Landgericht Stuttgart Beschluss, 16. Feb. 2015 - 19 T 43/15

bei uns veröffentlicht am16.02.2015

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.01.2015 - 209 XIV 187/15 - wird zurückgewiesen.

2. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Raten bewilligt und Rechtsanwalt Fahlbusch, Hannover, beigeordnet.

3. Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Veranlassung für eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten besteht nicht.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: EUR 5.000,00

Gründe

 
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.01.2015 wurde auf Antrag der Antragstellerin/Regierungspräsidium Karlsruhe gegen den Antragsgegner, kosovarischer Staatsangehöriger, sofort wirksam die Abschiebehaft gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bis 26.02.2015 angeordnet.
Bereits zuvor war der Antragsgegner am 06.12.2014 in Bad Feilnach durch Beamte der Bundespolizeiinspektion Rosenheim kontrolliert worden, wobei er keinen Pass, Passersatz und keinen Aufenthaltstitel vorweisen konnte. Am 22.12.2014 war er hierauf in den Kosovo abgeschoben worden. Am 15.01.2015 gegen 10.20 Uhr wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle erneut in der Cannstatter Straße in 70190 Stuttgart als Mitfahrer in einem Fahrzeug mit österreichischer Zulassung angetroffen. Auch hierbei konnte er sich nicht ausweisen. Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht mit Hilfe des Dolmetschers für albanische Sprache gab er an, er sei vor sechzehn bis siebzehn Tagen aus dem Kosovo geflüchtet, vor zwei bis drei Tagen nach Deutschland gekommen und beabsichtige in Karlsruhe Asyl zu beantragen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.01.2015, der dem Antragsgegner im Anhörungstermin bekannt gegeben wurde, legte sein Verfahrensbevollmächtigter mit Telefax vom 22.01.2015 Beschwerde ein und beantragte,
festzustellen, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe, sowie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Der Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht, mit Eingang am 29.01.2015, zur Entscheidung vor.
Von der Antragstellerin wurde auf die Anfrage des Beschwerdegerichts mitgeteilt, der Antragsgegner befinde sich in Haft in der Gewahrsamseinrichtung für Ausländer in Ingelheim/Rheinland-Pfalz.
Mit der Beschwerdebegründung vom 03.02.2015 führt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners aus, der Antragsgegner sei sofort freizulassen und die Rechtswidrigkeit des Beschlusses festzustellen. Gleichzeitig beantragt er, den angefochtenen Beschluss außer Vollzug zu setzen. Hierbei weist er auf den zwischenzeitlich am 26.01.2015 beim Bundesamt gestellten Asylantrag hin - über diesen ist noch nicht entschieden.
Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Beschlüssen vom 26.06.2014 - V ZB 31/14 - und vom 22.10.2014 - V ZB 124/14 - könne wie bei der Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung die Abschiebehaft bei Rückführungsverfahren nach der Richtlinie 2008/15/EG nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr der nationalen Regelung nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG gestützt werden. Infolge des Asylantrages entfalle nunmehr der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Die gemeinsame Unterbringung von Abzuschiebenden, die ein Asylbegehren gestellt haben, mit Betroffenen, bei denen dies nicht der Fall ist, sei im Hinblick auf Art. 10 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU unzulässig. Die Ausführungen zur Haftdauer genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Haftantrag sei dem Antragsgegner nicht ausgehändigt worden.
Mit weiterem per Fax beim Amtsgericht eingegangenem und an das Amtsgericht adressiertem Schriftsatz vom 06.02.2015 beantragt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme des Antragsgegners vom 15.01.2015, 15.00 Uhr, bis zum Erlass des Haftbeschlusses am 16.01.2015 rechtswidrig gewesen sei.
10 
Auf die Stellungnahme der Antragstellerin vom 10.02.2015 und die hierzu erfolgte Äußerung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 11.02.2015 wird Bezug genommen.
11 
Die Kammer hat die angeforderte Akte des Regierungspräsidium Karlsruhe 81-a15/425957 per Fax am 12.02.2015 übermittelt erhalten. Aus der Auswertung der behördlichen Akte ergeben sich keine Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Haftvoraussetzungen, insbesondere der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft, von Bedeutung sind, zumal die hier relevanten Verfügungen im Verfahren vorgelegt worden sind.
II.
12 
Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.
13 
Die Kammer legt das Rechtsmittel des Antragsgegners gegen die Entscheidung des Amtsgerichts als Beschwerde gegen die andauernde Haftanordnung des Amtsgerichts aus sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des bislang erfolgten Vollzugs der Haft.
14 
Auch der mit der Beschwerde erhobene Feststellungsantrag ist zulässig und kann unabhängig von einer Hauptsacheerledigung mit der Beschwerde gegen die Haftanordnung verbunden werden (BGH Beschluss v. 30.08.2012 - V ZB 12/12 - juris)
15 
Der Haftantrag ist ausreichend begründet gem. § 417 Abs. 2 S. 2 FamFG. Der Antrag legt Voraussetzungen, Durchführbarkeit und Dauer der beabsichtigten Abschiebung in das Kosovo im konkreten Fall hinreichend dar. Die Verfügung über die Abschiebungsandrohung der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 06.12.2014 ist vorgelegt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Verfügung der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 12.12.2014 - befristet bis 12.12.2016 - ist in Bezug genommen und mit dem Antrag vorgelegt. Der Empfang ist jeweils vom Antragsgegner unterschriftlich bestätigt.
16 
Auch die Abschiebungsandrohung der Antragstellerin vom 15.01.2015 ist vorgelegt und - nach der behördlichen Akte - der Erhalt gleichfalls unterschriftlich vom Antragsgegner bestätigt.
17 
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft gem. § 72 Abs. 4 AufenthG liegt vor.
18 
Der Haftantrag wurde dem Antragsgegner ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 16.01.2015 bekannt gegeben und mündlich mittels Dolmetscher in die albanische Sprache übersetzt. Auf Anforderung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners die bislang angefallene Akte (einschließlich des Antrages mit Anlagen) durch das Beschwerdegericht zur Kenntnis übersandt, mithin konnte sich der Betroffene über seinen Verfahrensbevollmächtigten hierzu äußern und hat sich dieser geäußert.
19 
Grundsätzlich ist dem Betroffenen eine Ablichtung des Haftantrages zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (BGH Beschluss v. 16.07.2014 - V ZB 80/13 - juris).
20 
Die - möglicherweise hier - unterbliebene Aushändigung des Haftantrages führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (BGH Beschluss v. 16.07.2014 - V ZB 80/13 - juris).
21 
Die Begründung des Haftantrages hier ist nicht so vielschichtig und umfangreich, dass sie bei einer mündlichen Übersetzung nicht hätte erfasst werden können. Dass der Antragsgegner - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen wäre, wird mit der Beschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt die protokollierte Einlassung des Antragsgegners vor dem Amtsgericht, dass er sich bewusst war, dass er zweimal illegal eingereist ist und bereits zuvor einmal abgeschoben worden war. Die Beschwerde befasst sich im Wesentlichen mit prozessualen und europarechtlichen Vorgaben.
22 
Der Antragsgegner ist aufgrund der Abschiebungsandrohung vom 15.01.2015 vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 58, 59 AufenthG).
23 
Der Haftgrund der unerlaubten Einreise gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht - mehr - gegeben.
24 
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Ausländer, die bei ihrer unerlaubten Einreise an der Außengrenze oder nach ihrer unerlaubten Einreise im Bundesgebiet um Asyl nachsuchen und dadurch kraft Gesetzes die Aufenthaltsgestattung erwerben (Winkelmann in Renner, Ausländerrecht, 10. Aufl. § 62 Rn. 60 m.w.N.).
25 
Der Antragsgegner hat aus der Haft am 26.01.2015 einen Asylantrag gestellt.
26 
Zu Recht hat das Amtsgericht gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG die Sicherungshaft angeordnet, da es beim Antragsgegner aufgrund der vorliegenden Umstände einen begründeten Verdacht angenommen hat, der Antragsgegner werde sich der Abschiebung entziehen.
27 
Der begründete Verdacht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, kann sich aus entsprechenden Erklärungen oder aus dem Verhalten des Ausländers ergeben. Diese Voraussetzung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn der Ausländer - wie hier - keine festen sozialen Bindungen im Bundesgebiet besitzt, keine verwandtschaftlichen Beziehung im Bundesgebiet hat oder mittellos ist. Hinzukommen müssen vielmehr konkrete Umstände, die den Verdacht der Absicht begründen, die Abschiebung zu verhindern oder ihr sonst zu entgehen (Winkelmann in Renner aaO Rn. 76, 77 m.w.N.).
28 
Solche weiteren konkreten Umstände sind hier gegeben. Der Antragsgegner ist - obgleich er kurz zuvor mit Sperrwirkung für eine erneute Einreise - bereits einmal abgeschoben worden war, erneut unerlaubt eingereist und hat sich illegal in Deutschland aufgehalten. Er ist nicht selbstständig und freiwillig nach dem Grenzübertritt bei der Ausländerbehörde erschienen. Bei einer Verkehrskontrolle konnte sein illegaler Aufenthalt festgestellt werden. Hierbei konnte er sich in keiner Weise ausweisen und war nicht im Besitz von Rückreisedokumenten. Nur mittels „FastID“ konnte seine Identität festgestellt werden. Mithin hat er durch Unterdrückung von Identitäts- oder Reisedokumenten über seine Identität getäuscht und muss unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist sein. Diesem Sachverhalt tritt die Beschwerde auch nicht entgegen.
29 
Der Antragsgegner hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen wolle (§ 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG).
30 
Der Anwendung der nationalen Vorschrift steht das Gemeinschaftsrecht hier nicht entgegen.
31 
Auf die Anwendbarkeit von Art. 28 Dublin-III-Verordnung und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Sicherstellung des Überführungsverfahrens in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat mit Beschlüssen vom 26.06.2014 - V ZB 31/14 - und 22.10.2014 - V ZB 124/14 - (juris) kann sich der Antragsgegner direkt nicht berufen. Die Verordnung hat zwar gem. Art. 288 AEUV in der Fassung von 2012 allgemeine Geltung und ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Mithin enthält nunmehr das Gemeinschaftsrecht selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Ausländern zum Zwecke der Überstellung. Sie erfasst aber nach ihrem Regelungsgegenstand die vorliegende Konstellation einer Rückführung in den nicht dem Schengen-Abkommen unterliegenden Heimatstaat des Ausländers nicht, verlangt somit nicht für vorliegende Konstellation nach Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Gemeinschaftsrecht bestimmten Voraussetzungen der „Fluchtgefahr“, welche der Bundesgerichtshof in § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG nicht für gegeben erachtet.
32 
Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungshaft im Rückführungsverfahren ergibt sich weiterhin aus dem nationalen Recht. Der Haftgrund der Fluchtgefahr bzw. Entziehungsabsicht ist im nationalen Recht auch durch die obergerichtliche Rechtsprechung hinreichend konkretisiert, objektiv und einzelfallbezogen definiert. Selbst das Strafrecht kennt in § 112 StPO den Begriff der „Fluchtgefahr“.
33 
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann sich, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht fristgemäß oder unzulänglich umgesetzt hat, ein Einzelner gegenüber diesem Staat auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen der Richtlinie berufen (BGH, Beschluss vom 11.07.2013, V ZB 40/11; EuGH, Urteil vom 19.11.1991 in der Rechtssache C-6/90, Francovich u.a., Slg. 1991, I-5357 nach juris). Bei Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG handelt es sich um eine solche Bestimmung (Urteil vom 28.04.2011 in der Rechtssache C-61/11 PPU, El Dridi, Slg. 2011, I-3015 Rn. 47, zitiert nach juris).
34 
Zwar wurde durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex v. 22.11.2011 (BGBl. I 2258) eine deutsche Regelung zur Umsetzung der Richtlinienbestimmung getroffen. Mit dieser Regelung wurde die Richtlinienbestimmung zu Art. 15 jedoch nicht unzulänglich umgesetzt, indem die Haftgründe des § 62 Abs. 3 AufenthG beibehalten wurden.
35 
Die Inhaftnahme in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/15/EG ist offener als in der Dublin-III-Verordnung gestaltet. Die angeführten Haftgründe sind, wie die Einleitung „insbesondere“ zeigt, nicht abschließend, sondern lediglich angeführte Beispiele, bei deren Vorliegen eine Inhaftnahme möglich ist. Dass das Haftregime im gewöhnlichen Rückführungsverfahren weiter gestaltet ist, zeigt sich auch daran, dass die Rückführungsrichtlinie neben der Fluchtgefahr auch noch ausdrücklich den Haftgrund der Umgehung oder Behinderung der Vorbereitung der Rückkehr oder des Abschiebungsverfahrens in Art. 15 Abs. 1 Buchstabe b benennt. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber seinen Umsetzungsspielraum überschritten hat, auch wenn in Art. 3 Ziff. 7 der Richtlinie 2008/114/EU eine Definition des in der Richtlinie verwendeten Ausdruckes der „Fluchtgefahr“ enthalten ist, die Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-VO entspricht.
36 
Wenn der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern eines Gesetzes zur Neubestimmung der Aufenthaltsbeendigung und des Bleiberechts in Art. 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes) zu Ziff. 1 Nr. 2 eine Konkretisierung des Begriffes der „Fluchtgefahr“ enthält, mithin wohl eine Angleichung an die Dublin-III-VO erfolgen soll, die auch eine Angleichung des Rückführungsgewahrsams beinhaltet, ist hieraus nicht der Rückschluss zwingend, das nationale Recht könne wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie gegenwärtig keine Anwendung mehr finden.
37 
Auf die in der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Aufnahmerichtlinie) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, in Art. 10 Ziff. 3 erwähnte getrennte Unterbringung von in Haft genommenen Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und solchen, die keinen Antrag gestellt haben, kann sich der Antragsgegner nicht berufen.
38 
Nach Art. 31 der Aufnahmerichtlinie haben die Mitgliedstaaten bis zum 20.07.2015 Zeit, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Vor Ablauf der Umsetzungsfrist und vor Umsetzung im innerstaatlichen Raum entfalten Richtlinien - wie ausgeführt - für den Einzelnen keine Rechtswirkungen, mit der Folge, dass er sich unmittelbar auf die Bestimmungen einer EU-Richtlinie berufen könnte.
39 
Der in der Haft gestellte Asylantrag steht der Haft gem. § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AsylVfG nicht entgegen. Danach entsteht durch Asylantragstellung abweichend von § 55 Abs. 1 AsylVfG kein gesetzliches Aufenthaltsrecht, wenn der Ausländer sich bei Antragstellung - wie hier - in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG befindet. Die vierwöchige Frist des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG ist im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch nicht ergebnislos abgelaufen.
40 
Die Haftdauer ist im Antrag ausreichend begründet und ist verhältnismäßig. Wie ausgeführt, war für den Antragsgegner die Zustimmung zur Rückübernahme seitens der kosovarischen Behörden einzuholen, die auch bereits seit 21.01.2015 vorliegt. Zu berücksichtigen ist die Bearbeitungsdauer der daraufhin folgenden Ausstellung des Passersatzpapieres mit ca. weiteren 10 Tagen. Sodann ist ein Flug zu buchen. Mithin ist die vom Amtsgerichts antragsgemäß für erforderlich und verhältnismäßig erachtete Dauer der Abschiebehaft von sechs Wochen nicht zu beanstanden.
41 
Von einer persönlichen Anhörung des Antragsgegners hat die Kammer ausnahmsweise abgesehen, da das Amtsgericht den Antragsgegner bereits persönlich angehört hat, eine weitere Anhörung keine neuen Erkenntnisse verspricht und der Betroffene sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten äußern konnte und zum Sachverhalt keine neuen Tatsachen vorgetragen worden sind.
42 
Soweit der Antragsgegner die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts angreift, ist die Beschwerde in diesem Punkt schon mangels Beschwer nicht zulässig.
43 
Das Amtsgericht hat zwar in der angegriffenen Entscheidung im Tenor eine Gebühr in Höhe von EUR 18,00 (in der Begründung nach der KostO, die seit 31.07.2013 außer Kraft ist) festgesetzt. Die Gerichtskosten im freiheitsentziehenden Verfahren richten sich dagegen nach dem seit 01.08.2013 geltenden GNotKG. Gemäß KVfG 15212 Ziff. 4 beträgt die Gebühr 0,5 nach dem Gegenstandswert in § 34 Tabelle A. Da der Gegenstandswert nach § 36 Abs. 3 GNotKG auf EUR 5.000,00 festzusetzen wäre, ergibt sich aus diesem Geschäftswert eine volle Gebühr in Höhe von EUR 146,00, mithin eine 0,5 Gebühr mit einem Betrag in Höhe von EUR 73,00. Dieser festgesetzte Betrag liegt weit über dem vom Amtsgericht genannten Betrag.
44 
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG und berücksichtigt die Verfahrenskostenhilfebewilligung.
45 
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG zuzulassen, denn der Frage, wie Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/15/EG auszulegen ist und dies Wirkung auf das nationale Recht entfaltet, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
46 
Wegen der Zulassung der Rechtsbeschwerde war die Kammer nicht verpflichtet, vor Erlass der Entscheidung die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorzulegen.
47 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG.
48 
Über den dem Landgericht vom Amtsgericht zur Akte weitergeleiteten, an das Amtsgericht adressierten Antrag hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Gewahrsams bis zum Erlass der Haftanordnung hat die Beschwerdekammer nicht zu entscheiden.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Stuttgart Beschluss, 16. Feb. 2015 - 19 T 43/15

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 31/14
vom
26. Juni 2014
in der Überstellungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) Art. 28 Abs. 2;
§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entspricht nicht den Anforderungen von
Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung, wonach die objektiven Kriterien, die
Fluchtgefahr begründen, gesetzlich festgelegt sein müssen. Nach der derzeitigen
Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland kann die Haft zur Sicherung
von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung daher nicht
auf Fluchtgefahr bzw. eine Entziehungsabsicht des Betroffenen gestützt werden.
Dublin-III-Verordnung Art. 2 Buchstabe n;
Die in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannten Haftgründe genügen
den Anforderungen von Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung; auf ihrer
Grundlage kann Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28
Dublin-III-Verordnung angeordnet werden.
BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 4. Februar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Betroffenen erkannt worden ist. Es wird festgestellt, dass der Betroffene durch die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 6. Januar 2014 in seinen Rechten verletzt worden ist. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 26. Dezember 2013 nach seiner Einreise mit dem Zug aus Frankreich von Be- amten der beteiligten Behörde (Bundespolizei) festgenommen, da er nicht im Besitz eines Passes oder anderer Grenzübertrittspapiere war.
2
Eine EURODAC-Anfrage ergab, dass der Betroffene im November 2013 unter Angabe eines falschen Namens und einer falschen Nationalität in Ungarn Asyl beantragt hatte. Er war danach u.a. über Italien und Frankreich nach Deutschland weitergereist. Bei seiner Vernehmung durch Beamte der beteiligten Behörde gab er an, in Deutschland bleiben und einen Asylantrag stellen zu wollen. Die beteiligte Behörde verfügte mit Bescheid vom 27. Dezember 2013 die Zurückschiebung des Betroffenen nach Ungarn und beantragte die vorläufige Freiheitsentziehung für die Zeit vom 27. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014; dem Antrag wurde entsprochen. Das Asylgesuch des Betroffenen wurde von der beteiligten Behörde am 30. Dezember 2013 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) weitergeleitet, das am 2. Januar 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an Ungarn richtete.
3
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Januar 2014 gegen den Betroffenen Überstellungshaft bis zum 10. Februar 2014 angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt. Am 16. Januar 2014 hat Ungarn unter Hinweis darauf, bereits am 12. Dezember 2013 ein Aufnahmeersuchen an Bulgarien gerichtet zu haben, das Wiederaufnahmegesuch abgelehnt.
4
Das Landgericht hat die Haftanordnung aufgehoben und festgestellt, dass der Betroffene durch den Beschluss des Amtsgerichts seit dem 17. Januar 2014 in seinen Rechten verletzt sei. Die weitergehende Beschwerde hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde , mit der er die Feststellung der Rechtsverletzung bereits durch die Haftanordnung vom 6. Januar 2014 beantragt. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, das Asylgesuch des Betroffenen habe der Anordnung der Zurückschiebungshaft nicht entgegen gestanden, weil der Antrag aus der Haft gestellt worden sei und die vorläufige Freiheitsentziehung nicht nur wegen der unerlaubten Einreise, sondern auch wegen des Verdachts angeordnet worden sei, dass der Betroffene sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde. Dass im Zeitpunkt der amtsrichterlichen Entscheidung bereits die Dublin-III-Verordnung - Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180, S. 31) - in Kraft gewesen sei, ändere an der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung nichts. Dahinstehen könne, ob angesichts des gegenüber dem innerstaatlichen Recht vorrangigen Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung, der für die Inhaftnahme zum Zwecke der Sicherung einer Überstellung eine erhebliche Fluchtgefahr verlange, die in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AufenthG genannten Haftgründe obsolet geworden seien; denn jedenfalls genüge der Haftgrund in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG den Anforderungen der Verordnung. Diese Regelung entspreche - wenn sie unter Berücksichtigung der zu ihr ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgelegt werde - auch den Erfordernissen von Art. 2 Buchstabe n der Verordnung. „Fluchtgefahr“ im Sinne der Verord- nung sei danach anzunehmen, wenn der begründete Verdacht bestehe, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle. Das sei hier der Fall.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft. Der Betroffene darf seine Beschwerde gegen die Haftanordnung nach §§ 58 ff. FamFG mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG verbinden (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 7). In solch einem Fall kann der Betroffene - auch wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde die Freiheitsentziehung beendet hat - eine Rechtsbeschwerde mit dem Ziel erheben, die Rechtsverletzung durch die Inhaftierung festzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 238/11, FGPrax 2013, 39 Rn. 7).
7
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Haftanordnung hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Sie hätte nicht ergehen dürfen, weil die Voraussetzungen für seine Inhaftnahme zum Zweck einer Überstellung nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nicht vorlagen.
8
1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend von der Anwendbarkeit dieser Verordnung aus. Sie gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 vom 1. Januar 2014 an (dem ersten Tage des sechsten Monats nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 29. Juni 2013) - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Sie ist damit auch auf das von dem Bundesamt am 2. Januar 2014 an Ungarn gestellte Wiederaufnahmegesuch anzuwenden.
9
2. Nicht richtig ist es jedoch, wenn das Beschwerdegericht ausführt, dass auch unter Geltung des Art. 28 Dublin-III-Verordnung die Haft zur Sicherstellung einer Überstellung des Ausländers in den für dessen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat nach den Vorschriften des nationalen Ausländerrechts über die Zurück- oder Abschiebung angeordnet werden darf.
10
a) Das entsprach allerdings der Rechtslage bei den Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 16 und 20 der Verordnung (EU) Nr. 343/2003, (ABl. Nr. L 050, S. 1 - Dublin-II-Verordnung). Die durch Art. 48 Dublin-IIIVerordnung aufgehobene Verordnung enthielt keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit der Inhaftierung eines Ausländers zur Sicherung seiner Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat. Die diesem Zweck dienenden Haftanordnungen erfolgten nach den Gesetzen der Mitgliedstaaten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Haft in der Regel nach den Vorschriften zur Durchsetzung einer auf Grund unerlaubter Einreise des Ausländers vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 57 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, § 62 Abs. 3 AufenthG angeordnet (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 75/12, juris Rn. 3; Marx, InfAuslR 2013, 436, 438 f.; Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Schröder auf eine schriftliche Frage - BT-Drucks. 16/886, S. 9).
11
b) Die Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten der Dublin-IIIVerordnung dadurch grundlegend geändert, dass nunmehr das Gemeinschaftsrecht selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Ausländern zum Zweck der Überstellung enthält. Es schließt in Art. 28 Abs. 1 eine Inhaftnahme allein auf Grund der Einleitung eines Verfahrens zur Aufnahme- oder Wiederaufnahme des Ausländers durch einen anderen Mitgliedstaat (Art. 20 ff.) aus und legt in Art. 28 Abs. 2 die Voraussetzungen fest, die von den Mitgliedstaaten bei der Inhaftnahme von Ausländern zwecks Sicherstellung der Überstellung eingehal- ten werden müssen. Nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einen Ausländer im Sinne der Verordnung (einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen) nach einer Einzelfallprüfung nur in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, und auch nur dann, wenn die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
12
Die Haft zur Sicherung der Überstellung eines Ausländers, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, in den nach der Verordnung zuständigen Mitgliedstaat darf nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 28 Dublin-III-Verordnung und nicht mehr nach anderen Bestimmungen des Rechts des Mitgliedstaats (wie Vorschriften zur Durchsetzung einer sich aus dem nationalen Recht ergebenden vollziehbaren Ausreisepflicht) angeordnet werden. Andernfalls würde der Schutzzweck der gemeinschaftsrechtlichen Regelung vereitelt (vgl. BVwG der Republik Österreich, Beschluss vom 3. April 2014 - W112 2003274-1/19E, Seite 22; Filzwieser/Sprung, Die Dublin-III-Verordnung, Art. 28 Anm. K 1; Stahmann, ANA-ZAR 2014, 1).
13
3. Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung vorgelegen haben. Seine Auffassung, dass der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genannte Haftgrund den von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-IIIVerordnung gestellten Anforderungen entspricht, teilt der Senat jedoch nicht.
14
a) Danach ist unter einer „Fluchtgefahr“ das Vorliegen von Gründen im Einzelfall zu verstehen, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, sich diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung verlangt somit gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Gemeinschaftsrecht bestimmten Voraussetzung der „Fluchtgefahr“. Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem unionsrechtlichen Verbot dar, den Inhalt einer EU-Verordnung durch innerstaatliches Recht zu präzisieren; sie erlegt es den Mitgliedstaaten auf, durch Gesetz die Kriterien für das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu regeln (vgl. BVwG der Republik Österreich, Beschluss vom 3. April 2014 - W112 2003274-1/19E, Seite 23; Filzwieser/Sprung, Die Dublin-III-Verordnung, Art. 2 Anm. K 48).
15
b) Ob die generalklauselartig formulierte Bestimmung in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254 Rn. 12; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 10. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 74), nach der ein Ausländer zur Sicherung einer Abschiebung in Haft zu nehmen ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will, diesen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügt, wird allerdings unterschiedlich beurteilt.
16
aa) Nach einer Mitteilung der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu dem in Art. 28 Dublin-III-Verordnung geregelten Haftgrund ist es ihre Position gewesen, darauf hinzuwirken, dass die bisherigen Haftgründe des nationalen Rechts in Deutschland inhaltlich in Einklang mit dem künftigen Unionsrecht stehen (BT-Drucks. 17/12039, S. 7). Das dürfte dahin zu verstehen sein, dass nach ihrer Auffassung die Vorschrift über die Gründe, aus denen Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), insgesamt den Erfordernissen an eine Inhaftierung zum Zwecke der Sicherung einer Überstellung nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung entspricht.
17
Nach anderer Auffassung (Marx, InfAuslR 2013, 436, 438 f.) ist eine Inhaftierung des Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne der Verordnung bestehe dann, wenn der Verdacht begründet sei, dass der Ausländer sich der Überstellung nach Art. 29 Dublin-III-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat entziehen wolle.
18
In diesen Stellungnahmen wird allerdings auf die Frage, ob die Generalklausel in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis objektiver, durch Gesetz festgelegter Kriterien für die begründete Annahme der Fluchtgefahr genügt, nicht näher eingegangen.
19
bb) Dem steht die Ansicht gegenüber (Stahmann, ANA-ZAR 2014, 1), dass § 62 Abs. 3 AufenthG, der für die Abschiebungshaft und über § 57 Abs. 2 AufenthG auch für die Zurückschiebungshaft gilt, schon wegen des aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden haftrechtlichen Analogieverbots auf die Haft zur Überstellung nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht anwendbar sei. Vor allem fehle es aber an den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung für die Annahme der Fluchtgefahr geforderten objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien.
20
cc) Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entspricht nicht den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin-IIIVerordnung an das Recht der Mitgliedstaaten gestellten Anforderungen.
21
(1) Nach dieser Bestimmung der Verordnung setzt die Annahme einer Fluchtgefahr das Vorliegen von Gründen voraus, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen. Die den Verdacht stützenden Gründe müssen in einem Gesetz definiert sein (engl. Fassung: „… reasons in an individual case, which are based on objective criteria defined by law ...” ; franz. Fassung: „...l’existence de raisons, fondées sur des critères objectifs définis par la loi, …“.
22
(a) Diese Kriterien müssen in einem förmlichen Gesetz bestimmt sein. Der von dem Verordnungsgeber in der französischen Fassung verwendete Terminus „la loi“ gilt nach dem dortigen Rechtsverständnis nur für die von dem Parlament erlassenen Gesetze (Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, ErgLfg. 42 [August 2012]; Art. 288 AEUV Rn. 89). Die deutsche Fassung ist vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer einheitlichen Anwendung unionsrechtlicher Rechtsnormen nicht anders auszulegen. Die europarechtliche Verordnung zwingt somit den nationalen Gesetzgeber dazu, die Voraussetzungen für die Annahme einer die Inhaftierung des Ausländers in den Überstellungsfällen rechtfertigenden Fluchtgefahr in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln (vgl. zur vergleichbaren Garantie aus dem Gesetzesvorbehalt bei Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfGE 29, 183, 196 = NJW 1970, 2205, 2207).
23
(b) Der generalklauselartig formulierte Haftgrund in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genügt diesen Anforderungen deshalb nicht, weil die Vorschrift nicht die Kriterien benennt, die den Verdacht begründen, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen. Diese Kriterien sind nicht im Gesetz festgelegt , sondern - wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht - erst durch die Rechtsprechung näher bestimmt worden.
24
Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG kann auch deswegen nicht Grundlage einer Bestimmung der Kriterien der Fluchtgefahr im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung sein, weil die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme in der europarechtlichen Verordnung („Gründe für die Annahme , dass der Ausländer sich der Überstellung durch Flucht entziehen könnte“) und dieses Haftgrunds im nationalen Recht („begründeter Verdacht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen wolle“) sich nicht unterscheiden. Eine Definition der Fluchtgefahr durch die Entziehungsabsicht führte zu einem bloßen Pleonasmus ohne jeden Gewinn für die Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit der zur Sicherung von Überstellungen ergehenden Haftanordnungen.
25
(2) Selbst wenn man - abweichend von der vorstehenden Auslegung des Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung - mit dem Beschwerdegericht davon ausginge, dass die die Annahme einer Fluchtgefahr begründenden objektiven Kriterien nicht unmittelbar durch den Gesetzgeber, sondern auch durch Richterrecht festgelegt werden könnten, fehlte es an einer der Verordnung genügenden Bestimmung.
26
Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der begründete Verdacht eines Entziehungswillens konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahelegen, dass dieser beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen , keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, juris Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29). Insoweit begründen zwar bestimmte Umstände (wie bspw. eine Täuschung des Ausländers über seine Identität, die unerlaubte Einreise mithilfe von Schleusern, ein früheres Untertauchen) in der Regel den Verdacht der Entziehungsabsicht, während anderen Umständen (der illegale Aufenthalt im Bundesgebiet, die Ablehnung des Asylantrags, das Fehlen eines festen Wohnsitzes, die Mittellosigkeit oder die Erforderlichkeit der Abschiebung) eine solche Bedeutung nicht beigemessen wird (vgl. zusammenfassend: OLG Naumburg, FGPrax 2000, 211, 212; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 62 Rn. 77 ff.). Die Ermittlung und die Würdigung der den Verdacht einer Entziehungsabsicht begründenden Umstände obliegen aber dem Tatrichter; dessen Feststellung ist bereits dann rechtsfehlerfrei, wenn sie vom richtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus auf der Grundlage bestimmter Tatsachen als möglich erscheint (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). Einen so weitgehenden Beurteilungsspielraum bei der Annahme der Entziehungsabsicht lässt die Verordnung, die objektiv festgelegte (und damit nachprüfbare ) Kriterien verlangt, jedoch nicht mehr zu.
27
(3) Da weder die gesetzliche Regelung in § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG selbst noch ihre Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung objektiv festgelegte Kriterien vorgibt, auf denen der Verdacht einer Entziehungsabsicht beruhen muss, entspricht diese Vorschrift eindeutig nicht den von dem Gemeinschaftsrecht durch Art. 2 Buchstaben n der Verordnung gestellten Anforderungen. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 267 AUEV zur Auslegung dieser Bestimmung der Verordnung bedarf es deshalb nicht. Die Folge dessen ist allerdings, dass nach der gegenwärtigen Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland die Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf Fluchtgefahr bzw. eine Entziehungsabsicht des Betroffenen gestützt werden kann.
28
4. Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob eine Haft zur Sicherung der Überstellung aus den anderen Haftgründen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AufenthG) angeordnet werden kann oder ob diese Haftgründe angesichts von Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung, der eine Inhaftierung nur bei Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr vorsieht, für die Überstellungshaft obsolet geworden sind.
29
a) Die Haftanordnung konnte hier allerdings nicht auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) gestützt werden. Einer Fortdauer der Haft aus diesem Grund stand nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG schon der von dem Betroffenen innerhalb einer Frist von einem Monat nach der unerlaubten Einreise gestellte Asylantrag entgegen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510 Rn. 13; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 14 AsylVfG Rn. 21).
30
Anderes ergibt sich - abweichend von der Rechtslage unter Geltung der Dublin-II-Verordnung (zu dieser: Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, aaO) - auch nicht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG, nach der die Monatsfrist bei einer (auch) nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angeordneten Sicherungshaft nicht gilt. Diese Regelung diente zwar gerade dem Zweck, dass Ausländer, die im Rahmen eines Dublin-II-Verfahrens in den für das Asylverfahren zuständigen Staat verbracht werden sollten, nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden und untertauchen (BT-Drucks. 16/5065, S. 215). Der Anwendung dieser Vorschrift steht hier aber entgegen, dass die Haft zur Sicherstellung eines Überstellungsverfahrens nunmehr nur noch unter den in Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden darf, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG jedoch keine gesetzliche Festlegung objektiver Kriterien für den Verdacht einer Fluchtgefahr nach Art. 2 Buchstabe n der Verordnung enthält.
31
b) Überstellungshaft nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung kann allerdings angeordnet werden, wenn die Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirklicht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen. Das ist in Deutschland derzeit allein bei den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannten Haftgründen (Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift unter der der Ausländer erreichbar ist; vom Ausländer zu vertretendes Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Über- stellung angekündigten Termin) der Fall. Da diese Haftgründe hier nicht vorgelegen haben, ist dem Feststellungsantrag des Betroffenen zu entsprechen.

IV.

32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 06.01.2014 - 7 XIV 2/14 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 04.02.2014 - 5 T 19/14 -

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 11. Februar 2014 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene wurde in der Nacht des 3. Februar 2014 von Beamten der beteiligten Behörde in dem Berlin-Warschau-Expresszug auf der Fahrt nach Berlin ohne Reisedokumente und ohne Aufenthaltstitel für Deutschland angetroffen und festgenommen. Eine Recherche im EURODAC-Register ergab, dass er schon im Jahr 2013 in Schweden Asyl beantragt hatte. Die beteiligte Behörde verfügte daraufhin mit Bescheid vom 4. Februar 2014 die Zurückschiebung des Betroffenen nach Schweden. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 11. Februar 2014 an. Aus der Haft beantragte der Betroffene am 5. Februar schriftlich Asyl. Das zuständige Bundesamt richtete am 7. Februar 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an die polnischen Behörden.

2

Auf weiteren Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2014 weitere Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 20. März 2014 angeordnet und diese Anordnung auf die Haftgründe der unerlaubten Einreise und der Fluchtgefahr gestützt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft nur bis zum 18. März 2014 angeordnet werde, dem Tag, an dem die Zurückschiebung des Betroffenen erfolgen sollte und auch erfolgt ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Feststellung beantragt, durch die angeordnete Haft in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Der Haftgrund der Entziehungsabsicht nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG liege vor. Einer Anwendung dieser Vorschrift stehe Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (ABl. Nr. L 180 S. 31 - fortan Dublin-III-Verordnung) nicht entgegen.

III.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis nicht stand. Die Haftanordnung des Amtsgerichts und ihre eingeschränkte Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil die Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung bis zu einer gesetzlichen Neuordnung der Haftgründe weder auf den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG noch auf den der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützt werden kann.

5

1. Die Dublin-III-Verordnung ist auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Sie gilt nach ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 auch, wenn das Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, hier mit dem Wiederaufnahmeersuchen des zuständigen Bundesamts an Polen am 7. Februar 2014.

6

2. Die Gründe für die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Betroffenen durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Überstellungshaft) regelt Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung mit unmittelbarer Geltung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark (Erwägungsgründe 41 f.), eigenständig und abschließend. Zugelassen ist die Haft nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur, wenn Fluchtgefahr besteht, nicht aus anderen Gründen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 – V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 11 f.).

7

3. Fluchtgefahr ist nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Diese objektiven Gründe sind nach der genannten Vorschrift durch den nationalen Gesetzgeber selbst festzulegen.

8

a) Den Zweck dieser Festlegung hat die Europäische Kommission in der Begründung des Entwurfs der Verordnung wie folgt beschrieben (veröffentlicht in BR-Drucks. 965/08 S. 6):

„Um sicherzustellen, dass die Ingewahrsamnahme von Asylbewerbern auf der Grundlage des Dublin-Verfahrens nicht willkürlich erfolgt, wird eine begrenzte Zahl von Gründen für die Ingewahrsamnahme vorgeschlagen.“

9

Damit sind aber nicht unterschiedliche Haftgründe nach dem Modell des § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gemeint. Vielmehr soll der nationale Gesetzgeber Tatbestände festlegen, die die Fluchtgefahr als einzigen unionsrechtlich anerkannten Haftgrund zur Sicherung der (Wieder-) Aufnahme Betroffener durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union konkretisieren und so eine gleichmäßige Anwendung sicherstellen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 14).

10

b) Dieser Aufgabe kann der nationale Gesetzgeber nicht nur durch die Schaffung neuer gesetzlicher Tatbestände, sondern auch durch die Beibehaltung bestehender Tatbestände genügen. Das setzt aber voraus, dass die bestehenden Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirklicht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 31). Diese Eignung hat der Senat bei den Haftgründen nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG bejaht, bei dem - nicht näher konkretisierten - Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG dagegen verneint (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 23, 31).

11

c) Auch der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist, was der Senat bislang offen gelassen hat (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 29 f.) und jetzt entscheidet, zur Konkretisierung der Fluchtgefahr nach Art. 28 und Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung ungeeignet, weshalb die von der beteiligten Behörde aufgeworfene Frage, ob der Asylantrag des Betroffenen die Annahme einer unerlaubten Einreise hinderte, dahinstehen kann.

12

Allerdings können die Umstände einer unerlaubten Einreise im Sinne von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung zu der Annahme Anlass geben, der Betroffene könnte sich der Aufnahme oder Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat durch Flucht entziehen. Darauf stellt § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aber gerade nicht ab. Unerlaubt ist eine Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG vielmehr, wenn sie ohne gültigen Pass oder Passersatz (Nummer 1), ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (Nummer 2), mit einem erschlichenen Visum (Nummer 2a) oder entgegen einem Einreiseverbot (Nummer 3) erfolgt. Die näheren tatsächlichen Umstände der Einreise spielen keine Rolle. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann auch nicht mit der Maßgabe angewendet werden, dass die näheren Umstände der Einreise, etwa der Einsatz von Schleusern, erwarten lassen, dass sich der Betroffene der Zurückschiebung durch Flucht entzieht. Welche Umstände dafür maßgeblich sein sollen, soll nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung gerade nicht der Richter im Einzelfall, sondern der Gesetzgeber durch (typisierende) Beschreibung von Fallgruppen festlegen.

13

4. Der Senat ist nicht verpflichtet, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Der dem nationalen Gesetzgeber mit Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung erteilte Konkretisierungsauftrag ergibt sich aus der Vorschrift klar und eindeutig. Bei solchen Vorschriften besteht eine unionsrechtliche Pflicht zur Vorlage nicht (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 Rn. 16; weitere Nachweise bei Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl., § 23 Rn. 31).

14

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Stresemann                      Schmidt-Räntsch                    Czub

                    Weinland                                Kazele

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 12/12
vom
30. August 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 13. Januar 2012 zu Ziffer 4 (Feststellungsantrag) und zu Ziffer 5 Satz 2 (außergerichtliche Kosten) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 1. September 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Göttingen auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation, mit Beschluss vom 1. September 2011 Abschiebungshaft angeordnet. Das Landgericht hat der dagegen gerichteten Be- schwerde stattgegeben und die sofortige Freilassung des Betroffenen angeordnet , weil sich nicht feststellen ließ, dass die von dem Betroffenen gewünschte unverzügliche Benachrichtigung der zuständigen Auslandsvertretung von seiner Inhaftierung (Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen ) erfolgt war.
2
Den Antrag des Betroffenen, festzustellen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene diesen Antrag weiter.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, dem Feststellungsantrag sei nicht zu entsprechen , da sich die Hauptsache nicht erledigt habe und die Voraussetzungen von § 62 FamFG somit nicht gegeben seien. Zudem lasse auch die stattgebende Entscheidung über die Beschwerde erkennen, dass die Haftanordnung rechtswidrig gewesen sei.

III.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist, was das Beschwerdegericht verkannt hat, von Gesetzes wegen statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift des § 62 FamFG, welche die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (siehe nur Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151, Rn. 9 f.; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153, Rn. 4). Die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen bedarf daher auch dann keiner Zulassung, wenn bereits das Beschwerdegericht - wie hier - über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und im Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat , Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, Rn. 4; Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 186/10, Rn. 5, juris).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Senat hat bereits entschieden , dass es für die Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ohne Bedeutung ist, ob sich die Hauptsache vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtssinne erledigt oder ob die Freiheitsentziehung - wie hier - durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts beendet wird. In dem zuletzt genannten Fall kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung analog § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung verlangen (Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39). Das gilt auch dann, wenn sich die Verletzung seiner Rechte der Begründung entnehmen lässt, mit der die Haftanordnung aufgehoben worden ist. Denn die Begründungselemente einer Entscheidung stehen, weil sie der materiellen Rechtskraft nicht fähig sind, einer im Tenor getroffenen Feststellung nicht gleich.

IV.

6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 01.09.2011 - 64 XIV 16/11 B -
LG Göttingen, Entscheidung vom 13.01.2012 - 11 T 1/12 -

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck, 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 26. September 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 24. September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.      nach K.         in das Bundesgebiet ein. Er wurde erstmals von Beamten der Bundespolizei in B.       aufgegriffen. Eine EURODAC Anfrage ergab zwei Treffer für Großbritannien (aus dem Jahr 2006) und Italien (aus dem Jahr 2010). Der Betroffene gab an, dass er in den für seinen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Br.          aus und besorgten dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine Bahnfahrkarte dorthin.

2

Der Betroffene setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.      fort. Er wurde in P.       erneut von Beamten der Bundespolizei (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien oder Großbritannien mit der Angabe, dass diese gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) für dessen Schutzantrag zuständig seien.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25. November 2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Italien am 5. November 2012 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26. September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet worden. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.         zu den Haftvoraussetzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte; er habe zudem - da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei dem Bundesamt zu stellen - mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneuten Aufgreifens im Bundesgebiet rechnen müssen.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Grund der Erklärung des Betroffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach Italien zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.

III.

6

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG zur Überstellung nach Italien gemäß Art. 19, 20 Dublin-II-Verordnung (zur Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung - VO [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180, S. 31 - Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des Haftantrags der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.

8

a) Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf - auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist - sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzutragen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des Haftantrags zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 224/11, FGPrax 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der Situation nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 281/11, FGPrax 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 6/13, juris Rn. 5). Die Aushändigung des Haftantrags soll dem Betroffenen - insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Beschwerdegericht ausgeht - ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 17/12, juris Rn. 5).

9

b) Die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, FGPrax 2014, 43 Rn. 10 mwN), hält er daran nicht fest.

10

Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98). Nach dessen Urteil vom 10. September 2013 (C - 383/13 - PPU, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.) muss bei einer richterlichen Kontrolle der von dem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß besser zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 44). Ein nationales Gericht, das mit der Rechtmäßigkeit einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, darf die Haftmaßnahme nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (EuGH, aaO, Rn. 45).

11

Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Niederlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und danach durch ein Gericht überprüft wird, also nicht wie in Deutschland bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht - wie hier - die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. Dublin-II-Verordnung. Die von dem Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur Beendigung eines illegalen Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Entscheidend ist, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

12

Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des Haftantrags bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die - wie das Erfordernis der Aushändigung des Haftantrags oder die Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG - für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. Vorschriften der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefährden. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach § 426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschiebungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

13

c) Dass der Betroffene - wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner Anhörung durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre - tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör durch die Nichtaushändigung des Haftantrags führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung (vgl. EuGH, aaO Rn. 39).

14

2. a) Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 AufenthG und mit Art.19, 20 Dublin-II-Verordnung hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

15

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

16

bb) In Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier Großbritannien oder Italien) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132, 133 Rn. 10). Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden Staaten nachgefragt werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Behörde, sondern bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher Sicherungshaft bis zum Eingang der Unterrichtung durch das Bundesamt zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 11).

17

cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 entspricht - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - diesen Anforderungen nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei EURODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach Italien oder nach Großbritannien eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des Betroffenen verpflichtet ist, fehlen jedoch.

18

b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur erforderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.

19

aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 19; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299; Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S. 299).

20

bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten Anforderungen an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62 AufenthG nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab- oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der Richter die Haft anordnen soll. Das Begründungserfordernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen beschränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechterhaltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und 4 Rückführungsrichtlinie).

21

c) Die Mängel des Haftantrags können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.

22

aa) Eine Behebung der Mängel des Haftantrags kann zunächst dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 15).

23

Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf (EuGH, Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 - PPU, Rn. 36, veröffentlicht u.a. in BayVBl. 2014, 140 ff.), dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des Begründungserfordernisses in § 417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines Haftantrags oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des Haftrichters die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der Behörde darzulegenden Tatsachen vorliegen und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1. b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

24

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.

25

bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Beschwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der - seiner Meinung nach entbehrlichen - Aushändigung des Haftantrags, aber nicht mit dessen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach Italien erfahrungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststellungen zu einer Verpflichtung Italiens, den Betroffenen wieder aufzunehmen, fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden Beschluss.

26

cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der Senat hat zwar entschieden, dass sich Prognosefehler des Gerichts nicht auswirken, wenn es in der angeordneten Haftzeit zu der Ab- oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des Haftantrags übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des Haftantrags ist eine Verfahrensgarantie, deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterlichen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.

IV.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Die Vorschriften der Kostenordnung sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs. 1, 2 GNotKG noch anzuwenden.

Stresemann                        Lemke                        Schmidt-Räntsch

                       Czub                        Kazele

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 31/14
vom
26. Juni 2014
in der Überstellungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) Art. 28 Abs. 2;
§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entspricht nicht den Anforderungen von
Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung, wonach die objektiven Kriterien, die
Fluchtgefahr begründen, gesetzlich festgelegt sein müssen. Nach der derzeitigen
Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland kann die Haft zur Sicherung
von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung daher nicht
auf Fluchtgefahr bzw. eine Entziehungsabsicht des Betroffenen gestützt werden.
Dublin-III-Verordnung Art. 2 Buchstabe n;
Die in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannten Haftgründe genügen
den Anforderungen von Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung; auf ihrer
Grundlage kann Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28
Dublin-III-Verordnung angeordnet werden.
BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 4. Februar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Betroffenen erkannt worden ist. Es wird festgestellt, dass der Betroffene durch die Haftanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 6. Januar 2014 in seinen Rechten verletzt worden ist. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 26. Dezember 2013 nach seiner Einreise mit dem Zug aus Frankreich von Be- amten der beteiligten Behörde (Bundespolizei) festgenommen, da er nicht im Besitz eines Passes oder anderer Grenzübertrittspapiere war.
2
Eine EURODAC-Anfrage ergab, dass der Betroffene im November 2013 unter Angabe eines falschen Namens und einer falschen Nationalität in Ungarn Asyl beantragt hatte. Er war danach u.a. über Italien und Frankreich nach Deutschland weitergereist. Bei seiner Vernehmung durch Beamte der beteiligten Behörde gab er an, in Deutschland bleiben und einen Asylantrag stellen zu wollen. Die beteiligte Behörde verfügte mit Bescheid vom 27. Dezember 2013 die Zurückschiebung des Betroffenen nach Ungarn und beantragte die vorläufige Freiheitsentziehung für die Zeit vom 27. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014; dem Antrag wurde entsprochen. Das Asylgesuch des Betroffenen wurde von der beteiligten Behörde am 30. Dezember 2013 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) weitergeleitet, das am 2. Januar 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an Ungarn richtete.
3
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Januar 2014 gegen den Betroffenen Überstellungshaft bis zum 10. Februar 2014 angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt. Am 16. Januar 2014 hat Ungarn unter Hinweis darauf, bereits am 12. Dezember 2013 ein Aufnahmeersuchen an Bulgarien gerichtet zu haben, das Wiederaufnahmegesuch abgelehnt.
4
Das Landgericht hat die Haftanordnung aufgehoben und festgestellt, dass der Betroffene durch den Beschluss des Amtsgerichts seit dem 17. Januar 2014 in seinen Rechten verletzt sei. Die weitergehende Beschwerde hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde , mit der er die Feststellung der Rechtsverletzung bereits durch die Haftanordnung vom 6. Januar 2014 beantragt. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, das Asylgesuch des Betroffenen habe der Anordnung der Zurückschiebungshaft nicht entgegen gestanden, weil der Antrag aus der Haft gestellt worden sei und die vorläufige Freiheitsentziehung nicht nur wegen der unerlaubten Einreise, sondern auch wegen des Verdachts angeordnet worden sei, dass der Betroffene sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde. Dass im Zeitpunkt der amtsrichterlichen Entscheidung bereits die Dublin-III-Verordnung - Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180, S. 31) - in Kraft gewesen sei, ändere an der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung nichts. Dahinstehen könne, ob angesichts des gegenüber dem innerstaatlichen Recht vorrangigen Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung, der für die Inhaftnahme zum Zwecke der Sicherung einer Überstellung eine erhebliche Fluchtgefahr verlange, die in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AufenthG genannten Haftgründe obsolet geworden seien; denn jedenfalls genüge der Haftgrund in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG den Anforderungen der Verordnung. Diese Regelung entspreche - wenn sie unter Berücksichtigung der zu ihr ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgelegt werde - auch den Erfordernissen von Art. 2 Buchstabe n der Verordnung. „Fluchtgefahr“ im Sinne der Verord- nung sei danach anzunehmen, wenn der begründete Verdacht bestehe, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle. Das sei hier der Fall.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft. Der Betroffene darf seine Beschwerde gegen die Haftanordnung nach §§ 58 ff. FamFG mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG verbinden (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 7). In solch einem Fall kann der Betroffene - auch wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde die Freiheitsentziehung beendet hat - eine Rechtsbeschwerde mit dem Ziel erheben, die Rechtsverletzung durch die Inhaftierung festzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 238/11, FGPrax 2013, 39 Rn. 7).
7
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Haftanordnung hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Sie hätte nicht ergehen dürfen, weil die Voraussetzungen für seine Inhaftnahme zum Zweck einer Überstellung nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nicht vorlagen.
8
1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend von der Anwendbarkeit dieser Verordnung aus. Sie gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 vom 1. Januar 2014 an (dem ersten Tage des sechsten Monats nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 29. Juni 2013) - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Sie ist damit auch auf das von dem Bundesamt am 2. Januar 2014 an Ungarn gestellte Wiederaufnahmegesuch anzuwenden.
9
2. Nicht richtig ist es jedoch, wenn das Beschwerdegericht ausführt, dass auch unter Geltung des Art. 28 Dublin-III-Verordnung die Haft zur Sicherstellung einer Überstellung des Ausländers in den für dessen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat nach den Vorschriften des nationalen Ausländerrechts über die Zurück- oder Abschiebung angeordnet werden darf.
10
a) Das entsprach allerdings der Rechtslage bei den Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 16 und 20 der Verordnung (EU) Nr. 343/2003, (ABl. Nr. L 050, S. 1 - Dublin-II-Verordnung). Die durch Art. 48 Dublin-IIIVerordnung aufgehobene Verordnung enthielt keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit der Inhaftierung eines Ausländers zur Sicherung seiner Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat. Die diesem Zweck dienenden Haftanordnungen erfolgten nach den Gesetzen der Mitgliedstaaten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Haft in der Regel nach den Vorschriften zur Durchsetzung einer auf Grund unerlaubter Einreise des Ausländers vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 57 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, § 62 Abs. 3 AufenthG angeordnet (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 75/12, juris Rn. 3; Marx, InfAuslR 2013, 436, 438 f.; Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Schröder auf eine schriftliche Frage - BT-Drucks. 16/886, S. 9).
11
b) Die Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten der Dublin-IIIVerordnung dadurch grundlegend geändert, dass nunmehr das Gemeinschaftsrecht selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Ausländern zum Zweck der Überstellung enthält. Es schließt in Art. 28 Abs. 1 eine Inhaftnahme allein auf Grund der Einleitung eines Verfahrens zur Aufnahme- oder Wiederaufnahme des Ausländers durch einen anderen Mitgliedstaat (Art. 20 ff.) aus und legt in Art. 28 Abs. 2 die Voraussetzungen fest, die von den Mitgliedstaaten bei der Inhaftnahme von Ausländern zwecks Sicherstellung der Überstellung eingehal- ten werden müssen. Nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einen Ausländer im Sinne der Verordnung (einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen) nach einer Einzelfallprüfung nur in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, und auch nur dann, wenn die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
12
Die Haft zur Sicherung der Überstellung eines Ausländers, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, in den nach der Verordnung zuständigen Mitgliedstaat darf nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 28 Dublin-III-Verordnung und nicht mehr nach anderen Bestimmungen des Rechts des Mitgliedstaats (wie Vorschriften zur Durchsetzung einer sich aus dem nationalen Recht ergebenden vollziehbaren Ausreisepflicht) angeordnet werden. Andernfalls würde der Schutzzweck der gemeinschaftsrechtlichen Regelung vereitelt (vgl. BVwG der Republik Österreich, Beschluss vom 3. April 2014 - W112 2003274-1/19E, Seite 22; Filzwieser/Sprung, Die Dublin-III-Verordnung, Art. 28 Anm. K 1; Stahmann, ANA-ZAR 2014, 1).
13
3. Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung vorgelegen haben. Seine Auffassung, dass der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genannte Haftgrund den von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-IIIVerordnung gestellten Anforderungen entspricht, teilt der Senat jedoch nicht.
14
a) Danach ist unter einer „Fluchtgefahr“ das Vorliegen von Gründen im Einzelfall zu verstehen, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, sich diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung verlangt somit gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Gemeinschaftsrecht bestimmten Voraussetzung der „Fluchtgefahr“. Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem unionsrechtlichen Verbot dar, den Inhalt einer EU-Verordnung durch innerstaatliches Recht zu präzisieren; sie erlegt es den Mitgliedstaaten auf, durch Gesetz die Kriterien für das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu regeln (vgl. BVwG der Republik Österreich, Beschluss vom 3. April 2014 - W112 2003274-1/19E, Seite 23; Filzwieser/Sprung, Die Dublin-III-Verordnung, Art. 2 Anm. K 48).
15
b) Ob die generalklauselartig formulierte Bestimmung in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254 Rn. 12; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 10. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 74), nach der ein Ausländer zur Sicherung einer Abschiebung in Haft zu nehmen ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will, diesen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügt, wird allerdings unterschiedlich beurteilt.
16
aa) Nach einer Mitteilung der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu dem in Art. 28 Dublin-III-Verordnung geregelten Haftgrund ist es ihre Position gewesen, darauf hinzuwirken, dass die bisherigen Haftgründe des nationalen Rechts in Deutschland inhaltlich in Einklang mit dem künftigen Unionsrecht stehen (BT-Drucks. 17/12039, S. 7). Das dürfte dahin zu verstehen sein, dass nach ihrer Auffassung die Vorschrift über die Gründe, aus denen Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), insgesamt den Erfordernissen an eine Inhaftierung zum Zwecke der Sicherung einer Überstellung nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung entspricht.
17
Nach anderer Auffassung (Marx, InfAuslR 2013, 436, 438 f.) ist eine Inhaftierung des Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne der Verordnung bestehe dann, wenn der Verdacht begründet sei, dass der Ausländer sich der Überstellung nach Art. 29 Dublin-III-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat entziehen wolle.
18
In diesen Stellungnahmen wird allerdings auf die Frage, ob die Generalklausel in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis objektiver, durch Gesetz festgelegter Kriterien für die begründete Annahme der Fluchtgefahr genügt, nicht näher eingegangen.
19
bb) Dem steht die Ansicht gegenüber (Stahmann, ANA-ZAR 2014, 1), dass § 62 Abs. 3 AufenthG, der für die Abschiebungshaft und über § 57 Abs. 2 AufenthG auch für die Zurückschiebungshaft gilt, schon wegen des aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden haftrechtlichen Analogieverbots auf die Haft zur Überstellung nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht anwendbar sei. Vor allem fehle es aber an den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung für die Annahme der Fluchtgefahr geforderten objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien.
20
cc) Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entspricht nicht den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin-IIIVerordnung an das Recht der Mitgliedstaaten gestellten Anforderungen.
21
(1) Nach dieser Bestimmung der Verordnung setzt die Annahme einer Fluchtgefahr das Vorliegen von Gründen voraus, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen. Die den Verdacht stützenden Gründe müssen in einem Gesetz definiert sein (engl. Fassung: „… reasons in an individual case, which are based on objective criteria defined by law ...” ; franz. Fassung: „...l’existence de raisons, fondées sur des critères objectifs définis par la loi, …“.
22
(a) Diese Kriterien müssen in einem förmlichen Gesetz bestimmt sein. Der von dem Verordnungsgeber in der französischen Fassung verwendete Terminus „la loi“ gilt nach dem dortigen Rechtsverständnis nur für die von dem Parlament erlassenen Gesetze (Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, ErgLfg. 42 [August 2012]; Art. 288 AEUV Rn. 89). Die deutsche Fassung ist vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer einheitlichen Anwendung unionsrechtlicher Rechtsnormen nicht anders auszulegen. Die europarechtliche Verordnung zwingt somit den nationalen Gesetzgeber dazu, die Voraussetzungen für die Annahme einer die Inhaftierung des Ausländers in den Überstellungsfällen rechtfertigenden Fluchtgefahr in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln (vgl. zur vergleichbaren Garantie aus dem Gesetzesvorbehalt bei Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfGE 29, 183, 196 = NJW 1970, 2205, 2207).
23
(b) Der generalklauselartig formulierte Haftgrund in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG genügt diesen Anforderungen deshalb nicht, weil die Vorschrift nicht die Kriterien benennt, die den Verdacht begründen, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen. Diese Kriterien sind nicht im Gesetz festgelegt , sondern - wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht - erst durch die Rechtsprechung näher bestimmt worden.
24
Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG kann auch deswegen nicht Grundlage einer Bestimmung der Kriterien der Fluchtgefahr im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung sein, weil die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme in der europarechtlichen Verordnung („Gründe für die Annahme , dass der Ausländer sich der Überstellung durch Flucht entziehen könnte“) und dieses Haftgrunds im nationalen Recht („begründeter Verdacht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen wolle“) sich nicht unterscheiden. Eine Definition der Fluchtgefahr durch die Entziehungsabsicht führte zu einem bloßen Pleonasmus ohne jeden Gewinn für die Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit der zur Sicherung von Überstellungen ergehenden Haftanordnungen.
25
(2) Selbst wenn man - abweichend von der vorstehenden Auslegung des Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung - mit dem Beschwerdegericht davon ausginge, dass die die Annahme einer Fluchtgefahr begründenden objektiven Kriterien nicht unmittelbar durch den Gesetzgeber, sondern auch durch Richterrecht festgelegt werden könnten, fehlte es an einer der Verordnung genügenden Bestimmung.
26
Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der begründete Verdacht eines Entziehungswillens konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahelegen, dass dieser beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen , keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, juris Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29). Insoweit begründen zwar bestimmte Umstände (wie bspw. eine Täuschung des Ausländers über seine Identität, die unerlaubte Einreise mithilfe von Schleusern, ein früheres Untertauchen) in der Regel den Verdacht der Entziehungsabsicht, während anderen Umständen (der illegale Aufenthalt im Bundesgebiet, die Ablehnung des Asylantrags, das Fehlen eines festen Wohnsitzes, die Mittellosigkeit oder die Erforderlichkeit der Abschiebung) eine solche Bedeutung nicht beigemessen wird (vgl. zusammenfassend: OLG Naumburg, FGPrax 2000, 211, 212; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 62 Rn. 77 ff.). Die Ermittlung und die Würdigung der den Verdacht einer Entziehungsabsicht begründenden Umstände obliegen aber dem Tatrichter; dessen Feststellung ist bereits dann rechtsfehlerfrei, wenn sie vom richtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus auf der Grundlage bestimmter Tatsachen als möglich erscheint (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). Einen so weitgehenden Beurteilungsspielraum bei der Annahme der Entziehungsabsicht lässt die Verordnung, die objektiv festgelegte (und damit nachprüfbare ) Kriterien verlangt, jedoch nicht mehr zu.
27
(3) Da weder die gesetzliche Regelung in § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG selbst noch ihre Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung objektiv festgelegte Kriterien vorgibt, auf denen der Verdacht einer Entziehungsabsicht beruhen muss, entspricht diese Vorschrift eindeutig nicht den von dem Gemeinschaftsrecht durch Art. 2 Buchstaben n der Verordnung gestellten Anforderungen. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 267 AUEV zur Auslegung dieser Bestimmung der Verordnung bedarf es deshalb nicht. Die Folge dessen ist allerdings, dass nach der gegenwärtigen Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland die Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf Fluchtgefahr bzw. eine Entziehungsabsicht des Betroffenen gestützt werden kann.
28
4. Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob eine Haft zur Sicherung der Überstellung aus den anderen Haftgründen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AufenthG) angeordnet werden kann oder ob diese Haftgründe angesichts von Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung, der eine Inhaftierung nur bei Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr vorsieht, für die Überstellungshaft obsolet geworden sind.
29
a) Die Haftanordnung konnte hier allerdings nicht auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) gestützt werden. Einer Fortdauer der Haft aus diesem Grund stand nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG schon der von dem Betroffenen innerhalb einer Frist von einem Monat nach der unerlaubten Einreise gestellte Asylantrag entgegen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510 Rn. 13; Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 14 AsylVfG Rn. 21).
30
Anderes ergibt sich - abweichend von der Rechtslage unter Geltung der Dublin-II-Verordnung (zu dieser: Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, aaO) - auch nicht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG, nach der die Monatsfrist bei einer (auch) nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angeordneten Sicherungshaft nicht gilt. Diese Regelung diente zwar gerade dem Zweck, dass Ausländer, die im Rahmen eines Dublin-II-Verfahrens in den für das Asylverfahren zuständigen Staat verbracht werden sollten, nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden und untertauchen (BT-Drucks. 16/5065, S. 215). Der Anwendung dieser Vorschrift steht hier aber entgegen, dass die Haft zur Sicherstellung eines Überstellungsverfahrens nunmehr nur noch unter den in Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden darf, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG jedoch keine gesetzliche Festlegung objektiver Kriterien für den Verdacht einer Fluchtgefahr nach Art. 2 Buchstabe n der Verordnung enthält.
31
b) Überstellungshaft nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung kann allerdings angeordnet werden, wenn die Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirklicht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen. Das ist in Deutschland derzeit allein bei den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannten Haftgründen (Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift unter der der Ausländer erreichbar ist; vom Ausländer zu vertretendes Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Über- stellung angekündigten Termin) der Fall. Da diese Haftgründe hier nicht vorgelegen haben, ist dem Feststellungsantrag des Betroffenen zu entsprechen.

IV.

32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 06.01.2014 - 7 XIV 2/14 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 04.02.2014 - 5 T 19/14 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.