Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16

bei uns veröffentlicht am24.01.2017

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter tätig war und ob er der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Klägerin und die Q. Bau- und Transport GmbH (im Folgenden Firma Q.), deren Geschäftsführerinnen Schwestern sind, erbringen Transportdienstleistungen. Einer ihrer Hauptkunden ist die H. Logistik Gruppe Deutschland (im Folgenden: H.). Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. ist ein Satellitendepot-Vertrag. Die Einhaltung der dortigen Prozessrichtlinien muss die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen. Die Klägerin und die Firma Q. haben in der B.-Straße ... in D. Büroräume und betreiben dort ein Auslieferungslager für H..
Der 1980 geborene Beigeladene zu 1), rumänischer Staatsangehöriger, meldete zum 26.10.2009 ein Gewerbe an für Transporte mit Kfz bis 3,5 t. Er war ab Ende 2009 als Kurierdienstfahrer für eine Subunternehmerin der Klägerin und der Firma Q. tätig mit einer eigenen Tour. Als die Subunternehmerin (Frau B.) Ende 2010 ihre Tätigkeit aufgab, übernahm der Beigeladene zu 1) quasi deren Rolle. Er übernahm etwa die Hälfte der Fahrer seiner bisherigen Auftraggeberin, mit denen er sog Vermittlungsverträge schloss. Mit der Klägerin (und der Firma Q.) schloss er am 15.12.2010 mit Wirkung ab 03.01.2011 einen Unternehmervertrag mit der Klägerin als Auftraggeber und ihm als Unternehmer. Dieser Vertrag lautete auszugsweise wie folgt:
§ 1 Gegenstand, Tätigkeit, Probezeit, Kündigung
1. Der Unternehmer wird ab 03.01.2011 Aufträge im Namen verschiedener Auftraggeber erhalten.
4. Die Gültigkeit dieses Unternehmervertrages ist davon abhängig, dass spätestens bei Antritt des ersten Auftrags durch den Unternehmer ordnungsgemäße und vollständige Geschäftsunterlagen (Gewerbeanmeldung, Führungszeugnis, Steuer-Nr, Bankverbindung, Führerschein, evtl ADR-Schein, Passkopie) übergeben werden.
5. Der Unternehmer ist selbst für die Einholung weiterer Aufträge verantwortlich.
7. Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit selbstständig aus. Er handelt im Namen und auf eigene Rechnung.
8. Der Auftragnehmer sichert zu, dass sowohl er als auch die etwa von ihm eingesetzten Subunternehmer keine Arbeitskräfte ohne erforderliche Arbeitserlaubnisse einsetzen. Diese Verpflichtung besteht auch im Hinblick auf das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr.
10 
9. Der Auftragnehmer wird Transporte selbst oder durch etwa von ihm eingesetzte Subunternehmer nur mit Fahrzeugen und Fahrern durchführen bzw durchführen lassen, für die alle erforderlichen Erlaubnisse vorliegen. Dies umfasst insbesondere die notwendige Berechtigung bei Transporten > 3,5 t (Lizenz oder Erlaubnis) sowie die notwendigen Berechtigungen beim Einsatz von Drittstaatenkraftfahrern (Pass/Ausweis und Aufenthaltstitel oder inländische gültige Fahrerbescheinigung) nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) und sonstigen Vorschriften.
11 
10. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, seine Mitarbeiter und die etwa von ihm als Fahrpersonal eingesetzten Subunternehmer darauf hinzuweisen, die Unterlagen während aller Fahren für die Fa Q. mitzuführen und sowohl behördlichen Kontrollberechtigten als auch der Fa Q. auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen.
12 
11. Der Auftragnehmer verpflichtet sich auch selbst, bei seinen Subunternehmern regelmäßig entsprechende Kontrollen durchzuführen.
13 
12. Der Auftragnehmer verpflichtet sich bei Verstößen zur Übernahme des der Fa Q. hieraus entstehenden Schadens und stellt die Fa Q. diesbezüglich von jeglichen Nachteilen frei.
14 
13. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, der Fa Q. Änderungen in der Zusammensetzung der Fuhrparks (zB Reduzierung des Fuhrparks) und seiner sonstigen Auftraggeber (zB Wegfall weiterer Auftraggeber) unverzüglich mitzuteilen. Über den Umfang einer anderweitigen Tätigkeit ist der Auftragnehmer zur Auskunft verpflichtet. Die Verpflichtung zur Mitteilung besteht auch für den Fall, dass der Auftragnehmer nur noch Familienangehörige als Arbeitnehmer einsetzt.
15 
14. Bei Verletzung dieser Verpflichtung sowie beim Vorliegen sonstiger Kriterien, die gegen die Unternehmereigenschaft sprechen, ist der Auftragnehmer der Fa Q. zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
16 
§ 2 Einsatzzeit, Einsatzplan, Einsatzbedingungen
17 
1. Ein Anspruch auf Vollauslastung durch den Auftraggeber besteht nicht.
18 
2. Der Auftraggeber wird dem Unternehmer keinerlei Vorgaben zu seinen Einsatzzeiten, Einsatzorten, Arbeitskleidung machen.
19 
3. Der Unternehmer garantiert dem Auftraggeber alle ihm übermittelten Angebote zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers und dessen Auftraggebers zu erfüllen.
20 
4. Zeiten, in denen der Unternehmer nicht zum Einsatz kommen kann sind dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Bei angenommenen festen Touren hat der Unternehmer bei Ausfall selbst für eine Ersatzkraft zu sorgen, sollte der Unternehmer nicht in der Lage sein, eine Ersatzkraft einzusetzen, so wird dies der Auftraggeber tun und in voller Höhe dem Unternehmer weiterbelasten.
21 
§ 3 Vergütung
22 
1. Zusatzvereinbarung Anlage Vergütung
23 
2. abzüglich der Kosten pro Tour (Scanner, …usw), und Sondervereinbarung Anlage Maßnahmenkatalog
24 
3. Der Unternehmer erhält für seine erfüllten Aufträge eine Gutschriftabrechnung, abzüglich der Kosten pro Tour (Scanner, Fahrzeug, …usw).
25 
4. Bei fehlenden Geschäftsunterlagen kann keine Zahlung erfolgen. Führungszeugnisse sind jedes Jahr zu aktualisieren.
26 
5. Auszahlungen folgen zwischen dem 15. – 20. des Folgemonats. Bei Sonn- und Feiertagen am darauffolgenden Werktag.
27 
6. Einlerntage durch den Auftraggeber werden nicht vergütet.
28 
7. Ein Anspruch auf Vorauszahlungen und Vorschüsse besteht nicht.
29 
8. Abzüge durch Auftraggeber des Auftraggebers, welche im Verschulden des Unternehmers liegen werden uneingeschränkt dem Unternehmer weiterbelastet.
30 
9. An- und Abfahrt zum Einsatzort werden nicht vergütet.
31 
10. Die erbrachten Leistungen sind anhand von Scannerdaten, Rollkarten, Tagesberichten und/oder Lieferscheinen zu erbringen.
32 
11. Fehlmengen und Beschädigungen an Arbeitsmaterialien, Fahrzeugen und Waren werden dem Unternehmer weiterbelastet.
33 
….
34 
Die Vergütung der Leistung erfolgte ausschließlich über Gutschriften der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) anhand der Auswertung der Scannerdaten. Die Preisliste (zB für eine Standardlieferung 1,30 EUR) war von der Klägerin vorgegeben. Der Beigeladene zu 1) erhielt Gutschriften für die von ihm selbst und seinen Fahrern durchgeführten Fahrten. Bei den monatlichen Gutschriften erfolgten Abzüge ua für die Scannermiete (pro Scanner 20 EUR) und Abzüge nach dem Strafmaßnahmenkatalog der Firma H., der im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) aufgrund mündlicher Vereinbarung ebenfalls Anwendung fand. Der Kläger (und seine Fahrer) mussten Kleidung mit dem Logo der Firma H. tragen, auch die Fahrzeuge mussten entsprechend beschriftet sein. Als Strafen waren vorgesehen zB 10 EUR bei fehlendem Tragen der H.-Kleidung oder wenn die Scanner-Tasche nicht umgeschnallt war und 50 EUR, wenn eine Premium- oder Eilsendung außerhalb des Zeitfensters zugestellt wurde. Weitere Strafen waren vorgesehen zB bei fehlender Fahrzeugsauberkeit, fehlender oder ungültiger Vollmacht, IDENT-Service nicht an Berechtigten zugestellt oder Materialkiste nicht vollständig mitgenommen. Über die Tätigkeit bei der Klägerin erzielte der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum folgende Umsätze: Januar 2011 – 11.953 EUR; Februar 2011 – 2.576 EUR; März 2011 – 4.736 EUR; November 2011 – 476 EUR. Die erzielten Erlöse aus der Tätigkeit für die Firma Q. lagen ganz erheblich darüber. Der Beigeladene zu 1) war ausschließlich mit H.-Sendungen betraut. Hierbei liefen die Sonderfahrten über die Klägerin und die normalen Sendungen über die Firma Q.. Der Beigeladene zu 1) nutzte für seine Kurierdienstfahrten für die Klägerin und die Firma Q. zunächst ein geleastes Fahrzeug (VW Passat) und mietete auch weitere Fahrzeuge an; Ende August 2011 kaufte er einen Ford Mondeo für 550 EUR; eine eigene Betriebsstätte unterhielt er nicht.
35 
Der Beigeladene zu 1) beantragte am 16.05.2011 bei der DRV Bund (Beigeladene zu 2) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der ab 01.01.2011 ausgeübten Tätigkeit als Fahrer bei der Klägerin. Nachdem er angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt hatte, stellte die Beigeladene zu 2) mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.11.2011 das Verfahren ein.
36 
Mit Schreiben vom 15.03.2013 wandte sich die DRV Baden-Württemberg an die Beklagte als Einzugsstelle. Der Beigeladene zu 1) habe am 14.10.2010 einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige mit einem Auftraggeber gestellt. Bei Zweifeln am Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sei die Einzugsstelle nach § 28h Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständig. Beigefügt war eine Stellungnahme der Clearingstelle vom 11.02.2013, welche die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer für die Klägerin, die Firma Q. und die Firma B. Kleintransporte (Subunternehmerin der Klägerin und der Firma Q.) ab 01.11.2009 als abhängige Beschäftigungen einordnete.
37 
Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten unter dem 27.01.2014 mit, der Tätigkeit liege ein Rahmenvertrag zugrunde. Die Entlohnung habe sich nach Preislisten für Sendungen gerichtet; der Preis sei je nach Menge der erbrachten Leistungen multipliziert und per Gutschrift bezahlt worden. Die Prozessrichtlinien von H. seien einzuhalten gewesen. Es sei im Namen und auf Rechnung der Firma H. gearbeitet worden. Die Kontrolle sei anhand von Rollkarten/Orientierungslisten und EDV (Scanner) erfolgt. Bei Verhinderung habe sich der Beigeladene zu 1) um Ersatz kümmern müssen. Es habe kurzfristig abgesagte Aufträge gegeben. Es sei kein zeitlicher Rahmen und kein Ort für die Tätigkeit festgelegt worden. Der Beigeladene zu 1) habe mehrere Mitarbeiter gehabt. Die zu verteilenden Sendungen habe der Beigeladene zu 1) zwischen 6:00 und 9:00 Uhr im Umschlagszentrum D. erhalten. Es habe keine Verpflichtung zur Annahme bestimmter Aufträge bestanden.
38 
Mit Bescheid vom 28.04.2014 stellte die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, da der Beigeladene zu 1) weisungsgebunden sei und kein eigenes Unternehmerrisiko trage.
39 
Mit ihrem Widerspruch vom 08.05.2014 machte die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 1) habe mehrere sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter gehabt. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2014 zurück. Nach Würdigung aller Gesamtumstände überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund der zentralen Vorgaben und Verpflichtungen für die Tätigkeit als Fahrer ergebe sich eine Weisungsgebundenheit. Auch die Freiheit, Einfluss auf die Planung der Touren zu nehmen und diese mit dem Privat-Pkw zu fahren, ändere nichts an den vorgegebenen Rahmenbedingungen. Als Entlohnung sei ein Sendungspreis vereinbart worden. Der Beigeladene zu 1) könne Aufträge ablehnen. Dadurch ergebe sich jedoch kein unternehmerisches Risiko.
40 
Hiergegen richtet sich die am 13.10.2014 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Beigeladene zu 1) sei als selbstständiger Frachtunternehmer tätig geworden. Insbesondere im Rahmen von Kurierdienstleistungen sei branchenüblich, dass selbstständige Frachtführer nach Stopp und Sendung abrechneten. Dies spreche nicht für abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) habe die Kosten für den Unterhalt eines Lkw selbst tragen müssen. Seine Fahrdienste habe er in Dienstkleidung der Firma H. und nicht in solcher der Klägerin erbracht. Dass sich der Beigeladene zu 1) bei der Disposition im Umschlagszentrum habe melden müssen, entspreche lediglich den haftungsrechtlichen Kriterien obergerichtlicher Rechtsprechung zur Schnittstellenkontrolle. Die Prozessrichtlinien von H. hätten selbstverständlich sowohl von der Klägerin als auch dem Beigeladenen zu 1) eingehalten werden müssen.
41 
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, die überwiegenden Merkmale sprächen für abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) fahre nicht im eigenen Namen und sei zur Einhaltung von Prozessrichtlinien verpflichtet. Er bekomme Aufträge zugewiesen, habe sich entsprechend bei der Disposition zu melden und werde kontrolliert. Die Sendungen erhalte er zu festen, vorgegebenen Zeiten im Umschlagzentrum. Haftung gegenüber dem Kunden und damit das wirtschaftliche Risiko lägen nicht beim Beigeladenen zu 1).
42 
Mit Urteil vom 17.03.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe die Tätigkeit für die Klägerin vom 01.01.2011 bis 30.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt, es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Als Kurierdienstfahrer nach den über die Klägerin weitergeleiteten engen Vorgaben der Firma H. sei er abhängig beschäftigt. Nach dem Unternehmervertrag habe der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger Transportdienstleistungen erbringen sollen. Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung sei jedoch weder die gewünschte Rechtsfolge noch die von den Parteien gewählte Bezeichnung maßgeblich. Nach eigenen Angaben habe der Beigeladene zu 1) die Transportdienstleistungen nicht mit einem Fahrzeug der Klägerin, sondern diversen angemieteten Fahrzeugen und später mit einem eigenen Fahrzeug erbracht. Die Benutzung eines eigenen Kfz könne in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Bei Kurierdienstfahrern könne die Selbstständigkeit nicht vornehmlich am Merkmal des eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, da der wirtschaftliche Aufwand hierfür nicht so hoch sei, dass darin ein erhebliches wirtschaftliches Risiko gesehen werden könne. Insgesamt fehle es bei dem Beigeladenen zu 1) an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen von Fahrzeugkosten und einer Sachmittelpauschale für den Scanner von H. habe der Beigeladene zu 1) keine Investitionen getätigt und habe auch keine Betriebsstätte vorgehalten. Einem möglichen Verlust des Fahrzeugs hätten keine unternehmerischen Chancen gegenüber gestanden. Möglichkeiten, den Verdienst zu beeinflussen, habe der Beigeladene zu 1) nicht gehabt. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung sei nicht verhandelbar gewesen und dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben worden. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise sei dem Beigeladenen zu 1) kein Spielraum geblieben, der ihm ermöglicht hätte, etwa durch schnelleres, rationelleres Arbeiten oder preisgünstigeren Mitteleinsatz seine Verdienstchancen zu erhöhen. Der Beigeladene zu 1) sei wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingegliedert gewesen als ein nur den sich aus §§ 407 ff Handelsgesetzbuch (HGB) ergebenden Pflichten unterliegender selbstständiger Frachtführer. Es sei während der gefahrenen Touren nicht möglich gewesen, für andere Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen zu erzielen bzw mehr Frachtaufkommen zu erlangen als das bereits vor Beginn der jeweiligen Tour eingescannte und vom Disponenten der Klägerin freigegebene. Im Übrigen verfüge der Beigeladene zu 1) auch über keine Erlaubnis nach § 3 GüKG oder eine Lizenz nach Art 3 VO EWG 881/92, die ihm erlauben würde, als selbstständiger Frachtführer iSv §§ 407 HGB tätig zu werden. Der Beigeladene zu 1) habe sein Fahrzeug mit Werbung für H. versehen und Berufskleidung mit der vorgegebenen Kennzeichnung der Firma H. tragen müssen. Ein Tätigwerden als Selbstständiger sei nach außen nicht erkennbar gewesen. Ohne Erfolg mache die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte Bindung an vertragliche Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen. Eine bestehende Eingliederung in den Betrieb trete nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet sei. Der Beigeladene zu 1) sei weisungsabhängig gewesen. Sein Zustellgebiet sei festgelegt, ebenso die Touren. Die Anzahl der Sendungen pro Tour habe nicht beeinflusst werden können. Die Auslieferung habe taggleich erfolgen müssen; bei Premium- und Eilsendungen innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen könne zwar ein Indiz für selbstständige Tätigkeit sein, es sei jedoch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse nicht unüblich, dass es weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen bleibe, ob er tätig werde. In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen habe sich faktisch zwingend eine besonders enge Einbindung in die Betriebsorganisation ergeben. Trotz Nutzung eines eigenen Fahrzeugs überwögen nach alledem die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale.
43 
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29.03.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.04.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG verweise zur Begründung auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 15.07.2016 (L 6 R 23/14) und des Bayerischen LSG vom 23.11.2015 (L 7 R 1008/14), verkenne aber, dass die Fälle nur in Ansätzen vergleichbar seien. So habe der Unternehmer-Partnerschaftsvertrag in der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vorgesehen, dass die Leistung nicht ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers an Dritte übertragen werden durfte, Berufskleidung mit der vorgegebenen Kennzeichnung zu tragen sei und die Fahrzeuge mit einem Hinweis („im Auftrag der H Logistikgruppe“) zu versehen gewesen sei und anderweitige Werbung nicht zulässig gewesen sei. Derartige Festlegungen enthalte der Unternehmervertrag hier gerade nicht. Der Beigeladene zu 1) habe einen nicht unerheblichen Teil seines Transportvolumens durch Fremdvergabe erledigt. Der Beigeladene zu 1) habe in der mündlichen Verhandlung vor dem SG darauf hingewiesen, dass er ein Schild von H. in seinem Ford Mondeo ausgehängt habe, um einem Paketempfänger zu signalisieren, dass er eine erwartete Paketsendung erhalten werde; eine Werbemaßnahme für H. stelle dies nicht dar. Das SG verkenne, dass es dem Beigeladenen zu 1) freigestanden habe, weitere Transportaufträge anzunehmen und im Rahmen seiner Tourenabfolge zu erledigen, unabhängig von der Klägerin. Er habe auch Touren von anderen Auftragnehmern der Klägerin übernehmen können, was gelegentlich geschehen sei. Eine Erlaubnis nach § 3 GüKG habe nichts mit der Eigenschaft eines selbstständigen Frachtführers zu tun. Für Kurier-Express-Paket-Dienste sei die Erlaubnispflicht nicht maßgeblich, da die Auslieferfahrzeuge kein zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 t hätten. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Schon aus haftungsrechtlichen Gründen sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Prozessrichtlinien der Firma H. einzuhalten, um sich nicht selbst im Falle eines Sendungsverlustes dem Vorwurf qualifizierten Verschuldens auszusetzen; sie habe diese Schnittstellenkontrollen ihren Unterfrachtführern ebenfalls auferlegen müssen. Es stelle eine transportrechtliche Selbstverständlichkeit dar, dass die Klägerin in ihrem Distributionszentrum den Paketumschlag zu strukturieren, organisieren und überwachen habe, um nicht die Haftungsbegrenzung in § 431 HGB auszuschließen. Die vom SG angenommenen Weisungsrechte erschöpften sich letztlich in der Einhaltung der Gewährleistung einer rechtssicheren, dem Frachtrecht geschuldeten Schnittstellenkontrolle.
44 
Die Klägerin beantragt,
45 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.01.2012 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
46 
Die Beklagte beantragt,
47 
die Berufung zurückzuweisen.
48 
Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG.
49 
Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
50 
Betreffend die Tätigkeit der Kurierdienstfahrer für die Klägerin und die Firma Q. werden mehrere, inzwischen verbundene Ermittlungsverfahren geführt ua wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen mehrere Personen, ua die Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q. sowie den Beigeladenen zu 1). Die Ermittlungsverfahren laufen noch. Auf die Vernehmung des Beigeladenen zu 1) vom 27.08.2013 (Blatt 251 ff Band XII Ermittlungsakte) wird Bezug genommen.
51 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die beigezogenen Akten des Hauptzollamts S. (EV 1273/12 – E 1150) und der Staatsanwaltschaft S. (184 Js 21795/12) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
53 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.
54 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 28h SGB IV. Der angefochtene Bescheid ist zwar ohne die erforderliche vorherige Anhörung der Klägerin ergangen (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch), dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs Nr 3 SGB X; vgl Bundessozialgericht 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, SozR 4-2600 § 77 Nr 10). Die Beklagte war als Einzugsstelle auch zuständig für den Erlass des Bescheids. Gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV in der seit 01.04.2003 geltenden Fassung des Art 2 Nr 13 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2002, 4621) stellt die Beklagte als Einzugsstelle ua personenbezogen die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Ein vorrangiges Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV) war nicht anhängig, da das 2011 eingeleitete Verfahren bereits mit Bescheid vom 09.11.2011 ohne inhaltliche Prüfung bestandskräftig abgeschlossen war.
55 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
56 
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
57 
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, weshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ergebnisse des vom Hauptzollamt S. bzw der Staatsanwaltschaft S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Verhandlungstermine vor dem SG und dem Senat.
58 
Nach den Feststellungen des Senats war der Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum auf der Grundlage von teilweise schriftlichen, teilweise mündlichen Abreden für die Klägerin tätig. Entgegen der Absicht in § 1 Nr 1 Unternehmervertrag hat der Beigeladene zu 1) allein Aufträge im Namen von H. erhalten. Er durfte die Fahrten selbst oder durch Subunternehmer ausführen, also Dritte zur Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen. Weitgehend abbedungen durch mündliche Abreden war allerdings die Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag, wonach keinerlei Vorgaben zu Einsatzzeiten, Einsatzorten und Arbeitskleidung gemacht würden. Der Beigeladene zu 1), sowie sämtliche Kurierdienstfahrer mussten die Image-Kleidung von H. tragen. Dies hat die Klägerin im Termin vor dem SG über ihren anwesenden Disponenten, B. P., selbst vorgetragen. Dieser hat auch die Einhaltung der Kleidervorschriften kontrolliert. Auch durch Mitarbeiter von H. erfolgte eine monatliche Kontrolle, ob die Fahrer Scanner mit Tasche und Stift, Maßband und Namensschild dabei hatten. Dies hat der Beigeladene zu 1) in seiner Aussage beim Hauptzollamt am 27.08.2013 ausgesagt. Die Kleidung wurde vom Beigeladenen zu 1) über die Klägerin bzw die Firma Q. bestellt; die Abzüge für die Kosten erfolgten im Rahmen der Gutschriften. Darüber hinaus hatte sich der Beigeladene zu 1) morgens um 6.00 Uhr im Verteilzentrum in D. einzufinden. Dies hat er übereinstimmend im Rahmen der Angaben zur „Checkliste Selbstständigkeit“ bereits am 18.07.2011 (Seite 3 Akte des Hauptzollamts: dort angekreuzt keine regelmäßigen Arbeitszeiten einzuhalten aber zugleich angegeben, 6 Tage pro Woche ab 6:00 Uhr) und im Rahmen seiner Vernehmung am 27.08.2013 angegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal auch die für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesenden Herren S. und P. bestätigt haben, dass der Beigeladene zu 1) täglich um 6:00 Uhr im Verteilzentrum D. anwesend war. Damit gab es sehr wohl konkrete Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und –ort.
59 
Der mündlichen Abbedingung der Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag steht die Schriftformklausel in § 7 dieses Vertrags schon deshalb nicht entgegen, da es sich nur um eine einfache Schriftformklausel handelt, die ohne Weiteres mündlich abbedungen werden kann (vgl Bundesgerichtshof 26.11.1980, VIII ZR 298/79, WM 1981, 121; zur qualifizierten Schriftformklausel BGH 02.06.1976, VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378). Im Übrigen sieht auch der Unternehmervertrag in § 2 Nr 4 vor, dass Zeiten, in denen der Beigeladene zu 1) nicht zum Einsatz kommen kann, unverzüglich mitzuteilen sind. Die Beteiligten sind somit nach der Überzeugung des Senats ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) täglich im Verteilzentrum in D. zu erscheinen hat. Der Senat geht daher nicht davon aus, dass es ihm völlig freigestanden habe, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Es wäre dann auch nicht klar, wie die Klägerin selbst ihre Verpflichtungen gegenüber H. zur taggleichen Auslieferung der Sendungen bewirken wollte. Wie aus Gutschriften an andere Fahrer zu entnehmen ist – der Beigeladene zu 1) war insoweit wohl sehr zuverlässig – sind auch tatsächlich Abzüge erfolgt, wenn eine Tour nicht gefahren wurde bzw die Klägerin einen Ersatzfahrer stellen musste (zB Gutschrift Nr 1870: Abzug iHv 130 EUR 22.03. „Tour von uns gefahren“, Blatt 360 Beweismittelordner Band III).
60 
Letztlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene zu 1) berechtigt war, nach freiem Gutdünken Aufträge auch abzulehnen, denn die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden (vgl Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 R363/15).
61 
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin liegt hier vor. Weder hinsichtlich Arbeitszeit und –ort, noch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1) maßgebliche Spielräume zur eigenen Gestaltung der Tätigkeit. Die Pakete mussten taggleich ausgeliefert werden, bei Premium- oder Eilsendungen innerhalb eines festgelegten Zeitfensters. Auch auf die Zahl der zugeteilten Sendungen hatte der Beigeladene zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss, sie erfolgte durch den Disponenten P.. Soweit dieser vor dem SG ausgeführt hat, der Beigeladene zu 1) habe insoweit Einfluss gehabt, als er hätte mehr Pakete abholen können, passt dies nicht zu den festen Bezirken, welche die einzelnen Fahrer haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu 1) insoweit hinsichtlich eines typischen Arbeitstages erläutert, er hole zunächst die Pakete vom Band, scanne alle ein und verlade sie ins Auto. Anschließend bekomme er vom Disponenten eine Liste und eine Freigabe, dass alle Pakete da seien. Er fahre dann los. Er habe einen festen Zustellbezirk, welchen er anhand der Liste des Disponenten abarbeite; wenn alle Pakete ausgefahren seien, mache er Feierabend. Wie insoweit höhere Gewinnchancen durch schnelleres Arbeiten oder die Akquise weiterer Aufträge für den gleichen Bezirk möglich sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Dass der Beigeladene zu 1) gelegentlich eine Tour von einem anderen (ausgefallenen) Fahrer übernommen hat, wie Herr S., Vater der Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q., vor dem SG erläutert hat, steht dem nicht entgegen. Der Beigeladene zu 1) war ab Januar 2011 allein für die Klägerin und die Firma Q. tätig, zeitweise anfangs nach seinen Angaben vor dem SG auch noch für deren Subunternehmerin B..
62 
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin gehen die von der Klägerin gemachten Vorgaben deutlich hinaus über die gesetzlichen Verpflichtungen eines Frachtführers iSv §§ 407 ff HGB. Dabei verkennt der Senat nicht, dass etwa die Haftungshöchstbeträge nach § 431 HGB nicht gelten, wenn der Schaden auf einer Handlung beruht, die vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen worden ist (§ 435 HGB). Da der Umschlag von Transportgütern besonders schadensanfällig ist, verlangt die Rechtsprechung insoweit, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert wird, was im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordert, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind (vgl BGH 25.03.2004, I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f; BGH 22.05.2014, I ZR 109/13, WM 2014, 2331; BGH 04.02.2016, I ZR 216/14, juris). Insoweit ist die Erfassung sämtlicher Pakete mittels Scanner vor dem Einladen schon deshalb erforderlich, damit sich die Klägerin nicht dem Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens wegen mangelhafter Betriebsorganisation ohne durchgängige Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag der Transportgüter aussetzt. Die daneben bestehenden Kontrollen hinsichtlich der Arbeitskleidung, der Beschriftung von Fahrzeugen, Tragen der Namensschilder, der Scannertasche und die hiermit verbundenen erheblichen Sanktionen bei Verstößen – bei einmaliger Verspätung bei Eil- und Premiumsendungen bereits 50 EUR - haben mit den Vorgaben des Transportrechts allerdings nichts zu tun. Insoweit hat das BSG bereits darauf hingewiesen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb, wie sie auch hier vorliegt, nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris zu Transportfahrer).
63 
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist vorliegend die (vertraglich erlaubte) Erbringung von Transportleistungen für die Klägerin nicht nur höchstpersönlich durch den Beigeladenen zu 1), sondern auch durch weitere Fahrer, mit denen er Vermittlungsverträge geschlossen hatte. Grundsätzlich ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird, denn Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25). Insoweit stellt sich die Frage, ob der Beigeladene zu 1) als Subunternehmer mit mehreren Sub-Subunternehmern selbst eher als Arbeitgeber zu betrachten und im Verhältnis zur Klägerin daher als selbstständig anzusehen sein müsste. Der Beigeladene zu 1) war insoweit nicht „das letzte Glied in der Kette“ (hierzu bei nahezu identischen Fallkonstellationen LSG Rheinland-Pfalz 15.07.2015, L 6 R 23/14, juris; Bayerisches LSG 23.11.2015, L 7 R 1008/14, juris), sondern Teil einer mittleren Ebene.
64 
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Konstruktion der verschiedenen Ebenen von Subunternehmern, von denen der Beigeladene zu 1) nur einer ist, und deren Sub-Subunternehmern letztlich auf das Betreiben von Herrn S. zurückzuführen ist, der von den Ermittlungsbehörden als faktischer Geschäftsführer der Klägerin und der Firma Q. angesehen wird. Der Beigeladene zu 1) hatte ausgesagt, ihm sei von Herrn S. vorgegeben worden, welche Vergütung er an „seine“ Fahrer zahlen solle. Er selbst bekomme 1,30 EUR pro Standardpaket und solle 1,20 EUR an die Fahrer weitergeben, so die Angaben in der Vernehmung des Beigeladenen zu 1) am 27.08.2013. Herr S. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten, seinen Subunternehmern insoweit irgendwelche Vorgaben gemacht zu haben. Da es im Rahmen der Gesamtabwägung hierauf jedoch nicht entscheidend ankommt, bedarf diese Frage keiner weiteren Aufklärung im Rahmen des Berufungsverfahrens.
65 
Fest steht allerdings, dass der Beigeladene zu 1) über die Anzahl der transportierten Pakete keinerlei Überblick hatte. Er selbst hätte gar keine Rechnungen schreiben können, da allein die Klägerin über die Scannerdaten verfügte und damit (nach den Vorgaben von H.) ihre Gutschriften fertigte. Hierbei stellte ihm die Klägerin auch die Abrechnungsdaten „seiner“ Fahrer zur Verfügung, die er anhand der Tour-Nummern identifizieren konnte, damit er die von ihnen erbrachten Leistungen, die in der an ihn erfolgenden Gutschrift enthalten waren, sodann abrechnen konnte. Den Abrechnungen der Klägerin musste der Beigeladene zu 1) vertrauen, er hatte keine Möglichkeit zur Kontrolle. Den Wortlaut der Verträge mit den Fahrern und die Vordrucke für die Gutschriften hat der Beigeladene zu 1) von der Subunternehmerin B., sozusagen seiner Vorgängerin, übernommen. Insgesamt spricht nach alledem die Delegationsbefugnis als Indiz im Rahmen der Abwägung für eine selbstständige Tätigkeit, wenn auch das Abrechnungssystem über Gutschriften ohne Kontrollmöglichkeit für eine selbstständige Tätigkeit eher ungewöhnlich erscheint.
66 
Ein relevantes Unternehmerrisiko als ein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit ist bei dem Beigeladenen zu 1) allerdings nicht ersichtlich. Das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs von hier nur geringem Wert (550 EUR) stellt keine relevante betriebliche Investition dar, die „brachliegen“ könnte, wenn nicht gearbeitet wird. Auch die Sub-Subunternehmer haben nur bei entsprechender Leistung eine Vergütung erhalten; Fixkosten unabhängig vom Umsatz fielen daher nicht an. Der Beigeladene zu 1) wurde letztlich bei von der Klägerin vorgegebenen Preisen nur für seinen Arbeitseinsatz bezahlt. Das bloße Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft und die Chance, hiervon das Überleben zu sichern ist kein unternehmerisches Risiko, dem iS der ständigen BSG-Rechtsprechung eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht, indem durch Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Arbeitseinsatzes die Verdienstchancen erhöht werden können (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; vgl auch BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris RdNr 25 und 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 27). Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach den Angaben von Herrn S. vor dem Senat die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin nicht nach Sendungen, sondern mit einem festen Monatslohn entlohnt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein relevantes unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen zu 1) auch im Rahmen der insoweit abweichenden Vereinbarungen nicht bestand.
67 
Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) ist für die Beurteilung der Tätigkeit ohne Aussagekraft. Eine Gewerbeanmeldung kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass jemand selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten (vgl Senatsurteil vom 15.12.2015, L 11 R 2083/15).
68 
In der Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkten (deutliche Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin, Vorhandensein eines Weisungsrechts hinsichtlich Ort und Zeit der Tätigkeit, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte) nach alledem stärkeres Gewicht zu als der Möglichkeit, auch Dritte für die Ausübung der Tätigkeit einzusetzen. Angesichts dessen kommt es auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, nicht mehr an. Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung nur zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall angesichts des Überwiegens der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien.
69 
Vorliegend steht der Wertung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) als rumänischer Staatsangehöriger nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III zum damaligen Zeitpunkt eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit hätte ausüben dürfen. Die Missachtung des sich aus § 284 SGB III ergebenden Beschäftigungsverbots stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 404 Abs 2 Nr 4 SGB III), führt aber nicht dazu, dass die ohne Genehmigung ausgeübte Beschäftigung als strafrechtlich verbotene Tätigkeit betrachtet werden muss. Vielmehr wird im Rahmen einer grundsätzlich erlaubten Tätigkeit (zB als Bauarbeiter) gegen ein Verbot (Beschäftigungsverbot nach § 284 Abs 1 SGB III) verstoßen (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 1862/12 mwN). Wird - wie hier – eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht, schuldet der Arbeitgeber auch die Vergütung mit der Folge, dass auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen hat.
70 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
71 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
72 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3 GKG.

Gründe

52 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
53 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.
54 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 28h SGB IV. Der angefochtene Bescheid ist zwar ohne die erforderliche vorherige Anhörung der Klägerin ergangen (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch), dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs Nr 3 SGB X; vgl Bundessozialgericht 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, SozR 4-2600 § 77 Nr 10). Die Beklagte war als Einzugsstelle auch zuständig für den Erlass des Bescheids. Gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV in der seit 01.04.2003 geltenden Fassung des Art 2 Nr 13 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2002, 4621) stellt die Beklagte als Einzugsstelle ua personenbezogen die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Ein vorrangiges Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV) war nicht anhängig, da das 2011 eingeleitete Verfahren bereits mit Bescheid vom 09.11.2011 ohne inhaltliche Prüfung bestandskräftig abgeschlossen war.
55 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
56 
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
57 
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, weshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ergebnisse des vom Hauptzollamt S. bzw der Staatsanwaltschaft S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Verhandlungstermine vor dem SG und dem Senat.
58 
Nach den Feststellungen des Senats war der Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum auf der Grundlage von teilweise schriftlichen, teilweise mündlichen Abreden für die Klägerin tätig. Entgegen der Absicht in § 1 Nr 1 Unternehmervertrag hat der Beigeladene zu 1) allein Aufträge im Namen von H. erhalten. Er durfte die Fahrten selbst oder durch Subunternehmer ausführen, also Dritte zur Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen. Weitgehend abbedungen durch mündliche Abreden war allerdings die Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag, wonach keinerlei Vorgaben zu Einsatzzeiten, Einsatzorten und Arbeitskleidung gemacht würden. Der Beigeladene zu 1), sowie sämtliche Kurierdienstfahrer mussten die Image-Kleidung von H. tragen. Dies hat die Klägerin im Termin vor dem SG über ihren anwesenden Disponenten, B. P., selbst vorgetragen. Dieser hat auch die Einhaltung der Kleidervorschriften kontrolliert. Auch durch Mitarbeiter von H. erfolgte eine monatliche Kontrolle, ob die Fahrer Scanner mit Tasche und Stift, Maßband und Namensschild dabei hatten. Dies hat der Beigeladene zu 1) in seiner Aussage beim Hauptzollamt am 27.08.2013 ausgesagt. Die Kleidung wurde vom Beigeladenen zu 1) über die Klägerin bzw die Firma Q. bestellt; die Abzüge für die Kosten erfolgten im Rahmen der Gutschriften. Darüber hinaus hatte sich der Beigeladene zu 1) morgens um 6.00 Uhr im Verteilzentrum in D. einzufinden. Dies hat er übereinstimmend im Rahmen der Angaben zur „Checkliste Selbstständigkeit“ bereits am 18.07.2011 (Seite 3 Akte des Hauptzollamts: dort angekreuzt keine regelmäßigen Arbeitszeiten einzuhalten aber zugleich angegeben, 6 Tage pro Woche ab 6:00 Uhr) und im Rahmen seiner Vernehmung am 27.08.2013 angegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal auch die für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesenden Herren S. und P. bestätigt haben, dass der Beigeladene zu 1) täglich um 6:00 Uhr im Verteilzentrum D. anwesend war. Damit gab es sehr wohl konkrete Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und –ort.
59 
Der mündlichen Abbedingung der Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag steht die Schriftformklausel in § 7 dieses Vertrags schon deshalb nicht entgegen, da es sich nur um eine einfache Schriftformklausel handelt, die ohne Weiteres mündlich abbedungen werden kann (vgl Bundesgerichtshof 26.11.1980, VIII ZR 298/79, WM 1981, 121; zur qualifizierten Schriftformklausel BGH 02.06.1976, VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378). Im Übrigen sieht auch der Unternehmervertrag in § 2 Nr 4 vor, dass Zeiten, in denen der Beigeladene zu 1) nicht zum Einsatz kommen kann, unverzüglich mitzuteilen sind. Die Beteiligten sind somit nach der Überzeugung des Senats ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) täglich im Verteilzentrum in D. zu erscheinen hat. Der Senat geht daher nicht davon aus, dass es ihm völlig freigestanden habe, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Es wäre dann auch nicht klar, wie die Klägerin selbst ihre Verpflichtungen gegenüber H. zur taggleichen Auslieferung der Sendungen bewirken wollte. Wie aus Gutschriften an andere Fahrer zu entnehmen ist – der Beigeladene zu 1) war insoweit wohl sehr zuverlässig – sind auch tatsächlich Abzüge erfolgt, wenn eine Tour nicht gefahren wurde bzw die Klägerin einen Ersatzfahrer stellen musste (zB Gutschrift Nr 1870: Abzug iHv 130 EUR 22.03. „Tour von uns gefahren“, Blatt 360 Beweismittelordner Band III).
60 
Letztlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene zu 1) berechtigt war, nach freiem Gutdünken Aufträge auch abzulehnen, denn die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden (vgl Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 R363/15).
61 
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin liegt hier vor. Weder hinsichtlich Arbeitszeit und –ort, noch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1) maßgebliche Spielräume zur eigenen Gestaltung der Tätigkeit. Die Pakete mussten taggleich ausgeliefert werden, bei Premium- oder Eilsendungen innerhalb eines festgelegten Zeitfensters. Auch auf die Zahl der zugeteilten Sendungen hatte der Beigeladene zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss, sie erfolgte durch den Disponenten P.. Soweit dieser vor dem SG ausgeführt hat, der Beigeladene zu 1) habe insoweit Einfluss gehabt, als er hätte mehr Pakete abholen können, passt dies nicht zu den festen Bezirken, welche die einzelnen Fahrer haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu 1) insoweit hinsichtlich eines typischen Arbeitstages erläutert, er hole zunächst die Pakete vom Band, scanne alle ein und verlade sie ins Auto. Anschließend bekomme er vom Disponenten eine Liste und eine Freigabe, dass alle Pakete da seien. Er fahre dann los. Er habe einen festen Zustellbezirk, welchen er anhand der Liste des Disponenten abarbeite; wenn alle Pakete ausgefahren seien, mache er Feierabend. Wie insoweit höhere Gewinnchancen durch schnelleres Arbeiten oder die Akquise weiterer Aufträge für den gleichen Bezirk möglich sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Dass der Beigeladene zu 1) gelegentlich eine Tour von einem anderen (ausgefallenen) Fahrer übernommen hat, wie Herr S., Vater der Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q., vor dem SG erläutert hat, steht dem nicht entgegen. Der Beigeladene zu 1) war ab Januar 2011 allein für die Klägerin und die Firma Q. tätig, zeitweise anfangs nach seinen Angaben vor dem SG auch noch für deren Subunternehmerin B..
62 
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin gehen die von der Klägerin gemachten Vorgaben deutlich hinaus über die gesetzlichen Verpflichtungen eines Frachtführers iSv §§ 407 ff HGB. Dabei verkennt der Senat nicht, dass etwa die Haftungshöchstbeträge nach § 431 HGB nicht gelten, wenn der Schaden auf einer Handlung beruht, die vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen worden ist (§ 435 HGB). Da der Umschlag von Transportgütern besonders schadensanfällig ist, verlangt die Rechtsprechung insoweit, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert wird, was im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordert, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind (vgl BGH 25.03.2004, I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f; BGH 22.05.2014, I ZR 109/13, WM 2014, 2331; BGH 04.02.2016, I ZR 216/14, juris). Insoweit ist die Erfassung sämtlicher Pakete mittels Scanner vor dem Einladen schon deshalb erforderlich, damit sich die Klägerin nicht dem Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens wegen mangelhafter Betriebsorganisation ohne durchgängige Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag der Transportgüter aussetzt. Die daneben bestehenden Kontrollen hinsichtlich der Arbeitskleidung, der Beschriftung von Fahrzeugen, Tragen der Namensschilder, der Scannertasche und die hiermit verbundenen erheblichen Sanktionen bei Verstößen – bei einmaliger Verspätung bei Eil- und Premiumsendungen bereits 50 EUR - haben mit den Vorgaben des Transportrechts allerdings nichts zu tun. Insoweit hat das BSG bereits darauf hingewiesen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb, wie sie auch hier vorliegt, nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris zu Transportfahrer).
63 
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist vorliegend die (vertraglich erlaubte) Erbringung von Transportleistungen für die Klägerin nicht nur höchstpersönlich durch den Beigeladenen zu 1), sondern auch durch weitere Fahrer, mit denen er Vermittlungsverträge geschlossen hatte. Grundsätzlich ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird, denn Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25). Insoweit stellt sich die Frage, ob der Beigeladene zu 1) als Subunternehmer mit mehreren Sub-Subunternehmern selbst eher als Arbeitgeber zu betrachten und im Verhältnis zur Klägerin daher als selbstständig anzusehen sein müsste. Der Beigeladene zu 1) war insoweit nicht „das letzte Glied in der Kette“ (hierzu bei nahezu identischen Fallkonstellationen LSG Rheinland-Pfalz 15.07.2015, L 6 R 23/14, juris; Bayerisches LSG 23.11.2015, L 7 R 1008/14, juris), sondern Teil einer mittleren Ebene.
64 
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Konstruktion der verschiedenen Ebenen von Subunternehmern, von denen der Beigeladene zu 1) nur einer ist, und deren Sub-Subunternehmern letztlich auf das Betreiben von Herrn S. zurückzuführen ist, der von den Ermittlungsbehörden als faktischer Geschäftsführer der Klägerin und der Firma Q. angesehen wird. Der Beigeladene zu 1) hatte ausgesagt, ihm sei von Herrn S. vorgegeben worden, welche Vergütung er an „seine“ Fahrer zahlen solle. Er selbst bekomme 1,30 EUR pro Standardpaket und solle 1,20 EUR an die Fahrer weitergeben, so die Angaben in der Vernehmung des Beigeladenen zu 1) am 27.08.2013. Herr S. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten, seinen Subunternehmern insoweit irgendwelche Vorgaben gemacht zu haben. Da es im Rahmen der Gesamtabwägung hierauf jedoch nicht entscheidend ankommt, bedarf diese Frage keiner weiteren Aufklärung im Rahmen des Berufungsverfahrens.
65 
Fest steht allerdings, dass der Beigeladene zu 1) über die Anzahl der transportierten Pakete keinerlei Überblick hatte. Er selbst hätte gar keine Rechnungen schreiben können, da allein die Klägerin über die Scannerdaten verfügte und damit (nach den Vorgaben von H.) ihre Gutschriften fertigte. Hierbei stellte ihm die Klägerin auch die Abrechnungsdaten „seiner“ Fahrer zur Verfügung, die er anhand der Tour-Nummern identifizieren konnte, damit er die von ihnen erbrachten Leistungen, die in der an ihn erfolgenden Gutschrift enthalten waren, sodann abrechnen konnte. Den Abrechnungen der Klägerin musste der Beigeladene zu 1) vertrauen, er hatte keine Möglichkeit zur Kontrolle. Den Wortlaut der Verträge mit den Fahrern und die Vordrucke für die Gutschriften hat der Beigeladene zu 1) von der Subunternehmerin B., sozusagen seiner Vorgängerin, übernommen. Insgesamt spricht nach alledem die Delegationsbefugnis als Indiz im Rahmen der Abwägung für eine selbstständige Tätigkeit, wenn auch das Abrechnungssystem über Gutschriften ohne Kontrollmöglichkeit für eine selbstständige Tätigkeit eher ungewöhnlich erscheint.
66 
Ein relevantes Unternehmerrisiko als ein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit ist bei dem Beigeladenen zu 1) allerdings nicht ersichtlich. Das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs von hier nur geringem Wert (550 EUR) stellt keine relevante betriebliche Investition dar, die „brachliegen“ könnte, wenn nicht gearbeitet wird. Auch die Sub-Subunternehmer haben nur bei entsprechender Leistung eine Vergütung erhalten; Fixkosten unabhängig vom Umsatz fielen daher nicht an. Der Beigeladene zu 1) wurde letztlich bei von der Klägerin vorgegebenen Preisen nur für seinen Arbeitseinsatz bezahlt. Das bloße Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft und die Chance, hiervon das Überleben zu sichern ist kein unternehmerisches Risiko, dem iS der ständigen BSG-Rechtsprechung eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht, indem durch Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Arbeitseinsatzes die Verdienstchancen erhöht werden können (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; vgl auch BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris RdNr 25 und 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 27). Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach den Angaben von Herrn S. vor dem Senat die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin nicht nach Sendungen, sondern mit einem festen Monatslohn entlohnt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein relevantes unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen zu 1) auch im Rahmen der insoweit abweichenden Vereinbarungen nicht bestand.
67 
Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) ist für die Beurteilung der Tätigkeit ohne Aussagekraft. Eine Gewerbeanmeldung kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass jemand selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten (vgl Senatsurteil vom 15.12.2015, L 11 R 2083/15).
68 
In der Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkten (deutliche Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin, Vorhandensein eines Weisungsrechts hinsichtlich Ort und Zeit der Tätigkeit, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte) nach alledem stärkeres Gewicht zu als der Möglichkeit, auch Dritte für die Ausübung der Tätigkeit einzusetzen. Angesichts dessen kommt es auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, nicht mehr an. Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung nur zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall angesichts des Überwiegens der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien.
69 
Vorliegend steht der Wertung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) als rumänischer Staatsangehöriger nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III zum damaligen Zeitpunkt eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit hätte ausüben dürfen. Die Missachtung des sich aus § 284 SGB III ergebenden Beschäftigungsverbots stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 404 Abs 2 Nr 4 SGB III), führt aber nicht dazu, dass die ohne Genehmigung ausgeübte Beschäftigung als strafrechtlich verbotene Tätigkeit betrachtet werden muss. Vielmehr wird im Rahmen einer grundsätzlich erlaubten Tätigkeit (zB als Bauarbeiter) gegen ein Verbot (Beschäftigungsverbot nach § 284 Abs 1 SGB III) verstoßen (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 1862/12 mwN). Wird - wie hier – eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht, schuldet der Arbeitgeber auch die Vergütung mit der Folge, dass auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen hat.
70 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
71 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
72 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3 GKG.

Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16 zitiert 24 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsste

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 117 Scheingeschäft


(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdec

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 41 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28h Einzugsstellen


(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht recht

Handelsgesetzbuch - HGB | § 435 Wegfall der Haftungsbefreiungen und -begrenzungen


Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person

Handelsgesetzbuch - HGB | § 407 Frachtvertrag


(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. (2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. (3) Die Vorschriften dieses U

Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG | § 12 Arbeit auf Abruf


(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszei

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 284 Arbeitsgenehmigung-EU für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten


(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre frei

Handelsgesetzbuch - HGB | § 431 Haftungshöchstbetrag


(1) Die nach den §§ 429 und 430 zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung ist auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes begrenzt. (2) Besteht das Gut aus mehreren Frachtstücken (Se

Güterkraftverkehrsgesetz - GüKG 1998 | § 3 Erlaubnispflicht


(1) Der gewerbliche Güterkraftverkehr ist erlaubnispflichtig, soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt. (2) Die Erlaubnis wird einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 404 Bußgeldvorschriften


(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Unternehmerin oder Unternehmer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem sie oder er eine andere Unternehmerin oder einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem sie oder er weiß oder

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2004 - I ZR 205/01

bei uns veröffentlicht am 25.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 205/01 Verkündet am: 25. März 2004 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: j

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Nov. 2015 - L 7 R 1008/14

bei uns veröffentlicht am 23.11.2015

Gründe Hauptschlagwort: abhängige Beschäftigung eigenes Kfz Kurierdienstfahrer Unternehmensstruktur Titel: Normenkette: Leitsatz: in dem Rechtsstreit A., A-Straße, A-Stadt - Klägerin und Berufungsbeklagte -

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2016 - I ZR 216/14

bei uns veröffentlicht am 04.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 216/14 Verkündet am: 4. Februar 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2015 - B 12 KR 16/13 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. Juli 2015 - L 6 R 23/14

bei uns veröffentlicht am 15.07.2015

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2013 wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrig

Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R

bei uns veröffentlicht am 31.03.2015

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13

bei uns veröffentlicht am 22.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I Z R 1 0 9 / 1 3 Verkündet am: 22. Mai 2014 Führinger als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 - 11 Sa 567/10 - wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - B 13 R 9/11 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 28. Sept. 2011 - B 12 R 17/09 R

bei uns veröffentlicht am 28.09.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der gewerbliche Güterkraftverkehr ist erlaubnispflichtig, soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt.

(2) Die Erlaubnis wird einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland hat, für die Dauer von bis zu zehn Jahren erteilt, wenn er die in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 51) genannten Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs eines Kraftverkehrsunternehmers erfüllt.

(3) Der Erlaubnisinhaber erhält auf Antrag neben der Erlaubnis so viele Erlaubnisausfertigungen, wie ihm weitere Fahrzeuge und die für diese erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in der jeweils geltenden Fassung zur Verfügung stehen. Eigenkapital und Reserven, auf Grund deren beglaubigte Kopien der Gemeinschaftslizenz nach der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 72) in der jeweils geltenden Fassung erteilt wurden, können im Verfahren auf Erteilung der Erlaubnis und Erlaubnisausfertigung nicht nochmals in Ansatz gebracht werden. Verringert sich nach der Ausstellung von Ausfertigungen der Erlaubnis der Fahrzeugbestand nicht nur vorübergehend, so hat das Unternehmen überzählige Ausfertigungen an die zuständige Behörde zurückzugeben. Stellt das Unternehmen den Betrieb endgültig ein, so hat es die Erlaubnis und alle Ausfertigungen unverzüglich zurückzugeben.

(4) Die Erlaubnis kann befristet, unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt werden.

(5) Eine Erlaubnis ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Eine Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Finanzbehörden dürfen die nach Landesrecht zuständigen Behörden davon in Kenntnis setzen, dass der Unternehmer die ihm obliegenden steuerrechtlichen Verpflichtungen wiederholt nicht erfüllt hat oder eine eidesstattliche Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung abgegeben hat.

(5a) Rechtzeitig vor der Entscheidung über die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis und von Erlaubnisausfertigungen gibt die nach Landesrecht zuständige Behörde dem Bundesamt für Logistik und Mobilität, den beteiligten Verbänden des Verkehrsgewerbes, der fachlich zuständigen Gewerkschaft und der zuständigen Industrie- und Handelskammer Gelegenheit zur Stellungnahme. Vor der Entscheidung über die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf von Erlaubnisausfertigungen kann die nach Landesrecht zuständige Behörde hiervon absehen.

(5b) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Unternehmer oder der Verkehrsleiter die Voraussetzungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 nicht erfüllt, kann dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften untersagt werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig vom Verlauf eines Verfahrens auf Widerruf der Erlaubnis fortgesetzt werden. Auf Antrag ist dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Satzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Bestandskraft der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Rechtzeitig vor der Entscheidung über die Untersagung der Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften gegenüber dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter gibt die nach Landesrecht zuständige Behörde dem Bundesamt für Logistik und Mobilität Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, durch die

1.
die Anforderungen an die Berufszugangsvoraussetzungen zur Gewährleistung eines hohen Niveaus näher bestimmt werden und
2.
a)
das Verfahren zur Erteilung, zur Rücknahme und zum Widerruf der Erlaubnis und zur Erteilung und Einziehung der Erlaubnisausfertigungen einschließlich der Durchführung von Anhörungen,
b)
Form und Inhalt, insbesondere die Geltungsdauer der Erlaubnis und der Ausfertigungen,
c)
das Verfahren bei Eintritt wesentlicher Änderungen nach Erteilung der Erlaubnis und der Ausfertigungen,
3.
die Voraussetzungen für die Erteilung zusätzlicher beglaubigter Kopien nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in der jeweils geltenden Fassung sowie
4.
die Voraussetzungen zur Rücknahme und zum Widerruf der Entscheidung über die Erteilung der beglaubigten Kopien entsprechend Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 in der jeweils geltenden Fassung
geregelt werden.

(7) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden führen dieses Gesetz, die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 und die auf diesem Gesetz beruhenden Verordnungen aus, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich das Unternehmen seine Niederlassung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 hat. Soweit keine Niederlassung besteht, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Betroffenen.

(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern.

(2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten, wenn

1.
das Gut zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen befördert werden soll und
2.
die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört.
Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Frachtgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

Gründe

Hauptschlagwort: abhängige Beschäftigung eigenes Kfz Kurierdienstfahrer Unternehmensstruktur

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. B., B-Straße, A-Stadt - -

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

vertreten durch das Direktorium, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin - -

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Beigeladen

1. C., C-Straße, A-Stadt

- Beigeladener -

2. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

3. AOK Bayern - Pflegekasse, Zentrale, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

4. Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit Nürnberg, Richard-Wagner-Platz 5, 90443 Nürnberg - 072-A731A01124- BEI/B-7350 -

- Beigeladene -

Der 7. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München

am 23. November 2015

durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Mayer, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Thanner und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Herz sowie die ehrenamtlichen Richter Kriesmair und Treffler

für Recht erkannt:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

IV.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) für dessen Tätigkeit bei der Klägerin als Kurierdienstfahrer in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010.

Die Klägerin übernimmt im Auftrag von H. die Zustellung von Paketen. Hierzu verfügt sie über eigene Kfz, die von bei der Klägerin angestellten Fahrern gefahren werden. Zusätzlich vergibt sie auch Aufträge an „Subunternehmer“ wie den Beigeladenen zu1), die die Aufträge von H. an die Klägerin als selbstständig Tätige ausführen sollen. Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. sind vertragliche Vereinbarungen, deren Einhaltung die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen muss.

Am 22.02.2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen nicht näher bezeichneten „Vertrag“, aufgrund dessen der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin als „Subunternehmer“ zum 01.03.2010 aufnahm, die zum 18.09.2010 endete. Am 19.03.2010 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten unter Vorlage des Vertrages einen Antrag auf Statusfeststellung. Der „Vertrag“ hat folgenden Inhalt:

1. Vertragsgegenstand

1.1. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Entgegennahme von Sendungen, sowie deren Transport und Verteilung im vereinbarten Zustellgebiet (siehe Anlage). Diese Sendungen sind an die entsprechenden Empfänger auszuliefern. Ferner sind sogenannte Retouren anzunehmen und zu transportieren. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass alle Paketshops im Betreuungsgebiet, für die der Fahrer zuständig ist, täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden.

1.2. Der Auftraggeber übt seine Tätigkeit selbstständig aus.

1.3. Für die Auslieferung von Sendungen benützt der Auftragnehmer und dessen Erfüllungsgehilfe die von H. zur Verfügung gestellten Medea-Scanner. Die Abarbeitung von Sendungen kann nur über diese Scanner durchgeführt werden. Die Scanner werden von H. zu einem festgesetzten Mietpreis pro Monat angemietet.

1.4. Der Auftragnehmer ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben verantwortlich. Im Falle seiner Verhinderung hat er selbst für eine entsprechende Vertretung zu sorgen.

Bedient sich der Auftragnehmer anderer Personen zur Vertragserfüllung, so hat er sicherzustellen, dass die Tätigkeiten mit der Sorgfalt erfüllt werden, wie durch den Auftragnehmer selbst.

Dem Auftraggeber sind für die eingesetzten Erfüllungsgehilfen und Mitarbeiter des Auftragnehmers, polizeiliche Führungszeugnisse und die Bestätigungen der Anmeldungen zur Sozialversicherung vorzulegen.

1.5. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er bzw. die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen während der Zustell- und Abholtätigkeit anhand ihrer vollständigen Oberkörper-Bekleidung als H.-Partner zu erkennen sind. Hierzu bezieht der Auftragnehmer Bekleidung aus dem offiziellen H.-Bekleidungsangebot in ausreichendem Umfang. Zum Tragen dieser Bekleidung im Rahmen einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit, sowie nach Beendigung der vorliegenden Zusammenarbeit ist der Auftragnehmer nicht berechtigt.

Seine Erfüllungsgehilfen wird er entsprechend verpflichten.

1.6. Weiter wird sichergestellt, dass der Transport nur mit ordentlichen Lieferfahrzeugen durchgeführt, wird. Das Fahrzeug muss entsprechend mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren ausgestattet sein. Das Fahrzeug ist beidseitig mit entsprechender Beschriftung als H.-Kurierfahrzeug zu kennzeichnen. Der Auftraggeber stellt die entsprechenden Beschriftungen gegen Selbstkosten zur Verfügung.

2. Vergütung

2.1. Für die gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages durchgeführten Leistungen erhält der Auftragnehmer die in der Anlage festgelegte Vergütung.

2.2. Über die Leistungen wird der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber monatlich zu Beginn des Folgemonats abrechnen.

2.3. Für Versicherungen jedweder Art hat der Auftragnehmer selbst zu sorgen. Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Auftragnehmers abgegolten.

2.4. Sofern der Auftragnehmer berechtigt ist, die Mehrwertsteuer auszuweisen, wird er dieses dem Auftraggeber schriftlich bestätigen.

3. Haftung

Der Auftragnehmer haftet für alle Personen-, Sach- und -Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen im Zusammenhang mit der Durchführung seines Auftrages verursachen.

Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften nur bei schuldhaftem Verhalten durch ihn oder einen durch ihn eingesetzten Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen haftet, hat der Auftragnehmer nachzuweisen, dass ihn oder den Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen ein Verschulden bei Entstehung des Schadens nicht trifft.

Ein Recht auf Zurückbehaltung der beim Auftragnehmer befindlichen Sendungen besteht nicht.

4. Laufzeit und Kündigung

4.1. Dieser Vertrag tritt zum 01.03.2010 in Kraft, läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

4.2. Unberührt bleibt das Recht beider Vertragspartner, den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Wichtige Gründe sind u. a. die Beantragung eines Vergleichs- oder Konkurs- oder sonstigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners, sowie ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Vertrages, insbesondere Diebstahl bzw. Unterschlagung von Sendungen.

5. Konkurrenzklausel und Vertraulichkeit

5.1. Der Auftragnehmer ist frei, selbstständig am Markt weitere Beförderungsleistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung des Vertrages nicht beeinträchtigen.

5.2. Der Auftragnehmer verpflichtet sich zur Einhaltung des Datengeheimnisses gemäß § 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wie folgt:

„Es ist dem Auftragnehmer untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als den zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen“. Die Verpflichtung des Auftragnehmers auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese Regelung gilt sinngemäß auch für Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers.

6. Schlussbestimmungen

6.1. Aufhebungen, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.

6.2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt. Die Parteien werden die nichtige Bestimmung im gegenseitigen Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen am nächsten kommt.

Mit Bescheid vom 14.01.2011 stellte die Beklagte nach entsprechender Anhörung fest, dass die auf der Grundlage dieses Vertrages ausgeübte Tätigkeit als Kurierdienstfahrer eine abhängige Beschäftigung sei und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 18.09.2010 bestanden habe.

Die zu beurteilende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer bestehe in der Entgegennahme von Sendungen, Transport und Verteilung der Sendungen im vereinbarten Zustellgebiet. Diese Tätigkeit sei bei Gesamtwürdigung der Merkmale als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzustufen. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien dabei:

- Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine Preisliste erfolgt.

- Die Tätigkeit sei nach den Grundregeln des H.-Qualitätshandbuchs erfolgt mit Vorgabe einer konsequenten Beachtung dieser Leitsätze (z. B. habe der Beigeladene zu 1) als Zusteller im Auftrag von H. erkennbar sein müssen).

- Notwendiger Einsatz eines gemieteten Scanners von H., dem Vertragspartner der Klägerin.

- Der Beigeladene zu 1) habe zwar keine festen Arbeitszeiten gehabt, aber die Auslieferung in einem bestimmten Zeitfenster vornehmen müssen.

- Der Beigeladene sei nicht im Besitz der Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes oder der Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92.

- Die Paketshops im Betreuungsgebiet hätten täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden müssen.

- Vertragliche Verpflichtung zur H.-Bekleidung während der Tätigkeit.

- Vertragliche Verpflichtung zur Ausstattung des Fahrzeugs mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren.

- Vertragliche Verpflichtung zur Beschriftung des Fahrzeugs als H. Kurierfahrzeug.

- Eine Vertretung des Beigeladenen zu 1) habe zwar von diesem theoretisch eingesetzt werden können, die persönliche Ausübung der Tätigkeit sei jedoch die Regel gewesen.

Demgegenüber würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit nicht wesentlich ins Gewicht fallen:

- Keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Annahme von Aufträgen.

- Der Beigeladene zu 1) habe eine eigene Werbung/Kundenakquisition betrieben.

- Bestehende Haftung des Beigeladenen zu 1) für alle Personen-, Sach-, Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungsgehilfe bei Durchführung seines Auftrags verursachen.

- Eigener Pkw des Beigeladenen zu 1).

Im Ergebnis sei der Beigeladene zu 1) mit Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig gewesen. Der Antrag auf Statusfeststellung sei zwar innerhalb des Monats der Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden. Die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien jedoch nicht erfüllt, weil Versicherungsschutz des Beigeladenen zu 1) zur Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen worden sei.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Zwar habe der Beigeladene zu 1) entscheiden können, ob er Aufträge angenommen oder abgelehnt habe. Im Statusfeststellungsverfahren werde jedoch eine Tätigkeit erst beurteilt, wenn ein solcher Einzelauftrag zustande gekommen sei.

Mit Annahme sei eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Eine Ablehnung von angebotenen Aufträgen sei dem Beigeladenen zu 1) im gleichen Maße möglich gewesen, wie ein Arbeitnehmer die Möglichkeit habe, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz abzulehnen. Bei Annahme eines Angebotes im Einzelfall bestehe dann eine abhängige Beschäftigung.

Nicht entscheidend sei, ob und wie die Klägerin im Einzelfall Einfluss auf die Tätigkeit genommen und von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht habe. Ein wesentlicher Gestaltungsspielraum bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung sei nicht gegeben gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe nicht vorgelegen. Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine vorgegebene Preisliste erfolgt. Insoweit sei der Beigeladene zu 1) mit anderen Arbeitnehmern vergleichbar wie z. B. Stücklohn-, Akkord-, oder Heimarbeitern. Ein Unternehmensrisiko ergebe sich auch nicht aus dem geleasten Fahrzeug.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil vom 14.08.2014 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 auf. Der Beigeladene zu 1) sei nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, da er selbstständig tätig geworden sei. Im Ergebnis würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit deutlich überwiegen:

- Der Beigeladene zu 1) habe als Arbeitsmittel ein eigenes Kfz benutzt.

- Der Beigeladene zu 1) habe den H.-Scanner monatlich mit 15,00 Euro bezahlen müssen.

- Der Beigeladene zu 1) habe die H.-Berufsbekleidung zwar käuflich erwerben müssen. Eine Pflicht zum Tragen dieser Kleidung habe jedoch nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin nicht bestanden. Der Beigeladene zu 1) habe die Kleidung lediglich getragen, damit ihm die Türen von Kunden geöffnet wurden. Beim Tragen der Berufskleidung sei daher nicht die Werbung für H. im Vordergrund gestanden, sondern die Erkennbarkeit des Beigeladenen zu 1) als Mitarbeiter eines Zustelldienstes.

- Der Beigeladene zu 1) sei auch befugt gewesen, für dritte Auftraggeber tätig zu sein und habe dies auch getan. Für ein- bis eineinhalb Monate habe er zusätzlich Auslieferfahrten für Apotheken zur Nachtzeit durchgeführt.

- Zwar habe der Beigeladene zu 1) einen festen Zustellbezirk gehabt und in diesem Bezirk auch alle Pakete ausfahren müssen. Allerdings habe die Möglichkeit bestanden, dass der Beigeladene zu 1) seinen Arbeitsumfang hätte erweitern oder verringern können durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Zustellbezirke.

- Die Beigeladene zu 1) habe das Qualitätshandbuch von H. nicht gekannt bzw. dieses nicht für seine Tätigkeit herangezogen.

- Der Beigeladene zu 1) sei nicht verpflichtet gewesen, die Dienstleistung persönlich zu erbringen. Im Übrigen habe der Beigeladene zu 1) erklärt, er habe einen Praktikanten für zwei Wochen als Fahrer eingesetzt, wofür dieser jedoch kein Geld erhalten habe.

- Im Krankheitsfalle habe der Beigeladene zu 1) selbst für Ersatz sorgen müssen. Dies sei jedoch in der Praxis nicht vorgekommen.

- Der Beigeladene zu 1) habe einen Steuerberater beschäftigt.

- Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) lasse sich von der Tätigkeit der bei der Klägerin fest angestellten Fahrer abgrenzen. Diese würden kurzfristig einspringen, falls ein selbstständiger Fahrer ausfällt und keinen Ersatz beschafft. Dabei benutzten die Festangestellten jedoch kein eigenes Fahrzeug, sondern ein Fahrzeug der Klägerin. Sie würden auch nicht nach Stückzahl bezahlt, sondern nach Stunden.

- Der Beigeladene zu 1) habe ein unternehmerisches Risiko getragen, weil er sämtliche Arbeitsmittel habe vorfinanzieren müssen, auch den Treibstoff für Fahrzeug, ohne dass festgestanden hätte, in welchem Umfange er Einnahmen erzielen würde bzw. ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen würden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Das Gesamtbild der Tätigkeit ergebe, dass der Beigeladene zu 1) in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen sei. Dies ergebe sich aus der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Vorgaben der Klägerin, wobei die Klägerin ihrerseits wieder vertraglich gegenüber H. verpflichtet gewesen sei, die Einhaltung der zahlreichen Vorgaben durch H. an sie durch entsprechende Kontrollen beim Beigeladenen zu 1) sicherzustellen.

Die Durchführung der Auftragsentwicklung sei einseitig durch die Klägerin vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe nicht durch Optimierung seiner Arbeitsweise seine unternehmerischen Fähigkeiten nutzen können. Dem Beigeladenen zu 1) seien lediglich unternehmerische Risiken aufgebürdet worden, ohne dass dementsprechende unternehmerische Chancen gegenüberstanden hätten.

Insbesondere spreche die Form der Vergütung gegen eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) habe keine Möglichkeit gehabt, über die Höhe des Entgelts für seine Tätigkeit frei zu verhandeln. Die Höhe der Vergütung habe sich nach der Anzahl der auszuliefernden Güter und den dafür jeweils von der Klägerin festgelegten Stückpreisen laut Anlage zum Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ergeben. Die H. Logistikgruppe Deutschland GmbH habe sich im Übrigen gegenüber der Klägerin verpflichtet, unter bestimmten Umständen für Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) einzutreten.

Im Kontext der vertraglichen Beziehungen und ihrer tatsächlichen Durchführung trete in den Hintergrund, dass der Beigeladene zu 1) ein eigenes Fahrzeug zur Leistungserbringung eingesetzt habe (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R).

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Klägerseite verweist auf das Urteil des Sozialgerichts, das ihrer Überzeugung nach zutreffend ist. Der Beigeladene zu 1) sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, noch habe er Weisungen unterlegen. Der Beigeladene zu 1) habe die übliche Tätigkeit von Frachtführern ausgeübt, wie sie von Arbeitnehmern aber vor allem auch von Selbstständigen erbracht werden könnte. Hier habe der Beigeladene zu 1) ein eigenes Unternehmensrisiko gehabt. Er habe zunächst mit einem eigenen Fahrzeug die Leistung erbracht und dann später ein Fahrzeug geleast, ohne dass die Klägerin mit dem Leasingvertrag etwas zu tun gehabt hätte.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011, mit dem festgestellt wurde, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 als Kurierdienstfahrer versicherungspflichtig war in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.08.2014 ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen, da dieser rechtmäßig ist und die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Beigeladene zu 1) war Kurierdienstfahrer für die Klägerin nach den über die Klägerin an den Beigeladenen zu 1) weitergeleiteten engen Vorgaben von H. und damit abhängig beschäftigt (vgl. zu einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14).

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R).

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt für die Prüfung des Status des Beigeladenen zu 1) der geschlossene, nicht näher definierte „Vertrag“. Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbstständige Tätigkeit spricht, sollte der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger Transportdienstleistungen erbringen. Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die streitgegenständliche Zeit angemeldet. Er hatte nach dem Vertrag keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen.

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist jedoch weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr sind die relevanten Merkmale zu gewichten.

Vorliegend erbrachte der Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nicht mit einem von der Klägerin gestellten Fahrzeug, sondern mit einem eigenen Fahrzeug. Allerdings führt dieses Merkmal nicht automatisch zur Beurteilung einer Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es - abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - nicht allein darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Kfz und die damit einhergehende Lastentragung allerdings in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R).

Insbesondere muss sich ein besonderes Unternehmensrisiko aus dem eigenen Kfz ergeben. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer kann die selbstständige Tätigkeit allerdings nicht vornehmlich am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104). Es entspricht dann keinem Unternehmerrisiko, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüber stehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.01.2014 - L 1 KR 358/12; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104).

Hier fehlt es beim Beigeladenen zu 1) insgesamt an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen vom eigenen Pkw für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H.-Scanner nahm der Beigeladene zu 1) kein weiteres Risiko auf sich, tätigte keine Investitionen und hielt auch keine eigene Betriebsstätte vor.

Vorliegend war der Beigeladene zu 1) nach dem „Vertrag“ verpflichtet, das von ihm eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis „im Auftrag der H.-Logistikgruppe“ zu versehen; andere Werbung wurde ihm auf dem Kfz nicht gestattet. Einem möglichen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Möglichkeiten, seinen Verdienst im Rahmen seiner Tätigkeit wesentlich zu beeinflussen hatte der Beigeladene zu 1) nicht. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung war nicht verhandelbar und wurde so auch dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb dem Beigeladenen zu 1) kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, der es ihm ermöglicht hätte, seine Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihm war nicht möglich, aus eigener Initiative von der Klägerin bzw. H. zusätzliches Frachtaufkommen zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit für die Klägerin zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) war wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender und damit nach der gesetzlichen Wertung regelmäßig selbstständiger Frachtführer. Sein Tagesablauf war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihm Möglichkeiten geboten haben sollen, seine Verdienstchancen durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) verfügt im Übrigen auch über keine Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder eine Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92, die es ihm erlauben würde, als selbstständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB tätig zu werden.

Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin liegt vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte der Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen Rahmens, d. h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden. Der Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Vorgaben durch H.. Seine Gestaltungsmöglichkeiten erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages.

Der Beigeladene zu 1) musste zur Durchführung der Aufträge sein Fahrzeug mit dem Logo „im Auftrag der H. Gruppe“ versehen. Eigene Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Vorschriften. Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Zeitlich nahm den Beigeladenen zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin ohnehin so in Anspruch, dass er weitere Aufträge - abgesehen von einer kurzzeitigen Tätigkeit als Apothekenfahrer - nicht übernahm.

Der Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung H. tragen, so dass das Tätigwerden als Selbstständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Dass dadurch Paketempfänger eher bereit waren - wie die Klägerseite dargelegt hat - dem Beigeladenen zu 1) die Türe zu öffnen, bestätigt gerade die Notwendigkeit der Einbindung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) sollte nach außen hin gerade nicht als Selbstständiger auftreten sondern als Mitarbeiter des Auftraggebers der Klägerin erkennbar seien.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.03.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist.

Der Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt, ebenso die Touren. Die Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Die Sendungen mussten mit dem Scanner von H. gescannt werden. Die Auslieferung der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen. Premiumsendungen und Eilsendungen waren in einem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster zuzustellen. Der Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären. Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Inwieweit der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bewusst am Qualitätshandbuch von H. ausrichtete, kann dabei dahingestellt bleiben. Letztlich musste die Klägerin die Vorgaben von H. gegenüber dem Beigeladenen zu 1) durchsetzen.

Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt, außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H. GmbH, nicht erfüllen könnte, weil dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig beim Kunden eintreffen würde.

Selbst wenn man annehme würde, dass der Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.01.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.02.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).

In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Der Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum der Klägerin von der H. Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H.-Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert war, war der Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Er war auch verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen, die sich insbesondere aus dem H.-Qualitätshandbuch ergaben.

Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z. B. beim Ausfall eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen bestand. Dies zeigt gerade auch die einzige zusätzliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im streitrelevanten Zeitraum. Der Beigeladene zu 1) übernahm in dieser Zeit nur für ein- bis eineinhalb Monate zusätzliche Auslieferungen für eine Apotheke - und dies auch nur zur Nachtzeit.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, seine Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.03.2009, B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall hier. Der Beigeladene zu 1) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum - zumindest bis 13.09.2011 - keinen weiteren bei ihm abhängig beschäftigte Mitarbeiter/Fahrer. Ob für den Beigeladenen zu 1) tatsächlich ein Praktikant zwei Wochen - wie behauptet unentgeltlich - Fahrten übernommen hat, spielt insoweit keine Rolle.

Auch spielt es keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber hätte arbeiten dürfen. Selbst wenn der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber noch kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbstständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbstständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 09.05.2012 - L 5 R 23/12). Dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichem Zeitraum - nur - für eine Apotheke - nur - für ein- bis eineinhalb Monate und zwar nur nachts gefahren ist, unterstreicht eher die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin.

Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgte. Denn die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbstständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen Vertragsvereinbarung nicht zukommen.

Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.

Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit trotz der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Beigeladenen zu 1) die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit). Eine risikobehaftete Unternehmensstruktur ist beim Beigeladenen zu 1) nicht gegeben.

Im Ergebnis hat die Berufung daher Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die nicht anfechtbare (§ 177 SGG) Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Gerichtskostengesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, wonach grundsätzlich von einem Streitwert von 5.000,00 Euro für Statusfeststellungsverfahren auszugehen ist, wenn keine anderen Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung gegeben sind. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 R 49/15 B).

(1) Der gewerbliche Güterkraftverkehr ist erlaubnispflichtig, soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt.

(2) Die Erlaubnis wird einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland hat, für die Dauer von bis zu zehn Jahren erteilt, wenn er die in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 51) genannten Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs eines Kraftverkehrsunternehmers erfüllt.

(3) Der Erlaubnisinhaber erhält auf Antrag neben der Erlaubnis so viele Erlaubnisausfertigungen, wie ihm weitere Fahrzeuge und die für diese erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in der jeweils geltenden Fassung zur Verfügung stehen. Eigenkapital und Reserven, auf Grund deren beglaubigte Kopien der Gemeinschaftslizenz nach der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 72) in der jeweils geltenden Fassung erteilt wurden, können im Verfahren auf Erteilung der Erlaubnis und Erlaubnisausfertigung nicht nochmals in Ansatz gebracht werden. Verringert sich nach der Ausstellung von Ausfertigungen der Erlaubnis der Fahrzeugbestand nicht nur vorübergehend, so hat das Unternehmen überzählige Ausfertigungen an die zuständige Behörde zurückzugeben. Stellt das Unternehmen den Betrieb endgültig ein, so hat es die Erlaubnis und alle Ausfertigungen unverzüglich zurückzugeben.

(4) Die Erlaubnis kann befristet, unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt werden.

(5) Eine Erlaubnis ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Eine Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Finanzbehörden dürfen die nach Landesrecht zuständigen Behörden davon in Kenntnis setzen, dass der Unternehmer die ihm obliegenden steuerrechtlichen Verpflichtungen wiederholt nicht erfüllt hat oder eine eidesstattliche Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung abgegeben hat.

(5a) Rechtzeitig vor der Entscheidung über die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis und von Erlaubnisausfertigungen gibt die nach Landesrecht zuständige Behörde dem Bundesamt für Logistik und Mobilität, den beteiligten Verbänden des Verkehrsgewerbes, der fachlich zuständigen Gewerkschaft und der zuständigen Industrie- und Handelskammer Gelegenheit zur Stellungnahme. Vor der Entscheidung über die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf von Erlaubnisausfertigungen kann die nach Landesrecht zuständige Behörde hiervon absehen.

(5b) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Unternehmer oder der Verkehrsleiter die Voraussetzungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 nicht erfüllt, kann dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften untersagt werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig vom Verlauf eines Verfahrens auf Widerruf der Erlaubnis fortgesetzt werden. Auf Antrag ist dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Satzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Bestandskraft der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Rechtzeitig vor der Entscheidung über die Untersagung der Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften gegenüber dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter gibt die nach Landesrecht zuständige Behörde dem Bundesamt für Logistik und Mobilität Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, durch die

1.
die Anforderungen an die Berufszugangsvoraussetzungen zur Gewährleistung eines hohen Niveaus näher bestimmt werden und
2.
a)
das Verfahren zur Erteilung, zur Rücknahme und zum Widerruf der Erlaubnis und zur Erteilung und Einziehung der Erlaubnisausfertigungen einschließlich der Durchführung von Anhörungen,
b)
Form und Inhalt, insbesondere die Geltungsdauer der Erlaubnis und der Ausfertigungen,
c)
das Verfahren bei Eintritt wesentlicher Änderungen nach Erteilung der Erlaubnis und der Ausfertigungen,
3.
die Voraussetzungen für die Erteilung zusätzlicher beglaubigter Kopien nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in der jeweils geltenden Fassung sowie
4.
die Voraussetzungen zur Rücknahme und zum Widerruf der Entscheidung über die Erteilung der beglaubigten Kopien entsprechend Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 in der jeweils geltenden Fassung
geregelt werden.

(7) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden führen dieses Gesetz, die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 und die auf diesem Gesetz beruhenden Verordnungen aus, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich das Unternehmen seine Niederlassung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 hat. Soweit keine Niederlassung besteht, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Betroffenen.

(1) Die nach den §§ 429 und 430 zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung ist auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes begrenzt.

(2) Besteht das Gut aus mehreren Frachtstücken (Sendung) und sind nur einzelne Frachtstücke verloren oder beschädigt worden, so ist der Berechnung nach Absatz 1

1.
die gesamte Sendung zu Grunde zu legen, wenn die gesamte Sendung entwertet ist, oder
2.
der entwertete Teil der Sendung zu Grunde zu legen, wenn nur ein Teil der Sendung entwertet ist.

(3) Die Haftung des Frachtführers wegen Überschreitung der Lieferfrist ist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt.

(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der Betrag wird in Euro entsprechend dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht am Tag der Übernahme des Gutes zur Beförderung oder an dem von den Parteien vereinbarten Tag umgerechnet. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger seit August 2007 vorzeitig gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig.

2

Der am 1947 geborene Kläger bezog vom 1.8.1996 bis 30.6.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte ermittelte für diese Rente 56,3265 Entgeltpunkte (EP). Abzüglich von 3,1838 EP aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ergaben sich - nach Multiplikation mit dem Zugangsfaktor 1,0 - 53,1427 persönliche EP (Bescheide vom 19.3.1997, 7.1.1998 und 24.2.1998). Nach Auslaufen der Rente war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt und im Anschluss daran arbeitslos.

3

Im Oktober 2007 beantragte er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007, die die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2007 bewilligte. Insgesamt ermittelte sie für diese Rente 60,0784 EP. Abzüglich von 3,1838 EP für den durchgeführten Versorgungsausgleich ergaben sich 56,8946 EP. Der Rentenberechnung legte die Beklagte 56,3265 persönliche EP unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu Grunde, da diese bereits Grundlage der bis Juni 1998 bezogenen Rente wegen BU gewesen seien. Weitere 0,5681 EP multiplizierte sie wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem entsprechend geminderten Zugangsfaktor von 0,838, sodass sich (gerundet) 0,4761 persönliche EP errechneten. Die Summe der persönlichen EP von 56,8026 (= 56,3265 EP + 0,4761 EP) multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ergaben ab Dezember 2007 einen monatlichen Bruttorentenbetrag von 1492,20 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1353,43 Euro, und für die Zeit von August bis November 2007 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5413,72 Euro.

4

Bereits zwei Tage später nahm die Beklagte diese Rentenbewilligung hinsichtlich der festgestellten Höhe mit Bescheid vom 1.11.2007 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab August 2007 zurück. Der Bescheid vom 30.10.2007 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Fälschlicherweise seien die EP, die bereits Grundlage der Rente wegen BU gewesen seien, bei der Berechnung der Altersrente voll berücksichtigt worden. Die Rücknahme des Bescheids sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheids vom 30.10.2007 berufen könne. Die ihr bekannten Umstände, die einer Rücknahme entgegenstehen könnten, seien bei der Prüfung des Vertrauensschutzes und bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Diese seien jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente seien alle dem Kläger (nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich) zustehenden 56,8946 EP (= 56,3265 EP + 0,5681 EP) - also auch die EP, die bereits als persönliche EP der Rente wegen BU zu Grunde lagen - nur unter Berücksichtigung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 heranzuziehen. Ausgehend von den sich danach ergebenden 47,6777 persönlichen EP (= 56,8946 EP x 0,838) ergab sich nach Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ab Dezember 2007 ein monatlicher Bruttorentenbetrag von 1252,49 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag von 1136,02 Euro. Die Nachzahlung für die Zeit von August bis November 2007 reduzierte sich auf 4544,08 Euro.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück. Zum Zeitpunkt der Bescheidrücknahme seien noch keine Rentenleistungen gezahlt worden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht habe entstehen können. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Ermessens für eine Begrenzung der Rücknahme sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Dies gelte umso mehr, als die Rücknahme keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke. Zusammen mit der bewilligten Rente und der Rentenabschlagsausgleichszahlung aus der Seemannskasse seien ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden.

6

Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 28.5.2010). Das LSG hat die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Die Beklagte sei nach Maßgabe des § 45 SGB X zur Teilrücknahme der Rentenbewilligung im Bescheid vom 30.10.2007 unter Heranziehung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 für alle EP berechtigt gewesen, weil dieser Bescheid rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert habe und sich der Kläger gegenüber der damit korrespondierenden Teilrücknahme nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Beklagte habe das ihr durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der Kläger könne sich für die 56,3265 EP nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Zwar könnte man dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI, der eigentlich gewährleisten solle, dass die über den Zugangsfaktor gesteuerten Rentenabschläge auch für alle Folgerenten gelten sollten, einen Bestandsschutz für den Zugangsfaktor 1,0 für diejenigen persönlichen EP, die der BU-Rente des Klägers zu Grunde lagen, auch bei der Berechnung der Altersrente entnehmen. Dies widerspräche jedoch der entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI, die für vergleichbare Fälle den Vertrauensschutz nur dann auf Folgerenten erstrecke, wenn diese längstens 24 Kalendermonate nach deren Auslaufen beginne. Eine entsprechende Frist finde sich auch in der Regelung des § 306 Abs 2 SGB VI. Diese Höchstfrist sei beim Kläger längst überschritten. Die vor Erlass des Rücknahmebescheids vom 1.11.2007 durch § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung des Klägers sei zwar unterblieben. Durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren sei dieser Verfahrensfehler jedoch gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 77, 88 und 306 SGB VI. § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI erfasse EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien. Hierfür bleibe nach dem Wortlaut grundsätzlich der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Nur EP, die nach der letzten Feststellung des Rentenwerts erworben seien, würden mit einem neuen Zugangsfaktor bewertet. Weder aus den Materialien noch aus dem Wortlaut der Norm lasse sich entnehmen, dass dabei nach dem Zeitpunkt des Auslaufens der früheren Rente differenziert werden solle. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI verbiete sich. Ebenso wenig tauge der Hinweis des LSG auf § 306 Abs 2 SGB VI.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Es bestehe allerdings keine planwidrige Regelungslücke, die in entsprechender Anwendung der in § 88 Abs 1 Satz 2 und § 306 Abs 2 SGB VI jeweils normierten Frist von 24 Kalendermonaten zu schließen sei. Vielmehr sei von der Notwendigkeit des nahtlosen Übergangs von der Vorrente zur Altersrente auszugehen. Zwar bleibe gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI für EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor grundsätzlich maßgeblich. Dies gelte aber beim Wegfall der früheren Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nur dann, wenn die spätere Rente nahtlos an die vorherige Rente anschließe. Dies ergebe sich aus § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI, wonach die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Für den Fall, dass die Rente wegen BU vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegfalle und sich die Folgerente nicht nahtlos anschließe, sei der Zugangsfaktor für die Folgerente nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI zu bestimmen.

11

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wege eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 1.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009 insoweit aufgehoben, als hierin der Bescheid vom 30.10.2007 für die Monate August bis November 2007 zurückgenommen wurde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sich das Verfahren nicht durch das angenommene Anerkenntnis erledigt hat (vgl § 101 Abs 2 SGG), nicht begründet.

13

Streitig ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses durch die Beklagte und dessen Annahme durch den Kläger im Revisionsverfahren nur noch, ob die Beklagte berechtigt war, die mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgte Rentenbewilligung ab 1.12.2007 (teilweise) zurückzunehmen. Insoweit hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) unbegründet ist. Denn die im angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009) erfolgte Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe war rechtmäßig.

14

1. Der angefochtene Bescheid ist nicht mangels der nach § 24 Abs 1 SGB X gebotenen Anhörung aufzuheben. Zwar hat die Beklagte dem Kläger nicht vor Erlass des Bescheids vom 1.11.2007 Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Verfahrensfehler ist hier aber nach § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X durch Nachholung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden(vgl BSG vom 14.7.1994 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 f; BSG vom 30.4.1997 - BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 12). Der Kläger konnte aus dem Bescheid vom 1.11.2007 die entscheidungserheblichen Tatsachen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 30.10.2007 erkennen; denn ihm war zu entnehmen, dass die Berücksichtigung der EP, die bereits Grundlage der persönlichen EP bei der Rente wegen BU waren, mit dem damals maßgebenden Zugangsfaktor 1,0 bei der Berechnung der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zur Rücknahme führte. Der Kläger hatte somit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon hat er Gebrauch gemacht. Auch hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass sie nach den ihr "bekannten Umständen" keinen Vertrauensschutz oder Ermessensgesichtspunkte zugunsten des Klägers sehe. Diese Ausführungen waren vor dem besonderen Hintergrund ausreichend, dass die Beklagte den Bescheid vom 30.10.2007 bereits zwei Tage später (also unmittelbar nach dessen Erlass) mit Bescheid vom 1.11.2007 zurückgenommen hat und der Kläger aufgrund des Bescheids vom 30.10.2007 noch keine Zahlungen erhalten hatte, die er hätte verbrauchen oder über die er hätte disponieren können. Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 ausgeführt hat, "dies gelte um so mehr", als die Rücknahme auch keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke, da zusammen mit dem Rentenabschlagsausgleich aus der Seemannskasse ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden seien, handelt es sich - wie sich schon aus der Formulierung erschließt - um keine zuvor in einem gesonderten Anhörungsschreiben mitzuteilende, die Entscheidung tragende Tatsache.

15

2. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung durch den angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 ist § 45 SGB X. Gemäß Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da vorliegend aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses nur noch die Rücknahme der Rentenbewilligung ab 1.12.2007 durch den Bescheid vom 1.11.2007 streitig ist, ist im Revisionsverfahren lediglich die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme zu prüfen (vgl Senatsurteil vom 24.4.1997 - BSGE 80, 186, 196 f = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 13 mwN).

16

3. Der Rentenbescheid vom 30.10.2007 war von Anfang an rechtswidrig. Denn dem Kläger stand kein Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in der dort festgestellten Höhe zu, da bei der Rentenberechnung rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem (ungeminderten) Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert wurden. Richtigerweise waren auch diese EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate nur nach Maßgabe des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 als persönliche EP zu berücksichtigen.

17

a) Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ist - neben der Erfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr 3 bis 5 SGB VI) - grundsätzlich, dass der Versicherte vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 237 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

18

Nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI in der zu Rentenbeginn des Klägers am 1.8.2007 anzuwendenden Fassung (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI)des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme (unter Inkaufnahme eines Abschlags für jeden Monat des vorzeitigen Bezugs) möglich ist.

19

Nach Anlage 19 zum SGB VI wird für im Januar 1947 geborene Versicherte - wie der Kläger - die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für eine abschlagsfreie Gewährung um 60 Monate auf 65 Jahre angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente, die für den Kläger wegen seiner bereits vor Januar 2004 bestehenden Arbeitslosigkeit (vgl S 3 der Anlage 2 des Bescheids vom 1.11.2007) gemäß § 237 Abs 5 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2006 geltenden Fassung des RVNG noch ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war, führt zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente wäre für den Kläger nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI erst ab 1.2.2012 möglich gewesen. Tatsächlich hat er sie aber bereits zum 1.8.2007 mit 60 Jahren und 6 Monaten - und damit 54 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen.

20

Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einem geringeren Rentenbetrag. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI)beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0. Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor hingegen gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Mit der um 54 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor daher - wie mit dem angefochtenen Bescheid geschehen - um 54 x 0,003 auf 0,838, insgesamt also um einen Abzug von 0,162 (entsprechend einem "Rentenabschlag" von 16,2 vH), zu mindern.

21

Dass die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verfassungsgemäß sind, haben sowohl das BSG (Urteil vom 25.2.2004 - BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, RdNr 14 ff; Senatsurteil vom 5.8.2004 - SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 28 ff; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 18/09 R - Juris RdNr 19 ff) als auch das BVerfG (Senatsbeschluss vom 11.11.2008 - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 75 ff; Kammerbeschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - Juris RdNr 11 ff) bereits entschieden.

22

b) Der Kläger kann sich für sein Begehren auf eine höhere Altersrente nicht auf die Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt. Denn die Heranziehung eines ungekürzten Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früher (vor dem 1.1.2001) bezogenen (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt bei Berechnung einer nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann in Betracht, wenn - wie das LSG zu Recht entschieden hat - die Unterbrechung im Rentenbezug höchstens 24 Kalendermonate gedauert hat. Diese Frist ist hier weit überschritten. Im vorliegenden Fall lagen mehr als neun Jahre zwischen dem Auslaufen der BU-Rente zum 30.6.1998 und dem Beginn der Altersrente am 1.8.2007.

23

aa) Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) hatte der Gesetzgeber ab 1.1.1992 zur Kosteneinsparung in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen, die Altersgrenzen für den Bezug von vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzuheben. Die weiter bestehende Möglichkeit, ab dem 60. Lebensjahr eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wurde mit Rentenabschlägen verbunden. Der erstmals mit dem RRG 1992 eingeführte Zugangsfaktor bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs 1 SGB VI). Während der Zugangsfaktor bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, mit 1,0 anzusetzen ist, wird der Zugangsfaktor für jeden Monat, für den eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,003 gekürzt (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992, ab 1.1.2001 inhaltsgleich: § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Die dadurch verursachte Kürzung kann je nach Geburtsjahr, Rentenart und Rentenbeginn bis zu 18 vH betragen.

24

Mit der bereits durch das RRG 1992 mit Wirkung zum 1.1.1992 eingefügten Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die mit einem "vorzeitigen" Rentenbezug gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezugs erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors grundsätzlich auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinander folgender Renten wirksam bleibt. Denn bei den Folgerenten handelt es sich um eigenständige (neue) Leistungsansprüche mit eigenen, ggf neu zu ermittelnden Berechnungsfaktoren, ua auch mit einem neuen Zugangsfaktor, abgestimmt auf den späteren Rentenbeginn (vgl BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 32/07 R - Juris RdNr 24). Damit die - vom Gesetzgeber gewollte - Dauerwirkung des über den Zugangsfaktor gesteuerten Abschlags aus der Vorrente wegen deren vorzeitigen Inanspruchnahme auch bei Folgerenten gewährleistet bleibt, ordnet § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI die Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Folgerente an(BSG vom 29.1.2008 - aaO). Dies hat zur Folge, dass für alle mit der früheren Rente vorzeitig in Anspruch genommenen persönlichen EP der bisherige (gekürzte) Zugangsfaktor auch dann (weiterhin) maßgebend bleibt, wenn eine neue (Folge-)Rente festzustellen ist. Der eigene, neue Zugangsfaktor ist damit nur noch für zusätzliche (neu hinzugekommene) EP in der Folgerente maßgebend, die bisher noch nicht in Anspruch genommen wurden und somit der früheren Rente noch nicht zu Grunde lagen, die also bei der Berechnung der neuen Rente erstmals zu berücksichtigen sind (vgl Einzelbegründung zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 zu § 76 des Entwurfs - Zugangsfaktor).

25

Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI also die Perpetuierung des reduzierten Zugangsfaktors für EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Rente auf Folgerenten zu Lasten des Versicherten (zur "Durchbrechung" der Perpetuierung des abgesenkten Zugangsfaktors einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach dem seit 1.1.2001 geltenden Recht des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 bei einer nach Unterbrechung im Rentenbezug folgenden Altersrente zu Gunsten des Versicherten iS eines Schutzes vor einem "immerwährenden Abschlag": BSG vom 14.8.2008 - BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, RdNr 17 f; BSG vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R - Juris RdNr 22 f). Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, der mit einem gekürzten Zugangsfaktor längere Rentenlaufzeiten ausgleichen will, damit aus einem vorzeitigen Rentenbezug kein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Versicherten entsteht, die eine Rente nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig in Anspruch nehmen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 144 zu VII. Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit).

26

bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die persönlichen EP einer späteren Rente nach einem niedrigeren Zugangsfaktor(hier: Altersrente mit Zugangsfaktor 0,838 gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 54 Monate) zu errechnen sind als die einer zuvor bezogenen Rente (hier: Rente wegen BU mit Zugangsfaktor 1,0 gemäß § 77 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992) und ob sich diese Norm in diesen Fällen wie eine "Bestandsschutzregelung" in dem Sinne auswirken kann, dass der Versicherte bei der Festsetzung der Höhe der späteren Rente den höheren Zugangsfaktor für die EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP der früheren Rente waren, "behalten" darf; eine Kürzung dieser EP aus der früher bezogenen Rente also nicht erfolgt.

27

Selbst dann, wenn man § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine bestandsschützende Wirkung iS der Perpetuierung des ungekürzten Zugangsfaktors für persönliche EP aus einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht) auf eine nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente beimessen wollte, gälte diese zeitlich nur beschränkt.

28

cc) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine zeitliche Beschränkung für die Heranziehung eines höheren Zugangsfaktors aus einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht entnehmen. Andererseits ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien aber auch keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine Begünstigung des Versicherten durch einen höheren Zugangsfaktor aus einer Vorrente bei einer später vorzeitig beanspruchten Rente ohne jegliche Begrenzung der Dauer einer zwischenzeitlichen Unterbrechung im Rentenbezug einführen wollte(vgl Einzelbegründungen zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 und im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum RRErwerbG, BT-Drucks 14/4230, S 26 zu Nr 22<§ 77>).

29

Dies stünde auch im Gegensatz dazu, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 SGB VI ausdrücklich geregelt hat, in welchem Umfang persönliche EP(als Produkt aus Zugangsfaktor und EP, § 66 Abs 1 SGB VI) aus einer früheren Rente bei einer späteren Rente noch zu berücksichtigen sind. Für den hier vorliegenden Fall einer zuvor bezogenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt nach Satz 2 der Bestimmung Folgendes: Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, sind dem Versicherten für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen EP zu Grunde zu legen. Insoweit handelt es sich um eine Besitzschutzregelung für persönliche EP einer vorausgegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2 S 5; BSG vom 11.6.2003 - SozR 4-2600 § 88 Nr 1 RdNr 8; vgl auch Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 173 ).

30

Die persönlichen EP der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind also bei der Berechnung der Folgerente zu berücksichtigen, wenn diese Rente spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Ende des Bezugs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beginnt, zB auch dann, wenn sich wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente der Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI)verringert, sodass sich bei der Berechnung der Altersrente weniger persönliche EP als bei der früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben (vgl Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung , § 88 SGB VI Anm 6 mit Berechnungsbeispiel, Stand Einzelkommentierung Februar 2005).

31

Im Umkehrschluss folgt daraus aber zugleich, dass sich der Versicherte bei einer Folgerente auch mit einer geringeren Zahl an persönlichen EP zu begnügen hat, wenn die Unterbrechung des Rentenbezugs mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat und sich bei der Bewilligung der Folgerente nach Maßgabe der dann bei Rentenbeginn geltenden gesetzlichen Vorschriften (etwa aufgrund eines niedrigeren Zugangsfaktors) eine entsprechend verminderte Zahl an persönlichen EP ergibt. Die persönlichen EP der Vorrente sind dann (dh 24 Kalendermonate nach Ende des Bezugs der Vorrente) nicht mehr besitzgeschützt.

32

Die von § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI geregelte Interessenlage des Versicherten stimmt mit der eines Versicherten überein, der eine für ihn günstige Bemessung des Zugangsfaktors für persönliche EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren, nach dem Wegfall dieser Rente bei einer späteren (vorzeitig in Anspruch genommenen) Altersrente gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI fortgeschrieben sehen will. In beiden Fällen will der Versicherte (mindestens) die der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde liegenden persönlichen EP auch für den Bezug der Folgerente behalten. Den Schutz des Versicherten hat der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI aber lediglich auf eine Dauer von 24 Kalendermonaten begrenzt. Angesichts der insoweit übereinstimmenden Interessenlagen ist es gerechtfertigt, die Wertung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI hinsichtlich der Dauer der Schutzbedürftigkeit des Versicherten an der Beibehaltung von (höheren) persönlichen EP aus einer früheren Rente bei Unterbrechungen im Rentenbezug auf § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu übertragen. Daraus folgt, dass ein Versicherter eine für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früheren (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach einer Rentenunterbrechung bei der Feststellung der persönlichen EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann beanspruchen kann, wenn die Unterbrechung im Rentenbezug nicht mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat. Wird diese Frist überschritten, ist der (höhere) Zugangsfaktor der früheren Rente nicht mehr "bestandsgeschützt".

33

dd) Diese Höchstfrist ist vorliegend um ein Mehrfaches überschritten, sodass die der BU-Rente des Klägers zu Grunde liegenden persönlichen EP weder nach § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI noch im Rahmen der Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI über den Zugangsfaktor "besitzgeschützt" waren. Die Beklagte hat daher bei der Festsetzung der Höhe der Altersrente zu Recht alle vom Kläger bis zum Rentenbeginn am 1.8.2007 erworbenen EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem Zugangsfaktor von 0,838 multipliziert und die sich aus diesem Rechenvorgang ergebenden persönlichen EP (0,838 x 56,8946 EP =§ 121 abs 2 sgb vi> 47,6777 persönliche EP) der Rente zu Grunde gelegt.

34

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass es für den Kläger bezogen auf die Höhe seines Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit günstiger gewesen wäre, wenn sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert hätte, er also dauerhaft berufsunfähig geblieben wäre und eine entsprechende Rente bis zum Beginn der Altersrente bezogen hätte. Denn eine solche Begünstigung wäre - worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat - als Ausdruck dessen zu werten gewesen, dass der Gesetzgeber die Einführung eines reduzierten Zugangsfaktors (auch) für Erwerbsminderungsrenten zum 1.1.2001 auf neu zu bewilligende Renten begrenzt und insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes keine vergleichbaren Kürzungen für Bestandsrenten vorgesehen hat. Zur Zeit der Gesetzesänderung bezog der Kläger aber schon längst keine Rente wegen BU mehr. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Kläger den ungeminderten Zugangsfaktor nur deshalb zu belassen, weil er früher einmal eine abschlagsfreie Rente bezogen hat, und ihn auf diese Weise zeitlich unbegrenzt besser zu stellen als einen Rentner, der erstmals eine Rente (vorzeitig) in Anspruch genommen hat.

35

4. Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht entschieden, dass der Kläger für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen konnte. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt darf (auch für die Zukunft) nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

36

Nach den unangefochtenen und insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen den mit dem Bescheid vom 30.10.2007 zuerkannten Rentenleistungen und den mit dem (Teil-)Rücknahmebescheid vom 1.11.2007 noch festgestellten Leistungen nie erhalten, sodass er ihn nicht hat verbrauchen können. Auch hatte der Kläger insoweit noch keine Vermögensdispositionen getroffen.

37

Die Beklagte hat das ihr durch § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Gesichtspunkte, die Anlass zu einer anderweitigen Ermessensausübung hätten geben können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

38

Da die weiteren Voraussetzungen für die (Teil-)Rücknahme des Bescheids vom 30.10.2007 (Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die (Teil-)Rücknahme der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft ab 1.12.2007 rechtmäßig.

39

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

16

a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 - 11 Sa 567/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der 1981 geborene Kläger nahm von 2002 bis Anfang 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache R wahr. Diese Rettungswache wurde bis zum 31. Dezember 2006 durch den DRK-Kreisverband K e. V. betrieben und ab 1. Januar 2007 dem Beklagten zu 1. zugeordnet. Zum 1. April 2008 übertrug der Beklagte zu 1. den Betriebsbereich Rettungsdienst auf die von ihm gegründete Beklagte zu 2. Die Arbeitsverträge des Klägers wurden nicht schriftlich niedergelegt.

3

Die Beklagte zu 2. ist in der Wirtschaftsregion Westpfalz, die dem Rettungsdienstbereich Kaiserslautern iSd. § 4 RettDG Rheinland-Pfalz entspricht, die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin. Sie führte 2008 83 % aller rettungsdienstlichen Einsatzfahrten durch.

4

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied der Gewerkschaft ver.di mit Tarifbindung ab Juni 2008. Die Beklagten sind Mitglieder der Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz, die nach § 1 Abs. 3 ihrer Satzung wiederum Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist. Der zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene DRK-Reformtarifvertrag vom 22. Dezember 2006 enthält in Anlage 5 Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte. § 3 der Anlage 5 bestimmt in der auf die Rettungssanitäter anwendbaren VergGr. III in der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung ein Stundenentgelt von 8,00 Euro. § 41 DRK-Reformtarifvertrag regelt eine sechsmonatige Ausschlussfrist.

5

Der Kläger und ca. 200 weitere in gleicher Weise eingesetzte Rettungsassistenten bzw. -sanitäter durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, konnten sich - nach Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 bis 30 % offenen Dienste bei den Wachleitern „bewerben“. Hierzu trugen sie sich im Vormonat im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe. Darüber hinaus riefen die Beklagten bei (zB krankheitsbedingtem) Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter kurzfristig an und fragten deren Bereitschaft ab, den Dienst zu übernehmen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Auch eine Stornierung bereits übernommener Dienste durch die einzelnen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter war möglich.

6

Bis zum 31. Dezember 2007 zahlte der Beklagte zu 1. an den Kläger 3,20 Euro für Nachtdienststunden und 5,20 Euro für Tagdienststunden, ab dem 1. Januar 2008 ein einheitliches Stundenentgelt von 5,11 Euro. Letzteres zahlte auch die Beklagte zu 2. ab 1. April 2008.

7

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten einen Rechtsstreit, in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das gezahlte Entgelt sei sittenwidrig, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege und ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehe. Er habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden, welches vom DRK-Kreisverband K e. V. auf den Beklagten zu 1. und sodann auf die Beklagte zu 2. übergegangen sei, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch für die Ansprüche aus 2005 und 2006 hafteten.

9

Die Forderung von Arbeitsentgelt für Januar 2009 hat der Kläger erstmals mit der Klageänderung vom 29. Juni 2010 geltend gemacht.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.665,28 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

        

Hilfsweise

        

a)    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 5.301,68 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen und

        

b)    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger weitere 317,69 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

11

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Ansprüche aus 2005 und 2006 müssten sie nicht erfüllen, weil kein mit dem DRK-Kreisverband K e. V. bestehendes Arbeitsverhältnis auf den Beklagten zu 1. übergegangen sei. Die Vergütung sei auch nicht sittenwidrig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

I. Die Revision ist gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig, soweit der Kläger mit dem Hauptantrag weiterhin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten unter II. 2.5. und II. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verneint, weil die Voraussetzungen eines bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB nicht vorlägen. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander. Die Ausführungen unter II. 1. der Revisionsbegründung betreffen ausdrücklich nur die Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 und damit einen anderen Streitgegenstand.

14

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in Höhe der noch streitigen Ansprüche zu Recht abgewiesen.

15

1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche für 2005 und 2006 bestehen nicht. Die Beklagten haften nicht als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. In diesem Zeitraum bestand weder zum Beklagten zu 1. noch zu der Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis. Auch eine Haftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB scheidet aus, weil kein Arbeitsverhältnis des Klägers zum DRK-Kreisverband K e. V. infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist. Ein Arbeitsverhältnis ist auch nicht vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen, so dass auch eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten untereinander ausscheidet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger lediglich im Rahmen auf den konkreten Einsatz bezogener, befristeter Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse beschäftigt war, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Betriebsübergänge nicht mehr bestanden.

16

a) Der Kläger und der DRK-Kreisverband K e. V. haben weder ausdrücklich noch konkludent einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.

17

aa) Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet(BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1). Allerdings muss die Arbeitsleistung nicht schon von vornherein im Einzelnen festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 106 Satz 1 GewO zu treffende Weisung auslöst(vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 15, NZA 2012, 733; 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79; 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ob ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder einzelne, jeweils befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulassen (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO; 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 - zu B I 1 der Gründe).

18

bb) Hiernach stand der Kläger nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Er hat keine dauerhaften Dienste zugesagt und sich nicht dauerhaft zur Erbringung von Diensten verpflichtet. Den Beklagten wurde auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79). Die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des Klägers lässt nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht darauf schließen, dass dem Arbeitgeber über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt werden sollte, einseitig die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Initiative zur Ableistung eines Dienstes ging - ausgenommen von kurzfristigen Krankheitsvertretungen - regelmäßig vom Kläger aus. Dieser bewarb sich durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung um bestimmte Dienste. In der Bereitstellung eines leeren Dienstplanformulars - oder wie hier, der Möglichkeit, sich im PC für einen Dienst einzutragen - ist nichts anderes zu sehen als die Mitteilung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich bereit ist, mit den eingetragenen dienstbereiten Personen für den Fall seines konkreten Bedarfs und für den Fall der persönlichen Eignung auf Dauer des Einsatzes begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen (vgl. BAG 13. Januar 1993 - 5 AZR 54/92 - zu II der Gründe, ZTR 1993, 248). Der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich stets für eine bestimmte Anzahl von Diensten zu bewerben. Die Parteien hatten keinen festen (Mindest-)Umfang der monatlichen oder jährlichen Arbeitszeit vereinbart. Die mittel- und längerfristig erbrachte Arbeitszeit unterlag vielmehr deutlichen Schwankungen.

19

Auch die einzelnen Tage, an denen der Kläger tätig wurde, variierten. Er konnte zudem nicht gegen seinen Willen zu einem Dienst eingeteilt werden. Es bedurfte immer einer einvernehmlichen Einigung. Bezüglich des konkreten Arbeitseinsatzes bestand das Konsensprinzip (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 20, NZA 2012, 733). Schließlich war er sogar berechtigt, kurzfristig Dienste, für die er bereits eingeteilt war, wieder zu stornieren. All dies spricht gegen die Annahme, der Kläger habe den Willen erklärt, sich dauerhaft zu einer Arbeitsleistung zu verpflichten.

20

Aus den monatlichen Entgeltabrechnungen und der Anmeldung bei der Bayerischen Versorgungskammer zur Zusatzversorgung lässt sich ebenfalls kein unbefristetes Arbeitsverhältnis schließen. Entsprechende Handhabungen liegen auch bei häufig wiederkehrenden, jeweils kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe und sprechen nicht für ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 b der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; 30. Oktober 1991 - 7 AZR 653/90 - zu I b der Gründe).

21

b) Die auf den jeweiligen Einsatz bezogenen Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse stellen nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. § 12 TzBfG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (grundlegend BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; zuletzt 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 22 ff. mwN, NZA 2012, 733). Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Bestandsschutz wird nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Es unterliegt der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, ob eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung und damit ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, unterliegen die zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 106, 79). Nach dem TzBfG kommt es nicht darauf an, ob die Wartezeit des § 1 KSchG erfüllt ist(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 269).

22

c) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu richten ( Art. 267 AEUV ). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob auch in Zeiten zwischen dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der Neubegründung eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses von einem bestehenden Arbeitsverhältnis iSd. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen auszugehen ist, wenn in diesem Zeitraum ein Betriebsübergang stattfindet, ist unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Richtlinie heraus zu beantworten und zudem vom EuGH geklärt(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T. ua.] Slg. 1982, 3415; BVerfG 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08  - Rn. 56, NJW 2011, 288 ; 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 51, NJW 2012, 45).

23

aa) Die Betriebsübergangsrichtlinie basiert auf einem einzelstaatlichen Arbeitnehmerbegriff, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, b der Richtlinie 2001/23/EG. Der EuGH entschied bereits zur Vorgängerrichtlinie 77/187/EWG in der Rechtssache Danmols Inventar (11. Juli 1985 - C-105/84 - Slg. 1985, 2639), dass eine gemeinschaftsrechtliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs nicht erforderlich sei. Art. 2 der Richtlinie 2001/23/EG schrieb diese Rechtsprechung fest. Arbeitnehmer ist hiernach zunächst jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Nach Art. 2. Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG lässt diese das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt. Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht allein deshalb ausschließen, weil entweder a) nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden geleistet wird oder zu leisten ist oder b) es sich um Arbeitsverhältnisse aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags iSv. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis handelt oder aber c) es sich um Leiharbeitsverhältnisse iSv. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 91/383/EWG und bei dem übertragenen Unternehmen oder dem übertragenen Betrieb oder Unternehmens- bzw. Betriebsteil als Verleihunternehmen oder Teil eines Verleihunternehmens um den Arbeitgeber handelt.

24

bb) Damit folgt bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der geänderten Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG, dass nur die Arbeitnehmer geschützt werden, bei denen zum Zeitpunkt des Übergangs ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis besteht, und dass die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Vertrag oder ein Arbeitsverhältnis bestehe oder nicht, nach dem innerstaatlichen Recht zu beurteilen ist (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6 unter Bezugnahme auf 15. Juni 1988 - C-101/87 - [Bork International ua.] Slg. 1988, 3057; vgl. auch Ziegler Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht S. 213 ff.; Wank EuZA 2008, 184, 193; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 190 f.).

25

cc) Die Parteien haben gerade kein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis iSd. § 12 TzBfG abgeschlossen. Die jeweils auf den einzelnen Dienst bezogenen Befristungen standen zudem in keinem Zusammenhang mit den Betriebsübergängen. Die Konstruktion der befristeten Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse wurden vom DRK-Kreisverband K e. V. und dem Kläger schon Jahre vor dem Betriebsübergang praktiziert. Die letzte Befristung endete auch nicht zeitgleich mit dem Betriebsübergang am 31. Dezember 2006, sondern mit Ablauf des Tages, an dem der Kläger im Jahre 2006 seinen letzten Dienst für den DRK-Kreisverband K e. V. verrichtete. Fehlt es aber schon an einem Zusammenhang der Befristung mit dem Betriebsübergang, wurden durch die Vertragswahl der Befristung auch keine zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2001/23/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen eine wegen des Übergangs erfolgten Kündigung missachtet.

26

dd) Die vom Kläger angezogene Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] Slg. 2007, I-7643) betrifft nicht die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs iSd. Richtlinie 2001/23/EG, sondern den Begriff der „schwangeren Arbeitnehmerin“ iSd. Art. 2 der Richtlinie 92/85/EWG und den der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dort gilt aber ein anderer Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lommers] Slg. 2002, I-2891; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Slg. 2000, I-10997). Die in der Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] aaO) zitierten weiteren Urteile des EuGH betrafen durchweg den Arbeitnehmerbegriff iSd. Art. 48 EWG-Vertrag bzw. iSd. Art. 39 EGV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer). Auch dort gilt aber ein eigenständiger Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 23. März 1982 - C-53/81 - [Levin] Slg. 1982, 1035).

27

ee) Die Überprüfung einer missbräuchlichen Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge aufgrund anderer Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, kommt nicht in Betracht (zu dieser Anforderung EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 36, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6). Zwar waren die einzelnen Befristungen der Arbeitsverträge schon mangels Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Sie gelten jedoch gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine Befristungskontrollklagen erhob(§ 17 Satz 1 TzBfG).

28

2. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Differenzvergütung gegen den Beklagten zu 1. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2008 und gegen die Beklagte zu 2. für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2008.

29

a) Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen waren nicht wegen Lohnwuchers unwirksam. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand des Lohnwuchers nicht erfüllt sei, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Beklagten eine Zwangslage oder seine Unerfahrenheit ausgebeutet hätten. Gegen diese Würdigung werden von der Revision keine Einwände erhoben.

30

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts iSd. § 138 Abs. 1 BGB verneint. Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände wie zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 9, BAGE 130, 338; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66; BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55, jeweils mwN).

31

aa) Im Streitfall standen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis. Damit ist der objektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfüllt.

32

(1) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind hierbei in der Regel die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14, BAGE 130, 338; 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 -). Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 24, aaO; LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - Rn. 55).

33

(2) Die vom Kläger angezogene tarifliche Vergütung ist die im Wirtschaftsgebiet übliche. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die tarifgebundene Beklagte zu 2. Marktführerin mit 83 % aller rettungsdienstlichen Einsätze der Region. Zugunsten des Klägers ist mit dem Landesarbeitsgericht deshalb davon auszugehen, dass sie als tarifgebundene Arbeitgeberin des Wirtschaftsgebiets mehr als 50 % der (vergleichbaren) Arbeitnehmer beschäftigte.

34

(3) Das Missverhältnis der Vergütung des Klägers zu der tariflichen Vergütung war in den Jahren 2007 und 2008 auffällig, denn diese lag unterhalb der maßgeblichen Grenze von zwei Dritteln des Tarifentgelts (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 17, BAGE 130, 338 und BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53).

35

bb) Die Beklagten handelten, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht in verwerflicher Gesinnung. Damit fehlt der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts.

36

(1) Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 27, BAGE 130, 338 unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55; BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 13 mwN, NJW 2012, 2099; 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 12, NJW 2010, 363). Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung (BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 11, aaO), doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft ( BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 19, aaO; 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 19, aaO).

37

(2) Die mit einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kann im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Insoweit trägt die begünstigte Vertragspartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH 10. Februar 2012 - V ZR 51/11 - Rn. 10 mwN, NJW 2012, 1570; 29. Juni 2007 -  V ZR 1/06  - NJW 2007, 2841 ).

38

(3) Liegt ein besonders grobes Missverhältniss von Leistung und Gegenleistung nicht vor, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.

39

cc) Im Streitfall ist eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten nicht festzustellen. Der Kläger hat diese nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich pauschal auf ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hingewiesen. Zugunsten des Klägers streitet, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch keine tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung aufgrund eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, denn der Wert der von ihm erbrachten Arbeitsleistung war nicht (mindestens) doppelt so hoch ist wie die gezahlte Vergütung.

40

Die unstreitigen Gesamtumstände belegen nicht, dass die Beklagten als überlegene Vertragsparteien eine schwächere Lage des Klägers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Einsicht verschlossen haben, der Kläger lasse sich nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf die ungünstigen Bedingungen ein. Das Gegenteil ist der Fall. Der zu Beginn des Klagezeitraums immerhin 23-jährige Kläger akzeptierte, wie 200 andere in gleicher Weise eingesetzten und häufig ehrenamtlich tätigen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter, durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die Vertragsbedingungen bei jedem Einsatz immer wieder neu. Die Bedingungen waren bekannt. Dass der Kläger sie jeweils unter einem irgend gearteten Druck und aus einer Notsituation heraus annahm, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zu beachten, dass die Beklagten als Untergliederungen des Deutschen Roten Kreuzes ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke iSd. §§ 51 ff. AO verfolgen. Zu einer Gewinnerzielung sind sie nicht berechtigt.

41

3. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2. keine Vergütung für Januar 2009 beanspruchen.

42

a) Es kann offenbleiben, ob die Ansprüche bereits im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen wurden. Die Ansprüche sind jedenfalls nach § 41 des DRK-Reformtarifvertrags verfallen. Der Kläger hat die auf § 611 BGB gestützten, mit tatsächlicher Arbeitsleistung begründeten Ansprüche erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 beziffert geltend gemacht. Das Schreiben vom 23. Mai 2008 wahrte die Ausschlussfrist nicht, weil zu diesem Zeitpunkt ein Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Januar 2009 überhaupt noch nicht entstanden war (vgl. BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu III 3 a der Gründe, ZTR 1990, 155).

43

b) Das Berufen auf die Ausschlussfrist ist nicht treuwidrig iSd. § 242 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen der Gegenpartei veranlasst worden ist (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19 f., AP BGB § 814 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 199; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 30, BAGE 131, 215; 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351; 5. Juni 2003 - 6 AZR 249/02 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 167). Die Beklagte zu 2. hat den Kläger von einer Geltendmachung der Ansprüche nicht abgehalten. Als die Vergütung für den Monat Januar 2009 fällig wurde, hatte der gewerkschaftlich vertretene Kläger bereits die Vergütung für Juni bis Dezember 2008 eingeklagt. Dass er die Vergütung für im Januar 2009 geleistete Dienste nicht geltend gemacht hat, lag nicht an einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2., sondern daran, dass er während der gesamten Dauer des Vorprozesses lediglich Annahmeverzugsansprüche für Januar 2009 mit der Begründung forderte, er sei 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt worden.

44

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

(1) Die nach den §§ 429 und 430 zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung ist auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes begrenzt.

(2) Besteht das Gut aus mehreren Frachtstücken (Sendung) und sind nur einzelne Frachtstücke verloren oder beschädigt worden, so ist der Berechnung nach Absatz 1

1.
die gesamte Sendung zu Grunde zu legen, wenn die gesamte Sendung entwertet ist, oder
2.
der entwertete Teil der Sendung zu Grunde zu legen, wenn nur ein Teil der Sendung entwertet ist.

(3) Die Haftung des Frachtführers wegen Überschreitung der Lieferfrist ist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt.

(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der Betrag wird in Euro entsprechend dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht am Tag der Übernahme des Gutes zur Beförderung oder an dem von den Parteien vereinbarten Tag umgerechnet. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/01 Verkündet am:
25. März 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit in § 435 HGB erfordert einen
besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder
seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner
hinwegsetzen.

b) Bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und
Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig
vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt
, weil es sich bei diesen Kontrollen um elementare Vorkehrungen gegen
Verlust von Ware handelt.

c) Ein Spediteur/Frachtführer, der elementare Sorgfaltspflichten vernachlässigt
(hier: die Durchführung von ausreichenden Ausgangskontrollen), handelt im
allgemeinen in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen
zu einem Schadenseintritt kommen kann.
BGH, Urt. v. 25. März 2004 - I ZR 205/01 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Transportversicherer der B. GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin) in Achern. Sie nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Ende Februar 1999 zu festen Kosten mit der Besorgung des Transports einer Computeranlage im Wert von 66.000 DM von Achern nach Hannover. Die Sendung wurde einem
von der Beklagten beauftragten Nahverkehrsunternehmer am 1. März 1999 übergeben. Dieser sollte das Gut zunächst im Depot der Beklagten in Herbolzheim abliefern. Von dort sollte es zum Zentrallager der Beklagten in Dietzenbach gebracht und anschließend über ihr Depot in Hannover an die Empfängerin ausgeliefert werden. Die Sendung hat die Empfängerin nicht erreicht. Wo sie abhanden gekommen ist, konnte nicht geklärt werden.
Die Klägerin hat an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust eine Entschädigung in Höhe von 66.000 DM gezahlt. Von diesem Betrag hat die Beklagte der Klägerin lediglich 729 DM erstattet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die Beklagte könne sich weder auf eine gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen, da sie den Geschehensablauf nicht ausreichend habe darlegen können. Die Beklagte habe leichtfertig gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.271 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Handhabung ihrer Betriebsorganisation bei der Abwicklung von Versandaufträgen insbesondere folgendes vorgetragen:
Ein Nahverkehrsunternehmer hole die Sendung beim Kunden ab und bringe sie zum jeweiligen Abgangsdepot. Nach der Entladung würden die Sen-
dungsdaten erfaßt und über ihren Zentralrechner an das jeweilige Empfangsdepot bzw. Umschlagzentrum übermittelt. Anschließend erfolge die Verladung der Packstücke für die Fernverkehrsbeförderung in Kofferwechselbrücken, die dann verschlossen und verplombt würden. Dabei werde nicht positiv anhand einer Packliste geprüft, ob eine Sendung in eine bestimmte Kofferwechselbrücke verbracht worden sei. Der Umschlag werde vielmehr nach dem sogenannten Negativsystem durchgeführt. Danach sei für jeden Arbeitstag vorgeschrieben , daß kein Packstück zurückbleiben dürfe. Dementsprechend führten ihre Mitarbeiter nach Abschluß der Nahverkehrsentladung und der Beladung der Kofferwechselbrücken für die Fernverkehrsbeförderung täglich einen "Lagersturz" durch, bei dem die gesamte Umschlaghalle planmäßig nach liegengebliebenen Sendungen abgesucht werde. Gefundene Sendungen würden in das EDV-System eingegeben und deren Absender und Empfänger unterrichtet.
Ihr organisatorisch geschlossenes System, das durch weitere Sicherheitseinrichtungen (Umzäunung des Depots, strikte Eingangskontrollen von betriebsfremden Personen, Ausweispflicht, stichprobenartige Überprüfung der Nahverkehrsfahrzeuge) ergänzt werde, führe dazu, daß nahezu 100 % aller ihr, der Beklagten, übergebenen Sendungen ordnungsgemäß an den Empfänger ausgeliefert würden.
Die streitgegenständliche in Verlust geratene Sendung sei in ihrem Depot in Herbolzheim abgeliefert worden. Ein Verlust der Sendung auf der Fernverkehrsstrecke könne ausgeschlossen werden, da sie schon nicht in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach eingetroffen sei. Auch in anderen Depots habe die Sendung nicht aufgefunden werden können. Der Verlust sei daher wahrscheinlich bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Als Ursache für eine Fehlleitung der Sendung komme ein der Versicherungsnehmerin zuzu-
rechnender Markierungsfehler in Betracht, da die Versenderin den vorgedruckten Versandauftrag umgeschrieben habe. Denkbar sei aber auch eine kriminelle Umgehung ihres Systems durch den Fahrer des Nah- oder Fernverkehrsunternehmens , ohne daß sie, die Beklagte, dies behaupten könne oder wolle.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe ihrer Einlassungsobliegenheit genügt. Ihr Vortrag zum Ablauf ihrer Betriebsorganisation rechtfertige nicht den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Köln TranspR 2001, 407 ff.).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, §§ 435, 459 HGB ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu, ohne daß sich die Beklagte auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzungen berufen könne. Die Beklagte hafte gemäß § 435 HGB für den Verlust der Ware unbeschränkt, weil dieser - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden wahrscheinlich eintreten werde, herbeigeführt worden sei. Für das Verhalten ihrer Leute und anderer Personen, deren sich die Beklagte bei
der Ausführung der Beförderung bedient habe, habe die Beklagte gemäß § 428 HGB in gleichem Umfang wie für eigenes Verschulden einzustehen.
B. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
I. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu BGHZ 153, 308, 310 f.).
II. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Schaden gemäß § 435 HGB unbeschränkt.
Nach § 435 HGB gelten die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 435 HGB einen gegenüber der groben Fahrlässigkeit strengeren Haftungsmaßstab in die gesetzliche Regelung einführen wollen, so daß nicht jede grobe Fahrlässigkeit auch ein leichtfertiges Verhalten darstelle. Ein solcher besonders schwerer Fall der groben Fahrlässigkeit sei im Streitfall gegeben. Die Beklagte gehe selbst davon aus, daß die in ihrer Obhut abhanden gekommene Sendung in ihrem Lager in Herbolzheim in Verlust geraten sein müsse. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, in diesem Lager für ein lückenloses Kontrollsystem zu sorgen, das den Verbleib der Sendung hätte aufklären können. Das angewandte "Negativsystem" verhindere es gerade nicht, daß ein Verlust von Sendungen zunächst unentdeckt bleibe. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Überblick über den Inhalt der beladenen Wechselbrücken sowie den Lauf und Verbleib der ein- und ausgehenden Sendungen gehabt mit der Folge, daß nach einer außer Kontrolle geratenen Sendung nicht systematisch habe gesucht werden können. Erst eine wirksame Ein- und Ausgangskontrolle hätte die gebotenen Nachforschungen ermöglicht. Dieses hohe Risiko sei die Beklagte bewußt eingegangen.
Die Beklagte bzw. die für sie tätigen Personen hätten auch in dem Bewußtsein gehandelt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal setze voraus, daß das Risiko eines Schadenseintritts bei der gehandhabten Betriebsorganisation hoch oder naheliegend sei. Es komme darauf an, ob ein Geschehen vorliege, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Entscheidung gelange, daß es "noch einmal gutgegangen" sei. Das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts könne schon dann festgestellt werden, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten sei, diese
Folgerung rechtfertige. Ausgehend von dem besonders schwerwiegenden Organisationsverschulden der Beklagten stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der Beklagten das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorgelegen habe. Die Beklagte habe - wie sie selbst vortrage - zur Vermeidung von Kosten bewußt auf eine lückenlose Kontrolle verzichtet.
Umstände, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechen könnten, habe die Beklagte nicht dargelegt.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewußte Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der bewußten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (vgl. zur groben Fahrlässigkeit: BGHZ 149, 337, 345; BGH, Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, TranspR 2003, 255, 257 = VersR 2003, 1017). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.

a) Die aufgrund des Transportrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Risiken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden, also ein über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehender Verschuldensvorwurf, trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a
Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. 44 CIM, Art. 25 WA 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung , BT-Drucks. 13/8445, S. 71).

b) Der Verschuldensmaßstab des § 435 HGB, der - wenn nicht Vorsatz gegeben ist - neben der Leichtfertigkeit das Bewußtsein voraussetzt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, ist an den Wortlaut deutscher Übersetzungen internationaler Transportrechtsübereinkommen (u.a. Art. 25 WA 1955) angelehnt. Der Begriff der Leichtfertigkeit bezweckt einen möglichst weitgehenden Einklang des deutschen Transportrechts mit dem internationalen Recht (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 13/8445, S. 72). Der Gesetzgeber ist dabei von dem Bedeutungsgehalt ausgegangen, der dem Begriff schon bisher in der deutschen Rechtsprechung zu Art. 25 WA 1955 zukam (vgl. BT-Drucks. 13/8445, S. 72). Dem entsprechend muß die Auslegung des neuen Verschuldensbegriffs in erster Linie diesem Verständnis entnommen werden (vgl. Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht , § 435 HGB Rdn. 12; Thume, TranspR 2002, 1, 2; Starck in Festgabe für Herber, 2000, S. 128, 131 f.; a.A. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 435 HGB Rdn. 6, 12).
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1982 - VI ZR 286/80, TranspR 1982, 100, 101 = VersR 1982, 369; BGHZ 145, 170, 183). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestands-
merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen , wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Es bleibt der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewußtsein getragen wurde, daß der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe (vgl. BGHZ 74, 162, 168 f.; 145, 170, 186). Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen. Zudem kann der Schluß auf das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe naheliegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 470 f.; Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 177; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11).
Von diesem Verständnis des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit ist - wie die Revision nicht verkennt - auch das Berufungsgericht ausgegangen.

c) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer bewußten Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Vorwurf qualifizierten Verschuldens nicht aus einer unzureichenden Erfüllung der Einlassungsobliegenheit der Beklagten hergeleitet. Fehl geht daher die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die (sekundäre) Darlegungslast der Beklagten überspannt. Das Berufungsgericht hat den Vor-
wurf eines qualifizierten Verschuldens ersichtlich nur aus der eigenen Darstellung der Organisation im Betrieb der Beklagten hergeleitet, wonach es jedenfalls in ihrem Lager in Herbolzheim an einer wirksamen Ausgangskontrolle fehle. Die Formulierungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Einlassungspflicht nicht genügt und ihr allgemein gehaltener Vortrag reiche nicht aus, um den Schluß auf ein leichtfertiges Organisationsverschulden auszuräumen, mögen für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß nicht der fehlende Sachvortrag der Beklagten zu ihrer Betriebsorganisation der tragende Grund für das vom Berufungsgericht angenommene bewußt leichtfertige Organisationsverschulden gewesen ist, sondern das sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst ergebende Fehlen einer wirksamen Ausgangskontrolle im Lager Herbolzheim.

d) Dem Berufungsgericht sind bei der Anwendung des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit im Streitfall keine Rechtsfehler unterlaufen.
aa) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, daß der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller
Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Deshalb ist in der Rechtsprechung zu § 429 Abs. 1 HGB a.F. von einem grob fahrlässigen Verschulden ausgegangen worden, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (vgl. BGHZ 129, 345, 351; 149, 337, 347 f. m.w.N.; BGH TranspR 2003, 255, 257).
bb) Auch die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden Frachtgüter gewährleistet und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzt (vgl. BGHZ 145, 170, 183 m.w.N. zu Art. 25 WA 1955). Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine ausreichende Ausgangskontrolle, wenn die Beklagte - wie sie selbst vorgetragen hat - lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot in Herbolzheim und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot in Hannover durchführt. Auch die tägliche Durchführung eines "Lagersturzes" (sog. Negativsystem) in allen Depots und Umschlagzentren der Beklagten sowie die Beförderung des Frachtgutes auf der Fernverkehrsstrecke in verplombten Kofferwechselbrücken gewährleisten keine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags. Die Beklagte räumt die Möglich-
keit von Fehlverladungen, die erst im Empfangsdepot festgestellt werden, bei ihrem System selbst ein.
Aus der Möglichkeit von Fehlverladungen ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht nur eine Verzögerung der Auslieferung, sondern es folgt daraus auch ein erhöhtes Verlustrisiko. Die Beklagte hat selbst vorgetragen , daß eine Fehlverladung zu einer Auslieferung an einen falschen Empfänger führen könne und ein Empfänger, der mehr bekomme, als er nach dem Frachtbrief zu erhalten habe, dies nicht immer reklamiere. Die Ausgangskontrolle im Empfangsdepot kann die Ausgangskontrolle im Abgangsdepot schon deshalb nicht ersetzen, weil die Beklagte bei einer solchen Kontrolle des Warenumschlags den Bereich des Schadenseintritts in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht hinreichend eingrenzen und nach einer verlorengegangenen Sendung daher nicht gezielt suchen kann. Dementsprechend hat sie es selbst lediglich für wahrscheinlich gehalten, daß der Verlust der Sendung bereits in ihrem Abgangsdepot in Herbolzheim eingetreten sein müsse. Andererseits konnte sie aber auch nicht ausschließen, daß die Sendung in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach oder in ihrem Empfangsdepot in Hannover verlorengegangen ist. Hätte die Beklagte in ihrem Abgangsdepot Herbolzheim eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt, wäre ein in diesem Depot eingetretener Verlust zeitnah entdeckt worden und hätte die Suche nach der abhanden gekommenen Sendung gezielt auf dieses Depot und die im maßgeblichen Zeitraum am Warenumschlag in diesem Depot Beteiligten beschränkt werden können.
Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß eine systematische Suche nach außer Kontrolle geratenen Sendungen durch die EDV-mäßige Vernetzung sämtlicher Depots und Umschlagzentren möglich sei. Die Beklagte hat
zu dem streitgegenständlichen Verlustfall lediglich vorgetragen, daß eine zentral gesteuerte Suchmeldung in allen ihren Depots und Umschlagzentren mit negativem Ergebnis durchgeführt worden sei. Da der Eingang der Sendung bereits in ihrem zentralen Umschlagsdepot in Dietzenbach nicht habe festgestellt werden können und ein Verlust von Sendungen auf der Fernverkehrsstrecke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne , sei der Verlust der Sendung "wahrscheinlich" bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Damit räumt die Beklagte selbst ein, daß durch ihr EDVSystem nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten ist, um dort eine gezielte Suche zu ermöglichen. Vielmehr bleibt ihr bei ihrem System, in dem lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot durchgeführt wird, nur die Möglichkeit, eine Suche in allen ihren Depots und Umschlagzentren und somit gerade keine gezielte Suche in einem bestimmten Depot oder Umschlagzentrum zu veranlassen.
Der Vortrag der Beklagten, sie habe eine Zertifizierung nach der ISONorm 9002 durchgeführt, steht der Annahme eines leichtfertigen Organisationsverschuldens schon deshalb nicht entgegen, weil diese DIN-Vorschrift keine spezifischen Anforderungen an die Sorgfalt des Spediteurs beim Warenumschlag , sondern lediglich allgemeine Merkmale eines effektiven Qualitätsmanagementsystems regelt, so daß die Erteilung des Zertifikats nicht den Rückschluß auf einen ausreichenden Schutz des Frachtgutes vor Verlust zuläßt.

e) Entgegen der Ansicht der Revision ist es revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer wie im Streitfall elemen-
tare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also eine Ein- oder Ausgangskontrolle unterläßt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein , es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen (vgl. BGHZ 74, 162, 172).
aa) Die von der Beklagten behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei ihr umgeschlagenen Sendungen geringe Schadensquote von 0,1 bis 0,2 ‰ sowie die behauptete Aufklärungsquote von 99 % bei Fehlleitungen von Sendungen widerlegen für sich allein nicht die Annahme des Bewußtseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dies folgt schon daraus, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Schadensquote und der hohen Aufklärungsquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß im hier maßgeblichen Zeitraum keine schwerwiegenden Mängel in der theoretischen oder praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten vorgelegen haben (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, TranspR 1998, 262, 264 f. = VersR 1998, 657; BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 175, 177; BGH, Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11 f.).
bb) In der Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, die erforderliche Wahrscheinlichkeit sei ein mittlerer Grad von Gewißheit, der zwischen Möglichkeit und absoluter Gewißheit angesiedelt sei. Das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sei daher quantitativ in dem Sinne zu bestimmen, daß die Wahrscheinlichkeit erst anzunehmen sei, wenn die Möglichkeit, daß das Schadensereignis eintrete, mehr als 50 % betrage, die
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts also größer sei als die des Nichteintritts (vgl. OLG Frankfurt VersR 1981, 164, 165; MünchKomm.HGB/Kronke, Art. 25 WA 1955 Rdn. 30; Giemulla in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Art. 25 WA Rdn. 45; Gass in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 435 Rdn. 3; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 435 HGB Rdn. 16; Thume, TranspR 2002, 1, 3; Neumann, TranspR 2002, 413, 416; vgl. auch: Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, S. 130).
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Hierauf kommt es im Fall der Verletzung elementarer Sorgfaltsvorkehrungen in der Organisation eines Betriebs aber auch nicht an, weil schon die Kenntnis des grob mangelhaften Betriebsablaufs das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts einschließt.
Es ist daher entgegen der Auffassung der Revision weder erfahrungswidrig noch verstößt es gegen Denkgesetze, wenn das Berufungsgericht trotz der von der Beklagten behaupteten geringen Schadens- und hohen Aufklärungsquote aufgrund der beim Warenumschlag bei der Beklagten bestehenden Kontrollücken auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
C. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
22. Mai 2014
Führinger
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 17 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1; HGB § 435; BGB §§ 242 Cd, 368;ZPO
§§ 416, 440
Wird weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt, kann der Beweis
für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1
CMR Anspruchsberechtigten auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem
Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt
werden. Der Frachtführer kann sich nicht darauf berufen, die Übernahmequittung
habe keinerlei Beweiswert oder aber ihr Beweiswert sei erschüttert, weil
sie "blind" unterschrieben wurde, wenn der Unterzeichner der Empfangsbestätigung
die Möglichkeit hatte, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen
Abschluss zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen.
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung führender Transportversicherer der W. C. He. GmbH mit Sitz in H. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin ). Diese beauftragte die seinerzeit in A. ansässige Beklagte unter anderem mit dem Transport zweier Päckchen mit je drei Kilogramm Carboplatin per Lkw zu festen Kosten von H. nach U. in Österreich. Der Wert der Päckchen betrug nach der Packliste jeweils 86.000 €.
2
Mit der Durchführung des Transports vom Lager der Streithelferin der Klägerin in H. nach A. beauftragte die Beklagte ihre Streithelferin. Am Nachmittag des 4. August 2010 belud der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin den von der Streithelferin der Beklagten bereitgestellten Lkw mit einer Vielzahl von Packstücken. Die einzelnen Sendungen erfasste der Mitarbeiter Al. mit einem Handscanner. Dazu gehörten auch die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin mit Carboplatin. Während des Beladevorgangs hielt sich der Fahrer der Streithelferin der Beklagten K. im Führerhaus des Lkw auf. Anschließend begaben sich der Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin und der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zum Büro des Lagers. Der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zeichnete die ihm dort vorgelegte Ladeliste, auf der auch die beiden Päckchen mit Carboplatin aufgeführt waren, unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" ab. Daraufhin erhielt der Fahrer die Ladepapiere und eine Plombe zur Anbringung am Lkw, die der Streithelferin der Klägerin von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden war. Der Fahrer verschloss den bis dahin offenstehenden Lkw und trat die Fahrt nach A. an. Wann er den beladenen Lkw verplombte, ist nicht festgestellt. Bei der Entladung des Lkw im Lager der Beklagten in A. fehlte eines der Päckchen mit Carboplatin.
3
Die Klägerin hat behauptet, beide Päckchen mit Carboplatin seien auf den Lkw der Streithelferin der Beklagten verladen worden. Jedes der Päckchen habe einen Warenwert von 77.180,54 € gehabt. Sie habe den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden nach Abzug eines Selbstbehalts von 2.500 € reguliert.
4
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 77.180,54 € nebst Zinsen in Anspruch genommen, wobei sie hilfsweise Zahlung eines Teilbetrags von 2.500 € an die Versicherungsnehmerin beantragt hat.

5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hanau, Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 O 72/11, juris). Dagegen haben die Klägerin und ihre Streithelferin Berufung eingelegt, die das Berufungsgericht zurückgewiesen hat (OLG Frankfurt, TranspR 2013, 341 = RdTW 2014, 204). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, verfolgen die Klägerin und ihre Streithelferin den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
7
Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das in Verlust geratene Päckchen von der Beklagten übernommen worden sei. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin das Frachtstück auf den Lkw verladen habe und dass es bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer K. unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" habe keinen Beweiswert. Sie sei unstreitig ohne Kenntnis des Fahrers von der Vollständigkeit des Ladevorgangs, mithin "blind" erfolgt. Die Klägerin könne wegen der vom Fahrer unterzeichneten Ladeliste auch nicht verlangen, dass sich die Beklagte so behandeln lassen müsse, als ob sie das Päckchen übernommen habe. Die für die Streithelferin der Klägerin im Büro des Lagers tätige Mitarbeiterin habe gewusst, dass die Unterzeichnung durch den Fahrer keinen Rückschluss auf die Vollständigkeit der Verladung zugelassen habe. Der Fahrer ha- be zur Kontrolle der Verladung keine Unterlagen in Händen gehabt und hätte allenfalls die Packstücke zählen können, was aber unüblich gewesen wäre. Die Beklagte müsse sich die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer ihrer Streithelferin auch nicht als widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Der Fahrer K. habe mit der Abzeichnung keinen Vertrauenstatbestand geschaffen , der die Streithelferin der Klägerin von weiteren Kontrollen oder Sicherungsmaßnahmen zur Vollständigkeit der Verladung abgehalten habe. Dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer K. die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe gerade wegen der Unterzeichnung der Ladeliste zur freien Verfügung überlassen habe, sei weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin haben Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann ein nach § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin nach Art. 17 Abs. 1 CMR nicht verneint werden.
9
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Transport die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anwendbar sind. Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut per Lkw von H. nach U. in Österreich befördert werden. Sowohl Deutschland als auch Österreich gehören zu den Ver- tragsstaaten der CMR. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 CMR sind damit erfüllt.
10
2. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für den Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Die Übernahme setzt voraus, dass der Frachtführer willentlich selbst oder durch seine Gehilfen aufgrund eines wirksamen Frachtvertrages den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an dem zu befördernden Gut erwirbt (vgl. zu § 425 HGB BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 13 = VersR 2013, 251; zu Art. 17 CMR Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 4; Thume in Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 17 Rn. 18; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 9). Die Übernahme setzt weiter den Willen des Absenders voraus, die Verfügungsgewalt über das Transportgut aufzugeben, und den Willen des Frachtführers, die Kontrolle daran zu übernehmen (Thume aaO Art. 17 Rn. 18).
11
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Streithelferin der Beklagten das Transportgut mit dem Aufbruch der Zeugen Al. und K. zum Ladebüro der Streithelferin der Klägerin nach Abschluss der Verladearbeiten durch den Zeugen Al. übernommen hat. Von einer Übernahme im Sinne des Art. 17 Abs. 1 CMR ist auszugehen, wenn die vom Absender vorzunehmenden Ladearbeiten abgeschlossen sind und der Fahrer entweder den Laderaum schließt oder das Gut derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen gelangt, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können (vgl. zu § 425 HGB BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 13). Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ladearbeiten vor. Zu diesem Zeitpunkt war der FahrerK. in der Lage, das Transportgut durch Verschließen des Laderaums vor Schäden zu bewahren. Dass er statt dessen das Fahrzeug während des Zeitraums, in dem er das Ladebüro aufsuchte, offen stehen ließ, führt nicht zu einer Verschiebung des Zeitpunkts der Übernahme des Gutes.
12
b) Die Klägerin ist für die Übernahme des in Rede stehenden Päckchens mit Carboplatin darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 158 = NJW-RR 2003, 754). Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis geführt hat. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung (dazu II 2 c und d). Mit Erfolg macht die Revision aber geltend, dass die Beklagte sich an der Bestätigung des Fahrers K. ihrer Streithelferin festhalten lassenmuss (dazu II 2 e).
13
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , aufgrund der Bekundungen der Zeugen sei der Nachweis nicht geführt, dass das fragliche Päckchen Carboplatin auf den Lkw verbracht worden sei.
14
aa) Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen Al. , er habe die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin aus dem Tresor geholt, auf den Lkw des Zeugen K. verladen und dort gescannt, keinen Glaubengeschenkt. Das Berufungsgericht, das die Beweisaufnahme teilweise wiederholt hat, hat ausgeführt, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Zeuge Al. das Frachtstück auf das Transportfahrzeug verladen habe und dass dieses bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Es könne nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Zeuge Al. das Päckchen in unredlicher Absicht zwar mit dem Erfassungsgerät aufgezeichnet, dann aber entweder nicht verladen oder aber wieder ausgeladen habe. Ebenso sei es möglich, dass der Zeuge K. das Päckchen zur Seite geschafft habe. Auch sei ein Zugriff Dritter nicht auszuschließen, nachdem der Lastwagen bis zur Rückkehr des Zeugen K. vom Ladebüro offen gestanden habe.
15
bb) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler erkennen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen , ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, BGHZ 181, 346 Rn. 30).
16
cc) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entspricht diesen Anforderungen. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht erwogen , dass der bei der Streithelferin der Klägerin beschäftigte Zeuge Al. Carboplatin gekannt habe; er habe deshalb gewusst, dass es sich nicht um das Edelmetall Platin, sondern um Gefahrgut handelte. Dagegen sei es dem abholenden Fahrer K. eher zuzutrauen, dass er das in Verlust geratenePäckchen für wertvoll und stehlenswert gehalten habe. Damit kann die Revision schon deshalb nicht durchdringen, weil der Zeuge Al. bei seinen Vernehmungen vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht ausdrücklich bekundet hat, nicht gewusst zu haben, dass sich in dem verloren gegangenen Päckchen Gefahrgut befunden hat.
17
d) Die Revision greift vergeblich die Würdigung des Berufungsgerichts an, der Beweis der Übernahme des in Rede stehenden Packstücks sei nicht durch die Übernahmequittung des Fahrers K. auf der Ladeliste geführt.

18
aa) Die Klägerin kann sich im Streitfall nicht mit Erfolg auf die Beweisvermutung nach Art. 9 Abs. 2 CMR berufen. Nach dieser Bestimmung wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen, wenn dieser keinen mit Gründen versehenen Vorbehalt des Frachtführers aufweist. Diese Beweisvermutung greift aber nur ein, wenn ein den Vorschriften der Art. 5 und 6 CMR entsprechender Frachtbrief vorliegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 1979 - I ZR 67/77, NJW 1979, 2471 = VersR 1979, 466; Urteil vom 18. Januar 2001 - I ZR 256/98, TranspR 2001, 369 = NJW-RR 2001, 1253). Das ist hier nicht der Fall. Die Ladeliste ersetzt den Frachtbrief nicht.
19
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den in Art. 8 CMR bestimmten Obliegenheiten. Wie die Revision selbst einräumt , begründet ein etwaiger Verstoß des Zeugen K. gegen derartige Pflichten keine Haftung nach Art. 17 CMR (Koller, Transportrecht aaO Art. 8 CMR Rn. 1 mwN).
20
bb) Der Revision verhilft die Rüge nicht zum Erfolg, das Berufungsgericht habe den Beweiswert des vom Fahrer K. unterschriebenen Vermerks über den Erhalt der Sendung verkannt.
21
(1) Wurde - wie hier - weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt , kann der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1 CMR Anspruchsberechtigten grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden (BGH, TranspR 2003, 156, 158). Die formelle Beweiskraft einer solchen Empfangsbestätigung richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei der Quittung im Sinne von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis , durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (BGH, TranspR 2003, 156; BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403 = NJW-RR 2005, 1557). Der Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 153/77, WM 1979, 1157). Eine Erschütterung der Beweiskraft kommt in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte (BGH, Urteil vom 7. November 1985 - I ZR 130/83, TranspR 1986, 53, 56 = VersR 1986, 287). Dementsprechend bezieht sich die Beweiskraft einer Empfangsquittung im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (BGH, TranspR 2003, 156, 158).
22
(2) Die Unterschrift des Zeugen K. besitzt formelle Beweiskraft. Sie erbringt vollen Beweis für die Abgabe der in der Übernahmequittung enthaltenen Erklärung (§§ 416, 440 Abs. 2 ZPO). Ob die in der Übernahmequittung enthaltene Erklärung zur Überzeugung des Gerichts auch inhaltlich richtig oder ihre Beweiswirkung entkräftet ist, muss der Tatrichter würdigen. Diesem ist im Streitfall insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen.
23
(3) Vorliegend seht fest, dass der Fahrer K. während des Ladevorgangs nicht zugegen war und den Vermerk über den Erhalt der Sendung ohne Prüfung der Anzahl der Packstücke unterzeichnet hat. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter nicht davon überzeugt war, das fragliche Päckchen sei in die Obhut des Frachtführers gelangt.

24
e) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss die Beklagte sich aber an der Übernahmequittung festhalten lassen und kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Fahrer ihre Streithelferin habe die Anzahl der Packstücke ohne Überprüfung - sozusagen "blind" - quittiert.
25
aa) Kann der Frachtführer oder ein von ihm eingeschalteter Erfüllungsgehilfe bei der Übernahme die Anzahl der Güter kontrollieren, macht er von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch und quittiert er gleichwohl deren Zahl, so handelt er entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widersprüchlich, wenn er sich später darauf beruft, die Übernahmequittung sei "blind" erteilt worden (vgl. OLG Hamm, TranspR 1992, 359, 360; OLG Karlsruhe , TranspR 2004, 468, 470; Bästlein/Bästlein, TranspR 2003, 413, 418). In einem solchen Fall begründet die Übernahmequittung die widerlegliche Vermutung , dass die angegebene Stückzahl zutrifft (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404 = VersR 2006, 573). Für dieses Ergebnis spricht die große Bedeutung, die der Übernahmequittung im Bereich des Transportwesens für den Nachweis der Übernahme des Gutes zukommt. Unterzeichnet der Frachtführer die Übernahmequittung, ohne die angegebene Stückzahl einer möglichen Kontrolle zu unterziehen, hält er den Absender regelmäßig davon ab, seinerseits die erforderlichen Beweise für die Übernahme des Gutes zu sichern.
26
bb) Im Streitfall sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen sich die Berufung der Beklagten auf die "blind" unterzeichnete Übernahmequittung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erweist.
27
(1) Die im Rechtsstreit vorgelegte Ladeliste besteht aus sieben fortlaufend nummerierten Seiten, in der insgesamt 30 Pakete jeweils mit Absender und Empfänger, Maßen, Gewicht, Lieferschein, Warenwert, Sendungsnummer und Auftragsnummer genannt sind. Auf der letzten Seite sind die Gesamtanzahl der Packstücke und das Gesamtgewicht angegeben. Auf der ersten Seite oben befinden sich unter dem Namen und der Adresse der Streithelferin der Klägerin die Tour-Nummer, das Datum, der Name der Sachbearbeiterin sowie die Telefon - und Telefax-Nummer. Direkt darunter hat die Streithelferin der Klägerin einen Stempel aufgebracht, auf dem unter der vorgedruckten Überschrift "Obige Sendung erhalten" das Datum, das Kfz-Kennzeichen, die Unterschrift und der Name in Druckbuchstaben anzugeben waren. In diesem Stempel finden sich als Eintragungen das Kennzeichen des vom Zeugen K. gefahrenen Lkw, die Unterschrift des Zeugen sowie sein Name in Druckbuchstaben. Neben dem ausgefüllten Stempelaufdruck ist in einem vorgedruckten Feld handschriftlich die Plombennummer vermerkt.
28
Da die Unterschrift des Fahrers K. unterhalb der Angabe der TourNummer und des Stempelvordrucks "Obige Sendung erhalten" angebracht ist, hat sie die Funktion, die Verantwortung für den darüber stehenden kurzen Text zu übernehmen und ihn räumlich abzuschließen. Die Beweisfunktion der Unterschrift erfasst damit die Erklärung des Fahrers K. , von der Streithelferin der Klägerin eine Sendung zu einer bestimmten Tour erhalten zu haben.
29
(2) Die vom Zeugen K. erteilte Übernahmequittung enthält materiell die Erklärung, dass er insgesamt 30 Packstücke übernommen hat. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da angesichts der umfangreichen Beweisaufnahme vor dem Landgericht und der teilweisen Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind. Danach ist die Unterschrift des Fahrers K. auf der von der Streithelferin der Klägerin erstellten Ladeliste als eine Quittung auch für das verloren gegangene Päckchen anzusehen.

30
(3) Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug genommen hat, war es Aufgabe der Streithelferin der Klägerin, den Lkw zu beladen, die aufgeladenen Pakete mithilfe eines Scan-Gerätes zu erfassen , die eingelesenen Daten mit der Ladeliste abzugleichen und dabei zu überprüfen, ob alle Pakete auf der Ladeliste eingescannt waren. Dabei waren der Zeuge Al. mit der Beladung und dem Scannen, die Zeugin W. mit dem Abgleich der vom Scanner übertragenen Daten mit der Ladeliste betraut. Die Streithelferin der Beklagten, für die der Zeuge K. tätig war, war dagegen für die Beladung nicht verantwortlich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dem Fahrer die Ladeliste mit der Vorlage zur Unterschrift erstmals zur Kenntnis gebracht. Er war damit zu einer Überprüfung der Ladeliste während des Beladevorgangs ohne eigene Ladepapiere nicht in der Lage. Der Fahrer hatte aber die Möglichkeit, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen Abschluss vor der Unterzeichnung der Übernahmequittung zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht und gleichwohl die Übernahmequittung unterzeichnet.
31
(4) Aus dem gesamten Verhalten der Streithelferin der Klägerin ergibt sich, dass sie die Unterschrift des Fahrers zum Anlass genommen hat, auf weitere Maßnahmen zur Kontrolle der Vollständigkeit der Sendung zu verzichten und keine weiteren Beweise für die Übergabe der Güter zu sichern. Sie hat dem Fahrer die Ladepapiere ausgehändigt und ihm die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe zum Verschließen des Lkw übergeben. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin die mangelnde Kontrolle des Fahrers gekannt haben. Es war nicht ihre Aufgabe, den Fahrer zu Überprüfungsmaßnahmen anzuhalten. An dem durch die Unterzeichnung der Übernahmequittung geschaffenen Vertrauenstatbestand muss sich die Beklagte festhalten lassen. Auch wenn die Übernahmequit- tung ohne Kontrolle unterzeichnet worden ist, begründet sie die widerlegliche Vermutung für die Übernahme von zwei Päckchen mit Carboplatin. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu klären, ob das fragliche Päckchen von der Streithelferin der Beklagten übernommen worden ist.
32
3. Das Berufungsgericht ist im Rahmen einer Hilfserwägung davon ausgegangen , dass die Beklagte nur beschränkt in Höhe von 25 Rechnungseinheiten haftet. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
33
a) Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat (Art. 29 Abs. 1 CMR). Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR).
34
Da auf den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag gemäß Art. 5 Abs. 1 der Rom-I-VO, der im Streitfall maßgeblich ist, deutsches Recht zur Anwendung kommt, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435 HGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 15 = RdTW 2014, 55). Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat.

35
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 27). Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
36
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muss, dass in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Ohne ausreichende Einund Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier - bzw. EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt (BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN.).
37
b) Diesen an die Prüfung qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 29 Abs. 1 CMR anzulegenden Maßstäben werden die hilfsweise hierzu angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts nicht gerecht.
38
aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten sei nicht vorgetragen. Die Beklagte habe vielmehr einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast entsprochen. Die Umstände der Übernahme und des Transports bis zur Entladung in A. seien von der Beklagten eingehend mitgeteilt worden. Es könne danach nicht ausgeschlossen werden, dass die Sendung aus der Obhut der Streithelferin der Beklagten abhandengekommen sei, indem sie aus dem offenen Fahrzeug entwendet worden sei. Das Unterlassen einer Sicherung sei dem Lkw-Fahrer zwar vorzuwerfen. Es sei aber nicht vorsatzgleich, weil der Zeuge K. nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt habe, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen.
39
bb) Das Berufungsgericht hat dabei zum einen erhebliche Umstände in seine Betrachtung nicht einbezogen, zum anderen seine Auffassung auf Umstände gestützt, die nicht festgestellt sind.
40
Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass nach den getroffenen Feststellungen der Fahrer für die Streithelferin der Beklagten den Gewahrsam an dem Transportgut durch eine "blind" ausgestellte Quittung übernommen hat. Zudem hat er seinen Lkw mit geöffnetem Rolltor während der Entgegennahme der Ladepapiere unbeaufsichtigt offen stehen lassen. Dabei hat der Fahrer zum einen auf eine Vollständigkeitskontrolle der übernommenen Sendung verzichtet und zum anderen das übernommene Transportgut gefährdet. Denn es bestand, wie das Berufungsgericht auch festgestellt hat, die Möglichkeit, dass Dritte vom offenen Lastwagen das verloren gegangene Päckchen entwendet haben, weil in dieser Zeit noch zwei weitere Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe beladen wurden. Diese Nachlässigkeiten schließen die Annahme einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs bei der Eingangskontrolle sowie unzureichender Anweisungen an die Fahrer zum Schutz des Transportguts bei der Streithelferin der Beklagten nicht aus. Dies kann den Vorwurf der Leichtfertigkeit im Sinne von § 435 HGB begründen.
41
Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, der Fahrer habe nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen, lassen nicht erkennen, auf welchen Feststellungen sie beruhen.
42
III. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben ; es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
43
Sollte sich im wiedereröffneten Berufungsverfahren ergeben, dass die Beklagte ein qualifiziertes Verschulden an der Entstehung des Schadens trifft, kann der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang gewürdigte Umstand , dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer die ihr von der Beklagten überlassene Plombe zu dessen unkontrollierter Verfügung überließ, im Rahmen einer Prüfung eines eventuellen Mitverschuldens der Streithelferin der Klägerin (§ 254 BGB) an der Entstehung des Schadens berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 34; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22 = RdTW 2013,

24).


Büscher Schaffert Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hanau, Entscheidung vom 23.05.2012 - 5 O 72/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.05.2013 - 5 U 138/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 216/14 Verkündet am:
4. Februar 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 435; HGB § 660 Abs. 3 in der bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung;
ADSp 2003 Nr. 27.2

a) Ziffer 27.2 ADSp lässt in Abweichung von § 660 Abs. 3 HGB aF bei Multimodaltransporten
mit Seestrecke zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung auf
zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware ein qualifiziertes Verschulden
der Leute oder Gehilfen des Frachtführers genügen.

b) Wird Transportgut ohne die für den Seetransport erforderliche Markierung versendet
und beauftragt der Versender den Hauptfrachtführer damit, die fehlende
Markierung nachzuholen, begründet ein unterbliebener körperlicher Abgleich der
unmarkierten Sendung mit den Lieferpapieren hinreichende Anhaltspunkte für ein
qualifiziertes Verschulden, wenn es infolge einer fehlerhaften Markierung zu einer
Sendungsverwechslung und einem Verlust des Transportguts kommt.
BGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - I ZR 216/14 - OLG Köln
LG Köln
ECLI:DE:BGH:2016:040216UIZR216.14.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2016 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. September 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der V. I. GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie macht nach Regulierung eines Transportschadens wegen Fehlleitung von Transportgut auf sie übergegangene und von der Versicherungsnehmerin abgetretene Schadensersatzansprüche geltend.
2
Die Versicherungsnehmerin beauftragte am 19. März 2010 die Beklagte zu 1 zu festen Kosten mit der Durchführung eines Transports von Luftkanonenteilen , verpackt in drei Packstücken mit einem Gesamtgewicht von 1.585 kg, von Duisburg nach Jeddah in Saudi-Arabien. Ein Teil des Landtransports wurde von der H. Z. GmbH durchgeführt. Den Seetransport übertrug die Beklagte zu 1 der in Zypern ansässigen S. L. Ltd., die dabei durch ihre deut- sche Agentin, die Sa. Sh. GmbH, vertreten wurde. Die Saco Shipping GmbH beauftragte die Beklagte zu 2, ein Container-Packunternehmen mit Sitz in Hamburg, mit der Übernahme des Transportguts und dessen Umladung in Seecontainer.
3
Die H. Z. GmbH lieferte das Transportgut am 22. März 2010 per Lkw bei der Beklagten zu 2 an. Dort wurde festgestellt, dass die Sendung nicht mit einer für den Seetransport nach Saudi-Arabien notwendigen Markierung versehen war. Auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten zu 2 teilte die Beklagte zu 1 dies der Versicherungsnehmerin mit, die daraufhin die Beklagte zu 1 damit beauftragte, die notwendige Markierung durchführen zu lassen. Die Sa. Sh. GmbH leitete die Markierungsdaten zusammen mit dem Auftrag an die Beklagte zu 2 weiter, das Transportgut gegen Zahlung einer gesonderten Vergütung zu markieren. Bei der Beklagten zu 2 kam es zu einer Verwechslung mit einer anderen, ebenfalls von der H. Z. GmbH angelieferten , nicht markierten und für einen Transport nach Indien bestimmten, aus zwei Packstücken bestehenden Sendung. Das Transportgut der Versicherungsnehmerin wurde nach Indien verschifft; das andere von der Beklagten zu 2 nachträglich markierte Transportgut gelangte nach Saudi-Arabien. Es gelang den Beteiligten nicht, das fehlgeleitete Transportgut der Versicherungsnehmerin zurückzuerhalten.
4
Die Klägerin hat die Beklagten auf Ersatz des Wertes des abhanden gekommenen Gutes in Höhe von 24.121,88 € zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, Haftungsbeschränkungen kämen nicht zum Tragen, weil der Verlust des Gutes auf einem qualifizierten Verschulden der Beklagten zu 2 beruhe, das sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen müsse.
5
Das Landgericht hat die Klage nur gegen die Beklagte zu 1 und lediglich im Gegenwert von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm beförderter Ware und damit in Höhe von 3.546,34 € nebst Zinsen für begründet erachtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, TranspR 2015, 121).
6
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe lediglich gegen die Beklagte zu 1 ein Schadensersatzanspruch zu, der sich auch nur auf 3.546,34 € belaufe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
8
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach ein auf sie als Versicherer übergegangener Schadensersatzanspruch gemäß §§ 459, 452 HGB, § 606 Satz 2 HGB aF zu. Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 hätten einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB geschlossen. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts werde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Bei dem Vertrag, der zunächst per LKW und dann mit dem Schiff abgewickelt werden sollte, habe es sich um einen multimodalen Frachtvertrag gemäß § 452 HGB gehandelt. Der Schadensfall sei gemäß § 452a HGB nach Seefrachtrecht zu beurteilen. Die Seebeförderung habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen, weil diese mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen sei. Der Schadensersatzanspruch sei auf zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware beschränkt. Diese Haf- tungsbeschränkung beruhe auf Ziffer 23.1.3 ADSp, deren Geltung die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 bei der Vergabe des Auftrags wirksam vereinbart hätten. Ein qualifiziertes Verschulden, das nach Ziffer 27 ADSp einen Wegfall der Haftungsbegrenzung zur Folge gehabt hätte, habe nicht vorgelegen.
9
Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei nicht begründet. Diese hafte nicht auf vertraglicher Grundlage wegen Schlechterfüllung der Markierungspflicht. Den Auftrag zur Markierung habe die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt, die den Auftrag über die Sa. Sh. GmbH an die Beklagte zu 2 weitergegeben habe. Auf die Klägerin übergegangene Ansprüche aufgrund des Vertragsverhältnisses könnten sich mithin nur ergeben, wenn die Beauftragung der Beklagten zu 2 als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte anzusehen wäre. Ob hiervon auszugehen sei, könne dahinstehen. Nach § 334 BGB stünden der Beklagten zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen zu, die ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Gegenüber dieser könne sich die Beklagte zu 2 auf die Ausschlussfrist von einem Jahr des § 612 Abs. 1 HGB aF berufen.
10
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können weder über zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm des abhanden gekommenen Transportguts hinausgehende Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 verneint (dazu B I) noch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 gänzlich ausgeschlossen werden (dazu B II).
11
I. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 lediglich einen auf sie übergegangenen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm des abhanden ge- kommenen Transportguts, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 nach deutschem Recht zu beurteilen ist (dazu B I 1). Es hat weiter mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt, hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand (dazu B I 2). Einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht dagegen ohne Rechtsfehler verneint (dazu B I 3).
12
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 ein Speditionsvertrag zustande gekommen ist, auf den gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) deutsches Sachrecht anzuwenden ist. Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern - wie im Streitfall - keine Rechtswahl nach Art. 3 dieser Verordnung getroffen haben, ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-Verordnung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Bei dem hier in Rede stehenden Speditionsvertrag handelt es sich um einen Vertrag über die Beförderung von Gütern im Sinne dieser Bestimmung, da er in der Hauptsache der Güterbeförderung dient (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 1 und 2 der Verordnung; Mankowski, TranspR 2015, 17, 20; zu Art. 4 Abs. 4 Satz 3 des Übereinkommens von Rom vgl. EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - C-305/13, TranspR 2015, 37 Rn. 28 und 32 - Haeger & Schmidt). Die Beklagte zu 1 ist Beförderer im Sinne dieser Vorschrift; der Begriff „Beförderer“ bezeichnet dieVertragspar- tei, die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 3 der Verordnung ). Da die Beklagte zu 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und das Gut in Deutschland zur Beförderung übernommen wurde, ist deutsches Sachrecht anwendbar.
13
2. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt , hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
14
a) Die Beklagte zu 1 haftet der Versicherungsnehmerin dem Grunde nach für den Verlust des Transportguts. Dabei kann offenbleiben, ob sich diese Haftung aus den Vorschriften des Landfrachtrechts (§ 425 HGB) oder des Seefrachtrechts (§ 606 Satz 2 HGB aF) ergibt.
15
aa) Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 haben einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB abgeschlossen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass auf diesen Speditionsvertrag hinsichtlich der Beförderung die §§ 452, 452a HGB anwendbar sind, weil die Beklagte zu 1 einen multimodalen Transport zu besorgen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 - I ZR 207/04, BGHZ 173, 344 Rn. 23 f.; Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 140/06, BGHZ 181, 292 Rn. 20 f.; Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 20 f.; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 452 HGB Rn. 6). Die Beförderung des Gutes sollte aufgrund des einheitlichen Speditionsvertrages mit verschiedenartigen Transportmitteln (Lkw, Schiff) durchgeführt werden. Die Beförderung mit den jeweiligen Beförderungsmitteln wäre verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen gewesen, wenn über sie gesonderte Verträge geschlossen worden wären. Der Transport per Lkw von Duisburg nach Hamburg wäre nach den Vorschriften des Landfrachtrechts (§§ 425 ff. HGB) zu beurteilen. Auf den Transport per Schiff von Hamburg nach Jeddah/Saudi Arabien wären die Vorschriften des Seefrachtrechts in der im Streitfall noch maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (§§ 556 ff. HGB aF) anzuwenden.
16
bb) Steht im Falle eines multimodalen Transportes fest, dass der Verlust auf einer bestimmten Teilstrecke eingetreten ist, so bestimmt sich die Haftung gemäß § 452a Satz 1 HGB nach den Rechtsvorschriften, die auf einen Vertrag über eine Beförderung auf dieser Teilstrecke anzuwenden wären. Andernfalls richtet sich die Haftung gemäß § 452 Satz 1 HGB grundsätzlich nach dem Landfrachtrecht. Dies gilt nach § 452 Satz 2 HGB auch dann, wenn ein Teil der Beförderung über See durchgeführt wird.
17
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Haftung der Beklagten zu 1 richte sich danach grundsätzlich nach dem Seefrachtrecht. Der Verlust des Gutes sei auf der Seestrecke eingetreten. Die Seestrecke habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen. Die Beklagte zu 2 sei mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen. Diese Tätigkeit weise eine enge Verbindung zur nachfolgenden Seestrecke auf. Deshalb sei der Umladevorgang nach Seefrachtrecht zu beurteilen.
18
(2) Es kann offenbleiben, ob die gegen diese Beurteilung gerichteten Einwände der Revision begründet sind. Für den Grund der Haftung kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 nach dem Seefrachtrecht oder dem Landfrachtrecht haftet. Nach dem Seefrachtrecht (§ 606 Satz 2 HGB aF) haftet der Verfrachter für den Schaden, der durch Verlust der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, dass der Verlust auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. Nach dem Landfrachtrecht (§ 425 HGB) haftet der Frachtführer gleichfalls für den Schaden, der durch Verlust des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
19
b) Das Berufungsgericht hat weiter mit Recht angenommen, dass die Haftung der Beklagten zu 1 der Höhe nach zwar auf zwei Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt ist, ein qualifiziertes Verschulden ihrer Leute oder Gehilfen aber zu einer unbeschränkten Haftung der Beklagten zu 1 führt.
20
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp) in der im Streitfall noch maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2003 aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010 in den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag einbezogen worden.
21
bb) Nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes bei einem Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt. Der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Speditionsvertrag hat von vornherein eine Beförderung des Gutes mit verschiedenartigen Verkehrsmitteln vorgesehen, und zwar unter Einschluss einer Seebeförderung. Für die Anwendung von Ziffer 23.1.3 ADSp kommt es nicht darauf an, ob der Schadensort bekannt ist und auf welcher Teilstrecke - Landstrecke oder Seestrecke - der Schaden eingetreten ist. Anders als in Ziffer 23.1.2 ADSp wird in Ziffer 23.1.3 ADSp nicht darauf abgestellt, dass der Schaden an dem Gut während des Transportvorgangs mit einem bestimmten Beförderungsmittel entstanden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Multimodalbeförderung unter Einschluss einer Seebeförderung vereinbart wurde. Ist dies - wie hier - der Fall, ist Ziffer 23.1.3 ADSp gegenüber Ziffer 23.1.2 ADSp lex specialis (BGH, TranspR 2013, 437 Rn. 50 mwN). Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob damit die Haftungshöchstbeträge des Seefrachtrechts (vgl. § 660 Abs. 1 HGB aF) übernommen oder aber die Haftungshöchstbeträge des Landfrachtrechts (§ 431 Abs. 1 und 4 HGB) modifiziert werden (vgl. Koller aaO ADSp Ziffer 27 Rn. 1a, 8).
22
cc) Nach Ziffer 27.2 ADSp gilt diese Haftungsbegrenzung nicht, wenn der Schaden in den Fällen der §§ 425 ff., 461 Abs. 1 HGB durch die in §§ 428, 462 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein verursacht worden ist, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Danach lässt Ziffer 27.2 ADSp bei Multimodaltransporten unter Einschluss einer Seestrecke in den Fällen der §§ 425, 461 Abs. 1 HGB zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung - anders als § 660 Abs. 3 HGB aF - ein qualifiziertes Verschulden der Leute oder Gehilfen des Spediteurs genügen. Darin liegt im Ergebnis - die Anwendbarkeit des Seefrachtrechts unterstellt - eine Abweichung von den gesetzlichen Haftungsregelungen zum Nachteil der Beklagten 1 als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine solche Abweichung ist nach § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HGB in der im Streitfall maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (jetzt § 449 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 194/08, TranspR 2011, 80 Rn. 37; Koller aaO § 449 HGB Rn. 52; aA Bahnsen in Ebenroth/Boujong/ Jost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Nr. 27 ADSp Rn. 44).
23
dd) Die sich nach den ADSp richtende Haftung der Beklagten zu 1 ist nicht durch Konnossementsbedingungen geändert worden. Zwar heißt es in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010, dass sich ein Angebot im Falle der Ausstellung von FIATA Bills of Lading auf die von der FIATA verwendeten Konnossementsbedingungen oder diejenigen der eingesetzten Reedereien - im Streitfall der S. L. Ltd. - beziehe, die insoweit Vorrang vor den ADSp hätten. Darauf kommt es aber nicht an, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine FIATA Bill of Lading erstellt worden ist.
24
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2, das sich die Beklagte zu 1 nach Ziffer 27.2 ADSp zurechnen lassen muss, nicht verneint werden. Danach ist auch der Annahme des Berufungsgerichts , die Haftung der Beklagten zu 1 sei nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt , die Grundlage entzogen.
25
aa) Der Umschlag von Transportgütern ist besonders schadensanfällig und muss deshalb so organisiert werden, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Ohne ausreichende Eingangs- und Ausgangskontrollen , die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden, so dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskon- trollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist daher im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (zum Frachtführer vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN; Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 36; vgl. auch Ziffer 7 ADSp). Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
26
bb) Der Anspruchsteller hat grundsätzlich die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Er trägt daher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben , es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. März 2011 - I ZR 50/10, TranspR 2011, 220 Rn. 20 mwN). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Der Frachtführer hat in diesem Fall substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret angewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 17 mwN). Für die Haftung des Spediteurs gelten diese Grundsätze entsprechend.

27
cc) Das Berufungsgericht hat nach diesen Maßstäben dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen der Klägerin ohne Rechtsfehler hinreichende Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 entnommen. Im Gewahrsam der Beklagten zu 2 ist es unbestritten zu einer Verwechslung des für den Transport nach Saudi-Arabien bestimmten Guts der Versicherungsnehmerin mit einer für den Transport nach Indien bestimmten Sendung gekommen. Unstreitig hat die Beklagte zu 2 auf die für den Transport nach Indien bestimmte Sendung die für die Sendung der Versicherungsnehmerin vorgesehene Markierung angebracht. Nach dem Vortrag der Klägerin ist bei der Beklagten zu 2 kein Abgleich der Sendungen mit den Lieferpapieren erfolgt, anhand dessen sowohl bei einer Eingangs- als auch bei einer Ausgangskontrolle die Identität der Waren hätte festgestellt werden können. Die Klägerin hat vorgetragen, eine Identifizierung der Ware sei anhand der an den Packstücken angebrachten Packzettel möglich gewesen, auf denen auch der Bestimmungsort der Ware angegeben gewesen sei.
28
dd) Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Beklagten dargelegten Betriebsabläufe bei der Beklagten zu 2 gewährleisteten grundsätzlich, dass es nicht zu Verwechslungen von Waren kommen könne; der Beklagten zu 2 könne daher kein qualifiziertes Verschulden vorgeworfen werden. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen gestellt hat.
29
(1) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, die Waren würden mit LOT-Nummern angeliefert, die bei der Beklagten zu 2 infolge ihrer elektronischen Vernetzung mit der Sa. Sh. GmbH bereits verzeichnet seien. Anhand dieser Nummern sei das Ziel der jeweiligen Sen- dung erkennbar. Die LOT-Nummer sei sowohl auf der Anlieferungsquittung als auch auf dem Anlieferungsschein vermerkt. Anhand dieser Papiere könne eine Lieferung zweifelsfrei einer Destination zugeordnet werden. Sodann werde das Transportgut abgeladen und nach den in den Papieren bezeichneten Destinationen räumlich getrennt in den Hallen der Beklagten zu 2 abgelegt und zwischengelagert.
30
Das Berufungsgericht hat angenommen, es stelle keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, die die Destination zweifelsfrei erkennen ließen, nicht auf der Ware selbst vermerkt seien. Die Frachtstücke seien gewöhnlich entsprechend markiert und könnten bereits anhand dieser Markierung den Zielhäfen zweifelsfrei zugeordnet werden. Es stelle auch keinen Organisationsmangel dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit ihrer Zuordnung überprüft würden. Für ordnungsgemäße Betriebsabläufe spreche, dass die nicht ordnungsgemäße Markierung sowohl der Sendung der Versicherungsnehmerin als auch der weiteren Sendung bei der Beklagten zu 2 aufgefallen und eine nachträgliche Markierung angefordert worden sei.
31
Die Beklagte zu 2 habe mit ihrem Vortrag, der anliefernde Fahrer habe die Sendungen verwechselt und danach sei eine falsche Zuordnung zu den einzelnen Lagerplätzen und die Markierung entsprechend den Lagerplätzen erfolgt, einen Ablauf dargelegt, der nicht in ihrem Gefahrenbereich gelegen und ganz maßgeblich zu der schadensursächlichen Verwechslung der Markierung beigetragen habe. Bei einer derartigen Verwechslung der Papiere habe nicht mehr auffallen können, dass die eigentlich für Indien bestimmte Sendung nur zwei Frachtstücke, die für Saudi-Arabien bestimmte Sendung hingegen drei Frachtstücke umfasst habe. Die Kontrollen der Beklagten zu 2 hätten nur deshalb versagt, weil bei ihr am selben Tag von demselben Frachtführer zwei un- markierte Sendungen eingeliefert worden seien. Wenn Sendungen unter diesen Umständen bei der Anlieferung verwechselt und einem falschen Zielort zugeordnet würden, begründe dies ein Versagen im Einzelfall, bei dem nicht auf eine grundsätzlich mangelnde Kontrolle der Beklagten zu 2 oder auf ein besonders gewichtiges Verschulden der Beklagten zu 2 geschlossen werden könne. Es spreche vieles dafür, von einer solchen versehentlichen Verwechslung im Einzelfall auch dann auszugehen, wenn tatsächlich kein Fehlverhalten des anliefernden Fahrers, sondern eine unzutreffende Zuordnung der Ablageplätze durch Mitarbeiter der Beklagten zu 2 vorgelegen hätte. Ein gesteigerter Verschuldensvorwurf im Sinne eines leichtfertigen Verhaltens könne darin nicht gesehen werden.
32
Ein leichtfertiges Verhalten der Beklagten zu 2 ergebe sich auch nicht im Zusammenhang mit der Markierung. Die diese Markierung vornehmenden Mitarbeiter der Beklagten zu 2 hätten von einer richtigen Zuordnung des Frachtguts zu den jeweiligen Zielhäfen ausgehen dürfen. Selbst wenn die Ware der Versicherungsnehmerin, wie von der Klägerin behauptet, mit einem den Bestimmungsort ausweisenden Packzettel versehen gewesen wäre, würde der fehlende Abgleich nicht zur Annahme qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 führen, weil der Packzettel nicht die Funktion habe, Auskunft über das Transportziel der Ware zu geben, sondern der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware diene.
33
(2) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat damit zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen der Beklagten zu 2 gestellt.
34
Wenn die auf den Frachtstücken üblicherweise angebrachte Markierung - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die fehlerfreie Zuordnung der Sendungen zu den jeweiligen Destinationen ermöglichte und ihr Fehlen deshalb eine besondere Gefahr der Fehlleitung und der Verwechslung mit anderen nicht markierten Sendungen begründete, hätte eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation der Beklagten zu 2 es erfordert, nicht markierte Sendungen einer besonderen Behandlung zu unterziehen und beispielsweise mit den Lieferpapieren oder den Packzetteln abzugleichen. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie die Beklagten behaupten - das Gut der Versicherungsnehmerin nicht nur ohne Markierung, sondern gänzlich ohne identifizierende Kennzeichnungen an den Packstücken angeliefert worden sein sollte.
35
Es würde daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens begründen, wenn sich die Beklagte zu 2 allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen hätte. Die Beklagte zu 2 nimmt nach ihrem eigenen Vortrag keinen Abgleich von Stückzahl, Abmessungen und Gewicht der bei ihr angelieferten Sendungen mit den Lieferpapieren vor, weder bei der Anlieferung per Lkw noch bei der Verladung der Sendungen in Container. Im Streitfall ist ein solcher Abgleich auch bei der Nachmarkierung der Sendung der Versicherungsnehmerin unterblieben. Nach dem Vorbringen der Klägerin wäre bei einem derartigen Abgleich hinsichtlich der Stückzahl und der Abmessungen die Verwechslung aufgefallen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könnte auch der fehlende Abgleich mit einem den Bestimmungsort der Ware ausweisenden Packzettel ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass ein Packzettel der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware dient und nicht Auskunft über das Transportziel der Ware geben soll. Entscheidend ist, dass der Bestimmungsort der Ware anhand des Packzettels festgestellt werden kann. Es begründet daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens, wenn Zweifel am Bestimmungsort der Ware nicht anhand des Packzettels ausgeräumt werden.
36
Aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann allerdings nicht beurteilt werden, ob die Beklagte zu 2 danach ein qualifiziertes Verschulden trifft, weil sie sich allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen und den Bestimmungsort der Sendung der Versicherungsnehmerin nicht selbst überprüft hat. Im Streitfall steht nicht fest, wie es zu einer Verwechslung der beiden Sendungen bei der Beklagten zu 2 gekommen ist. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Sendung (wie von den Beklagten behauptet) ohne jegliche Kennzeichnung, insbesondere ohne Absender- oder Empfängerangabe, angeliefert worden war oder ob sie (wie von der Klägerin behauptet) mit einem angehefteten Packzettel versehen war, der ihren Bestimmungsort erkennen ließ. Ebensowenig ist festgestellt, aufgrund welcher Informationen der Anlieferungsfahrer und die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 die Sendungen den für die entsprechenden Destinationen vorgesehenen Aufstellplätzen zugeordnet haben.
37
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 verneint hat.
38
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der fehlerhaften Markierung des Transportgutes habe es sich um die Schlechterfüllung einer speditionsrechtlichen Nebenpflicht (§ 461 Abs. 2 Satz 1, § 454 Abs. 2 HGB) gehandelt. Der Auftrag zur Markierung sei nicht als Werkvertrag zu qualifizieren; eine Schlechterfüllung dieses Auftrags könne daher keine Haftung nach §§ 280, 631 BGB begründen. Der Auftrag sei am Rande des bereits bestehenden Spediti- onsvertrages abgeschlossen worden, um eine für den Transport nach SaudiArabien zwingend erforderliche Markierung nachzuholen. Auf diesen Auftrag seien daher die für den Speditionsvertrag vereinbarten ADSp anwendbar. Danach hafte die Beklagte zu 1 für die fehlerhafte Markierung nur beschränkt.
39
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
40
aa) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , dass es sich bei der Nachmarkierung des Transportguts um eine speditionsrechtliche Nebenpflicht der Beklagten zu 1 gehandelt habe.
41
(1) Das Revisionsgericht kann die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter nur darauf überprüfen, ob gesetzliche oder anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - I ZR 176/07, NJW-RR 2010, 1410 Rn. 12 - Neues vom Wixxer, mwN). Die Revision zeigt keine derartigen Fehler auf.
42
(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kennzeichnung des Transportguts grundsätzlich nicht dem Spediteur oder dem als Frachtführer zu behandelnden Fixkostenspediteur (§ 459 Satz 1 HGB), sondern dem Versender obliegt (§ 455 Abs. 1 Satz 1, § 411 Satz 3 HGB). Von diesem Grundsatz kann allerdings durch Parteivereinbarung abgewichen werden (zur dem Versender obliegenden Verpackung vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - I ZR 150/10, TranspR 2012, 148 Rn. 33). Im Streitfall hat die Beklagte zu 1 die Markierung des Guts aufgrund eines entsprechenden Auftrags der Versicherungsnehmerin übernommen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungs- gericht angenommen, dass die Markierung der Sendung gegenüber dem Speditionsvertrag keine eigenständige Bedeutung hatte, sondern lediglich die noch fehlende Voraussetzung für die Durchführung des Transports schaffen sollte. Sie war dem Speditionsvertrag untergeordnet und ist deshalb als Nebenleistung anzusehen.
43
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass für diese Nebenpflicht die Regelungen des Speditionsvertrags zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 gelten und damit auch die in diesen Vertrag einbezogenen ADSp. Die Beklagte zu 1 kann sich danach auf die Haftungsbeschränkungen von Ziffer 23.1.3 ADSp berufen. Die Voraussetzungen einer unbegrenzten Haftung nach Ziffer 27 ADSp sind nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Beklagten zu 1 weder ein qualifiziertes Verschulden noch die Verletzung vertragswesentlicher Pflichten im Sinne von Ziffer 27.1 ADSp vorzuwerfen. Die Verletzung von Nebenpflichten durch die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 begründet keine unbeschränkte Haftung nach Ziffer 27.2 ADSp. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf § 461 Abs. 1 HGB und nicht auf die Regelungen des § 461 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 454 Abs. 2 HGB, die die Haftung für Schäden infolge der Verletzung von Nebenpflichten zum Gegenstand haben.
44
II. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 wendet. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung rechtfertigt die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht.
45
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Versicherungsnehmerin mit der Beklagten zu 2 keinen Vertrag geschlossen hat, aus dem sich ein Anspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 ergeben könnte. Sowohl den Transportauftrag als auch den Auftrag zur Markierung hat die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 oder aber die S. L. Ltd. oder die Sa. Sh. GmbH der Beklagten zu 2 einen entsprechenden Markierungsauftrag erteilt hat. Die Versicherungsnehmerin war jedenfalls nicht Auftraggeberin der Beklagten zu 2.
46
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können allerdings Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 aus einem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin nicht verneint werden.
47
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur nachträglichen Markierung der Sendung um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin gehandelt hat. Das Vorliegen eines solchen Vertrags, der eigene Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 begründen könnte, ist deshalb im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen. Dasselbe gilt für entsprechende Ansprüche der Versicherungsnehmerin aus dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur Umladung der Sendung in Seecontainer, die das Berufungsgericht nicht ausdrücklich geprüft hat.
48
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach § 334 BGB könne die Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen erheben, welche ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Es seien seefrachtrechtliche Vorschriften anzuwenden, weil die von der Beklagten zu 2 vorgenommene Umladung im Zusammenhang mit dem von der S. L. Ltd. zu erbringenden Seetransport erfolgt sei. Die Beklagte zu 2 habe die Markierungsarbeiten aufgrund einer Beauftragung im Zusammenhang mit ihrer Umladeverpflichtung vorge- nommen. Sie könne sich deshalb auf das Verstreichen der Jahresfrist des § 612 HGB aF berufen. Ob sich dasselbe aus den von der S. L. Ltd. als Reederin vorgelegten Konossementsbedingungen ergebe, könne offen bleiben. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
49
Da der Seetransport nicht der Beklagten zu 2, sondern derS. L. Ltd. oblag, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten zu 2 vorzunehmende Umladung und die in diesem Zusammenhang beauftragten Markierungsleistungen im Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin als eine Nebenpflicht im Zusammenhang mit dem Seetransport anzusehen sind. Für diese Leistung gilt daher nicht das Seefrachtrecht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Rechtsnatur des der Beklagten zu 2 erteilten Auftrags getroffen. Es ist denkbar, dass die Beklagte zu 2 allein mit dem Umschlag des Transportguts beauftragt war. In dem isoliert vereinbarten Umschlag von Transportgut ist eine frachtvertragliche Leistung zu sehen, bei der sich die Haftung des Umschlagunternehmens nach den §§ 425 ff. HGB richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2014 - I ZR 100/13, TranspR 2014, 283 Rn. 8; Koller aaO § 407 HGB Rn. 10a mwN; Herber, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 21 II 3 a). Danach käme eine Haftung der Beklagten zu 2 gegenüber ihrer Auftraggeberin und - bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - gegenüber der Versicherungsnehmerin nach § 437 HGB in Betracht. Für solche Ansprüche gilt die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB, die bei qualifiziertem Verschulden eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsieht.
50
C. Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
51
I. Soweit es die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage angeht, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob diese für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 einzustehen hat und für den eingetretenen Schaden in weitergehendem Umfang haftet. Da die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 vorgetragen hat und nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten nicht angenommen werden kann, die Beklagte zu 2 habe ihren Kontrollpflichten genügt , ist davon auszugehen, dass ein grober Organisationsmangel vorliegt. Unter diesen Umständen obliegt es grundsätzlich der Beklagten zu 1, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechenden Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 122/99, TranspR 2002, 448, 452 mwN; Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 30). Das Berufungsgericht wird daher insbesondere dem bestrittenen Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, der Beklagten zu 2 habe die fehlerhafte Zuordnung der für Saudi-Arabien bestimmten Sendung der Versicherungsnehmerin durch den Fahrer der H. Z. GmbH nicht auffallen können.
52
II. Das Berufungsgericht wird ferner erneut zu prüfen haben, ob Schadensersatzansprüche der Klägerin aus auf sie übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 in Betracht kommen. Dabei wird es zu erwägen haben, ob die der Beklagten zu 2 erteilten Aufträge zur Umladung und zur Markierung der Sendung der Versicherungsnehmerin als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin anzusehen sind (zu den Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 16 f. mwN). Eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 durch die Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation kommt nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Auftraggeberin der Beklagten zu 2 ihre Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 an die Versicherungsnehmerin abgetreten hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 181/08, TranspR 2010, 376 Rn. 47 bis 51; Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, TranspR 2015, 167 Rn. 22).
Koch Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2013 - 87 O 41/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 05.09.2014 - 3 U 15/14 -

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

16

a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als Selbstständige oder als abhängig Beschäftigte ausübte und ob sie der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

2

Die 1970 geborene Beigeladene zu 1) war in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 für die Klägerin, einem Unternehmen für Logistik- und Transportdienstleistungen, im Transportdienstleistungsbereich tätig. Einer der Hauptkunden der Klägerin ist die Firma H Logistik Deutschland GmbH (im folgenden H GmbH). Die H GmbH ist Logistik-Dienstleister. Sie beauftragt selbständige Unternehmer mit der Zustellung von Sendungen.

3

Der Geschäftsführer der Klägerin ist gleichzeitig Geschäftsführer der T Diese erbringt auf der Grundlage eines Satellitendepotvertrages mit der H GmbH Transportdienstleistungen. Mit der Klägerin ist ein solcher Satellitendepotvertrag nach deren Angaben nicht geschlossen worden. Allerdings hat auch die Klägerin einen schriftlichen Kooperationsvertrag geschlossen, der dem Satellitendepotvertrag weitgehend entspricht. Bei der Durchführung von vertraglich geschuldeten Leistungen für die H GmbH muss die Klägerin die von der H GmbH vorgegebenen standardisierten Formulare und Sachmittel verwenden und die im "H Qualitätshandbuch" vorgegebenen Serviceanforderungen erfüllen.

4

Die Beigeladene zu 1) war nach eigenen Angaben zuvor bereits im Paketdienstgewerbe tätig, und zwar ab dem 1.12.2009 zusammen mit ihrem Ehemann für das Transportunternehmen N K. Dieses Unternehmen war wiederum ebenfalls für die H GmbH tätig und benutzte die gleichen Formulare wie die Klägerin.

5

Die Beigeladene zu 1) hatte am 12.7.2010 ein Gewerbe für eine Tätigkeit im Internethandel und Paketdienst bei der Verbandsgemeindeverwaltung A angemeldet. Sie erwarb zwecks Durchführung ihrer Tätigkeit von der T GmbH einen gebrauchten Ford Transit Kastenwagen für 4000 Euro. Am 14.3.2011 erfolgte die Abmeldung des Gewerbes.

6

Ein zwischen ihr und der Klägerin am 26.8.2010 geschlossener "Unternehmer-Partnerschaftsvertrag" enthielt folgende Regelungen:

7

1. Grundlagen

8

1.1. Der Auftragnehmer erbringt die Dienstleistung gegenüber dem Kunden des Auftraggebers selbständig im Auftrag des Auftraggebers. Die selbständige Erledigung des Auftrages erfordert die Anmeldung eines Gewerbes. Der Auftragnehmer handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Gewerbeanmeldung ist dem Auftraggeber schriftlich nachzuweisen. Die Ausführung der Einzelaufträge erfolgt durch den Auftragnehmer selbst oder durch unselbständige Dritte. In jedem Fall hat der Auftragnehmer zu gewährleisten, dass die Auftragsausführung nach den gesetzlichen sowie sonstigen sicherheitstechnischen Vorschriften erfolgt.

9

1.2. Der Auftragnehmer führt seinen Gewerbebetrieb unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, weiter unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) sowie der für das Transportwesen geltenden besonderen Regelungen (z.B. Ladungssicherheit, Lenkzeitverordnung, Straßenverkehrsordnung, Vorschriften der Berufsgenossenschaft u.a.). Der Auftragnehmer führt die von ihm zu leistenden Steuern regelmäßig an das Finanzamt ab.

10

1.3. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für die Dauer des Vertrages dafür Sorge zu tragen, dass etwaige öffentlich rechtliche Genehmigungen vorliegen und sein Gewerbebetrieb auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht so organisiert ist, dass die nach diesem Vertrag geschuldeten Leistungen erfüllt werden können. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, Änderungen in seinem Unternehmen, die insbesondere auch dessen Leistungsfähigkeit (z.B. die Anzahl der Mitarbeiter oder den Fuhrpark) betreffen, dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Der Auftragnehmer ist damit einverstanden, dass der Auftraggeber jederzeit Auskunft über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers verlangen kann. Der Auftraggeber hat das Recht sich, auch durch unangemeldete Kontrollen, bei dem Auftragnehmer von der Qualität der Leistungserbringung zu vergewissern.

11

1.4. Die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen dürfen nicht ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers zur selbständigen Ausführung auf andere Dritte übertragen werden.

12

1.5 Bei Verletzung von Pflichten sowie von sonstigen Kriterien, die gegen eine Unternehmenseigenschaft sprechen, ist der Auftragnehmer dem Auftraggeber zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet.

13

1.6 Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber schriftlich darüber zu informieren, falls er als Kleinstunternehmer nach § 19 UStG geführt wird.

14

2. Qualität der Leistungen

15

2.1. Der Auftragnehmer haftet für die ordnungsgemäße Durchführung der übernommenen Aufgaben. Weiterführende Beschreibungen der Aufgaben sind im H Qualitätshandbuch (aktuelle Auflage) definiert. Er stellt die Qualität der Leistungserbringung auch durch seine Mitarbeiter stets sicher. Erfüllt ein Mitarbeiter des Auftragnehmers nicht die Anforderungen des Auftraggebers, kann dieser verlangen, dass der betreffende Mitarbeiter für Auslieferungen nicht mehr eingesetzt wird.

16

2.2 Die vom Auftragnehmer eingesetzten Mitarbeiter tragen während der Zustell- oder Abholtätigkeit eine geeignete, gepflegte Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung. Der Auftragnehmer kann vom Auftraggeber diese Berufskleidung zum marktüblichen Preis entgeltlich erwerben.

17

2.3. Für die nach diesem Vertrag geschuldeten Transportleistungen stellt der Auftragnehmer in erforderlicher Anzahl Kraftfahrzeuge zur Verfügung. Die Fahrzeuge sind mit dem Hinweis "im Auftrag der H Logistik Gruppe" zu versehen. Der Auftragnehmer kann vom Auftraggeber solche Hinweistafeln anfordern. Darüber hinaus ist an den Fahrzeugen während der Dauer der Erbringung der Dienstleistung für den Auftraggeber keine Werbung zulässig. Die Fahrzeuge sind in einer neutralen Farbe (weiß) zu halten.

18

3. Vertragsgebiet

19

3.1. Der Auftragnehmer erbringt seine Transportdienstleistungen in dem in der Anlage 1 a beschriebenen Vertragsgebiet. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, seine ablauforganisatorischen Verfahren in unveränderter und uneingeschränkter Form fortzuführen.

20

Änderungen in der räumlichen Festlegung des Zustellgebiets sind zwischen den Parteien schriftlich zu vereinbaren.

21

3.2. Der Auftraggeber ist berechtigt, in diesem Vertragsgebiet selbst tätig zu werden.

22

3.3. Dem Auftragnehmer können vom Auftraggeber auch Transportdienstleistungen in anderen als dem Vertragsgebiet übertragen werden.

23

4. Vergütung

24

4.1. Der Auftragnehmer erhält für seine Transportdienstleistung eine Vergütung entsprechend der Anlage 1 zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer. Bei Kleinstunternehmern nach § 19 UStG erfolgt keine Auszahlung der Mehrwertsteuer. Vergebliche Kundenanfahrten werden nicht vergütet.

25

4.2. Die Vereinbarungen über die Vergütung sind unabhängig von den übrigen Bestimmungen dieses Vertrages gesondert mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsende durch den Auftraggeber kündbar. Die Kündigung bedarf der Schriftform.

26

4.3. Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber Gutschriften für seine Dienstleistungen jeweils bis zum 15. des Folgemonats für den Vormonat. Die Zahlung erfolgt innerhalb von 30 Tagen nach Erstellung der Gutschrift. Der Auftraggeber ist berechtigt, Teil- und Abschlagszahlung zu leisten, ein Anspruch seitens des Auftragnehmers entsteht darauf nicht.

27

Der Auftraggeber ist berechtigt, Kosten für Sachmittel nach Anlage 3 oder andere Forderungen wie z.B. Mietwagen, Schadenersatz von Sendungen bei der Auszahlung zu verrechnen.

28

Maßgebend für die Berechnung der monatlichen Mengen sind die mittels Scanner erfassten, zugestellten und der beim Kunden abgeholten Sendungen, sowie der Zeitpunkt der Übertragung der Scannerdaten an die Vertragspartner des Auftraggebers (z.B. H L GmbH H ).

29

4.4. Eine Auszahlung kann nur erfolgen, wenn dem Auftraggeber alle Unterlagen des Auftragnehmers vorliegen, die für eine ordnungsgemäße Buchführung notwendig sind (insbesondere Gewerbeanmeldung und Steuernummer).

30

4.5 In der Anlage 1 ist für die Sendungsklasse 100 bereits ein Qualitätsbonus in Höhe von 0,05 EUR je Paket enthalten. Wird die Qualität (H Zustellvorgabe) am Monatsende nicht erreicht, wird der Qualitätsbonus wieder in Abzug gebracht.

31

5. Haftung und Versicherungsschutz

32

5.1. Der Auftragnehmer haftet nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Sendung in der Zeit von der Übernahme der Sendung bis zu Ablieferung oder durch eine Überschreitung der Auslieferfrist entsteht. Das gleiche gilt für Handlungen und Unterlassungen derjenigen Personen, derer sich der Auftragnehmer bei der Ausführung der Transportdienstleistungen bedient. Eine Sendung gilt als übergeben, sobald Sie mit dem Scanner erfasst wurde.

33

5.2. Die vom Auftragnehmer zu leistende Entschädigung wegen Verlust, falscher Zustellung oder Beschädigung von Sendungen wird durch den Vertragspartner des Auftraggebers (z.B. H ) festgesetzt und entspricht dem tatsächlichen Wert der Sendung zuzüglich festgesetzter Vertragsstrafen. Der Auftragnehmer bestätigt, dass er über die Vertragsstrafen in Kenntnis gesetzt wurde. Der Auftragnehmer haftet generell mindestens in dem Umfang, wie der Auftraggeber von seinen Auftraggebern (z.B. H ) in Regress genommen wird.

34

5.4. Die Haftungsbegrenzung gilt nicht, wenn der Schaden auf eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlung des Auftragnehmers oder von ihm eingesetzter Personen zurückzuführen ist. Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften einer Haftungsbefreiung oder Haftungsbegrenzung unterliegt, hat er nachzuweisen, dass er nicht vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, gehandelt hat.

35

5.4. Bei etwaigen durch den Auftragnehmer verursachten Schadensfällen wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer innerhalb von 21 Tagen nach Eintritt des Schadens eine vorläufige Schadensmeldung einreichen. Bei Transportverlusten, die dem Auftragnehmer zuzurechnen sind, besteht für den Auftraggeber eine Anmeldefrist von 8 Monaten beginnend ab dem Transportdatum.

36

5.5. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für einen ausreichenden Versicherungsschutz Sorge zu tragen. Er hat eine Schadensversicherung für die von ihm beförderten Güter abzuschließen. Er tritt schon jetzt dem annehmenden Auftraggeber den Anspruch auf Leistung aus der Versicherung gegen die Versicherung an den Auftraggeber ab. Der Auftragnehmer ist ferner verpflichtet, eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die entsprechenden Versicherungspolicen sind dem Auftraggeber vom Auftragnehmer auf Anforderung jederzeit vorzulegen.

37

5.6. Der Auftragnehmer haftet für Schäden an den ihm mietweise überlassenen Sachmitteln.

38

6. Leistungsverzug

39

6.1. Erbringt der Auftragnehmer die ihm obliegenden Transportdienstleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß, ist er unter Fristsetzung zur vertragsgemäßen Leistungserbringung aufzufordern. Die Fristsetzung kann unterbleiben, wenn die Leistungserbringung als Terminsache keinen Aufschub duldet oder der Auftragnehmer - auch mündlich - die Leistung verweigert.

40

6.2. Im Fall des Leistungsverzuges ist der Auftraggeber berechtigt, einen Dritten zu beauftragen oder selbst tätig zu werden. Der entstehende Aufwand ist von dem Auftragnehmer zu tragen. Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.

41

Der Auftragnehmer zahlt für jeden Einzelfall des Verzuges eine Vertragsstrafe in Höhe von 70 Euro (in Worten siebzig Euro) an den Auftraggeber.

42

7. Vertraulichkeit, Datenschutz, Konkurrenzklausel

43

7.1. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die sich aus der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ergebenen Kenntnisse, insbesondere über Geschäftsbeziehungen, Kunden und Ablauforganisation, das Warenverteilungskonzept, sowie die Ablauforganisation vertraulich zu behandeln. Die gleiche Verpflichtung wird der Auftragnehmer auch den von ihm eingesetzten Personen auferlegen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vereinbarte Vertraulichkeit auch nach Beendigung des Vertrages fort gilt.

44

7.2. Der Auftragnehmer ist damit einverstanden, dass personenbezogene Daten vom Auftraggeber über dessen elektronische Datenverarbeitung verarbeitet werden. Ihm ist bekannt, dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Auftragnehmer kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen.

45

7.3 Die Parteien sind verpflichtet, personenbezogene Daten nur dem Vertragszweck und den jeweils gültigen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) entsprechend zu verarbeiten. Das Postgeheimnis ist zu wahren. Hiermit erfüllt die jeweils übermittelnde Partei ihre Hinweispflicht nach § 28 Abs. 4 BDSG.

46

7.4 Der Auftragnehmer ist frei, selbständig am Markt weitere Leistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung dieses Vertrages nicht beeinträchtigen.

47

8. Vertragsstrafe

48

8.1. Verstößt der Auftragnehmer gegen die Verpflichtung zum Nachweis des Gewerbes (Ziff. 1.1) oder nach Ziffer 4, so zahlt er für jeden Fall des Verstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 2500 Euro (in Worten Zweitausendfünfhundert Euro) an den Auftraggeber. Gleiches gilt für einen schuldhaften Verstoß des Auftragnehmers im Hinblick auf seine Qualifikation zur Durchführung des Auftrages durch den Auftragnehmer selbst oder von ihm beauftragte oder angestellte Dritte.

49

8.2. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.

50

9. Vertragsdauer

51

9.1 Der Vertrag tritt am 01.09.2010 in Kraft und ersetzt alle vorherigen Verträge.

52

9.2. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

53

9.3 Der Vertrag kann von beiden Vertragspartnern mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Maßgeblich für die Einhaltung der Kündigungsfrist ist der Eingang beim Auftraggeber.

54

9.4. Das Recht zur außerordentlichen - fristlosen - Kündigung bleibt unberührt. Als wichtiger Grund, der die sofortige Beendigung des Vertrages rechtfertigt, gilt insbesondere

55

Kündigung des Dienstleistungsvertrages der H gegenüber dem Auftraggeber

56

Einleitung eines Insolvenzverfahrens

57

wiederholte mangelhafte Leistungserbringung durch den Auftragnehmer

58

oder wiederholte nicht Erfüllung der Qualitätsanforderungen durch den Auftragnehmer

59

Vermögensdelikte an zur Beförderung übergebenen Sendungen

60

10. Schlussbestimmungen

61

10.1. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für eine Änderung der Schriftformklausel selbst. Auch eine Aufhebung des Vertrages ist nur schriftlich möglich.

62

10.2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt.

63

Die Parteien werden die unwirksame oder die nichtige Bestimmung im gegenseitigen Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der ursprünglich gewollten Bestimmung am nächsten kommt.

64

10.3. Die diesem Vertrag beigefügten Anlagen sind wesentliche Bestandteile des Vertrages. Sollten die Anlagen im Widerspruch zu diesem Vertrag stehen, gegen die Regelungen dieses Vertrages vor. Dies gilt auch für zukünftig dem Vertrag beizufügende Anlagen.

65

10.4. Der Auftragnehmer kann lediglich mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung gegen eine Forderung des Auftraggebers aufrechnen. Ansonsten ist jede Aufrechnung durch den Auftragnehmer ausgeschlossen.

66

10.5 Im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses sind beide Parteien verpflichtet, alle von der anderen Partei überlassenen Sachmittel und Unterlagen vollständig und in ordnungsgemäßem Zustand unverzüglich zurückzugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht an den überlassenen Sachmitteln sowie an den im Besitz des Auftragnehmers befindlichen Sendungen ist ausgeschlossen. Deren Herausgabe hat jederzeit auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu erfolgen.

67

10.6. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Koblenz

68

Dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag waren jeweils gesondert unterzeichnete Anlagen beigefügt (Anlage 1 Preisvereinbarung, gültig ab 1.9.2010, Anlage 2 Abwicklungsbeschreibung, Anlage 3 Sachmittel, Anlage 4 Strafenkatalog), die Gegenstand des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages waren. Auf deren Inhalt wird verwiesen.

69

Am 5.5.2011 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

70

Neben dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag und dessen Anlagen legte die Beigeladene zu 1) verschiedene Gutschriften für geleistete Paketdienste vor, außerdem eine Aufstellung "Verbindliche Tourenelemente zu Anlage 1 Unternehmer-Partnerschaftsvertrag", mit handschriftlichem Vermerk "Fr. K S gültig bis 30.9.2010", ein Schreiben der Klägerin vom 2.8.2010, in dem der Beigeladenen zu 1) bestätigt wurde, dass ihr "die Tour" bestimmter namentlich genannter Personen verbindlich angeboten werde, die Zulassung für einen Kleintransporter (Ford Transit) und ihre Kündigung vom 15.2.2010 zum 28.2.2010.

71

Die Beigeladene zu 1) führte auf Nachfrage der Beklagten aus, dass die gefahrene Tour, die eine Gültigkeitsdauer bis zum 30.9.2010 gehabt habe, ihrem Mann und ihr in dieser Form angeboten worden sei. Aufgrund der Größe der Tour sei in den Monaten November und Dezember 2010 eine Arbeitszeit von bis weit nach 21 Uhr nötig gewesen. Im Januar 2011 seien ohne weitere Absprache Orte aus der Tour entfernt und an andere Unternehmer verteilt worden. Verhandlungen über den Betrag oder die Tour seien nicht geführt worden. Sonderfahrten für Koffer, Fahrräder oder Großteile hätten nicht abgelehnt werden können, auch eine Preisverhandlung sei nicht angenommen worden. Es sei ihnen nicht freigestellt gewesen, eine Rechnung zu schreiben, sondern die Klägerin habe auf der Erteilung von Gutschriften bestanden. Hilfskräfte, die nur nach vorheriger Absprache hätten eingestellt werden können, habe sie nicht eingestellt. Dienstbeginn sei um 7.30 Uhr gewesen, das Zuspätkommen sei mit einer Geldstrafe geahndet worden. Es habe die Verpflichtung bestanden, den Zuliefer-Lkw auszuladen, die Ware einzuscannen, zu sortieren, die Tour zu scannen, die Ware zu verladen und auszuliefern. Die Ablehnung einer Zustellung sei meist untersagt worden. Das Fahrzeug habe sie von der Firma T erworben, es aber wieder mit einem bestimmten Verkaufspreis zurückgeben müssen. Der zeitliche Rahmen für die Tätigkeit sei festgelegt gewesen, die Kunden hätten bis maximal 21 Uhr angefahren werden können. Spezielle Terminzustellungen seien vorgeschrieben worden. Die Touren seien festgelegt gewesen und geändert worden, wenn man zu schnell mit der Tour fertig gewesen sei. Gelegentlich habe man Waren eines anderen Unternehmers zustellen müssen, dies sei vom Geschäftsführer bestimmt worden. Eine eigene Absprache mit anderen Unternehmern sei untersagt worden. Es habe eine Pflicht zur Erledigung von Terminzustellungen und Abholaufträgen bestanden, eine Verweigerung sei nicht angenommen worden. Die Arbeitsmittel hätten gemietet werden müssen (Scanner, Fahrzeuge), andere Sachen (Scannertasche, Bekleidung) hätten gekauft werden müssen. Dienstkleidung sei vorgeschrieben gewesen. Die Fahrzeuge hätten auf eigene Kosten angeschafft oder von ihr gemietet werden können. Eigene Kundenwerbung sei nicht betrieben worden. Gehaftet habe man selbst. Die Versicherungspflichten seien vertraglich geregelt gewesen.

72

Die Klägerin führte hierzu aus, der Beigeladenen zu 1) seien keine Vorschriften hinsichtlich der Dauer und des Endes ihrer Arbeitszeit gemacht worden. Außerdem verfüge die Beigeladene zu 1) über zwei eigene Kfz. Sie habe einen eigenen Mitarbeiter, Herrn U S , eingesetzt. Es seien keine Touren vorgegeben worden, sondern die Beigeladene zu 1) habe selbst entschieden, welche Sendungen sie in welcher Reihenfolge zustelle. Die Touren seien nur geographisch aufgeteilt gewesen. Eine Ablehnung von Aufträgen sei möglich gewesen. Nach Absprache hätten Orte zusätzlich mitgenommen werden können, dazu habe aber keine Verpflichtung bestanden. Es erfolge eine Qualitätskontrolle durch sie und ihren Kunden, die H GmbH, der Richtlinien in einem Qualitätshandbuch vorgebe. Sei ein Zusteller verhindert, habe er selbst für Ersatz zu sorgen, ansonsten drohe eine Vertragsstrafe. Sachmittel würden nicht zur Verfügung gestellt, für den Scanner sei eine Sachmittelpauschale zu entrichten. Der Zusteller hafte für Schäden und Verluste. Es bestünden insofern deutliche Unterschiede zu ihren eigenen Angestellten.

73

Mit Schreiben vom 18.7.2011 wurden die Klägerin und die Beigeladene zu 1) nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 7a ff SGB lV angehört. Die Beklagte teilte in ihrem Schreiben mit, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ab dem 1.9.2010 zu erlassen. Somit würde Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung dem Grunde nach bestehen.

74

Mit an die Klägerin und an die Beigeladene zu 1) gerichteten Bescheiden vom 12.9.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Bereich Paketzustellung bei der Klägerin vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale. Die Beigeladene zu 1) sei seit dem 1.9.2010 auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung für die Klägerin tätig. Aus der Tätigkeit für mehrere Vertragspartner könne nicht zwangsläufig auf das Nichtvorhandensein einer abhängigen Beschäftigung geschlossen werden, da auch bei abhängiger Beschäftigung eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber/Arbeitgeber möglich sei. Hinsichtlich der Ausgestaltung der von der Beigeladenen zu 1) zu erbringenden Arbeiten habe nur ein geringer Gestaltungsspielraum bestanden. Einem erheblichen unternehmerischen Risiko habe sie nicht unterlegen, unternehmerische Chancen seien ihr nicht eröffnet worden. Die im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Einwände führten nicht zu einer anderen Entscheidung. Mit der Aufnahme der Beschäftigung sei Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung eingetreten. Zwar sehe § 7a Abs 6 Satz 1 SGB IV vor, dass die Versicherungspflicht beim Vorliegen gewisser Voraussetzungen erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten eintrete. Der Antrag nach § 7a Abs 1 SGB IV sei aber nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung am 1.9.2010 gestellt worden, sondern erst im Mai 2011.

75

Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass die Eheleute S wohl schon länger im Kurierdienstgewerbe tätig seien und je nach wirtschaftlicher Situation abwechselnd ein Gewerbe angemeldet hätten. In welchem Umfang diese als Selbständige gewerblich tätig gewesen seien, sei ihr nicht bekannt. Jedenfalls seien beide an sie herangetreten, um eine bestimmte Tour zu übernehmen. Die Angaben der Beigeladenen zu 1) seien von der Beklagten unkritisch übernommen worden. Der Beigeladenen zu 1) habe es freigestanden, zu entscheiden, wie sie wann und wo welche Sendungen in welcher Reihenfolge zustelle.

76

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.2.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Widerspruchsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte.

77

Am 27.2.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben.

78

Die Klägerin hat vorgetragen, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei keine abhängige Beschäftigung. Vielmehr betätige sich die Beigeladene zu 1) selbständig, indem sie Leistungen im Bereich des Paketdienstes erbringe. Für welche weiteren Auftraggeber die Beigeladene zu 1) tätig werde sei ihr nicht bekannt. Tatsache sei, dass sie bereits ein selbständiges Gewerbe betrieben habe, bevor sie mit ihr einen Vertrag geschlossen habe. Sie habe gewerbliche Dienstleistungen für das Transportunternehmen K erbracht. Es sei nicht bekannt, ob sie das Gewerbe abgemeldet habe. Sie sei nicht in ihren Betrieb und ihre Organisation eingebunden gewesen. Es seien keine Touren vorgegeben gewesen, sondern es sei lediglich das Gebiet (A W ) vertraglich festgelegt gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe durch den Abschluss des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages eine eigene unternehmerische Entscheidung getroffen und Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht. Sie habe eigene Betriebsmittel eingebracht und eigene Mitarbeiter und mehrere Fahrzeuge eingesetzt, so dass sie einem unternehmerischen Risiko unterlegen sei. Sie habe von der T GmbH, deren Geschäftsführer mit ihrem Geschäftsführer identisch sei, einen gebrauchten Ford Transit Kastenwagen für 4000 Euro erworben. Darüber hinaus habe sie noch zwei Fahrzeuge des Typs Ford Sierra Kombi (grün und rot) im Einsatz gehabt. Der Einsatz von Kombifahrzeugen und Kastenwagen sei im Kurierdienst und im Paketdienstgewerbe absolut üblich. Dies könne der Zeuge S S , einer ihrer Mitarbeiter, bestätigen. Er könne auch bestätigen, dass sie die Touren A und W mit eigenen Fahrzeugen gefahren sei.

79

Mit Beschluss vom 19.7.2012 hat das SG K S gemäß § 75 Abs 2 SGG zu dem Rechtsstreit beigeladen.

80

Das Gericht hat die Beigeladene zu 1) in einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu ihrer Tätigkeit für die Klägerin befragt. Außerdem hat es den Geschäftsführer der Klägerin D T zu der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 15.11.2013 verwiesen.

81

Mit Urteil vom 15.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen und es habe Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden. Voraussetzung für die festgestellte Versicherungspflicht sei, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) um eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV handele. Dies sei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Eine abhängige Beschäftigung sei Grundlage für die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Beschäftigung sei die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Wichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, gäben letztere den Ausschlag. Aus dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag ergäben sich Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit, etwa das Fehlen von Ansprüchen auf Urlaub, Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung oder auch die umfangreichen Haftungsregelungen. Eine Übertragung von Transportleistungen auf Selbständige habe der Zustimmung der Klägerin bedurft. Sie habe die Transportleistungen durch eigene Pkw erbringen müssen, aber Arbeitsmittel der Klägerin benutzen und dafür bezahlen müssen. Sie habe vorgeschriebene Arbeitskleidung nutzen und den PKW mit Hermes-Emblemen markieren müssen. Die Beigeladene habe ihren Umsatz/Gewinn nicht durch eigene unternehmerische Tätigkeiten steigern können und sei abhängig gewesen von den ihr von der Klägerin überlassenen Transportaufträgen. Sie habe die angelieferten Sendungen unter der Kontrolle eines Mitarbeiters der Klägerin einscannen müssen. Durch das Erfassen jeder Auslieferung mittels Scanner sei eine umfassende Kontrolle durch die Klägerin jederzeit möglich gewesen. Hiermit korrespondiere auch die Abrechnung der Leistungen, da nicht die Beigeladene diese der Klägerin in Rechnung gestellt, sondern die Klägerin anhand der Scannerprotokolle Abrechnungen (Gutschriften) erteilt habe, was gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Eine eigene Entscheidungsbefugnis von einiger Bedeutung habe hinsichtlich der Beigeladenen nicht bestanden. Die Auslieferung der eingescannten Sendungen sei vorgeschrieben und die Nichterfüllung anhand eines umfangreichen Stationskataloges strafbewehrt gewesen. Das Gebiet sei vorgegeben gewesen und auch die Anzahl der Sendungen habe die Beigeladene nicht beeinflussen können. Dass für die Beigeladene die Möglichkeit bestanden habe, im Rahmen der grundsätzlich vorgegebenen Tour die einzelnen Ausbildungsorte in gewissem Umfang selbst festzulegen, bilde demgegenüber keine eigene unternehmerische Entscheidung. Insgesamt sei die Auslieferung nach der Abwicklungsbeschreibung streng reglementiert gewesen und habe keinen Spielraum für eigene Entscheidungen gelassen. Bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei.

82

Gegen das ihr am 16.12.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.1.2014 Berufung erhoben.

83

Die Klägerin macht im Berufungsverfahren weiter geltend, durch das Benutzen bestimmter Arbeitsmittel, hier eines Scanners, das Tragen bestimmter Arbeitskleidung oder das Markieren eines Fahrzeugs mit einem Emblem werde die Selbständigkeit nicht in Frage gestellt. Das SG habe verkannt, dass die Beigeladene zu 1) insgesamt drei Fahrzeuge im Einsatz gehabt habe. Zwischen ihr und ihrem Ehemann habe ein Arbeitsverhältnis bestanden und sie sei auch für andere Auftraggeber im Paketdienst tätig gewesen. In ihrer unternehmerischen Betätigung sei sie nicht behindert worden. Sie habe den Kontakt zu ihr, der Klägerin, gesucht und nicht umgekehrt. Als maßgebliche Eingliederung in den Betrieb sei nicht zu werten, dass die Warensendungen von der Beigeladenen zu 1) hätten eingescannt werden müssen. Das Scannerprotokoll habe der Feststellung des Gefahrübergangs und der Abrechnung gedient. Eine eigene Entscheidungsbefugnis habe bestanden, auch wenn die Auslieferung der eingescannten Pakete vorgeschrieben und die Nichterfüllung anhand eines umfangreichen Sanktionskatalogs strafbewehrt gewesen sei. Denn es habe der Beigeladenen zu 1) freigestanden, einen solchen Vertrag abzuschließen. Außerdem habe die Reihenfolge der Anfahrten und die Aufteilung der Touren freigestanden. Es habe auch ein Preiszuschlag für Artikel über 31 Kilogramm ausgehandelt werden können. Auch die Standardpreise hätten bei Vertragsschluss ausgehandelt werden können. Dass ziemlicher Druck geherrscht haben solle habe die Beigeladene zu 1) zwar behauptet, aber nicht näher konkretisiert. Auch habe keine enge Qualitätskontrolle durch die Firma Hermes bestanden. Es habe im streitgegenständlichen Zeitraum nur eine einzige Schulungsmaßnahme durch die H GmbH stattgefunden. Das SG habe im Übrigen versäumt, die als präsente Zeugen zum Termin am 15.11.2013 gestellten Zeugen S S und A H zu vernehmen. Die Zeugin H , die im Personalbüro arbeite, könne bestätigen, dass die Tätigkeiten von Angestellten der Klägerin nicht mit Transportdienstleistungen der Beigeladenen zu 1) vergleichbar seien. Angestellte hätten jeweils nur eine Tour, zu der sie von der Disponentin vorher eingeteilt würden. Die Angestellten müssten Boten mitnehmen und würden auf allen Touren im Wechsel eingesetzt. Sie erhielten die Arbeitsmittel und -kleidung kostenlos, benutzten Firmenfahrzeuge mit einer Tankkarte und erhielten einen Stundenlohn.

84

Der Senat hat Auskünfte der Beigeladenen zu 1) eingeholt. Auf deren Inhalt wird verwiesen. Außerdem hat sich der Senat die Richtlinien der H GmbH ("H - Qualitätshandbuch") und den Kooperationsvertrag der T mit der H GmbH ("Satellitendepot-Vertrag") vorlegen lassen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird verwiesen.

85

Mit Beschluss vom 26.11.2014 hat der Senat die für die Beigeladene zu 1) zuständige Krankenkasse, die Pflegekasse sowie die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 75 Abs 2 SGG zu dem Rechtsstreit beigeladen.

86

Die Klägerin beantragt,

87

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als Selbständige absolviert hat und somit nicht als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag,

88

hilfsweise die Zeugen S S und A H zu vernehmen.

89

Die Beklagte beantragt,

90

die Berufung zurückzuweisen.

91

Die Beklagte erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen neuen Erkenntnisse. Sie hat vorgetragen, zwar sei die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen nach der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.1.2012 - L 11 R 1138/10 grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit anzusehen, der Betroffene werde aber nicht alleine deshalb zum Selbständigen. Darüber hinaus habe sich die Beigeladene zu 1) im Verwaltungsverfahren dahingehend geäußert, dass die Touren überwiegend von der Klägerin festgelegt worden seien und es kaum Mitspracherechte gegeben habe. In einem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.1.2014 - L 1 KR 358/12 sei ein ähnlicher Sachverhalt entschieden worden. Auch dort sei die Auftragnehmerin mit einem eigenen Fahrzeug tätig gewesen und habe keine eigene Werbung aufbringen dürfen. Das eigene Fahrzeug sei nicht als ausschlaggebendes Indiz gewertet worden.

92

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

93

Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keinen eigenen Antrag gestellt.

94

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

95

Die Rücknahme der Berufung durch den Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Urteils entfaltete keine Wirkung, weil die Beklagte die nach § 156 Abs 1 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Zustimmung nicht erklärte.

96

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

97

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das erstinstanzliche Urteil ist daher nicht zu beanstanden.

98

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 bei ihr abhängig beschäftigt und es bestand Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.

99

Bei der am 5.5.2011 bei der Beklagten eingegangenen Anfrage der Beigeladenen zu 1) handelte es sich um einen Antrag im Rahmen eines sog. Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV. Danach können die Beteiligten eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers dazu beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt oder nicht. Die Beklagte hat in diesem Anfrageverfahren zutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterlag sowie in einem Versicherungspflichtverhältnis nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 24 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) stand. Die Beklagte hat außerdem zutreffend ausgeführt, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausübte. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV liegen aufgrund des nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellten Antrags nicht vor.

100

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R).

101

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt der Prüfung des Status der Beigeladenen zu 1) der geschlossene Unternehmer-Partnerschaftsvertrag vom 26.8.2010 nebst dessen Anlagen 1 - 4, die nach Ziffer 10.3 wesentliche Bestandteile des Vertrages geworden sind. Änderungen und Ergänzungen jenes Vertrages, die zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft hätten (Ziffer 10.1. des Vertrages), sind nicht aktenkundig.

102

Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbständige Tätigkeit spricht, sollte die Beigeladene zu 1) als Selbständige Transportdienstleistungen erbringen (Ziffer 1 des Vertrages). Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die streitgegenständliche Zeit angemeldet (Ziffer 1.3. des Vertrages). Sie hatte keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen (Ziffer 5 des Vertrages).

103

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. In der sogenannten "Freelancer-Entscheidung" des BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07, die die Sozialversicherungspflicht eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens betrifft, hat das BSG ausgeführt, dass dem Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, (nur) dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn zusätzlich zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sind, wenn dieser Wille nämlich 1. den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er 2. durch weitere Aspekte gestützt wird. Aus den Entscheidungsgründen dieses BSG-Urteils ist zu entnehmen, dass die Annahme eines Unternehmerrisikos dann gerechtfertigt ist, wenn die Tätigkeit z.B. den Zweck verfolgt, eine erworbene Pilotenlizenz aufrechtzuerhalten, für deren Erwerb ein hohes Eigenkapital (dort 40.000 bis 50.000 Euro) eingesetzt wurde. Ein vergleichbares Risiko trug die Beigeladene zu 1) nicht. Der Wille wird auch nicht durch weitere Aspekte gestützt, wie im Folgenden noch dargelegt werden wird.

104

Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es - abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Lkw und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.8.2003 - B 2 U 38/02 R). Vorliegend erbrachte die Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit einem von der Klägerin gestellten Fahrzeug, sondern mit einem selbst erworbenen Fahrzeug (Kastenwagen) oder mit einem von ihrem Ehemann erworbenen Fahrzeug des Typs Ford Sierra (Ziffer 2.3. des Vertrages). Weitere Fahrzeuge waren nach ihren unwiderlegten Angaben nicht auf sie angemeldet. Allerdings führt dies jedoch nicht bereits zum Erfolg der Berufung. Wie bereits das LSG Berlin-Brandenburg ausgeführt hat (Urteil vom 17.1.2014 - L 1 KR 358/12) entspricht es keinem Unternehmerrisiko in dem hier maßgeblichen Sinne, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüber stehen. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Vorliegend war die Beigeladene zu 1) nach Ziffer 2 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages verpflichtet, das von ihr eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis "im Auftrag der H -Logistikgruppe" zu versehen, andererseits wurde ihr keine weitere Werbung gestattet. Einem möglichen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen daher keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer kann die selbständige Tätigkeit nicht am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann und daher auch kein wesentliches unternehmerisches Risiko bestand. Abgesehen vom eigenen Pkw für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H -Scanner hielt die Beigeladene zu 1) keine eigene Betriebsstätte vor, tätigte keine Investitionen und nahm kein weiteres Risiko auf sich. Es handelte sich bei dem gekauften Fahrzeug auch nicht um einen Neuwagen, sondern um einen günstigen Gebrauchtwagen, den ihr der Geschäftsführer der Klägerin für 4000 Euro verkaufte, der auch gleichzeitig der Geschäftsführer der T GmbH war, so dass jedenfalls keine vergleichsweise höhere Investition erfolgte, als es auch bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern üblich ist, die einen eigenen Pkw für den Weg zur Arbeitsstelle einsetzen.

105

Das SG hat auch zutreffend angenommen, dass es sich bei der Beigeladenen zu 1) nicht zuletzt auch angesichts der fehlenden Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder einer Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92 nicht um eine selbständige Frachtführerin im Sinne der §§ 407 ff HGB gehandelt hat. Aber auch ungeachtet der (ausschließlich) für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbstständigem Gewerbetreibenden (§§ 407ff HGB) sind bei weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und Empfängers des Frachtgutes Transportfahrer jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich wie abhängig Beschäftigte einzuordnen, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bestimmungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (BSG-Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R). So lag der Fall hier. Im Ergebnis war die Beigeladene zu 1) wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Ihr Tagesablauf war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihr Möglichkeiten geboten haben sollen, ihre Verdienstchancen durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

106

Vorliegend liegt auch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte die Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen Rahmens, d.h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden. Die Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Kunden. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages. Die Tätigkeit wurde in einem eigenen PKW, d.h. einem durch die Klägerin zugewiesenen Dienstort, verrichtet. Es erfolge eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation und in die betrieblichen Abläufe der Klägerin.

107

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit der Beigeladenen zu 1) und ihre strikte Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.3.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist. Auch Transportfahrer können daher selbst bei einer für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbstständige Gewerbetreibende bei weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes (§§ 407ff HGB) sowie Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96) jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen. So liegt der Fall hier.

108

Im vorliegenden Fall enthielt der Unternehmer-Partnerschaftsvertrag - im Übrigen auch tatsächlich praktizierte Regelungen, die die Tätigkeit der Beigeladenen 1) engen Bindungen unterwarf.

109

So war die Beigeladene zu 1) nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Klägerin Transportleistungen auf Dritte zu übertragen (Ziffer 1.4. des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages). Ein selbständiger Frachtführer ist einer derartigen Beschränkung regelmäßig nicht unterworfen. Sie musste ihr Fahrzeug außerdem mit dem Logo "im Auftrag der H L Gruppe" versehen (Ziffer 2.3. des Vertrages). Eigene Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin der Beigeladenen zu 1) Vorschriften (Ziffer 2.3. des Vertrages). Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Die Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung (H kleidung) tragen, so dass das Tätigwerden als Selbständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wurde mit 5 Euro bestraft (Ziffer 2.2. des Vertrages, Anlage 4), was ebenfalls für eine Eingliederung in den Betrieb und gegen eine eigene unternehmerische Position spricht. Der Hauptkunde der Klägerin, die H GmbH, verbot letztlich den für sie tätigen Fahrern sogar, bei ihrer Tätigkeit kurze Hosen zu tragen - mit Ausnahme der zum H Bekleidungsangebot befindlichen Hosen (Satellitendepotvertrag: Ziffer 3.4.)

110

Die Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Abgesehen davon, dass den Transportdienstleistern feste morgendliche Anfangszeiten vorgegeben waren, deren Nichtbefolgung Sanktionen nach sich zog (Anlage 1, Ziffer 1 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages und Anlage 4 des Vertrages: morgendliche Ankunft nach dem vertraglich festgesetzten Zeitpunkt 8.15 Uhr: 20 Euro), war der Dienstleister sehr engen Weisungen unterworfen. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt (Ziffer 3.1. des Vertrages) und auch wenn die Klägerin mehrfach betonte, dass keine "Touren" gefahren worden seien, so ist doch in den zu den Akten gelangten (Vertrags-) und sonstigen Unterlagen wiederholt von "Touren" die Rede. Der Beigeladenen zu 1) wurde beispielsweise in einem Schreiben der Klägerin vom 2.8.2010 "die Tour von Frau H oder Herrn P " und eben nicht nur der Zustellbezirk verbindlich angeboten. Die Beigeladene zu 1) war zwar festen Zustellbezirken zugeordnet, es gab aber auch Touren, wonach bestimmte Ziele in einer bestimmten Reihenfolge untereinander aufgelistet waren. Auch in der Abwicklungsbeschreibung (Anlage 2) ist davon die Rede, dass der Dienstleister verpflichtet ist, "alle Pakete seiner Tour" und nicht seines Zustellbezirks auszusortieren. Die Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Das Nichteinhalten der "vorgegebenen Scanreihenfolge" war strafbewehrt (Anlage 4, Strafenkatalog), was nur bedeuten kann, dass es eben doch eine bestimmte Scanreihenfolge gegeben hat und der Dienstleister allenfalls in einem geringen Umfang die Auslieferungsorte in einer für ihn optimale Reihenfolge wählen konnte, was allerdings keine ins Gewicht fallende unternehmerische Entscheidung darstellt. Es wurden nach dem Aussortieren aller Pakete seiner Tour auch "alle Sendungen auf das Fahrzeug des Dienstleisters gescannt und direkt geladen". Die Auslieferung der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen (vgl. die Abwicklungsbeschreibung, Anlage 2 des Vertrages). Aus dem Strafenkatalog (Anlage 4 zum Vertrag) ergibt sich, dass Premiumsendungen und Eilsendungen in einem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster zuzustellen waren. Es mussten nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch Sendungen von anderen Touren übernommen werden, wenn diese von den Fahrern nicht transportiert werden konnten. Sendungen durften nicht in der Nachbarschaft abgegeben werden. Dies wäre ebenfalls mit 5 Euro pro Sendung bestraft worden. Retourenabholkarten mit Anfahrtermin waren ebenfalls wie Eilsendungen zu behandeln. Eine Änderungsabsprache mit den Kunden war nicht gestattet. Dies entspricht auch den vertraglich vereinbarten Regelungen. Die Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären. Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Eine Zustellung einer Premiumsendung außerhalb des Zeitfensters wurde mit einer hohen Strafe, nämlich 70 Euro Strafe pro Sendung, geahndet. Dass - angesichts dieser ausnehmend hohen Strafe für eine einmalige Verfehlung, nämlich ein nur einmaliges verspätetes Zustellen, zumal ohne Exkulpationsmöglichkeit - insgesamt ein ziemlicher "Druck" herrschte, wie die Beigeladene zu 1) im Termin vor dem SG mehrfach, auch in anderem Zusammenhang (Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer und zur Teilnahme an Fahrerbesprechungen), betonte, ist daher ohne Weiteres nachvollziehbar und auch nicht weiter erklärungsbedürftig. Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt, außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H GmbH, nicht erfüllen könnte, weil dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig beim Kunden eintreffen würde. Selbst wenn man vorliegend annehme würde, dass die Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, was sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und auch mit Schriftsatz vom 30.5.2011 allerdings bestritten hat, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.1.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.2.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).

111

In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Die Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum der Klägerin von der H Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H -Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert war, war die Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Sie war auch über Ziffer 1.6 des Unternehmens-Partnerschaftsvertrages verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen, die sich insbesondere aus dem H Qualitätshandbuch ergaben (u.a. die 10 Grundregeln für die kundenorientierte Zustellung und Abholung wie beispielsweise dem Rauchverbot im eigenen Fahrzeug.

112

Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z.B. beim Ausfall eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen bestand. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb der Beigeladenen zu 1) auch kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, der es ihr ermöglicht hätte, ihre Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihr war es angesichts dieser - nicht auf Bedürfnissen der Kunden, sondern der H GmbH resultierenden Reglementierungen - folglich nicht möglich, aus eigener Initiative zusätzliches Frachtaufkommen zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

113

Entgegen der Behauptung der Klägerin beschäftigte die Beigeladene zu 1) auch keinen weiteren Mitarbeiter/Fahrer. Ihr Ehemann stand zu ihr nach ihren unwiderlegten Angaben nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern nach ihren unwiderlegten Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat in einer GbR, d.h. nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis, wie es für ein Beschäftigungsverhältnis erforderlich wäre. Mit dem Fahren verschiedener Fahrzeuge durch ein Ehepaar ist auch nicht zwingend der Einsatz von einem oder mehreren Arbeitnehmern verbunden, wovon die Klägerin offenbar ausgeht. Selbst wenn insgesamt mehrere Fahrzeuge von den Eheleuten S. gehalten worden wären, lässt dies keine Schlussfolgerungen auf den Einsatz von Arbeitnehmern schließen, für deren Beschäftigung Arbeitgeberpflichten verletzt worden sein könnten, wie von der Klägerin in ihren Schriftsätzen mehrfach angedeutet. Es ist weit verbreitet, dass ein Ehepaar zwei Fahrzeuge hält, ohne dass hieraus Rückschlüsse auf den beruflichen Hintergrund der Anschaffung gezogen werden können. Die Fahrzeuge können ohne Weiteres auch dem nicht beruflich veranlassten Eigenbedarf dienen.

114

Dass die Klägerin zuvor bereits Transportleistungen für ein anderes Logistikunternehmen (N K ) erbracht hatte trifft zwar zu, ist allerdings vor dem Hintergrund zu würdigen, dass dieser wiederum selbst für die H GmbH tätig wurde, so dass die Beigeladene zu 1) auch damals quasi nur das letzte Glied in der Kette darstellte. Im Übrigen hat sie Transportleistungen nach ihren unwiderlegten Angaben lediglich in kleinem Umfang für die Firma N K erbracht. Da nur das konkrete Rechtsverhältnis zu betrachten ist, spielt der Umfang des Tätigwerdens für einen anderen Auftraggeber oder Arbeitgeber auch keine entscheidende Rolle.

115

Außerdem unterlag die Beigeladene zu 1) einer außergewöhnlich umfassenden Kontrolle in allen für den Geschäftszweck wichtigen Fragen. Besonders deutlich wird dies in der Regelung, wonach sich die Beigeladene zu 1) sogar vertraglich verpflichtete, jederzeit Kontrollen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zuzulassen (Ziffer 1.3. des Vertrages). Eine derartige Vertragsgestaltung ist besonders untypisch für eine unternehmerische Tätigkeit.

116

Schließlich hat nicht die Beigeladene zu 1) der Klägerin für ihre Dienstleistungen Rechnungen vorgelegt, sondern diese hat umgekehrt Gutschriften anhand der Scannerprotokolle erstellt. Auch die Höhe der Vergütung ist nach der Überzeugung des Senats entgegen der Mitteilung der Klägerin zwischen den Vertragspartnern nicht verhandelt worden. Die Preisgestaltung war nicht verhandelbar, sondern ergab sich aus § 4 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages und der Anlage 1 des Vertrages zur Preisgestaltung, in der detailliert die Preise für jede Art von Leistung aufgelistet sind und ist, was entscheidend ist, deckungsgleich mit derjenigen, die die H GmbH ihren Vertragspartnern regelmäßig vorgibt (vgl. Satellitendepotvertrag mit der T , § 5), so dass im Grunde die Vorgaben der H GmbH an die Beigeladene zu 1) lediglich übertragen worden sind und nicht deren Einfluss unterlagen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass im Unternehmer - Partnerschaftsvertrag an zahlreichen Stellen auf Standards der H Gruppe und auf deren Richtlinien ("H Qualitätshandbuch") Bezug genommen wird. Auch wenn zwischen der Klägerin und der Hermes Gruppe kein Satellitendepotvertrag zustande gekommen ist, ergibt sich durch die mehrfachen Bezugnahme im Unternehmer-Partnerschaftsvertrag auf die Standards und Regelungen der H Gruppe, dass diese auch im Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen zu 1) galten. Nach Ziffer 9.4. des Partnerschaftsvertrages sollte das Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen und als wichtiger Grund, der die sofortige Beendigung des Vertrages rechtfertigt, gelten, dass eine Kündigung des Dienstleistungsvertrages der H gegenüber dem Auftraggeber erfolgt. Auch diese Regelung zeigt deutlich die in diesem Dreiecksverhältnis bestehende enge Verbindung bzw. Abhängigkeitsverhältnis.

117

Diese Regelungen entsprachen nicht nur der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern im Übrigen auch der praktizierten gelebten Beziehung und war auch angesichts der engen personellen Verflechtung der T mit der Klägerin, deren Geschäftsführer identisch ist, zu erwarten.

118

Es fehlte nicht nur an unternehmerischen Risiken, sondern auch an unternehmerischen Chancen. Der Einsatz ihres eigenen Fahrzeuges verschaffte der Beigeladenen zu 1) auch keine wesentlichen unternehmerischen Freiheiten. Der Zeuge ..., ein Mitarbeiter der Klägerin, brauchte zur Frage der Anzahl, zum Typus und zur Farbe der von der Beigeladenen zu 1) gefahrenen Fahrzeuge nicht befragt zu werden. Es waren unstreitig tatsächlich zwei Fahrzeuge im Einsatz bei der Klägerin, nämlich neben dem (weißen) Kastenwagen mit dem Logo der Klägerin noch ein Fahrzeug des Typs Ford Sierra in roter Farbe. Selbst wenn der Zeuge ... beobachtet haben sollte, dass die Beigeladene zu 1) außerdem ein drittes Fahrzeug, nämlich einen Ford Sierra in grüner Farbe gefahren haben sollte, bedeutet dies, da Fahrer und Halter nicht identisch sein müssen, nicht automatisch, dass dieses Fahrzeug von ihr finanziert worden ist. Nur ein von ihr finanziertes Fahrzeug würde jedoch den Umfang des unternehmerischen Risikos überhaupt beeinflussen können. Seitens des Senats brauchte der Zeuge S auch nicht dazu befragt zu werden, dass der Einsatz von Kombifahrzeugen und Kastenwagen im Kurierdienst und im Paketdienstgewerbe absolut üblich ist. Dies ist dem Senat - auch aus bereits entschiedenen Verfahren - bekannt und kann als wahr unterstellt werden. Außerdem hat der Vortrag der Klägerin dazu, wozu der Zeuge S etwas sagen kann, gewechselt. Zunächst soll dieser von einem Kombi berichtet haben, den die Beigeladene zu 1) gefahren haben soll. Nachdem die Beigeladene zu 1) dies bestritten hat, soll es später dann eine Limousine gewesen sein. Außerdem "glaubt" der Zeuge S , so der Vortrag der Klägerin, sich daran zu erinnern, dass es sich um ein ehemaliges Polizeiauto gehandelt habe. Er meint, dass die Beigeladene zu 1) die Touren A und W mit "eigenen" Fahrzeugen gefahren sei, wobei dem Senat bereits bekannt und es auch unstreitig ist, dass die Beigeladene zu 1) nicht mit Fahrzeugen der Klägerin gefahren ist. Das auf den Ehemann der Beigeladenen zu 1) angemeldete Fahrzeug kann allerdings nicht bei der Beurteilung der unternehmerischen Risiken der Beigeladenen zu 1) berücksichtigt werden.

119

Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, ihre Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.3.2009 B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall hier.

120

Die Beigeladene zu 1) hat auf entsprechende Nachfrage des Senats vorgetragen, dass ihr ein eigenes unternehmerisches Handeln "nicht möglich" gewesen sei, weil sie "nur mit H -Aufschrift auf dem Fahrzeugen und mit H -Aufschrift auf ihrer Kleidung fahren durfte". Insgesamt war sie durch die für die Klägerin umfangreich zu erbringenden Leistungen auch in einem Ausmaß beansprucht - im November und Dezember 2010 bis weit nach 21 Uhr, so die Angaben der Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren, - dass ihr eine wesentliche zusätzliche Tätigkeit für andere Auftraggeber zur Überzeugung des Senats nicht mehr möglich war. Daraus wird deutlich, dass sie einer eigenen selbständigen Tätigkeit in einem nennenswerten Umfang nicht hätte nachgehen können. Dass die Beigeladene zu 1) keine anderen Endkunden akquirieren konnte, dürfte nicht an ihrer "Antriebsarmut" oder daran gelegen haben, dass sie "mit der Organisation ihres Unternehmens und ihrer persönlichen Lebenssituation überfordert" war, wie von der Klägerin in der Berufungsbegründung spekuliert wurde, sondern schlicht am Umfang der auszuliefernden Sendungen, der keinen Raum für anderweitiges Tätigwerden ließ. Dass die "Tour" der Beigeladenen zu 1) sehr umfangreich war, wird dadurch bestätigt, dass im Januar 2011 eine Änderung erfolgte und nur noch eine geringere Zahl von Sendungen von ihr ausgeliefert werden mussten.

121

Selbst wenn die Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber noch kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 9.5.2012 - L 5 R 23/12).

122

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass generell die Arbeitszeiten durch verschiedene Arbeitszeitmodelle zunehmend flexibler gestaltet worden sind. Auch die Inanspruchnahme freier Arbeitszeiten zwischen den Auslieferungsorten widerspricht damit nicht per se einem Arbeitnehmerstatus.

123

Das Erscheinungsbild der Beigeladenen zu 1) hat sich nicht grundlegend von einer abhängig beschäftigten Auslieferungsfahrerin unterschieden. Es kann dabei als wahr unterstellt werden, dass die Ausgestaltung der Tätigkeiten von Angestellten der Klägerin noch stärker auf eine abhängige Beschäftigung hinwies. Es kommt jedoch nicht auf die konkrete Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen anderer Mitarbeiter der Klägerin an, sondern auf die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der Beigeladenen zu 1). Dass hinsichtlich der fest angestellten Beschäftigten noch mehr Merkmale für eine abhängige Beschäftigung sprachen als bei der Beigeladenen zu 1) begründet keinen Zweifel daran, dass bei der Beigeladenen zu 1) die überwiegende Zahl der Merkmale für abhängige Beschäftigung spricht. Es war daher nicht erforderlich, hierzu die Zeugin A H aus dem Personalbüro der Klägerin zu vernehmen.

124

Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgte. Denn die Selbständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen Vertragsvereinbarung somit nicht zukommen.

125

Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.

126

Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit).

127

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

128

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen zu 1) sind zu erstatten, da sie einen Antrag gestellt hat. Die Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4) sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO).

129

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

130

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Bei einem Streit über den sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a SGB IV ist vom Regelstreitwert auszugehen, da sich der wirtschaftliche Wert der Feststellung der Versicherungspflicht nicht beziffern lässt (Urteile des Senats vom 9.12.2014 - L 6 R 235/12 und vom 10.12.2013 - L 6 R 44/13; Beschlüsse des Senats vom 8.7.2014 - L 6 R 69/14 B und vom 23.7.2014 - L 6 R 288/14 B).  

Gründe

Hauptschlagwort: abhängige Beschäftigung eigenes Kfz Kurierdienstfahrer Unternehmensstruktur

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. B., B-Straße, A-Stadt - -

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

vertreten durch das Direktorium, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin - -

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Beigeladen

1. C., C-Straße, A-Stadt

- Beigeladener -

2. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

3. AOK Bayern - Pflegekasse, Zentrale, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

4. Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit Nürnberg, Richard-Wagner-Platz 5, 90443 Nürnberg - 072-A731A01124- BEI/B-7350 -

- Beigeladene -

Der 7. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München

am 23. November 2015

durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Mayer, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Thanner und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Herz sowie die ehrenamtlichen Richter Kriesmair und Treffler

für Recht erkannt:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

IV.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) für dessen Tätigkeit bei der Klägerin als Kurierdienstfahrer in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010.

Die Klägerin übernimmt im Auftrag von H. die Zustellung von Paketen. Hierzu verfügt sie über eigene Kfz, die von bei der Klägerin angestellten Fahrern gefahren werden. Zusätzlich vergibt sie auch Aufträge an „Subunternehmer“ wie den Beigeladenen zu1), die die Aufträge von H. an die Klägerin als selbstständig Tätige ausführen sollen. Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. sind vertragliche Vereinbarungen, deren Einhaltung die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen muss.

Am 22.02.2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen nicht näher bezeichneten „Vertrag“, aufgrund dessen der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin als „Subunternehmer“ zum 01.03.2010 aufnahm, die zum 18.09.2010 endete. Am 19.03.2010 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten unter Vorlage des Vertrages einen Antrag auf Statusfeststellung. Der „Vertrag“ hat folgenden Inhalt:

1. Vertragsgegenstand

1.1. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Entgegennahme von Sendungen, sowie deren Transport und Verteilung im vereinbarten Zustellgebiet (siehe Anlage). Diese Sendungen sind an die entsprechenden Empfänger auszuliefern. Ferner sind sogenannte Retouren anzunehmen und zu transportieren. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass alle Paketshops im Betreuungsgebiet, für die der Fahrer zuständig ist, täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden.

1.2. Der Auftraggeber übt seine Tätigkeit selbstständig aus.

1.3. Für die Auslieferung von Sendungen benützt der Auftragnehmer und dessen Erfüllungsgehilfe die von H. zur Verfügung gestellten Medea-Scanner. Die Abarbeitung von Sendungen kann nur über diese Scanner durchgeführt werden. Die Scanner werden von H. zu einem festgesetzten Mietpreis pro Monat angemietet.

1.4. Der Auftragnehmer ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben verantwortlich. Im Falle seiner Verhinderung hat er selbst für eine entsprechende Vertretung zu sorgen.

Bedient sich der Auftragnehmer anderer Personen zur Vertragserfüllung, so hat er sicherzustellen, dass die Tätigkeiten mit der Sorgfalt erfüllt werden, wie durch den Auftragnehmer selbst.

Dem Auftraggeber sind für die eingesetzten Erfüllungsgehilfen und Mitarbeiter des Auftragnehmers, polizeiliche Führungszeugnisse und die Bestätigungen der Anmeldungen zur Sozialversicherung vorzulegen.

1.5. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er bzw. die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen während der Zustell- und Abholtätigkeit anhand ihrer vollständigen Oberkörper-Bekleidung als H.-Partner zu erkennen sind. Hierzu bezieht der Auftragnehmer Bekleidung aus dem offiziellen H.-Bekleidungsangebot in ausreichendem Umfang. Zum Tragen dieser Bekleidung im Rahmen einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit, sowie nach Beendigung der vorliegenden Zusammenarbeit ist der Auftragnehmer nicht berechtigt.

Seine Erfüllungsgehilfen wird er entsprechend verpflichten.

1.6. Weiter wird sichergestellt, dass der Transport nur mit ordentlichen Lieferfahrzeugen durchgeführt, wird. Das Fahrzeug muss entsprechend mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren ausgestattet sein. Das Fahrzeug ist beidseitig mit entsprechender Beschriftung als H.-Kurierfahrzeug zu kennzeichnen. Der Auftraggeber stellt die entsprechenden Beschriftungen gegen Selbstkosten zur Verfügung.

2. Vergütung

2.1. Für die gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages durchgeführten Leistungen erhält der Auftragnehmer die in der Anlage festgelegte Vergütung.

2.2. Über die Leistungen wird der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber monatlich zu Beginn des Folgemonats abrechnen.

2.3. Für Versicherungen jedweder Art hat der Auftragnehmer selbst zu sorgen. Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Auftragnehmers abgegolten.

2.4. Sofern der Auftragnehmer berechtigt ist, die Mehrwertsteuer auszuweisen, wird er dieses dem Auftraggeber schriftlich bestätigen.

3. Haftung

Der Auftragnehmer haftet für alle Personen-, Sach- und -Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen im Zusammenhang mit der Durchführung seines Auftrages verursachen.

Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften nur bei schuldhaftem Verhalten durch ihn oder einen durch ihn eingesetzten Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen haftet, hat der Auftragnehmer nachzuweisen, dass ihn oder den Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen ein Verschulden bei Entstehung des Schadens nicht trifft.

Ein Recht auf Zurückbehaltung der beim Auftragnehmer befindlichen Sendungen besteht nicht.

4. Laufzeit und Kündigung

4.1. Dieser Vertrag tritt zum 01.03.2010 in Kraft, läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

4.2. Unberührt bleibt das Recht beider Vertragspartner, den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Wichtige Gründe sind u. a. die Beantragung eines Vergleichs- oder Konkurs- oder sonstigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners, sowie ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Vertrages, insbesondere Diebstahl bzw. Unterschlagung von Sendungen.

5. Konkurrenzklausel und Vertraulichkeit

5.1. Der Auftragnehmer ist frei, selbstständig am Markt weitere Beförderungsleistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung des Vertrages nicht beeinträchtigen.

5.2. Der Auftragnehmer verpflichtet sich zur Einhaltung des Datengeheimnisses gemäß § 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wie folgt:

„Es ist dem Auftragnehmer untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als den zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen“. Die Verpflichtung des Auftragnehmers auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese Regelung gilt sinngemäß auch für Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers.

6. Schlussbestimmungen

6.1. Aufhebungen, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.

6.2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt. Die Parteien werden die nichtige Bestimmung im gegenseitigen Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen am nächsten kommt.

Mit Bescheid vom 14.01.2011 stellte die Beklagte nach entsprechender Anhörung fest, dass die auf der Grundlage dieses Vertrages ausgeübte Tätigkeit als Kurierdienstfahrer eine abhängige Beschäftigung sei und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 18.09.2010 bestanden habe.

Die zu beurteilende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer bestehe in der Entgegennahme von Sendungen, Transport und Verteilung der Sendungen im vereinbarten Zustellgebiet. Diese Tätigkeit sei bei Gesamtwürdigung der Merkmale als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzustufen. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien dabei:

- Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine Preisliste erfolgt.

- Die Tätigkeit sei nach den Grundregeln des H.-Qualitätshandbuchs erfolgt mit Vorgabe einer konsequenten Beachtung dieser Leitsätze (z. B. habe der Beigeladene zu 1) als Zusteller im Auftrag von H. erkennbar sein müssen).

- Notwendiger Einsatz eines gemieteten Scanners von H., dem Vertragspartner der Klägerin.

- Der Beigeladene zu 1) habe zwar keine festen Arbeitszeiten gehabt, aber die Auslieferung in einem bestimmten Zeitfenster vornehmen müssen.

- Der Beigeladene sei nicht im Besitz der Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes oder der Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92.

- Die Paketshops im Betreuungsgebiet hätten täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden müssen.

- Vertragliche Verpflichtung zur H.-Bekleidung während der Tätigkeit.

- Vertragliche Verpflichtung zur Ausstattung des Fahrzeugs mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren.

- Vertragliche Verpflichtung zur Beschriftung des Fahrzeugs als H. Kurierfahrzeug.

- Eine Vertretung des Beigeladenen zu 1) habe zwar von diesem theoretisch eingesetzt werden können, die persönliche Ausübung der Tätigkeit sei jedoch die Regel gewesen.

Demgegenüber würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit nicht wesentlich ins Gewicht fallen:

- Keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Annahme von Aufträgen.

- Der Beigeladene zu 1) habe eine eigene Werbung/Kundenakquisition betrieben.

- Bestehende Haftung des Beigeladenen zu 1) für alle Personen-, Sach-, Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungsgehilfe bei Durchführung seines Auftrags verursachen.

- Eigener Pkw des Beigeladenen zu 1).

Im Ergebnis sei der Beigeladene zu 1) mit Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig gewesen. Der Antrag auf Statusfeststellung sei zwar innerhalb des Monats der Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden. Die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien jedoch nicht erfüllt, weil Versicherungsschutz des Beigeladenen zu 1) zur Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen worden sei.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Zwar habe der Beigeladene zu 1) entscheiden können, ob er Aufträge angenommen oder abgelehnt habe. Im Statusfeststellungsverfahren werde jedoch eine Tätigkeit erst beurteilt, wenn ein solcher Einzelauftrag zustande gekommen sei.

Mit Annahme sei eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Eine Ablehnung von angebotenen Aufträgen sei dem Beigeladenen zu 1) im gleichen Maße möglich gewesen, wie ein Arbeitnehmer die Möglichkeit habe, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz abzulehnen. Bei Annahme eines Angebotes im Einzelfall bestehe dann eine abhängige Beschäftigung.

Nicht entscheidend sei, ob und wie die Klägerin im Einzelfall Einfluss auf die Tätigkeit genommen und von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht habe. Ein wesentlicher Gestaltungsspielraum bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung sei nicht gegeben gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe nicht vorgelegen. Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine vorgegebene Preisliste erfolgt. Insoweit sei der Beigeladene zu 1) mit anderen Arbeitnehmern vergleichbar wie z. B. Stücklohn-, Akkord-, oder Heimarbeitern. Ein Unternehmensrisiko ergebe sich auch nicht aus dem geleasten Fahrzeug.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil vom 14.08.2014 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 auf. Der Beigeladene zu 1) sei nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, da er selbstständig tätig geworden sei. Im Ergebnis würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit deutlich überwiegen:

- Der Beigeladene zu 1) habe als Arbeitsmittel ein eigenes Kfz benutzt.

- Der Beigeladene zu 1) habe den H.-Scanner monatlich mit 15,00 Euro bezahlen müssen.

- Der Beigeladene zu 1) habe die H.-Berufsbekleidung zwar käuflich erwerben müssen. Eine Pflicht zum Tragen dieser Kleidung habe jedoch nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin nicht bestanden. Der Beigeladene zu 1) habe die Kleidung lediglich getragen, damit ihm die Türen von Kunden geöffnet wurden. Beim Tragen der Berufskleidung sei daher nicht die Werbung für H. im Vordergrund gestanden, sondern die Erkennbarkeit des Beigeladenen zu 1) als Mitarbeiter eines Zustelldienstes.

- Der Beigeladene zu 1) sei auch befugt gewesen, für dritte Auftraggeber tätig zu sein und habe dies auch getan. Für ein- bis eineinhalb Monate habe er zusätzlich Auslieferfahrten für Apotheken zur Nachtzeit durchgeführt.

- Zwar habe der Beigeladene zu 1) einen festen Zustellbezirk gehabt und in diesem Bezirk auch alle Pakete ausfahren müssen. Allerdings habe die Möglichkeit bestanden, dass der Beigeladene zu 1) seinen Arbeitsumfang hätte erweitern oder verringern können durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Zustellbezirke.

- Die Beigeladene zu 1) habe das Qualitätshandbuch von H. nicht gekannt bzw. dieses nicht für seine Tätigkeit herangezogen.

- Der Beigeladene zu 1) sei nicht verpflichtet gewesen, die Dienstleistung persönlich zu erbringen. Im Übrigen habe der Beigeladene zu 1) erklärt, er habe einen Praktikanten für zwei Wochen als Fahrer eingesetzt, wofür dieser jedoch kein Geld erhalten habe.

- Im Krankheitsfalle habe der Beigeladene zu 1) selbst für Ersatz sorgen müssen. Dies sei jedoch in der Praxis nicht vorgekommen.

- Der Beigeladene zu 1) habe einen Steuerberater beschäftigt.

- Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) lasse sich von der Tätigkeit der bei der Klägerin fest angestellten Fahrer abgrenzen. Diese würden kurzfristig einspringen, falls ein selbstständiger Fahrer ausfällt und keinen Ersatz beschafft. Dabei benutzten die Festangestellten jedoch kein eigenes Fahrzeug, sondern ein Fahrzeug der Klägerin. Sie würden auch nicht nach Stückzahl bezahlt, sondern nach Stunden.

- Der Beigeladene zu 1) habe ein unternehmerisches Risiko getragen, weil er sämtliche Arbeitsmittel habe vorfinanzieren müssen, auch den Treibstoff für Fahrzeug, ohne dass festgestanden hätte, in welchem Umfange er Einnahmen erzielen würde bzw. ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen würden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Das Gesamtbild der Tätigkeit ergebe, dass der Beigeladene zu 1) in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen sei. Dies ergebe sich aus der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Vorgaben der Klägerin, wobei die Klägerin ihrerseits wieder vertraglich gegenüber H. verpflichtet gewesen sei, die Einhaltung der zahlreichen Vorgaben durch H. an sie durch entsprechende Kontrollen beim Beigeladenen zu 1) sicherzustellen.

Die Durchführung der Auftragsentwicklung sei einseitig durch die Klägerin vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe nicht durch Optimierung seiner Arbeitsweise seine unternehmerischen Fähigkeiten nutzen können. Dem Beigeladenen zu 1) seien lediglich unternehmerische Risiken aufgebürdet worden, ohne dass dementsprechende unternehmerische Chancen gegenüberstanden hätten.

Insbesondere spreche die Form der Vergütung gegen eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) habe keine Möglichkeit gehabt, über die Höhe des Entgelts für seine Tätigkeit frei zu verhandeln. Die Höhe der Vergütung habe sich nach der Anzahl der auszuliefernden Güter und den dafür jeweils von der Klägerin festgelegten Stückpreisen laut Anlage zum Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ergeben. Die H. Logistikgruppe Deutschland GmbH habe sich im Übrigen gegenüber der Klägerin verpflichtet, unter bestimmten Umständen für Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) einzutreten.

Im Kontext der vertraglichen Beziehungen und ihrer tatsächlichen Durchführung trete in den Hintergrund, dass der Beigeladene zu 1) ein eigenes Fahrzeug zur Leistungserbringung eingesetzt habe (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R).

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Klägerseite verweist auf das Urteil des Sozialgerichts, das ihrer Überzeugung nach zutreffend ist. Der Beigeladene zu 1) sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, noch habe er Weisungen unterlegen. Der Beigeladene zu 1) habe die übliche Tätigkeit von Frachtführern ausgeübt, wie sie von Arbeitnehmern aber vor allem auch von Selbstständigen erbracht werden könnte. Hier habe der Beigeladene zu 1) ein eigenes Unternehmensrisiko gehabt. Er habe zunächst mit einem eigenen Fahrzeug die Leistung erbracht und dann später ein Fahrzeug geleast, ohne dass die Klägerin mit dem Leasingvertrag etwas zu tun gehabt hätte.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011, mit dem festgestellt wurde, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 als Kurierdienstfahrer versicherungspflichtig war in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.08.2014 ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen, da dieser rechtmäßig ist und die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Beigeladene zu 1) war Kurierdienstfahrer für die Klägerin nach den über die Klägerin an den Beigeladenen zu 1) weitergeleiteten engen Vorgaben von H. und damit abhängig beschäftigt (vgl. zu einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14).

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R).

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt für die Prüfung des Status des Beigeladenen zu 1) der geschlossene, nicht näher definierte „Vertrag“. Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbstständige Tätigkeit spricht, sollte der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger Transportdienstleistungen erbringen. Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die streitgegenständliche Zeit angemeldet. Er hatte nach dem Vertrag keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen.

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist jedoch weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr sind die relevanten Merkmale zu gewichten.

Vorliegend erbrachte der Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nicht mit einem von der Klägerin gestellten Fahrzeug, sondern mit einem eigenen Fahrzeug. Allerdings führt dieses Merkmal nicht automatisch zur Beurteilung einer Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es - abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - nicht allein darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Kfz und die damit einhergehende Lastentragung allerdings in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R).

Insbesondere muss sich ein besonderes Unternehmensrisiko aus dem eigenen Kfz ergeben. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer kann die selbstständige Tätigkeit allerdings nicht vornehmlich am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104). Es entspricht dann keinem Unternehmerrisiko, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüber stehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.01.2014 - L 1 KR 358/12; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104).

Hier fehlt es beim Beigeladenen zu 1) insgesamt an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen vom eigenen Pkw für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H.-Scanner nahm der Beigeladene zu 1) kein weiteres Risiko auf sich, tätigte keine Investitionen und hielt auch keine eigene Betriebsstätte vor.

Vorliegend war der Beigeladene zu 1) nach dem „Vertrag“ verpflichtet, das von ihm eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis „im Auftrag der H.-Logistikgruppe“ zu versehen; andere Werbung wurde ihm auf dem Kfz nicht gestattet. Einem möglichen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Möglichkeiten, seinen Verdienst im Rahmen seiner Tätigkeit wesentlich zu beeinflussen hatte der Beigeladene zu 1) nicht. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung war nicht verhandelbar und wurde so auch dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb dem Beigeladenen zu 1) kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, der es ihm ermöglicht hätte, seine Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihm war nicht möglich, aus eigener Initiative von der Klägerin bzw. H. zusätzliches Frachtaufkommen zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit für die Klägerin zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) war wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender und damit nach der gesetzlichen Wertung regelmäßig selbstständiger Frachtführer. Sein Tagesablauf war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihm Möglichkeiten geboten haben sollen, seine Verdienstchancen durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) verfügt im Übrigen auch über keine Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder eine Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92, die es ihm erlauben würde, als selbstständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB tätig zu werden.

Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin liegt vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte der Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen Rahmens, d. h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden. Der Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Vorgaben durch H.. Seine Gestaltungsmöglichkeiten erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages.

Der Beigeladene zu 1) musste zur Durchführung der Aufträge sein Fahrzeug mit dem Logo „im Auftrag der H. Gruppe“ versehen. Eigene Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Vorschriften. Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Zeitlich nahm den Beigeladenen zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin ohnehin so in Anspruch, dass er weitere Aufträge - abgesehen von einer kurzzeitigen Tätigkeit als Apothekenfahrer - nicht übernahm.

Der Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung H. tragen, so dass das Tätigwerden als Selbstständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Dass dadurch Paketempfänger eher bereit waren - wie die Klägerseite dargelegt hat - dem Beigeladenen zu 1) die Türe zu öffnen, bestätigt gerade die Notwendigkeit der Einbindung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) sollte nach außen hin gerade nicht als Selbstständiger auftreten sondern als Mitarbeiter des Auftraggebers der Klägerin erkennbar seien.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.03.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist.

Der Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt, ebenso die Touren. Die Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Die Sendungen mussten mit dem Scanner von H. gescannt werden. Die Auslieferung der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen. Premiumsendungen und Eilsendungen waren in einem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster zuzustellen. Der Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären. Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Inwieweit der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bewusst am Qualitätshandbuch von H. ausrichtete, kann dabei dahingestellt bleiben. Letztlich musste die Klägerin die Vorgaben von H. gegenüber dem Beigeladenen zu 1) durchsetzen.

Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt, außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H. GmbH, nicht erfüllen könnte, weil dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig beim Kunden eintreffen würde.

Selbst wenn man annehme würde, dass der Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.01.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.02.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).

In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Der Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum der Klägerin von der H. Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H.-Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert war, war der Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Er war auch verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen, die sich insbesondere aus dem H.-Qualitätshandbuch ergaben.

Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z. B. beim Ausfall eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen bestand. Dies zeigt gerade auch die einzige zusätzliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im streitrelevanten Zeitraum. Der Beigeladene zu 1) übernahm in dieser Zeit nur für ein- bis eineinhalb Monate zusätzliche Auslieferungen für eine Apotheke - und dies auch nur zur Nachtzeit.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, seine Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.03.2009, B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall hier. Der Beigeladene zu 1) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum - zumindest bis 13.09.2011 - keinen weiteren bei ihm abhängig beschäftigte Mitarbeiter/Fahrer. Ob für den Beigeladenen zu 1) tatsächlich ein Praktikant zwei Wochen - wie behauptet unentgeltlich - Fahrten übernommen hat, spielt insoweit keine Rolle.

Auch spielt es keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber hätte arbeiten dürfen. Selbst wenn der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber noch kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbstständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbstständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 09.05.2012 - L 5 R 23/12). Dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichem Zeitraum - nur - für eine Apotheke - nur - für ein- bis eineinhalb Monate und zwar nur nachts gefahren ist, unterstreicht eher die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin.

Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgte. Denn die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbstständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen Vertragsvereinbarung nicht zukommen.

Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.

Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit trotz der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Beigeladenen zu 1) die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit). Eine risikobehaftete Unternehmensstruktur ist beim Beigeladenen zu 1) nicht gegeben.

Im Ergebnis hat die Berufung daher Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die nicht anfechtbare (§ 177 SGG) Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Gerichtskostengesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, wonach grundsätzlich von einem Streitwert von 5.000,00 Euro für Statusfeststellungsverfahren auszugehen ist, wenn keine anderen Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung gegeben sind. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 R 49/15 B).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.

2

Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.

3

Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.

4

Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

5

Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.

7

Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.

11

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

13

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.

14

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.

15

2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.

16

a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

17

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").

18

c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

19

aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.

20

Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.

21

Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.

22

bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).

23

Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.

24

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.

25

cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

26

Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.

27

Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.

28

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.

29

3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.

30

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).

32

Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Unternehmerin oder Unternehmer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem sie oder er eine andere Unternehmerin oder einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem sie oder er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass diese oder dieser zur Erfüllung dieses Auftrags

1.
entgegen § 284 Absatz 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt oder
2.
eine Nachunternehmerin oder einen Nachunternehmer einsetzt oder es zulässt, dass eine Nachunternehmerin oder ein Nachunternehmer tätig wird, die oder der entgegen § 284 Absatz 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
entgegen § 42 Absatz 4 oder § 287 Abs. 3 sich die dort genannte Gebühr oder den genannten Aufwendungsersatz erstatten lässt,
1a.
entgegen § 82 Absatz 6 Satz 3 einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt,
2.
entgegen § 165 Absatz 5 einen dort genannten Beschluß nicht oder nicht rechtzeitig bekanntgibt,
3.
entgegen § 284 Abs. 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt,
4.
entgegen § 284 Absatz 1 oder entgegen § 4a Absatz 3 Satz 4 oder Absatz 4, § 6 Absatz 2a, § 7 Absatz 1 Satz 4 erster Halbsatz, § 16a Absatz 3 Satz 1, § 16b Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 7 Satz 3, § 16b Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz, § 16c Absatz 2 Satz 3, § 16d Absatz 1 Satz 4, Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 3, § 16f Absatz 3 Satz 4, § 17 Absatz 3 Satz 1, § 20 Absatz 1 Satz 4, auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 2, § 23 Absatz 1 Satz 4 erster Halbsatz, § 24 Absatz 6 Satz 2 erster Halbsatz oder § 25 Absatz 4 Satz 3 erster Halbsatz, Absatz 4a Satz 4 erster Halbsatz oder Absatz 4b Satz 4 erster Halbsatz des Aufenthaltsgesetzes eine Beschäftigung ausübt,
5.
entgegen § 39 Absatz 4 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes eine Auskunft nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erteilt,
6.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 288a Abs. 1 zuwiderhandelt,
7.
entgegen § 288a Abs. 2 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt,
8.
entgegen § 288a Abs. 3 Satz 2 eine Maßnahme nicht duldet,
9.
einer Rechtsverordnung nach § 292 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
10.
(weggefallen)
11.
entgegen § 296 Abs. 2 oder § 296a eine Vergütung oder einen Vorschuss entgegennimmt,
12.
(weggefallen)
13.
entgegen § 298 Abs. 2 Satz 1 eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zurückgibt,
14.
(weggefallen)
15.
(weggefallen)
16.
einer Rechtsverordnung nach § 352 Abs. 2 Nr. 2 oder § 357 Satz 1 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
17. u. 18.
(weggefallen)
19.
entgegen
a)
§ 312 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder Absatz 3 oder § 313 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,
b)
§ 312a Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder § 314 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2,
eine dort genannte Tatsache nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig bescheinigt oder eine Bescheinigung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig übermittelt,
20.
entgegen § 313 Absatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 3, eine Nebeneinkommensbescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig verlangt,
21.
entgegen § 313a Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz einen Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig zuleitet,
22.
(weggefallen)
23.
entgegen § 315 Abs. 1, 2 Satz 1 oder Abs. 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 4, § 315 Absatz 5 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, § 316, § 317 oder als privater Arbeitgeber oder Träger entgegen § 318 Abs. 1 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder entgegen § 318 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 eine Mitteilung an die Agentur für Arbeit nicht oder nicht rechtzeitig erteilt,
24.
entgegen § 319 Abs. 1 Satz 1 Einsicht oder Zutritt nicht gewährt,
25.
entgegen § 320 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 oder 2 oder Abs. 5 einen Nachweis nicht, nicht richtig oder nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt oder eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet,
26.
entgegen § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Ersten Buches eine Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht oder
27.
entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 3 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1, 5 bis 9 und 11 bis 13 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, 4, 16, 26 und 27 mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger seit August 2007 vorzeitig gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig.

2

Der am 1947 geborene Kläger bezog vom 1.8.1996 bis 30.6.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte ermittelte für diese Rente 56,3265 Entgeltpunkte (EP). Abzüglich von 3,1838 EP aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ergaben sich - nach Multiplikation mit dem Zugangsfaktor 1,0 - 53,1427 persönliche EP (Bescheide vom 19.3.1997, 7.1.1998 und 24.2.1998). Nach Auslaufen der Rente war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt und im Anschluss daran arbeitslos.

3

Im Oktober 2007 beantragte er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007, die die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2007 bewilligte. Insgesamt ermittelte sie für diese Rente 60,0784 EP. Abzüglich von 3,1838 EP für den durchgeführten Versorgungsausgleich ergaben sich 56,8946 EP. Der Rentenberechnung legte die Beklagte 56,3265 persönliche EP unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu Grunde, da diese bereits Grundlage der bis Juni 1998 bezogenen Rente wegen BU gewesen seien. Weitere 0,5681 EP multiplizierte sie wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem entsprechend geminderten Zugangsfaktor von 0,838, sodass sich (gerundet) 0,4761 persönliche EP errechneten. Die Summe der persönlichen EP von 56,8026 (= 56,3265 EP + 0,4761 EP) multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ergaben ab Dezember 2007 einen monatlichen Bruttorentenbetrag von 1492,20 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1353,43 Euro, und für die Zeit von August bis November 2007 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5413,72 Euro.

4

Bereits zwei Tage später nahm die Beklagte diese Rentenbewilligung hinsichtlich der festgestellten Höhe mit Bescheid vom 1.11.2007 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab August 2007 zurück. Der Bescheid vom 30.10.2007 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Fälschlicherweise seien die EP, die bereits Grundlage der Rente wegen BU gewesen seien, bei der Berechnung der Altersrente voll berücksichtigt worden. Die Rücknahme des Bescheids sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheids vom 30.10.2007 berufen könne. Die ihr bekannten Umstände, die einer Rücknahme entgegenstehen könnten, seien bei der Prüfung des Vertrauensschutzes und bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Diese seien jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente seien alle dem Kläger (nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich) zustehenden 56,8946 EP (= 56,3265 EP + 0,5681 EP) - also auch die EP, die bereits als persönliche EP der Rente wegen BU zu Grunde lagen - nur unter Berücksichtigung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 heranzuziehen. Ausgehend von den sich danach ergebenden 47,6777 persönlichen EP (= 56,8946 EP x 0,838) ergab sich nach Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ab Dezember 2007 ein monatlicher Bruttorentenbetrag von 1252,49 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag von 1136,02 Euro. Die Nachzahlung für die Zeit von August bis November 2007 reduzierte sich auf 4544,08 Euro.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück. Zum Zeitpunkt der Bescheidrücknahme seien noch keine Rentenleistungen gezahlt worden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht habe entstehen können. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Ermessens für eine Begrenzung der Rücknahme sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Dies gelte umso mehr, als die Rücknahme keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke. Zusammen mit der bewilligten Rente und der Rentenabschlagsausgleichszahlung aus der Seemannskasse seien ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden.

6

Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 28.5.2010). Das LSG hat die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Die Beklagte sei nach Maßgabe des § 45 SGB X zur Teilrücknahme der Rentenbewilligung im Bescheid vom 30.10.2007 unter Heranziehung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 für alle EP berechtigt gewesen, weil dieser Bescheid rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert habe und sich der Kläger gegenüber der damit korrespondierenden Teilrücknahme nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Beklagte habe das ihr durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der Kläger könne sich für die 56,3265 EP nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Zwar könnte man dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI, der eigentlich gewährleisten solle, dass die über den Zugangsfaktor gesteuerten Rentenabschläge auch für alle Folgerenten gelten sollten, einen Bestandsschutz für den Zugangsfaktor 1,0 für diejenigen persönlichen EP, die der BU-Rente des Klägers zu Grunde lagen, auch bei der Berechnung der Altersrente entnehmen. Dies widerspräche jedoch der entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI, die für vergleichbare Fälle den Vertrauensschutz nur dann auf Folgerenten erstrecke, wenn diese längstens 24 Kalendermonate nach deren Auslaufen beginne. Eine entsprechende Frist finde sich auch in der Regelung des § 306 Abs 2 SGB VI. Diese Höchstfrist sei beim Kläger längst überschritten. Die vor Erlass des Rücknahmebescheids vom 1.11.2007 durch § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung des Klägers sei zwar unterblieben. Durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren sei dieser Verfahrensfehler jedoch gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 77, 88 und 306 SGB VI. § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI erfasse EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien. Hierfür bleibe nach dem Wortlaut grundsätzlich der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Nur EP, die nach der letzten Feststellung des Rentenwerts erworben seien, würden mit einem neuen Zugangsfaktor bewertet. Weder aus den Materialien noch aus dem Wortlaut der Norm lasse sich entnehmen, dass dabei nach dem Zeitpunkt des Auslaufens der früheren Rente differenziert werden solle. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI verbiete sich. Ebenso wenig tauge der Hinweis des LSG auf § 306 Abs 2 SGB VI.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Es bestehe allerdings keine planwidrige Regelungslücke, die in entsprechender Anwendung der in § 88 Abs 1 Satz 2 und § 306 Abs 2 SGB VI jeweils normierten Frist von 24 Kalendermonaten zu schließen sei. Vielmehr sei von der Notwendigkeit des nahtlosen Übergangs von der Vorrente zur Altersrente auszugehen. Zwar bleibe gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI für EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor grundsätzlich maßgeblich. Dies gelte aber beim Wegfall der früheren Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nur dann, wenn die spätere Rente nahtlos an die vorherige Rente anschließe. Dies ergebe sich aus § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI, wonach die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Für den Fall, dass die Rente wegen BU vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegfalle und sich die Folgerente nicht nahtlos anschließe, sei der Zugangsfaktor für die Folgerente nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI zu bestimmen.

11

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wege eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 1.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009 insoweit aufgehoben, als hierin der Bescheid vom 30.10.2007 für die Monate August bis November 2007 zurückgenommen wurde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sich das Verfahren nicht durch das angenommene Anerkenntnis erledigt hat (vgl § 101 Abs 2 SGG), nicht begründet.

13

Streitig ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses durch die Beklagte und dessen Annahme durch den Kläger im Revisionsverfahren nur noch, ob die Beklagte berechtigt war, die mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgte Rentenbewilligung ab 1.12.2007 (teilweise) zurückzunehmen. Insoweit hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) unbegründet ist. Denn die im angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009) erfolgte Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe war rechtmäßig.

14

1. Der angefochtene Bescheid ist nicht mangels der nach § 24 Abs 1 SGB X gebotenen Anhörung aufzuheben. Zwar hat die Beklagte dem Kläger nicht vor Erlass des Bescheids vom 1.11.2007 Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Verfahrensfehler ist hier aber nach § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X durch Nachholung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden(vgl BSG vom 14.7.1994 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 f; BSG vom 30.4.1997 - BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 12). Der Kläger konnte aus dem Bescheid vom 1.11.2007 die entscheidungserheblichen Tatsachen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 30.10.2007 erkennen; denn ihm war zu entnehmen, dass die Berücksichtigung der EP, die bereits Grundlage der persönlichen EP bei der Rente wegen BU waren, mit dem damals maßgebenden Zugangsfaktor 1,0 bei der Berechnung der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zur Rücknahme führte. Der Kläger hatte somit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon hat er Gebrauch gemacht. Auch hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass sie nach den ihr "bekannten Umständen" keinen Vertrauensschutz oder Ermessensgesichtspunkte zugunsten des Klägers sehe. Diese Ausführungen waren vor dem besonderen Hintergrund ausreichend, dass die Beklagte den Bescheid vom 30.10.2007 bereits zwei Tage später (also unmittelbar nach dessen Erlass) mit Bescheid vom 1.11.2007 zurückgenommen hat und der Kläger aufgrund des Bescheids vom 30.10.2007 noch keine Zahlungen erhalten hatte, die er hätte verbrauchen oder über die er hätte disponieren können. Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 ausgeführt hat, "dies gelte um so mehr", als die Rücknahme auch keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke, da zusammen mit dem Rentenabschlagsausgleich aus der Seemannskasse ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden seien, handelt es sich - wie sich schon aus der Formulierung erschließt - um keine zuvor in einem gesonderten Anhörungsschreiben mitzuteilende, die Entscheidung tragende Tatsache.

15

2. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung durch den angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 ist § 45 SGB X. Gemäß Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da vorliegend aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses nur noch die Rücknahme der Rentenbewilligung ab 1.12.2007 durch den Bescheid vom 1.11.2007 streitig ist, ist im Revisionsverfahren lediglich die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme zu prüfen (vgl Senatsurteil vom 24.4.1997 - BSGE 80, 186, 196 f = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 13 mwN).

16

3. Der Rentenbescheid vom 30.10.2007 war von Anfang an rechtswidrig. Denn dem Kläger stand kein Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in der dort festgestellten Höhe zu, da bei der Rentenberechnung rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem (ungeminderten) Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert wurden. Richtigerweise waren auch diese EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate nur nach Maßgabe des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 als persönliche EP zu berücksichtigen.

17

a) Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ist - neben der Erfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr 3 bis 5 SGB VI) - grundsätzlich, dass der Versicherte vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 237 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

18

Nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI in der zu Rentenbeginn des Klägers am 1.8.2007 anzuwendenden Fassung (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI)des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme (unter Inkaufnahme eines Abschlags für jeden Monat des vorzeitigen Bezugs) möglich ist.

19

Nach Anlage 19 zum SGB VI wird für im Januar 1947 geborene Versicherte - wie der Kläger - die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für eine abschlagsfreie Gewährung um 60 Monate auf 65 Jahre angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente, die für den Kläger wegen seiner bereits vor Januar 2004 bestehenden Arbeitslosigkeit (vgl S 3 der Anlage 2 des Bescheids vom 1.11.2007) gemäß § 237 Abs 5 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2006 geltenden Fassung des RVNG noch ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war, führt zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente wäre für den Kläger nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI erst ab 1.2.2012 möglich gewesen. Tatsächlich hat er sie aber bereits zum 1.8.2007 mit 60 Jahren und 6 Monaten - und damit 54 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen.

20

Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einem geringeren Rentenbetrag. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI)beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0. Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor hingegen gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Mit der um 54 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor daher - wie mit dem angefochtenen Bescheid geschehen - um 54 x 0,003 auf 0,838, insgesamt also um einen Abzug von 0,162 (entsprechend einem "Rentenabschlag" von 16,2 vH), zu mindern.

21

Dass die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verfassungsgemäß sind, haben sowohl das BSG (Urteil vom 25.2.2004 - BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, RdNr 14 ff; Senatsurteil vom 5.8.2004 - SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 28 ff; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 18/09 R - Juris RdNr 19 ff) als auch das BVerfG (Senatsbeschluss vom 11.11.2008 - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 75 ff; Kammerbeschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - Juris RdNr 11 ff) bereits entschieden.

22

b) Der Kläger kann sich für sein Begehren auf eine höhere Altersrente nicht auf die Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt. Denn die Heranziehung eines ungekürzten Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früher (vor dem 1.1.2001) bezogenen (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt bei Berechnung einer nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann in Betracht, wenn - wie das LSG zu Recht entschieden hat - die Unterbrechung im Rentenbezug höchstens 24 Kalendermonate gedauert hat. Diese Frist ist hier weit überschritten. Im vorliegenden Fall lagen mehr als neun Jahre zwischen dem Auslaufen der BU-Rente zum 30.6.1998 und dem Beginn der Altersrente am 1.8.2007.

23

aa) Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) hatte der Gesetzgeber ab 1.1.1992 zur Kosteneinsparung in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen, die Altersgrenzen für den Bezug von vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzuheben. Die weiter bestehende Möglichkeit, ab dem 60. Lebensjahr eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wurde mit Rentenabschlägen verbunden. Der erstmals mit dem RRG 1992 eingeführte Zugangsfaktor bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs 1 SGB VI). Während der Zugangsfaktor bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, mit 1,0 anzusetzen ist, wird der Zugangsfaktor für jeden Monat, für den eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,003 gekürzt (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992, ab 1.1.2001 inhaltsgleich: § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Die dadurch verursachte Kürzung kann je nach Geburtsjahr, Rentenart und Rentenbeginn bis zu 18 vH betragen.

24

Mit der bereits durch das RRG 1992 mit Wirkung zum 1.1.1992 eingefügten Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die mit einem "vorzeitigen" Rentenbezug gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezugs erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors grundsätzlich auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinander folgender Renten wirksam bleibt. Denn bei den Folgerenten handelt es sich um eigenständige (neue) Leistungsansprüche mit eigenen, ggf neu zu ermittelnden Berechnungsfaktoren, ua auch mit einem neuen Zugangsfaktor, abgestimmt auf den späteren Rentenbeginn (vgl BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 32/07 R - Juris RdNr 24). Damit die - vom Gesetzgeber gewollte - Dauerwirkung des über den Zugangsfaktor gesteuerten Abschlags aus der Vorrente wegen deren vorzeitigen Inanspruchnahme auch bei Folgerenten gewährleistet bleibt, ordnet § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI die Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Folgerente an(BSG vom 29.1.2008 - aaO). Dies hat zur Folge, dass für alle mit der früheren Rente vorzeitig in Anspruch genommenen persönlichen EP der bisherige (gekürzte) Zugangsfaktor auch dann (weiterhin) maßgebend bleibt, wenn eine neue (Folge-)Rente festzustellen ist. Der eigene, neue Zugangsfaktor ist damit nur noch für zusätzliche (neu hinzugekommene) EP in der Folgerente maßgebend, die bisher noch nicht in Anspruch genommen wurden und somit der früheren Rente noch nicht zu Grunde lagen, die also bei der Berechnung der neuen Rente erstmals zu berücksichtigen sind (vgl Einzelbegründung zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 zu § 76 des Entwurfs - Zugangsfaktor).

25

Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI also die Perpetuierung des reduzierten Zugangsfaktors für EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Rente auf Folgerenten zu Lasten des Versicherten (zur "Durchbrechung" der Perpetuierung des abgesenkten Zugangsfaktors einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach dem seit 1.1.2001 geltenden Recht des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 bei einer nach Unterbrechung im Rentenbezug folgenden Altersrente zu Gunsten des Versicherten iS eines Schutzes vor einem "immerwährenden Abschlag": BSG vom 14.8.2008 - BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, RdNr 17 f; BSG vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R - Juris RdNr 22 f). Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, der mit einem gekürzten Zugangsfaktor längere Rentenlaufzeiten ausgleichen will, damit aus einem vorzeitigen Rentenbezug kein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Versicherten entsteht, die eine Rente nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig in Anspruch nehmen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 144 zu VII. Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit).

26

bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die persönlichen EP einer späteren Rente nach einem niedrigeren Zugangsfaktor(hier: Altersrente mit Zugangsfaktor 0,838 gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 54 Monate) zu errechnen sind als die einer zuvor bezogenen Rente (hier: Rente wegen BU mit Zugangsfaktor 1,0 gemäß § 77 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992) und ob sich diese Norm in diesen Fällen wie eine "Bestandsschutzregelung" in dem Sinne auswirken kann, dass der Versicherte bei der Festsetzung der Höhe der späteren Rente den höheren Zugangsfaktor für die EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP der früheren Rente waren, "behalten" darf; eine Kürzung dieser EP aus der früher bezogenen Rente also nicht erfolgt.

27

Selbst dann, wenn man § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine bestandsschützende Wirkung iS der Perpetuierung des ungekürzten Zugangsfaktors für persönliche EP aus einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht) auf eine nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente beimessen wollte, gälte diese zeitlich nur beschränkt.

28

cc) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine zeitliche Beschränkung für die Heranziehung eines höheren Zugangsfaktors aus einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht entnehmen. Andererseits ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien aber auch keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine Begünstigung des Versicherten durch einen höheren Zugangsfaktor aus einer Vorrente bei einer später vorzeitig beanspruchten Rente ohne jegliche Begrenzung der Dauer einer zwischenzeitlichen Unterbrechung im Rentenbezug einführen wollte(vgl Einzelbegründungen zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 und im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum RRErwerbG, BT-Drucks 14/4230, S 26 zu Nr 22<§ 77>).

29

Dies stünde auch im Gegensatz dazu, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 SGB VI ausdrücklich geregelt hat, in welchem Umfang persönliche EP(als Produkt aus Zugangsfaktor und EP, § 66 Abs 1 SGB VI) aus einer früheren Rente bei einer späteren Rente noch zu berücksichtigen sind. Für den hier vorliegenden Fall einer zuvor bezogenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt nach Satz 2 der Bestimmung Folgendes: Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, sind dem Versicherten für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen EP zu Grunde zu legen. Insoweit handelt es sich um eine Besitzschutzregelung für persönliche EP einer vorausgegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2 S 5; BSG vom 11.6.2003 - SozR 4-2600 § 88 Nr 1 RdNr 8; vgl auch Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 173 ).

30

Die persönlichen EP der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind also bei der Berechnung der Folgerente zu berücksichtigen, wenn diese Rente spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Ende des Bezugs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beginnt, zB auch dann, wenn sich wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente der Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI)verringert, sodass sich bei der Berechnung der Altersrente weniger persönliche EP als bei der früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben (vgl Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung , § 88 SGB VI Anm 6 mit Berechnungsbeispiel, Stand Einzelkommentierung Februar 2005).

31

Im Umkehrschluss folgt daraus aber zugleich, dass sich der Versicherte bei einer Folgerente auch mit einer geringeren Zahl an persönlichen EP zu begnügen hat, wenn die Unterbrechung des Rentenbezugs mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat und sich bei der Bewilligung der Folgerente nach Maßgabe der dann bei Rentenbeginn geltenden gesetzlichen Vorschriften (etwa aufgrund eines niedrigeren Zugangsfaktors) eine entsprechend verminderte Zahl an persönlichen EP ergibt. Die persönlichen EP der Vorrente sind dann (dh 24 Kalendermonate nach Ende des Bezugs der Vorrente) nicht mehr besitzgeschützt.

32

Die von § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI geregelte Interessenlage des Versicherten stimmt mit der eines Versicherten überein, der eine für ihn günstige Bemessung des Zugangsfaktors für persönliche EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren, nach dem Wegfall dieser Rente bei einer späteren (vorzeitig in Anspruch genommenen) Altersrente gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI fortgeschrieben sehen will. In beiden Fällen will der Versicherte (mindestens) die der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde liegenden persönlichen EP auch für den Bezug der Folgerente behalten. Den Schutz des Versicherten hat der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI aber lediglich auf eine Dauer von 24 Kalendermonaten begrenzt. Angesichts der insoweit übereinstimmenden Interessenlagen ist es gerechtfertigt, die Wertung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI hinsichtlich der Dauer der Schutzbedürftigkeit des Versicherten an der Beibehaltung von (höheren) persönlichen EP aus einer früheren Rente bei Unterbrechungen im Rentenbezug auf § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu übertragen. Daraus folgt, dass ein Versicherter eine für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früheren (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach einer Rentenunterbrechung bei der Feststellung der persönlichen EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann beanspruchen kann, wenn die Unterbrechung im Rentenbezug nicht mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat. Wird diese Frist überschritten, ist der (höhere) Zugangsfaktor der früheren Rente nicht mehr "bestandsgeschützt".

33

dd) Diese Höchstfrist ist vorliegend um ein Mehrfaches überschritten, sodass die der BU-Rente des Klägers zu Grunde liegenden persönlichen EP weder nach § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI noch im Rahmen der Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI über den Zugangsfaktor "besitzgeschützt" waren. Die Beklagte hat daher bei der Festsetzung der Höhe der Altersrente zu Recht alle vom Kläger bis zum Rentenbeginn am 1.8.2007 erworbenen EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem Zugangsfaktor von 0,838 multipliziert und die sich aus diesem Rechenvorgang ergebenden persönlichen EP (0,838 x 56,8946 EP =§ 121 abs 2 sgb vi> 47,6777 persönliche EP) der Rente zu Grunde gelegt.

34

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass es für den Kläger bezogen auf die Höhe seines Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit günstiger gewesen wäre, wenn sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert hätte, er also dauerhaft berufsunfähig geblieben wäre und eine entsprechende Rente bis zum Beginn der Altersrente bezogen hätte. Denn eine solche Begünstigung wäre - worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat - als Ausdruck dessen zu werten gewesen, dass der Gesetzgeber die Einführung eines reduzierten Zugangsfaktors (auch) für Erwerbsminderungsrenten zum 1.1.2001 auf neu zu bewilligende Renten begrenzt und insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes keine vergleichbaren Kürzungen für Bestandsrenten vorgesehen hat. Zur Zeit der Gesetzesänderung bezog der Kläger aber schon längst keine Rente wegen BU mehr. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Kläger den ungeminderten Zugangsfaktor nur deshalb zu belassen, weil er früher einmal eine abschlagsfreie Rente bezogen hat, und ihn auf diese Weise zeitlich unbegrenzt besser zu stellen als einen Rentner, der erstmals eine Rente (vorzeitig) in Anspruch genommen hat.

35

4. Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht entschieden, dass der Kläger für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen konnte. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt darf (auch für die Zukunft) nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

36

Nach den unangefochtenen und insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen den mit dem Bescheid vom 30.10.2007 zuerkannten Rentenleistungen und den mit dem (Teil-)Rücknahmebescheid vom 1.11.2007 noch festgestellten Leistungen nie erhalten, sodass er ihn nicht hat verbrauchen können. Auch hatte der Kläger insoweit noch keine Vermögensdispositionen getroffen.

37

Die Beklagte hat das ihr durch § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Gesichtspunkte, die Anlass zu einer anderweitigen Ermessensausübung hätten geben können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

38

Da die weiteren Voraussetzungen für die (Teil-)Rücknahme des Bescheids vom 30.10.2007 (Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die (Teil-)Rücknahme der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft ab 1.12.2007 rechtmäßig.

39

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

16

a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 - 11 Sa 567/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der 1981 geborene Kläger nahm von 2002 bis Anfang 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache R wahr. Diese Rettungswache wurde bis zum 31. Dezember 2006 durch den DRK-Kreisverband K e. V. betrieben und ab 1. Januar 2007 dem Beklagten zu 1. zugeordnet. Zum 1. April 2008 übertrug der Beklagte zu 1. den Betriebsbereich Rettungsdienst auf die von ihm gegründete Beklagte zu 2. Die Arbeitsverträge des Klägers wurden nicht schriftlich niedergelegt.

3

Die Beklagte zu 2. ist in der Wirtschaftsregion Westpfalz, die dem Rettungsdienstbereich Kaiserslautern iSd. § 4 RettDG Rheinland-Pfalz entspricht, die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin. Sie führte 2008 83 % aller rettungsdienstlichen Einsatzfahrten durch.

4

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied der Gewerkschaft ver.di mit Tarifbindung ab Juni 2008. Die Beklagten sind Mitglieder der Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz, die nach § 1 Abs. 3 ihrer Satzung wiederum Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist. Der zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene DRK-Reformtarifvertrag vom 22. Dezember 2006 enthält in Anlage 5 Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte. § 3 der Anlage 5 bestimmt in der auf die Rettungssanitäter anwendbaren VergGr. III in der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung ein Stundenentgelt von 8,00 Euro. § 41 DRK-Reformtarifvertrag regelt eine sechsmonatige Ausschlussfrist.

5

Der Kläger und ca. 200 weitere in gleicher Weise eingesetzte Rettungsassistenten bzw. -sanitäter durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, konnten sich - nach Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 bis 30 % offenen Dienste bei den Wachleitern „bewerben“. Hierzu trugen sie sich im Vormonat im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe. Darüber hinaus riefen die Beklagten bei (zB krankheitsbedingtem) Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter kurzfristig an und fragten deren Bereitschaft ab, den Dienst zu übernehmen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Auch eine Stornierung bereits übernommener Dienste durch die einzelnen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter war möglich.

6

Bis zum 31. Dezember 2007 zahlte der Beklagte zu 1. an den Kläger 3,20 Euro für Nachtdienststunden und 5,20 Euro für Tagdienststunden, ab dem 1. Januar 2008 ein einheitliches Stundenentgelt von 5,11 Euro. Letzteres zahlte auch die Beklagte zu 2. ab 1. April 2008.

7

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten einen Rechtsstreit, in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das gezahlte Entgelt sei sittenwidrig, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege und ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehe. Er habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden, welches vom DRK-Kreisverband K e. V. auf den Beklagten zu 1. und sodann auf die Beklagte zu 2. übergegangen sei, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch für die Ansprüche aus 2005 und 2006 hafteten.

9

Die Forderung von Arbeitsentgelt für Januar 2009 hat der Kläger erstmals mit der Klageänderung vom 29. Juni 2010 geltend gemacht.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.665,28 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

        

Hilfsweise

        

a)    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 5.301,68 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen und

        

b)    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger weitere 317,69 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

11

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Ansprüche aus 2005 und 2006 müssten sie nicht erfüllen, weil kein mit dem DRK-Kreisverband K e. V. bestehendes Arbeitsverhältnis auf den Beklagten zu 1. übergegangen sei. Die Vergütung sei auch nicht sittenwidrig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

I. Die Revision ist gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig, soweit der Kläger mit dem Hauptantrag weiterhin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten unter II. 2.5. und II. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verneint, weil die Voraussetzungen eines bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB nicht vorlägen. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander. Die Ausführungen unter II. 1. der Revisionsbegründung betreffen ausdrücklich nur die Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 und damit einen anderen Streitgegenstand.

14

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in Höhe der noch streitigen Ansprüche zu Recht abgewiesen.

15

1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche für 2005 und 2006 bestehen nicht. Die Beklagten haften nicht als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. In diesem Zeitraum bestand weder zum Beklagten zu 1. noch zu der Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis. Auch eine Haftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB scheidet aus, weil kein Arbeitsverhältnis des Klägers zum DRK-Kreisverband K e. V. infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist. Ein Arbeitsverhältnis ist auch nicht vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen, so dass auch eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten untereinander ausscheidet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger lediglich im Rahmen auf den konkreten Einsatz bezogener, befristeter Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse beschäftigt war, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Betriebsübergänge nicht mehr bestanden.

16

a) Der Kläger und der DRK-Kreisverband K e. V. haben weder ausdrücklich noch konkludent einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.

17

aa) Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet(BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1). Allerdings muss die Arbeitsleistung nicht schon von vornherein im Einzelnen festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 106 Satz 1 GewO zu treffende Weisung auslöst(vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 15, NZA 2012, 733; 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79; 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ob ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder einzelne, jeweils befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulassen (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO; 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 - zu B I 1 der Gründe).

18

bb) Hiernach stand der Kläger nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Er hat keine dauerhaften Dienste zugesagt und sich nicht dauerhaft zur Erbringung von Diensten verpflichtet. Den Beklagten wurde auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79). Die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des Klägers lässt nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht darauf schließen, dass dem Arbeitgeber über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt werden sollte, einseitig die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Initiative zur Ableistung eines Dienstes ging - ausgenommen von kurzfristigen Krankheitsvertretungen - regelmäßig vom Kläger aus. Dieser bewarb sich durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung um bestimmte Dienste. In der Bereitstellung eines leeren Dienstplanformulars - oder wie hier, der Möglichkeit, sich im PC für einen Dienst einzutragen - ist nichts anderes zu sehen als die Mitteilung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich bereit ist, mit den eingetragenen dienstbereiten Personen für den Fall seines konkreten Bedarfs und für den Fall der persönlichen Eignung auf Dauer des Einsatzes begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen (vgl. BAG 13. Januar 1993 - 5 AZR 54/92 - zu II der Gründe, ZTR 1993, 248). Der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich stets für eine bestimmte Anzahl von Diensten zu bewerben. Die Parteien hatten keinen festen (Mindest-)Umfang der monatlichen oder jährlichen Arbeitszeit vereinbart. Die mittel- und längerfristig erbrachte Arbeitszeit unterlag vielmehr deutlichen Schwankungen.

19

Auch die einzelnen Tage, an denen der Kläger tätig wurde, variierten. Er konnte zudem nicht gegen seinen Willen zu einem Dienst eingeteilt werden. Es bedurfte immer einer einvernehmlichen Einigung. Bezüglich des konkreten Arbeitseinsatzes bestand das Konsensprinzip (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 20, NZA 2012, 733). Schließlich war er sogar berechtigt, kurzfristig Dienste, für die er bereits eingeteilt war, wieder zu stornieren. All dies spricht gegen die Annahme, der Kläger habe den Willen erklärt, sich dauerhaft zu einer Arbeitsleistung zu verpflichten.

20

Aus den monatlichen Entgeltabrechnungen und der Anmeldung bei der Bayerischen Versorgungskammer zur Zusatzversorgung lässt sich ebenfalls kein unbefristetes Arbeitsverhältnis schließen. Entsprechende Handhabungen liegen auch bei häufig wiederkehrenden, jeweils kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe und sprechen nicht für ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 b der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; 30. Oktober 1991 - 7 AZR 653/90 - zu I b der Gründe).

21

b) Die auf den jeweiligen Einsatz bezogenen Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse stellen nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. § 12 TzBfG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (grundlegend BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; zuletzt 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 22 ff. mwN, NZA 2012, 733). Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Bestandsschutz wird nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Es unterliegt der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, ob eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung und damit ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, unterliegen die zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 106, 79). Nach dem TzBfG kommt es nicht darauf an, ob die Wartezeit des § 1 KSchG erfüllt ist(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 269).

22

c) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu richten ( Art. 267 AEUV ). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob auch in Zeiten zwischen dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der Neubegründung eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses von einem bestehenden Arbeitsverhältnis iSd. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen auszugehen ist, wenn in diesem Zeitraum ein Betriebsübergang stattfindet, ist unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Richtlinie heraus zu beantworten und zudem vom EuGH geklärt(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T. ua.] Slg. 1982, 3415; BVerfG 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08  - Rn. 56, NJW 2011, 288 ; 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 51, NJW 2012, 45).

23

aa) Die Betriebsübergangsrichtlinie basiert auf einem einzelstaatlichen Arbeitnehmerbegriff, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, b der Richtlinie 2001/23/EG. Der EuGH entschied bereits zur Vorgängerrichtlinie 77/187/EWG in der Rechtssache Danmols Inventar (11. Juli 1985 - C-105/84 - Slg. 1985, 2639), dass eine gemeinschaftsrechtliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs nicht erforderlich sei. Art. 2 der Richtlinie 2001/23/EG schrieb diese Rechtsprechung fest. Arbeitnehmer ist hiernach zunächst jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Nach Art. 2. Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG lässt diese das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt. Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht allein deshalb ausschließen, weil entweder a) nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden geleistet wird oder zu leisten ist oder b) es sich um Arbeitsverhältnisse aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags iSv. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis handelt oder aber c) es sich um Leiharbeitsverhältnisse iSv. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 91/383/EWG und bei dem übertragenen Unternehmen oder dem übertragenen Betrieb oder Unternehmens- bzw. Betriebsteil als Verleihunternehmen oder Teil eines Verleihunternehmens um den Arbeitgeber handelt.

24

bb) Damit folgt bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der geänderten Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG, dass nur die Arbeitnehmer geschützt werden, bei denen zum Zeitpunkt des Übergangs ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis besteht, und dass die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Vertrag oder ein Arbeitsverhältnis bestehe oder nicht, nach dem innerstaatlichen Recht zu beurteilen ist (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6 unter Bezugnahme auf 15. Juni 1988 - C-101/87 - [Bork International ua.] Slg. 1988, 3057; vgl. auch Ziegler Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht S. 213 ff.; Wank EuZA 2008, 184, 193; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 190 f.).

25

cc) Die Parteien haben gerade kein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis iSd. § 12 TzBfG abgeschlossen. Die jeweils auf den einzelnen Dienst bezogenen Befristungen standen zudem in keinem Zusammenhang mit den Betriebsübergängen. Die Konstruktion der befristeten Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse wurden vom DRK-Kreisverband K e. V. und dem Kläger schon Jahre vor dem Betriebsübergang praktiziert. Die letzte Befristung endete auch nicht zeitgleich mit dem Betriebsübergang am 31. Dezember 2006, sondern mit Ablauf des Tages, an dem der Kläger im Jahre 2006 seinen letzten Dienst für den DRK-Kreisverband K e. V. verrichtete. Fehlt es aber schon an einem Zusammenhang der Befristung mit dem Betriebsübergang, wurden durch die Vertragswahl der Befristung auch keine zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2001/23/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen eine wegen des Übergangs erfolgten Kündigung missachtet.

26

dd) Die vom Kläger angezogene Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] Slg. 2007, I-7643) betrifft nicht die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs iSd. Richtlinie 2001/23/EG, sondern den Begriff der „schwangeren Arbeitnehmerin“ iSd. Art. 2 der Richtlinie 92/85/EWG und den der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dort gilt aber ein anderer Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lommers] Slg. 2002, I-2891; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Slg. 2000, I-10997). Die in der Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] aaO) zitierten weiteren Urteile des EuGH betrafen durchweg den Arbeitnehmerbegriff iSd. Art. 48 EWG-Vertrag bzw. iSd. Art. 39 EGV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer). Auch dort gilt aber ein eigenständiger Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 23. März 1982 - C-53/81 - [Levin] Slg. 1982, 1035).

27

ee) Die Überprüfung einer missbräuchlichen Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge aufgrund anderer Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, kommt nicht in Betracht (zu dieser Anforderung EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 36, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6). Zwar waren die einzelnen Befristungen der Arbeitsverträge schon mangels Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Sie gelten jedoch gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine Befristungskontrollklagen erhob(§ 17 Satz 1 TzBfG).

28

2. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Differenzvergütung gegen den Beklagten zu 1. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2008 und gegen die Beklagte zu 2. für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2008.

29

a) Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen waren nicht wegen Lohnwuchers unwirksam. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand des Lohnwuchers nicht erfüllt sei, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Beklagten eine Zwangslage oder seine Unerfahrenheit ausgebeutet hätten. Gegen diese Würdigung werden von der Revision keine Einwände erhoben.

30

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts iSd. § 138 Abs. 1 BGB verneint. Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände wie zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 9, BAGE 130, 338; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66; BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55, jeweils mwN).

31

aa) Im Streitfall standen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis. Damit ist der objektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfüllt.

32

(1) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind hierbei in der Regel die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14, BAGE 130, 338; 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 -). Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 24, aaO; LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - Rn. 55).

33

(2) Die vom Kläger angezogene tarifliche Vergütung ist die im Wirtschaftsgebiet übliche. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die tarifgebundene Beklagte zu 2. Marktführerin mit 83 % aller rettungsdienstlichen Einsätze der Region. Zugunsten des Klägers ist mit dem Landesarbeitsgericht deshalb davon auszugehen, dass sie als tarifgebundene Arbeitgeberin des Wirtschaftsgebiets mehr als 50 % der (vergleichbaren) Arbeitnehmer beschäftigte.

34

(3) Das Missverhältnis der Vergütung des Klägers zu der tariflichen Vergütung war in den Jahren 2007 und 2008 auffällig, denn diese lag unterhalb der maßgeblichen Grenze von zwei Dritteln des Tarifentgelts (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 17, BAGE 130, 338 und BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53).

35

bb) Die Beklagten handelten, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht in verwerflicher Gesinnung. Damit fehlt der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts.

36

(1) Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 27, BAGE 130, 338 unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55; BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 13 mwN, NJW 2012, 2099; 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 12, NJW 2010, 363). Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung (BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 11, aaO), doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft ( BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 19, aaO; 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 19, aaO).

37

(2) Die mit einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kann im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Insoweit trägt die begünstigte Vertragspartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH 10. Februar 2012 - V ZR 51/11 - Rn. 10 mwN, NJW 2012, 1570; 29. Juni 2007 -  V ZR 1/06  - NJW 2007, 2841 ).

38

(3) Liegt ein besonders grobes Missverhältniss von Leistung und Gegenleistung nicht vor, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.

39

cc) Im Streitfall ist eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten nicht festzustellen. Der Kläger hat diese nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich pauschal auf ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hingewiesen. Zugunsten des Klägers streitet, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch keine tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung aufgrund eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, denn der Wert der von ihm erbrachten Arbeitsleistung war nicht (mindestens) doppelt so hoch ist wie die gezahlte Vergütung.

40

Die unstreitigen Gesamtumstände belegen nicht, dass die Beklagten als überlegene Vertragsparteien eine schwächere Lage des Klägers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Einsicht verschlossen haben, der Kläger lasse sich nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf die ungünstigen Bedingungen ein. Das Gegenteil ist der Fall. Der zu Beginn des Klagezeitraums immerhin 23-jährige Kläger akzeptierte, wie 200 andere in gleicher Weise eingesetzten und häufig ehrenamtlich tätigen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter, durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die Vertragsbedingungen bei jedem Einsatz immer wieder neu. Die Bedingungen waren bekannt. Dass der Kläger sie jeweils unter einem irgend gearteten Druck und aus einer Notsituation heraus annahm, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zu beachten, dass die Beklagten als Untergliederungen des Deutschen Roten Kreuzes ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke iSd. §§ 51 ff. AO verfolgen. Zu einer Gewinnerzielung sind sie nicht berechtigt.

41

3. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2. keine Vergütung für Januar 2009 beanspruchen.

42

a) Es kann offenbleiben, ob die Ansprüche bereits im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen wurden. Die Ansprüche sind jedenfalls nach § 41 des DRK-Reformtarifvertrags verfallen. Der Kläger hat die auf § 611 BGB gestützten, mit tatsächlicher Arbeitsleistung begründeten Ansprüche erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 beziffert geltend gemacht. Das Schreiben vom 23. Mai 2008 wahrte die Ausschlussfrist nicht, weil zu diesem Zeitpunkt ein Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Januar 2009 überhaupt noch nicht entstanden war (vgl. BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu III 3 a der Gründe, ZTR 1990, 155).

43

b) Das Berufen auf die Ausschlussfrist ist nicht treuwidrig iSd. § 242 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen der Gegenpartei veranlasst worden ist (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19 f., AP BGB § 814 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 199; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 30, BAGE 131, 215; 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351; 5. Juni 2003 - 6 AZR 249/02 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 167). Die Beklagte zu 2. hat den Kläger von einer Geltendmachung der Ansprüche nicht abgehalten. Als die Vergütung für den Monat Januar 2009 fällig wurde, hatte der gewerkschaftlich vertretene Kläger bereits die Vergütung für Juni bis Dezember 2008 eingeklagt. Dass er die Vergütung für im Januar 2009 geleistete Dienste nicht geltend gemacht hat, lag nicht an einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2., sondern daran, dass er während der gesamten Dauer des Vorprozesses lediglich Annahmeverzugsansprüche für Januar 2009 mit der Begründung forderte, er sei 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt worden.

44

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

(1) Die nach den §§ 429 und 430 zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung ist auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes begrenzt.

(2) Besteht das Gut aus mehreren Frachtstücken (Sendung) und sind nur einzelne Frachtstücke verloren oder beschädigt worden, so ist der Berechnung nach Absatz 1

1.
die gesamte Sendung zu Grunde zu legen, wenn die gesamte Sendung entwertet ist, oder
2.
der entwertete Teil der Sendung zu Grunde zu legen, wenn nur ein Teil der Sendung entwertet ist.

(3) Die Haftung des Frachtführers wegen Überschreitung der Lieferfrist ist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt.

(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der Betrag wird in Euro entsprechend dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht am Tag der Übernahme des Gutes zur Beförderung oder an dem von den Parteien vereinbarten Tag umgerechnet. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/01 Verkündet am:
25. März 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit in § 435 HGB erfordert einen
besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder
seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner
hinwegsetzen.

b) Bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und
Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig
vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt
, weil es sich bei diesen Kontrollen um elementare Vorkehrungen gegen
Verlust von Ware handelt.

c) Ein Spediteur/Frachtführer, der elementare Sorgfaltspflichten vernachlässigt
(hier: die Durchführung von ausreichenden Ausgangskontrollen), handelt im
allgemeinen in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen
zu einem Schadenseintritt kommen kann.
BGH, Urt. v. 25. März 2004 - I ZR 205/01 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Transportversicherer der B. GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin) in Achern. Sie nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Ende Februar 1999 zu festen Kosten mit der Besorgung des Transports einer Computeranlage im Wert von 66.000 DM von Achern nach Hannover. Die Sendung wurde einem
von der Beklagten beauftragten Nahverkehrsunternehmer am 1. März 1999 übergeben. Dieser sollte das Gut zunächst im Depot der Beklagten in Herbolzheim abliefern. Von dort sollte es zum Zentrallager der Beklagten in Dietzenbach gebracht und anschließend über ihr Depot in Hannover an die Empfängerin ausgeliefert werden. Die Sendung hat die Empfängerin nicht erreicht. Wo sie abhanden gekommen ist, konnte nicht geklärt werden.
Die Klägerin hat an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust eine Entschädigung in Höhe von 66.000 DM gezahlt. Von diesem Betrag hat die Beklagte der Klägerin lediglich 729 DM erstattet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die Beklagte könne sich weder auf eine gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen, da sie den Geschehensablauf nicht ausreichend habe darlegen können. Die Beklagte habe leichtfertig gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.271 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Handhabung ihrer Betriebsorganisation bei der Abwicklung von Versandaufträgen insbesondere folgendes vorgetragen:
Ein Nahverkehrsunternehmer hole die Sendung beim Kunden ab und bringe sie zum jeweiligen Abgangsdepot. Nach der Entladung würden die Sen-
dungsdaten erfaßt und über ihren Zentralrechner an das jeweilige Empfangsdepot bzw. Umschlagzentrum übermittelt. Anschließend erfolge die Verladung der Packstücke für die Fernverkehrsbeförderung in Kofferwechselbrücken, die dann verschlossen und verplombt würden. Dabei werde nicht positiv anhand einer Packliste geprüft, ob eine Sendung in eine bestimmte Kofferwechselbrücke verbracht worden sei. Der Umschlag werde vielmehr nach dem sogenannten Negativsystem durchgeführt. Danach sei für jeden Arbeitstag vorgeschrieben , daß kein Packstück zurückbleiben dürfe. Dementsprechend führten ihre Mitarbeiter nach Abschluß der Nahverkehrsentladung und der Beladung der Kofferwechselbrücken für die Fernverkehrsbeförderung täglich einen "Lagersturz" durch, bei dem die gesamte Umschlaghalle planmäßig nach liegengebliebenen Sendungen abgesucht werde. Gefundene Sendungen würden in das EDV-System eingegeben und deren Absender und Empfänger unterrichtet.
Ihr organisatorisch geschlossenes System, das durch weitere Sicherheitseinrichtungen (Umzäunung des Depots, strikte Eingangskontrollen von betriebsfremden Personen, Ausweispflicht, stichprobenartige Überprüfung der Nahverkehrsfahrzeuge) ergänzt werde, führe dazu, daß nahezu 100 % aller ihr, der Beklagten, übergebenen Sendungen ordnungsgemäß an den Empfänger ausgeliefert würden.
Die streitgegenständliche in Verlust geratene Sendung sei in ihrem Depot in Herbolzheim abgeliefert worden. Ein Verlust der Sendung auf der Fernverkehrsstrecke könne ausgeschlossen werden, da sie schon nicht in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach eingetroffen sei. Auch in anderen Depots habe die Sendung nicht aufgefunden werden können. Der Verlust sei daher wahrscheinlich bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Als Ursache für eine Fehlleitung der Sendung komme ein der Versicherungsnehmerin zuzu-
rechnender Markierungsfehler in Betracht, da die Versenderin den vorgedruckten Versandauftrag umgeschrieben habe. Denkbar sei aber auch eine kriminelle Umgehung ihres Systems durch den Fahrer des Nah- oder Fernverkehrsunternehmens , ohne daß sie, die Beklagte, dies behaupten könne oder wolle.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe ihrer Einlassungsobliegenheit genügt. Ihr Vortrag zum Ablauf ihrer Betriebsorganisation rechtfertige nicht den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Köln TranspR 2001, 407 ff.).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, §§ 435, 459 HGB ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu, ohne daß sich die Beklagte auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzungen berufen könne. Die Beklagte hafte gemäß § 435 HGB für den Verlust der Ware unbeschränkt, weil dieser - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden wahrscheinlich eintreten werde, herbeigeführt worden sei. Für das Verhalten ihrer Leute und anderer Personen, deren sich die Beklagte bei
der Ausführung der Beförderung bedient habe, habe die Beklagte gemäß § 428 HGB in gleichem Umfang wie für eigenes Verschulden einzustehen.
B. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
I. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu BGHZ 153, 308, 310 f.).
II. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Schaden gemäß § 435 HGB unbeschränkt.
Nach § 435 HGB gelten die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 435 HGB einen gegenüber der groben Fahrlässigkeit strengeren Haftungsmaßstab in die gesetzliche Regelung einführen wollen, so daß nicht jede grobe Fahrlässigkeit auch ein leichtfertiges Verhalten darstelle. Ein solcher besonders schwerer Fall der groben Fahrlässigkeit sei im Streitfall gegeben. Die Beklagte gehe selbst davon aus, daß die in ihrer Obhut abhanden gekommene Sendung in ihrem Lager in Herbolzheim in Verlust geraten sein müsse. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, in diesem Lager für ein lückenloses Kontrollsystem zu sorgen, das den Verbleib der Sendung hätte aufklären können. Das angewandte "Negativsystem" verhindere es gerade nicht, daß ein Verlust von Sendungen zunächst unentdeckt bleibe. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Überblick über den Inhalt der beladenen Wechselbrücken sowie den Lauf und Verbleib der ein- und ausgehenden Sendungen gehabt mit der Folge, daß nach einer außer Kontrolle geratenen Sendung nicht systematisch habe gesucht werden können. Erst eine wirksame Ein- und Ausgangskontrolle hätte die gebotenen Nachforschungen ermöglicht. Dieses hohe Risiko sei die Beklagte bewußt eingegangen.
Die Beklagte bzw. die für sie tätigen Personen hätten auch in dem Bewußtsein gehandelt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal setze voraus, daß das Risiko eines Schadenseintritts bei der gehandhabten Betriebsorganisation hoch oder naheliegend sei. Es komme darauf an, ob ein Geschehen vorliege, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Entscheidung gelange, daß es "noch einmal gutgegangen" sei. Das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts könne schon dann festgestellt werden, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten sei, diese
Folgerung rechtfertige. Ausgehend von dem besonders schwerwiegenden Organisationsverschulden der Beklagten stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der Beklagten das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorgelegen habe. Die Beklagte habe - wie sie selbst vortrage - zur Vermeidung von Kosten bewußt auf eine lückenlose Kontrolle verzichtet.
Umstände, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechen könnten, habe die Beklagte nicht dargelegt.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewußte Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der bewußten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (vgl. zur groben Fahrlässigkeit: BGHZ 149, 337, 345; BGH, Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, TranspR 2003, 255, 257 = VersR 2003, 1017). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.

a) Die aufgrund des Transportrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Risiken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden, also ein über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehender Verschuldensvorwurf, trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a
Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. 44 CIM, Art. 25 WA 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung , BT-Drucks. 13/8445, S. 71).

b) Der Verschuldensmaßstab des § 435 HGB, der - wenn nicht Vorsatz gegeben ist - neben der Leichtfertigkeit das Bewußtsein voraussetzt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, ist an den Wortlaut deutscher Übersetzungen internationaler Transportrechtsübereinkommen (u.a. Art. 25 WA 1955) angelehnt. Der Begriff der Leichtfertigkeit bezweckt einen möglichst weitgehenden Einklang des deutschen Transportrechts mit dem internationalen Recht (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 13/8445, S. 72). Der Gesetzgeber ist dabei von dem Bedeutungsgehalt ausgegangen, der dem Begriff schon bisher in der deutschen Rechtsprechung zu Art. 25 WA 1955 zukam (vgl. BT-Drucks. 13/8445, S. 72). Dem entsprechend muß die Auslegung des neuen Verschuldensbegriffs in erster Linie diesem Verständnis entnommen werden (vgl. Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht , § 435 HGB Rdn. 12; Thume, TranspR 2002, 1, 2; Starck in Festgabe für Herber, 2000, S. 128, 131 f.; a.A. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 435 HGB Rdn. 6, 12).
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1982 - VI ZR 286/80, TranspR 1982, 100, 101 = VersR 1982, 369; BGHZ 145, 170, 183). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestands-
merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen , wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Es bleibt der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewußtsein getragen wurde, daß der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe (vgl. BGHZ 74, 162, 168 f.; 145, 170, 186). Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen. Zudem kann der Schluß auf das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe naheliegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 470 f.; Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 177; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11).
Von diesem Verständnis des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit ist - wie die Revision nicht verkennt - auch das Berufungsgericht ausgegangen.

c) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer bewußten Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Vorwurf qualifizierten Verschuldens nicht aus einer unzureichenden Erfüllung der Einlassungsobliegenheit der Beklagten hergeleitet. Fehl geht daher die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die (sekundäre) Darlegungslast der Beklagten überspannt. Das Berufungsgericht hat den Vor-
wurf eines qualifizierten Verschuldens ersichtlich nur aus der eigenen Darstellung der Organisation im Betrieb der Beklagten hergeleitet, wonach es jedenfalls in ihrem Lager in Herbolzheim an einer wirksamen Ausgangskontrolle fehle. Die Formulierungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Einlassungspflicht nicht genügt und ihr allgemein gehaltener Vortrag reiche nicht aus, um den Schluß auf ein leichtfertiges Organisationsverschulden auszuräumen, mögen für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß nicht der fehlende Sachvortrag der Beklagten zu ihrer Betriebsorganisation der tragende Grund für das vom Berufungsgericht angenommene bewußt leichtfertige Organisationsverschulden gewesen ist, sondern das sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst ergebende Fehlen einer wirksamen Ausgangskontrolle im Lager Herbolzheim.

d) Dem Berufungsgericht sind bei der Anwendung des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit im Streitfall keine Rechtsfehler unterlaufen.
aa) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, daß der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller
Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Deshalb ist in der Rechtsprechung zu § 429 Abs. 1 HGB a.F. von einem grob fahrlässigen Verschulden ausgegangen worden, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (vgl. BGHZ 129, 345, 351; 149, 337, 347 f. m.w.N.; BGH TranspR 2003, 255, 257).
bb) Auch die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden Frachtgüter gewährleistet und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzt (vgl. BGHZ 145, 170, 183 m.w.N. zu Art. 25 WA 1955). Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine ausreichende Ausgangskontrolle, wenn die Beklagte - wie sie selbst vorgetragen hat - lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot in Herbolzheim und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot in Hannover durchführt. Auch die tägliche Durchführung eines "Lagersturzes" (sog. Negativsystem) in allen Depots und Umschlagzentren der Beklagten sowie die Beförderung des Frachtgutes auf der Fernverkehrsstrecke in verplombten Kofferwechselbrücken gewährleisten keine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags. Die Beklagte räumt die Möglich-
keit von Fehlverladungen, die erst im Empfangsdepot festgestellt werden, bei ihrem System selbst ein.
Aus der Möglichkeit von Fehlverladungen ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht nur eine Verzögerung der Auslieferung, sondern es folgt daraus auch ein erhöhtes Verlustrisiko. Die Beklagte hat selbst vorgetragen , daß eine Fehlverladung zu einer Auslieferung an einen falschen Empfänger führen könne und ein Empfänger, der mehr bekomme, als er nach dem Frachtbrief zu erhalten habe, dies nicht immer reklamiere. Die Ausgangskontrolle im Empfangsdepot kann die Ausgangskontrolle im Abgangsdepot schon deshalb nicht ersetzen, weil die Beklagte bei einer solchen Kontrolle des Warenumschlags den Bereich des Schadenseintritts in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht hinreichend eingrenzen und nach einer verlorengegangenen Sendung daher nicht gezielt suchen kann. Dementsprechend hat sie es selbst lediglich für wahrscheinlich gehalten, daß der Verlust der Sendung bereits in ihrem Abgangsdepot in Herbolzheim eingetreten sein müsse. Andererseits konnte sie aber auch nicht ausschließen, daß die Sendung in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach oder in ihrem Empfangsdepot in Hannover verlorengegangen ist. Hätte die Beklagte in ihrem Abgangsdepot Herbolzheim eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt, wäre ein in diesem Depot eingetretener Verlust zeitnah entdeckt worden und hätte die Suche nach der abhanden gekommenen Sendung gezielt auf dieses Depot und die im maßgeblichen Zeitraum am Warenumschlag in diesem Depot Beteiligten beschränkt werden können.
Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß eine systematische Suche nach außer Kontrolle geratenen Sendungen durch die EDV-mäßige Vernetzung sämtlicher Depots und Umschlagzentren möglich sei. Die Beklagte hat
zu dem streitgegenständlichen Verlustfall lediglich vorgetragen, daß eine zentral gesteuerte Suchmeldung in allen ihren Depots und Umschlagzentren mit negativem Ergebnis durchgeführt worden sei. Da der Eingang der Sendung bereits in ihrem zentralen Umschlagsdepot in Dietzenbach nicht habe festgestellt werden können und ein Verlust von Sendungen auf der Fernverkehrsstrecke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne , sei der Verlust der Sendung "wahrscheinlich" bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Damit räumt die Beklagte selbst ein, daß durch ihr EDVSystem nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten ist, um dort eine gezielte Suche zu ermöglichen. Vielmehr bleibt ihr bei ihrem System, in dem lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot durchgeführt wird, nur die Möglichkeit, eine Suche in allen ihren Depots und Umschlagzentren und somit gerade keine gezielte Suche in einem bestimmten Depot oder Umschlagzentrum zu veranlassen.
Der Vortrag der Beklagten, sie habe eine Zertifizierung nach der ISONorm 9002 durchgeführt, steht der Annahme eines leichtfertigen Organisationsverschuldens schon deshalb nicht entgegen, weil diese DIN-Vorschrift keine spezifischen Anforderungen an die Sorgfalt des Spediteurs beim Warenumschlag , sondern lediglich allgemeine Merkmale eines effektiven Qualitätsmanagementsystems regelt, so daß die Erteilung des Zertifikats nicht den Rückschluß auf einen ausreichenden Schutz des Frachtgutes vor Verlust zuläßt.

e) Entgegen der Ansicht der Revision ist es revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer wie im Streitfall elemen-
tare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also eine Ein- oder Ausgangskontrolle unterläßt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein , es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen (vgl. BGHZ 74, 162, 172).
aa) Die von der Beklagten behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei ihr umgeschlagenen Sendungen geringe Schadensquote von 0,1 bis 0,2 ‰ sowie die behauptete Aufklärungsquote von 99 % bei Fehlleitungen von Sendungen widerlegen für sich allein nicht die Annahme des Bewußtseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dies folgt schon daraus, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Schadensquote und der hohen Aufklärungsquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß im hier maßgeblichen Zeitraum keine schwerwiegenden Mängel in der theoretischen oder praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten vorgelegen haben (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, TranspR 1998, 262, 264 f. = VersR 1998, 657; BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 175, 177; BGH, Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11 f.).
bb) In der Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, die erforderliche Wahrscheinlichkeit sei ein mittlerer Grad von Gewißheit, der zwischen Möglichkeit und absoluter Gewißheit angesiedelt sei. Das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sei daher quantitativ in dem Sinne zu bestimmen, daß die Wahrscheinlichkeit erst anzunehmen sei, wenn die Möglichkeit, daß das Schadensereignis eintrete, mehr als 50 % betrage, die
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts also größer sei als die des Nichteintritts (vgl. OLG Frankfurt VersR 1981, 164, 165; MünchKomm.HGB/Kronke, Art. 25 WA 1955 Rdn. 30; Giemulla in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Art. 25 WA Rdn. 45; Gass in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 435 Rdn. 3; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 435 HGB Rdn. 16; Thume, TranspR 2002, 1, 3; Neumann, TranspR 2002, 413, 416; vgl. auch: Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, S. 130).
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Hierauf kommt es im Fall der Verletzung elementarer Sorgfaltsvorkehrungen in der Organisation eines Betriebs aber auch nicht an, weil schon die Kenntnis des grob mangelhaften Betriebsablaufs das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts einschließt.
Es ist daher entgegen der Auffassung der Revision weder erfahrungswidrig noch verstößt es gegen Denkgesetze, wenn das Berufungsgericht trotz der von der Beklagten behaupteten geringen Schadens- und hohen Aufklärungsquote aufgrund der beim Warenumschlag bei der Beklagten bestehenden Kontrollücken auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
C. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
22. Mai 2014
Führinger
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 17 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1; HGB § 435; BGB §§ 242 Cd, 368;ZPO
§§ 416, 440
Wird weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt, kann der Beweis
für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1
CMR Anspruchsberechtigten auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem
Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt
werden. Der Frachtführer kann sich nicht darauf berufen, die Übernahmequittung
habe keinerlei Beweiswert oder aber ihr Beweiswert sei erschüttert, weil
sie "blind" unterschrieben wurde, wenn der Unterzeichner der Empfangsbestätigung
die Möglichkeit hatte, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen
Abschluss zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen.
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung führender Transportversicherer der W. C. He. GmbH mit Sitz in H. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin ). Diese beauftragte die seinerzeit in A. ansässige Beklagte unter anderem mit dem Transport zweier Päckchen mit je drei Kilogramm Carboplatin per Lkw zu festen Kosten von H. nach U. in Österreich. Der Wert der Päckchen betrug nach der Packliste jeweils 86.000 €.
2
Mit der Durchführung des Transports vom Lager der Streithelferin der Klägerin in H. nach A. beauftragte die Beklagte ihre Streithelferin. Am Nachmittag des 4. August 2010 belud der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin den von der Streithelferin der Beklagten bereitgestellten Lkw mit einer Vielzahl von Packstücken. Die einzelnen Sendungen erfasste der Mitarbeiter Al. mit einem Handscanner. Dazu gehörten auch die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin mit Carboplatin. Während des Beladevorgangs hielt sich der Fahrer der Streithelferin der Beklagten K. im Führerhaus des Lkw auf. Anschließend begaben sich der Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin und der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zum Büro des Lagers. Der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zeichnete die ihm dort vorgelegte Ladeliste, auf der auch die beiden Päckchen mit Carboplatin aufgeführt waren, unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" ab. Daraufhin erhielt der Fahrer die Ladepapiere und eine Plombe zur Anbringung am Lkw, die der Streithelferin der Klägerin von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden war. Der Fahrer verschloss den bis dahin offenstehenden Lkw und trat die Fahrt nach A. an. Wann er den beladenen Lkw verplombte, ist nicht festgestellt. Bei der Entladung des Lkw im Lager der Beklagten in A. fehlte eines der Päckchen mit Carboplatin.
3
Die Klägerin hat behauptet, beide Päckchen mit Carboplatin seien auf den Lkw der Streithelferin der Beklagten verladen worden. Jedes der Päckchen habe einen Warenwert von 77.180,54 € gehabt. Sie habe den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden nach Abzug eines Selbstbehalts von 2.500 € reguliert.
4
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 77.180,54 € nebst Zinsen in Anspruch genommen, wobei sie hilfsweise Zahlung eines Teilbetrags von 2.500 € an die Versicherungsnehmerin beantragt hat.

5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hanau, Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 O 72/11, juris). Dagegen haben die Klägerin und ihre Streithelferin Berufung eingelegt, die das Berufungsgericht zurückgewiesen hat (OLG Frankfurt, TranspR 2013, 341 = RdTW 2014, 204). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, verfolgen die Klägerin und ihre Streithelferin den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
7
Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das in Verlust geratene Päckchen von der Beklagten übernommen worden sei. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin das Frachtstück auf den Lkw verladen habe und dass es bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer K. unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" habe keinen Beweiswert. Sie sei unstreitig ohne Kenntnis des Fahrers von der Vollständigkeit des Ladevorgangs, mithin "blind" erfolgt. Die Klägerin könne wegen der vom Fahrer unterzeichneten Ladeliste auch nicht verlangen, dass sich die Beklagte so behandeln lassen müsse, als ob sie das Päckchen übernommen habe. Die für die Streithelferin der Klägerin im Büro des Lagers tätige Mitarbeiterin habe gewusst, dass die Unterzeichnung durch den Fahrer keinen Rückschluss auf die Vollständigkeit der Verladung zugelassen habe. Der Fahrer ha- be zur Kontrolle der Verladung keine Unterlagen in Händen gehabt und hätte allenfalls die Packstücke zählen können, was aber unüblich gewesen wäre. Die Beklagte müsse sich die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer ihrer Streithelferin auch nicht als widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Der Fahrer K. habe mit der Abzeichnung keinen Vertrauenstatbestand geschaffen , der die Streithelferin der Klägerin von weiteren Kontrollen oder Sicherungsmaßnahmen zur Vollständigkeit der Verladung abgehalten habe. Dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer K. die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe gerade wegen der Unterzeichnung der Ladeliste zur freien Verfügung überlassen habe, sei weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin haben Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann ein nach § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin nach Art. 17 Abs. 1 CMR nicht verneint werden.
9
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Transport die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anwendbar sind. Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut per Lkw von H. nach U. in Österreich befördert werden. Sowohl Deutschland als auch Österreich gehören zu den Ver- tragsstaaten der CMR. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 CMR sind damit erfüllt.
10
2. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für den Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Die Übernahme setzt voraus, dass der Frachtführer willentlich selbst oder durch seine Gehilfen aufgrund eines wirksamen Frachtvertrages den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an dem zu befördernden Gut erwirbt (vgl. zu § 425 HGB BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 13 = VersR 2013, 251; zu Art. 17 CMR Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 4; Thume in Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 17 Rn. 18; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 9). Die Übernahme setzt weiter den Willen des Absenders voraus, die Verfügungsgewalt über das Transportgut aufzugeben, und den Willen des Frachtführers, die Kontrolle daran zu übernehmen (Thume aaO Art. 17 Rn. 18).
11
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Streithelferin der Beklagten das Transportgut mit dem Aufbruch der Zeugen Al. und K. zum Ladebüro der Streithelferin der Klägerin nach Abschluss der Verladearbeiten durch den Zeugen Al. übernommen hat. Von einer Übernahme im Sinne des Art. 17 Abs. 1 CMR ist auszugehen, wenn die vom Absender vorzunehmenden Ladearbeiten abgeschlossen sind und der Fahrer entweder den Laderaum schließt oder das Gut derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen gelangt, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können (vgl. zu § 425 HGB BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 13). Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ladearbeiten vor. Zu diesem Zeitpunkt war der FahrerK. in der Lage, das Transportgut durch Verschließen des Laderaums vor Schäden zu bewahren. Dass er statt dessen das Fahrzeug während des Zeitraums, in dem er das Ladebüro aufsuchte, offen stehen ließ, führt nicht zu einer Verschiebung des Zeitpunkts der Übernahme des Gutes.
12
b) Die Klägerin ist für die Übernahme des in Rede stehenden Päckchens mit Carboplatin darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 158 = NJW-RR 2003, 754). Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis geführt hat. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung (dazu II 2 c und d). Mit Erfolg macht die Revision aber geltend, dass die Beklagte sich an der Bestätigung des Fahrers K. ihrer Streithelferin festhalten lassenmuss (dazu II 2 e).
13
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , aufgrund der Bekundungen der Zeugen sei der Nachweis nicht geführt, dass das fragliche Päckchen Carboplatin auf den Lkw verbracht worden sei.
14
aa) Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen Al. , er habe die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin aus dem Tresor geholt, auf den Lkw des Zeugen K. verladen und dort gescannt, keinen Glaubengeschenkt. Das Berufungsgericht, das die Beweisaufnahme teilweise wiederholt hat, hat ausgeführt, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Zeuge Al. das Frachtstück auf das Transportfahrzeug verladen habe und dass dieses bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Es könne nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Zeuge Al. das Päckchen in unredlicher Absicht zwar mit dem Erfassungsgerät aufgezeichnet, dann aber entweder nicht verladen oder aber wieder ausgeladen habe. Ebenso sei es möglich, dass der Zeuge K. das Päckchen zur Seite geschafft habe. Auch sei ein Zugriff Dritter nicht auszuschließen, nachdem der Lastwagen bis zur Rückkehr des Zeugen K. vom Ladebüro offen gestanden habe.
15
bb) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler erkennen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen , ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, BGHZ 181, 346 Rn. 30).
16
cc) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entspricht diesen Anforderungen. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht erwogen , dass der bei der Streithelferin der Klägerin beschäftigte Zeuge Al. Carboplatin gekannt habe; er habe deshalb gewusst, dass es sich nicht um das Edelmetall Platin, sondern um Gefahrgut handelte. Dagegen sei es dem abholenden Fahrer K. eher zuzutrauen, dass er das in Verlust geratenePäckchen für wertvoll und stehlenswert gehalten habe. Damit kann die Revision schon deshalb nicht durchdringen, weil der Zeuge Al. bei seinen Vernehmungen vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht ausdrücklich bekundet hat, nicht gewusst zu haben, dass sich in dem verloren gegangenen Päckchen Gefahrgut befunden hat.
17
d) Die Revision greift vergeblich die Würdigung des Berufungsgerichts an, der Beweis der Übernahme des in Rede stehenden Packstücks sei nicht durch die Übernahmequittung des Fahrers K. auf der Ladeliste geführt.

18
aa) Die Klägerin kann sich im Streitfall nicht mit Erfolg auf die Beweisvermutung nach Art. 9 Abs. 2 CMR berufen. Nach dieser Bestimmung wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen, wenn dieser keinen mit Gründen versehenen Vorbehalt des Frachtführers aufweist. Diese Beweisvermutung greift aber nur ein, wenn ein den Vorschriften der Art. 5 und 6 CMR entsprechender Frachtbrief vorliegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 1979 - I ZR 67/77, NJW 1979, 2471 = VersR 1979, 466; Urteil vom 18. Januar 2001 - I ZR 256/98, TranspR 2001, 369 = NJW-RR 2001, 1253). Das ist hier nicht der Fall. Die Ladeliste ersetzt den Frachtbrief nicht.
19
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den in Art. 8 CMR bestimmten Obliegenheiten. Wie die Revision selbst einräumt , begründet ein etwaiger Verstoß des Zeugen K. gegen derartige Pflichten keine Haftung nach Art. 17 CMR (Koller, Transportrecht aaO Art. 8 CMR Rn. 1 mwN).
20
bb) Der Revision verhilft die Rüge nicht zum Erfolg, das Berufungsgericht habe den Beweiswert des vom Fahrer K. unterschriebenen Vermerks über den Erhalt der Sendung verkannt.
21
(1) Wurde - wie hier - weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt , kann der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1 CMR Anspruchsberechtigten grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden (BGH, TranspR 2003, 156, 158). Die formelle Beweiskraft einer solchen Empfangsbestätigung richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei der Quittung im Sinne von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis , durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (BGH, TranspR 2003, 156; BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403 = NJW-RR 2005, 1557). Der Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 153/77, WM 1979, 1157). Eine Erschütterung der Beweiskraft kommt in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte (BGH, Urteil vom 7. November 1985 - I ZR 130/83, TranspR 1986, 53, 56 = VersR 1986, 287). Dementsprechend bezieht sich die Beweiskraft einer Empfangsquittung im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (BGH, TranspR 2003, 156, 158).
22
(2) Die Unterschrift des Zeugen K. besitzt formelle Beweiskraft. Sie erbringt vollen Beweis für die Abgabe der in der Übernahmequittung enthaltenen Erklärung (§§ 416, 440 Abs. 2 ZPO). Ob die in der Übernahmequittung enthaltene Erklärung zur Überzeugung des Gerichts auch inhaltlich richtig oder ihre Beweiswirkung entkräftet ist, muss der Tatrichter würdigen. Diesem ist im Streitfall insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen.
23
(3) Vorliegend seht fest, dass der Fahrer K. während des Ladevorgangs nicht zugegen war und den Vermerk über den Erhalt der Sendung ohne Prüfung der Anzahl der Packstücke unterzeichnet hat. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter nicht davon überzeugt war, das fragliche Päckchen sei in die Obhut des Frachtführers gelangt.

24
e) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss die Beklagte sich aber an der Übernahmequittung festhalten lassen und kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Fahrer ihre Streithelferin habe die Anzahl der Packstücke ohne Überprüfung - sozusagen "blind" - quittiert.
25
aa) Kann der Frachtführer oder ein von ihm eingeschalteter Erfüllungsgehilfe bei der Übernahme die Anzahl der Güter kontrollieren, macht er von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch und quittiert er gleichwohl deren Zahl, so handelt er entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widersprüchlich, wenn er sich später darauf beruft, die Übernahmequittung sei "blind" erteilt worden (vgl. OLG Hamm, TranspR 1992, 359, 360; OLG Karlsruhe , TranspR 2004, 468, 470; Bästlein/Bästlein, TranspR 2003, 413, 418). In einem solchen Fall begründet die Übernahmequittung die widerlegliche Vermutung , dass die angegebene Stückzahl zutrifft (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404 = VersR 2006, 573). Für dieses Ergebnis spricht die große Bedeutung, die der Übernahmequittung im Bereich des Transportwesens für den Nachweis der Übernahme des Gutes zukommt. Unterzeichnet der Frachtführer die Übernahmequittung, ohne die angegebene Stückzahl einer möglichen Kontrolle zu unterziehen, hält er den Absender regelmäßig davon ab, seinerseits die erforderlichen Beweise für die Übernahme des Gutes zu sichern.
26
bb) Im Streitfall sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen sich die Berufung der Beklagten auf die "blind" unterzeichnete Übernahmequittung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erweist.
27
(1) Die im Rechtsstreit vorgelegte Ladeliste besteht aus sieben fortlaufend nummerierten Seiten, in der insgesamt 30 Pakete jeweils mit Absender und Empfänger, Maßen, Gewicht, Lieferschein, Warenwert, Sendungsnummer und Auftragsnummer genannt sind. Auf der letzten Seite sind die Gesamtanzahl der Packstücke und das Gesamtgewicht angegeben. Auf der ersten Seite oben befinden sich unter dem Namen und der Adresse der Streithelferin der Klägerin die Tour-Nummer, das Datum, der Name der Sachbearbeiterin sowie die Telefon - und Telefax-Nummer. Direkt darunter hat die Streithelferin der Klägerin einen Stempel aufgebracht, auf dem unter der vorgedruckten Überschrift "Obige Sendung erhalten" das Datum, das Kfz-Kennzeichen, die Unterschrift und der Name in Druckbuchstaben anzugeben waren. In diesem Stempel finden sich als Eintragungen das Kennzeichen des vom Zeugen K. gefahrenen Lkw, die Unterschrift des Zeugen sowie sein Name in Druckbuchstaben. Neben dem ausgefüllten Stempelaufdruck ist in einem vorgedruckten Feld handschriftlich die Plombennummer vermerkt.
28
Da die Unterschrift des Fahrers K. unterhalb der Angabe der TourNummer und des Stempelvordrucks "Obige Sendung erhalten" angebracht ist, hat sie die Funktion, die Verantwortung für den darüber stehenden kurzen Text zu übernehmen und ihn räumlich abzuschließen. Die Beweisfunktion der Unterschrift erfasst damit die Erklärung des Fahrers K. , von der Streithelferin der Klägerin eine Sendung zu einer bestimmten Tour erhalten zu haben.
29
(2) Die vom Zeugen K. erteilte Übernahmequittung enthält materiell die Erklärung, dass er insgesamt 30 Packstücke übernommen hat. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da angesichts der umfangreichen Beweisaufnahme vor dem Landgericht und der teilweisen Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind. Danach ist die Unterschrift des Fahrers K. auf der von der Streithelferin der Klägerin erstellten Ladeliste als eine Quittung auch für das verloren gegangene Päckchen anzusehen.

30
(3) Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug genommen hat, war es Aufgabe der Streithelferin der Klägerin, den Lkw zu beladen, die aufgeladenen Pakete mithilfe eines Scan-Gerätes zu erfassen , die eingelesenen Daten mit der Ladeliste abzugleichen und dabei zu überprüfen, ob alle Pakete auf der Ladeliste eingescannt waren. Dabei waren der Zeuge Al. mit der Beladung und dem Scannen, die Zeugin W. mit dem Abgleich der vom Scanner übertragenen Daten mit der Ladeliste betraut. Die Streithelferin der Beklagten, für die der Zeuge K. tätig war, war dagegen für die Beladung nicht verantwortlich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dem Fahrer die Ladeliste mit der Vorlage zur Unterschrift erstmals zur Kenntnis gebracht. Er war damit zu einer Überprüfung der Ladeliste während des Beladevorgangs ohne eigene Ladepapiere nicht in der Lage. Der Fahrer hatte aber die Möglichkeit, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen Abschluss vor der Unterzeichnung der Übernahmequittung zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht und gleichwohl die Übernahmequittung unterzeichnet.
31
(4) Aus dem gesamten Verhalten der Streithelferin der Klägerin ergibt sich, dass sie die Unterschrift des Fahrers zum Anlass genommen hat, auf weitere Maßnahmen zur Kontrolle der Vollständigkeit der Sendung zu verzichten und keine weiteren Beweise für die Übergabe der Güter zu sichern. Sie hat dem Fahrer die Ladepapiere ausgehändigt und ihm die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe zum Verschließen des Lkw übergeben. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin die mangelnde Kontrolle des Fahrers gekannt haben. Es war nicht ihre Aufgabe, den Fahrer zu Überprüfungsmaßnahmen anzuhalten. An dem durch die Unterzeichnung der Übernahmequittung geschaffenen Vertrauenstatbestand muss sich die Beklagte festhalten lassen. Auch wenn die Übernahmequit- tung ohne Kontrolle unterzeichnet worden ist, begründet sie die widerlegliche Vermutung für die Übernahme von zwei Päckchen mit Carboplatin. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu klären, ob das fragliche Päckchen von der Streithelferin der Beklagten übernommen worden ist.
32
3. Das Berufungsgericht ist im Rahmen einer Hilfserwägung davon ausgegangen , dass die Beklagte nur beschränkt in Höhe von 25 Rechnungseinheiten haftet. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
33
a) Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat (Art. 29 Abs. 1 CMR). Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR).
34
Da auf den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag gemäß Art. 5 Abs. 1 der Rom-I-VO, der im Streitfall maßgeblich ist, deutsches Recht zur Anwendung kommt, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435 HGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 15 = RdTW 2014, 55). Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat.

35
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 27). Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
36
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muss, dass in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Ohne ausreichende Einund Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier - bzw. EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt (BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN.).
37
b) Diesen an die Prüfung qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 29 Abs. 1 CMR anzulegenden Maßstäben werden die hilfsweise hierzu angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts nicht gerecht.
38
aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten sei nicht vorgetragen. Die Beklagte habe vielmehr einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast entsprochen. Die Umstände der Übernahme und des Transports bis zur Entladung in A. seien von der Beklagten eingehend mitgeteilt worden. Es könne danach nicht ausgeschlossen werden, dass die Sendung aus der Obhut der Streithelferin der Beklagten abhandengekommen sei, indem sie aus dem offenen Fahrzeug entwendet worden sei. Das Unterlassen einer Sicherung sei dem Lkw-Fahrer zwar vorzuwerfen. Es sei aber nicht vorsatzgleich, weil der Zeuge K. nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt habe, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen.
39
bb) Das Berufungsgericht hat dabei zum einen erhebliche Umstände in seine Betrachtung nicht einbezogen, zum anderen seine Auffassung auf Umstände gestützt, die nicht festgestellt sind.
40
Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass nach den getroffenen Feststellungen der Fahrer für die Streithelferin der Beklagten den Gewahrsam an dem Transportgut durch eine "blind" ausgestellte Quittung übernommen hat. Zudem hat er seinen Lkw mit geöffnetem Rolltor während der Entgegennahme der Ladepapiere unbeaufsichtigt offen stehen lassen. Dabei hat der Fahrer zum einen auf eine Vollständigkeitskontrolle der übernommenen Sendung verzichtet und zum anderen das übernommene Transportgut gefährdet. Denn es bestand, wie das Berufungsgericht auch festgestellt hat, die Möglichkeit, dass Dritte vom offenen Lastwagen das verloren gegangene Päckchen entwendet haben, weil in dieser Zeit noch zwei weitere Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe beladen wurden. Diese Nachlässigkeiten schließen die Annahme einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs bei der Eingangskontrolle sowie unzureichender Anweisungen an die Fahrer zum Schutz des Transportguts bei der Streithelferin der Beklagten nicht aus. Dies kann den Vorwurf der Leichtfertigkeit im Sinne von § 435 HGB begründen.
41
Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, der Fahrer habe nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen, lassen nicht erkennen, auf welchen Feststellungen sie beruhen.
42
III. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben ; es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
43
Sollte sich im wiedereröffneten Berufungsverfahren ergeben, dass die Beklagte ein qualifiziertes Verschulden an der Entstehung des Schadens trifft, kann der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang gewürdigte Umstand , dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer die ihr von der Beklagten überlassene Plombe zu dessen unkontrollierter Verfügung überließ, im Rahmen einer Prüfung eines eventuellen Mitverschuldens der Streithelferin der Klägerin (§ 254 BGB) an der Entstehung des Schadens berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 34; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22 = RdTW 2013,

24).


Büscher Schaffert Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hanau, Entscheidung vom 23.05.2012 - 5 O 72/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.05.2013 - 5 U 138/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 216/14 Verkündet am:
4. Februar 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 435; HGB § 660 Abs. 3 in der bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung;
ADSp 2003 Nr. 27.2

a) Ziffer 27.2 ADSp lässt in Abweichung von § 660 Abs. 3 HGB aF bei Multimodaltransporten
mit Seestrecke zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung auf
zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware ein qualifiziertes Verschulden
der Leute oder Gehilfen des Frachtführers genügen.

b) Wird Transportgut ohne die für den Seetransport erforderliche Markierung versendet
und beauftragt der Versender den Hauptfrachtführer damit, die fehlende
Markierung nachzuholen, begründet ein unterbliebener körperlicher Abgleich der
unmarkierten Sendung mit den Lieferpapieren hinreichende Anhaltspunkte für ein
qualifiziertes Verschulden, wenn es infolge einer fehlerhaften Markierung zu einer
Sendungsverwechslung und einem Verlust des Transportguts kommt.
BGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - I ZR 216/14 - OLG Köln
LG Köln
ECLI:DE:BGH:2016:040216UIZR216.14.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2016 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. September 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der V. I. GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie macht nach Regulierung eines Transportschadens wegen Fehlleitung von Transportgut auf sie übergegangene und von der Versicherungsnehmerin abgetretene Schadensersatzansprüche geltend.
2
Die Versicherungsnehmerin beauftragte am 19. März 2010 die Beklagte zu 1 zu festen Kosten mit der Durchführung eines Transports von Luftkanonenteilen , verpackt in drei Packstücken mit einem Gesamtgewicht von 1.585 kg, von Duisburg nach Jeddah in Saudi-Arabien. Ein Teil des Landtransports wurde von der H. Z. GmbH durchgeführt. Den Seetransport übertrug die Beklagte zu 1 der in Zypern ansässigen S. L. Ltd., die dabei durch ihre deut- sche Agentin, die Sa. Sh. GmbH, vertreten wurde. Die Saco Shipping GmbH beauftragte die Beklagte zu 2, ein Container-Packunternehmen mit Sitz in Hamburg, mit der Übernahme des Transportguts und dessen Umladung in Seecontainer.
3
Die H. Z. GmbH lieferte das Transportgut am 22. März 2010 per Lkw bei der Beklagten zu 2 an. Dort wurde festgestellt, dass die Sendung nicht mit einer für den Seetransport nach Saudi-Arabien notwendigen Markierung versehen war. Auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten zu 2 teilte die Beklagte zu 1 dies der Versicherungsnehmerin mit, die daraufhin die Beklagte zu 1 damit beauftragte, die notwendige Markierung durchführen zu lassen. Die Sa. Sh. GmbH leitete die Markierungsdaten zusammen mit dem Auftrag an die Beklagte zu 2 weiter, das Transportgut gegen Zahlung einer gesonderten Vergütung zu markieren. Bei der Beklagten zu 2 kam es zu einer Verwechslung mit einer anderen, ebenfalls von der H. Z. GmbH angelieferten , nicht markierten und für einen Transport nach Indien bestimmten, aus zwei Packstücken bestehenden Sendung. Das Transportgut der Versicherungsnehmerin wurde nach Indien verschifft; das andere von der Beklagten zu 2 nachträglich markierte Transportgut gelangte nach Saudi-Arabien. Es gelang den Beteiligten nicht, das fehlgeleitete Transportgut der Versicherungsnehmerin zurückzuerhalten.
4
Die Klägerin hat die Beklagten auf Ersatz des Wertes des abhanden gekommenen Gutes in Höhe von 24.121,88 € zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, Haftungsbeschränkungen kämen nicht zum Tragen, weil der Verlust des Gutes auf einem qualifizierten Verschulden der Beklagten zu 2 beruhe, das sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen müsse.
5
Das Landgericht hat die Klage nur gegen die Beklagte zu 1 und lediglich im Gegenwert von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm beförderter Ware und damit in Höhe von 3.546,34 € nebst Zinsen für begründet erachtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, TranspR 2015, 121).
6
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe lediglich gegen die Beklagte zu 1 ein Schadensersatzanspruch zu, der sich auch nur auf 3.546,34 € belaufe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
8
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach ein auf sie als Versicherer übergegangener Schadensersatzanspruch gemäß §§ 459, 452 HGB, § 606 Satz 2 HGB aF zu. Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 hätten einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB geschlossen. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts werde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Bei dem Vertrag, der zunächst per LKW und dann mit dem Schiff abgewickelt werden sollte, habe es sich um einen multimodalen Frachtvertrag gemäß § 452 HGB gehandelt. Der Schadensfall sei gemäß § 452a HGB nach Seefrachtrecht zu beurteilen. Die Seebeförderung habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen, weil diese mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen sei. Der Schadensersatzanspruch sei auf zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm beförderter Ware beschränkt. Diese Haf- tungsbeschränkung beruhe auf Ziffer 23.1.3 ADSp, deren Geltung die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 bei der Vergabe des Auftrags wirksam vereinbart hätten. Ein qualifiziertes Verschulden, das nach Ziffer 27 ADSp einen Wegfall der Haftungsbegrenzung zur Folge gehabt hätte, habe nicht vorgelegen.
9
Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei nicht begründet. Diese hafte nicht auf vertraglicher Grundlage wegen Schlechterfüllung der Markierungspflicht. Den Auftrag zur Markierung habe die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt, die den Auftrag über die Sa. Sh. GmbH an die Beklagte zu 2 weitergegeben habe. Auf die Klägerin übergegangene Ansprüche aufgrund des Vertragsverhältnisses könnten sich mithin nur ergeben, wenn die Beauftragung der Beklagten zu 2 als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte anzusehen wäre. Ob hiervon auszugehen sei, könne dahinstehen. Nach § 334 BGB stünden der Beklagten zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen zu, die ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Gegenüber dieser könne sich die Beklagte zu 2 auf die Ausschlussfrist von einem Jahr des § 612 Abs. 1 HGB aF berufen.
10
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können weder über zwei Sonderziehungsrechte je Kilogramm des abhanden gekommenen Transportguts hinausgehende Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 verneint (dazu B I) noch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 gänzlich ausgeschlossen werden (dazu B II).
11
I. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 lediglich einen auf sie übergegangenen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von zwei Sonderziehungsrechten je Kilogramm des abhanden ge- kommenen Transportguts, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 nach deutschem Recht zu beurteilen ist (dazu B I 1). Es hat weiter mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt, hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand (dazu B I 2). Einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht dagegen ohne Rechtsfehler verneint (dazu B I 3).
12
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 ein Speditionsvertrag zustande gekommen ist, auf den gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) deutsches Sachrecht anzuwenden ist. Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern - wie im Streitfall - keine Rechtswahl nach Art. 3 dieser Verordnung getroffen haben, ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I-Verordnung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Bei dem hier in Rede stehenden Speditionsvertrag handelt es sich um einen Vertrag über die Beförderung von Gütern im Sinne dieser Bestimmung, da er in der Hauptsache der Güterbeförderung dient (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 1 und 2 der Verordnung; Mankowski, TranspR 2015, 17, 20; zu Art. 4 Abs. 4 Satz 3 des Übereinkommens von Rom vgl. EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - C-305/13, TranspR 2015, 37 Rn. 28 und 32 - Haeger & Schmidt). Die Beklagte zu 1 ist Beförderer im Sinne dieser Vorschrift; der Begriff „Beförderer“ bezeichnet dieVertragspar- tei, die sich zur Beförderung der Güter verpflichtet, unabhängig davon, ob sie die Beförderung selbst durchführt (vgl. Erwägungsgrund 22 Satz 3 der Verordnung ). Da die Beklagte zu 1 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und das Gut in Deutschland zur Beförderung übernommen wurde, ist deutsches Sachrecht anwendbar.
13
2. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin für den Verlust des Transportguts dem Grunde nach haftet; seine Annahme, diese Haftung sei der Höhe nach beschränkt , hält einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
14
a) Die Beklagte zu 1 haftet der Versicherungsnehmerin dem Grunde nach für den Verlust des Transportguts. Dabei kann offenbleiben, ob sich diese Haftung aus den Vorschriften des Landfrachtrechts (§ 425 HGB) oder des Seefrachtrechts (§ 606 Satz 2 HGB aF) ergibt.
15
aa) Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte zu 1 haben einen Speditionsvertrag zu festen Kosten im Sinne von § 459 HGB abgeschlossen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass auf diesen Speditionsvertrag hinsichtlich der Beförderung die §§ 452, 452a HGB anwendbar sind, weil die Beklagte zu 1 einen multimodalen Transport zu besorgen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 - I ZR 207/04, BGHZ 173, 344 Rn. 23 f.; Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 140/06, BGHZ 181, 292 Rn. 20 f.; Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 20 f.; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 452 HGB Rn. 6). Die Beförderung des Gutes sollte aufgrund des einheitlichen Speditionsvertrages mit verschiedenartigen Transportmitteln (Lkw, Schiff) durchgeführt werden. Die Beförderung mit den jeweiligen Beförderungsmitteln wäre verschiedenen Rechtsvorschriften unterworfen gewesen, wenn über sie gesonderte Verträge geschlossen worden wären. Der Transport per Lkw von Duisburg nach Hamburg wäre nach den Vorschriften des Landfrachtrechts (§§ 425 ff. HGB) zu beurteilen. Auf den Transport per Schiff von Hamburg nach Jeddah/Saudi Arabien wären die Vorschriften des Seefrachtrechts in der im Streitfall noch maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (§§ 556 ff. HGB aF) anzuwenden.
16
bb) Steht im Falle eines multimodalen Transportes fest, dass der Verlust auf einer bestimmten Teilstrecke eingetreten ist, so bestimmt sich die Haftung gemäß § 452a Satz 1 HGB nach den Rechtsvorschriften, die auf einen Vertrag über eine Beförderung auf dieser Teilstrecke anzuwenden wären. Andernfalls richtet sich die Haftung gemäß § 452 Satz 1 HGB grundsätzlich nach dem Landfrachtrecht. Dies gilt nach § 452 Satz 2 HGB auch dann, wenn ein Teil der Beförderung über See durchgeführt wird.
17
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Haftung der Beklagten zu 1 richte sich danach grundsätzlich nach dem Seefrachtrecht. Der Verlust des Gutes sei auf der Seestrecke eingetreten. Die Seestrecke habe nach der Ablieferung der Ware durch den Landfrachtführer bei der Beklagten zu 2 begonnen. Die Beklagte zu 2 sei mit der Umladung des Frachtguts für den Seetransport in Container befasst gewesen. Diese Tätigkeit weise eine enge Verbindung zur nachfolgenden Seestrecke auf. Deshalb sei der Umladevorgang nach Seefrachtrecht zu beurteilen.
18
(2) Es kann offenbleiben, ob die gegen diese Beurteilung gerichteten Einwände der Revision begründet sind. Für den Grund der Haftung kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 nach dem Seefrachtrecht oder dem Landfrachtrecht haftet. Nach dem Seefrachtrecht (§ 606 Satz 2 HGB aF) haftet der Verfrachter für den Schaden, der durch Verlust der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, dass der Verlust auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. Nach dem Landfrachtrecht (§ 425 HGB) haftet der Frachtführer gleichfalls für den Schaden, der durch Verlust des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
19
b) Das Berufungsgericht hat weiter mit Recht angenommen, dass die Haftung der Beklagten zu 1 der Höhe nach zwar auf zwei Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt ist, ein qualifiziertes Verschulden ihrer Leute oder Gehilfen aber zu einer unbeschränkten Haftung der Beklagten zu 1 führt.
20
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp) in der im Streitfall noch maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2003 aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010 in den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag einbezogen worden.
21
bb) Nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes bei einem Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt. Der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Speditionsvertrag hat von vornherein eine Beförderung des Gutes mit verschiedenartigen Verkehrsmitteln vorgesehen, und zwar unter Einschluss einer Seebeförderung. Für die Anwendung von Ziffer 23.1.3 ADSp kommt es nicht darauf an, ob der Schadensort bekannt ist und auf welcher Teilstrecke - Landstrecke oder Seestrecke - der Schaden eingetreten ist. Anders als in Ziffer 23.1.2 ADSp wird in Ziffer 23.1.3 ADSp nicht darauf abgestellt, dass der Schaden an dem Gut während des Transportvorgangs mit einem bestimmten Beförderungsmittel entstanden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Multimodalbeförderung unter Einschluss einer Seebeförderung vereinbart wurde. Ist dies - wie hier - der Fall, ist Ziffer 23.1.3 ADSp gegenüber Ziffer 23.1.2 ADSp lex specialis (BGH, TranspR 2013, 437 Rn. 50 mwN). Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob damit die Haftungshöchstbeträge des Seefrachtrechts (vgl. § 660 Abs. 1 HGB aF) übernommen oder aber die Haftungshöchstbeträge des Landfrachtrechts (§ 431 Abs. 1 und 4 HGB) modifiziert werden (vgl. Koller aaO ADSp Ziffer 27 Rn. 1a, 8).
22
cc) Nach Ziffer 27.2 ADSp gilt diese Haftungsbegrenzung nicht, wenn der Schaden in den Fällen der §§ 425 ff., 461 Abs. 1 HGB durch die in §§ 428, 462 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein verursacht worden ist, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Danach lässt Ziffer 27.2 ADSp bei Multimodaltransporten unter Einschluss einer Seestrecke in den Fällen der §§ 425, 461 Abs. 1 HGB zur Durchbrechung der Haftungsbeschränkung - anders als § 660 Abs. 3 HGB aF - ein qualifiziertes Verschulden der Leute oder Gehilfen des Spediteurs genügen. Darin liegt im Ergebnis - die Anwendbarkeit des Seefrachtrechts unterstellt - eine Abweichung von den gesetzlichen Haftungsregelungen zum Nachteil der Beklagten 1 als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine solche Abweichung ist nach § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HGB in der im Streitfall maßgeblichen, bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung (jetzt § 449 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 194/08, TranspR 2011, 80 Rn. 37; Koller aaO § 449 HGB Rn. 52; aA Bahnsen in Ebenroth/Boujong/ Jost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Nr. 27 ADSp Rn. 44).
23
dd) Die sich nach den ADSp richtende Haftung der Beklagten zu 1 ist nicht durch Konnossementsbedingungen geändert worden. Zwar heißt es in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu 1 vom 19. März 2010, dass sich ein Angebot im Falle der Ausstellung von FIATA Bills of Lading auf die von der FIATA verwendeten Konnossementsbedingungen oder diejenigen der eingesetzten Reedereien - im Streitfall der S. L. Ltd. - beziehe, die insoweit Vorrang vor den ADSp hätten. Darauf kommt es aber nicht an, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine FIATA Bill of Lading erstellt worden ist.
24
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2, das sich die Beklagte zu 1 nach Ziffer 27.2 ADSp zurechnen lassen muss, nicht verneint werden. Danach ist auch der Annahme des Berufungsgerichts , die Haftung der Beklagten zu 1 sei nach Ziffer 23.1 und 23.1.3 ADSp der Höhe nach auf zwei Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm begrenzt , die Grundlage entzogen.
25
aa) Der Umschlag von Transportgütern ist besonders schadensanfällig und muss deshalb so organisiert werden, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Ohne ausreichende Eingangs- und Ausgangskontrollen , die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden, so dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskon- trollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist daher im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (zum Frachtführer vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN; Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 36; vgl. auch Ziffer 7 ADSp). Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
26
bb) Der Anspruchsteller hat grundsätzlich die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Er trägt daher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben , es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. März 2011 - I ZR 50/10, TranspR 2011, 220 Rn. 20 mwN). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Der Frachtführer hat in diesem Fall substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret angewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 17 mwN). Für die Haftung des Spediteurs gelten diese Grundsätze entsprechend.

27
cc) Das Berufungsgericht hat nach diesen Maßstäben dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen der Klägerin ohne Rechtsfehler hinreichende Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 entnommen. Im Gewahrsam der Beklagten zu 2 ist es unbestritten zu einer Verwechslung des für den Transport nach Saudi-Arabien bestimmten Guts der Versicherungsnehmerin mit einer für den Transport nach Indien bestimmten Sendung gekommen. Unstreitig hat die Beklagte zu 2 auf die für den Transport nach Indien bestimmte Sendung die für die Sendung der Versicherungsnehmerin vorgesehene Markierung angebracht. Nach dem Vortrag der Klägerin ist bei der Beklagten zu 2 kein Abgleich der Sendungen mit den Lieferpapieren erfolgt, anhand dessen sowohl bei einer Eingangs- als auch bei einer Ausgangskontrolle die Identität der Waren hätte festgestellt werden können. Die Klägerin hat vorgetragen, eine Identifizierung der Ware sei anhand der an den Packstücken angebrachten Packzettel möglich gewesen, auf denen auch der Bestimmungsort der Ware angegeben gewesen sei.
28
dd) Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Beklagten dargelegten Betriebsabläufe bei der Beklagten zu 2 gewährleisteten grundsätzlich, dass es nicht zu Verwechslungen von Waren kommen könne; der Beklagten zu 2 könne daher kein qualifiziertes Verschulden vorgeworfen werden. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen gestellt hat.
29
(1) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, die Waren würden mit LOT-Nummern angeliefert, die bei der Beklagten zu 2 infolge ihrer elektronischen Vernetzung mit der Sa. Sh. GmbH bereits verzeichnet seien. Anhand dieser Nummern sei das Ziel der jeweiligen Sen- dung erkennbar. Die LOT-Nummer sei sowohl auf der Anlieferungsquittung als auch auf dem Anlieferungsschein vermerkt. Anhand dieser Papiere könne eine Lieferung zweifelsfrei einer Destination zugeordnet werden. Sodann werde das Transportgut abgeladen und nach den in den Papieren bezeichneten Destinationen räumlich getrennt in den Hallen der Beklagten zu 2 abgelegt und zwischengelagert.
30
Das Berufungsgericht hat angenommen, es stelle keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, die die Destination zweifelsfrei erkennen ließen, nicht auf der Ware selbst vermerkt seien. Die Frachtstücke seien gewöhnlich entsprechend markiert und könnten bereits anhand dieser Markierung den Zielhäfen zweifelsfrei zugeordnet werden. Es stelle auch keinen Organisationsmangel dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit ihrer Zuordnung überprüft würden. Für ordnungsgemäße Betriebsabläufe spreche, dass die nicht ordnungsgemäße Markierung sowohl der Sendung der Versicherungsnehmerin als auch der weiteren Sendung bei der Beklagten zu 2 aufgefallen und eine nachträgliche Markierung angefordert worden sei.
31
Die Beklagte zu 2 habe mit ihrem Vortrag, der anliefernde Fahrer habe die Sendungen verwechselt und danach sei eine falsche Zuordnung zu den einzelnen Lagerplätzen und die Markierung entsprechend den Lagerplätzen erfolgt, einen Ablauf dargelegt, der nicht in ihrem Gefahrenbereich gelegen und ganz maßgeblich zu der schadensursächlichen Verwechslung der Markierung beigetragen habe. Bei einer derartigen Verwechslung der Papiere habe nicht mehr auffallen können, dass die eigentlich für Indien bestimmte Sendung nur zwei Frachtstücke, die für Saudi-Arabien bestimmte Sendung hingegen drei Frachtstücke umfasst habe. Die Kontrollen der Beklagten zu 2 hätten nur deshalb versagt, weil bei ihr am selben Tag von demselben Frachtführer zwei un- markierte Sendungen eingeliefert worden seien. Wenn Sendungen unter diesen Umständen bei der Anlieferung verwechselt und einem falschen Zielort zugeordnet würden, begründe dies ein Versagen im Einzelfall, bei dem nicht auf eine grundsätzlich mangelnde Kontrolle der Beklagten zu 2 oder auf ein besonders gewichtiges Verschulden der Beklagten zu 2 geschlossen werden könne. Es spreche vieles dafür, von einer solchen versehentlichen Verwechslung im Einzelfall auch dann auszugehen, wenn tatsächlich kein Fehlverhalten des anliefernden Fahrers, sondern eine unzutreffende Zuordnung der Ablageplätze durch Mitarbeiter der Beklagten zu 2 vorgelegen hätte. Ein gesteigerter Verschuldensvorwurf im Sinne eines leichtfertigen Verhaltens könne darin nicht gesehen werden.
32
Ein leichtfertiges Verhalten der Beklagten zu 2 ergebe sich auch nicht im Zusammenhang mit der Markierung. Die diese Markierung vornehmenden Mitarbeiter der Beklagten zu 2 hätten von einer richtigen Zuordnung des Frachtguts zu den jeweiligen Zielhäfen ausgehen dürfen. Selbst wenn die Ware der Versicherungsnehmerin, wie von der Klägerin behauptet, mit einem den Bestimmungsort ausweisenden Packzettel versehen gewesen wäre, würde der fehlende Abgleich nicht zur Annahme qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 führen, weil der Packzettel nicht die Funktion habe, Auskunft über das Transportziel der Ware zu geben, sondern der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware diene.
33
(2) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat damit zu geringe Anforderungen an die zur Vermeidung von Warenverlusten erforderlichen Kontrollmaßnahmen der Beklagten zu 2 gestellt.
34
Wenn die auf den Frachtstücken üblicherweise angebrachte Markierung - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die fehlerfreie Zuordnung der Sendungen zu den jeweiligen Destinationen ermöglichte und ihr Fehlen deshalb eine besondere Gefahr der Fehlleitung und der Verwechslung mit anderen nicht markierten Sendungen begründete, hätte eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation der Beklagten zu 2 es erfordert, nicht markierte Sendungen einer besonderen Behandlung zu unterziehen und beispielsweise mit den Lieferpapieren oder den Packzetteln abzugleichen. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie die Beklagten behaupten - das Gut der Versicherungsnehmerin nicht nur ohne Markierung, sondern gänzlich ohne identifizierende Kennzeichnungen an den Packstücken angeliefert worden sein sollte.
35
Es würde daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens begründen, wenn sich die Beklagte zu 2 allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen hätte. Die Beklagte zu 2 nimmt nach ihrem eigenen Vortrag keinen Abgleich von Stückzahl, Abmessungen und Gewicht der bei ihr angelieferten Sendungen mit den Lieferpapieren vor, weder bei der Anlieferung per Lkw noch bei der Verladung der Sendungen in Container. Im Streitfall ist ein solcher Abgleich auch bei der Nachmarkierung der Sendung der Versicherungsnehmerin unterblieben. Nach dem Vorbringen der Klägerin wäre bei einem derartigen Abgleich hinsichtlich der Stückzahl und der Abmessungen die Verwechslung aufgefallen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könnte auch der fehlende Abgleich mit einem den Bestimmungsort der Ware ausweisenden Packzettel ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 begründen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass ein Packzettel der Kontrolle der Vollständigkeit der angelieferten Ware dient und nicht Auskunft über das Transportziel der Ware geben soll. Entscheidend ist, dass der Bestimmungsort der Ware anhand des Packzettels festgestellt werden kann. Es begründet daher den Vorwurf leichtfertigen Verhaltens, wenn Zweifel am Bestimmungsort der Ware nicht anhand des Packzettels ausgeräumt werden.
36
Aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann allerdings nicht beurteilt werden, ob die Beklagte zu 2 danach ein qualifiziertes Verschulden trifft, weil sie sich allein auf die vom Anlieferungsfahrer vorgenommene Zuordnung der unmarkierten Waren zu den jeweiligen Zielorten verlassen und den Bestimmungsort der Sendung der Versicherungsnehmerin nicht selbst überprüft hat. Im Streitfall steht nicht fest, wie es zu einer Verwechslung der beiden Sendungen bei der Beklagten zu 2 gekommen ist. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Sendung (wie von den Beklagten behauptet) ohne jegliche Kennzeichnung, insbesondere ohne Absender- oder Empfängerangabe, angeliefert worden war oder ob sie (wie von der Klägerin behauptet) mit einem angehefteten Packzettel versehen war, der ihren Bestimmungsort erkennen ließ. Ebensowenig ist festgestellt, aufgrund welcher Informationen der Anlieferungsfahrer und die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 die Sendungen den für die entsprechenden Destinationen vorgesehenen Aufstellplätzen zugeordnet haben.
37
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen auf eine Schlechterfüllung des Markierungsauftrags gestützten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 verneint hat.
38
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der fehlerhaften Markierung des Transportgutes habe es sich um die Schlechterfüllung einer speditionsrechtlichen Nebenpflicht (§ 461 Abs. 2 Satz 1, § 454 Abs. 2 HGB) gehandelt. Der Auftrag zur Markierung sei nicht als Werkvertrag zu qualifizieren; eine Schlechterfüllung dieses Auftrags könne daher keine Haftung nach §§ 280, 631 BGB begründen. Der Auftrag sei am Rande des bereits bestehenden Spediti- onsvertrages abgeschlossen worden, um eine für den Transport nach SaudiArabien zwingend erforderliche Markierung nachzuholen. Auf diesen Auftrag seien daher die für den Speditionsvertrag vereinbarten ADSp anwendbar. Danach hafte die Beklagte zu 1 für die fehlerhafte Markierung nur beschränkt.
39
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
40
aa) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , dass es sich bei der Nachmarkierung des Transportguts um eine speditionsrechtliche Nebenpflicht der Beklagten zu 1 gehandelt habe.
41
(1) Das Revisionsgericht kann die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter nur darauf überprüfen, ob gesetzliche oder anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - I ZR 176/07, NJW-RR 2010, 1410 Rn. 12 - Neues vom Wixxer, mwN). Die Revision zeigt keine derartigen Fehler auf.
42
(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kennzeichnung des Transportguts grundsätzlich nicht dem Spediteur oder dem als Frachtführer zu behandelnden Fixkostenspediteur (§ 459 Satz 1 HGB), sondern dem Versender obliegt (§ 455 Abs. 1 Satz 1, § 411 Satz 3 HGB). Von diesem Grundsatz kann allerdings durch Parteivereinbarung abgewichen werden (zur dem Versender obliegenden Verpackung vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - I ZR 150/10, TranspR 2012, 148 Rn. 33). Im Streitfall hat die Beklagte zu 1 die Markierung des Guts aufgrund eines entsprechenden Auftrags der Versicherungsnehmerin übernommen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungs- gericht angenommen, dass die Markierung der Sendung gegenüber dem Speditionsvertrag keine eigenständige Bedeutung hatte, sondern lediglich die noch fehlende Voraussetzung für die Durchführung des Transports schaffen sollte. Sie war dem Speditionsvertrag untergeordnet und ist deshalb als Nebenleistung anzusehen.
43
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass für diese Nebenpflicht die Regelungen des Speditionsvertrags zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zu 1 gelten und damit auch die in diesen Vertrag einbezogenen ADSp. Die Beklagte zu 1 kann sich danach auf die Haftungsbeschränkungen von Ziffer 23.1.3 ADSp berufen. Die Voraussetzungen einer unbegrenzten Haftung nach Ziffer 27 ADSp sind nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Beklagten zu 1 weder ein qualifiziertes Verschulden noch die Verletzung vertragswesentlicher Pflichten im Sinne von Ziffer 27.1 ADSp vorzuwerfen. Die Verletzung von Nebenpflichten durch die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 begründet keine unbeschränkte Haftung nach Ziffer 27.2 ADSp. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf § 461 Abs. 1 HGB und nicht auf die Regelungen des § 461 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 454 Abs. 2 HGB, die die Haftung für Schäden infolge der Verletzung von Nebenpflichten zum Gegenstand haben.
44
II. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 wendet. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung rechtfertigt die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht.
45
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Versicherungsnehmerin mit der Beklagten zu 2 keinen Vertrag geschlossen hat, aus dem sich ein Anspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 ergeben könnte. Sowohl den Transportauftrag als auch den Auftrag zur Markierung hat die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1 erteilt. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 oder aber die S. L. Ltd. oder die Sa. Sh. GmbH der Beklagten zu 2 einen entsprechenden Markierungsauftrag erteilt hat. Die Versicherungsnehmerin war jedenfalls nicht Auftraggeberin der Beklagten zu 2.
46
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können allerdings Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 aus einem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin nicht verneint werden.
47
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur nachträglichen Markierung der Sendung um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin gehandelt hat. Das Vorliegen eines solchen Vertrags, der eigene Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 begründen könnte, ist deshalb im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen. Dasselbe gilt für entsprechende Ansprüche der Versicherungsnehmerin aus dem der Beklagten zu 2 erteilten Auftrag zur Umladung der Sendung in Seecontainer, die das Berufungsgericht nicht ausdrücklich geprüft hat.
48
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach § 334 BGB könne die Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin alle Einwendungen erheben, welche ihr gegenüber ihrer Auftraggeberin zustünden. Es seien seefrachtrechtliche Vorschriften anzuwenden, weil die von der Beklagten zu 2 vorgenommene Umladung im Zusammenhang mit dem von der S. L. Ltd. zu erbringenden Seetransport erfolgt sei. Die Beklagte zu 2 habe die Markierungsarbeiten aufgrund einer Beauftragung im Zusammenhang mit ihrer Umladeverpflichtung vorge- nommen. Sie könne sich deshalb auf das Verstreichen der Jahresfrist des § 612 HGB aF berufen. Ob sich dasselbe aus den von der S. L. Ltd. als Reederin vorgelegten Konossementsbedingungen ergebe, könne offen bleiben. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
49
Da der Seetransport nicht der Beklagten zu 2, sondern derS. L. Ltd. oblag, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten zu 2 vorzunehmende Umladung und die in diesem Zusammenhang beauftragten Markierungsleistungen im Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin als eine Nebenpflicht im Zusammenhang mit dem Seetransport anzusehen sind. Für diese Leistung gilt daher nicht das Seefrachtrecht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Rechtsnatur des der Beklagten zu 2 erteilten Auftrags getroffen. Es ist denkbar, dass die Beklagte zu 2 allein mit dem Umschlag des Transportguts beauftragt war. In dem isoliert vereinbarten Umschlag von Transportgut ist eine frachtvertragliche Leistung zu sehen, bei der sich die Haftung des Umschlagunternehmens nach den §§ 425 ff. HGB richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2014 - I ZR 100/13, TranspR 2014, 283 Rn. 8; Koller aaO § 407 HGB Rn. 10a mwN; Herber, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 21 II 3 a). Danach käme eine Haftung der Beklagten zu 2 gegenüber ihrer Auftraggeberin und - bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - gegenüber der Versicherungsnehmerin nach § 437 HGB in Betracht. Für solche Ansprüche gilt die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB, die bei qualifiziertem Verschulden eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsieht.
50
C. Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
51
I. Soweit es die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage angeht, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob diese für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu 2 einzustehen hat und für den eingetretenen Schaden in weitergehendem Umfang haftet. Da die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens der Beklagten zu 2 vorgetragen hat und nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten nicht angenommen werden kann, die Beklagte zu 2 habe ihren Kontrollpflichten genügt , ist davon auszugehen, dass ein grober Organisationsmangel vorliegt. Unter diesen Umständen obliegt es grundsätzlich der Beklagten zu 1, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechenden Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 122/99, TranspR 2002, 448, 452 mwN; Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 30). Das Berufungsgericht wird daher insbesondere dem bestrittenen Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, der Beklagten zu 2 habe die fehlerhafte Zuordnung der für Saudi-Arabien bestimmten Sendung der Versicherungsnehmerin durch den Fahrer der H. Z. GmbH nicht auffallen können.
52
II. Das Berufungsgericht wird ferner erneut zu prüfen haben, ob Schadensersatzansprüche der Klägerin aus auf sie übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte zu 2 in Betracht kommen. Dabei wird es zu erwägen haben, ob die der Beklagten zu 2 erteilten Aufträge zur Umladung und zur Markierung der Sendung der Versicherungsnehmerin als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherungsnehmerin anzusehen sind (zu den Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 16 f. mwN). Eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 durch die Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation kommt nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Auftraggeberin der Beklagten zu 2 ihre Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 an die Versicherungsnehmerin abgetreten hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 181/08, TranspR 2010, 376 Rn. 47 bis 51; Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, TranspR 2015, 167 Rn. 22).
Koch Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2013 - 87 O 41/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 05.09.2014 - 3 U 15/14 -

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

16

a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als Selbstständige oder als abhängig Beschäftigte ausübte und ob sie der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

2

Die 1970 geborene Beigeladene zu 1) war in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 für die Klägerin, einem Unternehmen für Logistik- und Transportdienstleistungen, im Transportdienstleistungsbereich tätig. Einer der Hauptkunden der Klägerin ist die Firma H Logistik Deutschland GmbH (im folgenden H GmbH). Die H GmbH ist Logistik-Dienstleister. Sie beauftragt selbständige Unternehmer mit der Zustellung von Sendungen.

3

Der Geschäftsführer der Klägerin ist gleichzeitig Geschäftsführer der T Diese erbringt auf der Grundlage eines Satellitendepotvertrages mit der H GmbH Transportdienstleistungen. Mit der Klägerin ist ein solcher Satellitendepotvertrag nach deren Angaben nicht geschlossen worden. Allerdings hat auch die Klägerin einen schriftlichen Kooperationsvertrag geschlossen, der dem Satellitendepotvertrag weitgehend entspricht. Bei der Durchführung von vertraglich geschuldeten Leistungen für die H GmbH muss die Klägerin die von der H GmbH vorgegebenen standardisierten Formulare und Sachmittel verwenden und die im "H Qualitätshandbuch" vorgegebenen Serviceanforderungen erfüllen.

4

Die Beigeladene zu 1) war nach eigenen Angaben zuvor bereits im Paketdienstgewerbe tätig, und zwar ab dem 1.12.2009 zusammen mit ihrem Ehemann für das Transportunternehmen N K. Dieses Unternehmen war wiederum ebenfalls für die H GmbH tätig und benutzte die gleichen Formulare wie die Klägerin.

5

Die Beigeladene zu 1) hatte am 12.7.2010 ein Gewerbe für eine Tätigkeit im Internethandel und Paketdienst bei der Verbandsgemeindeverwaltung A angemeldet. Sie erwarb zwecks Durchführung ihrer Tätigkeit von der T GmbH einen gebrauchten Ford Transit Kastenwagen für 4000 Euro. Am 14.3.2011 erfolgte die Abmeldung des Gewerbes.

6

Ein zwischen ihr und der Klägerin am 26.8.2010 geschlossener "Unternehmer-Partnerschaftsvertrag" enthielt folgende Regelungen:

7

1. Grundlagen

8

1.1. Der Auftragnehmer erbringt die Dienstleistung gegenüber dem Kunden des Auftraggebers selbständig im Auftrag des Auftraggebers. Die selbständige Erledigung des Auftrages erfordert die Anmeldung eines Gewerbes. Der Auftragnehmer handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Gewerbeanmeldung ist dem Auftraggeber schriftlich nachzuweisen. Die Ausführung der Einzelaufträge erfolgt durch den Auftragnehmer selbst oder durch unselbständige Dritte. In jedem Fall hat der Auftragnehmer zu gewährleisten, dass die Auftragsausführung nach den gesetzlichen sowie sonstigen sicherheitstechnischen Vorschriften erfolgt.

9

1.2. Der Auftragnehmer führt seinen Gewerbebetrieb unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, weiter unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) sowie der für das Transportwesen geltenden besonderen Regelungen (z.B. Ladungssicherheit, Lenkzeitverordnung, Straßenverkehrsordnung, Vorschriften der Berufsgenossenschaft u.a.). Der Auftragnehmer führt die von ihm zu leistenden Steuern regelmäßig an das Finanzamt ab.

10

1.3. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für die Dauer des Vertrages dafür Sorge zu tragen, dass etwaige öffentlich rechtliche Genehmigungen vorliegen und sein Gewerbebetrieb auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht so organisiert ist, dass die nach diesem Vertrag geschuldeten Leistungen erfüllt werden können. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, Änderungen in seinem Unternehmen, die insbesondere auch dessen Leistungsfähigkeit (z.B. die Anzahl der Mitarbeiter oder den Fuhrpark) betreffen, dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Der Auftragnehmer ist damit einverstanden, dass der Auftraggeber jederzeit Auskunft über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers verlangen kann. Der Auftraggeber hat das Recht sich, auch durch unangemeldete Kontrollen, bei dem Auftragnehmer von der Qualität der Leistungserbringung zu vergewissern.

11

1.4. Die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen dürfen nicht ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers zur selbständigen Ausführung auf andere Dritte übertragen werden.

12

1.5 Bei Verletzung von Pflichten sowie von sonstigen Kriterien, die gegen eine Unternehmenseigenschaft sprechen, ist der Auftragnehmer dem Auftraggeber zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet.

13

1.6 Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber schriftlich darüber zu informieren, falls er als Kleinstunternehmer nach § 19 UStG geführt wird.

14

2. Qualität der Leistungen

15

2.1. Der Auftragnehmer haftet für die ordnungsgemäße Durchführung der übernommenen Aufgaben. Weiterführende Beschreibungen der Aufgaben sind im H Qualitätshandbuch (aktuelle Auflage) definiert. Er stellt die Qualität der Leistungserbringung auch durch seine Mitarbeiter stets sicher. Erfüllt ein Mitarbeiter des Auftragnehmers nicht die Anforderungen des Auftraggebers, kann dieser verlangen, dass der betreffende Mitarbeiter für Auslieferungen nicht mehr eingesetzt wird.

16

2.2 Die vom Auftragnehmer eingesetzten Mitarbeiter tragen während der Zustell- oder Abholtätigkeit eine geeignete, gepflegte Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung. Der Auftragnehmer kann vom Auftraggeber diese Berufskleidung zum marktüblichen Preis entgeltlich erwerben.

17

2.3. Für die nach diesem Vertrag geschuldeten Transportleistungen stellt der Auftragnehmer in erforderlicher Anzahl Kraftfahrzeuge zur Verfügung. Die Fahrzeuge sind mit dem Hinweis "im Auftrag der H Logistik Gruppe" zu versehen. Der Auftragnehmer kann vom Auftraggeber solche Hinweistafeln anfordern. Darüber hinaus ist an den Fahrzeugen während der Dauer der Erbringung der Dienstleistung für den Auftraggeber keine Werbung zulässig. Die Fahrzeuge sind in einer neutralen Farbe (weiß) zu halten.

18

3. Vertragsgebiet

19

3.1. Der Auftragnehmer erbringt seine Transportdienstleistungen in dem in der Anlage 1 a beschriebenen Vertragsgebiet. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, seine ablauforganisatorischen Verfahren in unveränderter und uneingeschränkter Form fortzuführen.

20

Änderungen in der räumlichen Festlegung des Zustellgebiets sind zwischen den Parteien schriftlich zu vereinbaren.

21

3.2. Der Auftraggeber ist berechtigt, in diesem Vertragsgebiet selbst tätig zu werden.

22

3.3. Dem Auftragnehmer können vom Auftraggeber auch Transportdienstleistungen in anderen als dem Vertragsgebiet übertragen werden.

23

4. Vergütung

24

4.1. Der Auftragnehmer erhält für seine Transportdienstleistung eine Vergütung entsprechend der Anlage 1 zzgl. gesetzl. Mehrwertsteuer. Bei Kleinstunternehmern nach § 19 UStG erfolgt keine Auszahlung der Mehrwertsteuer. Vergebliche Kundenanfahrten werden nicht vergütet.

25

4.2. Die Vereinbarungen über die Vergütung sind unabhängig von den übrigen Bestimmungen dieses Vertrages gesondert mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsende durch den Auftraggeber kündbar. Die Kündigung bedarf der Schriftform.

26

4.3. Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber Gutschriften für seine Dienstleistungen jeweils bis zum 15. des Folgemonats für den Vormonat. Die Zahlung erfolgt innerhalb von 30 Tagen nach Erstellung der Gutschrift. Der Auftraggeber ist berechtigt, Teil- und Abschlagszahlung zu leisten, ein Anspruch seitens des Auftragnehmers entsteht darauf nicht.

27

Der Auftraggeber ist berechtigt, Kosten für Sachmittel nach Anlage 3 oder andere Forderungen wie z.B. Mietwagen, Schadenersatz von Sendungen bei der Auszahlung zu verrechnen.

28

Maßgebend für die Berechnung der monatlichen Mengen sind die mittels Scanner erfassten, zugestellten und der beim Kunden abgeholten Sendungen, sowie der Zeitpunkt der Übertragung der Scannerdaten an die Vertragspartner des Auftraggebers (z.B. H L GmbH H ).

29

4.4. Eine Auszahlung kann nur erfolgen, wenn dem Auftraggeber alle Unterlagen des Auftragnehmers vorliegen, die für eine ordnungsgemäße Buchführung notwendig sind (insbesondere Gewerbeanmeldung und Steuernummer).

30

4.5 In der Anlage 1 ist für die Sendungsklasse 100 bereits ein Qualitätsbonus in Höhe von 0,05 EUR je Paket enthalten. Wird die Qualität (H Zustellvorgabe) am Monatsende nicht erreicht, wird der Qualitätsbonus wieder in Abzug gebracht.

31

5. Haftung und Versicherungsschutz

32

5.1. Der Auftragnehmer haftet nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Sendung in der Zeit von der Übernahme der Sendung bis zu Ablieferung oder durch eine Überschreitung der Auslieferfrist entsteht. Das gleiche gilt für Handlungen und Unterlassungen derjenigen Personen, derer sich der Auftragnehmer bei der Ausführung der Transportdienstleistungen bedient. Eine Sendung gilt als übergeben, sobald Sie mit dem Scanner erfasst wurde.

33

5.2. Die vom Auftragnehmer zu leistende Entschädigung wegen Verlust, falscher Zustellung oder Beschädigung von Sendungen wird durch den Vertragspartner des Auftraggebers (z.B. H ) festgesetzt und entspricht dem tatsächlichen Wert der Sendung zuzüglich festgesetzter Vertragsstrafen. Der Auftragnehmer bestätigt, dass er über die Vertragsstrafen in Kenntnis gesetzt wurde. Der Auftragnehmer haftet generell mindestens in dem Umfang, wie der Auftraggeber von seinen Auftraggebern (z.B. H ) in Regress genommen wird.

34

5.4. Die Haftungsbegrenzung gilt nicht, wenn der Schaden auf eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlung des Auftragnehmers oder von ihm eingesetzter Personen zurückzuführen ist. Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften einer Haftungsbefreiung oder Haftungsbegrenzung unterliegt, hat er nachzuweisen, dass er nicht vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, gehandelt hat.

35

5.4. Bei etwaigen durch den Auftragnehmer verursachten Schadensfällen wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer innerhalb von 21 Tagen nach Eintritt des Schadens eine vorläufige Schadensmeldung einreichen. Bei Transportverlusten, die dem Auftragnehmer zuzurechnen sind, besteht für den Auftraggeber eine Anmeldefrist von 8 Monaten beginnend ab dem Transportdatum.

36

5.5. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für einen ausreichenden Versicherungsschutz Sorge zu tragen. Er hat eine Schadensversicherung für die von ihm beförderten Güter abzuschließen. Er tritt schon jetzt dem annehmenden Auftraggeber den Anspruch auf Leistung aus der Versicherung gegen die Versicherung an den Auftraggeber ab. Der Auftragnehmer ist ferner verpflichtet, eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die entsprechenden Versicherungspolicen sind dem Auftraggeber vom Auftragnehmer auf Anforderung jederzeit vorzulegen.

37

5.6. Der Auftragnehmer haftet für Schäden an den ihm mietweise überlassenen Sachmitteln.

38

6. Leistungsverzug

39

6.1. Erbringt der Auftragnehmer die ihm obliegenden Transportdienstleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß, ist er unter Fristsetzung zur vertragsgemäßen Leistungserbringung aufzufordern. Die Fristsetzung kann unterbleiben, wenn die Leistungserbringung als Terminsache keinen Aufschub duldet oder der Auftragnehmer - auch mündlich - die Leistung verweigert.

40

6.2. Im Fall des Leistungsverzuges ist der Auftraggeber berechtigt, einen Dritten zu beauftragen oder selbst tätig zu werden. Der entstehende Aufwand ist von dem Auftragnehmer zu tragen. Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.

41

Der Auftragnehmer zahlt für jeden Einzelfall des Verzuges eine Vertragsstrafe in Höhe von 70 Euro (in Worten siebzig Euro) an den Auftraggeber.

42

7. Vertraulichkeit, Datenschutz, Konkurrenzklausel

43

7.1. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die sich aus der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ergebenen Kenntnisse, insbesondere über Geschäftsbeziehungen, Kunden und Ablauforganisation, das Warenverteilungskonzept, sowie die Ablauforganisation vertraulich zu behandeln. Die gleiche Verpflichtung wird der Auftragnehmer auch den von ihm eingesetzten Personen auferlegen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vereinbarte Vertraulichkeit auch nach Beendigung des Vertrages fort gilt.

44

7.2. Der Auftragnehmer ist damit einverstanden, dass personenbezogene Daten vom Auftraggeber über dessen elektronische Datenverarbeitung verarbeitet werden. Ihm ist bekannt, dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Auftragnehmer kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen.

45

7.3 Die Parteien sind verpflichtet, personenbezogene Daten nur dem Vertragszweck und den jeweils gültigen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) entsprechend zu verarbeiten. Das Postgeheimnis ist zu wahren. Hiermit erfüllt die jeweils übermittelnde Partei ihre Hinweispflicht nach § 28 Abs. 4 BDSG.

46

7.4 Der Auftragnehmer ist frei, selbständig am Markt weitere Leistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung dieses Vertrages nicht beeinträchtigen.

47

8. Vertragsstrafe

48

8.1. Verstößt der Auftragnehmer gegen die Verpflichtung zum Nachweis des Gewerbes (Ziff. 1.1) oder nach Ziffer 4, so zahlt er für jeden Fall des Verstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 2500 Euro (in Worten Zweitausendfünfhundert Euro) an den Auftraggeber. Gleiches gilt für einen schuldhaften Verstoß des Auftragnehmers im Hinblick auf seine Qualifikation zur Durchführung des Auftrages durch den Auftragnehmer selbst oder von ihm beauftragte oder angestellte Dritte.

49

8.2. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.

50

9. Vertragsdauer

51

9.1 Der Vertrag tritt am 01.09.2010 in Kraft und ersetzt alle vorherigen Verträge.

52

9.2. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

53

9.3 Der Vertrag kann von beiden Vertragspartnern mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Maßgeblich für die Einhaltung der Kündigungsfrist ist der Eingang beim Auftraggeber.

54

9.4. Das Recht zur außerordentlichen - fristlosen - Kündigung bleibt unberührt. Als wichtiger Grund, der die sofortige Beendigung des Vertrages rechtfertigt, gilt insbesondere

55

Kündigung des Dienstleistungsvertrages der H gegenüber dem Auftraggeber

56

Einleitung eines Insolvenzverfahrens

57

wiederholte mangelhafte Leistungserbringung durch den Auftragnehmer

58

oder wiederholte nicht Erfüllung der Qualitätsanforderungen durch den Auftragnehmer

59

Vermögensdelikte an zur Beförderung übergebenen Sendungen

60

10. Schlussbestimmungen

61

10.1. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für eine Änderung der Schriftformklausel selbst. Auch eine Aufhebung des Vertrages ist nur schriftlich möglich.

62

10.2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt.

63

Die Parteien werden die unwirksame oder die nichtige Bestimmung im gegenseitigen Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der ursprünglich gewollten Bestimmung am nächsten kommt.

64

10.3. Die diesem Vertrag beigefügten Anlagen sind wesentliche Bestandteile des Vertrages. Sollten die Anlagen im Widerspruch zu diesem Vertrag stehen, gegen die Regelungen dieses Vertrages vor. Dies gilt auch für zukünftig dem Vertrag beizufügende Anlagen.

65

10.4. Der Auftragnehmer kann lediglich mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung gegen eine Forderung des Auftraggebers aufrechnen. Ansonsten ist jede Aufrechnung durch den Auftragnehmer ausgeschlossen.

66

10.5 Im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses sind beide Parteien verpflichtet, alle von der anderen Partei überlassenen Sachmittel und Unterlagen vollständig und in ordnungsgemäßem Zustand unverzüglich zurückzugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht an den überlassenen Sachmitteln sowie an den im Besitz des Auftragnehmers befindlichen Sendungen ist ausgeschlossen. Deren Herausgabe hat jederzeit auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu erfolgen.

67

10.6. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Koblenz

68

Dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag waren jeweils gesondert unterzeichnete Anlagen beigefügt (Anlage 1 Preisvereinbarung, gültig ab 1.9.2010, Anlage 2 Abwicklungsbeschreibung, Anlage 3 Sachmittel, Anlage 4 Strafenkatalog), die Gegenstand des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages waren. Auf deren Inhalt wird verwiesen.

69

Am 5.5.2011 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

70

Neben dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag und dessen Anlagen legte die Beigeladene zu 1) verschiedene Gutschriften für geleistete Paketdienste vor, außerdem eine Aufstellung "Verbindliche Tourenelemente zu Anlage 1 Unternehmer-Partnerschaftsvertrag", mit handschriftlichem Vermerk "Fr. K S gültig bis 30.9.2010", ein Schreiben der Klägerin vom 2.8.2010, in dem der Beigeladenen zu 1) bestätigt wurde, dass ihr "die Tour" bestimmter namentlich genannter Personen verbindlich angeboten werde, die Zulassung für einen Kleintransporter (Ford Transit) und ihre Kündigung vom 15.2.2010 zum 28.2.2010.

71

Die Beigeladene zu 1) führte auf Nachfrage der Beklagten aus, dass die gefahrene Tour, die eine Gültigkeitsdauer bis zum 30.9.2010 gehabt habe, ihrem Mann und ihr in dieser Form angeboten worden sei. Aufgrund der Größe der Tour sei in den Monaten November und Dezember 2010 eine Arbeitszeit von bis weit nach 21 Uhr nötig gewesen. Im Januar 2011 seien ohne weitere Absprache Orte aus der Tour entfernt und an andere Unternehmer verteilt worden. Verhandlungen über den Betrag oder die Tour seien nicht geführt worden. Sonderfahrten für Koffer, Fahrräder oder Großteile hätten nicht abgelehnt werden können, auch eine Preisverhandlung sei nicht angenommen worden. Es sei ihnen nicht freigestellt gewesen, eine Rechnung zu schreiben, sondern die Klägerin habe auf der Erteilung von Gutschriften bestanden. Hilfskräfte, die nur nach vorheriger Absprache hätten eingestellt werden können, habe sie nicht eingestellt. Dienstbeginn sei um 7.30 Uhr gewesen, das Zuspätkommen sei mit einer Geldstrafe geahndet worden. Es habe die Verpflichtung bestanden, den Zuliefer-Lkw auszuladen, die Ware einzuscannen, zu sortieren, die Tour zu scannen, die Ware zu verladen und auszuliefern. Die Ablehnung einer Zustellung sei meist untersagt worden. Das Fahrzeug habe sie von der Firma T erworben, es aber wieder mit einem bestimmten Verkaufspreis zurückgeben müssen. Der zeitliche Rahmen für die Tätigkeit sei festgelegt gewesen, die Kunden hätten bis maximal 21 Uhr angefahren werden können. Spezielle Terminzustellungen seien vorgeschrieben worden. Die Touren seien festgelegt gewesen und geändert worden, wenn man zu schnell mit der Tour fertig gewesen sei. Gelegentlich habe man Waren eines anderen Unternehmers zustellen müssen, dies sei vom Geschäftsführer bestimmt worden. Eine eigene Absprache mit anderen Unternehmern sei untersagt worden. Es habe eine Pflicht zur Erledigung von Terminzustellungen und Abholaufträgen bestanden, eine Verweigerung sei nicht angenommen worden. Die Arbeitsmittel hätten gemietet werden müssen (Scanner, Fahrzeuge), andere Sachen (Scannertasche, Bekleidung) hätten gekauft werden müssen. Dienstkleidung sei vorgeschrieben gewesen. Die Fahrzeuge hätten auf eigene Kosten angeschafft oder von ihr gemietet werden können. Eigene Kundenwerbung sei nicht betrieben worden. Gehaftet habe man selbst. Die Versicherungspflichten seien vertraglich geregelt gewesen.

72

Die Klägerin führte hierzu aus, der Beigeladenen zu 1) seien keine Vorschriften hinsichtlich der Dauer und des Endes ihrer Arbeitszeit gemacht worden. Außerdem verfüge die Beigeladene zu 1) über zwei eigene Kfz. Sie habe einen eigenen Mitarbeiter, Herrn U S , eingesetzt. Es seien keine Touren vorgegeben worden, sondern die Beigeladene zu 1) habe selbst entschieden, welche Sendungen sie in welcher Reihenfolge zustelle. Die Touren seien nur geographisch aufgeteilt gewesen. Eine Ablehnung von Aufträgen sei möglich gewesen. Nach Absprache hätten Orte zusätzlich mitgenommen werden können, dazu habe aber keine Verpflichtung bestanden. Es erfolge eine Qualitätskontrolle durch sie und ihren Kunden, die H GmbH, der Richtlinien in einem Qualitätshandbuch vorgebe. Sei ein Zusteller verhindert, habe er selbst für Ersatz zu sorgen, ansonsten drohe eine Vertragsstrafe. Sachmittel würden nicht zur Verfügung gestellt, für den Scanner sei eine Sachmittelpauschale zu entrichten. Der Zusteller hafte für Schäden und Verluste. Es bestünden insofern deutliche Unterschiede zu ihren eigenen Angestellten.

73

Mit Schreiben vom 18.7.2011 wurden die Klägerin und die Beigeladene zu 1) nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 7a ff SGB lV angehört. Die Beklagte teilte in ihrem Schreiben mit, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ab dem 1.9.2010 zu erlassen. Somit würde Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung dem Grunde nach bestehen.

74

Mit an die Klägerin und an die Beigeladene zu 1) gerichteten Bescheiden vom 12.9.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Bereich Paketzustellung bei der Klägerin vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale. Die Beigeladene zu 1) sei seit dem 1.9.2010 auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung für die Klägerin tätig. Aus der Tätigkeit für mehrere Vertragspartner könne nicht zwangsläufig auf das Nichtvorhandensein einer abhängigen Beschäftigung geschlossen werden, da auch bei abhängiger Beschäftigung eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber/Arbeitgeber möglich sei. Hinsichtlich der Ausgestaltung der von der Beigeladenen zu 1) zu erbringenden Arbeiten habe nur ein geringer Gestaltungsspielraum bestanden. Einem erheblichen unternehmerischen Risiko habe sie nicht unterlegen, unternehmerische Chancen seien ihr nicht eröffnet worden. Die im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Einwände führten nicht zu einer anderen Entscheidung. Mit der Aufnahme der Beschäftigung sei Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung eingetreten. Zwar sehe § 7a Abs 6 Satz 1 SGB IV vor, dass die Versicherungspflicht beim Vorliegen gewisser Voraussetzungen erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten eintrete. Der Antrag nach § 7a Abs 1 SGB IV sei aber nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung am 1.9.2010 gestellt worden, sondern erst im Mai 2011.

75

Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass die Eheleute S wohl schon länger im Kurierdienstgewerbe tätig seien und je nach wirtschaftlicher Situation abwechselnd ein Gewerbe angemeldet hätten. In welchem Umfang diese als Selbständige gewerblich tätig gewesen seien, sei ihr nicht bekannt. Jedenfalls seien beide an sie herangetreten, um eine bestimmte Tour zu übernehmen. Die Angaben der Beigeladenen zu 1) seien von der Beklagten unkritisch übernommen worden. Der Beigeladenen zu 1) habe es freigestanden, zu entscheiden, wie sie wann und wo welche Sendungen in welcher Reihenfolge zustelle.

76

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.2.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Widerspruchsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte.

77

Am 27.2.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben.

78

Die Klägerin hat vorgetragen, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei keine abhängige Beschäftigung. Vielmehr betätige sich die Beigeladene zu 1) selbständig, indem sie Leistungen im Bereich des Paketdienstes erbringe. Für welche weiteren Auftraggeber die Beigeladene zu 1) tätig werde sei ihr nicht bekannt. Tatsache sei, dass sie bereits ein selbständiges Gewerbe betrieben habe, bevor sie mit ihr einen Vertrag geschlossen habe. Sie habe gewerbliche Dienstleistungen für das Transportunternehmen K erbracht. Es sei nicht bekannt, ob sie das Gewerbe abgemeldet habe. Sie sei nicht in ihren Betrieb und ihre Organisation eingebunden gewesen. Es seien keine Touren vorgegeben gewesen, sondern es sei lediglich das Gebiet (A W ) vertraglich festgelegt gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe durch den Abschluss des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages eine eigene unternehmerische Entscheidung getroffen und Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht. Sie habe eigene Betriebsmittel eingebracht und eigene Mitarbeiter und mehrere Fahrzeuge eingesetzt, so dass sie einem unternehmerischen Risiko unterlegen sei. Sie habe von der T GmbH, deren Geschäftsführer mit ihrem Geschäftsführer identisch sei, einen gebrauchten Ford Transit Kastenwagen für 4000 Euro erworben. Darüber hinaus habe sie noch zwei Fahrzeuge des Typs Ford Sierra Kombi (grün und rot) im Einsatz gehabt. Der Einsatz von Kombifahrzeugen und Kastenwagen sei im Kurierdienst und im Paketdienstgewerbe absolut üblich. Dies könne der Zeuge S S , einer ihrer Mitarbeiter, bestätigen. Er könne auch bestätigen, dass sie die Touren A und W mit eigenen Fahrzeugen gefahren sei.

79

Mit Beschluss vom 19.7.2012 hat das SG K S gemäß § 75 Abs 2 SGG zu dem Rechtsstreit beigeladen.

80

Das Gericht hat die Beigeladene zu 1) in einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu ihrer Tätigkeit für die Klägerin befragt. Außerdem hat es den Geschäftsführer der Klägerin D T zu der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 15.11.2013 verwiesen.

81

Mit Urteil vom 15.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen und es habe Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden. Voraussetzung für die festgestellte Versicherungspflicht sei, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) um eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV handele. Dies sei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Eine abhängige Beschäftigung sei Grundlage für die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Beschäftigung sei die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Wichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, gäben letztere den Ausschlag. Aus dem Unternehmer-Partnerschaftsvertrag ergäben sich Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit, etwa das Fehlen von Ansprüchen auf Urlaub, Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung oder auch die umfangreichen Haftungsregelungen. Eine Übertragung von Transportleistungen auf Selbständige habe der Zustimmung der Klägerin bedurft. Sie habe die Transportleistungen durch eigene Pkw erbringen müssen, aber Arbeitsmittel der Klägerin benutzen und dafür bezahlen müssen. Sie habe vorgeschriebene Arbeitskleidung nutzen und den PKW mit Hermes-Emblemen markieren müssen. Die Beigeladene habe ihren Umsatz/Gewinn nicht durch eigene unternehmerische Tätigkeiten steigern können und sei abhängig gewesen von den ihr von der Klägerin überlassenen Transportaufträgen. Sie habe die angelieferten Sendungen unter der Kontrolle eines Mitarbeiters der Klägerin einscannen müssen. Durch das Erfassen jeder Auslieferung mittels Scanner sei eine umfassende Kontrolle durch die Klägerin jederzeit möglich gewesen. Hiermit korrespondiere auch die Abrechnung der Leistungen, da nicht die Beigeladene diese der Klägerin in Rechnung gestellt, sondern die Klägerin anhand der Scannerprotokolle Abrechnungen (Gutschriften) erteilt habe, was gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Eine eigene Entscheidungsbefugnis von einiger Bedeutung habe hinsichtlich der Beigeladenen nicht bestanden. Die Auslieferung der eingescannten Sendungen sei vorgeschrieben und die Nichterfüllung anhand eines umfangreichen Stationskataloges strafbewehrt gewesen. Das Gebiet sei vorgegeben gewesen und auch die Anzahl der Sendungen habe die Beigeladene nicht beeinflussen können. Dass für die Beigeladene die Möglichkeit bestanden habe, im Rahmen der grundsätzlich vorgegebenen Tour die einzelnen Ausbildungsorte in gewissem Umfang selbst festzulegen, bilde demgegenüber keine eigene unternehmerische Entscheidung. Insgesamt sei die Auslieferung nach der Abwicklungsbeschreibung streng reglementiert gewesen und habe keinen Spielraum für eigene Entscheidungen gelassen. Bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei.

82

Gegen das ihr am 16.12.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.1.2014 Berufung erhoben.

83

Die Klägerin macht im Berufungsverfahren weiter geltend, durch das Benutzen bestimmter Arbeitsmittel, hier eines Scanners, das Tragen bestimmter Arbeitskleidung oder das Markieren eines Fahrzeugs mit einem Emblem werde die Selbständigkeit nicht in Frage gestellt. Das SG habe verkannt, dass die Beigeladene zu 1) insgesamt drei Fahrzeuge im Einsatz gehabt habe. Zwischen ihr und ihrem Ehemann habe ein Arbeitsverhältnis bestanden und sie sei auch für andere Auftraggeber im Paketdienst tätig gewesen. In ihrer unternehmerischen Betätigung sei sie nicht behindert worden. Sie habe den Kontakt zu ihr, der Klägerin, gesucht und nicht umgekehrt. Als maßgebliche Eingliederung in den Betrieb sei nicht zu werten, dass die Warensendungen von der Beigeladenen zu 1) hätten eingescannt werden müssen. Das Scannerprotokoll habe der Feststellung des Gefahrübergangs und der Abrechnung gedient. Eine eigene Entscheidungsbefugnis habe bestanden, auch wenn die Auslieferung der eingescannten Pakete vorgeschrieben und die Nichterfüllung anhand eines umfangreichen Sanktionskatalogs strafbewehrt gewesen sei. Denn es habe der Beigeladenen zu 1) freigestanden, einen solchen Vertrag abzuschließen. Außerdem habe die Reihenfolge der Anfahrten und die Aufteilung der Touren freigestanden. Es habe auch ein Preiszuschlag für Artikel über 31 Kilogramm ausgehandelt werden können. Auch die Standardpreise hätten bei Vertragsschluss ausgehandelt werden können. Dass ziemlicher Druck geherrscht haben solle habe die Beigeladene zu 1) zwar behauptet, aber nicht näher konkretisiert. Auch habe keine enge Qualitätskontrolle durch die Firma Hermes bestanden. Es habe im streitgegenständlichen Zeitraum nur eine einzige Schulungsmaßnahme durch die H GmbH stattgefunden. Das SG habe im Übrigen versäumt, die als präsente Zeugen zum Termin am 15.11.2013 gestellten Zeugen S S und A H zu vernehmen. Die Zeugin H , die im Personalbüro arbeite, könne bestätigen, dass die Tätigkeiten von Angestellten der Klägerin nicht mit Transportdienstleistungen der Beigeladenen zu 1) vergleichbar seien. Angestellte hätten jeweils nur eine Tour, zu der sie von der Disponentin vorher eingeteilt würden. Die Angestellten müssten Boten mitnehmen und würden auf allen Touren im Wechsel eingesetzt. Sie erhielten die Arbeitsmittel und -kleidung kostenlos, benutzten Firmenfahrzeuge mit einer Tankkarte und erhielten einen Stundenlohn.

84

Der Senat hat Auskünfte der Beigeladenen zu 1) eingeholt. Auf deren Inhalt wird verwiesen. Außerdem hat sich der Senat die Richtlinien der H GmbH ("H - Qualitätshandbuch") und den Kooperationsvertrag der T mit der H GmbH ("Satellitendepot-Vertrag") vorlegen lassen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird verwiesen.

85

Mit Beschluss vom 26.11.2014 hat der Senat die für die Beigeladene zu 1) zuständige Krankenkasse, die Pflegekasse sowie die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 75 Abs 2 SGG zu dem Rechtsstreit beigeladen.

86

Die Klägerin beantragt,

87

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als Selbständige absolviert hat und somit nicht als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag,

88

hilfsweise die Zeugen S S und A H zu vernehmen.

89

Die Beklagte beantragt,

90

die Berufung zurückzuweisen.

91

Die Beklagte erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen neuen Erkenntnisse. Sie hat vorgetragen, zwar sei die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen nach der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.1.2012 - L 11 R 1138/10 grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit anzusehen, der Betroffene werde aber nicht alleine deshalb zum Selbständigen. Darüber hinaus habe sich die Beigeladene zu 1) im Verwaltungsverfahren dahingehend geäußert, dass die Touren überwiegend von der Klägerin festgelegt worden seien und es kaum Mitspracherechte gegeben habe. In einem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.1.2014 - L 1 KR 358/12 sei ein ähnlicher Sachverhalt entschieden worden. Auch dort sei die Auftragnehmerin mit einem eigenen Fahrzeug tätig gewesen und habe keine eigene Werbung aufbringen dürfen. Das eigene Fahrzeug sei nicht als ausschlaggebendes Indiz gewertet worden.

92

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

93

Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keinen eigenen Antrag gestellt.

94

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

95

Die Rücknahme der Berufung durch den Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Urteils entfaltete keine Wirkung, weil die Beklagte die nach § 156 Abs 1 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Zustimmung nicht erklärte.

96

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

97

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das erstinstanzliche Urteil ist daher nicht zu beanstanden.

98

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 bei ihr abhängig beschäftigt und es bestand Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.

99

Bei der am 5.5.2011 bei der Beklagten eingegangenen Anfrage der Beigeladenen zu 1) handelte es sich um einen Antrag im Rahmen eines sog. Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV. Danach können die Beteiligten eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers dazu beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt oder nicht. Die Beklagte hat in diesem Anfrageverfahren zutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1.9.2010 bis zum 28.2.2011 als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterlag sowie in einem Versicherungspflichtverhältnis nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 24 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) stand. Die Beklagte hat außerdem zutreffend ausgeführt, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausübte. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV liegen aufgrund des nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellten Antrags nicht vor.

100

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R).

101

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt der Prüfung des Status der Beigeladenen zu 1) der geschlossene Unternehmer-Partnerschaftsvertrag vom 26.8.2010 nebst dessen Anlagen 1 - 4, die nach Ziffer 10.3 wesentliche Bestandteile des Vertrages geworden sind. Änderungen und Ergänzungen jenes Vertrages, die zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft hätten (Ziffer 10.1. des Vertrages), sind nicht aktenkundig.

102

Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbständige Tätigkeit spricht, sollte die Beigeladene zu 1) als Selbständige Transportdienstleistungen erbringen (Ziffer 1 des Vertrages). Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die streitgegenständliche Zeit angemeldet (Ziffer 1.3. des Vertrages). Sie hatte keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen (Ziffer 5 des Vertrages).

103

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. In der sogenannten "Freelancer-Entscheidung" des BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07, die die Sozialversicherungspflicht eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens betrifft, hat das BSG ausgeführt, dass dem Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, (nur) dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn zusätzlich zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sind, wenn dieser Wille nämlich 1. den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er 2. durch weitere Aspekte gestützt wird. Aus den Entscheidungsgründen dieses BSG-Urteils ist zu entnehmen, dass die Annahme eines Unternehmerrisikos dann gerechtfertigt ist, wenn die Tätigkeit z.B. den Zweck verfolgt, eine erworbene Pilotenlizenz aufrechtzuerhalten, für deren Erwerb ein hohes Eigenkapital (dort 40.000 bis 50.000 Euro) eingesetzt wurde. Ein vergleichbares Risiko trug die Beigeladene zu 1) nicht. Der Wille wird auch nicht durch weitere Aspekte gestützt, wie im Folgenden noch dargelegt werden wird.

104

Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es - abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Lkw und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.8.2003 - B 2 U 38/02 R). Vorliegend erbrachte die Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit einem von der Klägerin gestellten Fahrzeug, sondern mit einem selbst erworbenen Fahrzeug (Kastenwagen) oder mit einem von ihrem Ehemann erworbenen Fahrzeug des Typs Ford Sierra (Ziffer 2.3. des Vertrages). Weitere Fahrzeuge waren nach ihren unwiderlegten Angaben nicht auf sie angemeldet. Allerdings führt dies jedoch nicht bereits zum Erfolg der Berufung. Wie bereits das LSG Berlin-Brandenburg ausgeführt hat (Urteil vom 17.1.2014 - L 1 KR 358/12) entspricht es keinem Unternehmerrisiko in dem hier maßgeblichen Sinne, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüber stehen. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Vorliegend war die Beigeladene zu 1) nach Ziffer 2 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages verpflichtet, das von ihr eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis "im Auftrag der H -Logistikgruppe" zu versehen, andererseits wurde ihr keine weitere Werbung gestattet. Einem möglichen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen daher keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer kann die selbständige Tätigkeit nicht am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann und daher auch kein wesentliches unternehmerisches Risiko bestand. Abgesehen vom eigenen Pkw für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H -Scanner hielt die Beigeladene zu 1) keine eigene Betriebsstätte vor, tätigte keine Investitionen und nahm kein weiteres Risiko auf sich. Es handelte sich bei dem gekauften Fahrzeug auch nicht um einen Neuwagen, sondern um einen günstigen Gebrauchtwagen, den ihr der Geschäftsführer der Klägerin für 4000 Euro verkaufte, der auch gleichzeitig der Geschäftsführer der T GmbH war, so dass jedenfalls keine vergleichsweise höhere Investition erfolgte, als es auch bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern üblich ist, die einen eigenen Pkw für den Weg zur Arbeitsstelle einsetzen.

105

Das SG hat auch zutreffend angenommen, dass es sich bei der Beigeladenen zu 1) nicht zuletzt auch angesichts der fehlenden Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder einer Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92 nicht um eine selbständige Frachtführerin im Sinne der §§ 407 ff HGB gehandelt hat. Aber auch ungeachtet der (ausschließlich) für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbstständigem Gewerbetreibenden (§§ 407ff HGB) sind bei weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und Empfängers des Frachtgutes Transportfahrer jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich wie abhängig Beschäftigte einzuordnen, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bestimmungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (BSG-Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R). So lag der Fall hier. Im Ergebnis war die Beigeladene zu 1) wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Ihr Tagesablauf war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihr Möglichkeiten geboten haben sollen, ihre Verdienstchancen durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

106

Vorliegend liegt auch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte die Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen Rahmens, d.h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden. Die Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Kunden. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages. Die Tätigkeit wurde in einem eigenen PKW, d.h. einem durch die Klägerin zugewiesenen Dienstort, verrichtet. Es erfolge eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation und in die betrieblichen Abläufe der Klägerin.

107

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit der Beigeladenen zu 1) und ihre strikte Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.3.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist. Auch Transportfahrer können daher selbst bei einer für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbstständige Gewerbetreibende bei weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes (§§ 407ff HGB) sowie Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96) jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen. So liegt der Fall hier.

108

Im vorliegenden Fall enthielt der Unternehmer-Partnerschaftsvertrag - im Übrigen auch tatsächlich praktizierte Regelungen, die die Tätigkeit der Beigeladenen 1) engen Bindungen unterwarf.

109

So war die Beigeladene zu 1) nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Klägerin Transportleistungen auf Dritte zu übertragen (Ziffer 1.4. des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages). Ein selbständiger Frachtführer ist einer derartigen Beschränkung regelmäßig nicht unterworfen. Sie musste ihr Fahrzeug außerdem mit dem Logo "im Auftrag der H L Gruppe" versehen (Ziffer 2.3. des Vertrages). Eigene Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin der Beigeladenen zu 1) Vorschriften (Ziffer 2.3. des Vertrages). Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Die Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung (H kleidung) tragen, so dass das Tätigwerden als Selbständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wurde mit 5 Euro bestraft (Ziffer 2.2. des Vertrages, Anlage 4), was ebenfalls für eine Eingliederung in den Betrieb und gegen eine eigene unternehmerische Position spricht. Der Hauptkunde der Klägerin, die H GmbH, verbot letztlich den für sie tätigen Fahrern sogar, bei ihrer Tätigkeit kurze Hosen zu tragen - mit Ausnahme der zum H Bekleidungsangebot befindlichen Hosen (Satellitendepotvertrag: Ziffer 3.4.)

110

Die Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Abgesehen davon, dass den Transportdienstleistern feste morgendliche Anfangszeiten vorgegeben waren, deren Nichtbefolgung Sanktionen nach sich zog (Anlage 1, Ziffer 1 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages und Anlage 4 des Vertrages: morgendliche Ankunft nach dem vertraglich festgesetzten Zeitpunkt 8.15 Uhr: 20 Euro), war der Dienstleister sehr engen Weisungen unterworfen. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt (Ziffer 3.1. des Vertrages) und auch wenn die Klägerin mehrfach betonte, dass keine "Touren" gefahren worden seien, so ist doch in den zu den Akten gelangten (Vertrags-) und sonstigen Unterlagen wiederholt von "Touren" die Rede. Der Beigeladenen zu 1) wurde beispielsweise in einem Schreiben der Klägerin vom 2.8.2010 "die Tour von Frau H oder Herrn P " und eben nicht nur der Zustellbezirk verbindlich angeboten. Die Beigeladene zu 1) war zwar festen Zustellbezirken zugeordnet, es gab aber auch Touren, wonach bestimmte Ziele in einer bestimmten Reihenfolge untereinander aufgelistet waren. Auch in der Abwicklungsbeschreibung (Anlage 2) ist davon die Rede, dass der Dienstleister verpflichtet ist, "alle Pakete seiner Tour" und nicht seines Zustellbezirks auszusortieren. Die Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Das Nichteinhalten der "vorgegebenen Scanreihenfolge" war strafbewehrt (Anlage 4, Strafenkatalog), was nur bedeuten kann, dass es eben doch eine bestimmte Scanreihenfolge gegeben hat und der Dienstleister allenfalls in einem geringen Umfang die Auslieferungsorte in einer für ihn optimale Reihenfolge wählen konnte, was allerdings keine ins Gewicht fallende unternehmerische Entscheidung darstellt. Es wurden nach dem Aussortieren aller Pakete seiner Tour auch "alle Sendungen auf das Fahrzeug des Dienstleisters gescannt und direkt geladen". Die Auslieferung der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen (vgl. die Abwicklungsbeschreibung, Anlage 2 des Vertrages). Aus dem Strafenkatalog (Anlage 4 zum Vertrag) ergibt sich, dass Premiumsendungen und Eilsendungen in einem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster zuzustellen waren. Es mussten nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch Sendungen von anderen Touren übernommen werden, wenn diese von den Fahrern nicht transportiert werden konnten. Sendungen durften nicht in der Nachbarschaft abgegeben werden. Dies wäre ebenfalls mit 5 Euro pro Sendung bestraft worden. Retourenabholkarten mit Anfahrtermin waren ebenfalls wie Eilsendungen zu behandeln. Eine Änderungsabsprache mit den Kunden war nicht gestattet. Dies entspricht auch den vertraglich vereinbarten Regelungen. Die Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären. Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Eine Zustellung einer Premiumsendung außerhalb des Zeitfensters wurde mit einer hohen Strafe, nämlich 70 Euro Strafe pro Sendung, geahndet. Dass - angesichts dieser ausnehmend hohen Strafe für eine einmalige Verfehlung, nämlich ein nur einmaliges verspätetes Zustellen, zumal ohne Exkulpationsmöglichkeit - insgesamt ein ziemlicher "Druck" herrschte, wie die Beigeladene zu 1) im Termin vor dem SG mehrfach, auch in anderem Zusammenhang (Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer und zur Teilnahme an Fahrerbesprechungen), betonte, ist daher ohne Weiteres nachvollziehbar und auch nicht weiter erklärungsbedürftig. Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt, außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H GmbH, nicht erfüllen könnte, weil dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig beim Kunden eintreffen würde. Selbst wenn man vorliegend annehme würde, dass die Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, was sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und auch mit Schriftsatz vom 30.5.2011 allerdings bestritten hat, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.1.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.2.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).

111

In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Die Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum der Klägerin von der H Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H -Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert war, war die Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Sie war auch über Ziffer 1.6 des Unternehmens-Partnerschaftsvertrages verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen, die sich insbesondere aus dem H Qualitätshandbuch ergaben (u.a. die 10 Grundregeln für die kundenorientierte Zustellung und Abholung wie beispielsweise dem Rauchverbot im eigenen Fahrzeug.

112

Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z.B. beim Ausfall eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen bestand. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb der Beigeladenen zu 1) auch kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, der es ihr ermöglicht hätte, ihre Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihr war es angesichts dieser - nicht auf Bedürfnissen der Kunden, sondern der H GmbH resultierenden Reglementierungen - folglich nicht möglich, aus eigener Initiative zusätzliches Frachtaufkommen zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

113

Entgegen der Behauptung der Klägerin beschäftigte die Beigeladene zu 1) auch keinen weiteren Mitarbeiter/Fahrer. Ihr Ehemann stand zu ihr nach ihren unwiderlegten Angaben nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern nach ihren unwiderlegten Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat in einer GbR, d.h. nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis, wie es für ein Beschäftigungsverhältnis erforderlich wäre. Mit dem Fahren verschiedener Fahrzeuge durch ein Ehepaar ist auch nicht zwingend der Einsatz von einem oder mehreren Arbeitnehmern verbunden, wovon die Klägerin offenbar ausgeht. Selbst wenn insgesamt mehrere Fahrzeuge von den Eheleuten S. gehalten worden wären, lässt dies keine Schlussfolgerungen auf den Einsatz von Arbeitnehmern schließen, für deren Beschäftigung Arbeitgeberpflichten verletzt worden sein könnten, wie von der Klägerin in ihren Schriftsätzen mehrfach angedeutet. Es ist weit verbreitet, dass ein Ehepaar zwei Fahrzeuge hält, ohne dass hieraus Rückschlüsse auf den beruflichen Hintergrund der Anschaffung gezogen werden können. Die Fahrzeuge können ohne Weiteres auch dem nicht beruflich veranlassten Eigenbedarf dienen.

114

Dass die Klägerin zuvor bereits Transportleistungen für ein anderes Logistikunternehmen (N K ) erbracht hatte trifft zwar zu, ist allerdings vor dem Hintergrund zu würdigen, dass dieser wiederum selbst für die H GmbH tätig wurde, so dass die Beigeladene zu 1) auch damals quasi nur das letzte Glied in der Kette darstellte. Im Übrigen hat sie Transportleistungen nach ihren unwiderlegten Angaben lediglich in kleinem Umfang für die Firma N K erbracht. Da nur das konkrete Rechtsverhältnis zu betrachten ist, spielt der Umfang des Tätigwerdens für einen anderen Auftraggeber oder Arbeitgeber auch keine entscheidende Rolle.

115

Außerdem unterlag die Beigeladene zu 1) einer außergewöhnlich umfassenden Kontrolle in allen für den Geschäftszweck wichtigen Fragen. Besonders deutlich wird dies in der Regelung, wonach sich die Beigeladene zu 1) sogar vertraglich verpflichtete, jederzeit Kontrollen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zuzulassen (Ziffer 1.3. des Vertrages). Eine derartige Vertragsgestaltung ist besonders untypisch für eine unternehmerische Tätigkeit.

116

Schließlich hat nicht die Beigeladene zu 1) der Klägerin für ihre Dienstleistungen Rechnungen vorgelegt, sondern diese hat umgekehrt Gutschriften anhand der Scannerprotokolle erstellt. Auch die Höhe der Vergütung ist nach der Überzeugung des Senats entgegen der Mitteilung der Klägerin zwischen den Vertragspartnern nicht verhandelt worden. Die Preisgestaltung war nicht verhandelbar, sondern ergab sich aus § 4 des Unternehmer-Partnerschaftsvertrages und der Anlage 1 des Vertrages zur Preisgestaltung, in der detailliert die Preise für jede Art von Leistung aufgelistet sind und ist, was entscheidend ist, deckungsgleich mit derjenigen, die die H GmbH ihren Vertragspartnern regelmäßig vorgibt (vgl. Satellitendepotvertrag mit der T , § 5), so dass im Grunde die Vorgaben der H GmbH an die Beigeladene zu 1) lediglich übertragen worden sind und nicht deren Einfluss unterlagen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass im Unternehmer - Partnerschaftsvertrag an zahlreichen Stellen auf Standards der H Gruppe und auf deren Richtlinien ("H Qualitätshandbuch") Bezug genommen wird. Auch wenn zwischen der Klägerin und der Hermes Gruppe kein Satellitendepotvertrag zustande gekommen ist, ergibt sich durch die mehrfachen Bezugnahme im Unternehmer-Partnerschaftsvertrag auf die Standards und Regelungen der H Gruppe, dass diese auch im Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen zu 1) galten. Nach Ziffer 9.4. des Partnerschaftsvertrages sollte das Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen und als wichtiger Grund, der die sofortige Beendigung des Vertrages rechtfertigt, gelten, dass eine Kündigung des Dienstleistungsvertrages der H gegenüber dem Auftraggeber erfolgt. Auch diese Regelung zeigt deutlich die in diesem Dreiecksverhältnis bestehende enge Verbindung bzw. Abhängigkeitsverhältnis.

117

Diese Regelungen entsprachen nicht nur der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern im Übrigen auch der praktizierten gelebten Beziehung und war auch angesichts der engen personellen Verflechtung der T mit der Klägerin, deren Geschäftsführer identisch ist, zu erwarten.

118

Es fehlte nicht nur an unternehmerischen Risiken, sondern auch an unternehmerischen Chancen. Der Einsatz ihres eigenen Fahrzeuges verschaffte der Beigeladenen zu 1) auch keine wesentlichen unternehmerischen Freiheiten. Der Zeuge ..., ein Mitarbeiter der Klägerin, brauchte zur Frage der Anzahl, zum Typus und zur Farbe der von der Beigeladenen zu 1) gefahrenen Fahrzeuge nicht befragt zu werden. Es waren unstreitig tatsächlich zwei Fahrzeuge im Einsatz bei der Klägerin, nämlich neben dem (weißen) Kastenwagen mit dem Logo der Klägerin noch ein Fahrzeug des Typs Ford Sierra in roter Farbe. Selbst wenn der Zeuge ... beobachtet haben sollte, dass die Beigeladene zu 1) außerdem ein drittes Fahrzeug, nämlich einen Ford Sierra in grüner Farbe gefahren haben sollte, bedeutet dies, da Fahrer und Halter nicht identisch sein müssen, nicht automatisch, dass dieses Fahrzeug von ihr finanziert worden ist. Nur ein von ihr finanziertes Fahrzeug würde jedoch den Umfang des unternehmerischen Risikos überhaupt beeinflussen können. Seitens des Senats brauchte der Zeuge S auch nicht dazu befragt zu werden, dass der Einsatz von Kombifahrzeugen und Kastenwagen im Kurierdienst und im Paketdienstgewerbe absolut üblich ist. Dies ist dem Senat - auch aus bereits entschiedenen Verfahren - bekannt und kann als wahr unterstellt werden. Außerdem hat der Vortrag der Klägerin dazu, wozu der Zeuge S etwas sagen kann, gewechselt. Zunächst soll dieser von einem Kombi berichtet haben, den die Beigeladene zu 1) gefahren haben soll. Nachdem die Beigeladene zu 1) dies bestritten hat, soll es später dann eine Limousine gewesen sein. Außerdem "glaubt" der Zeuge S , so der Vortrag der Klägerin, sich daran zu erinnern, dass es sich um ein ehemaliges Polizeiauto gehandelt habe. Er meint, dass die Beigeladene zu 1) die Touren A und W mit "eigenen" Fahrzeugen gefahren sei, wobei dem Senat bereits bekannt und es auch unstreitig ist, dass die Beigeladene zu 1) nicht mit Fahrzeugen der Klägerin gefahren ist. Das auf den Ehemann der Beigeladenen zu 1) angemeldete Fahrzeug kann allerdings nicht bei der Beurteilung der unternehmerischen Risiken der Beigeladenen zu 1) berücksichtigt werden.

119

Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, ihre Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.3.2009 B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall hier.

120

Die Beigeladene zu 1) hat auf entsprechende Nachfrage des Senats vorgetragen, dass ihr ein eigenes unternehmerisches Handeln "nicht möglich" gewesen sei, weil sie "nur mit H -Aufschrift auf dem Fahrzeugen und mit H -Aufschrift auf ihrer Kleidung fahren durfte". Insgesamt war sie durch die für die Klägerin umfangreich zu erbringenden Leistungen auch in einem Ausmaß beansprucht - im November und Dezember 2010 bis weit nach 21 Uhr, so die Angaben der Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren, - dass ihr eine wesentliche zusätzliche Tätigkeit für andere Auftraggeber zur Überzeugung des Senats nicht mehr möglich war. Daraus wird deutlich, dass sie einer eigenen selbständigen Tätigkeit in einem nennenswerten Umfang nicht hätte nachgehen können. Dass die Beigeladene zu 1) keine anderen Endkunden akquirieren konnte, dürfte nicht an ihrer "Antriebsarmut" oder daran gelegen haben, dass sie "mit der Organisation ihres Unternehmens und ihrer persönlichen Lebenssituation überfordert" war, wie von der Klägerin in der Berufungsbegründung spekuliert wurde, sondern schlicht am Umfang der auszuliefernden Sendungen, der keinen Raum für anderweitiges Tätigwerden ließ. Dass die "Tour" der Beigeladenen zu 1) sehr umfangreich war, wird dadurch bestätigt, dass im Januar 2011 eine Änderung erfolgte und nur noch eine geringere Zahl von Sendungen von ihr ausgeliefert werden mussten.

121

Selbst wenn die Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber noch kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 9.5.2012 - L 5 R 23/12).

122

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass generell die Arbeitszeiten durch verschiedene Arbeitszeitmodelle zunehmend flexibler gestaltet worden sind. Auch die Inanspruchnahme freier Arbeitszeiten zwischen den Auslieferungsorten widerspricht damit nicht per se einem Arbeitnehmerstatus.

123

Das Erscheinungsbild der Beigeladenen zu 1) hat sich nicht grundlegend von einer abhängig beschäftigten Auslieferungsfahrerin unterschieden. Es kann dabei als wahr unterstellt werden, dass die Ausgestaltung der Tätigkeiten von Angestellten der Klägerin noch stärker auf eine abhängige Beschäftigung hinwies. Es kommt jedoch nicht auf die konkrete Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen anderer Mitarbeiter der Klägerin an, sondern auf die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der Beigeladenen zu 1). Dass hinsichtlich der fest angestellten Beschäftigten noch mehr Merkmale für eine abhängige Beschäftigung sprachen als bei der Beigeladenen zu 1) begründet keinen Zweifel daran, dass bei der Beigeladenen zu 1) die überwiegende Zahl der Merkmale für abhängige Beschäftigung spricht. Es war daher nicht erforderlich, hierzu die Zeugin A H aus dem Personalbüro der Klägerin zu vernehmen.

124

Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgte. Denn die Selbständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen Vertragsvereinbarung somit nicht zukommen.

125

Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.

126

Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit).

127

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

128

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen zu 1) sind zu erstatten, da sie einen Antrag gestellt hat. Die Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4) sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO).

129

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

130

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Bei einem Streit über den sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a SGB IV ist vom Regelstreitwert auszugehen, da sich der wirtschaftliche Wert der Feststellung der Versicherungspflicht nicht beziffern lässt (Urteile des Senats vom 9.12.2014 - L 6 R 235/12 und vom 10.12.2013 - L 6 R 44/13; Beschlüsse des Senats vom 8.7.2014 - L 6 R 69/14 B und vom 23.7.2014 - L 6 R 288/14 B).  

Gründe

Hauptschlagwort: abhängige Beschäftigung eigenes Kfz Kurierdienstfahrer Unternehmensstruktur

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. B., B-Straße, A-Stadt - -

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

vertreten durch das Direktorium, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin - -

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Beigeladen

1. C., C-Straße, A-Stadt

- Beigeladener -

2. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

3. AOK Bayern - Pflegekasse, Zentrale, vertreten durch den Vorstand, Carl-Wery-Straße 28, 81739 München

- Beigeladene -

4. Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit Nürnberg, Richard-Wagner-Platz 5, 90443 Nürnberg - 072-A731A01124- BEI/B-7350 -

- Beigeladene -

Der 7. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München

am 23. November 2015

durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Mayer, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Thanner und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Herz sowie die ehrenamtlichen Richter Kriesmair und Treffler

für Recht erkannt:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

IV.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) für dessen Tätigkeit bei der Klägerin als Kurierdienstfahrer in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010.

Die Klägerin übernimmt im Auftrag von H. die Zustellung von Paketen. Hierzu verfügt sie über eigene Kfz, die von bei der Klägerin angestellten Fahrern gefahren werden. Zusätzlich vergibt sie auch Aufträge an „Subunternehmer“ wie den Beigeladenen zu1), die die Aufträge von H. an die Klägerin als selbstständig Tätige ausführen sollen. Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. sind vertragliche Vereinbarungen, deren Einhaltung die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen muss.

Am 22.02.2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen nicht näher bezeichneten „Vertrag“, aufgrund dessen der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin als „Subunternehmer“ zum 01.03.2010 aufnahm, die zum 18.09.2010 endete. Am 19.03.2010 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten unter Vorlage des Vertrages einen Antrag auf Statusfeststellung. Der „Vertrag“ hat folgenden Inhalt:

1. Vertragsgegenstand

1.1. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Entgegennahme von Sendungen, sowie deren Transport und Verteilung im vereinbarten Zustellgebiet (siehe Anlage). Diese Sendungen sind an die entsprechenden Empfänger auszuliefern. Ferner sind sogenannte Retouren anzunehmen und zu transportieren. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass alle Paketshops im Betreuungsgebiet, für die der Fahrer zuständig ist, täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden.

1.2. Der Auftraggeber übt seine Tätigkeit selbstständig aus.

1.3. Für die Auslieferung von Sendungen benützt der Auftragnehmer und dessen Erfüllungsgehilfe die von H. zur Verfügung gestellten Medea-Scanner. Die Abarbeitung von Sendungen kann nur über diese Scanner durchgeführt werden. Die Scanner werden von H. zu einem festgesetzten Mietpreis pro Monat angemietet.

1.4. Der Auftragnehmer ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben verantwortlich. Im Falle seiner Verhinderung hat er selbst für eine entsprechende Vertretung zu sorgen.

Bedient sich der Auftragnehmer anderer Personen zur Vertragserfüllung, so hat er sicherzustellen, dass die Tätigkeiten mit der Sorgfalt erfüllt werden, wie durch den Auftragnehmer selbst.

Dem Auftraggeber sind für die eingesetzten Erfüllungsgehilfen und Mitarbeiter des Auftragnehmers, polizeiliche Führungszeugnisse und die Bestätigungen der Anmeldungen zur Sozialversicherung vorzulegen.

1.5. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er bzw. die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen während der Zustell- und Abholtätigkeit anhand ihrer vollständigen Oberkörper-Bekleidung als H.-Partner zu erkennen sind. Hierzu bezieht der Auftragnehmer Bekleidung aus dem offiziellen H.-Bekleidungsangebot in ausreichendem Umfang. Zum Tragen dieser Bekleidung im Rahmen einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit, sowie nach Beendigung der vorliegenden Zusammenarbeit ist der Auftragnehmer nicht berechtigt.

Seine Erfüllungsgehilfen wird er entsprechend verpflichten.

1.6. Weiter wird sichergestellt, dass der Transport nur mit ordentlichen Lieferfahrzeugen durchgeführt, wird. Das Fahrzeug muss entsprechend mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren ausgestattet sein. Das Fahrzeug ist beidseitig mit entsprechender Beschriftung als H.-Kurierfahrzeug zu kennzeichnen. Der Auftraggeber stellt die entsprechenden Beschriftungen gegen Selbstkosten zur Verfügung.

2. Vergütung

2.1. Für die gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages durchgeführten Leistungen erhält der Auftragnehmer die in der Anlage festgelegte Vergütung.

2.2. Über die Leistungen wird der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber monatlich zu Beginn des Folgemonats abrechnen.

2.3. Für Versicherungen jedweder Art hat der Auftragnehmer selbst zu sorgen. Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Auftragnehmers abgegolten.

2.4. Sofern der Auftragnehmer berechtigt ist, die Mehrwertsteuer auszuweisen, wird er dieses dem Auftraggeber schriftlich bestätigen.

3. Haftung

Der Auftragnehmer haftet für alle Personen-, Sach- und -Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen im Zusammenhang mit der Durchführung seines Auftrages verursachen.

Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften nur bei schuldhaftem Verhalten durch ihn oder einen durch ihn eingesetzten Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen haftet, hat der Auftragnehmer nachzuweisen, dass ihn oder den Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen ein Verschulden bei Entstehung des Schadens nicht trifft.

Ein Recht auf Zurückbehaltung der beim Auftragnehmer befindlichen Sendungen besteht nicht.

4. Laufzeit und Kündigung

4.1. Dieser Vertrag tritt zum 01.03.2010 in Kraft, läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

4.2. Unberührt bleibt das Recht beider Vertragspartner, den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Wichtige Gründe sind u. a. die Beantragung eines Vergleichs- oder Konkurs- oder sonstigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners, sowie ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Vertrages, insbesondere Diebstahl bzw. Unterschlagung von Sendungen.

5. Konkurrenzklausel und Vertraulichkeit

5.1. Der Auftragnehmer ist frei, selbstständig am Markt weitere Beförderungsleistungen anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung des Vertrages nicht beeinträchtigen.

5.2. Der Auftragnehmer verpflichtet sich zur Einhaltung des Datengeheimnisses gemäß § 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wie folgt:

„Es ist dem Auftragnehmer untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als den zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen“. Die Verpflichtung des Auftragnehmers auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese Regelung gilt sinngemäß auch für Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers.

6. Schlussbestimmungen

6.1. Aufhebungen, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.

6.2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt. Die Parteien werden die nichtige Bestimmung im gegenseitigen Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen am nächsten kommt.

Mit Bescheid vom 14.01.2011 stellte die Beklagte nach entsprechender Anhörung fest, dass die auf der Grundlage dieses Vertrages ausgeübte Tätigkeit als Kurierdienstfahrer eine abhängige Beschäftigung sei und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 18.09.2010 bestanden habe.

Die zu beurteilende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer bestehe in der Entgegennahme von Sendungen, Transport und Verteilung der Sendungen im vereinbarten Zustellgebiet. Diese Tätigkeit sei bei Gesamtwürdigung der Merkmale als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzustufen. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien dabei:

- Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine Preisliste erfolgt.

- Die Tätigkeit sei nach den Grundregeln des H.-Qualitätshandbuchs erfolgt mit Vorgabe einer konsequenten Beachtung dieser Leitsätze (z. B. habe der Beigeladene zu 1) als Zusteller im Auftrag von H. erkennbar sein müssen).

- Notwendiger Einsatz eines gemieteten Scanners von H., dem Vertragspartner der Klägerin.

- Der Beigeladene zu 1) habe zwar keine festen Arbeitszeiten gehabt, aber die Auslieferung in einem bestimmten Zeitfenster vornehmen müssen.

- Der Beigeladene sei nicht im Besitz der Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes oder der Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92.

- Die Paketshops im Betreuungsgebiet hätten täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden müssen.

- Vertragliche Verpflichtung zur H.-Bekleidung während der Tätigkeit.

- Vertragliche Verpflichtung zur Ausstattung des Fahrzeugs mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren.

- Vertragliche Verpflichtung zur Beschriftung des Fahrzeugs als H. Kurierfahrzeug.

- Eine Vertretung des Beigeladenen zu 1) habe zwar von diesem theoretisch eingesetzt werden können, die persönliche Ausübung der Tätigkeit sei jedoch die Regel gewesen.

Demgegenüber würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit nicht wesentlich ins Gewicht fallen:

- Keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Annahme von Aufträgen.

- Der Beigeladene zu 1) habe eine eigene Werbung/Kundenakquisition betrieben.

- Bestehende Haftung des Beigeladenen zu 1) für alle Personen-, Sach-, Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungsgehilfe bei Durchführung seines Auftrags verursachen.

- Eigener Pkw des Beigeladenen zu 1).

Im Ergebnis sei der Beigeladene zu 1) mit Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig gewesen. Der Antrag auf Statusfeststellung sei zwar innerhalb des Monats der Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden. Die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien jedoch nicht erfüllt, weil Versicherungsschutz des Beigeladenen zu 1) zur Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen worden sei.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Zwar habe der Beigeladene zu 1) entscheiden können, ob er Aufträge angenommen oder abgelehnt habe. Im Statusfeststellungsverfahren werde jedoch eine Tätigkeit erst beurteilt, wenn ein solcher Einzelauftrag zustande gekommen sei.

Mit Annahme sei eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Eine Ablehnung von angebotenen Aufträgen sei dem Beigeladenen zu 1) im gleichen Maße möglich gewesen, wie ein Arbeitnehmer die Möglichkeit habe, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz abzulehnen. Bei Annahme eines Angebotes im Einzelfall bestehe dann eine abhängige Beschäftigung.

Nicht entscheidend sei, ob und wie die Klägerin im Einzelfall Einfluss auf die Tätigkeit genommen und von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht habe. Ein wesentlicher Gestaltungsspielraum bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung sei nicht gegeben gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe nicht vorgelegen. Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine vorgegebene Preisliste erfolgt. Insoweit sei der Beigeladene zu 1) mit anderen Arbeitnehmern vergleichbar wie z. B. Stücklohn-, Akkord-, oder Heimarbeitern. Ein Unternehmensrisiko ergebe sich auch nicht aus dem geleasten Fahrzeug.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil vom 14.08.2014 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 auf. Der Beigeladene zu 1) sei nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, da er selbstständig tätig geworden sei. Im Ergebnis würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit deutlich überwiegen:

- Der Beigeladene zu 1) habe als Arbeitsmittel ein eigenes Kfz benutzt.

- Der Beigeladene zu 1) habe den H.-Scanner monatlich mit 15,00 Euro bezahlen müssen.

- Der Beigeladene zu 1) habe die H.-Berufsbekleidung zwar käuflich erwerben müssen. Eine Pflicht zum Tragen dieser Kleidung habe jedoch nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin nicht bestanden. Der Beigeladene zu 1) habe die Kleidung lediglich getragen, damit ihm die Türen von Kunden geöffnet wurden. Beim Tragen der Berufskleidung sei daher nicht die Werbung für H. im Vordergrund gestanden, sondern die Erkennbarkeit des Beigeladenen zu 1) als Mitarbeiter eines Zustelldienstes.

- Der Beigeladene zu 1) sei auch befugt gewesen, für dritte Auftraggeber tätig zu sein und habe dies auch getan. Für ein- bis eineinhalb Monate habe er zusätzlich Auslieferfahrten für Apotheken zur Nachtzeit durchgeführt.

- Zwar habe der Beigeladene zu 1) einen festen Zustellbezirk gehabt und in diesem Bezirk auch alle Pakete ausfahren müssen. Allerdings habe die Möglichkeit bestanden, dass der Beigeladene zu 1) seinen Arbeitsumfang hätte erweitern oder verringern können durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Zustellbezirke.

- Die Beigeladene zu 1) habe das Qualitätshandbuch von H. nicht gekannt bzw. dieses nicht für seine Tätigkeit herangezogen.

- Der Beigeladene zu 1) sei nicht verpflichtet gewesen, die Dienstleistung persönlich zu erbringen. Im Übrigen habe der Beigeladene zu 1) erklärt, er habe einen Praktikanten für zwei Wochen als Fahrer eingesetzt, wofür dieser jedoch kein Geld erhalten habe.

- Im Krankheitsfalle habe der Beigeladene zu 1) selbst für Ersatz sorgen müssen. Dies sei jedoch in der Praxis nicht vorgekommen.

- Der Beigeladene zu 1) habe einen Steuerberater beschäftigt.

- Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) lasse sich von der Tätigkeit der bei der Klägerin fest angestellten Fahrer abgrenzen. Diese würden kurzfristig einspringen, falls ein selbstständiger Fahrer ausfällt und keinen Ersatz beschafft. Dabei benutzten die Festangestellten jedoch kein eigenes Fahrzeug, sondern ein Fahrzeug der Klägerin. Sie würden auch nicht nach Stückzahl bezahlt, sondern nach Stunden.

- Der Beigeladene zu 1) habe ein unternehmerisches Risiko getragen, weil er sämtliche Arbeitsmittel habe vorfinanzieren müssen, auch den Treibstoff für Fahrzeug, ohne dass festgestanden hätte, in welchem Umfange er Einnahmen erzielen würde bzw. ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen würden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Das Gesamtbild der Tätigkeit ergebe, dass der Beigeladene zu 1) in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen sei. Dies ergebe sich aus der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Vorgaben der Klägerin, wobei die Klägerin ihrerseits wieder vertraglich gegenüber H. verpflichtet gewesen sei, die Einhaltung der zahlreichen Vorgaben durch H. an sie durch entsprechende Kontrollen beim Beigeladenen zu 1) sicherzustellen.

Die Durchführung der Auftragsentwicklung sei einseitig durch die Klägerin vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe nicht durch Optimierung seiner Arbeitsweise seine unternehmerischen Fähigkeiten nutzen können. Dem Beigeladenen zu 1) seien lediglich unternehmerische Risiken aufgebürdet worden, ohne dass dementsprechende unternehmerische Chancen gegenüberstanden hätten.

Insbesondere spreche die Form der Vergütung gegen eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) habe keine Möglichkeit gehabt, über die Höhe des Entgelts für seine Tätigkeit frei zu verhandeln. Die Höhe der Vergütung habe sich nach der Anzahl der auszuliefernden Güter und den dafür jeweils von der Klägerin festgelegten Stückpreisen laut Anlage zum Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ergeben. Die H. Logistikgruppe Deutschland GmbH habe sich im Übrigen gegenüber der Klägerin verpflichtet, unter bestimmten Umständen für Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) einzutreten.

Im Kontext der vertraglichen Beziehungen und ihrer tatsächlichen Durchführung trete in den Hintergrund, dass der Beigeladene zu 1) ein eigenes Fahrzeug zur Leistungserbringung eingesetzt habe (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R).

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Klägerseite verweist auf das Urteil des Sozialgerichts, das ihrer Überzeugung nach zutreffend ist. Der Beigeladene zu 1) sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, noch habe er Weisungen unterlegen. Der Beigeladene zu 1) habe die übliche Tätigkeit von Frachtführern ausgeübt, wie sie von Arbeitnehmern aber vor allem auch von Selbstständigen erbracht werden könnte. Hier habe der Beigeladene zu 1) ein eigenes Unternehmensrisiko gehabt. Er habe zunächst mit einem eigenen Fahrzeug die Leistung erbracht und dann später ein Fahrzeug geleast, ohne dass die Klägerin mit dem Leasingvertrag etwas zu tun gehabt hätte.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011, mit dem festgestellt wurde, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 als Kurierdienstfahrer versicherungspflichtig war in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.08.2014 ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen, da dieser rechtmäßig ist und die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Beigeladene zu 1) war Kurierdienstfahrer für die Klägerin nach den über die Klägerin an den Beigeladenen zu 1) weitergeleiteten engen Vorgaben von H. und damit abhängig beschäftigt (vgl. zu einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14).

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R).

Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt für die Prüfung des Status des Beigeladenen zu 1) der geschlossene, nicht näher definierte „Vertrag“. Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbstständige Tätigkeit spricht, sollte der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger Transportdienstleistungen erbringen. Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die streitgegenständliche Zeit angemeldet. Er hatte nach dem Vertrag keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen.

Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist jedoch weder die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr sind die relevanten Merkmale zu gewichten.

Vorliegend erbrachte der Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nicht mit einem von der Klägerin gestellten Fahrzeug, sondern mit einem eigenen Fahrzeug. Allerdings führt dieses Merkmal nicht automatisch zur Beurteilung einer Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es - abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - nicht allein darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Kfz und die damit einhergehende Lastentragung allerdings in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R).

Insbesondere muss sich ein besonderes Unternehmensrisiko aus dem eigenen Kfz ergeben. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer kann die selbstständige Tätigkeit allerdings nicht vornehmlich am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104). Es entspricht dann keinem Unternehmerrisiko, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen Chancen gegenüber stehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.01.2014 - L 1 KR 358/12; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104).

Hier fehlt es beim Beigeladenen zu 1) insgesamt an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen vom eigenen Pkw für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H.-Scanner nahm der Beigeladene zu 1) kein weiteres Risiko auf sich, tätigte keine Investitionen und hielt auch keine eigene Betriebsstätte vor.

Vorliegend war der Beigeladene zu 1) nach dem „Vertrag“ verpflichtet, das von ihm eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis „im Auftrag der H.-Logistikgruppe“ zu versehen; andere Werbung wurde ihm auf dem Kfz nicht gestattet. Einem möglichen Verlust des eigenen Fahrzeugs standen keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Möglichkeiten, seinen Verdienst im Rahmen seiner Tätigkeit wesentlich zu beeinflussen hatte der Beigeladene zu 1) nicht. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung war nicht verhandelbar und wurde so auch dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb dem Beigeladenen zu 1) kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, der es ihm ermöglicht hätte, seine Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihm war nicht möglich, aus eigener Initiative von der Klägerin bzw. H. zusätzliches Frachtaufkommen zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit für die Klägerin zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) war wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender und damit nach der gesetzlichen Wertung regelmäßig selbstständiger Frachtführer. Sein Tagesablauf war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihm Möglichkeiten geboten haben sollen, seine Verdienstchancen durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit zu erzielen.

Der Beigeladene zu 1) verfügt im Übrigen auch über keine Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder eine Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92, die es ihm erlauben würde, als selbstständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB tätig zu werden.

Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin liegt vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte der Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen Rahmens, d. h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden. Der Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Vorgaben durch H.. Seine Gestaltungsmöglichkeiten erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages.

Der Beigeladene zu 1) musste zur Durchführung der Aufträge sein Fahrzeug mit dem Logo „im Auftrag der H. Gruppe“ versehen. Eigene Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Vorschriften. Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Zeitlich nahm den Beigeladenen zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin ohnehin so in Anspruch, dass er weitere Aufträge - abgesehen von einer kurzzeitigen Tätigkeit als Apothekenfahrer - nicht übernahm.

Der Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung H. tragen, so dass das Tätigwerden als Selbstständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Dass dadurch Paketempfänger eher bereit waren - wie die Klägerseite dargelegt hat - dem Beigeladenen zu 1) die Türe zu öffnen, bestätigt gerade die Notwendigkeit der Einbindung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) sollte nach außen hin gerade nicht als Selbstständiger auftreten sondern als Mitarbeiter des Auftraggebers der Klägerin erkennbar seien.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.03.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist.

Der Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt, ebenso die Touren. Die Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Die Sendungen mussten mit dem Scanner von H. gescannt werden. Die Auslieferung der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen. Premiumsendungen und Eilsendungen waren in einem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster zuzustellen. Der Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären. Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Inwieweit der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bewusst am Qualitätshandbuch von H. ausrichtete, kann dabei dahingestellt bleiben. Letztlich musste die Klägerin die Vorgaben von H. gegenüber dem Beigeladenen zu 1) durchsetzen.

Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt, außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H. GmbH, nicht erfüllen könnte, weil dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig beim Kunden eintreffen würde.

Selbst wenn man annehme würde, dass der Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.01.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.02.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).

In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Der Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum der Klägerin von der H. Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H.-Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert war, war der Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Er war auch verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen, die sich insbesondere aus dem H.-Qualitätshandbuch ergaben.

Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z. B. beim Ausfall eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen bestand. Dies zeigt gerade auch die einzige zusätzliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im streitrelevanten Zeitraum. Der Beigeladene zu 1) übernahm in dieser Zeit nur für ein- bis eineinhalb Monate zusätzliche Auslieferungen für eine Apotheke - und dies auch nur zur Nachtzeit.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, seine Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.03.2009, B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall hier. Der Beigeladene zu 1) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum - zumindest bis 13.09.2011 - keinen weiteren bei ihm abhängig beschäftigte Mitarbeiter/Fahrer. Ob für den Beigeladenen zu 1) tatsächlich ein Praktikant zwei Wochen - wie behauptet unentgeltlich - Fahrten übernommen hat, spielt insoweit keine Rolle.

Auch spielt es keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber hätte arbeiten dürfen. Selbst wenn der Beigeladene zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber noch kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbstständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen Beschäftigung noch selbstständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 09.05.2012 - L 5 R 23/12). Dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichem Zeitraum - nur - für eine Apotheke - nur - für ein- bis eineinhalb Monate und zwar nur nachts gefahren ist, unterstreicht eher die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin.

Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgte. Denn die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen. Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbstständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen Vertragsvereinbarung nicht zukommen.

Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.

Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit trotz der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Beigeladenen zu 1) die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit). Eine risikobehaftete Unternehmensstruktur ist beim Beigeladenen zu 1) nicht gegeben.

Im Ergebnis hat die Berufung daher Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die nicht anfechtbare (§ 177 SGG) Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Gerichtskostengesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, wonach grundsätzlich von einem Streitwert von 5.000,00 Euro für Statusfeststellungsverfahren auszugehen ist, wenn keine anderen Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung gegeben sind. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 R 49/15 B).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.

2

Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.

3

Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.

4

Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

5

Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.

7

Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.

11

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

13

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.

14

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.

15

2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.

16

a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

17

b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").

18

c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

19

aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.

20

Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.

21

Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.

22

bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).

23

Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.

24

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.

25

cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

26

Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.

27

Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.

28

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.

29

3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.

30

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).

32

Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Unternehmerin oder Unternehmer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem sie oder er eine andere Unternehmerin oder einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem sie oder er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass diese oder dieser zur Erfüllung dieses Auftrags

1.
entgegen § 284 Absatz 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt oder
2.
eine Nachunternehmerin oder einen Nachunternehmer einsetzt oder es zulässt, dass eine Nachunternehmerin oder ein Nachunternehmer tätig wird, die oder der entgegen § 284 Absatz 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
entgegen § 42 Absatz 4 oder § 287 Abs. 3 sich die dort genannte Gebühr oder den genannten Aufwendungsersatz erstatten lässt,
1a.
entgegen § 82 Absatz 6 Satz 3 einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt,
2.
entgegen § 165 Absatz 5 einen dort genannten Beschluß nicht oder nicht rechtzeitig bekanntgibt,
3.
entgegen § 284 Abs. 1 oder § 4a Absatz 5 Satz 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes eine Ausländerin oder einen Ausländer beschäftigt,
4.
entgegen § 284 Absatz 1 oder entgegen § 4a Absatz 3 Satz 4 oder Absatz 4, § 6 Absatz 2a, § 7 Absatz 1 Satz 4 erster Halbsatz, § 16a Absatz 3 Satz 1, § 16b Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 7 Satz 3, § 16b Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz, § 16c Absatz 2 Satz 3, § 16d Absatz 1 Satz 4, Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 3, § 16f Absatz 3 Satz 4, § 17 Absatz 3 Satz 1, § 20 Absatz 1 Satz 4, auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 2, § 23 Absatz 1 Satz 4 erster Halbsatz, § 24 Absatz 6 Satz 2 erster Halbsatz oder § 25 Absatz 4 Satz 3 erster Halbsatz, Absatz 4a Satz 4 erster Halbsatz oder Absatz 4b Satz 4 erster Halbsatz des Aufenthaltsgesetzes eine Beschäftigung ausübt,
5.
entgegen § 39 Absatz 4 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes eine Auskunft nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erteilt,
6.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 288a Abs. 1 zuwiderhandelt,
7.
entgegen § 288a Abs. 2 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt,
8.
entgegen § 288a Abs. 3 Satz 2 eine Maßnahme nicht duldet,
9.
einer Rechtsverordnung nach § 292 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
10.
(weggefallen)
11.
entgegen § 296 Abs. 2 oder § 296a eine Vergütung oder einen Vorschuss entgegennimmt,
12.
(weggefallen)
13.
entgegen § 298 Abs. 2 Satz 1 eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zurückgibt,
14.
(weggefallen)
15.
(weggefallen)
16.
einer Rechtsverordnung nach § 352 Abs. 2 Nr. 2 oder § 357 Satz 1 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
17. u. 18.
(weggefallen)
19.
entgegen
a)
§ 312 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder Absatz 3 oder § 313 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,
b)
§ 312a Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, oder § 314 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2,
eine dort genannte Tatsache nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig bescheinigt oder eine Bescheinigung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig übermittelt,
20.
entgegen § 313 Absatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 3, eine Nebeneinkommensbescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig verlangt,
21.
entgegen § 313a Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz einen Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig zuleitet,
22.
(weggefallen)
23.
entgegen § 315 Abs. 1, 2 Satz 1 oder Abs. 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 4, § 315 Absatz 5 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, § 316, § 317 oder als privater Arbeitgeber oder Träger entgegen § 318 Abs. 1 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder entgegen § 318 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 eine Mitteilung an die Agentur für Arbeit nicht oder nicht rechtzeitig erteilt,
24.
entgegen § 319 Abs. 1 Satz 1 Einsicht oder Zutritt nicht gewährt,
25.
entgegen § 320 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 oder 2 oder Abs. 5 einen Nachweis nicht, nicht richtig oder nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt oder eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet,
26.
entgegen § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Ersten Buches eine Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht oder
27.
entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 3 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1, 5 bis 9 und 11 bis 13 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, 4, 16, 26 und 27 mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.

(1) Soweit nach Maßgabe des Beitrittsvertrages eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union abweichende Regelungen als Übergangsregelungen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind, dürfen Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben sowie von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.

(2) Die Genehmigung wird befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht. Die Genehmigung ist vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen.

(3) Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

(4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Absatz 1 und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, darf eine Arbeitserlaubnis-EU nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt oder aufgrund einer Rechtsverordnung zulässig ist. Für die Beschäftigungen, die durch Rechtsverordnung zugelassen werden, ist Staatsangehörigen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Absatz 1 gegenüber Staatsangehörigen aus Drittstaaten vorrangig eine Arbeitserlaubnis-EU zu erteilen, soweit dies der EU-Beitrittsvertrag vorsieht.

(5) Die Erteilung der Arbeitsberechtigung-EU bestimmt sich nach der aufgrund des § 288 erlassenen Rechtsverordnung.

(6) Das Aufenthaltsgesetz und die aufgrund des § 42 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend, soweit nicht eine aufgrund des § 288 erlassene Rechtsverordnung günstigere Regelungen enthält. Bei Anwendung der Vorschriften steht die Arbeitsgenehmigung-EU der Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gleich.

(7) Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung, der vor dem Tag, an dem der Beitrittsvertrag eines Mitgliedstaates zur Europäischen Union, der Übergangsregelungen hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, erteilt wurde, gilt als Arbeitserlaubnis-EU fort. Beschränkungen des Aufenthaltstitels hinsichtlich der Ausübung der Beschäftigung bleiben als Beschränkungen der Arbeitserlaubnis-EU bestehen. Ein vor diesem Zeitpunkt erteilter Aufenthaltstitel, der zur unbeschränkten Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, gilt als Arbeitsberechtigung-EU fort.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.