Landgericht Dortmund Urteil, 07. Juli 2016 - 2 S 51/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Hamm vom 04.11.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger nach einem Streitwert von 4.631,35 €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte als Privathaftpflichtversicherung auf Erstattung der von ihm bezahlten Reparaturkosten eines Motorschadens eines ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten, geleasten Pkw VW Polo in Anspruch.
4Der Motorschaden entstand durch eine Falschbetankung mit Super E 10 statt mit Diesel.
5Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom ##.##.2015 gestützt auf die „Benzinklausel“ in A.I.3. BBR abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er meint, eine Falschbetankung unterfalle nicht der „Benzinklausel“.
6Der Kläger beantragt,
7das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.631,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 564,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und den Inhalt der Akten verwiesen.
11II.
12Die Klage und die Berufung sind nicht begründet.
13Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 4.631,35 €, weil die Voraussetzungen der Ausschlussklausel A.I.3.a BBR erfüllt sind.
14Diese s.g. „Benzinklausel“ ist so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Bestimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss.
15Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Als Ausschlussklausel ist die Benzinklausel grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH IV ZR 120/05 – Urteil vom 13.12.2006, Rd. 8).
16Die Benzinklausel nimmt vom Versicherungsschutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden aus, „die durch den Gebrauch des Fahrzeugs….verursacht werden.“ Es muss sich also eine Gefahr verwirklicht haben, die dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst oder unmittelbar zuzurechnen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmer vielmehr, dass der Anwendungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sich Gebrauchsrisiko gerade des Kraftfahrzeuges verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat (BGH IV ZR 120/05, Urteil vom 13.12.2006 Rd. 9).
17Die „Benzinklausel“ gelangt deshalb nur dann nicht zur Anwendung, wenn sich unter Beteiligung eines Kraftfahrzeuges ein Risiko verwirklicht, dass sich bei verständiger Betrachtung nicht als Gebrauchtsrisiko des Fahrzeugs darstellt und deshalb auch in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung überhaupt nicht versichert werden konnte (BGH IV a ZR 161/87, Urteil vom 14.12.1988 = Versicherungsrecht 1989, 243). Umgekehrt folgt aus der Versagung des Versicherungsschutzes in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, etwa aufgrund eines Risikoausschlusses, nicht ohne Weiteres, dass der Schaden deshalb in den Bereich der Privathaftpflichtversicherung fällt, weil ansonsten eine Deckungslücke bestünde. Der Gedanke der Lückenlosigkeit des Versicherungsschutzes ist nämlich missverstanden, wenn ein der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnendes, dort aber ausgeschlossenes Risiko deshalb als von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt angesehen würde, weil nach der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Deckungsschutz nicht zu erreichen ist (BGH, IV ZR 257/90, Urteil vom 16.10.1991 = Versicherungsrecht 1992, 47). Denn der Zweck der Klausel, lückenlosen Deckungsschutz zu gewähren, gebietet es, diejenigen Personen, die in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung überhaupt keinen Versicherungs-schutz erlangen können, nicht unter den Ausschluss fallen zu lassen, nicht jedoch, ein der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnendes, dort aber ausgeschlossenes Risiko, deshalb als von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt anzusehen, weil nach der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Deckungsschutz nicht zu erreichen ist (Beckmann/Matuschke-Beckmann Versicherungshandbuch, 3. Auflage 2015, § 24 Rd. 102). Zum Deckungsbereich der Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherung und nicht der Privathaftpflichtversicherung zählen demnach diejenigen Schadensfälle, die mit dem Fahrzeuggebrauch in einem inneren Zusammenhang stehen (BGH IV a ZR 161/87, Urteil vom 14.12.1988 = Versicherungsrecht 1989, 243).
18Nach diesen Grundsätzen sind Schäden, die dem Be- und Entladen, und dazu zählt auch die Betankung, dem Gebrauch des Fahrzeuges und damit der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnen. Die Versorgung eines Kraftfahrzeuges mit den für die Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln gehört zu den Bedienungsvorgängen. Die Wahl des falschen Kraftstoffs erweist sich daher als Bedienungsfehler, der gleich nach dem Neustart die Beschädigung der Motorteile herbeigeführt hat (BGH IV ZR 322/02, Urteil vom 25.06.2003, Rd. 12, BGH IV ZR 243/92, Urteil vom 27.10.1993 = Versicherungsrecht 1994, 83, KG Berlin 6 U 13/11, Urteil vom 02.12.2011 Rd. 12, Beckmann/Matuschke-Beckmann, Versicherungshandbuch 3. Auflage 2015 § 24 Rd. 102 a, Prölss/Martin, 29. Auflage, 220, Ziffer 3 BBPHV Rd. 12).
19Die abweichende Mindermeinung von Prof. T2 teilt die Kammer nicht.
20Die Klage und die Berufung sind daher nicht begründet.
21Die Berufung war daher mit der Kostenfolgt des § 97 ZPO abzuweisen.
22Die Revision war nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Reichweite der „Benzinklausel“ ist durch die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Kammergerichtes geklärt.
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Landgericht Dortmund Urteil, 07. Juli 2016 - 2 S 51/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er privathaftpflichtversichert ist, Freistellung von einem Schaden, den er verursacht hat. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung privater Risiken (BBR Privat) zugrunde. In Letzteren ist unter III. 1 bestimmt: "Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers , Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden."
- 2
- Kläger Der ist Maurermeister. Sein Arbeitgeber hatte ihm einen Mercedes Transporter 4,5 t zur Verfügung gestellt für den Weg von und zur Arbeitsstelle, wobei der Kläger Arbeitskollegen abzuholen oder mitzunehmen hatte. Der Kläger nutzte das Fahrzeug nicht privat; dessen Kosten trug allein der Arbeitgeber. Am 19. Januar 2004 stellte der Kläger gegen 6.10 Uhr einen Heizlüfter in das Fahrzeug, um die vereisten Frontund Seitenscheiben aufzutauen. Danach wollte er sich auf den Weg zur Arbeit machen. In dieser Weise hatte der Kläger schon öfter die Scheiben vom Frost befreit. An diesem Tag kehrte der Kläger, während der Heizlüfter lief, in seine Wohnung zurück. Als er gegen 6.20 Uhr wieder nach dem Fahrzeug sah, stellte er fest, dass sich der Heizlüfter ausgeschaltet hatte und Brandschäden im Fahrzeug entstanden waren. Der Arbeitgeber stellte ihm deshalb den Betrag von 6.704,04 € in Rechnung.
- 3
- Die vom Kläger zur Regulierung aufgeforderte Beklagte beruft sich auf verschiedene Haftungsausschlüsse, u.a. auf Nr. III. 1 BBR Privat.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision bleibt ohne Erfolg.
- 6
- Das I. Berufungsgericht meint, die Klausel Nr. III. 1 BBR Privat schließe von der Deckung durch die Beklagte als Privathaftpflichtversicherer nur solche Fälle aus, bei denen sich das spezifische Risiko des Kraftfahrzeuggebrauchs verwirkliche oder die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgehe. Hier habe der Kläger zwar durch das Enteisen der Scheiben seinen Fahrtantritt vorbereitet. An diese Verrichtung habe sich der Fahrtantritt aber nicht unmittelbar angeschlossen. Vielmehr sei der Kläger für 10 Minuten in seine Wohnung zurückgekehrt. Außerdem habe sich mit dem Schaden ein Risiko realisiert, das dem Gebrauch des Heizlüfters und nicht des Fahrzeugs anhafte. Da ein Haftungsausschluss auch aus anderen Gesichtspunkten hier nicht in Betracht komme, müsse die Beklagte für den Schaden einstehen.
- 7
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 8
- a) 1. Die so genannte Benzinklausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist nicht anders auszulegen als Versicherungsbedingungen im Allgemeinen, nämlich so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Bestimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85). Als Ausschlussklausel ist Nr. III. 1 BBR Privat grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 17. September 2003 - IV ZR 19/03 - VersR 2003, 1389 unter 2 b m.w.N.).
- 9
- b) Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat nimmt vom Versicherungsschutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraftfahrzeugs wegen Schäden aus, "die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden". Es muss sich also eine Gefahr verwirklicht haben, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 - IV ZR 243/92 - VersR 1994, 83 unter 3 a). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmers vielmehr, dass der Anwendungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sie ein Gebrauchsrisiko gerade des Kraftfahrzeugs verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat.
- 10
- c) Dabei ist nicht zu übersehen, dass mit Nr. III. 1 BBR Privat ein Risiko aus dem Bereich der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen wird, das typischerweise dem Risikobereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zuzuordnen ist. Das wird auch der verständige Versicherungsnehmer bedenken; er wird Versicherungsschutz für das mit dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verbundene Risiko in der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung erwarten. Insoweit erkennt der Versicherungsnehmer , wie der Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 - IVa ZR 161/87 - VersR 1989, 243 unter 3a; vom 16. Oktober 1991 - IV ZR 257/90 - VersR 1992, 47 unter 1), dass mit der hier in Rede stehenden Klausel grundsätzlich vom Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen werden soll, was als typisches Kraftfahrzeuggebrauchsrisiko in der Kraftfahrzeug -Haftpflichtversicherung versicherbar ist. Damit sollen einerseits Doppelversicherungen, andererseits aber auch Deckungslücken vermieden werden. Darin erschöpft sich indessen die Bedeutung dieser Erwägung.
- 11
- Sie bedeutet dagegen nicht - und nur insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest -, dass der Versicherungsnehmer wegen dieses auch ihm erkennbaren Zusammenhangs zur Auslegung des in Nr. III. 1 BBR Privat formulierten Merkmals "Schäden, die durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs verursacht werden", auf Bedingungswerke zurückgreifen müsste, die in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Verwendung finden. Denn diese Bedingungswerke muss der Versicherungsnehmer nicht kennen. Nr. III. 1 BBR Privat verweist weder auf Klauseln in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung noch wird dem Versicherungsnehmer sonst deren Inhalt zur Kenntnis gebracht. Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist demgemäß aus sich heraus nach ihrem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck auszulegen, wie dies oben näher dargelegt worden ist. Das gilt selbst dann, wenn der Begriff des Fahrzeuggebrauchs in den Bedingungen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wegen des dort zu beachtenden Zusammenhangs weiter auszulegen sein sollte als in Nr. III. 1 BBR Privat.
- 12
- d) Legt man diese Auslegung der Nr. III. 1 BBR Privat zugrunde, erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als zutreffend. Zwar diente die Schaden stiftende Verrichtung der Vorbereitung des Einsatzes des Fahrzeugs zu seinem typischen Verwendungszweck und damit dessen Gebrauch durch den Kläger als Fahrzeugführer. Der Kläger hat aber nicht das Fahrzeug gebraucht, sondern lediglich einen nicht zum Fahrzeug gehörenden Heizlüfter in das Fahrzeug gestellt. Es hat sich also nicht das Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs, sondern ein Risiko des Heizlüfters realisiert. Deshalb greift der Deckungsausschluss der Nr. III. 1 BBR Privat hier nicht ein.
- 13
- 2. Das Berufungsgericht hat auch im Übrigen das Eingreifen von Risikoausschlüssen zutreffend verneint.
- 14
- a) Nach § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet , gepachtet, geliehen oder durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind, nicht gedeckt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger hier aber weisungsabhängiger Besitzdiener. Er fällt daher nicht unter § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB. Dagegen wendet die Revision ein, der Kläger habe das Fahrzeug zumindest nachts für seinen Arbeitgeber zu verwahren gehabt. Eine derartige Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis würde jedoch für die Anwendung von § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB nicht ausreichen (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1987 - IVa ZR 140/86 - VersR 1987, 1181, 1182).
- 15
- b) Gemäß § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. b AHB sind ausgeschlossen Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind. In dieser Hinsicht hält die Revision für erheblich, dass der Kläger die Scheibe enteist habe, um zur Arbeit und zum Abholen der Kollegen zu fahren. Die zitierte Ausschlussklausel nimmt indessen solche Schäden nicht vom Versicherungsschutz aus, die der Versicherungsnehmer an fremden Sachen dadurch verursacht, dass er diese benutzt, um sich selbst oder sein Material oder Werkzeug an den Arbeitsplatz zu schaffen (Senatsurteil vom 27. November 1969 - IV ZR 637/68 - VersR 1970, 145 f.). In jener Entscheidung ging es um die Beschädigung eines Paternosters, der als Beförderungsmittel auf dem Weg von einer Arbeitsstelle zur anderen benutzt worden war. Der Kläger hat auch im vorliegenden Fall seine berufliche Tätigkeit als Maurermeister nicht an oder mit dem Fahrzeug verwirklicht.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 25.01.2005 - 4 O 364/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.04.2005 - 19 U 33/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Zahlung in Höhe von 8.242,43 DM nebst Zinsen aus einer bei der Beklagten genommenen Fahrzeugvollversicherung mit 650 DM Selbstbeteiligung für einen von ihr gehaltenen Mercedes Benz Diesel. Der Vollkaskoversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.Am 23. Dezember 2000 füllte der Ehemann der Klägerin versehentlich Benzin-Kraftstoff in den Tank des Mercedes Diesel. Dadurch wurden unmittelbar nach Fortsetzung der Fahrt Teile des Motors beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 8.892,43 DM ohne Mehrwertsteuer.
Die Beklagte verweigert Versicherungsleistungen, weil es sich um einen gemäß § 12 Abs. 1 II e Halbs. 2 AKB nicht versicherten Betriebsschaden handele.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zur Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Auffassung der Vorinstanzen, bei dem Betanken des Kraftfahrzeugs mit einem falschen Kraftstoff handele es sich um einen Bedienungsfehler , der nicht zu einem Unfallschaden, sondern zu einem Betriebsschaden i.S. von § 12 Abs. 1 II e AKB geführt habe, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Rechtsfehlerhaft enthält das Berufungsurteil allerdings keinen
Tatbestand.
Finden für ein Berufungsverfahren wie hier die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften Anwendung, bedarf es im Berufungsurteil auch dann der Darstellung eines Tatbestandes nach § 543 ZPO a.F., wenn das Revisionsverfahren nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Prozeßrecht durchzuführen ist (BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - VIII
ZR 205/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach durfte die Dar- stellung eines Tatbestandes nicht unterbleiben, weil kraft ausdrücklicher Zulassung durch das Berufungsgericht die Revision gegen das zweitinstanzliche Urteil statthaft war (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F.).
Von der aus diesem Grund grundsätzlich gebotenen Aufhebung des Berufungsurteils (vgl. BGHZ 73, 248, 249 ff. und ständig) kann aber ausnahmsweise abgesehen werden. Die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung ergeben sich hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen, so daß sich das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, erreichen läßt (vgl. BGH aaO und Urteil vom 15. April 1999 - II ZR 83/97 - BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 14 jeweils m.w.N.). Zur revisionsrechtlichen Überprüfung steht die Versagung des begehrten Vollkaskoversicherungsschutzes für Motorschäden, die durch die Wahl des falschen Kraftstoffes unmittelbar im Anschluß an den Tankvorgang hervorgerufen worden sind. Dieser einfache Sachverhalt und das darauf gestützte Klagebegehren ist, auch wenn nicht einmal die Klageanträge erwähnt werden (vgl. zu diesen Anforderungen nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - für BGHZ vorgesehen ) den Entscheidungsgründen in dem für die revisionsrechtliche Beurteilung ausreichenden Umfang zu entnehmen.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist in der Sache auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich. Dieser Zulassungsgrund , der sich weitgehend mit dem der Grundsatzbedeutung deckt (vgl. Ullmann, WRP 2002, 597), setzt voraus, daß der Einzelfall Veran-
lassung gibt, Leitsätze für die Auslegung und Anwendung des materiellen und formellen Rechts aufzustellen oder Lücken auszufüllen, weil es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - VersR 2003, 222 unter 2, demnächst in BGHZ 151, 221 und vom 25. März 2003 - VI ZR 355/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils m.w.N.). Ob es sich nach den Versicherungsbedingungen um einen versicherten Unfallschaden oder um einen nicht versicherten Betriebsschaden im Sinne von § 12 Abs. 1 II e AKB handelt, ist - wie stets bei begrifflichen Abgrenzungen dieser Art - zunächst anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Die Klausel ist gerade auch mit Blick auf diese Abgrenzung Gegenstand einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen gewesen (vgl. nur Prölss/Martin/Knappmann, VVG 26. Aufl. § 12 AKB Rdn. 45 ff. und 55 ff.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts läßt keine Notwendigkeit erkennen für weitere über die bisher dafür herausgearbeiteten Grundsätze hinausgehende sachverhaltsbezogene Leitlinien. Der bloße Hinweis, die Entscheidung befasse sich mit dem Unfallbegriff und es bestehe ein allgemeines Interesse an der Definition dieses Begriffes , trägt die Zulassung nicht. In der Sache ist das Erkenntnis jedoch nicht zu beanstanden.
3. Für die Auslegung von § 12 Abs. 1 II e AKB ist auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse abzustellen (BGH, Urteil vom 5. November 1997 - IV ZR 1/97 - VersR 1998, 179 unter I 2 a und ständig). Ein solcher Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus. Danach erkennt er einerseits, daß das versicherte Unfallrisiko in
Halbsatz 1 der Klausel begrifflich näher eingegrenzt wird und daß ande- rerseits von dem so festgelegten Umfang des Versicherungsschutzes für Unfallschäden in Halbsatz 2 bestimmte Schäden ausgegrenzt werden, selbst wenn ein Ereignis Merkmale eines Unfalls aufweist. Bei den genannten Betriebsschäden wird ihm ferner deutlich, daß Schäden, die im Zusammenhang mit Betriebsvorgängen durch normale Abnutzung, Material - oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen , nicht versichert sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1996 - IV ZR 275/96 - VersR 1996, 622 unter 3 b; 23. Oktober 1968 - IV ZR 515/68 - VersR 1969, 32, 33 und vom 6. Februar 1954 - II ZR 65/53 - VersR 1954, 113 unter 2 a; OLG Hamm VersR 1990, 85).
Die Versorgung eines Kraftfahrzeugs mit den für die Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln gehört zu den Bedienungsvorgängen. Die Wahl des falschen Kraftstoffs erweist sich daher als Bedienungsfehler , der gleich nach dem Neustart die Beschädigung der Motorteile herbeigeführt hat. Dafür besteht bedingungsgemäß kein Deckungsschutz. Entgegen der Auffassung der Revision ist für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) kein
Raum. Revisionsrechtlich ist insoweit nichts weiter abzuklären. Insbesondere gibt der Fall keinen Anlaß zu weiteren Abgrenzungen in bezug auf Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen , aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören (vgl. BGH aaO VersR 1969, 32, 33).
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)