worden ist, führt die Verletzung der dem Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 KSchG obliegenden Pflichten zu einer Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige(ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 24; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer KSchG 4. Aufl. § 17 Rn. 23; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; Reinhard RdA 2007, 207, 213; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 174; wohl auch Bader/Bram/Dörner/Suckow § 17 Rn. 82; unklar Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918, die annehmen, jedenfalls sei eine Missachtung nicht ohne Bedeutung; differenzierend APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76 ff.).

50

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht das Hauptziel der MERL darin, Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen. Ausgehend von diesen Zielen hat der Gerichtshof den Arbeitnehmern ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation im Vorfeld einer Massenentlassung zugebilligt und zur Wahrung dieses Rechts ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt. Er hat damit der MERL und insbesondere der in deren Art. 2 geregelten Konsultationspflicht auch eine individualschützende Komponente, die zugunsten der Arbeitnehmer als Gemeinschaft ausgestaltet ist, zuerkannt(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 82 mwN aus der Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2012, 1822). Art. 2 MERL ist das Kernstück dieser Richtlinie (Wißmann RdA 1998, 221, 224).

51

bb) Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 KSchG, die Art. 2 MERL in das nationale Recht umsetzt, enthält somit ein eigenständiges, gleichwertig neben den in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Verpflichtungen gegenüber der Agentur für Arbeit stehendes Formerfordernis(Reinhard RdA 2007, 207, 213). Dies schließt die Annahme aus, die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anzeige seien in § 17 Abs. 3 KSchG abschließend aufgezählt(anders noch die insoweit überholte Rechtsprechung des BAG vor der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885, vgl. nur BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 84, 267, sowie APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76 ff., der § 17 Abs. 3 KSchG immer noch als gegenüber § 17 Abs. 2 KSchG unabhängige und selbstständige Wirksamkeitsvoraussetzung ansieht und deshalb annimmt, dass bei Beifügung einer Stellungnahme oder Glaubhaftmachung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Anzeige auch dann wirksam sei, wenn in Wirklichkeit keine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt sei). Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen, die Arbeitnehmervertretung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu unterrichten und sich mit ihr iSd. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu beraten, überhaupt nicht nach, führt vielmehr auch dieser Fehler zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.

52

b) Aus der von der Beklagten zu 1. angezogenen Passage aus dem Urteil des Senats vom 18. Januar 2012 (- 6 AZR 407/10 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 6 Nr. 6 = EzA KSchG § 6 Nr. 4) folgt nichts anderes. Die Ausführungen des Senats beziehen sich ausschließlich auf die fehlende Unterrichtung über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer. Der Senat hat insoweit offengelassen, ob eine solche Verletzung der Konsultationspflicht nachteilige Rechtsfolgen für den Arbeitgeber haben könne. Eine partiell in einem Nebenpunkt unvollständige Information nach § 17 Abs. 2 KSchG ist jedoch mit dem vorliegenden Fall, in dem es an einem Konsultationsverfahren gänzlich fehlt, nicht zu vergleichen.

53

2. Die Massenentlassungsanzeige ist auch deshalb unwirksam, weil ihr entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt waren. Die Beifügung der Stellungnahme bzw. die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sind Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Anzeige(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 52, ZIP 2012, 1822). Soweit die Beklagte zu 1. im Revisionsverfahren geltend macht, die Agentur für Arbeit sei durch den Verstoß gegen § 17 Abs. 3 KSchG nicht in ihrer Prüfung beeinflusst worden, ob und welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sie einleiten könne und wolle, legt sie nicht dar, worauf sie diese Behauptung stützt. Die Stellungnahme soll gegenüber der Agentur für Arbeit ua. belegen, ob und welche Möglichkeiten nach Auffassung der zuständigen Arbeitnehmervertretung bestehen, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern. Ferner soll eine ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Agentur für Arbeit nicht vorenthalten werden (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, EzA KSchG § 17 Nr. 25). Es bleibt damit Spekulation, ob und welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Agentur für Arbeit bei einer auf ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren folgenden Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats eingeleitet hätte. Jedenfalls darf ihr eine solche Prüfung nicht durch das Unterlassen des Konsultationsverfahrens, das zugleich das Fehlen jeglicher Stellungnahme zur Folge hat, abgeschnitten werden.

54

V. Die Fehler, die der Beklagten zu 1. bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, sind nicht dadurch geheilt worden, dass die Arbeitsverwaltung diese Fehler nicht bemerkt, jedenfalls in den Schreiben vom 18. Dezember 2009 nicht beanstandet hat.

55

1. Unabhängig davon, dass diese Schreiben mangels eines Regelungscharakters schon keine Verwaltungsakte waren (zu den Voraussetzungen eines Verwaltungsakts BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 65 ff., ZIP 2012, 1822), hinderte selbst ein bestandskräftiger Bescheid der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen.

56

a) Ob die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß erstattet ist, ist lediglich Vorfrage für einen Bescheid der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG, gehört nicht zum Regelungsinhalt eines solchen Verwaltungsakts und wird deshalb von dessen Bestandskraft nicht erfasst(ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 25 ff., ZIP 2012, 2412; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff., ZIP 2012, 1822). Die Beteiligungspflichten des Ausschusses nach § 20 Abs. 3 KSchG und seine Verpflichtung gemäß § 20 Abs. 4 KSchG, das Interesse des Arbeitgebers, der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes zu berücksichtigen, ändern daran nichts(aA wohl Ferme DB 2012, 2162, 2165). Diese Pflichten erstrecken sich nur auf die vom Ausschuss zu entscheidenden Fragen, also die Länge der Sperrfrist sowie den Zeitpunkt ihres Ablaufs und die Genehmigung, Entlassungen vor ihrem Ablauf vorzunehmen, nicht aber auf die inhaltliche Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst.

57

b) Darüber hinaus steht auch Art. 6 MERL der Annahme einer Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Arbeitsverwaltung entgegen. Eine solche Auslegung der §§ 17 ff. KSchG führte zur Unterschreitung des von Art. 6 MERL geforderten Schutzniveaus und nähme den Anforderungen des § 17 KSchG ihre praktische Wirksamkeit(ausführlich BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 29, ZIP 2012, 2412; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 76 ff., ZIP 2012, 1822). Soweit dem entgegengehalten wird, die MERL entfalte keine unmittelbare Drittwirkung (Ferme DB 2012, 2162, 2165 f.), missversteht diese Argumentation Art. 6 MERL. Nach dieser Bestimmung sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der MERL vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die nähere Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren ist Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 50, ZIP 2012, 2412 unter Bezug auf EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff., 38 ff. und 59 ff., Slg. 2009, I-6653). Die nationalen Gerichte sind Teil des Mitgliedstaats und daher gehalten, bei ihrer Auslegung nationalen Rechts, das wie § 17 KSchG Richtlinien der Europäischen Union umsetzt, das Gebot der Effektivität zu beachten(vgl. nur EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 122, Slg. 2006, I-6057). Mit der Frage der mittelbaren oder unmittelbaren Wirkung von Richtlinien hat das nichts zu tun.

58

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1. und von Teilen des Schrifttums (Ferme DB 2012, 2162, 2165 f.) ist der Beklagten zu 1. kein Vertrauensschutz vor den Folgen der Rechtsprechungsänderung zur Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung durch die Entscheidung des Senats vom 28. Juni 2012 (- 6 AZR 780/10 - ZIP 2012, 1822) zu gewähren. Es kann daher dahinstehen, ob die Gewährung von Vertrauensschutz durch die nationalen höchsten Gerichte im Hinblick auf die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung des § 17 KSchG, die neben verwaltungsverfahrensrechtlichen Gesichtspunkten des nationalen Rechts der Annahme einer Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung entgegensteht, überhaupt möglich wäre(vgl. dazu Koch SR 2012, 159, 166 ff.; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1168).

59

a) Die Beklagte zu 1. hat die gesetzlichen Vorgaben in § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG eindeutig missachtet. Darauf, dass die Arbeitsverwaltung selbst eine derart eindeutig gesetzwidrige Handhabung der Vorschriften zur Massenentlassung hinnehmen und ungeachtet ihrer Verpflichtung, im Wege der Amtsermittlung die Vollständigkeit der Anzeige zu ermitteln und bei Zweifeln an der Erfüllung der formellen Voraussetzungen beim Arbeitgeber rückzufragen (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 27, EzA KSchG § 17 Nr. 25), insbesondere das Fehlen der Stellungnahme des Betriebsrats nicht beanstanden würde, konnte die Beklagte zu 1. kein schutzwürdiges Vertrauen stützen.

60

b) Unabhängig davon kommt die Gewährung von Vertrauensschutz hinsichtlich der Auslegung nationalen Rechts durch die nationale höchstrichterliche Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG nicht in Betracht(zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; BAG 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 15 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19). Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 17 KSchG im Allgemeinen und zur Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Arbeitsverwaltung im Besonderen, die auf der Annahme eines rein arbeitsmarktpolitischen Zwecks des Verfahrens der Massenentlassungsanzeige beruhte, ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union seit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885) die Grundlage entzogen. Dies gilt auch für die letzte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2009 (- 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20), wie der Senat bereits ausführlich dargelegt hat (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 82, ZIP 2012, 1822). Die Beklagte zu 1. durfte deshalb im Dezember 2009, also in dem Zeitpunkt, in dem die Massenentlassungsanzeige zu erstatten war, nicht mehr auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen. Auch wurden ihr nicht nachträglich durch eine Rechtsprechungsänderung Handlungspflichten auferlegt, die sie nun nicht mehr hätte erfüllen können. Vielmehr war es ihr ohne Weiteres möglich, den gesetzlichen Anforderungen des § 17 KSchG im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu genügen. Auf diese Anforderungen hätte sie sich deshalb einstellen müssen. Anlass, ihr Vertrauensschutz in den Fortbestand der Rechtsprechung zur Heilungswirkung von Bescheiden der Arbeitsverwaltung zu gewähren, bestand daher nicht.

61

VI. Die fehlende Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG und das Fehlen einer Stellungnahme des Betriebsrats iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG führten nicht nur zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Diese Fehler haben auch die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge (ausführlich BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 -).

62

H. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Koch    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 - 17 Sa 512/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit Juli 1976 beschäftigt, zuletzt als Teilezurichter für ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.400,00 Euro.

3

Am 2. August 2010 unterrichtete die Beklagte den für ihren Betrieb gebildeten Betriebsrat darüber, dass das Unternehmen liquidiert und allen verbliebenen 36 Arbeitnehmern gekündigt werden solle. Sie übergab dem Betriebsrat die schriftliche Kündigung ihres einzigen Auftraggebers vom 29. Juli 2010, ein Informationsschreiben vom 2. August 2010 sowie Anhörungsschreiben zu den beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger - vom 3. August 2010. Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen.

4

Mit Schreiben vom 20. August 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2011.

5

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe das erforderliche Konsultationsverfahren nicht eingeleitet. Außerdem sei keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Dies habe die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Im Übrigen verstoße die Kündigung gegen eine Betriebsvereinbarung von März 2010. Nach dieser seien betriebsbedingte Kündigungen bis zum Ablauf der Kurzarbeit ausgeschlossen. Der Kläger hat behauptet, der Betrieb sei nicht stillgelegt, sondern entweder als gemeinsamer Betrieb mit einem Unternehmen in H fortgeführt worden oder sei auf dieses übergegangen. In jedem Fall habe eine Sozialauswahl durchgeführt werden müssen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 20. August 2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, es sei zunächst beabsichtigt gewesen, den Betrieb nach H zu verlagern. Dazu sei es nicht gekommen, weil sie sämtliche Aufträge verloren habe. Sie habe allen Arbeitnehmern gekündigt. Eine Sozialauswahl habe sie nicht durchführen müssen. Die Produktion sei eingestellt, alle Mitarbeiter seien entlassen, das Anlagevermögen sei veräußert worden. Mit einem am 11. August 2010 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Schreiben habe sie die Entlassung von 36 Arbeitnehmern angezeigt. Der Anzeige seien die Widersprüche des Betriebsrats gegen sämtliche beabsichtigten Kündigungen beigefügt gewesen. Die Agentur für Arbeit habe die Anzeige mit dem Vermerk „Anzeige vollständig und somit wirksam erstattet am 12. August 2010“ versehen und mit Schreiben vom 12. August 2010 die Entlassungen innerhalb der genannten Fristen genehmigt. Das notwendige Konsultationsverfahren sei eingehalten. Zudem führten Mängel in diesem Verfahren nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, jedenfalls dann nicht, wenn die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige als ausreichend angesehen habe.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung der Beklagten vom 20. August 2010 zu Recht als unwirksam angesehen.

10

I. Die Kündigung ist gem. § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2, Satz 3 KSchG iVm. § 134 BGB rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien daher nicht beendet. Die Beklagte hat weder das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt, noch gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Beides führt zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB. Ob weitere Unwirksamkeitsgründe vorliegen, bedarf keiner Entscheidung.

11

1. Die Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung nicht das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren durchgeführt.

12

a) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich über die im Gesetz näher bestimmten Umstände zu unterrichten. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen abzumildern.

13

b) Die von der Beklagten beabsichtigten Entlassungen waren nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG anzeigepflichtig. Es sollte allen 36 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen betriebsbedingt gekündigt werden. Unter „Entlassung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen(BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 18, BAGE 117, 281 im Anschluss an EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885).

14

c) Im Streitfall muss nicht entschieden werden, ob der Betriebsrat dem Schreiben der Beklagten vom 2. August 2010 die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 6 KSchG erforderlichen Angaben entnehmen konnte. Die Beklagte hat mit ihm entgegen § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG jedenfalls nicht die Möglichkeiten beraten, die Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, oder ihm zumindest Gelegenheit hierzu gegeben.

15

aa) Der Arbeitgeber, der beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Soweit die ihm gegenüber dem Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG obliegenden Pflichten mit denen aus § 102 Abs. 1 BetrVG und § 111 BetrVG übereinstimmen, kann er sie gleichzeitig erfüllen(BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23). Er muss in diesem Fall hinreichend klarstellen, dass und welchen Pflichten er gleichzeitig nachkommen will (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - aaO; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34 mwN ; APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 20 ). Die Pflicht zur Beratung gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG geht dabei über eine bloße Anhörung deutlich hinaus(APS/Moll aaO Rn. 74). Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung verhandeln, ihm dies zumindest anbieten (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 58).

16

bb) Es bedarf keiner Entscheidung, inwiefern eine gleichzeitige Erfüllung der Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und aus § 102 Abs. 1 BetrVG praktisch durchführbar ist(kritisch APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 20; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26). Im Streitfall war dem Schreiben an den Betriebsrat vom 2. August 2010 nach der nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts schon nicht zu entnehmen, dass die Beklagte mit seiner Übermittlung zugleich ihre Pflichten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllen und dem Betriebsrat Gelegenheit zur Beratung gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG geben wollte. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, mit dem Betriebsrat tatsächlich über die geplante Massenentlassung und deren Folgen beraten zu haben.

17

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus den dem Betriebsrat übergebenen Informationen habe sich nicht ergeben, dass mit den Anhörungen zu den beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG habe verbunden werden sollen. Die gleichzeitige Übergabe sämtlicher Anhörungsbögen habe der Betriebsrat mangels näherer Erläuterung nur als Einleitung des Verfahrens nach § 102 BetrVG und nicht auch des Verfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG verstehen können.

18

(2) Die Revision zeigt diesbezüglich keinen Rechtsfehler auf. Das Schreiben an den Betriebsrat vom 2. August 2010 informiert nach Darstellung der wirtschaftlichen Hintergründe über die Entscheidung des Gesellschafters der Beklagten, das Unternehmen zu liquidieren. Vorsorglich werde die Liste aller Mitarbeiter überreicht, deren Arbeitsverhältnisse zu kündigen seien. Einen Hinweis darauf, der Betriebsrat erhalte Gelegenheit, die geplanten Entlassungen mit der Beklagten zwecks möglicher Vermeidung zu beraten, enthält das Schreiben nicht. Ein solcher Hinweis lässt sich nicht der dortigen Bemerkung entnehmen, die Beklagte werde in den kommenden Tagen die notwendigen Schritte mit dem Betriebsrat abstimmen und hoffe dabei auf eine kooperative Zusammenarbeit und Unterstützung. Dies lässt keine Bereitschaft erkennen, über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung noch zu verhandeln. Nach dem gesamten Inhalt des Schreibens musste der Betriebsrat die Kündigungen vielmehr als bereits beschlossene Sache verstehen, die es nurmehr abzuwickeln gelte.

19

2. Wurde zuvor kein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt, ist eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung - unabhängig von dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anzeige bei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG - wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB rechtsunwirksam. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens ist ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung (KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63; Appel DB 2005, 1002, 1004/1006; Reinhard RdA 2007, 207, 211; Clemenz FS Bauer 2010, 229, 238; Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 24: Wirksamkeitsvoraussetzung „für die Massenentlassung“; aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Dies ergibt eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 17 Abs. 2 KSchG.

20

a) Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Das Verbot muss dabei nicht unmittelbar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden haben. Es kann sich auch aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ergeben. Maßgebend ist insoweit die Reichweite von deren Schutzzweck (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 38; 19. März 2009 - 8 AZR 722/07 - Rn. 25, BAGE 130, 90).

21

b) § 17 Abs. 2 KSchG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB.

22

aa) § 17 KSchG dient der Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL). Diese bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer im Falle von Massenentlassungen (EuGH 17. Dezember 1998 - C-250/97 - [Lauge ua.] Rn. 19, Slg. 1998, I-8737; vgl. auch MERL Erwägungsgründe Nr. 2). Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung dürfen vom Arbeitgeber erst ausgesprochen werden, wenn das nach Art. 2 MERL erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt ist(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskuslitto] Rn. 70, Slg. 2009, I-8163; 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 45, Slg. 2005, I-885; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81). Art. 2 Abs. 2 MERL bestimmt, dass sich die Konsultationen zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, und die Möglichkeit erstrecken müssen, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dem entspricht § 17 Abs. 2 KSchG. Die Vorschrift dient damit ihrerseits - zumindest auch - dem Arbeitnehmerschutz (ebenso APS/Moll 4. Aufl. Vor § 17 KSchG Rn. 12). Sie zielt primär auf Maßnahmen, die die von einer geplanten Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit bewahren sollen. Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu beraten, ob und ggf. wie die Entlassungen vermieden werden können (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, BAGE 138, 301; 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176).

23

bb) Mit Blick auf diesen Gesetzeszweck ist § 17 Abs. 2 KSchG als gesetzliches Verbot zu verstehen, Kündigungen vor Durchführung des Konsultationsverfahrens auszusprechen.

24

(1) § 17 KSchG regelt nicht ausdrücklich, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat gem. Abs. 2 der Bestimmung hat. Ebenso wenig lässt sich dies aus § 18 KSchG entnehmen.

25

(2) Auch die Richtlinie 98/59/EG bestimmt nicht selbst die Rechtsfolgen eines Unterbleibens des nach Art. 2 MERL vorgesehenen Konsultationsverfahrens. Gemäß Art. 6 MERL müssen die Mitgliedstaaten jedoch Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Sie haben dabei darauf zu achten, dass die Verstöße gegen das Unionsrecht nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht gelten. Die Sanktion muss wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (EuGH 8. Juni 1994 - C-383/92 - Slg. 1994, I-2479). Die den Mitgliedstaaten überlassene Umsetzung dieser Maßgabe darf der Richtlinie nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36, Slg. 2009, I-6653).

26

(3) Praktische Wirksamkeit erlangen die mit Art. 2 MERL und § 17 Abs. 2 KSchG verfolgten Ziele des Arbeitnehmerschutzes allein dadurch, dass die Regelungen in § 17 Abs. 2 KSchG als gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB verstanden werden, eine Kündigung vor Abschluss des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat zu erklären. Nur auf diese Weise wird verhindert, dass der Arbeitgeber durch den Ausspruch von Kündigungen unumkehrbare Fakten schafft, bevor das Konsultationsverfahren durchgeführt ist. Für die Arbeitnehmervertreter wäre es erheblich schwieriger, die „Rücknahme“ einer bereits ausgesprochenen Kündigung zu erreichen als den Verzicht auf eine nur beabsichtigte Entlassung (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 38 und 44, Slg. 2005, I-885). Wann das Konsultationsverfahren als ausreichend durchgeführt und damit abgeschlossen anzusehen ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Insbesondere kann offenbleiben, wie es zu bewerten wäre, wenn sich der Betriebsrat der Beratung verweigert oder sie verzögert.

27

(a) Andere denkbare Sanktionen könnten den Eintritt vollendeter Tatsachen durch den Ausspruch von Kündigungen vor Abschluss des Konsultationsverfahrens nicht effektiv verhindern (aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Dies gilt sowohl für einen möglichen Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG als auch für mögliche Sanktionen nach § 121 Abs. 1 BetrVG oder § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Es bliebe trotz ihrer bei einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Dem von der Richtlinie 98/59/EG intendierten Arbeitnehmerschutz ist auch nicht dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer den Betriebsrat dazu drängen können, sein Beteiligungsrecht durchzusetzen. Ob umgekehrt der Betriebsrat die Möglichkeit haben muss, sein Beteiligungsrecht unabhängig davon einzufordern, ob die betroffenen Arbeitnehmer die Unwirksamkeit ihrer Kündigungen geltend machen (vgl. dazu Wißmann RdA 1998, 221, 226), bedarf in diesem Zusammenhang ebenfalls keiner Entscheidung.

28

(b) Die Unwirksamkeit der Kündigungen bei einer gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG verstoßenden Massenentlassungsanzeige(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 37 ff.) macht eine effektive Sanktion für den Fall, dass das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG vor Ausspruch der Kündigung nicht in ausreichender Weise durchgeführt wurde, nicht entbehrlich(aA APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b). Zwar wirken die Unterrichtungs- und Beratungspflichten nach § 17 Abs. 2 KSchG gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG in das Anzeigeverfahren hinein. Massenentlassungsanzeige und nachfolgende Kündigungen sind unwirksam, wenn nicht der Anzeige gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt oder den Erfordernissen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG genügt war(BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 75; im Einzelnen 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37). Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG steht aber selbständig neben dem Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG (ebenso BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 65; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56). Dies entspricht den Vorgaben der Richtlinie 98/59/EG. Auf die Frage, ob die Richtlinie einen bestimmten zeitlichen Ablauf von Beteiligung des Betriebsrats und Anzeigeerstattung verlangt, kommt es insofern nicht an (zu einer daraus resultierenden Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 23 ff., BVerfGK 17, 108). Der Arbeitgeber darf Massenentlassungen jedenfalls erst nach dem Ende des Konsultationsverfahrens und der Erstattung der Anzeige vornehmen (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 54, Slg. 2005, I-885). Auch wenn beide Verfahren dem Arbeitnehmerschutz dienen, tun sie dies auf unterschiedliche Weise. Die Konsultation des Betriebsrats zielt in erster Linie auf Maßnahmen, aufgrund derer die geplanten Entlassungen vermieden werden können. Durch die korrekte Erfüllung der Anzeigepflicht soll die Agentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, die Folgen der Entlassungen für die Betroffenen möglichst zu mildern.

29

Es erscheint zudem nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG wirksam erstatten kann, ohne zuvor oder zumindest vor Ausspruch der Kündigung das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt zu haben. So kann die Darlegung des Stands der Beratungen mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ergeben, dass das Konsultationsverfahren noch nicht abgeschlossen ist(vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 81b).

30

cc) Hat die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige als ausreichend angesehen, steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten einer Unwirksamkeit der Kündigung nach § 17 Abs. 2 KSchG iVm. § 134 BGB nicht entgegen. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG stellt neben dem Anzeigeerfordernis nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG eine eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar. Wird selbst eine fehlerhafte Anzeige durch einen solchen Bescheid der Agentur nicht geheilt (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 28; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff.), so erstreckt sich der Bescheid schon inhaltlich nicht auf einen korrekten Ablauf des Konsultationsverfahrens.

31

3. Die Beklagte hat überdies keine den Anforderungen gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG genügende Massenentlassungsanzeige erstattet. Ihrer Anzeige war weder eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt, noch waren die Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt. Auch dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB.

32

a) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Ist ein Interessenausgleich mit Namensliste gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vereinbart worden, sieht § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG vor, dass dieser die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt.

33

b) Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam, wenn zwar eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er diesen mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt.

34

c) Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats bzw. das Vorbringen des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige(BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 67; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 52 mwN; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 15. Aufl. § 17 Rn. 97).

35

d) Im Streitfall lag keine wirksame Massenentlassungsanzeige vor. Der nach dem Vorbringen der Beklagten am 11. August 2010 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Massenentlassungsanzeige war keine Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beigefügt. Dessen Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen stellen eine solche Stellungnahme nicht dar. Ein Interessenausgleich mit Namensliste war nicht abgeschlossen. Die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG lagen nicht vor.

36

aa) Die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats muss sich auf das Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erforderlichen Beratung beziehen. Die Stellungnahme soll Auskunft darüber geben, ob und welche Möglichkeiten der Betriebsrat sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und belegen, dass soziale Maßnahmen mit ihm beraten und ggf. getroffen worden sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).

37

bb) Die im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG vom Betriebsrat erklärten Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Ihnen war zwar möglicherweise zu entnehmen, dass der Betriebsrat für alle betroffenen Arbeitnehmer anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten sah und er die beabsichtigten Kündigungen daher für vermeidbar hielt. Aus den Widerspruchsschreiben ergibt sich aber nicht, dass sie das Ergebnis von Beratungen nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG gewesen wären. Anders als das Konsultationsverfahren erfordern Anhörungen nach § 102 BetrVG keine Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

38

cc) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt gewesen seien. Sie hat vorgetragen, sie habe die Agentur für Arbeit auf die dem Betriebsrat am 2. August 2010 erteilten Informationen hingewiesen. Unbeschadet der Frage, ob sie damit die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG glaubhaft gemacht hat, ist diese jedenfalls nicht mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige erfolgt. Die Beklagte hat die Anzeige nach ihrem eigenen Vorbringen bereits am 11. August 2010 und damit vor Ablauf von zwei Wochen nach Übergabe der Unterlagen an den Betriebsrat erstattet. Es kann dahinstehen, ob es außerdem an einer Darlegung des Stands der Beratungen mit dem Betriebsrat fehlte.

39

e) Die Prüfung, ob vor Ausspruch der Kündigung vom 20. August 2010 eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet wurde, ist der gerichtlichen Kontrolle auch dann nicht entzogen, wenn die Agentur für Arbeit - wie die Beklagte behauptet hat - am 12. August 2010 die Vollständigkeit der Anzeige bestätigt und mit Schreiben vom selben Tag mitgeteilt hat, die Entlassungen könnten wie angezeigt vorgenommen werden.

40

aa) Eine nach § 20 KSchG auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG getroffene Entscheidung der Agentur für Arbeit über eine Abkürzung oder Verlängerung der Sperrfrist steht einer Überprüfung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht entgegen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung bestandskräftig geworden ist. Die Bindungswirkung eines solchen Bescheids umfasst nur seinen eigentlichen Inhalt, dh. die Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 28). Er vermag deshalb mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht zu heilen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff.). Für die frühere abweichende Rechtsprechung (BAG 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe; 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 84, 267; vgl. auch 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 -), die auf der Annahme beruhte, die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG verfolgten einen ausschließlich arbeitsmarktpolitischen Zweck, ist spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885) die Grundlage entfallen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81 f.). Auch für die Gewährung von Vertrauensschutz in einen Fortbestand dieser Rechtsprechung besteht seither keine Veranlassung mehr.

41

bb) Die Beklagte hat sich auf einen Bescheid nach § 20 KSchG iVm. § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG nicht einmal berufen. Sie hat geltend gemacht, die Agentur für Arbeit habe die Vollständigkeit der Anzeige bestätigt und mit Schreiben vom 12. August 2010 die geplanten Entlassungen bei Einhaltung der Sperrfrist genehmigt. Tatsächlich enthält das Schreiben lediglich den Hinweis, die Entlassungen könnten wie angezeigt vorgenommen werden. Bei solchen Erklärungen handelt es sich nicht um Entscheidungen, die einer materiellen Bindungswirkung fähig wären (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 69). Die Agentur für Arbeit erteilt insofern eine bloße Auskunft über ihre Bewertung der Massenentlassungsanzeige und deren gesetzliche Rechtsfolgen, ohne selbst eine Regelung zu treffen.

42

f) Das Fehlen einer wirksamen Massenentlassungsanzeige hat ebenfalls die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. In der Erklärung der Kündigung ohne wirksame Massenentlassungsanzeige liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37).

43

aa) Auch das Anzeigeerfordernis gem. Art. 3 MERL bezweckt den Schutz der Arbeitnehmer im Falle von Massenentlassungen(EuGH 17. Dezember 1998 - C-250/97 - [Lauge ua.] Rn. 19, Slg. 1998, I-8737; vgl. auch Nr. 2 der Erwägungsgründe zur MERL). Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 MERL muss die Anzeige „alle zweckdienlichen Angaben über … die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter“ enthalten. „Entlassungen“ im Sinne der MERL sind die Kündigungserklärungen des Arbeitgebers. Dieser darf sie erst nach Erstattung der Anzeige abgeben (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 54, Slg. 2005, I-885).

44

bb) Der Umsetzung dieser Vorgaben der Richtlinie 98/59/EG dient § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Satz 2 ff. KSchG. Durch die Anzeige soll der Agentur für Arbeit die Möglichkeit verschafft werden, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder doch zum Aufschub von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Betroffenen zu sorgen (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, BAGE 138, 301; 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Hierfür ist der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG - auch wenn Art. 3 MERL dies nicht ausdrücklich fordert - die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen oder - ersatzweise - die Rechtzeitigkeit der Konsultationen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG glaubhaft zu machen. Dies dient der Dokumentation der Durchführung und ggf. des Ergebnisses der Konsultationen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 53; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Die Agentur für Arbeit soll dadurch Kenntnis auch von der Sichtweise des Betriebsrats erlangen.

45

cc) Praktische Wirksamkeit erlangen diese mit dem Anzeigeerfordernis verfolgten Ziele erst dadurch, dass die Regelungen in § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG als gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB verstanden werden, eine Kündigung ohne die erforderliche Massenentlassungsanzeige zu erklären(im Einzelnen BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 39 ff.).

46

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

47

III. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Wolf    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.