Landgericht Aachen Urteil, 21. Juni 2016 - 10 O 311/15
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 16.10.2015 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass festgestellt wird, dass sich das Vertragsverhältnis durch den Widerruf der Kläger zu dem Darlehensvertrag mit der Nr. #####/#### über 140.000,00 Euro vom 14.12.2006 in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat und der Beklagten gegen die Kläger über das Rückgewährschuldverhältnis hinaus keine Recht mehr vermittelt.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten einschließlich ihrer außergerichtlichen Kosten trägt die Streithelferin selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 16.10.2015 darf nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Erklärung des Widerrufs der Willenserklärung auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages.
3Am 14.12.2006 unterzeichneten die Kläger in der Filiale der Beklagten in Würselen den Darlehensvertrag mit der Nummer ## #### ### über einen Nettodarlehensbetrag von 140.000,00 Euro mit einer monatlichen Annuität von 735,00 Euro bei einem anfänglichem effektiven Jahreszins von 4,53 %, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Darlehensvertrag mit der Beklagten oder mit der Streithelferin der Beklagten zustande gekommen ist. Der schriftliche Darlehensvertrag befindet sich auf dem Papier der Beklagten. Unter der Unterschrift „Baufinanzierung“ heißt es auszugsweise:
4„Zwischen dem/den Antragsteller(n) und der D AG, I und/oder ihren Kooperationspartnern wird / werden ein Darlehensvertrag/-verträge zu den nachstehenden Bedingungen geschlossen. „
5Im Folgenden werden jeweils verschiedene Banken und Versicherer aufgeführt, vor deren Namen jeweils ein durch Ankreuzen auszufüllendes Kästchen vorgesehen ist. Vorliegend ist das Kästchen vor Hypothekenbank in F AG, F, (EH) angekreuzt. Weiter ist als Darlehensart „EH-T“ angegeben, das unter dem Namen der Streithelferin mit „Annuitätendarlehen (EH-T)“ erläutert wird. Auf Seite 4 des Darlehensvertrages heißt es unter der Überschrift „Bedingungen“:
6„[…]
7Darlehensverträge mit der EUROHYP, der F Hyp, der Gen, der Vofü, der AML oder der DWL kommen durch Unterzeichnung der D im Namen und für Rechnung der jeweiligen Darlehensgeber zustande. […]“
8Vor der Vertragsunterzeichnung hatten die Kläger eine Baufinanzierungsanalyse erstellten lassen, in der es auf Seite 2 unter dem Punkt 4.2 Finanzierungsvorschlag für Fremdmittel bei Darlehensgeber heißt „Hypothekenbank F AG“ (vgl. Anlage B 2, Bl. 91ff. dA.). Im Folgenden wurde die Darlehensvaluta an die Kläger ausgezahlt.
9Im Zuge des Vertragsabschlusses wurden die Kläger durch eine separate Widerrufsbelehrung über ihr bestehendes Widerrufsrecht belehrt. Die Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt:
10„Widerrufsbelehrung
11[…]
12Widerrufrecht
13Ich bin an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der D AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe.
14Form des Widerrufs
15Der Widerruf muß in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen.
16Der Widerruf muß keine Begründung enthalten
17Fristlauf
18Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir
19- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages
zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
21Adressat des Widerrufs
22Der Widerruf ist zu senden an die
23D AG Würselen, L-Straße, 52146 Würselen
24[…]
25Die D ist auch Adressat der Widerrufsbelehrung, soweit es um den Widerruf der an die Kooperationspartner gerichteten Willenserklärungen geht.
26Widerruf bei bereits erhaltener Leistung
27Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank oder ihren Kooperationspartnern erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muß ich die empfangene Leistung jedoch an die Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartner zurückgewähren und der Bank bzw. dem jeweiligen Kooperationspartner die von mir aus der Leistung gezogenen Nutzungen herausgeben.
28Kann ich die von der Bank bzw. dem Kooperationspartner mir gegenüber erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren – beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erhaltenen Leistung ausgeschlossen ist -, so bin ich verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. […]“
29Wegen des Inhalts der Widerrufsbelehrung im Übrigen sowie der Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 5ff. d.A.) ergänzend Bezug genommen.
30Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.05.2015 (vgl. Anlage K 3, Bl. 17f. d.A.) erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen. Den Widerruf wies die Beklagte durch Schreiben vom 22.05.2015 zurück.
31Mit Schriftsatz vom 22.12.2015 (Bl. 242 d.A.) haben die Kläger der I AG den Streit verkündet. Die Streitverkündete ist mit Schriftsatz vom 28.01.2016 (vgl. Bl. 327 d.A.) dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Im Mai 2016 wurden alle wesentlichen Vermögenswerte der Rechtsnachfolgerin der Streithelferin inklusive der privaten Baufinanzierungsdarlehen auf die Beklagte übertragen.
32Die Kläger meinen, die Beklagte sei ihr Darlehensgeber. Sie behaupten, sämtliche Korrespondenz sei stets mit der Beklagten geführt worden. Die Vertragsunterlagen seien mit „D“ unterschrieben und wiesen deren Firmenstempel auf. Auch die Widerrufsbelehrung enthalte keinen Hinweis auf eine anderweitige, insbesondere keine seinerzeit bestehende Vertragsbeziehung zur Hypothekenbank F oder I AG. Die Finanzierungsanalyse sei ebenfalls klar und deutlich mit einem großen Abdruck des Firmenlogos und des Namens der Beklagten ausgestattet. Jedenfalls sei die Beklagte nach der vollständigen Abwicklung der Rechtsnachfolgerin der Streithelferin nunmehr passivlegitimiert.
33Weiter sind die Kläger der Ansicht, die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen und insbesondere nicht dem Deutlichkeitsgebot, da über den Beginn der Widerrufsfrist nicht hinreichend klar belehrt werde und der Verbraucher insoweit nicht erkennen könne, ob ihm zum Fristbeginn noch weitere als die ihm bereits vorliegenden Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müssten. Von der Musterbelehrung unterscheide sich die verwendete Belehrung u.a. durch die gesamte graphische Gestaltung und die Ersetzung der „Sie-“Form durch die „Ich-“Form.
34Mit der am 26.09.2015 zugestellten Klage haben die Kläger ursprünglich angekündigt zu beantragen,
351) festzustellen, dass ihr Widerruf zu dem Darlehensvertrag mit der Nr. 613 6009682 über 140.000,00 Euro vom 14.12.2006 wirksam erklärt worden ist;
362) die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlichen Gebühren anwaltlicher Tätigkeit in Höhe von 2.611,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.09.2015 (Rechtshängigkeit) durch Zahlung an die Klägervertreter freizustellen.
37Die Klage wurde der Beklagten unter Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 26.09.2015 zugestellt. Eine Verteidigungsanzeige ist bis zum 19.10.2015 nicht eingegangen. Die Kammer hat die Beklagte daher am 16.10.2015 durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil, welches der Beklagten am 21.10.2015 zugestellt worden ist, hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsätzen vom 28.10.2015 und 03.11.2015, eingegangen jeweils am gleichen Tag, Einspruch eingelegt und diesen begründet.
38Die Kläger beantragen nunmehr sinngemäß nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 22.12.2015,
39das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 16.10.2015 unter Verwerfung des Einspruches der Beklagten aufrecht zu halten, jedoch mit der Maßgabe, dass hinsichtlich des Klageantrags zu 1) festgestellt wird, dass sich das Vertragsverhältnis durch ihren Widerruf zu dem Darlehensvertrag mit der Nr. #####/#### über 140.000,00 Euro vom 14.12.2006 in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat und der Beklagten gegen sie über das Rückgewährschuldverhältnis hinaus keine Recht mehr vermittelt.
40Die Beklagte beantragt,
41das Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 16.10.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
42Die Streithelferin der Beklagten beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Soweit die Beklagte ursprünglich bestritten hat, Vertragspartnerin der Kläger geworden zu sein, hält sie dieses Bestreiten nach Abwicklung der Rechtsnachfolgerin der Streithelferin und Übertragung der privaten Baufinanzierungsdarlehen auf sie nicht mehr aufrecht.
45Die Beklagte ist der Ansicht, die verwendete Widerrufsbelehrung entspreche den im Dezember 2006 maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben. Sie sei zudem deutlich gestaltet, da sie auf einem separaten Blatt abgedruckt sei und durch Überschriften inhaltlich und optisch gegliedert werde. Die gewählte Formulierung zum Fristbeginn entspreche den gesetzlichen Anforderungen und mache hinreichend deutlich, dass die Kläger ihr eigenes Darlehensangebot für einen Fristbeginn erhalten müssten. Des Weiteren sei eine Belehrung über die Widerrufsfolgen nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. nicht vorgeschrieben gewesen. Da die Kläger erstmalig am 30.01.2007 zur Zahlung einer Annuitätenrate verpflichtet gewesen seien, mithin mehr als 1 Monat nach Beginn der 14-tägigen Widerrufsfrist, sei unschädlich, das unter der Überschrift „Widerruf bei bereits erhaltener Leistung“ nur auf die Verpflichtungen des Darlehensnehmers hingewiesen werde. Zwar entspreche die Widerrufsbelehrung nicht der Musterwiderrufsbelehrung aus Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV, dies sei jedoch unschädlich, weil eine Abweichung nicht per se eine Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung zur Folge habe.
46Jedenfalls stelle die Geltendmachung des Widerrufsrechts eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die Kläger seien nach Sinn und Zweck des Widerrufsrechts nicht schutzbedürftig, da der Widerruf lediglich zum Zwecke der Einsparung der Vorfälligkeitsentschädigung erklärt worden sei. Im Übrigen sei das Widerrufsrecht aufgrund des erheblichen Zeitablaufs verwirkt.
47Die Streitverkündete hat sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen und ergänzend behauptet, sie sei Rechtsnachfolgerin der Hypothekenbank in F AG. Diese sei zum 01.01.2008 mit der damaligen Eurohypo AH verschmolzen, die wieder im August 2012 auf sie umfirmiert habe.
48Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
49I.
50Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, sodass das Versäumnisurteil vom 116.10.2015 im Wesentlichen aufrechtzuerhalten war.
511. Aufgrund des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 16.10.2015 ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch vom 03.11.2015 ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der §§ 338ff. ZPO eingelegt worden.
522. Die Klage ist mit dem modifizierten Klageantrag zu 1) zulässig, § 264 Nr. 1 ZPO. Das Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO folgt daraus, dass die Parteien um die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrungen und die Frage, ob die Kläger ihre Willenserklärungen auf Abschluss des Darlehensvertrages noch wirksam widerrufen konnten, streiten. Da die Beklagte die Kläger aus dem Darlehensvertrag weiterhin in Anspruch nehmen könnte, wenn der Vertrag nicht wirksam widerrufen worden wäre, haben die Kläger ein berechtigtes Interesse an einer verbindlichen Klärung dieser Frage. Darüber hinaus wären im Falle eines wirksamen Widerrufs primär die Kläger gegenüber der Beklagten zu Zahlungen verpflichtet, so dass eine Leistungsklage auch keinen besseren Rechtsschutz böte und daher nicht vorrangig ist.
533. Soweit die Beklagte ursprünglich ihre Passivlegitimation bestritten hat, hat sie dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2016 nicht mehr aufrechterhalten und eingeräumt, dass die Beklagte die wesentlichen Vermögenswerte der Streithelferin einschließlich des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses übernommen hat.
54Dementsprechend wirkt es sich nicht mehr entscheidungserheblich aus, dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag ursprünglich mit der Rechtsvorgängerin der Streithelferin der Beklagten geschlossen worden war. Denn die am 14.12.2007 im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages von einem Mitarbeiter der Beklagten abgegebene Willenserklärung wirkte für und gegen die Hypothekenbank in F AG, § 164 Abs. 1 BGB. Aus den gesamten Vertragsunterlagen war eindeutig erkennbar, dass die Beklagte sich nicht selbst verpflichtet wollte, sondern die Rechtsvorgängerin der Streithelferin. So wird unmittelbar durch den Einleitungssatz der Vertragsurkunde mit entsprechender Ankreuzoption deutlich, dass Darlehensgeber die Hypothekenbank F ist. Weiterhin ist als Darlehensart „EH-T“ angegeben, das unter dem Namen der Hypothekenbank F mit „Annuitätendarlehen (EH-T)“ erläutert wird. Auch befindet sich in den abschließenden Bedingungen oberhalb der Unterschriftenleiste die ausdrückliche Erklärung, dass Darlehensverträge mit der F Hyp durch die Unterzeichnung der Beklagten im Namen und für Rechnung der jeweiligen Darlehensgeber zustande kommen. Korrespondierend hierzu wird auf Seite 2 in der vor dem Vertragsschluss den Klägern überreichten Baufinanzierungsanalyse (vgl. Bl. 91 Rück d.A.) unter 4.2 Finanzierungsvorschlag für Fremdmittel als Darlehensgeber die „Hypothekenbank F AG“ genannt. Für die Annahme einer im eigenen Namen mit Wirkung für die Beklagte abgegebenen Willenserklärung bestand daher kein Raum.
554. Die Kläger konnten ihre Willenserklärungen zum Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages durch anwaltliches Schreiben vom 08.05.2015 noch wirksam widerrufen. Denn die ihnen seitens der Beklagten namens und in Vollmacht für deren Rechtsvorgängerin erteilte Widerrufsbelehrung hat die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt, weil sie fehlerhaft war.
56Unschädlich ist insoweit, dass die Widerrufserklärung an die Beklagte gerichtet war, da diese ausweislich der ausdrücklichen Erklärung in der Widerrufsbelehrung als Empfangsvertreterin für ihre Kooperationspartner wie die Rechtsvorgängerin der Streithelferin fungierte und damit schon vor der Übertragung der Vermögenswerte richtige Adressatin der Widerrufserklärung war.
57a) Auf den am 14.12.2006 geschlossenen Darlehensvertrag finden gemäß Art. 229 §§ 22 Abs. 1, 9 EGBGB in Verbindung mit Art. 24 Abs. 3 Nr. 1 OLGVertrÄndG die §§ 495, 355, 357 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung Anwendung.
58b) Im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs genügt die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen an das in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. geregelte Deutlichkeitsgebot.
59Nach der Rechtsprechung des BGH muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08, juris Rn 14 m.w.N.).
60aa) Entgegen der Ansicht der Kläger entspricht die Belehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist den gesetzlichen Anforderungen. Denn vorliegend hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten entsprechend des maßgeblichen Gesetzeswortlautes darüber belehrt, dass die Widerrufsfrist nach Erhalt der Belehrung, nicht jedoch vor Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags der Kläger, einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags, zu laufen beginnt. Die verwendete Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden.“ berücksichtigt, dass die Frist nicht beginnt, bevor der Verbraucher im Besitz seiner eigenen Vertragsurkunde ist. Insoweit wird hier eindeutig über den maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist und die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts belehrt. Der Verbraucher wird gerade nicht darüber im Unklaren gelassen, welche zusätzlichen Umstände zum Beginn des Fristlaufs eintreten müssen.
61Anders als die Kläger meinen, ergibt sich eine abweichende Bewertung auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08, NJW 2009, 3572, 3573). Denn die dortige Belehrung ist mit der streitgegenständlichen Belehrung nicht vergleichbar und spricht nur allgemein und unspezifisch von „eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrags“, ohne eben ausdrücklich klar zu stellen, dass es um die Vertragserklärung des Verbrauchers geht.
62bb) Weiterhin ist die Anpassung der Belehrung an die Regelung des § 187 BGB durch die Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem […]“ nicht zu beanstanden. Denn insoweit wird die Widerrufsfrist zugunsten des Verbrauchers um einen Tag verlängert.
63cc) Indes ist die Belehrung zu den Widerrufsfolgen fehlerhaft.
64Zwar sah § 355 Abs. 2 BGB a.F. keine Pflicht vor, den Verbraucher über die Rechtsfolgen eines Widerrufs nach § 357 BGB a.F. zu informieren, sodass die verwendete Belehrung über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgeht. Jedoch muss sich ein Verwender, der sich für einen gesetzlich nicht vorgesehen Zusatz entscheidet, auch zutreffend belehren. Hier liegt vor diesem Hintergrund ein irreführender und damit fehlerhafter Zusatz vor. Denn die Formulierung zu den Widerrufsfolgen behandelt ausschließlich die Pflichten des Darlehensnehmers im Falle des Widerrufs. Das Rückabwicklungsverhältnis wird nicht vollständig dargestellt. Der Verbraucher wird darüber im Unklaren gelassen, dass er nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte hat und auch die beklagte Bank die empfangenen Leistungen binnen 30 Tagen zurückgewähren und Wertersatz für die gezogenen Nutzungen leisten muss.
65Aufgrund der Formulierung, die insbesondere nicht hinreichend deutlich macht, dass die wechselseitigen Leistungen zurückzugewähren sind, kann bei dem Darlehensnehmer der fälschliche Eindruck entstehen, dass lediglich er die Rückgabe der erhaltenen Leistungen schulde, er aber seinerseits die erbrachten Leistungen nicht zurückerhält. Dieses naheliegende fehlerhafte Verständnis ist ohne Weiteres geeignet, einen Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechtes abzuhalten.
66Soweit teilweise in der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.02.2015, 31 U 126/14, juris Rn 34; OLG Celle, Beschluss vom 14.07.2014, 3 W 34/14, juris Rn 16) vertreten wird, die Belehrung über die Rechtsfolgen sei deshalb zutreffend, weil nach erfolgter Saldierung ein Anspruch zugunsten der Bank verbleibe, überzeugt dies nicht. Es kommt gerade nicht darauf an, ob der vorgenannte weitergehende Passus in der konkreten Vertragssituation an Bedeutung gewinnt, weil sich bei der vorzunehmenden Saldierung nur ein Saldo zugunsten der beklagten Bank ergeben kann. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BGH eine abstrakte Überprüfung der Klauseln unabhängig vom Einzelfall vorzunehmen. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Belehrung in höchstem Maße als irreführend, weil einem Verbraucher gerade nicht klar vor Augen geführt wird, dass eine Saldierung mit Gegenansprüchen stattfindet.
67c) Die Beklagte genießt auch keinen Vertrauensschutz aufgrund der Musterwiderrufsbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse maßgeblichen Fassung vom 02.12.2004.
68Ein Unternehmer kann sich nämlich nur dann auf den Vertrauensschutz aus der BGB-InfoV berufen, wenn er ein Formular verwendet, das der Musterbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der äußeren Gestaltung vollständig entspricht; entscheidend ist dabei, ob der Unternehmer die Belehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht oder nicht. Greift er nämlich selbst in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext ein, kann er sich schon deshalb auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011, XI ZR 349/10, juris Rn 37).
69Unzweifelhaft entspricht die verwendete Widerrufsbelehrung hier nicht den Vorgaben der BGB-InfoV. Dies behauptet die Beklagte im Übrigen auch selbst nicht einmal. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Text erheblich inhaltlich verändert und insbesondere den so in der Musterbelehrung nicht vorgesehenen Passus zum „Widerruf bei bereits erhaltener Leistung“ eingefügt. Zudem hat sie die Erklärung insgesamt abweichend von der Anlage 2 graphisch gestaltet.
70d) Weiterhin ist die Ausübung des Widerrufsrechts vorliegend weder rechtsmissbräuchlich noch verwirkt, § 242 BGB.
71Denn die Kläger haben hier insbesondere kein Vertrauensmoment geschaffen, etwa durch vollständige Rückführung des Darlehens, aus dem eine Verwirkung abgeleitet werden könnte. Durch die Verwendung der fehlerhaften Widerrufsbelehrung hat die Streithelferin der Beklagten vielmehr selbst die Möglichkeit geschaffen, noch mehrere Jahre nach Vertragsschluss und Erhalt der Widerrufsbelehrung das Widerrufsrecht auszuüben. Dass die Kläger nunmehr von ihrem gesetzlichen Recht Gebrauch machen, ist nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich. Zudem ist die Beklagte nicht schutzwürdig. Denn erst durch die Verwendung der fehlerhaften Belehrung hat ihre Rechtsvorgängerin den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand herbeigeführt. Wer aber selbst für die Unsicherheit sorgt, kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11, juris Rn 39, 40).
725. Hingegen steht den Klägern kein Anspruch auf Freistellung von ihren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.611,93 Euro zu.
73Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1, 488 Abs. 1, 257, 398 BGB. Denn die Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung stellt jedenfalls keine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Die Streithelferin der Beklagten hat nicht fahrlässig gehandelt. Denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages konnte sie nicht erkennen, dass ihre Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Insoweit gilt, dass die Berechtigung eines Widerruf und der daraus resultierenden Forderungen sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Indes kann von der Beklagten bzw. ihrer Streithelferin nicht erwartet werden, dass sie das Ergebnis eines solchen Rechtstreits im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits voraussieht. Solange der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist, scheidet ein Vertreten müssen aus (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2009, V ZR 133/08, juris Rn 20 m.w.N.).
74Auch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt eines Verzugsschadens nach §§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, 280 Abs. 1, 257 BGB keine anderweitige Bewertung. Die Mandatierung der jetzigen klägerischen Prozessbevollmächtigten stellt keinen Verzugsschaden dar. Denn zum Zeitpunkt der Madantierung befand sich die Streithelferin der Beklagten nicht im Verzug mit der Rückabwicklung des Darlehens. Vielmehr wurde erst durch anwaltliches Schreiben vom 08.05.2015 der Widerruf erklärt.
75Ein Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 280 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil die Kläger keinen Zahlungsanspruch, sondern lediglich ein Freistellungsanspruch und mithin keine Geldschuld geltend machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04.10.2010, 5 U 60/10, NJW-RR 2011, 239, 243).
76II.
77Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1, 709 ZPO.
78III.
79Der Streitwert wird auf bis 80.000,00 Euro festgesetzt. Dies entspricht den durch die Kläger bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2016, XI ZR 366/15, juris Rn 12).
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Urteilsbesprechung zu Landgericht Aachen Urteil, 21. Juni 2016 - 10 O 311/15
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Landgericht Aachen Urteil, 21. Juni 2016 - 10 O 311/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,
- 1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags, - 2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder - 3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.
(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Kläger Die begehren die Rückabwicklung eines Darlehens, das ihnen die Beklagte, eine Bank, zur Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gewährt hat.
- 2
- Die Kläger, ein damals 35 Jahre alter Servicetechniker und eine damals 33 Jahre alte Sachbearbeiterin, wurden im Januar 1998 in ihrer Wohnung von einem Vermittler geworben, sich über einen Treuhänder an dem geschlossenen Immobilienfonds "Z. fonds GbR" (nachfolgend: Fonds) zu beteiligen. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts schlossen sie mit der Beklagten am 23. Januar 1998 einen formularmäßigen Annuitätendarlehensvertrag über 35.000 DM. Das Disagio betrug 10%, der bis zum 30. Januar 2003 festgeschriebene Nominalzinssatz 5,75% p.a., der anfängliche effektive Jahreszins 8,60%, die Anfangstilgung 2% p.a. Als von den Klägern zu tragende Gesamtbelastung wurden eine Vierteljahresrate über 678,13 DM, der bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist anfallende Betrag und die dann noch bestehende Restschuld des spätestens am 30. Januar 2018 fälligen Darlehens angegeben. Als Kreditsicherheiten sieht der Darlehensvertrag unter anderem die Verpfändung des Fondsanteils und die Abtretung einer Risikolebensversicherung vor. Dem Darlehensvertrag auf einer besonderen Seite beigefügt war eine von den Klägern gesondert unterschriebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz, die unter anderem folgenden Inhalt hat: "Sie können Ihre auf den Abschluss dieses Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung binnen einer Frist von einer Woche … schriftlich widerrufen. Der Lauf der Frist beginnt frühestens, wenn Ihnen diese Belehrung über Ihr Widerrufsrecht ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor Sie die von uns gegengezeichnete Ausfertigung des Darlehensvertrages erhalten haben. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Im Falle des Widerrufes kommen auch die finanzierten verbundenen Geschäfte nicht wirksam zustande. … Die vorstehende Belehrung habe/n ich/wir zur Kenntnis genommen."
- 3
- Auf derselben Seite der Widerrufsbelehrung befindet sich der weitere , gesondert zu unterschreibende Abschnitt, der ebenfalls von den Klägern unterschrieben wurde: "Jeder Darlehensnehmer erhält eine Mehrfertigung der Widerrufsbelehrung. Der Empfang wird hiermit bestätigt."
- 4
- Ferner unterzeichneten die Kläger eine dem Darlehensvertrag beigefügte "Besondere Erklärung", in der die Beklagte die Kläger über das sog. Aufspaltungsrisiko informierte und sie unter anderem darauf hinwies , dass sie den Kredit "unabhängig von dem finanzierten Geschäft und seinen Risiken" zurückzuzahlen hätten und sie - die Beklagte - sich weder in den Vertrieb eingeschaltet noch sonst gemeinsam mit den Fondsinitiatoren gegenüber den Klägern aufgetreten sei. Ende Februar 1998 übersandte die Beklagte den Klägern eine Vertragsausfertigung. Anfang März 1998 valutierte sie das Darlehen.
- 5
- Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag mit der Behauptung, zur Abgabe der Darlehensvertragserklärung aufgrund einer Haustürsituation bestimmt worden zu sein. Ihre Klage stützen sie jedoch vorrangig auf die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages wegen fehlender Gesamtbetragsangabe. Auf jeden Fall schuldeten sie deshalb nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) lediglich den gesetzlichen Zinssatz von 4%.
- 6
- Unter Berufung darauf nehmen sie die Beklagte auf Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Zahlungen in Höhe von 10.978,61 € und Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme der Beklagten über 492,70 € jeweils nebst Zinsen in Anspruch. Außerdem begehren sie die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen. Hilfsweise, für den Fall eines wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages, verlangen sie die Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Zahlungen abzüglich der Fondsausschüttungen in Höhe von 8.797,71 € und Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme der Beklagten über 492,70 € jeweils nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung, des weiteren die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen und sie sich mit der Annahme ihres Angebots zur Abtretung der Fondsbeteiligung in Verzug befinde. Äußerst hilfsweise begehren sie wegen der fehlenden Gesamtbetragsangabe im Darlehensvertrag die Rückzahlung des Disagios in Höhe von 1.789,52 € nebst Zinsen und die Feststellung, dass ihre den gesetzlichen Zinssatz von 4% übersteigenden Zinszahlungen auf die Hauptforderung zu verrechnen seien. Höchst hilfsweise verlangen sie von der Beklagten die Neuberechnung der von ihnen geleisteten Teilzahlungen unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 4% p.a. und die Erstattung danach zuviel bezahlter Zinsen sowie die Feststellung, auch nach dem 30. Januar 2008 lediglich Zinsen in Höhe von 4% p.a. zu schulden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und wendet unter anderem ein, die Kläger müssten sich jedenfalls die ihnen zugeflossenen Steuervorteile über 8.614,99 € anrechnen lassen.
- 7
- Das Landgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 4.954,42 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung verurteilt und die Feststellungen ausgesprochen , dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen und sie sich mit der Annahme des Angebots der Kläger zur Abtretung der Rechte aus der Fondsbeteiligung in Verzug befinde. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat es dem Zahlungsanspruch in Höhe von 8.797,71 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsbeteiligung und der Rechte aus dem Treuhandvertrag stattgegeben; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Den Klägern stehe kein Rückzahlungsanspruch wegen Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG a.F. zu. Eine mögliche Nichtigkeit des Vertrages wegen fehlender Gesamtbetragsangabe sei nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F. geheilt worden, weil die Auszahlung der Darlehensvaluta auf Weisung der Kläger erfolgt sei. Die Kläger könnten ihr Begehren auch nicht im Wege des Rückforderungsdurchgriffs auf einen Schadensersatzanspruch gegen die Fondsinitiatoren stützen, weil sie eine arglistige Täuschung seitens der Fondsinitiatoren oder Gründungsgesellschafter nicht dargetan hätten.
- 11
- Die Kläger hätten aber ihre Darlehensvertragserklärung nach § 1 Abs. 1 HWiG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) wirksam widerrufen. Der Vertragsabschluss beruhe auf einem Hausbesuch des Vermittlers. Die Kläger hätten den Vertrag noch im Dezember 2005 widerrufen können, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei und daher die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt habe. Zwar führe der Zusatz, dass auch die finanzierten verbundenen Geschäfte im Falle eines Widerrufs nicht zustande kommen, nicht zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung. Diese genüge den Anforderungen aber deshalb nicht, weil der Fristbeginn nicht eindeutig bestimmt sei. Der Zusatz "frühestens" verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot. Der Hinweis auf den Fristbeginn ab Erhalt der gegengezeichneten Ausfertigung sei überdies rechtlich unzutreffend. Aufgrund dessen könnten die Kläger von der Beklagten die Rückabwicklung des gesamten Geschäfts verlangen, weil Fondsbeitritt und Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft darstellten. Die Kläger müssten sich auf ihren Rückgewähranspruch die erzielten Steuervorteile nicht anrechnen lassen, weil es durch die Rückabwicklung des Darlehensvertrages zu einem steuerlich relevanten Werbungskosten- rückfluss komme. Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten bestehe nicht.
II.
- 12
- Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 13
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entspricht die den Klägern erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG a.F.
- 14
- Der a) mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen , darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. Zulässig sind diesem Zweck entsprechend allerdings Ergänzungen , die ihren Inhalt verdeutlichen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991 m.w.Nachw.). Hierzu gehört etwa der Zusatz in einer Widerrufsbelehrung, dass im Falle des Widerrufs einer Darlehensvertragserklärung auch der verbundene Kaufvertrag nicht wirksam zustande kommt (Senat BGHZ 172, 157, 162 ff. Tz. 14 ff.; Urteil vom 11. März 2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828, 829 Tz. 14 ff.). Nicht zulässig sind Erklärungen, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken (BGH, Urteile vom 8. Juli 1993 - I ZR 202/91, WM 1993, 1840, 1841 und vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991) oder aber gemessen am Haustürwiderrufsgesetz einen unrichtigen Inhalt haben, wie etwa der Zusatz, der Widerruf gelte als nicht erfolgt, wenn das Darlehen nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde (Senat BGHZ 172, 157, 161 f. Tz. 13 m.w.Nachw.).
- 15
- b) Nach diesen Maßstäben ist die den Klägern erteilte Widerrufsbelehrung über den Beginn der Widerrufsfrist nicht unwirksam.
- 16
- aa) Der Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist ist Teil des gedruckten Textes und stellt sich nach der gesamten Gestaltung des Vertragsvordruckes als "vorformuliert" im Sinne des § 1 AGBG dar. Als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten muss der Hinweis danach beurteilt werden, welche Bedeutung ihm aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1982 - VIII ZR 115/81, WM 1982, 1027, 1028). Aus der Sicht der hier interessierenden durchschnittlichen Kunden sollte die Widerrufsfrist frühestens mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung beginnen, nicht jedoch vor Erhalt der von der Beklagten gegengezeichneten Darlehensvertragsurkunde.
- 17
- Der bb) hierdurch hinausgeschobene Beginn der Widerrufsfrist stimmt zwar mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG a.F., nach dem für den Fristbeginn die Aushändigung der schriftlichen Widerrufsbelehrung maßgeblich ist, nicht überein. Dies ist aber unschädlich. Mit der Unterschrift unter die Widerrufsbelehrung haben die Parteien zugleich eine Verlängerung der Widerrufsfrist vereinbart, was - weil zugunsten des Verbrauchers - zulässig ist (vgl. MünchKommBGB/Masuch 5. Aufl. § 355 Rdn. 4; MünchKommBGB/Ulmer 3. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 16; Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl. § 355 Rdn. 2, 11; Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl. § 1 HWiG Rdn. 2; Staudinger/Kaiser, BGB Neubearbeitung 2004 § 355 Rdn. 65; Staudinger/O. Werner, BGB Neubearbeitung 1998 § 5 HWiG Rdn. 38; Erman/Saenger, BGB 10. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 6; Bülow, Verbraucherkreditgesetz 4. Aufl. § 7 Rdn. 88). Das Hinausschieben des Beginns der Widerrufsfrist entspricht dem Interesse des Kunden, weil erst dann für ihn klar ist, dass der Vertrag zustande gekommen ist. Dass die Verlängerung der Widerrufsfrist und die Belehrung über diese in einem Akt zusammenfallen, berührt die Ordnungsgemäßheit der Belehrung nicht.
- 18
- Für die Wirksamkeit der Vereinbarung über den Beginn der Widerrufsfrist spricht wesentlich, dass der Verbraucher bei einem Verbraucherdarlehensvertrag andernfalls stets zwei Widerrufsbelehrungen mit einem unterschiedlichen Fristbeginn erhalten müsste. Auch wenn in § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F. - anders als noch in § 1b Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 1a Abs. 2 AbzG und nunmehr wieder in § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB - der Fristbeginn nicht ausdrücklich an die Aushändigung der Vertragsurkunde geknüpft war, setzte der Fristbeginn neben der Aushändigung der Widerrufsbelehrung auch die Übergabe einer Abschrift der Vertragsur- kunde i.S. des § 4 Abs. 3 VerbrKrG voraus. Denn der Verbraucher kann die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht nur wahrnehmen, wenn der Bezugsgegenstand seiner Überlegung, der Kreditvertrag, vorliegt (MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. § 7 VerbrKrG Rdn. 24; Palandt/ Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 361a Rdn. 15; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearbeitungen 1998 und 2001 § 7 VerbrKrG Rdn. 41; Bülow, Verbraucherkreditgesetz 4. Aufl. § 7 Rdn. 108). Im Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes dagegen ist die Aushändigung der Vertragsurkunde nicht Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist, weil ein in einer Haustürsituation geschlossener Vertrag nicht stets der Schriftform bedarf. Dass diese Rechtslage für den rechtsunkundigen Verbraucher verwirrend ist, liegt auf der Hand. Um dies zu vermeiden, ist ein Gleichlauf der Widerrufsfristen sinnvoll (vgl. Senat BGHZ 172, 157, 163 Tz. 16 zum Hinweis auf die Folgen des Widerrufs für das verbundene Geschäft).
- 19
- cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Formulierungszusatz "frühestens" nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG a.F. Aus dem Zusammenhang wird klar, dass für den Fristbeginn die Aushändigung der Belehrung maßgeblich ist, es sei denn, die Darlehensvertragsurkunde wird erst zu einem späteren Zeitpunkt übergeben. Nur dann beginnt die Widerrufsfrist erst mit dem Erhalt der Urkunde. Angesichts dessen ist der Zusatz auch nicht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft gemeint hat, geeignet, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers von den übrigen Teilen der Widerrufsbelehrung abzulenken. Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung wird der Verbraucher durch die Verwendung des Wortes "frühestens" auch nicht über die für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblichen Ereignisse im Unklaren gelassen. In der Widerrufsbelehrung wird der Verbraucher zunächst über die Möglichkeit des Widerrufs seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung binnen einer Frist von einer Woche informiert; der nachfolgende Absatz enthält sodann den Hinweis auf deren Beginn.
- 20
- dd) Gegen die Ordnungsgemäßheit der Belehrung lässt sich auch nicht einwenden, dass die Widerrufsbelehrung - falls die Aushändigung der Darlehensvertragsurkunde erst Wochen oder Monate nach der Belehrung erfolgt - beim Verbraucher in Vergessenheit geraten könnte. In einem solchen Fall ist der Verbraucher bereits nach § 146 BGB nicht mehr an seinen Vertragsantrag gebunden, weil der Unternehmer den Antrag nicht nach § 147 Abs. 2 BGB rechtzeitig angenommen hätte. Vielmehr wäre dessen Annahme gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag zu werten, den der Verbraucher annehmen müsste. Über sein Widerrufsrecht müsste er dann erneut belehrt werden, weil sich in diesem Fall die ursprüngliche Belehrung als vorherige Belehrung darstellen würde und unwirksam wäre (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991 m.w.Nachw.).
- 21
- 2. Die einwöchige Widerrufsfrist begann danach mit Erhalt der von der Beklagten übersandten Ausfertigung des Darlehensvertrags und war bei Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger am 21. Dezember 2005 bereits abgelaufen.
III.
- 22
- Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
- 23
- Entgegen 1. der Revisionserwiderung ist die Widerrufsbelehrung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie im unteren Teil des Formulars eine von den Klägern zu unterzeichnende Empfangsbestätigung enthält. Die Empfangsbestätigung stellt im Verhältnis zur Widerrufsbelehrung keine andere Erklärung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F., sondern eine eigenständige Erklärung dar.
- 24
- a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F. darf die Belehrung keine andere Erklärung enthalten. Dies gebietet aber nicht, dass die Widerrufsbelehrung in einer gesonderten Urkunde enthalten sein muss. Es genügt, wenn sich die Belehrung vom übrigen Vertragstext klar und übersichtlich abhebt und die drucktechnische Gestaltung deutlich erkennen lässt, dass die gesonderte Unterschrift sich auf die Belehrung über das Widerrufsrecht bezieht (vgl. BGHZ 126, 56, 60 f.; MünchKommBGB/Ulmer 3. Aufl. § 2 HWiG Rdn. 8; Staudinger/O. Werner, BGB Neubearbeitung 1998 § 2 HWiG Rdn. 38; Erman/Saenger, BGB 10. Aufl. § 2 HWiG Rdn. 4). Schließt sich an die Widerrufsbelehrung ein weiterer Text - wie hier eine Empfangsbestätigung - an, kommt es darauf an, ob für den durchschnittlichen Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Vertragsurkunde der Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine einheitliche, ihrem Inhalt nach näher bestimmte Widerrufsbelehrung, und deshalb geeignet ist, von der Widerrufsbelehrung als solcher abzulenken (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - I ZR 202/91, WM 1993, 1840, 1841).
- 25
- b) Nach diesen Maßstäben ist die Empfangsbestätigung kein (unzulässiger ) Bestandteil der Widerrufsbelehrung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F., sondern eine eigenständige Erklärung. Widerrufsbelehrung und Empfangsbestätigung sind horizontal und durch einen Querstrich räumlich deutlich voneinander getrennt; der Charakter zweier eigenständiger Erklärungen wird durch die jeweils gesondert zu leistenden Unterschriften deutlich (vgl. zur Abgrenzung auch BGHZ 119, 283, 296 ff.; BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 aaO; OLG Stuttgart WM 1991, 64, 66 und NJW-RR 1995, 114). Unter diesen Umständen ist die Empfangsbestätigung nicht geeignet, dem Verbraucher die Voraussetzungen und Folgen seines Widerrufsrechts zu verschleiern oder ihn in sonstiger Weise von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten.
- 26
- 2. Auch der Zusatz, dass im Falle des Widerrufs der Darlehensvertragserklärung auch "die finanzierten verbundenen Geschäfte" nicht wirksam zustande kommen, ist keine unzulässige andere Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F., wenn - was nach den nicht angegriffenen, fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall ist - der Fondsbeitritt und der seiner Finanzierung dienende Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft i.S. des § 9 Abs. 1 VerbrKrG bilden (Senat BGHZ 172, 157, 161 ff. Tz. 11 ff.; Senatsurteile vom 11. März 2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828, 829 Tz. 11 ff. und vom 11. November 2008 - XI ZR 269/06, WM 2009, 65, 66 Tz. 11). Dass der mit dem Darlehensvertrag verbundene Vertrag in dem Zusatz zur Widerrufsbelehrung nicht konkret bezeichnet ist, ist unschädlich; auf die genaue rechtliche Qualifikation und Bezeichnung des verbundenen Anlagegeschäfts kommt es nicht entscheidend an (Senatsurteil vom 11. November 2008 aaO, Tz. 12). Da die Darlehensvaluta nach dem Darlehensvertrag zur Finanzierung des Fondsanteils gewährt wurde, war für die Kläger klar, dass mit dem verbundenen Geschäft nur die treuhänderische Fondsbeteiligung gemeint sein konnte.
- 27
- Anders als die Revisionserwiderung meint, ergibt sich etwas anderes auch nicht aus dem von den Klägern unterzeichneten Zusatzformular "Besondere Erklärung", in dem die Beklagte auf das sogenannte Aufspaltungsrisiko , d.h. ein unterschiedliches Schicksal von Darlehensvertrag und Fondsbeitritt hinweist. Selbst wenn der Inhalt dieses Formulars bei den Klägern Zweifel an ihren Rechten erweckt haben sollte, führt dies nicht zur Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung. Der darin enthaltene zutreffende Zusatz, dass im Falle des Widerrufs auch das finanzierte verbundene Geschäft nicht wirksam zustande kommt, ist vielmehr geeignet, solche Zweifel wieder zu zerstreuen und den Verbraucher in die Lage zu versetzen, mit dem Widerruf des Darlehensvertrages auch das verbundene Geschäft zu Fall zu bringen. Bei dieser Sachlage wäre eine Widerrufsbelehrung ohne den Zusatz hinsichtlich des verbundenen Geschäfts sogar eher geeignet gewesen, die Kläger von der Wahrnehmung des Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. KG WM 2008, 401, 404).
- 28
- 3. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht einen Rückzahlungsanspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB wegen Heilung des sich aus dem Fehlen einer Gesamtbetragsangabe ergebenden Formmangels (§ 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F.) und einen Schadensersatzanspruch aus einem eigenen Aufklärungsverschulden der Beklagten verneint hat, werden von den Klägern - etwa im Wege der Gegenrüge - nicht angegriffen und lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
IV.
- 29
- Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 30
- Berufungsgericht Das wird über die Hilfsanträge der Kläger auf Rückzahlung des Disagios und auf Neuberechnung der von ihnen auf den Darlehensvertrag geleisteten Teilzahlungen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG a.F. zu befinden haben. Der formularmäßige Darlehensvertrag weist lediglich den für die Zeit der Zinsfestschreibung berechneten Teilbetrag aus. Damit fehlt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei der hier vorliegenden sogenannten unechten Abschnittsfinanzierung an der erforderlichen Gesamtbetragsangabe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. (Senatsurteile BGHZ 159, 270, 274 ff. und vom 9. Mai 2006 - XI ZR 119/05, WM 2006, 1243, 1246 m.w.Nachw.). Aufgrund dessen schulden die Kläger der Beklagten statt des vereinbarten Vertragszinses für die gesamte Vertragslaufzeit, nicht nur für die Zinsfestschreibungsperiode, lediglich den gesetzlichen Zinssatz von 4% p.a. (Senatsurteil vom 14. September 2004 - XI ZR 11/04, WM 2004, 2306, 2309). § 6 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG a.F. gewährt ihnen ferner einen Anspruch auf Neuberechnung der Höhe der im Darlehensvertrag vereinbarten Teilzahlungen mit dem gesetzlichen Zinssatz (Senatsurteil vom 9. Mai 2006 aaO). Auf dieser Grundlage können sie - wie von ihnen im Wege der Stufenklage geltend gemacht - die Beklagte auf Rückzahlung überzahlter Zinsen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Anspruch nehmen (Senatsurteile BGHZ 159, 270, 279 und vom 9. Mai 2006 aaO), soweit der Bereicherungsanspruch nicht etwa gemäß § 197 BGB a.F. verjährt ist. Auch soweit die Kläger mit ihrem vorrangig gestellten Hilfsantrag die Rückzahlung des Disagios beanspruchen (dazu Senatsurteile vom 4. April 2000 - XI ZR 200/99, WM 2000, 1243 ff. und vom 14. September 2004 - XI ZR 11/04, WM 2004, 2306, 2308), wird sich das Berufungsgericht mit der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede befassen müssen. Auf den Rückzahlungsanspruch, der zunächst der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung unterlag (vgl. Senatsurteil vom 14. September 2004 aaO), findet ab dem Stichtag des 1. Januar 2002 gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die regelmäßige , kenntnisabhängige Verjährung der §§ 195, 199 BGB Anwendung (Senat BGHZ 171, 1, 6 ff. Tz. 17 ff.). Zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, für deren Vorliegen die Beklagte als Schuldnerin die Darlegungs- und Beweislast trägt (Senat BGHZ 171, 1, 10 f. Tz. 32), hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies wird es - nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag gegeben hat - nachzuholen haben.
Grüneberg Maihold
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 09.11.2006 - 6 O 524/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.02.2008 - 31 U 51/07 -
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 22. August 2014 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2 3A)
4Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags nach einem von den Klägern erklärten Widerruf des Darlehensvertrags. Diesen schlossen die Parteien am 09.02.2006 in einer Geschäftsstelle der Beklagten. Der Darlehensvertrag über eine Summe von 143.000 € diente den Klägern zum Erwerb der Immobilie C-Straße in C. Dem Darlehensvertrag ist auf einem gesonderten Blatt eine Widerrufsbelehrung beigefügt, wegen deren Einzelheiten der Senat Bezug nimmt auf GA 14 d.A. Das Darlehen erhielten die Kläger Ende März 2006 abzüglich eines Bearbeitungsentgeltes/CAP-Prämie i.H.v. 1.430 € und einer Wertermittlungsgebühr i.H.v. 400 € i.H.v. 141.170 € ausbezahlt. Ab April 2006 bis Ende August 2012 erbrachten die Kläger die vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von monatlich 782,71 €. Die Zinsbindungsfrist betrug 7 Jahre. Da die Kläger den Vertrag wegen Arbeitslosigkeit des Klägers danach nicht mehr bedienen konnten, wurde die Immobilie am 28.02.2013 wieder veräußert. Die Beklagte erklärte sich mit einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 11.192,62 € und eines Bearbeitungsentgelts i.H.v. 300 € einverstanden. Sie erhielt Ende April 2013 aus dem Hausverkauf insgesamt 138.800 €, von denen sie den Klägern im Mai 2013 überzahlte 3.771,06 € zurückerstattete.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.06.2013 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung vom 09.02.2006 und forderten die Beklagte auf, bis zum 05.07.2013 15.079,54 € an sie zu zahlen. Dies lehnte die Beklagte ab und zahlte lediglich das von den Klägern gezahlte Bearbeitungsentgelt i.H.v. 300 € an diese zurück.
6Die Kläger sind der Auffassung, sie hätten ihre Willenserklärung vom 09.02.2006 auch am 21.06.2013 noch widerrufen können, da die dem Darlehensvertrag beigefügte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Der übliche Zinssatz für Baufinanzierungsdarlehen mit achtjähriger Laufzeit habe damals nur bei 3,36 % gelegen.
7Unter Berücksichtigung üblicher Zinsen i.H.v. 29.549,52 €, des an sie ausgezahlten Darlehens i.H.v. 141.170 € und der von ihnen erbrachten Leistungen i.H.v. insgesamt 199.068,67 € stehe ihnen ein Zahlungsanspruch i.H.v. 24.578,09 € zu.
8Die Kläger haben beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 24.578,09 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2013 zu zahlen;
102. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.493,21 € zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei unwirksam. Die Kläger seien ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Nach beiderseitiger Erfüllung sämtlicher Vertragspflichten sei der Widerruf ins Leere gegangen, zumindest aber verwirkt. Der vertraglich vereinbarte Zins habe den durchschnittlichen Marktzins seinerzeit nur um 0,3 % überstiegen (GA 117). Dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beglichen haben, hat die Beklagte bestritten.
14Wegen des weitergehenden Sachvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
15Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
16Mit dieser Entscheidung sind die Kläger nicht einverstanden. Sie sind der Auffassung, dass die Beklagte sie auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs habe belehren müssen. Das Landgericht habe sich insoweit rechtsfehlerhaft auf § 355 Abs. 1 BGB a.F. beschränkt, ohne sich mit § 355 Abs. 2 BGB a.F. auseinandergesetzt zu haben. Das Muster gemäß Anl. 2 zu § 14 BGB Informationspflichten-Verordnung spreche ausdrücklich im Hinblick auf § 346 BGB von beiderseits empfangenen Leistungen und darüber hinaus auch von den beiderseits gezogenen Nutzungen. Dies verdeutliche, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs zu belehren sei.
17Die Kläger beantragen,
18das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22.08.2014, Az. 1 O 268/13 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.578,09 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2013 zu zahlen;
19Die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.493,21 € zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
22Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Tatsachenvortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
23Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
24B)
25Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 346 BGB auf Zahlung des von ihnen verlangten Betrags i.H.v. 24.578,09 € zu.
26I. Im Zeitpunkt des Widerrufs des Darlehensvertrags am 21.06.2013 war das den Klägern ursprünglich zustehende Widerrufsrecht gemäß §§ 491 I, 495 I BGB infolge Fristablaufs gemäß § 355 Absatz 1 S. 2 BGB erloschen. Gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 1. HS 1 BGB muss der Widerruf innerhalb einer Frist von 2 Wochen gegenüber dem Unternehmer erklärt werden, wobei gemäß § 355 Absatz 1 S. 2 Halbsatz 2 zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genügt. Diese Frist haben die Kläger nicht eingehalten.
27II. Entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung genügte die im vorliegenden Fall von der Beklagte verwendete Widerrufserklärung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1, 3 BGB a. F.
28Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittel seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen enthält, gegen über dem der Widerruf zu erklären ist sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Abs. 1 S. 2 BGB. Handelt es sich bei dem Vertrag – wie im vorliegenden Fall – um einen Verbraucherdarlehensvertrag (§ 492 Abs. 1 BGB a.F.), der schriftlich abzuschließen ist, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.). Diesen Anforderungen entsprach die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung.
291. Die dem Darlehensvertrag beigelegte Widerrufsbelehrung entsprach dem Deutlichkeitsgebot. Sie war auf einem gesonderten Blatt abgedruckt und mit fetter Schrift und unterstrichen gedruckter Überschrift „Widerrufsbelehrung“ übertitelt. Ferner waren die einzelnen Passagen jeweils gesondert mit in fett gedruckter Schrift geschriebenen Überschriften versehen. Die einzelnen Absätze waren darüber hinaus durch die Zwischenüberschriften textlich untergliedert.
302. Die Belehrung entsprach auch inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, der Beginn der Widerrufsfrist sei in der Widerrufsbelehrung unzutreffend dargestellt. Dort heißt es:
31„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir
32• Ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
33• Eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs“.
34Diese Hinweise entsprechen der gesetzlichen Regelung in § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. Die Belehrung ist entgegen der Darstellung der Kläger hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist unmissverständlich.
353. Entgegen der Auffassung der Kläger war eine Belehrung über die Rechtsfolgen eines Widerrufs nach § 355 Abs. 1 BGB entbehrlich. Insbesondere berufen sich die Kläger insoweit zu Unrecht auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 12.04.2007, VII ZR 122/06, und vom 18.10.2004, II ZR 352/02. Insoweit verkennen die Kläger, dass diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils Haustürgeschäfte im Sinne des § 312 BGB betrafen. Für solche Geschäfte sah § 312 Abs. 2 BGB a.F. ausdrücklich vor, dass in der erforderlichen Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinzuweisen ist. Demzufolge findet sich auch in der einschlägigen Literatur kein Hinweis darauf, dass bei anderen als Haustürgeschäften in der Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des Widerrufs hinzuweisen war (vgl. statt aller Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 355 Rz. 13-20). Ein Haustürgeschäft lag hier nicht vor. Der Darlehensvertrag wurde vielmehr – was unstreitig ist – in der Geschäftsstelle der Beklagten am 09.02.2006 geschlossen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte erst nach Ablauf der Widerrufsfrist und zwar Ende März 2006. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Behauptung der Kläger, die Widerrufsbelehrung betreffend die Sicherungszweckerklärung und die Widerrufsbelehrung betreffend den Abschluss des Darlehensvertrags hätten vertauscht sein können. Die Kläger verkennen in diesen Zusammenhang, dass es in der vorliegenden Widerrufsbelehrung unter der Überschrift Widerrufsrecht ausdrücklich heißt, dass „ich (bin) an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der D AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden (bin), wenn ich sie binnen 2 Wochen widerrufe“.
364. Unverständlich ist der Hinweis der Kläger auf § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. § 1 BGB-InfoV betrifft Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen. Einen solchen Vertrag hatten die Kläger nicht geschlossen, weshalb die genannte Regelung für die Auslegung des §§ 355 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung ist. Der Hinweis auf die aktuell gültige Regelung des §§ 356 Abs. 3 BGB ist für den vorliegenden Sachverhalt ebenfalls unerheblich. Denn die Kläger haben den Darlehensvertrag im Jahr 2006 geschlossen.
375. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die streitgegenständliche Belehrung jedenfalls nicht grundsätzlich irreführend ist. Bei einem widerrufenen Realkredit hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nebst marktüblicher Verzinsung zu erstatten, wohingegen der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die ausgezahlte Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung zurückzuzahlen hat. Der Hinweis in der Widerrufsbelehrung, dass der Darlehensnehmer, soweit er den Vertrag widerruft, die empfangene Leistung an die Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartner zurückzugewähren und der Bank bzw. dem jeweiligen Kooperationpartner die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herauszugeben hat, trifft im Ergebnis zu. Nach Auszahlung der Darlehensvaluta verbleibt auch nach dem Beginn von Zins- und Tilgungsleistungen nach erfolgter Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ein Anspruch der Bank auf Erstattung der restlichen Darlehnsvaluta zuzüglich Zinsen.
38III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Z. 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger begehren die Feststellung, aus einem Darlehen, das ihnen die beklagte Bank zur Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gewährt hat, zu keinen Zahlungen mehr verpflichtet zu sein. Darüber hinaus verlangen sie die Rückabtretung von sicherungshalber abgetretenen Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
- 2
- Die Kläger wurden im Jahre 1994 von einem Vermittler geworben, sich an dem " Immobilien-Fonds Nr. " (G. GbR ) - im Folgenden: Fondsgesellschaft - zu beteiligen. Mit dem Vermittler hatten sie eine vom 3. Dezember 1994 datierende "Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung" geschlossen. Mit notariell beurkundeter Beitrittserklärung vom 13. Dezember 1994 erklärten sie den Eintritt in die Fondsgesellschaft mit einer drei Fondsanteilen entsprechenden Kapitalbeteiligung von 91.950 DM. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts schlossen sie am 13./20. Dezember 1994 mit der Beklagten einen formularmäßigen Darlehensvertrag über 105.720 DM, der eine Widerrufsbelehrung mit unter anderem folgendem Inhalt enthielt: "Hat der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht binnen zweier Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt."
- 3
- Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs traten die Kläger ihre Rechte aus zwei Lebensversicherungsverträgen an die Beklagte ab und verpfändeten zudem ihre Geschäftsanteile an der Fondsgesellschaft.
- 4
- Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist aus dem Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 vereinbarten die Parteien unter dem 12. Oktober/ 15. Dezember 2004 einen geänderten Zinssatz für die Zeit ab dem 1. Januar 2005. Bereits am 16. Dezember 2003 hatten die Kläger eine ihnen von der Beklagten zugeleitete "Nachträgliche Widerrufsbelehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB" unterzeichnet, die unter anderem lautet: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (…) Widerrufsfolgen (…) Finanzierte Geschäfte Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. (…). Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert , gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. (…) Nicht paketversandfähige Ware wird bei Ihnen abgeholt. (…)."
- 5
- Mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerriefen die Kläger den "Darlehensvertrag" unter anderem nach dem Haustürwiderrufsgesetz.
- 6
- Mit ihrer Klage machen sie geltend, in einer Haustürsituation durch den Vermittler zum kreditfinanzierten Erwerb der Fondsbeteiligung bestimmt worden zu sein. Weder die ursprüngliche Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 noch die von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete nachträgliche Belehrung entsprächen den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Ihre Widerrufserklärung sei daher nicht verfristet. Darüber hinaus tragen sie vor, durch evident falsche Angaben zu den Flächen und den Mieterträgen des Fondsobjekts, zur Innenprovision sowie zur Mietgarantiegebühr getäuscht worden zu sein, weshalb ihnen ein Schadensersatzanspruch zustehe, den sie auch der Beklagten entgegen halten könnten.
- 7
- Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vermittlers, des Zeugen O. , der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Die Kläger hätten ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerrufen. Zu diesem Widerruf seien sie nach §§ 1 HWiG, 312, 355 BGB berechtigt gewesen, da sie - wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend und ohne Beweiswürdigungsfehler festgestellt habe - in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden seien. Insoweit reiche es aus, dass die in der Privatwohnung der Kläger geführten mündlichen Verhandlungen für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages mitursächlich gewesen seien, auch wenn der Vertrag selbst nicht in der Wohnung unterzeichnet worden sei und anlässlich des ersten Besuchstermins des Vermittlers in der Wohnung der Kläger auch die Fondsbeteiligung nicht unterzeichnet worden sei. Der geringe zeitliche Abstand von 10 Tagen zwischen der Vorstellung des Fonds Nr. bei den Klägern und dem von ihnen am 13. Dezember 1994 unterzeichneten Darlehensvertrag indiziere das Fortwirken der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages.
- 11
- Im Ergebnis zutreffend habe das Landgericht darüber hinaus die Widerrufserklärung der Kläger vom 20. Juni 2008 nicht für verfristet erachtet, da mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
- 12
- Die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung sei aus mehreren Gründen fehlerhaft und daher nicht geeignet gewesen, die einmonatige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB in Lauf zu setzen. Zwar sei gemäß § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine Nachbelehrung auch für einen Altvertrag, der - wie vorliegend - aus der Zeit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stamme, möglich gewesen. Die tatsächlich erteilte Nachbelehrung sei aber aus mehreren Gründen nicht wirksam erfolgt.
- 13
- Bereits das Landgericht habe, wenn auch nur im Ergebnis zutreffend, angenommen, dass die nachträgliche Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Frist- beginns fehlerhaft sei. Die Fehlerhaftigkeit folge zwar noch nicht daraus, dass aus der Belehrung die Wirkung des § 187 Abs. 1 BGB nicht hervorgehe, wonach eine Frist, für deren Anfang auf ein Ereignis abzustellen sei, frühestens am folgenden Tage beginne. Wenngleich der Inhalt einer Widerrufsbelehrung nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein und den Fristbeginn umfassen müsse, dürften an die Belehrung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Als ausreichend sei es anzusehen, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benenne, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöse, das heißt hier die Aushändigung der Belehrung in Textform. Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB sei nicht erforderlich.
- 14
- Allerdings sei die Formulierung in der nachträglichen Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 hinsichtlich der notwendigen Belehrung über das den Fristbeginn auslösende Ereignis insoweit zu ungenau, als es dort heiße, die Frist beginne "frühestens" mit Erhalt der Belehrung in Textform. Diese Formulierung sei zu ungenau, um dem Verbraucher den Fristbeginn deutlich vor Augen zu führen, da hieraus nicht entnommen werden könne, dass die Widerrufsfrist hier nicht nur "frühestens" an dem betreffenden Tag zu laufen beginne, sondern der Fristenlauf tatsächlich ausnahmslos mit dem Erhalt der Belehrung in Gang gesetzt werden solle. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang für ihren gegenteiligen Standpunkt auf verschiedene höchst- und obergerichtliche Entscheidungen berufe, stünden diese den dargelegten Bedenken nicht entgegen , weil sie sämtlich mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar seien.
- 15
- Die nachträgliche Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 sei aber auch noch aus anderen Gründen unwirksam. So fehle es an dem nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis, dass die Frist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde , sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB sei gemäß Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB auf die vom 16. Dezember 2003 datierende Nachbelehrung anwendbar. Außerdem folge die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung daraus, dass die Kläger darin entgegen § 358 Abs. 5 BGB nicht auf die sich aus § 358 Abs. 1 BGB ergebenden Widerrufsfolgen hingewiesen worden seien. Vorliegend seien die Kläger nur darüber belehrt worden, dass der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zu einer Beendigung der Bindung an den Beitrittsvertrag führe, nicht aber auch umgekehrt darüber, dass ein wirksamer Widerruf der Beitrittserklärung die Bindung an das Darlehen beende.
- 16
- Die den Klägern ursprünglich bei Abschluss des Darlehensvertrages vom 13. Dezember 1994 erteilte Widerrufsbelehrung habe ebenfalls keine Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Die darin enthaltene Belehrung, wonach dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen habe, der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn er das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahle, enthalte einen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG unzulässigen und unrichtigen Zusatz.
- 17
- Da es mithin insgesamt an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gegenüber den Klägern fehle, sei die Widerrufsfrist niemals wirksam in Lauf gesetzt worden.
- 18
- Dabei werde nicht verkannt, dass die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung wörtlich der unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV abgedruckten Musterbelehrung in der im Jahre 2003 geltenden Fassung entsprochen habe und § 14 BGB-InfoV eine Fiktion dahingehend enthalte , dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs genüge, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt werde. Dies könne aber nicht gelten, wenn die Musterbelehrung, wie auch hier, hinter den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe. Wenngleich der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden, hier also der Beklagten, Berücksichtigung verdiene, dürfe sich dies nicht zu Lasten des Verbrauchers auswirken, was aber der Fall sei, wenn eine tatsächlich unzutreffende Widerrufsbelehrung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als zutreffend fingiert werde. Denn auch das - umgekehrte - Vertrauen des Verbrauchers darauf , dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verordnungsgeber herabgesetzt werden könnten, sei gleichermaßen schützenswert. Insoweit sei der auch in anderen Teilen der Rechtsprechung sowie im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen, dass der Verordnungsgeber keine Ermächtigung zur Abänderung der Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs als höherrangigem Recht besitze. Soweit die Musterbelehrung hinter den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe, sei sie deshalb wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage nichtig. Vertrauensschutz in Bezug auf eine höherrangiges Recht verletzende Norm könne nicht bestehen.
II.
- 19
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
- 20
- 1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Kläger i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden sind. Das angefochtene http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Urteil beruht insoweit weder auf einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf einer unzureichenden Berücksichtigung des Prozessstoffs (§ 286 ZPO).
- 21
- a) Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Kausalitätserwägungen außer Acht gelassen, dass auf der Grundlage der Bekundungen des vom Landgericht vernommenen Zeugen O. bereits vor dem 3. Dezember 1994 ein (erster) Hausbesuch des Vermittlers erfolgt sein müsse, auf den hinsichtlich des Fortwirkens der Haustürsituation abzustellen sei, zu dessen Zeitpunkt indes die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht näher vorgetragen hätten.
- 22
- aa) Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluss jedenfalls mit ursächlich ist. Es reicht aus, dass der Kunde durch die Kontaktaufnahme in der Privatwohnung in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1 HWiG und der Vertragserklärung ist nicht erforderlich, indiziert aber die Ursächlichkeit der Haustürsituation für den späteren Vertragsschluss. Die Indizwirkung für die Kausalität nimmt allerdings mit zunehmendem zeitlichem Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen , insbesondere dem nicht erfolgten Widerruf der auf den Fondsbeitritt gerichteten Willenserklärung im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung des konkreten Einzelfalls, die in der Revisi- onsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann (Senatsurteile vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 17 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 18).
- 23
- bb) Das Berufungsgericht ist danach mit Recht davon ausgegangen, dass für die Frage des Fortwirkens der Haustürsituation auf den - geringen - zeitlichen Abstand von lediglich zehn Tagen zwischen dem 3. Dezember 1994 einerseits und der Unterzeichnung des Darlehensantrags durch die Kläger am 13. Dezember 1994 andererseits abzustellen sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht insbesondere nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung.
- 24
- (a) Allerdings hatte nach dem Vortrag in der Klageschrift der Kläger den ihm persönlich bekannten Zeugen O. im November 1994 bei einem Volksfest in Ge. zufällig getroffen. Der Zeuge habe bei dieser Gelegenheit erklärt, er berate "auch zum Steuern sparen", und vorgeschlagen, anlässlich eines Hausbesuchs bei den Klägern zu überprüfen, ob bei den bestehenden Anlagen und Versicherungen vielleicht Verbesserungen möglich seien. Während des kurz darauf telefonisch für den 3. Dezember 1994 vereinbarten Termins bei den Klägern zu Hause sei die Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung unterzeichnet sowie unter anderem auf Vorschlag des Vermittlers ein Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung unterzeichnet worden, über die später die Rückzahlung des Darlehens habe erfolgen sollen. Nach Prüfung der Einkommensverhältnisse sei der Zeuge O. zum Thema "Steuern sparen" zu dem Ergebnis gekommen, dass man da "etwas machen" könne; unvermittelt habe er die Beteiligung an der Fondsgesellschaft durch Erwerb von drei Anteilen noch im Jahre 1994 vorgeschlagen. Am 13. Dezember 1994 sei zunächst der Darlehensvertrag nebst Abtretungserklärungen hinsichtlich der Lebensversicherungen in den Geschäftsräumen des Vermittlers unterzeichnet worden; hieran habe sich der Notartermin angeschlossen.
- 25
- (b) Abweichend hiervon hat der Zeuge O. , worauf die Revision im Ausgangspunkt zu Recht hinweist, anlässlich seiner Vernehmung durch das Landgericht auf Vorhalt des vom 3. Dezember 1994 datierenden Antrags des Klägers auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung bekundet, der betreffende Antrag sei zwar in der Tat an diesem Tage aufgenommen worden. Dann aber könne der 3. Dezember 1994 nicht der erste Termin bei den Klägern gewesen sein, da die Aufnahme solcher Anträge nicht anlässlich eines Ersttermins erfolgt sei. Vielmehr müsse der 3. Dezember 1994 der zweite Termin gewesen sein, dem ein erster Termin vorangegangen sein müsse, bei dem er eine Finanzdiagnose erstellt habe. Insgesamt habe es vor Abschluss des Darlehensvertrages in seinen - des Zeugen - Geschäftsräumen zwei Termine bei den Klägern zu Hause gegeben.
- 26
- (c) Aus dieser Abweichung im Tatsächlichen gegenüber der Sachdarstellung der Kläger folgt jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass für das Fortwirken der Haustürsituation auf den Abstand zwischen dem Darlehensvertragsschluss am 13. Dezember 1994 und dem in zeitlicher Hinsicht nicht weiter konkretisierten Ersttermin abzustellen ist.
- 27
- Selbst wenn nämlich mit dem Zeugen O. davon auszugehen sein sollte , dass dem Termin vom 3. Dezember 1994 ein früherer Hausbesuch vorausgegangen war, so verbleibt es doch auch auf der Grundlage seiner Bekundungen dabei, dass er den streitgegenständlichen Fonds erstmals anlässlich des Hausbesuchs am 3. Dezember 1994 angesprochen hat. Der Zeuge hat ausdrücklich ausgeschlossen, bei dem ersten Termin den Klägern den Erwerb von Anteilen am Fonds vorgeschlagen zu haben; dies sei erst im zweiten Termin, der ebenfalls bei den Klägern zu Hause stattgefunden habe, geschehen. Beim ersten Termin habe er sich lediglich "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Diesem ersten Termin sei keine konkrete Abrede, um was es hierbei detailliert gehen solle, vorausgegangen. Von der Firma Op. , für die er - der Zeuge - seinerzeit tätig gewesen sei und an die er die Finanzdiagnose weitergeleitet habe, sei dann die Mitteilung gekommen, dass ein Erwerb von Fondsanteilen durch die Kläger "machbar" sei, um ihnen Steuervorteile bzw. Mieteinnahmen zu verschaffen. Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht mit Recht für die Kausalität der Haustürsituation nicht auf einen etwaigen früheren Termin, sondern auf den Hausbesuch am 3. Dezember 1994 abgestellt, weil auch nach der Aussage des Zeugen O. - im Anschluss an noch völlig vage Erörterungen anlässlich des Ersttermins - erstmals bei dieser Gelegenheit konkrete Verhandlungen in Bezug auf eine bestimmte Beteiligung, nämlich den Fonds , stattfanden (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 23).
- 28
- b) Entgegen der Auffassung der Revision bietet die Aussage des Zeugen O. auch keine Grundlage anzunehmen, dass dem Hausbesuch am 3. Dezember 1994 eine vorangehende Bestellung des Vermittlers i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG (jetzt § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) durch die Kläger zugrunde lag, die zum Ausschluss des Widerrufsrechts führt. Eine vorhergehende Bestellung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sie den Gegenstand der Verhandlung hinreichend konkret bezeichnet und sich auf eine bestimmte Art von Leistungen bezieht, damit der Verbraucher in der Lage ist, sich auf das Angebot des Unternehmers vorzubereiten und nicht der für "Haustürsituationen" typischen "Überrumpelungsgefahr" ausgesetzt wird (Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 348/07, WM 2008, 1593 Rn. 19; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, WM 2010, 980 Rn. 15; jeweils mwN). Dass der Termin vom 3. Dezember 1994 "in dem Wissen, dass es nunmehr um eine Fondsanlageberatung gehen sollte" erfolgte, ist entgegen der Darstellung der Revision der Zeugenaussage gerade nicht zu entnehmen. Nach der Bekundung des Zeugen O. gab es vor dem von ihm geschilderten ersten Termin bei den Klägern http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001104305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 14 - - wenn überhaupt - eine allgemeine Abrede, dass "eine Steuerersparnis … untersucht" werden solle. Im ersten Termin hat der Zeuge sich seiner Aussage zufolge "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Die Anregung, den Klägern den Erwerb von Anteilenam Fonds vorzuschlagen, wurde erst anschließend aufgrund der "Finanzdiagnose" von der Firma Op. gegenüber dem Zeugen ausgesprochen und von diesem sodann in dem Termin vom 3. Dezember 1994 in die Tat umgesetzt. Die Annahme, die Kläger hätten sich mit diesem Hausbesuch in der Gewissheit einverstanden erklärt, dass dabei der Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds, geschweige denn an dem konkret betroffenen Fonds , erörtert werden würde, liegt auf dieser Tatsachengrundlage fern.
- 29
- 2. Zutreffend und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HWiG nicht mit Unterzeichnung der im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 enthaltenen Widerrufsbelehrung durch die Kläger am 13. Dezember 1994 in Gang gesetzt wurde und deshalb zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung am 20. Juni 2008 nicht abgelaufen war. Denn diese Widerrufsbelehrung enthielt insoweit einen unzulässigen Zusatz i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG, als danach der Widerruf des Darlehensvertrags als nicht erfolgt gilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt (st. Rspr., vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 24 mwN). Ob der Fondsbeitritt der Kläger, wozu entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung keine Feststellungen vorliegen, mit dem seiner Finanzierung dienenden Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung bildete und der Zusatz gemäß § 7 Abs. 3 VerbrKrG deshalb auch § 9 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG widersprach, kann hiernach dahinstehen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 15 -
- 30
- 3. Schließlich ist, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, durch die den Klägern nachträglich erteilte, von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete Widerrufsbelehrung auch nicht die einmonatige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der vom 1. August 2002 bis zum 7. Dezember 2004 geltenden Fassung in Gang gesetzt worden. Denn diese Nachbelehrung genügte nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.
- 31
- a) Allerdings ist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine nachträgliche Widerrufsbelehrung auch in Bezug auf - wie hier - vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) geschlossene Altverträge möglich (Senatsurteile vom 13. Juni 2006 - XI ZR 94/05, WM 2006, 1995 Rn. 13 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 25 mwN). Die Nachbelehrung unterliegt dabei denselben gesetzlichen Anforderungen wie eine rechtzeitige Belehrung. Sie muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 26; Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 10).
- 32
- b) Eine diesen Maßgaben entsprechende Nachbelehrung hat die Beklagte , wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht erteilt. Aufgrund dessen konnten die Kläger ihr Widerrufsrecht am 20. Juni 2008 nochwirksam ausüben.
- 33
- aa) Hierbei kann dahinstehen, ob der - von der Revision unter Hinweis darauf, dass vorliegend nicht eine beim Vertragsschluss erfolgende Erstbeleh- http://www.juris.de/jportal/portal/t/f6z/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - rung in Rede steht, bekämpften - Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, die den Klägern erteilte Nachbelehrung habe den nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis enthalten müssen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob sich die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auch aus einem entgegen § 358 Abs. 5 BGB fehlenden Hinweis auf die Widerrufsfolgen nach § 358 Abs. 1 BGB ergibt oder aber der vom Berufungsgericht vermisste Hinweis - wie die Revision meint - mit Rücksicht auf die unstreitig erfolgte notarielle Beurkundung des Fondsbeitritts (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 3 BGB) entbehrlich war.
- 34
- bb) Unzureichend war die den Klägern erteilte Nachbelehrung jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls eindeutig zu informieren ist (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 14 mwN). Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", belehrt den Verbraucher, wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" (Marx/Bäuml, WRP 2004, 162, 164; s. auch Dörrie, ZfIR 2002, 685, 690) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15, vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 17 - WM 2010, 2126 Rn. 21, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12 und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14).
- 35
- Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 13. Januar 2009 (XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 19, XI ZR 508/07, juris Rn. 17) nichts anderes. Soweit der erkennende Senat dort in der Verwendung des Formulierungszusatzes "frühestens" in einer Widerrufsbelehrung keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot gesehen hat, enthielten die betreffenden Belehrungstexte jeweils weitere klarstellende Zusätze über einen hinausgeschobenen Beginn der Widerrufsfrist ("jedoch nicht bevor …"). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 15).
- 36
- c) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959) ist der Beklagten schon deshalb verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Darstellung der Revision - gegenüber den Klägern für die Nachbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Revision zutrifft, die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der hier geltenden ursprünglichen Fassung begründe einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders mit der Folge, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302572010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 18 -
- 37
- aa) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteile vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21; Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15). Ob das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang offen gelassen (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.
- 38
- bb) Die den Klägern erteilte formularmäßige Nachbelehrung der Beklagten entspricht, wie der Senat durch einen Vergleich beider Texte ohne Weiteres selbst feststellen kann, ihrem Wortlaut nach nicht in jeder Hinsicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der seinerzeit geltenden Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-InformationspflichtenVerordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959). Zum einen enthält Satz 2 des mit "Widerrufsrecht" überschriebenen ersten Abschnitts der Nachbelehrung am Ende - nach den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung" - den Zusatz "in Textform", der in der hier maßgeblichen Ursprungsfassung der Musterbelehrung noch nicht vorhanden war; Satz 2 endete dort vielmehr mit den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung". Den zusätzlichen Passus "in Textform" enthielt die Musterbelehrung erstmals in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4. März 2008 (BGBl. I S. 292, 293). Zum anderen befinden sich, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, zwei weitere textliche Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung in dem mit "Finanzierte Geschäfte" überschriebenen Teil der Nachbelehrung. So fehlt im zweiten Satz des zweiten Absatzes dieses Abschnitts in der Nachbelehrung der Beklagten nach den Worten "im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht" die - im Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung des Verordnungsgebers enthaltene - Passage "oder nur in verschlechtertem Zustand". Darüber hinaus weicht auch der vorletzte Satz des betreffenden Absatzes der Nachbelehrung vom Mustertext in Gestaltungshinweis (8) - "Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt." - ab.
- 39
- cc) Dass es sich bei den ergänzenden Worten "in Textform" in der Nachbelehrung der Beklagten um einen Zusatz handelt, den der Verordnungsgeber mehrere Jahre später an der betreffenden Stelle selbst aufgenommen hat, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie der Umstand, dass mit dem streitgegenständlichen Darlehen nicht die Überlassung einer Sache, sondern der Erwerb von Fondsanteilen finanziert wurde. Ohne Belang ist auch, ob es sich bei dem von den Klägern aufgenommenen Darlehen um ein verbundenes Geschäft handelt, bei dessen Nichtvorliegen der Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung in ihrer hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung dem Unternehmer anheim gibt, die Hinweise für finanzierte Geschäfte wegzulassen. Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Beklagte den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Nachbelehrung ersichtlich einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das muss unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen gelten, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.
- 40
- dd) An die - unzutreffende - Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Revision, die Nachbelehrung der Beklagten entspreche vollständig der Musterbelehrung , ist der erkennende Senat nicht gebunden. Ob zwischen der in einem Streitfall vom Unternehmer dem Verbraucher konkret erteilten Widerrufsbelehrung und der Musterbelehrung nach der BGB-Informationspflichten-Verordnung in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung eine vollständige inhaltliche und äußere Übereinstimmung besteht, an die die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGBInfoV anknüpft, ist eine (Rechts-)Frage, bei deren Beantwortung - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Revisibilität der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2921) - der Revisionsrichter an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden ist und deren Beantwortung ihm durch einen Vergleich der jeweiligen Belehrungen ohne weiteres selbst möglich ist.
- 41
- 4. Da die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung hiernach wirksam widerrufen haben, hat ihr Klagebegehren schon aus diesem Grunde Erfolg, ohne dass es auf das weitere Klagevorbringen zu etwaigen Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ankommt.
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 14.12.2009 - 2 O 1780/08 -
OLG Jena, Entscheidung vom 28.09.2010 - 5 U 57/10 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
- 3
- Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
- 7
- Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
- 10
- Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 11
- B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
- 12
- C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
- 13
- I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
- 14
- 1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
- 15
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
- 16
- Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 17
- b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 18
- aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
- 19
- (1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
- 20
- (2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
- 21
- (3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
- 22
- (a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
- 23
- (aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
- 24
- (bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
- 25
- Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
- 26
- Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
- 27
- (b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
- 28
- (aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
- 29
- (bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
- 30
- Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
- 31
- (cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.
- 32
- Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
- 33
- Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
- 34
- Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
- 35
- bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
- 36
- (1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
- 37
- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
- 38
- cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
- 39
- (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
- 40
- (2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
- 41
- 2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
- 42
- a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 43
- Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
- 44
- b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.
- 45
- II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
- 46
- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes Grundstück für 351.000 €. Das Grundstück sollte parzelliert und nach Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es in dem Vertrag: "Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der Genehmigung zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die entsprechende Zahl Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen obliegenden Leistung verpflichtet."
- 2
- Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was dem Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem Schreiben vom 13. Februar 2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung des Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20. Februar 2006 in einem notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht seitens des Käufers", dass "der aus abzuschließenden Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den Verkäufer zu zahlen ist". Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch nicht beantragt.
- 3
- Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21. Juli 2006 und vom 3. August 2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16. August 2006 zu zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und der fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
- 4
- Mit Schreiben vom 23. August 2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5. September 2006 mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 unter Hinweis auf treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag.
- 5
- Gegen die auf Rückabwicklung des - inzwischen vollzogenen - Kaufvertrags und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers der Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre Verteidigung gegen sein Zahlungsverlangen in Höhe von 3.301,20 € und gegen seinen Rücktritt in Höhe von 1.660,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung des Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt fällig gewesen sei. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht. Zwar habe der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die unberechtigte Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen könne. Das lasse sich aber nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche löse in anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und damit unzumutbar erschwert. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichts- hofs vom 23. Januar 2008 (VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen. Darin habe der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass eine unberechtigte Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er annehmen dürfen, die Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im Ergebnis genauso liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte Kündigung werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung sei aber für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran fehle es hier.
II.
- 7
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
- 8
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch führen (dazu BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber - wie hier - darin, dass der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm nach dem Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten in Betracht.
- 9
- 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung. Diese liegt vor.
- 10
- a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der Beklagten weder am 21. Juli 2006 noch am 3. August 2006 Zahlung des Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12. September 2006 erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt sich zwar nur hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen Abweisung der (auf Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage ableiten, folgt aber auch im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
- 11
- b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
- 12
- aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, das ist dem Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB (BGHZ 36, 18, 20 f.; 74, 9, 15 f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.; 154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148) noch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt. v. 20. März 1979, VI ZR 30/77, NJW 1980, 189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 4. November 1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2033; Senat, Urt. v. 12. November 2004, V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315, 316; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; vgl. auch Zeiss, NJW 1967, 703, 706 f., a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709, 1710 f.). Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiellrechtlich nicht ersatzfähig (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGHZ 74, 9, 15; 118, 201, 206). Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt , dass andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
- 13
- bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung übertragen wird (KG, Urt. v. 18. August 2005, 8 U 251/04, juris, Rdn. 142, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006, IX ZR 167/05, juris; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rdn. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1995, VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389, 390; Beschl. v.
- 14
- cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 15. Juli 2005 (BGHZ 164, 1) zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats vom 12. August 2004 (I ZR 98/02, aaO), mit welchem dieser die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGHZ 2, 387, 393; 38, 200, 204 ff.; 62, 29, 31ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt. v. 23. Februar 1995, I ZR 15/93, NJW-RR 1995, 810, 811; Urt. v. 30. November 1995, IX ZR 115/94, NJW 1996, 397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt ; Urt. v. 13. April 2000, I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717; RGZ 58, 24, 30 f.). Erfolgt der Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt - wie auch sonst - die Haftung (BGHZ 164, 1, 6). Diese Privilegierung findet ihrer Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in der verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO für den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig vollstreckbaren Urteil (BGHZ 164, 1, 7 f.). An beidem fehlt es, wenn eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
- 15
- dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht so genannte "Recht auf Irrtum" bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten erkennt der Bundesgerichtshof bei bestehenden Schuldverhältnissen nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im Grundsatz pflichtwidrig ist.
- 16
- (1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein (BGHZ 89, 296, 301 ff.; BGH, Urt. v. 14. Januar 1988, IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269; Urt. v. 18. Mai 2005, VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395, 2396). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt (BGH, Urt. v. 28. November 2001, XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730, 731). Das ergibt sich in diesen Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der Kündigung bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der den Vertrag unberechtigt "annulliert" (RGZ 57, 105, 113), oder dem Verkäufer, der sich unberechtigt weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ 67, 313, 317). Auf einen solchen - bei der Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen fehlenden - Bezug zu der Nichterfüllung eigener Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt (BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458 f.; ebenso OLG Braunschweig, OLG-Report 2001, 196, 198; LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105, 1106; AG Münster NJW-RR 1994, 1261, 1262 [für cic]; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 280 Rdn. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung , 2004, S. 85 f.; Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711). Dies hat der Bundesgerichtshof bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Für ein unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
- 17
- (2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt , das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; a.A. Hösl, aaO, S. 34: Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis ebenso Hösl aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2; zu dem Argument der Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 362 f., 383 ff.).
- 18
- ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers an die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Ver- trag nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
- 19
- 3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat.
- 20
- a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1, 2 f.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Mit dieser Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712: Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2).
- 21
- b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu vertreten , weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt hat.
- 22
- aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger Grund zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung als Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei. Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den seit der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden können. Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen Bebauung sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden, obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. September 2006, der Bauantrag sei "selbstverständlich" gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen. Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23. August 2006 sei er nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen Plausibilitätskontrolle.
- 23
- bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus seiner - von dem Senat nicht geteilten - Sicht für die Annahme einer Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung angestellt hat.
- 24
- cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003, VI ZR 425/02, NJW-RR 2004, 425, 426; Senat, Urt. v. 26. November 2004, V ZR 119/04, Mitt- BayNot 2005, 395; Urt. v. 5. Mai 2006, V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie ist in diesem Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
- 25
- (1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt, dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21. Juli 2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene Obliegenheits - und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der Rückabwicklung des Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem - durch das Schweigen der Beklagten zur Baugenehmigung zudem begründeten - Verdacht konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Rückabwicklung des Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens ausschweige. Damit genügte der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
- 26
- (2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter, unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im Kaufvertrag der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich auch nicht mit der Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie vielmehr. Wenn nämlich die Rechtslage schwierig zu überblicken und die eigene Rechtsposition jedenfalls vertretbar ist, muss sich der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht zurückhalten; es kann ihm nicht vorgehalten werden, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Dass dies mit - hier zudem nicht übertriebenem - Nachdruck geschieht, ändert daran nichts. Schon deshalb kam es nicht darauf an, wie die Klausel auszulegen ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht, wenn auch aus prozessualen Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beklagten davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
- 27
- (3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um Verlängerung der im Schreiben vom 21. Juli 2006 gesetzten Äußerungsfrist nicht entsprochen , sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision trägt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, in welcher Form der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
- 28
- 4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das kann wiederum nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die Beklagte Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe die Erteilung der Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urt. v. 18. Januar 2008, V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1660). Das ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, da eine Haftung des Klägers schon dem Grunde nach ausscheidet.
III.
- 29
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
LG Köln, Entscheidung vom 11.05.2007 - 4 O 548/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2008 - 12 U 73/07 -
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Tenor
I. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16. März 2010 (Az. 5 O 147/09) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten und inzwischen bezahlten Betrag (insgesamt 10.721,30 EUR) weitere 5.157,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2009 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen in vollem Umfang (Haftung zu 100 %) zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.
(Name, Vorname, Geb.datum... etc.)
entstanden sind und noch entstehen werden.
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von weiteren 285,60 EUR brutto freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.567,56 EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger begehren die Feststellung, dass drei in den Jahren 2008 und 2009 mit der Beklagten geschlossene Darlehensverträge über 220.000 €, 110.000 € und 72.000 € durch den Widerruf der Kläger vom 20. Juni 2014 "beendet" sind. Diese Darlehensverträge valutierten im Zeitpunkt des Widerrufs noch in Höhe von insgesamt 369.046,77 €. Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag der Kläger entsprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die nach Zulas- sung der Revision in der Sache die vollständige Abweisung der Klage erreichen will.
II.
- 2
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer liegt über 20.000 €.
- 3
- 1. Die Wertberechnung im Rahmen des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - XI ZR 263/14, WM 2015, 1669 Rn. 3 mwN). Für die Berechnung des Werts der Beschwer kommt es auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an (§ 4 Abs. 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - IV ZB 3/01, NJW-RR 2001, 1571, 1572). Maßgebend ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenenEntscheidung. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden. Ist Rechtsmittelkläger der Beklagte, bestimmt sich sein Interesse an der Beseitigung der Verurteilung (materielle Beschwer). Dieses Interesse stimmt mit dem Interesse des Klägers an der Verurteilung bzw. dessen formeller Beschwer nicht notwendig überein (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, MDR 2014, 461 Rn. 6). Allerdings bildet das Klägerinteresse die Obergrenze für die Beschwer des Beklagten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 1990 - VIII ZR 117/90, WM 1990, 2058, 2059 und vom 3. November 2005 - IX ZR 94/04, juris Rn. 8).
- 4
- 2. Das Interesse der Kläger an der beantragten Feststellung, das das Interesse der Beklagten nach oben begrenzt, beläuft sich auf mehr als 20.000 €.
- 5
- a) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines auf § 495 Abs. 1 BGB in der vom 1. August 2002 bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung gestützten Widerrufs eines Verbrauchervertrags (§ 355 BGB) und begehrt der klagende Verbraucher die Feststellung, der Darlehensvertrag sei "beendet" bzw. habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dieser Feststellung unter Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile bei Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Widerrufs nach § 3 ZPO zu schätzen (vgl. RGZ 52, 427, 428 f.; BGH, Beschluss vom 1. Juni 1976 - VI ZR 154/75, HRF 1977, Nr. 109; OLG Karlsruhe, WM 2015, 2088, 2089; OLG Koblenz, Beschluss vom 3. September 2015 - 8 W 528/15, juris Rn. 11; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 4 W 10/15, juris Rn. 14).
- 6
- b) Liegt dem Verbraucherdarlehensvertrag wie hier kein verbundener Vertrag zugrunde (§ 358 BGB), kann der Wert der Beschwer nicht mit dem Nettodarlehensbetrag gleichgesetzt werden. Vielmehr sind in solchen Fällen, wenn das Schuldverhältnis gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) nach den §§ 346 ff. BGB rückabzuwickeln ist, die Leistungen maßgeblich, die der Kläger gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint.
- 7
- aa) Der wirksame Widerruf der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers gestaltet den Verbraucherdarlehensvertrag mit Wirkung für die Zukunft in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Bei der Betrachtung der dem klagenden Verbraucher durch den Widerruf entstehenden Vorteile ist damit, weil der Kläger künftig Leistungsbeziehungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis und nicht aus dem Verbraucherdarlehensvertrag herleiten will, dieses Rechtsverhältnis und nicht der Verbraucherdarlehensvertrag maßgeblich. Das gilt ohne Rücksicht auf die konkrete Fassung des Feststellungsantrags. Auch dann, wenn der Antrag wie hier dahin lautet festzustellen, dass der Verbraucherdarlehensvertrag beendet ist, liegt dem die Behauptung zugrunde, für die Zukunft Ansprüche aus §§ 346 ff. BGB herzuleiten. Schon deshalb vermag der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Ansatz nicht zu überzeugen, der Wert des klägerischen Interesses sei anhand des Vertragszinses bis zum Ende der Zinsbindung (OLG Karlsruhe, WM 2015, 2088, 2089 f.) oder - wie vom Berufungsgericht bei der Festsetzung des Streitwerts gehandhabt - anhand des Vertragszinses bis zum Ende der Zinsbindung, höchstens aber anhand des dreieinhalbfachen des für das Jahr geschuldeten Vertragszinses zu schätzen (so OLG Celle, BKR 2015, 417 Rn. 7; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16. November 2015 - 1 W 41/15, juris Rn. 6; OLG Koblenz, BKR 2015, 463, 464 und Beschluss vom 3. September 2015 - 8 W 528/15, juris Rn. 11; OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 28. Januar 2015 - 9 U 119/14, juris Rn. 12 und vom 14. April 2015 - 6 W 23/15, juris Rn. 18; außerdem OLG Stuttgart, WM 2015, 1147; JurBüro 2015, 473 und 474 sowie 475 f.). Denn diese Betrachtungsweise stellt auf die Leistungsbeziehungen aus dem Verbraucherdarlehensvertrag, nicht - wie richtig - aus dem Rückgewährschuldverhältnis ab.
- 8
- bb) Andere in der obergerichtlichen Rechtsprechung diskutierte Schätzwerte geben das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse ebenfalls nicht adäquat wieder:
- 9
- Der Nettodarlehensbetrag (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 27. Februar 2015 - 19 W 60/14, juris Rn. 4) ist als Schätzgrundlage ungeeignet. Der widerrufende Verbraucher nimmt nicht für sich in Anspruch, die Darlehensvaluta behalten zu dürfen. Er will und kann den Darlehensgeber nicht an der sofortigen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbin- dung mit §§ 346 ff. BGB hindern (anderer Sachverhalt daher Senatsbeschluss vom 25. Februar 1997 - XI ZB 3/97, WM 1997, 741).
- 10
- Die Restdarlehensvaluta bei Einreichung der Klage (OLG Köln, Beschlüsse vom 18. November 2014 - 13 W 50/14, juris Rn. 5 f. und vom 25. März 2015 - 13 W 13/15, juris Rn. 6) bzw. Einlegung des Rechtsmittels bietet ebenfalls keine geeignete Basis für die Schätzung nach § 3 ZPO. Nähme man sie zum Ausgangspunkt, hinge die Schätzung von Zufälligkeiten ab, die mit den Vorteilen des Verbrauchers aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts in keinem verlässlichen Zusammenhang stehen. Bei abgewickelten Darlehensverträgen fehlte es ganz an einer Schätzgrundlage.
- 11
- Eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung mit dem Gebot eines effektiven Zugangs zu den Gerichten gerechtfertigte Schätzung auf ein Zehntel des Nettodarlehensbetrags (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 4 W 10/15, juris Rn. 18 f.; vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. Juli 2015 - 7 W 33/15, juris Rn. 6, 8) entbehrt jeder Grundlage. Eine solche Schätzung wird aufgrund ihres Schematismus den Anforderungen des § 3 ZPO nicht gerecht (vgl. auch E. Schneider, ZAP Fach 13, 147, 148).
- 12
- cc) Der Kläger kann und hat die Hauptforderung zu beziffern, die er nach §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Das sind nach § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen (Senatsbeschluss vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441 Rn. 7 mwN). Ein Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB bleibt als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO außer Betracht. Bei der Schätzung des Werts des klägerischen Interesses ist - auch wie hier bei der Feststellungsklage - ein Abschlag nicht vorzunehmen.
- 13
- (1) Der Wertberechnung ist zugrunde zu legen, dass sämtliche auf der Grundlage des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB erbrachten Leistungen des Darlehensnehmers nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB zu erstatten sind. Das gilt auch, soweit der Darlehensnehmer die vertragliche Hauptleistungspflicht zur Rückzahlung der empfangenen Darlehensvaluta nach § 488 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB (MünchKommBGB/K.P. Berger, 7. Aufl., § 488 Rn. 42; Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 488 Rn. 8) erfüllt hat. Entgegen einer vor allem in jüngster Zeit in der Literatur vertretenen Meinung (Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1095 f., 1099; ähnlich Piekenbrock/Rodi, WM 2015, 1085, 1086 f. mit Fn. 33 zu § 3 ZPO; Schnauder, NJW 2015, 2689, 2690, 2692) statuiert § 488 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB keinen gesetzlichen Anspruch, der aus einem mit der Kündigung bzw. dem Laufzeitende entstehenden Abwicklungsverhältnis resultierte (Staudinger/Freitag, BGB, Neubearb. 2015, § 488 Rn. 165) und damit außerhalb des Rückgewährschuldverhältnisses stünde.
- 14
- Zwar ist typusbildender Geschäftszweck des Darlehensvertrags die zeitlich begrenzte Verschaffung von Kaufkraft (MünchKommBGB/K.P. Berger, 7. Aufl., § 488 Rn. 42; Staudinger/Freitag, BGB, Neubearb. 2015, § 488 Rn. 1). Das Vermögen des Darlehensnehmers soll nicht dauernd um die Darlehensvaluta vermehrt werden. Ihm soll vielmehr nur deren vorübergehende Nutzung zugewendet werden (RGZ 161, 52, 56). Die Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB stellt damit bei wirtschaftlicher Betrachtung den Zustand wieder her, der vor Überlassung der Darlehensvaluta durch den Darlehensgeber bestand.
- 15
- Das ändert aber nichts daran, dass der Darlehensgeber im Zuge der Erfüllung des Anspruchs aus § 488 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB eine Leistung "empfängt". Die Umgestaltung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis erstreckt sich mithin auch auf ihn (Senatsurteil vom 18. Januar 2011 - XI ZR 356/09, WM 2011, 451 Rn. 26; Senatsbeschluss vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441 Rn. 7; BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 297/08, WM 2011, 829 Rn. 23 f.).
- 16
- Der Zweck des Rücktrittsrechts, den Leistungsaustausch im Rahmen des durch Rücktritt bzw. gemäß § 357 BGB aF durch Widerruf nach § 355 BGB beendeten Vertragsverhältnisses rückgängig zu machen, kann bezogen auf diesen Anspruch überdies nicht bereits im Rahmen des vertraglichen Pflichtenprogramms erreicht sein (anders OLG Stuttgart, Urteil vom 24. November 2015 - 6 U 140/14, juris Rn. 92). Denn vor dem Wirksamwerden des Widerrufs existiert kein Rückgewährschuldverhältnis, dessen Pflichtenprogramm vorab erfüllt werden könnte. Daher wirkt eine Aufrechnung, deren es mangels einer automatischen Saldierung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis bedarf (vgl. statt vieler Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 357 BGB Rn. 11), nach § 389 BGB auch nur auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rückgewährschuldverhältnisses und nicht weiter zurück.
- 17
- (2) Der Anspruch des Darlehensnehmers auf Nutzungsersatz aus § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB für überlassene Zins- und Tilgungsleistungen ist bei der Schätzung gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO außer Acht zu lassen. Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist allerdings kein Argument gegen die konsequente Anwendung der §§ 346 ff. BGB:
- 18
- Dass der Darlehensgeber Nutzungen aus von ihm empfangenen Zinsund Tilgungsleistungen erstatten muss, widerspricht nicht, dass der Darlehensnehmer nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB zwar die gesamte Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung her- auszugeben hat, gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile aber nur am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta schuldet (Senatsbeschluss vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441 Rn. 7; dagegen OLG Stuttgart, Urteil vom 24. November 2015 - 6 U 140/14, juris Rn. 85; Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999, 1003 mit Fn. 40). Nach § 346 Abs. 1 BGB sind nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben (Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 29). Das gilt auch für die Bank, der es freisteht, die zu ihren Lasten streitende Vermutung zu widerlegen, sie habe aus empfangenen Leistungen Nutzungen gezogen (dazu schon RGZ 53, 563, 571; BGH, Urteil vom 4. Juni 1975 - V ZR 184/73, BGHZ 64, 322, 323; daran anknüpfend Senatsurteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, WM 1998, 1325, 1326 f.).
- 19
- Aus §§ 346 ff. BGB folgt auch, dass die darlehensgebende Bank, die Nutzungen aus Zins- und Tilgungsleistungen erstatten muss, im Nachhinein so gestellt wird, "als habe sie die Valuta teilweise zu früh erhalten und müsse daher einen vermeintlichen zwischenzeitlichen Nutzungsvorteil verzinsen" (Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999, 1002). Dies ist konsequente Folge des Umstands, dass der Verbraucherdarlehensvertrag mit Zugang der Widerrufserklärung ex nunc in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird.
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- Dass der Verbraucher damit - jedenfalls in Teilen - so gestellt wird, als habe er eine verzinsliche Wertanlage getätigt (Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999, 1002), kann für die Vergangenheit nicht ohne gesetzgeberischen Auftrag korrigiert werden. An einem solchen Auftrag fehlt es. Eine Korrektur liefe der Sache nach darauf hinaus, entweder den Verweis des § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF auf die §§ 346 ff. BGB teleologisch zu reduzieren oder den in § 357a BGB geregelten Ausschluss des Nutzungsersatzes entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB im Wege der Analogie auf vor dem 13. Juni 2014 geschlossene Verbraucherdarlehensverträge zu erstrecken (in diese Richtung Edelmann/Hölldampf, KSzW 2015, 148, 153). Beides ist dem Senat verwehrt. Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt wie die Analogie eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (zur teleologischen Reduktion BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05,BGHZ 179, 27 Rn. 22 mwN, zur Analogie BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 - VI ZR 345/13, BGHZ 201, 380 Rn. 14). Daran fehlt es.
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- Schon bei Schaffung des über § 7 Abs. 3 VerbrKrG für Verbraucherkreditverträge maßgeblichen § 3 HWiG sah der Gesetzgeber ausdrücklich davon ab, besondere Regelungen zur Frage der Nutzungsvergütung zu schaffen. Er erachtete die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für anwendbar (BT-Drucks. 10/2876, S. 14). Lediglich § 347 Satz 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung sollte keine Geltung beanspruchen (aaO; nur darauf bezieht sich BGH, Urteil vom 2. Juli 2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 208 f.). Daran anknüpfend hat der Senat mit Urteil vom 12. November 2002 (XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331, 336) erkannt, der Darlehensgeber habe dem Darlehensnehmer die auf das Darlehen erbrachten Zinsund Tilgungsleistungen zu erstatten und die dem Darlehensgeber zur Nutzung zur Verfügung gestellten Raten marktüblich zu verzinsen.
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- Diese Rechtslage wollte der Gesetzgeber im Jahr 2000 mit der Verweisung auf das Rücktrittsrecht in § 361a Abs. 2 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung fortschreiben (BT-Drucks. 14/2658, S. 47). Er hat weder im Jahr 2000 noch in den Folgejahren inhaltlich etwas geändert (aA Schnauder, NJW 2015, 2689, 2691). Mittels der Verweisung auf das Rücktrittsrecht hat er eine Ausnahme von dem Grundsatz bestimmt, dass bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen eine Rückabwicklung nach §§ 346 ff. BGB in der Regel nicht den Interessen der Parteien entspricht, nach denen der Kündigung gegenüber dem Rücktritt der Vorzug zu geben ist (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1968 - VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312, 315 und vom 19. Februar 2002 - X ZR 166/99, WM 2002, 1234, 1236; MünchKommBGB/ Gaier, 7. Aufl., § 314 Rn. 3; vgl. auch § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ebenfalls bestimmt hat er, dass die Rückabwicklung bei längerer Vertragsdauer zu erheblichen Durchführungsschwierigkeiten und Unzuträglichkeiten führen kann. Erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642) hat er den für die Vergangenheit von ihm ausdrücklich als bestehend anerkannten Anspruch des Darlehensnehmers auf Nutzungsersatz (BT-Drucks. 17/12637, S. 65) für die Zukunft beseitigt (aA Hölldampf/ Suchowerskyj, WM 2015, 999, 1004 mit Fn. 49), ohne dieser Rechtsänderung allerdings Rückwirkung beizumessen. Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers , die Geltung des neuen Rechts auf die Zukunft zu beschränken, kann der Senat nicht revidieren.
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- dd) Im konkreten Fall belaufen sich die Vorteile, die die Kläger nach diesen Maßgaben aus der Umwandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis herleiten können, auf mehr als 20.000 €. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Kläger Tilgungsleistungen von mehr als 30.000 € erbracht. Damit können sie auf der Grundlage der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB eine Hauptforderung von mehr als 20.000 € geltend machen.
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- 3. Das Interesse der Beklagten an der Beseitigung der Verurteilung ist anhand des Vermögensvorteils zu bemessen, den sich die Beklagte davon verspricht , dass der Darlehensvertrag fortgesetzt und nicht in ein Rückgewähr- schuldverhältnis umgewandelt wird. Da das Interesse der Beklagten spiegelbildlich dahin lautet, an die Kläger auf der Grundlage der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nicht zurückzugewähren, kann der Nachteil der Beklagten anhand der Maßgaben geschätztwerden, die für die Ermittlung des Vorteils der Kläger gelten. Entsprechend übersteigt der Wert der Beschwer der Beklagten ebenfalls die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.
III.
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- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.02.2015 - 8 O 278/14 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 21.07.2015 - 6 U 41/15 -