Landgericht Siegen Urteil, 10. Okt. 2014 - 2 O 406/13
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu voll streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt Rückabwicklung einer Vorfälligkeitsentschädigungszahlung aufgrund des Widerrufs von Darlehensverträgen, nachdem diese Darlehensverträge einvernehmlich vorzeitig aufgehoben und abgelöst worden sind.
3Am 02.10.2003 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Darlehensvertrag mit der Nr. 652014903 in Höhe von 79.800 Euro und einen Darlehensvertrag mit der Nr. 652232760 über 25.200 Euro ab. Der Abschluss der Verträge erfolgte in den Geschäftsräumen der Beklagten in H, wobei der Klägerin jeweils eine Widerrufsbelehrung über Haustürgeschäfte überreicht wurde.
4Am 13.03.2008 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag mit der Nr. 0652255738 über 30.000 Euro ab. Dieser löste den Darlehensvertrag mit der Nr. -760 ab. Hinsichtlich des Darlehens -903 vereinbarten die Parteien mit Vertrag ebenfalls vom 13.03.2008 eine Zinsneuvereinbarung von 4,9% zum 01.11.2008.
5Hinsichtlich der beiden noch bestehenden Darlehen -903 und -738 trafen die Parteien unter dem 30.11.2012 jeweils eine Vereinbarung über eine vorzeitige Rückzahlung. Für das Darlehen mit der Nummer 0652014903 wurde eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.904,93 Euro, für das Darlehen mit der Nr. 0652255738 in Höhe von 3.471,30 Euro vereinbart. Am 09.01.2013 löste die Klägerin ihre laufenden Darlehen -738 und -903 ab und führte diese einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung zurück.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.04.2013 erklärte die Klägerin den Widerruf. Mit weiterem Schreiben vom 28.10.2013 erklärte die Klägerin erneut den Widerruf und forderte die Beklagte zur Rückerstattung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen auf. Die Beklagte lehnte die Rückerstattung der Vorfälligkeitsentschädigungen mit der Begründung ab, dass ein Widerruf nicht möglich sei, da die Darlehensverträge durch die Vereinbarung zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens erloschen seien.
7Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Rückerstattung der Vorfälligkeitsentgelte zu, da sie die Darlehensverträge wirksam widerrufen habe. Die zweiwöchige Widerrufsfrist habe nie zu laufen begonnen, da sie vor Abschluss der Darlehensverträge fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht aus § 495 I i.V.m. § 355 BGB belehrt worden sei und die Widerrufsbelehrungen rechtliche Fehler enthalten würden. Ihr Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt. Sie habe ihr Widerrufsrecht bis zum April 2013 nicht gekannt.
8Auf Grund ihres erklärten Widerrufs bestehe kein Rechtsgrund für die beiden geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen. Sie behauptet zudem, durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht zu haben, sich von dem Vertragsverhältnis lösen zu wollen. Als sie 2008 nicht in der Lage gewesen sei, das Darlehen vollständig aus den Mitteln ihres Hausverkaufs abzulösen, habe sie das Anschlussdarlehen abschließen müssen. In diesem Zusammenhang sei ihr mitgeteilt worden, dass eine vorzeitige Ablösung des Darlehensvertrages nur dann möglich sei, wenn die Anschlussfinanzierung ebenfalls bei der Beklagten vorgenommen werde und zusätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werde. Bei der Zinsvereinbarung am 13.03.2008 habe die Beklagte ebenfalls die Möglichkeit, sich vom Darlehensvertrag zu lösen, verneint.
9Die Klägerin beantragt,
101) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 14.213,35 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
112) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 79,16 Euro zu zahlen,
123) die Beklagte zu verurteilen, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin in Höhe von 1.034,11 Euro zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Ansicht, die Vorfälligkeitsentgelte stünden ihr auf Grund der Aufhebungsvereinbarungen vom 30.11.2012 zu. Die Klägerin sei nicht mehr zum Widerruf der Darlehensverträge berechtigt. Die ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrungen hätten die jeweiligen Widerrufsfristen in Gang gesetzt. Diese seien zum Zeitpunkt der Erklärung nicht nur bereits abgelaufen gewesen, ein Widerruf nach den Aufhebungsvereinbarungen und Ablösungen sei darüber hinaus nicht mehr möglich. Die Aufhebungsvereinbarungen hätten eine gesonderte Rechtsgrundlage für eine Vorfälligkeitsvereinbarung geschaffen. Es gebe keinen Anspruch auf Rückzahlung der vorbehaltlos geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen. Darüber hinaus sei der Widerruf auf Grund des langen Zeitablaufs bis zum erklärten Widerruf verwirkt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18I.
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
201)
21Der Klägerin stehen keine Rückzahlungsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zu, da die Zahlungen der Vorfälligkeitsentgelte durch die Klägerin nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Rechtsgrund für die Zahlungen waren die Aufhebungsvereinbarungen vom 30.11.2012 zu den beiden Darlehen, die am 09.01.2013 vollständig abgelöst wurden. Es kann dahinstehen, ob eine wirksame Widerrufsbelehrung zu den Darlehensverträgen vorlag, da der Widerruf erst zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, als die Parteien einvernehmlich bereits die beiden Darlehensverträge aufgehoben hatten und die Ablösung vollständig erfolgt war.
22a)
23Die Kammer vertritt die Auffassung, dass die Rückabwicklung nach Widerruf grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt, wenn der Vertrag, um den es geht, bereits durch einvernehmliche Vertragsaufhebung zum Wegfall gekommen ist. Bei dem Widerrufsrecht handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung einseitig und unmittelbar auf ein bestehendes Rechtsverhältnis einwirkt und dieses verändert. Gerade weil es aus einem bestehenden Rechtsverhältnis erwächst, handelt es sich um ein unselbständiges Gestaltungsrecht, das auf Erwerb, Änderung oder Aufhebung der Rechtsstellung gerichtet ist. Ein nicht mehr bestehendes, weil bereits abgewickeltes, Rechtsverhältnis kann jedoch nicht mehr gestaltet werden.
24Diese Frage ist allerdings höchstrichterlich ungeklärt. Die von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Entscheidung des BGH vom 24.11.2009 (XI ZR 260/08) äußert sich nur zur zeitlichen Geltung von § 2 Abs. 1 S. 4 HwiG a.F. und trifft sonst keine weitere Aussage zur Möglichkeit des Widerrufs nach Vertragsaufhebung. Eine Entscheidung des IV. Zivilsenates v. 16.10.2013 (IV ZR 52/12) befasst sich mit einem Lebensversicherungsvertrag und spricht i.E. eher dafür, eine Widerrufsmöglichkeit nach vollständiger Abwicklung abzulehnen. Der 20. Zivilsenat des OLG Hamm hat in einer Entscheidung vom 31.08.2011 (20 U 81/11) für einen Lebensversicherungsvertrag entschieden, dass ein Widerruf nach Kündigung nicht möglich sei. Eine Entscheidung eines Bankensenates des OLG Hamm zu diesem Themenkreis ist der Kammer nicht bekannt. Das OLG Düsseldorf hat den Widerruf eines Darlehensvertrages für grundsätzlich ausgeschlossen gehalten, wenn das Darlehensverhältnis bereits auf andere Weise zum Wegfall gekommen ist (Beschluss v. 18.01.12, 6 W 221/11) – so auch das LG Essen mit Urteil v. 24.04.2014, 6 O 12/14 (Bl. 181 d.A.). In einer Entscheidung vom 09.01.2014 (14 U 55/13) hat das OLG Düsseldorf Verwirkung angenommen (allerdings bei einem Zeitraum von knapp 5 Jahren zwischen Vertragsaufhebung und Widerrufserklärung). Auch der 17. Zivilsenat des OLG Frankfurt (17 W 11/14) geht in einem Beschluss v. 10.03.14 von Verwirkung (bei erheblich kürzerer Zeitspanne) aus (Anlage KE 12 der Beklagten).
25b)
26Bei dem Widerrufsrecht handelt es sich seiner Natur nach um ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht. Wie dieses dient es der Umgestaltung eines noch bestehenden Schuldverhältnisses und kann deshalb keine Anwendung finden, wenn der Vertrag, um dessen Widerruf es geht, bereits auf andere Weise zum Wegfall gekommen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2012 – 6 W 221/11 –, m.w.N., juris, so auch Landgericht Essen, Urteil vom 24.04.2014 , -6 O 12/14-).
27Ein Widerruf ist folglich nach vollständiger Vertragsbeendigung und -abwicklung nicht mehr möglich. Das Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt, ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Soweit der Verbraucherschutz es gebietet, besteht das Widerrufsrecht nach der Rechtsprechung des BGH zwar auch bei einem anfechtbaren oder nichtigen Vertrag, da es in einem solchen Fall der Schutzzweck des Widerrufsrechts gebietet, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erhalten, sich durch Ausübung eines an keine materiellen Voraussetzungen gebundenen, einfach auszuübenden Rechts einseitig vom Vertrag zu lösen, ohne mit dem Unternehmer in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit des Vertrages eintreten zu müssen (vgl. BGH Urt. v. 25.11.2009, -VIII ZR 318/08-, juris). Der BGH führt in der v.g. Entscheidung aber zugleich aus, dass es in diesem Zusammenhang darum geht, dem Verbraucher die Wahl zu erhalten, ob er den Vertrag mit der Rechtsfolge der Rückabwicklung nach §§ 346 ff BGB widerruft oder sich für eine Anfechtung bzw. Nichtigkeit des Vertrages mit der daraus resultierenden bereicherungsrechtlichen Abwicklung nach §§ 812 ff BGB entscheidet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011 – 20 U 81/11–, juris).
28c)
29Im vorliegenden Streitfall wurden der ursprüngliche Kreditvertrag vom 02.10.2003 Nr. -903 wie auch der dem Vertrag Nr. -760 nachfolgende Vertrag Nr. -738, der diesen vollständig ersetzt hat, einvernehmlich aufgehoben und abgelöst. Für deren Widerruf ist daher schon deshalb kein Raum mehr, weil sie nach der ausdrücklichen Ablösungsvereinbarung ohnehin keinen Bestand mehr haben. Die Klägerin hat sich bereits fünf Monate vor der anwaltlichen Widerrufserklärung für eine andere Möglichkeit entschieden, sich von dem Vertrag zu lösen. Sie hat von ihrem etwaigen Wahlrecht bereits Gebrauch gemacht und durch die Wahl der Aufhebung zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Bindung nicht ex tunc (also rückwirkend), sondern nur ex nunc (also für die Zukunft) beseitigen will bzw. im Umkehrschluss eine Bindung für die Vergangenheit gerade anerkannt. Das OLG Hamm hat in einem Fall, indem sich eine Klägerin für die Kündigung einer Lebensversicherung entschieden hat, ausgeführt, dass bei dieser Sachlage auch im Sinne des wohlverstandenen Verbraucherschutzes für die rückwirkende Zulassung eines Widerrufsrechts kein Raum bestehe (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011 – 20 U 81/11 –, juris).
30d)
31Der IV. Zivilsenat des BGH hat zwar mit Urteil vom 16.10.2013 hinsichtlich eines Lebensversicherungsvertrages ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben könne. Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht sei nämlich nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können. Im Ergebnis spricht sich der Senat mit dieser Entscheidung jedoch, konform zu der des 20. Zivilsenats des OLG Hamm vom 31.08.2011, überzeugend dafür aus, eine Widerrufsmöglichkeit nach vollständiger Abwicklung -wie hier vorliegend- abzulehnen. Zwar könne der Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließe die Kündigung einen späteren Widerruf nicht generell aus. Nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung solle jedoch auch Rechtssicherheit geschaffen und ein insgesamt abgeschlossener Sachverhalt nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden. Wenn ein Schuldverhältnis bereits durch einen "lückenlosen" Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden sei, bestehe für einen Widerruf kein Anlass mehr (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12 –, juris).
322)
33Nach der einvernehmlichen Rückabwicklung der Darlehensverträge verbleibt für die Ausübung des Widerrufsrechts zudem auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB kein Raum, da dieses Recht zum Zeitpunkt der Ausübung verwirkt war.
34Verwirkung tritt ein, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (vgl. BGH, Urteil v. 18.10.2004, -II ZR 352/02-, juris). Eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist kann nur aus besonderen Gründen gegeben sein, bei einer langen Verjährungsfrist bzw. einer an sich unbefristet möglichen Rechtsausübung kommt es auf die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestand und das Ausmaß des Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2014, -17 W 11/14-, juris).
35Die Beklagte musste angesichts der getroffenen Aufhebungsvereinbarungen vom 30.11.2012 sowie der vollständigen beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen am 09.01.2013 im April 2013 nicht mehr mit einem Widerruf rechnen. Sie durfte schutzwürdig auf den Bestand der getroffenen Vereinbarungen vertrauen. Für die Frage des schutzwürdigen Vertrauens ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und das daraus folgende grundsätzliche Fortbestehen des Widerrufsrechts bis zur vollständigen Erfüllung der Vertragspflichten bekannt war. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Klägerin zumindest Widerrufsbelehrungen erhalten hat, welche einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solches nicht im Unklaren lassen konnte (vgl. bei einem Zeitraum von 2 Wochen zwischen Vertragsaufhebung und Widerrufserklärung: OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2014, -17 W 11/14-, bei einem Zeitraum von 5 Jahren zwischen Vertragaufhebung und Widerrufserklärung: OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2014, -14 U 55/13-, juris).
36II.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
39Der Streitwert wird auf 14.213,35 EUR festgesetzt.
Urteilsbesprechung zu Landgericht Siegen Urteil, 10. Okt. 2014 - 2 O 406/13
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Landgericht Siegen Urteil, 10. Okt. 2014 - 2 O 406/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Kläger nahmen zur Finanzierung eines Eigenheimes in F 2005 und 2006 insgesamt drei Darlehen bei der Beklagten in Anspruch. Zwei Darlehensverträge schlossen die Parteien am 05.08.2005 ab, und zwar zum einen den Vertrag Nr. … über 220.000 € (1,5 % Tilgung pro Jahr, 4,3 % Zinsen pro Jahr, monatliche Rate 1.063,33 €), zum anderen den Vertrag Nr. … über 160.000 € (1,5 % Tilgung pro Jahr, 3,8 % Zinsen pro Jahr, monatliche Rate 706,67 €). Einen dritten Darlehensvertrag Nr. … über 30.000 € schlossen die Parteien am 20.04.2006, hierbei handelte es sich um ein Darlehen der L (2 % Zinsen pro Jahr, quartalsweise Rate 475,45 €). Die Darlehensverträge enthielten jeweils Widerrufsbelehrungen. In diesen hieß es übereinstimmend unter anderem: „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen… widerrufen“, wobei hinter „Wochen“ eine Fußnote gesetzt war, in der es wie folgt hieß: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Weiter lautet die Formulierung: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Darlehensverträge wird auf Anlage K3 (Bl. 26 - 28 d. A.) verwiesen.
3Im Jahre 2012 baten die Kläger um Ablösung der Darlehensverträge zum 01.09.2012. Die Beklagte erklärte sich hierzu bereit, errechnete für die drei Darlehensverträge jeweils Vorfälligkeitsentschädigungen und unterbreitete entsprechende Angebote mit mehreren Schreiben vom 06.07.2012. Hinsichtlich des genauen Inhalts und der Berechnungen wird auf die Anlagen K5 (Bl. 30 - 55 d. A.) Bezug genommen. Dieses Angebot zum Abschluss eines Auflösungsvertrags nahmen die Kläger mit Schreiben vom 01.08.2012 an. Die Kläger zahlten die vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe der ursprünglichen Klageforderung (= 26.194,04 €).
4Nach Beratung durch die Verbraucherzentrale I erklärten die Kläger den Widerruf der drei Darlehensverträge mit Schreiben vom 27.08.2013 und forderten die Beklagte zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe der Klageforderung bis zum 15.09.2013 auf. Die Beklagte widersprach dem Widerruf, zahlte aber nach weiterem Schriftverkehr die – wegen eines jederzeitigen Kündigungsrechts der Kläger hinsichtlich des L-Darlehens unstreitig zu Unrecht – begehrte Vorfälligkeitsentschädigung für das L-Darlehen in Höhe von 214,94 € zurück.
5Darüber hinaus erklärten die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2013 die Anfechtung ihrer Annahme der Ablösungsverträge wegen Täuschung über Grund und Höhe der Vorfälligkeitsentschädigungen.
6Die Kläger meinen, sowohl ihr Widerruf der Darlehensverträge als auch ihre Anfechtung der Ablösungsverträge seien wirksam.
7Die Widerrufsbelehrungen seien unwirksam, sie hätten den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. nicht genügt. Der Hinweis, die Widerrufsfrist begänne „frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ sei nicht hinreichend und daher unrichtig. Verwirrend sei außerdem der Fußnotenhinweis „2“ hinter „innerhalb von zwei Wochen“ mit dem Inhalt „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Aus diesem Grund hätten sie – die Kläger – auch zum Zeitpunkt des Widerrufs am 27.08.2013 ein Widerrufsrecht noch wirksam ausüben können, zumal es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe, sie – die Kläger – später über ihr noch vorhandenes Widerrufsrecht aufzuklären.
8Die Beklagte habe ferner bei Abschluss der Ablösungsverträge über mehrere Punkte arglistig getäuscht. Erstens sei ein Widerruf der Verträge möglich gewesen. Zweitens sei der Beklagten kein Schaden in behaupteter Höhe durch die Ablösung der Verträge entstanden. Sie habe über die Höhe der Verwaltungskosten, die Werte für das entfallene Risiko und die Höhe der Zinssätze vorsätzlich getäuscht und habe keine Bearbeitungsentgelte in Höhe von 300,- € und abstrakt berechnete Vorfälligkeitsentschädigung für das L-Darlehen verlangen können. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die Klageschrift (Bl. 12 f. d. A.) verwiesen. Außerdem habe es der Zustimmung der L1-Bank zur Ablösung nicht bedurft; jenes Darlehen habe im Gegenteil – unstreitig – jederzeit ohne Kosten abgelöst werden dürfen.
9Die Vorfälligkeitsentschädigung sei insgesamt deutlich zu hoch berechnet; hinsichtlich der verwendeten Berechnungsmethoden und -grundlagen bedürfe es ohnehin einer Korrektur der allzu bankenfreundlichen Rechtsprechung des BGH. Diese sei für die Zukunft zu erwarten und sei im Rechtsstreit BGH XI ZR 512/11 nur deswegen nicht erfolgt, weil die beklagte Bank die Forderung der Kläger anerkannt habe, um ein begründetes Urteil zu vermeiden. Der Senat habe in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die Banken bei Berechnung ihrer Vorfälligkeitsentschädigung jedenfalls auf den gesetzlichen Verzugsschaden gemäß § 503 Abs. 2 BGB – 2,5 % pro Jahr – beschränkt seien.
10Die Kläger meinen ferner, die Beklagte habe einen zu geringen eigenen Zinserlös angesetzt; hier sei anhand des Jahresberichts 2012 der Beklagten von einem Zinssatz von 6 % auszugehen; ihre Wiederanlagezinssätze seien darüber hinaus falsch berechnet. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungsweisen wird auf die Klageschrift (Bl. 11 f. d. A.) verwiesen. Auch habe die Beklagte die Darlehen nicht laufzeitkongruent refinanziert. Sie habe ferner fälschlich einen Erhalt der Vorfälligkeitsentschädigung bereits am 01.09.2012 angenommen.
11Hinsichtlich des L-Darlehens habe die Beklagte keinen eigenen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, da die gezahlten Gelder nicht der Beklagten zugestanden hätten, sie also keinen Schaden erlitten habe. Die Beklagte wisse dies, weise aber – so die Behauptung der Kläger – ihre Mitarbeiter dennoch an, systematisch auch für diese Darlehen Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen.
12Die Kläger sind schließlich der Ansicht, sie seien auf Nachfrage beim Abschluss der Darlehensverträge pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt worden, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfallen könne.
13Die Kläger beantragen nach Rücknahme der Klage in Höhe von 214,94 € betreffend die Vorfälligkeitsentschädigung aus dem L-Darlehen nunmehr,
141. die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.976,10 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2013 zu zahlen,
152. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.872,35 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie ist der Auffassung, dass die Kläger die Darlehensverträge nicht hätten wirksam widerrufen können, da die Verträge bereits durch Aufhebungsverträge, die erfüllt worden seien, vollständig beendet worden seien. Der Zweck des Widerrufs lasse sich seitdem nicht mehr erreichen. Außerdem sei das Widerrufsrecht nach 8 bzw. 7 ½ Jahren nach Abschluss der Darlehensverträge verwirkt.
19Die Aufhebungsverträge seien wirksam, und zwar auch hinsichtlich der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung, da diese zwischen den Parteien vereinbart und die abschließenden Beträge daher von den Klägern akzeptiert worden seien. Die Beklagte meint, auf die Frage, ob die Berechnung durch sie – die Beklagte – richtig und entsprechend der Rechtsprechung des BGH erfolgt sei, komme es daher nicht an. Dies finde seinen Grund darin, dass die Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung der Darlehensverträge gehabt hätten, sie – die Beklagte – einer Aufhebung also nicht habe zustimmen müssen. Ohnehin seien die Berechnungen korrekt abstrakt nach Maßgabe des Urteils des BGH zum Aktenzeichen XI ZR 27/00 – Aktiv-Passiv-Methode – erfolgt. Im Hinblick auf die Details der Berechnungsweise wird auf die Klageerwiderung (Bl. 88 ff. d. A.) verwiesen.
20Die Kläger hätten die Aufhebungsverträge nicht wirksam angefochten. Es fehle an einer arglistigen Täuschung. Sie – die Beklagte – habe insbesondere nicht über ein etwaig noch bestehendes Widerrufsrecht der Kläger, von dem sie ohnehin keine Kenntnis gehabt habe bzw. hätte haben müssen, aufklären müssen. Die Beklagte behauptet, über die Bearbeitungsentgelte in Höhe von 300,- € hätten sich die Parteien geeinigt. Hinsichtlich der Forderung nach einer Vorfälligkeitsentschädigung für das L-Darlehen liege ein Versehen vor, weil sie – die Beklagte – übersehen habe, dass das Darlehen jederzeit ohne Kosten auflösbar gewesen sei – deswegen habe sie den Betrag schließlich zurückgezahlt.
21Die Beklagte vertritt zudem die Ansicht, die Anfechtung der Kläger beziehe sich lediglich auf die Aufhebungsverträge, so dass die Darlehensverträge nach wie vor wirksam seien und die Kläger ohnehin Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen hätten – selbst wenn die Anfechtung „Erfolg“ hätte.
22Wegen des weiteren Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage ist nicht begründet.
251)
26Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung als von der Beklagten empfangene Leistung gemäß §§ 355 Abs. 1 Satz 1, 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB. Der von den Klägern erklärte Widerruf der Darlehensverträge war nicht wirksam. Im Einzelnen:
27a) Die Parteien schlossen insgesamt drei Darlehensverträge, wobei der Vertrag über die Gewährung eines Darlehens durch die L und die für die Aufhebung dieses Vertrags gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr streitgegenständlich ist, nachdem die Kläger ihre Klage in Höhe eines Betrages von 214,94 € zurückgenommen haben (§ 269 ZPO).
28b) Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 27.08.2013 den Widerruf der Darlehensverträge. Der Wortlaut des Schreibens ist insofern klar und eindeutig, auch wenn die Kläger im Anschluss lediglich die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung forderten. Die Kläger machten jedoch darüber hinaus deutlich – vgl. §§ 133, 157 BGB –, dass ihnen aus der vollständigen Aufhebung der Verträge aufgrund ihres Widerrufs noch weitergehende Ansprüche auf Zahlung der von ihnen geleisteten Zinsen usw. zustünden.
29Es handelte sich jeweils um Verbraucherdarlehensverträge im Sinne der §§ 491ff. BGB, so dass den Klägern als Darlehensnehmern grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB – hier in der Fassung vom 02.12.2004, gültig bis zum 10.06.2010 – zustand (§ 495 Abs. 1 BGB). Die Darlehensverträge enthalten dementsprechend jeweils eine Widerrufsbelehrung.
30Auch ist die Rechtsauffassung der Kläger zutreffend, dass die Widerrufsbelehrungen missverständlich waren und daher die Frist von 14 Tagen gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. nicht in Gang setzen konnten. Die Belehrungen entsprachen nicht den Erfordernissen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. So ist die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ unvollständig, weil nicht ausgeführt wird, wann sie spätestens beginnt bzw. welche anderen Anknüpfungspunkte es für den Beginn der Frist geben kann (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2013, III ZR 145/12, zitiert nach juris, dort Rnr. 10; OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2012, 31 U 97/12). Auch die Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ hinter der Frist „von zwei Wochen“ ist aus sich heraus nicht verständlich und bürdet dem Verbraucher eine Prüfungspflicht auf, die er nicht zu tragen hat und außerdem schon mangels genauer weiterer Angaben zum Fristbeginn nicht erfüllen kann.
31c) Ein Widerruf war jedoch nicht mehr möglich, nachdem die Darlehensverträge durch Vertrag aufgehoben und abgewickelt wurden.
32Die Kläger schlossen mit der Beklagten durch Schreiben vom 06.07.2012 und 01.08.2012 Verträge zur Aufhebung der drei Darlehensverträge. Die Verträge wurden vollständig abgewickelt. Unter diesen Umständen ist der Widerruf der Darlehensverträge ausgeschlossen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2011, 20 U 81/11, zitiert nach juris, dort Rnr. 15f.).
33Indem die Kläger die Aufhebung der Darlehensverträge vereinbarten, machten sie von einer im Zuge der Privatautonomie bestehenden Möglichkeit Gebrauch, die Verträge gerade nicht durch einen Widerruf ex nunc in ein Abwicklungsschuldverhältnis umzuwandeln. Vielmehr erkannten die Kläger dadurch eigenverantwortlich ihre Bindung für die Vergangenheit an. Anders als im Falle einer Kündigung oder Anfechtung, die auf gleiche bzw. ähnliche Rechtsfolgen wie ein Widerruf gerichtet wären (dazu BGH, Urteil vom 16.10.2013, IV ZR 52/12, zitiert nach juris, dort Rnr. 24 mit weiteren, auch abweichenden Nachweisen) – nämlich bei Anfechtung die rückwirkende Wirkung (ex tunc) – ist eine Widerrufsmöglichkeit nach Aufhebung der Darlehensverträge durch vertragliche Vereinbarung auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht geboten. Das Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Als die Kläger den Widerruf erklärten, erfolgte dies nicht nur acht Jahre nach Abschluss der Darlehensverträge, sondern auch deutlich nach Abschluss der Aufhebungsverträge. Die Kläger handelten nicht, um sich von übereilt abgeschlossenen Darlehensverträgen zu lösen, sondern um jedenfalls die Vorfälligkeitsentschädigung zurück zu erhalten. Sie befanden sich zudem schon bei Vertragsschluss nicht in völliger Unkenntnis eines Widerrufsrechts. Vielmehr ist eine Belehrung erfolgt. Diese war zwar missverständlich, jedoch nur im Hinblick auf die Widerrufsfrist, nicht auf das Bestehen eines Widerrufsrechts als solches.
342)
35Die Kläger haben ferner keinen Anspruch auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
36Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung war eine Leistung der Kläger an die Beklagte zur Erfüllung der Aufhebungsverträge. Für diese Leistung besteht nach wie vor ein Rechtsgrund in Form der wirksamen Aufhebungsverträge. Diese sind nicht durch Anfechtung der Kläger rückwirkend nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).
37Ein Anfechtungsgrund für die mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2013 fristgerecht im Sinne der § 143 Abs. 1, § 124 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB erklärte Anfechtung der Kläger bestand nicht.
38Die Beklagte täuschte die Kläger bei Abschluss der Aufhebungsverträge nicht arglistig (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB); dies ergibt sich weder aus dem Parteivorbringen noch aus den sonstigen Umständen des Sachverhalts.
39Arglistig täuscht, wer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums täuscht, wobei der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten muss (Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 123 Rnr. 2, 11). Der Täuschende muss also nicht absichtlich, wohl aber mindestens vorsätzlich handeln. Dabei stellt nicht jede unrichtige Angabe eine Täuschung dar.
40a) Die Mitarbeiter der Beklagten mussten die Kläger bei Abschluss der Darlehensverträge nicht über die Möglichkeit, dass ggf. eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden könne, aufklären. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist weder Hauptpflicht des Darlehensvertrags noch sonst zwingende Folge des Abschlusses eines Darlehensvertrags. Im Gegenteil entstand der Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung erst mit Abschluss der Aufhebungsverträge.
41b) Die Vorfälligkeitsentschädigung ist zudem weder nicht grundlegend falsch berechnet noch zu hoch, sondern orientiert sich vielmehr durchgängig an den Grundsätzen der Entscheidung des BGH vom 07.11.2000 zum Az. XI ZR 27/00. Die Beklagte übervorteilt die Kläger nicht rechtswidrig, indem sie sich an dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert, auch wenn mittlerweile andere, für die Darlehensnehmer günstigere Rechtsauffassungen wie jene der Kläger existieren mögen.
42Insbesondere ist der von den Klägern herangezogene, dem Anerkenntnisurteil des BGH vom 17.01.2013 zum Az. XI ZR 512/11 zugrunde liegende Rechtsstreit mit dem streitgegenständlichen nicht vergleichbar, so dass sich aus dessen Umständen keine andere, für die Kläger vorteilhaftere Rechtsanwendung ergibt. Jenem Fall der Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung lag nämlich kein Aufhebungsvertrag zugrunde, sondern die Kündigung eines Darlehens durch die Bank wegen Nichtzahlung von Raten. Neben der Forderung der Vorfälligkeitsentschädigung hatte die Bank auch die Zwangsvollstreckung in das Grundstück (erfolgreich) betrieben und gleichzeitig Verzugszinsen geltend gemacht. Diese doppelte Anspruchshaltung der Bank lehnte der BGH ab. Im vorliegenden Fall forderte die Beklagte jedoch „lediglich“ eine Vorfälligkeitsentschädigung und keine weiteren Verzugszinsen; darüber hinaus liegt diesem Anspruch keine Kündigung der Bank, sondern jeweils – wie bereits ausgeführt – ein Aufhebungsvertrag zugrunde.
43c) Die konkrete, von der Beklagten vorgenommene Anwendung der Aktiv-Passiv-Methode bei Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung begegnet keinen Bedenken. Sie orientiert sich an der aktuellen Rechtsprechung des BGH (vgl. oben
44b)). Hinsichtlich der Details der Berechnungsweise wird auf die Darstellung in der Klageerwiderung (Bl. 88-91 d. A.) verwiesen.
45Im Einzelnen:
46Insbesondere folgt aus der zitierten Rechtsprechung des BGH, dass eine abstrakte Berechnung des der Bank entstandenen Schadens möglich und rechtmäßig ist. Die Beklagte war folglich nicht verpflichtet, den von ihr bei Darlehensgewährungen zugrunde gelegten durchschnittlichen Zinssatz oder aber besonders hohe, von ihr erhaltene Zinssätze wie beispielsweise bei Überziehungskrediten für die Berechnung zu verwenden.
47Darüber hinaus musste die Beklagte keine weitere Berechnung zum tatsächlichen Aufhebungsdatum vornehmen, das geringfügig nach dem im Angebot der Kläger benannten Tag lag. Die Beklagte berechnete nämlich für die verzögerte Ablösung nach dem 01.09.2012 Tageszinsen.
48Ferner erscheinen die durch die Beklagte angesetzten Verwaltungskosten von lediglich 1,25 €/Monat für EDV realistisch und damit im Sinne des § 287 ZPO schätzbar. Werden Darlehen – wie hier – regelmäßig bedient, beschränken sich die Verwaltungskosten der Bank in der Regel auf die monatlichen Kosten für die Anschaffung, den Unterhalt und die Wartung und Kontrolle von Computerprogrammen, die die monatlichen Zahlungseingänge zuordnen, verbuchen und kontrollieren. Dagegen ist der von den Klägern „ins Blaue hinein“ behauptete Betrag von 45 € monatlichen Verwaltungskosten weder durch Sachvortrag untermauert noch sonst für die Kammer nachvollziehbar. Gleiches gilt hinsichtlich des Vortrags zu den Risikokosten. Ebenso ist nicht deutlich, aus welchem Grunde die Beklagte zwangsläufig einen EURIBOR-Zinssatz für die Laufzeit von 3 Monaten hätte zugrunde legen sollen, zumal dies nicht der Laufzeit der Darlehen entsprach.
49Das Bearbeitungsentgelt wurde zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart, und zwar bereits zu Beginn der Verhandlungen über den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Es wurde individualvertraglich und damit wirksam vereinbart. Zudem betrifft es nicht einen Teil der Vorfälligkeitsentschädigung, sondern einen anderen Schadensposten der Beklagten, nämlich im Wesentlichen die Kosten für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowie für die Verhandlungen und für den Schriftverkehr mit den Klägern. Das Entgelt war schließlich auch nicht unangemessen hoch (§ 287 ZPO).
50Unklar bleibt darüber hinaus bereits nach dem Vortrag der Kläger, inwiefern die Beklagte über die Berechnungsgrundlagen bewusst getäuscht haben sollte. Die Berechnungen wurden vollständig offen gelegt und konnten durch die Kläger vor Abschluss des Aufhebungsvertrages im Einzelnen überprüft werden, ggf. unter Zuhilfenahme rechtlichen Beistandes.
51d) Eine arglistige Täuschung der Beklagten lässt sich schließlich auch nicht aus der Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung für das L-Darlehen herleiten. Diese erfolgte zwar unberechtigt. Die Beklagte hat hierzu jedoch ausgeführt, ihre Mitarbeiter seien irrtümlich von einem möglichen Anspruch auch im Hinblick auf jenes Darlehen ausgegangen. Dies bestreiten die Kläger zwar, treten für ihre Behauptung einer systematischen unberechtigten Forderung von Vorfälligkeitsentschädigungen durch die Beklagte jedoch keinen Beweis an. Die anschließende Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung für dieses Darlehen nach vorgerichtlichem Schriftverkehr bestätigt zudem den Vortrag der Beklagten.
52e) Darüber hinaus fehlt es am Vortrag der Kläger zum Vorsatz der Mitarbeiter der Beklagten hinsichtlich einer Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB.
533)
54Andere Zahlungsansprüche der Kläger sind nicht erkennbar. Insbesondere scheiden aufgrund der obigen Ausführungen zu Ziffer 2) Ansprüche wegen Verletzung einer Nebenpflicht zur korrekten Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung aus. Abgesehen davon, dass die Kläger der Vorfälligkeitsentschädigung in dieser Höhe mitsamt ihrer Berechnung durch Annahme des Aufhebungsvertrags zustimmten, erscheinen die Bedenken der Kläger gegen die Berechnung nicht durchgreifend.
554)
56Mangels Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung der beantragten Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 286, 288 Abs. 1, 249 ff. BGB).
575)
58Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Nach einem am 1. Mai 2007 erfolgten Werbeanruf durch einen Mitarbeiter der Beklagten bestellte die Klägerin bei dieser am darauf folgenden Tag per Fax einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € zuzüglich Versandkosten. Der von der Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter anderem den vorformulierten Hinweis: "Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten."
- 2
- Die Lieferung des Geräts erfolgte per Nachnahme am 9. Mai 2007. Die Klägerin sandte am 19. Mai 2007 das Gerät an die Beklagte zurück und bat um Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes und die Rückzahlung des Kaufpreises.
- 3
- Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt 1.138,01 € nebst Zinsen. Darüber hinaus hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 19. Mai 2007 mit der Rücknahme des Gerätes in Annahmeverzug befindet.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.138,01 € nebst Zinsen zu zahlen, und hat dem Feststellungsantrag entsprochen; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
- 7
- Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 1.129,01 € aus § 812 BGB und auf Zahlung weiterer 8,70 € gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB.
- 8
- Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 BGB nichtig sei. Verträge über den Kauf von Radarwarngeräten seien stets als sittenwidrig zu beurteilen, wenn - wie vorliegend - der Vertragszweck erkennbar auf eine Verwendung des Radarwarngerätes im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet sei. § 817 Satz 2 BGB stehe einer Rückforderung des Kaufpreises entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB dem Grunde nach vor, da der Klägerin die Radarwarnfunktion des Spiegels bekannt gewesen sei und die Beklagte in ihrem Bestellformular auf die Sittenwidrigkeit entsprechender Verträge hingewiesen habe. Der Beklagten sei es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf § 817 Satz 2 BGB zu berufen. Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages könne in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Der Verbraucherschutz rechtfertige einen solchen Ausnahmefall. Die Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks könne gesetzliche Regelungen mit verbraucherschützender Intention nicht ausschließen. Der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag unterfiele den verbraucherschützenden Regelungen zum Fernabsatzvertrag gemäß § 312b ff. BGB, wenn er nicht wegen der Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks nichtig wäre. Die Nichtanwendung der §§ 312b ff. BGB würde eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers bedeuten, wenn diesem im Rahmen der Geltendmachung seines gesetzlichen Widerrufs- und Rückgaberechts gemäß § 312d BGB die Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Vertrages entgegengehalten werden könnte. Ein Verbraucher müsse auch dann, wenn er in der Situation des Fernabsatzes einen sittenwidrigen Vertrag schließe, die Möglichkeit haben, sich von dem Vertrag zu lösen. Diesen Schutz nicht zu gewähren, würde bedeuten, den redlichen Verkäufer schlechter zu stellen als den unredlichen, der aufgrund der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht zur Rücknahme der veräußerten Ware verpflichtet wäre. Dieser Wertungswiderspruch könne nur dadurch aufgelöst werden, dass der Verbraucher, welcher an einem sittenwidrigen Vertragsschluss beteiligt sei, sich über § 242 BGB auf verbraucherschützende gesetzliche Regelungen berufen könne.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückerstattung des für das Radarwarngerät gezahlten Kaufpreises und auf Rücknahme des Gerätes durch die Beklagte. Dieser Anspruch ergibt sich allerdings nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, aus § 812 BGB. Vielmehr steht der Klägerin ein gesetzlicher Rückabwicklungsanspruch aufgrund der Regelungen über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen zu (§ 346 Abs. 1 i.V.m. §§ 433, 312b, 312d, 355 ff. BGB). Dem steht die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags nicht entgegen.
- 10
- 1. Bei dem zwischen den Parteien aufgrund schriftlicher Bestellung seitens der Klägerin und Zusendung des Geräts durch die Beklagte zustande gekommenen Kaufvertrag über das Radarwarngerät handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der Vertrag hat die Lieferung einer Ware zum Gegenstand und wurde nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen einem Unternehmer (Beklagte) und einem Verbraucher (Klägerin) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2 BGB) geschlossen. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
- 11
- 2. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Bei einem Fernabsatzvertrag steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB), auf das die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) entsprechende Anwendung finden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klägerin hat das Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, indem sie das am 9. Mai 2007 gelieferte Radarwarngerät am 19. Mai 2007 an die Beklagte zurücksandte (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB), und ist deshalb an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie hat damit Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB) zuzüglich der Kosten für die Rücksendung des Geräts (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).
- 12
- 3. Eine direkte Anwendung der Regelung über das gesetzliche Widerrufsrecht der Klägerin aus § 312d Abs. 1 BGB ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil der Fernabsatzvertrag wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist. Auch bei einem nichtigen Fernabsatzvertrag besteht grundsätzlich das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Ein Ausnahmefall, in dem dies nicht gelten würde, liegt hier nicht vor.
- 13
- a) Der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts ist, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nach der Rechtsprechung des Senats sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Kauf nach dem für beide Seiten erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist (Urteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, unter II 1 b; zustimmend Emmerich, JuS 2005, 746 f.; Möller, EWiR 2005, 529; Singer, LMK 2005, II, 80 f.; Hardung, SVR 2005, 339 f.; Diehl, ZfS 2005, 442; Albrecht, DAR 2006, 481, 485; Hufnagel, NJW 2008, 621, 624; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Staudinger/S. Lorenz, BGB (2007), § 817 Rdnr. 21; Martinek in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 817 Rdnr. 28). Diese Voraussetzungen für die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags sind nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Von der Nichtigkeit des Vertrags gehen auch die Parteien im Revisionsverfahren aus.
- 14
- b) Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag durch Widerruf ihrer Willenserklärung zu lösen, wird von der Nichtigkeit des Vertrags nicht berührt.
- 15
- aa) Ob das Widerrufsrecht des Verbrauchers - jedenfalls grundsätzlich - auch bei einem unwirksamen Vertrag besteht, ist allerdings umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, dass dies aus Gründen des Verbraucherschutzes zu bejahen sei, um dem Verbraucher die gegenüber einer kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung günstigeren Rechtsfolgen der §§ 355, 346 ff. BGB zu erhalten (MünchKommBGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312d Rdnr. 13; MünchKommBGB/ Masuch, 5. Aufl., § 355 Rdnr. 28; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 355 Rdnr. 20; v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 13; HK-BGB/Schulze, 6. Aufl., § 355 Rdnr. 5; Wildemann in: jurisPK-BGB, aaO, § 355 Rdnr. 7). Dagegen wird eingewandt, das Widerrufsrecht nach § 312d BGB setze einen wirksamen Fernabsatzvertrag voraus, da nur von einem wirksam geschlossenen Vertrag zurückgetreten werden könne und es den dogmatischen Strukturen des Vertragsrechts widerspreche, wenn auch nichtige Verträge nach den Rücktrittsvorschriften rückabgewickelt werden könnten (Staudinger/Thüsing, BGB (2005), § 312d Rdnr. 10; ebenso Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rdnr. 17; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 BGB Rdnr. 53, zum Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag).
- 16
- bb) Der Senat hat die Frage, ob ein Widerrufsrecht unabhängig davon besteht, ob die Willenserklärung bzw. der Vertrag ansonsten wirksam ist, in seinem Urteil vom 17. März 2004 offen gelassen (VIII ZR 265/03, WM 2004, 2451, unter II 2 b und c). Er bejaht sie in Übereinstimmung mit der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung.
- 17
- Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben , das neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt. Dies kommt etwa im Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) zum Ausdruck, wonach das Widerrufsrecht nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers berührt. Dementsprechend hat der Verbraucher etwa ein Wahlrecht, ob er einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312d, 355 BGB mit der Rechtsfolge einer Rückabwicklung nach §§ 346 ff. BGB widerruft oder ob er den Vertrag - gegebenenfalls - wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung gemäß §§ 119 ff., 142 BGB anficht und sich damit für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB entscheidet (ebenso v. Westphalen/Emmerich/ v.Rottenburg, aaO; Bülow/Artz, aaO). Es besteht unter dem Gesichtspunkt des bei einem Fernabsatzvertrag gebotenen Verbraucherschutzes kein Grund, den Verbraucher schlechter zu stellen, wenn der Fernabsatzvertrag nicht anfechtbar , sondern nach §§ 134, 138 BGB nichtig ist. Auch in einem solchen Fall rechtfertigt es der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Ausübung des Widerrufsrechts zu lösen, ohne mit dem Unternehmer in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit des Vertrages eintre- ten zu müssen. Auch bei einer etwaigen Nichtigkeit des Vertrages hat der Verbraucher deshalb grundsätzlich die Wahl, seine auf den Abschluss des Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung zu widerrufen oder sich auf die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags zu berufen.
- 18
- Die dagegen vorgebrachten dogmatischen Einwände greifen nicht durch. Das begriffslogische Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne widerrufen werden (Staudinger/Thüsing, aaO), berücksichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (sog. Doppelwirkungen im Recht; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., Einl. zu §§ 104 ff. Rdnr. 80 m.w.N.; Bülow/Artz, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1955 - V ZR 53/54, JZ 1955, 500). Für den Widerruf eines nichtigen Vertrages gilt unter dogmatischem Gesichtspunkt nichts Anderes als für dessen Anfechtung.
- 19
- cc) Es ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz, dass der Verbraucher auch einen nichtigen Fernabsatzvertrag widerrufen kann, einzuschränken ist. Denn ein Ausnahmefall , in dem die mit dem Widerrufsrecht verbundene Privilegierung des Verbrauchers nicht gerechtfertigt wäre, liegt hier nicht vor.
- 20
- Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung, dass der Verbraucher sich bei einer Nichtigkeit des Fernabsatzvertrags schon dann nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe (so MünchKommBGB/Masuch, aaO). Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann nur unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen, etwa bei arglistigem Handeln des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, aaO, Rdnr. 14). Arglistiges Handeln der Klägerin gegenüber der Beklagten liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr fällt bei dem nichtigen Kaufvertrag über das Radarwarngerät, wie unter 3 a ausgeführt , beiden Parteien - auch der Beklagten - ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005, aaO, unter II 2). Unter diesen Umständen gebietet es der Gesichtspunkt von Treu und Glauben jedenfalls nicht, der Klägerin das Widerrufsrecht zu Gunsten der Beklagten vorzuenthalten. Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 28.04.2008 - 71 C 130/08 (I) -
LG Aurich, Entscheidung vom 21.11.2008 - 1 S 140/08 (138) -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages.
- 2
- Dessen Abschluss beantragte er bei der Beklagten im März 1993 mit Wirkung ab April 1993. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unterzeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. Zwischen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weiterer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antragsformular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck hervorgehoben.
- 3
- Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die monatlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die Lebensversicherung , woraufhin die Beklagte 3.240,17 DM als Rückkaufswert auszahlte. Zehn Jahre später ließ der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 15. Februar 2010 erklären, dass "dem Vertragsabschluss … gemäß § 5a VVG a.F. widersprochen" werde, und die Rückzahlung al- ler geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes fordern.
- 4
- Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nicht ausreichend , da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenntnis nehme. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der auf Widerruf seiner Vertragserklärung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision ist unbegründet.
- 7
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht ergebe sich nicht aus dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung, da die Widerrufsfrist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Antrags abgelaufen sei. Der Kläger sei über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden. Eine besondere drucktechnische Gestaltung der Belehrung sei nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. nicht erforderlich. Sie müsse, um ihren Zweck zu erreichen, umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Diesen Anforderungen genüge die Belehrung, die im Antragsformular in Fettschrift unmittelbar über der Unterschriftszeile abgedruckt sei. Auf die Frage der Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung komme es daher nicht an.
- 8
- Offen bleiben könne auch, ob mit dem Versicherungsvertrag eine Zahlungserleichterung im Sinne des bis zum 31. Dezember 2001 gültigen § 1 Abs. 2 VerbrKrG verbunden gewesen sei, da nach § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erloschen sei.
- 9
- Im Übrigen stehe einem Widerruf entgegen, dass sich der Kläger für die Durchführung des Vertrages und die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen entschieden habe; damit sei sein Wahlrecht erloschen.
- 10
- II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand. In dem Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." liegt kein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.).
- 11
- 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 VVG a.F. ausgegangen. § 5a VVG in der ab dem 29. Juli 1994 gültigen Fassung findet nach Art. 16 § 11 des Dritten Durchführungsgesetzes /EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl. 1994 I, S. 1630) keine Anwendung auf Versicherungsverträge, die - wie hier - bis zum 31. Dezember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen wurden.
- 12
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war allerdings die in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. bestimmte Widerrufsfrist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages zum Zeitpunkt des Widerrufs im Februar 2010 noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. belehrt worden war. Die Widerrufsfrist beginnt in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der Fassung vom 16. Januar 1986 und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990 erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung über das Widerrufsrecht.
- 13
- a) Der Kläger ist nicht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
- 14
- aa) Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift zwar keine über die Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. In zwei Beschlüssen vom 16. November 1995 hat der Bundesgerichtshof jedoch zu § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, Beschlüsse vom 16. November 1995 - I ZR 25/94, VersR 1996, 221 unter I 2 und I ZR 175/93, VersR 1996, 313 unter II 1; ebenso KG r+s 2003, 98; zustimmend:Johannsen/ Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 302; ähnlich OLG Stuttgart VersR 1995, 202, 204; für eine drucktechnisch deutlich gestaltete Belehrung: Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Claussen, JR 1991, 360, 363; Schimikowski, ZfV 1991, 632, 635;Teske, NJW 1991, 2793, 2798; a.A.: Koch, VersR 1991, 725, 729).
- 15
- bb) Die Form der Belehrung im Antragsformular genügt diesen Anforderungen nicht; sie ist zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Widerrufsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines längeren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckmäßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwendung der Beiträge und über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält. Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hinweis steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers , sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärungen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.
- 16
- b) Mangels ordnungsgemäßer Belehrung hatte der Lauf der Widerrufsfrist nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen.
- 17
- aa) In § 8 Abs. 4 VVG a.F. findet sich zu den Folgen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Belehrung keine Regelung. Dagegen hatte der Gesetzgeber in dem am selben Tag in Kraft getretenen § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 VerbrKrG ausdrücklich bestimmt, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung beginnt (Satz 2) und dass bei Fehlen der Belehrung das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erlischt (Satz 3). Auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der vom 1. Mai 1986 bis 30. September 2000 gültigen Fassung setzt der Lauf der Widerrufsfrist die ordnungsgemäße Belehrung voraus; nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlen der Belehrung erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.
- 18
- bb) Zu der Frage, ob auch in Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
- 19
- Ein Teil der Literatur legt diese Vorschrift dahin aus, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der schriftlichen ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beginnt (Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 303; Koch, VersR 1991, 725, 729; ohne Begründung Präve, VW 1991, 488, 489). Zur Begründung dieser Rechtsfolge wird auch auf eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zurückgegriffen (Sieg, VersR 1992, 1; wohl auch Schimikowski , ZfV 1991, 632, 635 f.) oder der Einwand der Fristversäumung als treuwidrig angesehen (Claussen, JR 1991, 360, 363). Eine Verbindung zwischen ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung und Lauf der Widerrufsfrist wird weiter daraus abgeleitet, dass § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. eine vorvertragliche Informationspflicht des Versicherers normiere, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers aus Verschulden bei Vertragsschluss auslöse. Da der Versicherungsnehmer einen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde, könne er sein Widerrufsrecht auch nach Ablauf der Widerrufsfrist noch ausüben (Teske, NJW 1991, 2793, 2798 f.).
- 20
- Demgegenüber folgern andere aus dem Fehlen einer Regelung zu den Auswirkungen der unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäßen Belehrung in § 8 Abs. 4 VVG a.F.unter Berücksichtigung der Regelungen im Haustürwiderrufsgesetz und im damals neuen Verbraucherkreditgesetz, dass die Regelungslücke vom Gesetzgeber gewollt sei, so dass eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG oder des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG nicht in Betracht komme (OLG München VersR 1995, 1037, 1038; zustimmend Römer in Römer/Langheid, VVG 1. Aufl. § 8 Rn. 68; AG Heidenheim VersR 1992, 558; AG Köln VersR 2000, 41, 42).
- 21
- cc) Die zuerst genannte Meinung ist zutreffend. Nur eine Anknüpfung des Beginns der Widerrufsfrist an eine ordnungsgemäße Belehrung wird dem Zweck der Widerrufsbelehrung gerecht. Aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. lässt sich entnehmen, dass durch die Regelung eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreicht und zu diesem Zweck - im Hinblick auf die Bereichsausnahme für das Versicherungswesen in § 6 Nr. 2 HWiG - eine versicherungsvertragsrechtliche Spezialnorm geschaffen werden sollte. Dort heißt es weiter: "Wegen der Bedeutung der Belehrung über das Widerrufsrecht bedarf die Belehrung der Schriftform" (BT-Drucks. 11/8321, S. 12). Mit dem Ziel des Verbraucherschutzes und der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Widerrufsbelehrung, die in der ausdrücklichen Normierung des Erfordernisses einer schriftlichen Belehrung zum Ausdruck kommt, lässt sich eine Folgenlosigkeit ihres Fehlens nicht vereinbaren. Das in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Recht, den Vertrag binnen einer Frist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerrufen , lässt sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon auch Kenntnis erlangt oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Ein Verweis des Versicherungsnehmers auf einen Schadenersatzanspruch ist für einen effektiven Verbraucherschutz nicht ausreichend , da dem Versicherungsnehmer der Nachweis obläge, dass die Verletzung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung ursächlich für den Vertragsschluss bzw. das Festhalten am Vertrag geworden und dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 43).
- 22
- Einer derartigen teleologischen Auslegung steht zwar der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entgegen, der den Lauf der Widerrufsfrist allein an die Unterzeichnung des Antrags knüpft. Das Gesetz enthält angesichts der mit ihm bezweckten Stärkung der Verbraucherrechte aber eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwen- dung der Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG, die ebenfalls einen effektiven Verbraucherschutz gewährleisten sollen, geschlossen werden kann. Beide Regelungen sehen vor, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Der zugrunde liegende Gesetzeszweck, dass ein Widerrufsrecht nur dann zum Verbraucherschutz geeignet ist, wenn der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Erfüllung der Verpflichtung zur Belehrung über dieses Recht beginnt, lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen.
- 23
- 3. Das Widerrufsrecht ist jedoch nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung im Jahr 2000 erloschen.
- 24
- a) Allerdings schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den späteren Widerruf nicht aus. Zwar vertreten Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums die Auffassung, dass die Kündigung eines Vertrages einem späteren Widerruf generell entgegenstehe, wie Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums meinen (so: OLG Karlsruhe r+s 2013, 483; OLG Celle , Urteil vom 2. Februar 2012 - 8 U 125/11, juris Rn. 45; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 15 f.; OLG Koblenz , Beschluss vom 6. Juni 2011 - 10 U 162/11, nicht veröffentlicht; OLG Stuttgart, VersR 2011, 786 Rn. 4; LG Karlsruhe, Urteil vom 30. September 2011 - 9 S 266/11, S. 6 ff., nicht veröffentlicht; LG Köln, Urteil vom 18. August 2010 - 26 S 39/09, S. 7 f., nicht veröffentlicht; a.A.: LG Aachen, Urteil vom 11. Februar 2011 - 9 O 231/10, S. 10 f., nicht veröffentlicht). Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzulehnen , in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht sichergestellt , dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können.
- 25
- b) Das Erlöschen des Widerrufsrechts des Klägers aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG. Danach erlischt ein Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung.
- 26
- aa) Allerdings ist streitig, ob das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. bei Fehlen einer ausreichenden Belehrung unbegrenzt ist (so Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10) oder nach vollständiger Leistungserbringung (so Koch, VersR 1991, 725, 729;Schimikowski, ZfV 1991, 632, 636).
- 27
- bb) Letzteres trifft zu. Die Regelungslücke des § 8 Abs. 4 VVG a.F. hinsichtlich der Folgen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen W iderrufsbelehrung (s.o. unter b cc) ist nicht allein durch die entsprechende Anwendung der § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG beseitigt, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Dies führte bei Fehlen der Widerrufsbelehrung zu einem grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht bei im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994 geschlossenen Versicherungsverträgen, während die im selben Zeitraum gültigen Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgeset- zes ein solches zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht nicht vorsahen. Die planwidrige Regelungslücke erstreckt sich daher auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung erlischt.
- 28
- Diese Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der an § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfenden Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG zu schließen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt (vgl. zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 15 ff.). Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen (so zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 unter II 5 zu; Fischer /Machunsky, HWiG 2. Aufl. § 2 Rn. 57); ein insgesamt abgeschlossener Sachverhalt sollte nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden (BGH aaO). Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht, weil das Schuldverhältnis durch einen "lückenlosen" Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 48; ähnlich MünchKomm-BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 31; Bülow, VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rn. 38a). Zwar kann der Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließt die Kündigung einen späteren Widerruf nicht generell aus (s.o. unter a). Die im Haus- türwiderrufsgesetz und Verbraucherkreditgesetz geregelten Erlöschenstatbestände basieren jedoch auf dem Gedanken, dass bei beiderseits vollständiger Leistungserbringung dieses Interesse des Widerrufsberechtigten gegenüber dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten soll.
- 29
- cc) Das Erlöschen des Widerrufsrechts aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung verstößt nicht gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung). Der Europäische Gerichtshof hat für Haustürgeschäfte die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. als richtlinienkonform angesehen (EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Rs. C-412/06, NJW 2008, 1865 Rn. 40-45 - "Hamilton"). Die Befristung des Widerrufsrechts ab der vollständigen Erbringung der Leistung sei auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 (Richtlinie über Haustürgeschäfte) zu vereinbaren, wonach der Verbraucher das Recht besitze, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten. Die Verwendung des Begriffs "Verpflichtung" in der Richtlinie weise darauf hin, dass das Widerrufsrecht ausgeübt werden könne, es sei denn, dass für den Verbraucher aufgrund der vollständigen Durchführung des Vertrages keine Verpflichtungen aus dem Vertrag mehr bestünden (EuGH aaO Rn. 42). Anhaltspunkte, dass für vollständig abgewickelte Lebensversicherungsverträge ein weitergehendes Schutzniveau gelten soll, ergeben sich weder aus der Richtlinie 90/619/EWG noch aus der Richtlinie 92/96/EWG.
- 30
- dd) Die Parteien hatten vor Erklärung des Widerrufs ihre beiderseitigen Leistungen vollständig erbracht. Die Kündigung des Vertrages im Februar 2000, die zum 1. April 2000 wirksam wurde, hat die Verpflichtung des Klägers zur Prämienzahlung beendet und den Anspruch auf den Rückkaufswert ausgelöst. Mit anschließender Auszahlung des Rückkaufswertes haben die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet. Unerheblich ist, dass aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Lebensversicherungsvertrages die für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten Pflichten, d.h. insbesondere die Pflicht des Klägers zur Beitragszahlung und die Pflicht der Beklagten zur Auszahlung der Ablaufleistung, nicht vollständig erfüllt worden sind. Denn die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages und anschließende Auszahlung des Rückkaufswertes ist als eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Vertragsverhältnis angelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zählt zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung auch der Rückkaufswert nach Kündigung des Vertrages; das Recht auf den Rückkaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - IV ZR 208/09, VersR 2010, 1067 Rn. 13; vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02, VersR 2003, 1021 unter II 2 b; vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99, VersR 2000, 709 unter II 3 a; so bereits BGH, Urteil vom 17. Februar 1966 - II ZR 286/63, BGHZ 45, 162, 167). Von einer vollständigen Leistungserbringung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - den Rückkaufswert akzeptiert hat.
- 31
- ee) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob das Widerrufsrecht aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG unmittelbar nach beiderseitiger Leistungserbringung oder ent- sprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erst einen Monat später erlischt, da der Kläger den Vertrag erst zehn Jahre nach der einvernehmlichen Abwicklung widerrufen hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 24.05.2011- 2 O 279/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.02.2012- 8 U 124/11 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.