Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15

bei uns veröffentlicht am22.01.2016

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger Anspruch auf Verzinsung eines Rentennachzahlungsbetrages hat, der ihm für September 2009 bis August 2012 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gewährt worden ist.
Der Kläger ist am 1949 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Er beantragte am 16. Mai 2012, bei der Beklagten am 22. Mai 2012 eingegangen, Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2012. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei Prüfung des Rentenanspruchs festgestellt worden sei, dass nach Aktenlage der Anspruch auf eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen schon ab dem 1. September 2009 ohne Abschläge bestehen würde. Da der Kläger jedoch keinerlei Informationen von ihr über die vorzeitige Altersrente mit/ohne Abschläge erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die nicht erteilte Auskunft kausal die rechtzeitige Rentenantragstellung verhindert habe. Die Verletzung der sich aus § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ergebenden Hinweispflicht könne im Einzelfall zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen. Nach Prüfung des Sachverhaltes sei beim Kläger ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben. Sie bat den Kläger um Mitteilung, ob er die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 oder wie ursprünglich beantragt ab dem 1. September 2012 beziehen möchte.
Der Kläger teilte daraufhin der Beklagten am 17. Juli 2012 mit, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 beziehen zu wollen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 19. Juli 2012 auf „Ihren Antrag vom 13.08.2009“ Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2009. Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2012 wurde auf EUR 18.855,64 festgesetzt. Über den Nachzahlungsbetrag, der aufgrund einer Erstattungsforderung des Jobcenters R.-N.-Kreis in Höhe von EUR 12.005,64 auf EUR 6.850,18 gemindert wurde, konnte der Kläger Ende August 2012 verfügen.
Am 10. August 2012 beantragte der Kläger die Verzinsung der Rentennachzahlung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. August 2012 ab. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 16. Mai 2012 gestellt und am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen. Die Frist von sechs Kalendermonaten beginne somit am 1. Juni 2012 und ende am 30. November 2012. Da sechs Monate seit Eingang des Rentenantrags bei ihr noch nicht abgelaufen seien, könne eine Verzinsung nicht erfolgen.
Hiergegen erhob der Kläger am 23. August 2012 Widerspruch. Im Hinblick auf die fehlerhafte Bearbeitung der Rentenansprüche sei eine Verzinsung vorzunehmen. Die Regelung, nach der eine Verzinsung sechs Monate nach Eingang des Rentenantrages anfallen würde, sei nicht anzuwenden, da durch ein fehlerhaftes Verhalten der Beklagten eine rückwirkende Rentenzahlung festgesetzt worden sei.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 zurück. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Ein vollständiger Leistungsantrag liege nur vor, wenn die entsprechenden Antragsformulare eingesandt, die für die Feststellung und Zahlung der Geldleistung erheblichen Fragen in den Vordrucken beantwortet, die Formulare unterschrieben und die erforderlichen Unterlagen vom Antragsteller beigefügt worden seien. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen, so dass die Frist von sechs Kalendermonaten erst am 1. Juni 2012 beginne. Die Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI führe nicht zu einer Nichtbeachtung der in § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Fristen.
Mit seiner am 2. November 2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Da die Rentenleistung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches rückwirkend gewährt worden sei und somit ein Verschulden der Beklagten wegen Verletzung der Hinweispflicht vorliege, sei die Rentennachzahlung zu verzinsen. Die Berufung der Beklagten auf die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I widerspreche der Natur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, wonach der Versicherte den Antrag früher gestellt hätte, wenn der Rentenversicherungsträger die vom Gesetzgeber geforderte Hinweisverpflichtung sachgerecht wahrgenommen und keine fehlerhafte Auskunft erteilt hätte. Die im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entwickelten Grundsätze gingen davon aus, dass der von einer Pflichtverletzung der Behörde betroffene Versicherte so zu stellen sei, als habe er fristgerecht alle Antragsformalitäten, die zur Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes gehörten, erfüllt. Somit sei davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres und damit zum Rentenbeginn am 1. September 2009 alle anspruchsbegründenden Formalitäten vorgenommen habe. Seien mit dem durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellten gesetzeskonformen Zustand die Zahlung einer Geldleistung verbunden, so sei der Leistungsempfänger so zu stellen, als habe er die Geldleistung fristgerecht erhalten. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) zu Recht die Unverzinslichkeit des Anspruchs auf die Vornahme einer Amtshandlung klargestellt, hieraus könne jedoch nicht gefolgert werden, dass das Ergebnis dieser Amtshandlung nicht zu verzinsen sei, wenn der Zugang der Geldleistung länger als sechs Monate nach Vorlage des fiktiven Antrages auf sich warten lasse.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein vollständiger Leistungsantrag für die gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen habe erst seit dem 22. Mai 2012 vorgelegen. Der nach § 115 Abs. 6 SGB VI fingierte Leistungsantrag wirke nur hinsichtlich des Rentenbeginns der Altersrente, nicht jedoch hinsichtlich des Verzinsungsanspruchs für die Rentennachzahlung. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch richte sich nur auf die Herstellung des Zustandes, der ohne das rechtswidrige Verhalten des Versicherungsträgers bestehen würde. Nach den Urteilen des BSG vom 1. März 1984 (4 RJ 55/83 und 4 RJ 104/82 – beide juris) werde ein auf Verzinsung gerichteter Herstellungsanspruch durch § 44 SGB I als lex spezialis verdrängt. Den Schaden, den ein Versicherter dadurch erleide, dass er auf die Erfüllung eines fälligen Anspruches länger als zumutbar warten müsse, wolle das Gesetz gerade und nur durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen. In seinem Urteil vom 9. September 1982 (5 B RJ 68/81 – juris) habe das BSG einen früheren Beginn des Zinsanspruchs im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgelehnt, weil der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ausdrücklich nicht auf Schadensersatz in Form von finanzieller Entschädigung abziele, sondern auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte. Wenn aber die Behörde den Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt erlassen hätte, wäre der geltend gemachte Zinsanspruch ohnehin entfallen. Unter der Prämisse, im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre für die Verzinsung nach § 44 SGB I der Eingang eines (fiktiven) vollständigen Leistungsantrages am 31. August 2009 zu unterstellen, könne und dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass sie im vorliegenden Fall rund 36 Monate (September 2009 bis August 2012) für die abschließende Vorgangsbearbeitung und Auszahlung der Nachzahlung für die Zeit von September 2009 bis August 2012 benötigt hätte, wenn die tatsächlich hierfür benötigte Zeit vier Monate (Mai 2012 bis August 2012) umfasst habe. Die tatsächliche Bearbeitungszeit vom Eingang des echten vollständigen Leistungsantrages bis zur tatsächlichen Auszahlung der Nachzahlung müsse auf den Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung projiziert werden. Außerdem könne die Heilung der durch den jeweiligen Rentenversicherungsträger zu verantwortenden Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches durch Vorverlegung des tatsächlich (verspätet) gestellten Rentenantrages auf einen lediglich angenommenen früheren Zeitpunkt – sogenannter fiktiver Rentenantrag – nur auf den Beginn der Zahlung der Rente im Sinne des § 99 SGB VI wirken, nicht aber – weder mittelbar noch unmittelbar – auf den Beginn der Verzinsung. Denn hierfür komme es im Gegensatz zu § 99 SGB VI nicht nur auf die Antragstellung durch den Berechtigten an sich an, sondern auf den Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Soweit es allein um die Bestimmung des maßgeblichen Rentenbeginnes gehe, sei die bloße, gegebenenfalls sogar formlose Antragstellung ausreichend. Wann ein Leistungsantrag vollständig im Sinne des § 44 SGB I sei, könne und solle nicht anhand von Annahmen beurteilt werden. Erst wenn der tatsächliche Leistungsantrag vorliege und vollständig sei, könne der Leistungsträger den geltend gemachten Anspruch prüfen und im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips gegebenenfalls entsprechende Sachermittlungen einleiten. Hierfür sei den Trägern vom Gesetzgeber die sechsmonatige Frist eingeräumt worden. Würde diese Frist bereits von einem fiktiven Antragsdatum zu laufen beginnen, wäre dem Träger damit jede Möglichkeit genommen, tatsächlich entsprechende Ermittlungen zeitnah einzuleiten und abzuschließen. Hierdurch würde aber eine Art Verschuldensprinzip in die Vorschrift des § 44 SGB I hinein interpretiert, was nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gerade nicht der Fall sein solle.
Das SG hob mit Urteil vom 21. November 2014 den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 auf und verpflichtete die Beklagte, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Monatliche Rentenzahlungsansprüche, die aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für Zeiten vor Antragstellung rückwirkend entstanden seien, seien gemäß den Vorgaben des § 44 SGB I zu verzinsen. Zwar könnten über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Zinsansprüche als sekundäre Ansprüche/Nebenforderungen nicht unmittelbar begründet werden. Allerdings gelte dies nicht für sozialrechtlich hergestellte Primäransprüche, die verspätet gezahlt würden. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch werde der Betroffene so gestellt, als hätte die Behörde die rechtmäßige Rechtsgestaltung richtig und rechtzeitig vorgenommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass seitens der Beklagten in dem Bescheid vom 19. Juli 2012 Altersrente auf den „Antrag vom 13.08.2009“ gewährt worden sei. Werde der Kläger über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt, als hätte er den für die bewilligte Rentenleistung (bereits ab 1. September 2009) erforderlichen Rentenantrag rechtzeitig gestellt, müsse dieser Zeitpunkt der Antragstellung auch für die Verzinsung der nach sozialrechtlicher Herstellung nicht rechtzeitig bewirkten Zahlungen im Rahmen des § 44 Abs. 2 SGB I maßgeblich sein. Dass die Wirkung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch auf die Verzinsung des Anspruches durchschlage, sei zwangsläufige Konsequenz der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Dies gelte umso mehr, als dass Rechtsgrundlage für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Art. 20 Grundgesetz (GG) und § 2 SGB I seien, also die umfassende Verwirklichung der sozialen Rechte vom Gesetzgeber gefordert werde und § 44 SGB I die Abwendung von Nachteilen angesichts verspäteter Bewirkung der Leistungen an die Berechtigten bezwecke.
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Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 11. Dezember 2014 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 8. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des SG mit Beschluss vom 8. April 2015 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Beklagte verfolgt ihr Begehren nun mit der Berufung weiter. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, ob die Fiktion eines vollständigen Antrages aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgeleitet werde, da die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 selbst festgestellt habe, dass ein vollständiger Antrag am 13. August 2009 vorgelegen habe.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und vom Senat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassene Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt wurde.
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2. Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verzinsung der Rentenzahlung für September 2009 bis August 2012.
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a) (1) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
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Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d.h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 17 f. m.w.N.). Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen „vollständigen“ Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall – abgesehen vor der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks – keine über die §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also „vollständig“ sein, obwohl der Antragsvordruck „unvollständig“ ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 60, 65 SGB I bestanden hat (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 7 R 923/11 – juris, Rn. 21).
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(2) Ein vollständiger Leistungsantrag lag frühestens am 22. Mai 2012 vor, als der Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen (für die Zeit ab dem 1. September 2012) bei der Beklagten einging. Die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I begann damit frühestens am 1. Dezember 2012 zu laufen. Die Beklagte hatte über den Antrag des Klägers indes bereits mit Bescheid vom 19. Juli 2012 entschieden, so dass insofern ein Verzinsungsanspruch nach § 44 SGB I ausscheidet.
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Der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 davon spricht, dass die Altersrente auf den „Antrag vom 13.08.2009“ gewährt werde, ändert hieran nichts. Für die Frage des Leistungsantrages im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I ist entscheidend, ob ein solcher Leistungsantrag objektiv vorlag, nicht ob in einem Bescheid ein Antrag als an einem bestimmten Tag gestellt erwähnt wird.
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b) Aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs folgt nichts anderes. Weder hält der sozialrechtliche Herstellungsanspruch selbst einen Verzinsungsanspruch als Rechtsfolge bereit noch kann hierdurch ein vollständiger Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert werden.
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(1) Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hält auf der Rechtsfolgenseite keinen Zinsanspruch bereit. Dem steht schon entgegen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte, nicht aber auf finanzielle Entschädigung gerichtet ist (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13), jedenfalls aber, dass er für Verzinsungsansprüche durch § 44 SGB I als lex specialis verdrängt wird (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 104/82 – juris, Rn. 18). Die Nachteile, die ein Versicherter dadurch erleidet, dass ein fälliger Anspruch nicht unverzüglich erfüllt wird, will das Gesetz ausschließlich durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen, während für Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 55/83 – juris, Rn. 14).
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Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 24).
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Der geltend gemachte Zinsanspruch kann daher nicht Rechtsfolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sein. Denn durch die Zinszahlung würde nicht der Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber keine Pflichtverletzung begangen hätte; ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann der Senat daher auch dahinstehen lassen. Hätte die Beklagte den Kläger rechtzeitig über die Möglichkeit, eine Altersrente wegen Schwerbehinderung bereits ab dem 1. September 2009 zu beantragen, informiert, hätte der Kläger dann die Rente rechtzeitig beantragt und die Beklagte zeitnah bewilligt, hätte der Kläger gerade keinen Anspruch auf Zinszahlungen gehabt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13). Der Kläger will also im vorliegenden Verfahren gar nicht die Herstellung des Zustandes, der ohne (unterstellte) Pflichtverletzung bestanden hätte, sondern sein Begehren ist der Sache nach auf einen darüber hinaus gehenden Schadensersatz gerichtet. Auch das BSG hat betont, dass ein Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend zu machen ist und dass sich § 44 SGB I nur auf Fälle bezieht, in denen die Verwaltung trotz vollständig vorliegenden Leistungsantrages eine Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten ausgezahlt hat, die Norm aber nicht aber zum Zwecke von Verfolgungsschäden ausgedehnt werden darf (BSG, Urteil vom 8. September 1983 – 5b RJ 28/82 – juris, Rn. 15).
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(2) Von der soeben erörterten Frage, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf der Rechtsfolgenseite einen Zinsanspruch generieren kann, zu unterscheiden ist die Frage, ob und welchen Voraussetzungen Leistungen, die aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend gewährt wurden, nach § 44 Abs. 1 SGB I zu verzinsen sind, ob also der für den Hauptanspruch fingierte Antrag auch einen Antrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB I darstellt (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 20. Mai 2010 – S 97 R 4899/07 – juris, Rn. 16). Sie ist zu verneinen (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2012 – L 11 R 3594/11 – juris, Rn. 28; aus anderen Gründen aufgehoben durch BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 5 RE 6/14 R – juris). Auch dies folgt aus dem Charakter des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches und seiner – siehe oben – Rechtsfolgen, die ansonsten unzulässig erweitert würden.
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Dahinstehen kann dabei, ob die Beklagte mit ihrem Argument durchdringen kann, sie habe vor dem 22. Mai 2012 den Antrag gar nicht bearbeiten können und daher auch die sechsmonatige Bearbeitungsfrist – gemessen ab dem Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung am 31. August 2009 – nicht einhalten können. Dagegen dürfte sprechen, dass der Verzinsungsanspruch des § 44 Abs. 1 SGB I nach der Rechtsprechung des BSG kein Verschulden voraussetzt, weswegen der Leistungsträger den Beginn der Verzinsung nicht mit der Begründung hinausschieben kann, er habe die Bearbeitung des vollständigen Leistungsantrages erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen können (so BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 RU 41/89 – juris, Rn. 22). Andererseits hat das BSG in einem anderen Urteil betont, dass dem Versicherungsträger in jedem Fall sechs Monate Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss, bevor die Verzinsungspflicht beginnt (BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 49/82 – juris, Rn. 15).
30 
Das BSG hat den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus einer vertragsähnlichen Nebenpflicht nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) abgeleitet (so unter dem Topos „sozialrechtlicher Herstellungsanspruch“ zuerst wohl BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11; zuvor als „Folgenbeseitigungsanspruch“ diskutiert, aber offen gelassen von BSG, Urteil vom 23. März 1972 – 5 RJ 63/70 – juris, Rn. 14; der Sache bereits ähnlich diskutiert etwa bei BSG, Urteil vom 14. Juni 1962 – 4 RJ 75/60 – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 – 4 RJ 553/64 – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. November 1970 – 1 RA 233/68 – juris, Rn. 20; siehe auch Köhler, ZFSH/SGB 2015, 181 [189]).
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Es hat dabei zugleich die Notwendigkeit gesehen, die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von Schadensersatzansprüchen in Geld abzugrenzen, die nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11). Die Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch hat sicherzustellen, dass der Herstellungsanspruch keine verkappte Verurteilung zum Schadensersatz in Geld ermöglicht (BSG, Urteil vom 18. August 1983 – 11 RA 60/82 – juris, Rn. 18). Ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine verspätete Auszahlung eines Nachzahlungsbetrages ist daher allein vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 14). Bedenkt man zugleich, dass es dem BSG bei Kreierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs um die „Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht“ (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 13 R 58/06 R – juris, Rn. 14) ging, folgt daraus, dass eine Geldleistung jedenfalls dann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begehrt werden kann, wenn diese Geldleistung auch im Wege eines Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden könnte.
32 
So verhält es sich aber bei Schadensersatzansprüchen, die der Kläger der Sache nach geltend macht und die gerade Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein können. Eine Lücke im Schadensersatzrecht, die zu schließen wäre, besteht daher von vorneherein nicht.
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Dieses Ergebnis liegt im Übrigen in Übereinstimmung mit einem Urteil des BSG zur Umdeutung eine Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag: Das BSG hat hier betont, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI zwar bewirkt, dass der Rentenantrag im Sinne des § 99 SGB VI (als zum Zeitpunkt des Rehabilitationsantrages) wirksam gestellt gilt, dass die Regelung jedoch keinen vollständigen Antrag auch im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 13). In dem selben Urteil hat sich das BSG zudem gegen die Vermengung von Gesichtspunkten, die im Rahmen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erheblich sein können, mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB I gewandt (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 16).
34 
(3) Schließlich streitet auch die Entwicklung des einfachen Rechts wie auch des Verfassungsrechts für einen engen Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses Rechtsinstitut ist lediglich richterrechtlich entwickelt worden. Zwar geht die Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass richterliche Rechtsfortbildung grundsätzlich zulässig ist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – juris, Rn. 38 ff.; BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 31 BvR 307/94 – juris, Rn. 50 ff.; zur Problematik des Richterrechts bzw. den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung siehe m.w.N. etwa Hillgruber, JZ 2008, 745 ff.; Kriele, ZRP 2008, 51 ff.; Möllers, JZ 2009, 668 ff.; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457 ff.; Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, Rn. 878 ff., 936 ff.; Steiner, in: Müller/Osterloh/Stein [Hrsg.], Festschrift Hirsch, 2008, S. 611 ff.). Sie bedarf aber stets der kritischen Überprüfung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Entscheidungen des Gesetzgebers selbst. Insofern ist von Bedeutung, dass § 31 SGB I anordnet, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereich des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Diese einfachrechtliche Kodifizierung des Vorbehaltes des Gesetzes ist verfassungsrechtlich fundiert. Während seit jeher klar ist, dass unter der Herrschaft des Grundgesetzes die Verwaltung in Rechtspositionen des Bürgers nur auf Grundlage eines parlamentarischen Gesetzes kann (siehe etwa BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73 u.a. – juris, Rn. 34), ist mittlerweile die Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung anerkannt (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 – juris, Rn. 136; vgl. dazu auch Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des BVerfG – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 2011, S. 273 [287 f.]; Bittner, German Law Journal 2011, 1941 [1956]; Gärditz, BRJ 2010, 4 [7 f.]; in der Literatur zuvor etwa schon Henke, AöR 101 [1976], S. 576 [587]; ders., DÖV 1977, 41 [44 ff.]). Das Gebot strikter Gesetzlichkeit und das Verbot von Analogiebildungen sind aus objektiv-rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen auch dann zu beachten, wenn sie sich zum Nachteil des einzelnen leistungsbegehrenden Bürgers auswirken (Gärditz, in: Friauf/Höfling [Hrsg.], Berliner Kommentar zum GG, Art. 20 [6. Teil] Rn. 164 [Januar 2011]).
35 
Mit diesem Vorbehalt des Gesetzes konfligiert tendenziell die Etablierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als allein richterrechtliche Anspruchsgrundlage. Sie erklärt sich historisch daraus, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bereits seit den 1960er Jahren entwickelt wurde (siehe oben), das SGB I und mit ihm § 31 SGB I jedoch erst am 1. Januar 1976 (Gesetz vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) in Kraft getreten ist. Der Senat muss nicht entscheiden, welche Folgerungen hieraus und aus der späteren Rechtsentwicklung generell zu ziehen sind. Für das vorliegende Verfahren reicht die Feststellung aus, dass der Umstand, dass bereits nach der allgemeinen Auffassung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der vom Kläger geltend gemachte Zinszahlungsanspruch nicht besteht, auch durch die übergreifenden Rechtsentwicklungen, die eine restriktive Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gebieten, gestützt wird.
36 
c) Ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aufgrund einer Amtshaftung hat, hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil insoweit die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit ausschließlich zuständig sind. Eine Teilverweisung dieses Rechtsstreits insoweit ist nicht zulässig (z.B. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris, Rn. 5; Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 35, jeweils m.w.N.).
37 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
38 
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Zwar hat der Senat seinerzeit die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Bei der im Berufungsverfahren erfolgten umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage hat sich aber – wie dargestellt – herausgestellt, dass die maßgeblichen Fragen bereits vom BSG entschieden worden sind. Aus diesem Grund hätte die Berufung seinerzeit zugelassen werden müssen, weil das Urteil des SG von Entscheidungen des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

Gründe

 
18 
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und vom Senat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassene Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt wurde.
19 
2. Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verzinsung der Rentenzahlung für September 2009 bis August 2012.
20 
a) (1) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
21 
Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d.h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 17 f. m.w.N.). Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen „vollständigen“ Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall – abgesehen vor der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks – keine über die §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also „vollständig“ sein, obwohl der Antragsvordruck „unvollständig“ ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 60, 65 SGB I bestanden hat (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 7 R 923/11 – juris, Rn. 21).
22 
(2) Ein vollständiger Leistungsantrag lag frühestens am 22. Mai 2012 vor, als der Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen (für die Zeit ab dem 1. September 2012) bei der Beklagten einging. Die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I begann damit frühestens am 1. Dezember 2012 zu laufen. Die Beklagte hatte über den Antrag des Klägers indes bereits mit Bescheid vom 19. Juli 2012 entschieden, so dass insofern ein Verzinsungsanspruch nach § 44 SGB I ausscheidet.
23 
Der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 davon spricht, dass die Altersrente auf den „Antrag vom 13.08.2009“ gewährt werde, ändert hieran nichts. Für die Frage des Leistungsantrages im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I ist entscheidend, ob ein solcher Leistungsantrag objektiv vorlag, nicht ob in einem Bescheid ein Antrag als an einem bestimmten Tag gestellt erwähnt wird.
24 
b) Aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs folgt nichts anderes. Weder hält der sozialrechtliche Herstellungsanspruch selbst einen Verzinsungsanspruch als Rechtsfolge bereit noch kann hierdurch ein vollständiger Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert werden.
25 
(1) Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hält auf der Rechtsfolgenseite keinen Zinsanspruch bereit. Dem steht schon entgegen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte, nicht aber auf finanzielle Entschädigung gerichtet ist (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13), jedenfalls aber, dass er für Verzinsungsansprüche durch § 44 SGB I als lex specialis verdrängt wird (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 104/82 – juris, Rn. 18). Die Nachteile, die ein Versicherter dadurch erleidet, dass ein fälliger Anspruch nicht unverzüglich erfüllt wird, will das Gesetz ausschließlich durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen, während für Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 55/83 – juris, Rn. 14).
26 
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 24).
27 
Der geltend gemachte Zinsanspruch kann daher nicht Rechtsfolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sein. Denn durch die Zinszahlung würde nicht der Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber keine Pflichtverletzung begangen hätte; ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann der Senat daher auch dahinstehen lassen. Hätte die Beklagte den Kläger rechtzeitig über die Möglichkeit, eine Altersrente wegen Schwerbehinderung bereits ab dem 1. September 2009 zu beantragen, informiert, hätte der Kläger dann die Rente rechtzeitig beantragt und die Beklagte zeitnah bewilligt, hätte der Kläger gerade keinen Anspruch auf Zinszahlungen gehabt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13). Der Kläger will also im vorliegenden Verfahren gar nicht die Herstellung des Zustandes, der ohne (unterstellte) Pflichtverletzung bestanden hätte, sondern sein Begehren ist der Sache nach auf einen darüber hinaus gehenden Schadensersatz gerichtet. Auch das BSG hat betont, dass ein Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend zu machen ist und dass sich § 44 SGB I nur auf Fälle bezieht, in denen die Verwaltung trotz vollständig vorliegenden Leistungsantrages eine Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten ausgezahlt hat, die Norm aber nicht aber zum Zwecke von Verfolgungsschäden ausgedehnt werden darf (BSG, Urteil vom 8. September 1983 – 5b RJ 28/82 – juris, Rn. 15).
28 
(2) Von der soeben erörterten Frage, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf der Rechtsfolgenseite einen Zinsanspruch generieren kann, zu unterscheiden ist die Frage, ob und welchen Voraussetzungen Leistungen, die aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend gewährt wurden, nach § 44 Abs. 1 SGB I zu verzinsen sind, ob also der für den Hauptanspruch fingierte Antrag auch einen Antrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB I darstellt (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 20. Mai 2010 – S 97 R 4899/07 – juris, Rn. 16). Sie ist zu verneinen (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2012 – L 11 R 3594/11 – juris, Rn. 28; aus anderen Gründen aufgehoben durch BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 5 RE 6/14 R – juris). Auch dies folgt aus dem Charakter des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches und seiner – siehe oben – Rechtsfolgen, die ansonsten unzulässig erweitert würden.
29 
Dahinstehen kann dabei, ob die Beklagte mit ihrem Argument durchdringen kann, sie habe vor dem 22. Mai 2012 den Antrag gar nicht bearbeiten können und daher auch die sechsmonatige Bearbeitungsfrist – gemessen ab dem Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung am 31. August 2009 – nicht einhalten können. Dagegen dürfte sprechen, dass der Verzinsungsanspruch des § 44 Abs. 1 SGB I nach der Rechtsprechung des BSG kein Verschulden voraussetzt, weswegen der Leistungsträger den Beginn der Verzinsung nicht mit der Begründung hinausschieben kann, er habe die Bearbeitung des vollständigen Leistungsantrages erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen können (so BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 RU 41/89 – juris, Rn. 22). Andererseits hat das BSG in einem anderen Urteil betont, dass dem Versicherungsträger in jedem Fall sechs Monate Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss, bevor die Verzinsungspflicht beginnt (BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 49/82 – juris, Rn. 15).
30 
Das BSG hat den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus einer vertragsähnlichen Nebenpflicht nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) abgeleitet (so unter dem Topos „sozialrechtlicher Herstellungsanspruch“ zuerst wohl BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11; zuvor als „Folgenbeseitigungsanspruch“ diskutiert, aber offen gelassen von BSG, Urteil vom 23. März 1972 – 5 RJ 63/70 – juris, Rn. 14; der Sache bereits ähnlich diskutiert etwa bei BSG, Urteil vom 14. Juni 1962 – 4 RJ 75/60 – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 – 4 RJ 553/64 – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. November 1970 – 1 RA 233/68 – juris, Rn. 20; siehe auch Köhler, ZFSH/SGB 2015, 181 [189]).
31 
Es hat dabei zugleich die Notwendigkeit gesehen, die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von Schadensersatzansprüchen in Geld abzugrenzen, die nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11). Die Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch hat sicherzustellen, dass der Herstellungsanspruch keine verkappte Verurteilung zum Schadensersatz in Geld ermöglicht (BSG, Urteil vom 18. August 1983 – 11 RA 60/82 – juris, Rn. 18). Ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine verspätete Auszahlung eines Nachzahlungsbetrages ist daher allein vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 14). Bedenkt man zugleich, dass es dem BSG bei Kreierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs um die „Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht“ (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 13 R 58/06 R – juris, Rn. 14) ging, folgt daraus, dass eine Geldleistung jedenfalls dann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begehrt werden kann, wenn diese Geldleistung auch im Wege eines Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden könnte.
32 
So verhält es sich aber bei Schadensersatzansprüchen, die der Kläger der Sache nach geltend macht und die gerade Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein können. Eine Lücke im Schadensersatzrecht, die zu schließen wäre, besteht daher von vorneherein nicht.
33 
Dieses Ergebnis liegt im Übrigen in Übereinstimmung mit einem Urteil des BSG zur Umdeutung eine Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag: Das BSG hat hier betont, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI zwar bewirkt, dass der Rentenantrag im Sinne des § 99 SGB VI (als zum Zeitpunkt des Rehabilitationsantrages) wirksam gestellt gilt, dass die Regelung jedoch keinen vollständigen Antrag auch im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 13). In dem selben Urteil hat sich das BSG zudem gegen die Vermengung von Gesichtspunkten, die im Rahmen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erheblich sein können, mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB I gewandt (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 16).
34 
(3) Schließlich streitet auch die Entwicklung des einfachen Rechts wie auch des Verfassungsrechts für einen engen Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses Rechtsinstitut ist lediglich richterrechtlich entwickelt worden. Zwar geht die Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass richterliche Rechtsfortbildung grundsätzlich zulässig ist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – juris, Rn. 38 ff.; BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 31 BvR 307/94 – juris, Rn. 50 ff.; zur Problematik des Richterrechts bzw. den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung siehe m.w.N. etwa Hillgruber, JZ 2008, 745 ff.; Kriele, ZRP 2008, 51 ff.; Möllers, JZ 2009, 668 ff.; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457 ff.; Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, Rn. 878 ff., 936 ff.; Steiner, in: Müller/Osterloh/Stein [Hrsg.], Festschrift Hirsch, 2008, S. 611 ff.). Sie bedarf aber stets der kritischen Überprüfung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Entscheidungen des Gesetzgebers selbst. Insofern ist von Bedeutung, dass § 31 SGB I anordnet, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereich des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Diese einfachrechtliche Kodifizierung des Vorbehaltes des Gesetzes ist verfassungsrechtlich fundiert. Während seit jeher klar ist, dass unter der Herrschaft des Grundgesetzes die Verwaltung in Rechtspositionen des Bürgers nur auf Grundlage eines parlamentarischen Gesetzes kann (siehe etwa BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73 u.a. – juris, Rn. 34), ist mittlerweile die Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung anerkannt (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 – juris, Rn. 136; vgl. dazu auch Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des BVerfG – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 2011, S. 273 [287 f.]; Bittner, German Law Journal 2011, 1941 [1956]; Gärditz, BRJ 2010, 4 [7 f.]; in der Literatur zuvor etwa schon Henke, AöR 101 [1976], S. 576 [587]; ders., DÖV 1977, 41 [44 ff.]). Das Gebot strikter Gesetzlichkeit und das Verbot von Analogiebildungen sind aus objektiv-rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen auch dann zu beachten, wenn sie sich zum Nachteil des einzelnen leistungsbegehrenden Bürgers auswirken (Gärditz, in: Friauf/Höfling [Hrsg.], Berliner Kommentar zum GG, Art. 20 [6. Teil] Rn. 164 [Januar 2011]).
35 
Mit diesem Vorbehalt des Gesetzes konfligiert tendenziell die Etablierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als allein richterrechtliche Anspruchsgrundlage. Sie erklärt sich historisch daraus, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bereits seit den 1960er Jahren entwickelt wurde (siehe oben), das SGB I und mit ihm § 31 SGB I jedoch erst am 1. Januar 1976 (Gesetz vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) in Kraft getreten ist. Der Senat muss nicht entscheiden, welche Folgerungen hieraus und aus der späteren Rechtsentwicklung generell zu ziehen sind. Für das vorliegende Verfahren reicht die Feststellung aus, dass der Umstand, dass bereits nach der allgemeinen Auffassung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der vom Kläger geltend gemachte Zinszahlungsanspruch nicht besteht, auch durch die übergreifenden Rechtsentwicklungen, die eine restriktive Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gebieten, gestützt wird.
36 
c) Ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aufgrund einer Amtshaftung hat, hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil insoweit die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit ausschließlich zuständig sind. Eine Teilverweisung dieses Rechtsstreits insoweit ist nicht zulässig (z.B. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris, Rn. 5; Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 35, jeweils m.w.N.).
37 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
38 
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Zwar hat der Senat seinerzeit die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Bei der im Berufungsverfahren erfolgten umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage hat sich aber – wie dargestellt – herausgestellt, dass die maßgeblichen Fragen bereits vom BSG entschieden worden sind. Aus diesem Grund hätte die Berufung seinerzeit zugelassen werden müssen, weil das Urteil des SG von Entscheidungen des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15 zitiert 26 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 60 Angabe von Tatsachen


(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat 1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,2. Änderungen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 44 Verzinsung


(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. (2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sech

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 99 Beginn


(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, i

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 65 Grenzen der Mitwirkung


(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus eine

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 2 Soziale Rechte


(1) Der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben dienen die nachfolgenden sozialen Rechte. Aus ihnen können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teil

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 31 Vorbehalt des Gesetzes


Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 115 Beginn


(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 17 Ausführung der Sozialleistungen


(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß1.jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,2.die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 116 Besonderheiten bei Leistungen zur Teilhabe


(1) (weggefallen) (2) Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und 1. ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabil

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 16. Dez. 2014 - B 1 KR 19/14 R

bei uns veröffentlicht am 16.12.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. September 2013 sowie des Sozialgerichts Hannover vom 29. Oktober 2010 aufgehoben und di

Bundessozialgericht Urteil, 11. Dez. 2014 - B 11 AL 2/14 R

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Tenor Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 30. Juli 2014 - B 14 AS 8/14 B

bei uns veröffentlicht am 30.07.2014

Tenor Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. November 2013 werden als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 27. Mai 2014 - B 5 RE 6/14 R

bei uns veröffentlicht am 27.05.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2012 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2011 geänder

Bundessozialgericht Urteil, 03. Apr. 2014 - B 5 R 5/13 R

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Sept. 2013 - B 12 AL 2/12 R

bei uns veröffentlicht am 04.09.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin ab 12

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 21. Juni 2012 - L 7 R 923/11

bei uns veröffentlicht am 21.06.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 abgeändert und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2008 aufgehoben.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.Die K
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15.

Sozialgericht Speyer Urteil, 24. Okt. 2016 - S 16 R 995/14

bei uns veröffentlicht am 24.10.2016

Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.09.2013 im We

Referenzen

(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.

(2) Anträge von Witwen oder Witwern auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten geleisteten Rente gelten als Anträge auf Leistung einer Witwenrente oder Witwerrente.

(3) Haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Haben Witwen oder Witwer bis zum Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente bezogen, ist anschließend eine große Witwenrente oder große Witwerrente zu leisten.

(4) Leistungen zur Teilhabe können auch von Amts wegen erbracht werden, wenn die Versicherten zustimmen. Die Zustimmung gilt als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.

(5) Rentenauskünfte werden auch von Amts wegen erteilt.

(6) Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.

(2) Anträge von Witwen oder Witwern auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten geleisteten Rente gelten als Anträge auf Leistung einer Witwenrente oder Witwerrente.

(3) Haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Haben Witwen oder Witwer bis zum Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente bezogen, ist anschließend eine große Witwenrente oder große Witwerrente zu leisten.

(4) Leistungen zur Teilhabe können auch von Amts wegen erbracht werden, wenn die Versicherten zustimmen. Die Zustimmung gilt als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.

(5) Rentenauskünfte werden auch von Amts wegen erteilt.

(6) Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist. Eines Antrags bedarf es nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist.

(2) Anträge von Witwen oder Witwern auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten geleisteten Rente gelten als Anträge auf Leistung einer Witwenrente oder Witwerrente.

(3) Haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Haben Witwen oder Witwer bis zum Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente bezogen, ist anschließend eine große Witwenrente oder große Witwerrente zu leisten.

(4) Leistungen zur Teilhabe können auch von Amts wegen erbracht werden, wenn die Versicherten zustimmen. Die Zustimmung gilt als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.

(5) Rentenauskünfte werden auch von Amts wegen erteilt.

(6) Die Träger der Rentenversicherung sollen die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben dienen die nachfolgenden sozialen Rechte. Aus ihnen können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im einzelnen bestimmt sind.

(2) Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß

1.
jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
2.
die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,
3.
der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und
4.
ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.

(2) Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen. § 5 der Kommunikationshilfenverordnung in der jeweils geltenden Fassung gilt entsprechend.

(2a) § 11 des Behindertengleichstellungsgesetzes gilt in seiner jeweils geltenden Fassung bei der Ausführung von Sozialleistungen entsprechend.

(3) In der Zusammenarbeit mit gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Organisationen wirken die Leistungsträger darauf hin, daß sich ihre Tätigkeit und die der genannten Einrichtungen und Organisationen zum Wohl der Leistungsempfänger wirksam ergänzen. Sie haben dabei deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben zu achten. Die Nachprüfung zweckentsprechender Verwendung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bleibt unberührt. Im übrigen ergibt sich ihr Verhältnis zueinander aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs; § 97 Abs. 1 Satz 1 bis 4 und Abs. 2 des Zehnten Buches findet keine Anwendung.

(4) Die Leistungsträger arbeiten mit den Betreuungsbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Vermittlung geeigneter Hilfen zur Betreuungsvermeidung zusammen. Soziale Rechte dürfen nicht deshalb abgelehnt, versagt oder eingeschränkt werden, weil ein rechtlicher Betreuer nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden ist oder bestellt werden könnte.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 abgeändert und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist die Verzinsung einer Rentennachzahlung.
Der im 1945 geborene Kläger beantragte am 29. November 2005 formlos Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 den förmlichen Vordruck für den Rentenantrag „R 100“. Nachdem der Kläger sich trotz Erinnerung vom 23. Januar 2006 nicht gemeldet hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung der Rente unter Berufung auf § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit Bescheid vom 6. März 2006 ab, da das Rentenantragsformular nicht eingesandt worden sei. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2006) und Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (Urteil vom 10. Juli 2007 - S 11 R 2304/06 -) blieben erfolglos. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) erklärten die Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins vom 16. Oktober 2007 das Verfahren übereinstimmend für erledigt, nachdem der Kläger der Beklagten kurz zuvor, nämlich am 28. September 2007, den Vordruck „R 100“ für den Rentenantrag übersandt hatte. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen u.a. für den Zeitraum vor Vollendung des 17. Lebensjahres des Klägers, den Monat Juli 1972 und die Monate April 1980 bis Juli 1980 durch, ließ sich die Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes bestätigen und bewilligte mit Bescheid vom 13. Februar 2008 auf den Antrag vom 29. November 2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit rückwirkend ab dem 1. September 2005. Für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 29. Februar 2008 errechnete sie einen Rentennachzahlungsanspruch in Höhe von 31.232,52 EUR. Eine Verzinsung wurde abgelehnt, weil seit Eingang des vollständigen Leistungsantrags keine sechs Kalendermonate vergangen seien. Der Nachzahlungsbetrag wurde noch im Februar 2008 an den Kläger überwiesen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte u.a. die Verzinsung der Rentennachzahlung geltend. Es habe dem Grunde nach ein Anspruch auf die am 26. November 2005 formlos beantragte Altersrente bestanden. Mit dem ablehnenden Rentenbescheid vom 6. März 2006 sei ohne zwingende Notwendigkeit und Grund die Zahlung der Rente abgelehnt worden. Nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) werde damit die Verzinsung begründet, zumindest soweit die Ansprüche aus dem Versicherungsverlauf unstrittig gewesen seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 und (offenbar weil in dieser Entscheidung die Widerspruchsbegründung des Klägers nicht beachtet worden war) erneut mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 als unbegründet zurück. Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginne die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Formantrag sei erst am 28. September 2007 eingegangen, so dass die im Februar 2008 überwiesene Nachzahlung nicht habe verzinst werden müssen.
Bereits am 31. Juli 2008 hatte der Kläger Klage zum SG erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2011 hat das SG - nach vorheriger Abtrennung weiterer Verfahrensgegenstände - die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Verzinsungsanspruch bezüglich der Rentennachzahlung. Die Verzinsung beginne frühestens sechs Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages. Wenn das Gesetz von einem vollständigen Leistungsantrag spreche, so verlange es, dass der Sachverhalt vollständig dargelegt werde, um die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen nach Grund und Höhe zu überprüfen und sein Entstehen feststellen zu können. Der Kläger habe die erforderlichen Angaben zur Sachverhalts-aufklärung nicht gemacht. Zu aufklärungsbedürftigen Lücken im Versicherungsverlauf, die sich auf die Rentenhöhe auswirkten, hätten Angaben gefehlt. Erst im September 2007 habe damit ein vollständiger Leistungsantrag vorgelegen.
Gegen diesen ihm am 4. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 4. März 2011 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Begründung, dass der Gesetzgeber zwingend einen vollständigen Leistungsantrag vorsehe, möge für sonstige Sozialleistungen wie Wohngeld, Arbeitslosengeld II u.a. wohl zutreffen. Bei der Altersrente bestehe der entscheidende Unterschied zu den sonstigen Sozialleistungen darin, dass ein Rechtsanspruch auf selbst erworbene Leistungsansprüche bereits vorliege, die bei der Beklagten auf dem Rentenkonto ersichtlich seien. Die Anträge hätten damit allenfalls ergänzenden Charakter. Dies habe die Beklagte in ihrer zeitnahen Rentenauskunft vom 18. März 2005 detailliert bestätigt und den frühesten möglichen Rentenbeginn zum 1. September 2005 benannt. Damit sei dem Grunde nach auch § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I als Leistungsvoraussetzung erfüllt. Auf die Verzinsung bezogen sei damit § 44 Abs. 2 SGB I vollständig anzuwenden, nicht nur der 1. Halbsatz. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 6. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2006 den sowieso bestehenden Leistungsanspruch komplett abgelehnt und sich damit unnötig in Zugzwang gebracht. Sie hätte auch mitteilen können, dass nach Aktenlage vorläufig eine Rente bewilligt werde, denn nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sei dafür die Rechtsgrundlage vorhanden. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten die Rentenzahlung ursächlich erheblich verzögert und sich deshalb die Zinszahlung selbst zuzurechnen. Der Zinsanspruch nach § 44 Abs. 2 SGB I bestehe ab dem 6. April 2006 auf Grund des ergangenen Bescheides vom 6. März 2006.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2012 hat der Kläger ferner die Feststellung beantragt, dass der Bescheid vom 6. März 2006 rechtswidrig gewesen sei, da er die bestehenden Ansprüche des Klägers verletzt habe und damit ein Zinsanspruch vom 6. April 2006 an bestehe, berechnet auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt auf dem Rentenkonto bestehenden Guthabens.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. Juli 2008 und 5. September 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung ab dem 6. April 2006 bis zum Monat vor der Auszahlung in gesetzlicher Höhe zu verzinsen, sowie festzustellen, dass der Bescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 rechtswidrig war.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
16 
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
17 
Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
16 
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
17 
Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. September 2013 sowie des Sozialgerichts Hannover vom 29. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des Verfahrens sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (Krg) für den 11.12.2008 und den Zeitraum vom 11.1. bis 3.4.2009.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1957 geborene Kläger war nach vorausgegangener Kündigung bis zum 30.11.2008 als Lagerarbeiter bei der M.
 GmbH & Co KG beschäftigt (M-GmbH & Co KG). Der Facharzt für Chirurgie Dipl.-Med. M. stellte ab 13.10.2008 durchgehend, letztmalig am 26.11.2008, für die Zeit bis 10.12.2008 wegen der Diagnose Lumboischialgie Arbeitsunfähigkeit (AU) fest. Auf Veranlassung der Beklagten wechselte der Kläger den behandelnden Arzt und begab sich am 28.11.2008 in die Behandlung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Dr. T., der zunächst keine weitergehende AU-Feststellung vornahm. Am 9.12.2008 suchte der Kläger die Praxis von Dr. Dr. T. zur weiteren AU-Feststellung auf. Dr. Dr. T. nahm ihn an diesem Tag jedoch als Patient nicht mehr an und verwies ihn auf den bereits vereinbarten Untersuchungstermin am 11.12.2008, weil die AU-Feststellung an diesem Tag ausreiche, um den Krg-Anspruch aufrechtzuerhalten. Ab dem 11.12.2008 stellte er AU fortlaufend bis 3.4.2009 fest. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krg vom 1. bis 10.12.2008 und vom 12.12.2008 bis 10.1.2009. Krg für den 11.12.2008 und nach dem 10.1.2009 lehnte sie ab, weil ein Krg-Anspruch erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung, hier am 12.12.2008, entstehen könne, zu diesem Zeitpunkt aber keine Versicherung mehr bestanden habe, die einen Anspruch auf Krg beinhalte; der Krg-Anspruch für die Zeit vom 12.12.2008 bis 10.1.2009 ergebe sich aus § 19 Abs 2 SGB V(Bescheid vom 2.1.2009, Widerspruchsbescheid vom 25.3.2009). Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger am 11.12.2008 und vom 11.1. bis 3.4.2009 Krg zu zahlen (Urteil vom 29.10.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Krg-Anspruch entstehe zwar erst an dem Tag, der dem Tag nach der Feststellung der AU folge, hier am 12.12.2008. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Versicherung mit Anspruch auf Krg mehr bestanden. Es liege aber ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche AU-Feststellung rückwirkend auf einen Zeitpunkt nachgeholt werden könne, an dem noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krg bestanden habe. Das Verhalten von Dr. Dr. T. sei der Beklagten zuzurechnen, die mit den Ärzten zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zusammenwirke. Eine Differenzierung danach, ob die Auskunft des Arztes medizinische oder rechtliche Fragen betreffe, sei nicht vorzunehmen (Urteil vom 10.9.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 46 S 1 Nr 2 und des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V. Um eine Mitgliedschaft als Pflichtversicherter zu erhalten, müsse vor Ablauf des letzten Abschnitts der Krg-Bewilligung die AU erneut ärztlich festgestellt werden. Unterbleibe dies, ende die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft. Die am Tag nach dem bis 10.12.2008 reichenden Bewilligungsabschnitt erfolgte ärztliche AU-Feststellung habe auch nicht ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden können. Unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten lösten keine Krg-Ansprüche gegen die KK aus.

4

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. September 2013 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Dem Kläger steht am 11.12.2008 und für die Zeit vom 11.1. bis 3.4.2009 kein Krg-Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB V aus der Beschäftigtenversicherung zu. Die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10.12.2008 (dazu 1.). Infolge der Gewährung von Krg für die Zeit vom 12.12.2008 bis 10.1.2009 bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger Anspruch auf Krg aus nachgehendem Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V gehabt hat. Im Übrigen kann der Kläger einen Anspruch auf Krg für den 11.12.2008 auch nicht auf § 19 Abs 2 SGB V stützen(dazu 2.)

8

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler, die einer Sachentscheidung der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4, § 56 SGG) entgegenstehen, liegen nicht vor (zur nicht notwendigen Beiladung der Bundesagentur für Arbeit vgl BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 10).

9

1. Der Kläger war ab 11.12.2008 nicht mehr beruhend auf seiner bis 30.11.2008 ausgeübten Beschäftigung mit Anspruch auf Krg versichert (dazu a). Er ist auch nicht so zu stellen, als hätte er noch am letzten Tag des Krg-Bezugs eine ärztliche Feststellung über seine AU herbeigeführt (dazu b).

10

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krg vorliegt (vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2007-33; BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 10; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 9).

11

Nach § 46 S 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krg 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, § 24, § 40 Abs 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Wird Krg wegen ärztlich festgestellter AU begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag der Feststellung der AU folgt (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 11; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 10). Das Gesetz bietet weder einen Anhalt für ein Verständnis des § 46 S 1 Nr 2 SGB V als bloße Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krg-Anspruch gemäß § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht(vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 10). Der Kläger war bis 30.11.2008 aufgrund seiner Beschäftigung bei der M-GmbH & Co KG mit Anspruch auf Krg versichert (§ 5 Abs 1 Nr 1, § 44 SGB V). Die durch die Beschäftigtenversicherung begründete Mitgliedschaft endete nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endete (§ 190 Abs 2 SGB V), sondern bestand über den 30.11.2008 hinaus fort.

12

Die - hier durch die Beschäftigtenversicherung begründete - Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort. Sie bleibt nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ua erhalten, solange Anspruch auf Krg besteht(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - Juris RdNr 7; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 454). § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krg-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krg - hier des Beschäftigungsverhältnisses - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages - einen Krg-Anspruch entstehen zu lassen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5 LS 1; ablehnend Hammann, NZS 2014, 729, der aber den Auslegungsspielraum zu Gunsten der Versicherten vernachlässigt). Das folgt aus Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegensteht (eingehend BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 12). Die Aufrechterhaltung der Beschäftigtenversicherung setzt insoweit nur eine Nahtlosigkeit von Beschäftigung und Entstehung des Rechts auf die Sozialleistung voraus, also die Entstehung des Anspruchs auf die Sozialleistung in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses (BSG, aaO, RdNr 15).

13

Bei fortdauernder AU, aber abschnittsweiser Krg-Bewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24). Für die Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die AU vor Ablauf des Krg-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 17; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24; aA Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 527). Hieran fehlt es. Die den Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10.12.2008, des letzten Tages der befristeten AU-Feststellung von Dipl.-Med. M. Als der Kläger am 11.10.2008 erneut Dr. Dr. T.
aufsuchte, um sich untersuchen und die Fortdauer der AU feststellen zu lassen, war er deshalb nicht mehr nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V mit Anspruch auf Krg versichert.

14

Soweit der Revisionserwiderung, wonach die am 11.12.2008 ausgestellte AU-Bescheinigung auf die (AU-)Feststellung am 9.12.2008 hätte bezogen werden müssen, sinngemäß eine Verfahrensrüge entnommen werden könnte, hat der Kläger iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN; ausführlich zu den Anforderungen s ferner BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - RdNr 21 mwN; zur Anwendung auf eine Verfahrensrüge des Revisionsbeklagten vgl BSG Urteil vom 24.5.1966 - 1 RA 281/64 - Juris RdNr 15 = AP Nr 12 zu § 554 ZPO; BSG SozR 1500 § 164 Nr 24; Zeihe, SGG, Stand Juli 2014, § 164 RdNr 32a). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass Dr. Dr. T. ihn am 9.12.2008 untersucht und gestützt darauf AU festgestellt habe.

15

b) Nach den unangefochtenen bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise - rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs - hätte nachgeholt werden können (vgl zu den in den Verantwortungsbereich der KKn fallenden Hinderungsgründen, insbesondere bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 ff, zur Verhinderung wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO, zur Falschberatung durch die KK vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 37/14 R - RdNr 25 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

16

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Der erkennende Senat hat die vom LSG in diesem Zusammenhang geäußerte Rechtsauffassung, dass auch unzutreffende ärztliche Meinungsäußerungen und Handlungsempfehlungen gegenüber Versicherten zu rechtlichen Voraussetzungen des Krg-Anspruchs der KK des Versicherten zuzurechnen sind, bereits in seinem Urteil vom 10.5.2012 (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5) als unzutreffend verworfen. Insoweit fehlt es bereits an einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung (aaO RdNr 24 f; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 18). Von KKn nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten können zwar ggf Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber Krg-Ansprüche gegen KKn auslösen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20; s ferner BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 25/14 R - RdNr 15). Hieran hält der Senat fest. Der Kläger kann sich danach gegenüber der Beklagten nicht wirksam darauf berufen, dass er sich auf die Äußerung von Dr. Dr. T. verlassen habe, zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krg genüge - wie geschehen - eine AU-Feststellung am 11.12.2008.

17

Auch ist es nicht Sache der KK, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten AU-Zeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. KKn sind nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 19). Die differenzierende gesetzliche Regelung der Krg-Ansprüche mag zwar eine Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten wünschenswert erscheinen lassen. Der Herstellungsanspruch greift aber nicht schon dann ein, wenn eine allgemeine Aufklärung nach § 13 SGB I unterblieben ist(stRspr, vgl zB BSGE 67, 90, 93 f = SozR 3-1200 § 13 Nr 1 S 4 f; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 15 S 50; BSGE 104, 108 = SozR 4-2600 § 93 Nr 13, RdNr 28 mwN). Für eine Situation, bei der die Beklagte eine Pflicht zur Spontanberatung (vgl dazu BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2, RdNr 19 mwN) gehabt hätte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass am 6.11.2008 ein Beratungsgespräch stattfand, das jedenfalls auch den Wechsel zu einem anderen Vertragsarzt zum Gegenstand hatte. Wie das Verhalten des Klägers zeigt, war ihm die Obliegenheit der rechtzeitigen weiteren AU-Feststellung bewusst, als er sich am 9.12.2008 bei Dr. Dr. T. zum Zwecke der AU-Feststellung vorstellte, obwohl er bereits einen Untersuchungstermin für den 11.12.2008 hatte. Die Beklagte konnte aber weder am 6.11.2008 noch zu einem anderen Zeitpunkt erkennen, dass Dr. Dr. T. den Kläger in Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krg wieder fortschicken würde.

18

Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, entweder bereits am 9.12.2008 oder jedenfalls am 10.12.2008 einen anderen Arzt zur Feststellung der AU aufzusuchen. Soweit Dr. Dr. T. von der Beklagten nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben hat, stehen dem Kläger ggf Schadensersatzansprüche gegen diesen, nicht aber ein Krg-Anspruch gegen die Beklagte zu (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20).

19

2. Dem Kläger steht auch kein nachgehender Leistungsanspruch für den 11.12.2008 nach § 19 Abs 2 SGB V zu. § 19 Abs 2 SGB V entbindet nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt - das LSG hat nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig insoweit keine Feststellungen getroffen -, dass für sich genommen die Voraussetzungen nachgehender Leistungsberechtigung (§ 19 Abs 2 SGB V) beim Kläger erfüllt waren, hat der Kläger schon deswegen keinen Anspruch auf Krg für den 11.12.2008, weil die am 11.12.2008 von Dr. Dr. T. getroffene AU-Feststellung nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V erst am darauffolgenden Tag zu einem (neuen) Krg-Anspruch führen konnte.

20

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin ab 12. Februar 2007 in der Arbeitslosenversicherung antragspflichtversichert ist.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund ihres Antrags in der Arbeitslosenversicherung als Selbstständige versicherungspflichtig ist.

2

Die Klägerin, die ausgebildete Textilbetriebswirtin ist, bezog vom 15.2.2006 bis 11.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten. Sie strebte zunächst eine Vermittlung in eine Beschäftigung als "Geschäftsführerin/Vertriebsleiterin in der Modebranche" an und beabsichtigte, daneben in Selbstständigkeit als "Beraterin für Vermietung und Verpachtung" tätig zu werden. In einem persönlichen Beratungsgespräch bei der Beklagten am 7.2.2007 stellte sie diese beruflichen Pläne vor und ließ sich wegen eines Gründungszuschusses zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beraten. Am 12.2.2007 nahm die Klägerin erneut - einmal telefonisch und einmal persönlich - wegen der hierfür geforderten Unterlagen Kontakt mit der Beklagten auf und überreichte eine Gewerbeanmeldung. Am selben Tag eröffnete sie ein Wäschehaus (Einzelhandel mit Haus- und Heimtextilien) und wurde darin als "Kauffrau" mit einem Umfang von mehr als 15 Wochenstunden (hauptberuflich) selbstständig tätig. Für diese Tätigkeit erhielt die Klägerin von der Beklagten ab 12.2.2007 aufgrund eines bereits zuvor am 8.9.2006 gestellten (ersten) Antrags einen Gründungszuschuss. Die Klägerin war ab 12.2.2007 in der Arbeitslosenversicherung nicht nach § 26 SGB III sonstig versicherungspflichtig oder nach § 27 SGB III in einer Beschäftigung versicherungsfrei.

3

Im Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit händigte die Beklagte der Klägerin ihr "Merkblatt Gründungszuschuss" aus. Das Merkblatt enthielt ua folgenden Hinweis: "Damit Ihnen der Schutz der Arbeitslosenversicherung in der Zeit Ihrer selbstständigen Tätigkeit erhalten bleibt, können Sie sich freiwillig weiterversichern. Nähere Informationen finden Sie im Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung oder erhalten Sie von der örtlichen Agentur für Arbeit."

4

Am 17.4.2007 beantragte die Klägerin im Hinblick auf ihre selbstständige Tätigkeit als "Kauffrau" in einem Wäschehaus die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ab 12.2.2007. Die Beklagte hatte ihr bis dahin weder das "Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung" übergeben noch hatte sie sie sonst über die Weiterversicherung und ihre Voraussetzungen informiert. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin unter Hinweis darauf ab, dass die einen Monat dauernde, mit Aufnahme der Tätigkeit am 12.2.2007 beginnende Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III(in der bis 30.6.2008 geltenden Fassung) bei Antragstellung am 17.4.2007 bereits abgelaufen gewesen sei; weil es sich dabei um eine Ausschlussfrist bzw materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung handele, komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist nach § 27 SGB X nicht in Betracht(Bescheid vom 22.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 19.9.2007).

5

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin "in die freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung aufzunehmen" (Urteil vom 29.5.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht - wie beschrieben - verurteilt. Zwar habe die Klägerin die einmonatige Antragsfrist bei ihrer Antragstellung am 17.4.2007 um mehr als einen Monat überschritten. Der Klägerin sei jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 S 1 SGB X zu gewähren. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Antragsfrist um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handele oder nicht, weil jedenfalls auch bei solchen Fristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme. Sei die Wiedereinsetzung - wie hier - nicht bereits durch Rechtsvorschrift ausgeschlossen, könne sich ein solcher Ausschluss allenfalls aus dem Sinn und Zweck des betreffenden Fristerfordernisses ergeben. Das sei hier jedoch nicht anzunehmen. Die Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III sei der Frist für die Anzeige des Beitritts zur (freiwilligen) Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung(vgl § 9 Abs 2 SGB V) strukturell vergleichbar; für Letztere habe das BSG die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber bereits anerkannt. Auch werde im Schrifttum mehrheitlich eine dahingehende Auffassung vertreten. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Antragsfrist lägen auch vor; insbesondere sei die Klägerin ohne Verschulden an ihrer Einhaltung verhindert gewesen. Sie sei im Zusammenhang mit ihrer Existenzgründung von der Beklagten nämlich nicht in der gebotenen Weise auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung und vor allem die hierfür bestehende Antragsfrist hingewiesen worden (Urteil vom 22.5.2012).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 27 SGB X. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist sei iS von § 27 Abs 5 SGB X unzulässig, weil die Wiedereinsetzung nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III ausgeschlossen sei. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Bedeutung des § 28a SGB III als "Ausnahme- und Risikobeschränkungsregelung". In der amtlichen Begründung zum Beschäftigungschancengesetz werde die Antragsfrist zudem ausdrücklich als Ausschlussfrist bezeichnet. Für eine Beurteilung als Ausschlussfrist spreche auch, dass die Antragsfrist aus Gründen der Rechtsklarheit einen Schwebezustand verhindern solle und bei Ermöglichung einer Wiedereinsetzung hier eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes drohte. Schließlich sei § 28a Abs 2 S 2 SGB III mit der Fristenregelung des § 9 Abs 2 SGB V nicht vergleichbar. Die Klägerin sei ferner nicht "ohne Verschulden" an der Einhaltung der Antragsfrist verhindert gewesen. Die Klägerin habe weder Rechtsrat eingeholt noch von ihr - der Beklagten - weitere Hinweise angefordert. Die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung sei im Übrigen keine Gestaltungsmöglichkeit, von der "verständige" Empfänger von Gründungszuschüssen "mutmaßlich" Gebrauch machten. Die Beklagte rügt außerdem Mängel des Berufungsverfahrens.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2012 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin ab 12. Februar 2007 in der Arbeitslosenversicherung antragspflichtversichert ist.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Verfahrensmängel lägen nicht vor. Sie - die Klägerin - stütze ihren Anspruch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, sondern begehre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Antragsfrist. Mithin habe vom LSG nicht ein Beratungsverschulden der Beklagten, sondern ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist geprüft werden müssen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG deren Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2007 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19.9.2007 ist rechtswidrig. Die Klägerin ist seit 12.2.2007 in der Arbeitslosenversicherung als Selbstständige versicherungspflichtig.

11

1. Unzutreffend hat die Klägerin ihre Anfechtungsklage allerdings mit einer auf "Aufnahme in die freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung" gerichteten Verpflichtungsklage verbunden. Weil auf einen (Weiterversicherungs)Antrag hin - wenn auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen - Versicherungspflicht nach § 28a SGB III kraft Gesetzes eintritt, bedurfte es insoweit lediglich eines Feststellungsantrags(vgl BSG vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - Juris RdNr 9; zuletzt BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 12). Die Klägerin hat das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt.

12

2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass für die Klägerin ab 12.2.2007 ein Antragspflichtversicherungsverhältnis nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die Voraussetzungen einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterversicherung für Selbstständige nach Abs 1 S 1 Nr 2 des § 28a SGB III(dazu a) lagen vor (dazu b); insbesondere hinderte die (verspätete) Antragstellung am 17.4.2007 den Eintritt der Versicherungspflicht am 12.2.2007 nicht (dazu c).

13

a) Nach Abs 1 S 1 Nr 2 des § 28a SGB III(eingefügt mit Wirkung zum 1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) können Personen auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen oder ausüben. Nach § 28a Abs 1 S 2 SGB III(in der hier maßgebenden, bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung; im Folgenden: aF) setzt die Weiterversicherung voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens zwölf Monate sowie unmittelbar vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts (des SGB III) gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen hat (Nr 1 und 2) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit nicht besteht (Nr 3). § 28a Abs 2 S 1 SGB III(in der bis zum 31.12.2010 anzuwendenden Fassung) trifft eine Regelung zum Beginn der Versicherungspflicht; § 28a Abs 2 S 2 SGB III(in der bis zum 30.6.2008 anzuwendenden Fassung; im Folgenden: aF) legt fest, dass der (Weiterversicherungs)Antrag spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt werden muss.

14

b) Die - kumulativ zu erfüllenden - Voraussetzungen eines Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 und § 28a Abs 1 S 2 SGB III aF lagen - wie zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - vor. Die - wenn auch knappen - Feststellungen des LSG zu den Umständen der von der Klägerin ab 12.2.2007 ausgeübten Tätigkeit, deren (zeitlichem) Umfang, der geforderten Vorversicherung(szeit) und dem aktuellen Versicherungsstatus der Klägerin (am 12.2.2007) tragen seine Annahme, dass diese berechtigt war, durch einen Antrag, also nach Maßgabe ihres freien Willensentschlusses, ein Versicherungspflichtverhältnis als Selbstständige in der Arbeitslosenversicherung zu begründen.

15

c) Eine solche Antragspflichtversicherung ist nicht etwa deshalb - wie die Beklagte meint - nicht zustande gekommen, weil die Klägerin die Versicherungspflicht für ihre am 12.2.2007 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als "Kauffrau" in einem Wäschehaus erst am 17.4.2007 beantragte. Zwar versäumte sie insoweit die mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beginnende, einen Monat dauernde Antragsfrist des § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF. Diese Fristversäumnis wird jedoch unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch "überwunden". Der im angefochtenen Urteil festgestellte Sachverhalt begründet einen Herstellungsanspruch der Klägerin wegen der Verletzung behördlicher Beratungs- und Betreuungspflichten (vgl §§ 14, 15 SGB I) mit der Folge, dass der verspätete Antrag der Klägerin als rechtzeitig gestellt anzusehen ist; dass eine Antragspflichtversicherung allgemein im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs "herbeigeführt" werden kann, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 23; ferner BSG SozR 3-2200 § 1227 Nr 8 S 15; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 15 S 42 ff). Die Klägerin erfüllte damit auch die letzte der Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung.

16

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Versäumung der Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF auch - was die Beteiligten und die Vorinstanzen im Rechtsstreit in den Vordergrund gestellt haben - im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 S 1 SGB X "behoben" werden könnte. Entgegen der von der Klägerin im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung kann sie die (revisionsgerichtliche) Prüfung insoweit nicht (willentlich) beeinflussen und auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie - hiermit zusammenhängend - die Frage nach ihrem (eigenen) Verschulden an der Versäumung der Frist "beschränken"; sie kann damit nicht bewirken, dass die Frage nach einem Beratungsverschulden der Beklagten bei der (revisionsgerichtlichen) Prüfung "ausgespart" bleibt. Weil die Klägerin - in der Hauptsache - die (gerichtliche) Feststellung ihrer Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung begehrt, hat der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28a SGB III, hier der Einhaltung der Antragsfrist, nämlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

17

Einer Beantwortung der mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen (geltend gemacht: unverschuldeter) Versäumung der Antragsfrist zusammenhängenden Fragen bedarf es deshalb nicht, weil das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei Fristversäumnissen eines Antragstellers, die - wie hier (unten 2. c) aa) - auf Behördenfehlern beruhen, neben den Wiedereinsetzungsregelungen des § 27 SGB X zur Anwendung kommt(grundlegend BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 20 ff, 26) und dessen Voraussetzungen hier vorliegen. Nach gefestigter Rechtsprechung stellen die Wiedereinsetzungsvorschriften keine abschließende Entscheidung des Gesetzgebers über die in einer verspäteten Antragstellung liegenden Folgen von Pflichtverletzungen der Verwaltung dar (BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 20 mwN aus der Rspr des BSG und dem Schrifttum); ist die Fristversäumnis auf einen Behördenfehler zurückzuführen, überschneiden sich also die Tatbestände des § 27 SGB X und des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, ohne dass letzterer durch ersteren ausgeschlossen würde. Ist die verspätete Antragstellung durch behördliche Pflichtverletzung verursacht, so kann der Betroffene die Fristversäumnis unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise (sogar) leichter "überwinden", als wenn er sich ausschließlich auf § 27 SGB X mit seinen besonderen - und in gewisser Hinsicht strengeren - Voraussetzungen stützten könnte(vgl BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 26).

18

Hiervon ausgehend kann der Senat die von Beginn an kontrovers diskutierte Frage unentschieden lassen, ob sich - wie die Beklagte meint - aus § 28a SGB III für die für die freiwillige Weiterversicherung geltende Antragsfrist des § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF ergibt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist iS von § 27 Abs 5 SGB X unzulässig ist, also ein Fall vorliegt, in dem die gesetzliche Regelung "mit der Frist steht und fällt"(vgl hierzu allgemein BSG SozR 4-7833 § 4 Nr 1 RdNr 13 mwN) oder die Antragsfrist - so das LSG und die Klägerin (unter Hinweis auf die im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung und Hessisches LSG Urteil vom 11.10.2010 - L 9 AL 165/09 - info also 2011, 23 = Juris) - einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "zugänglich" ist, weil sich (im Wege der Auslegung) aus Sinn und Zweck des Fristerfordernisses (und der Gesetzgebungsgeschichte) gerade nicht entnehmen lässt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sein soll. Ein solcher Ausschluss würde sich jedenfalls auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch grundsätzlich nicht erstrecken; dieser wäre vielmehr (gleichwohl) anwendbar (vgl BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 26, unter Hinweis auf BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 8, BSGE 73, 56 = SozR 3-1200 § 14 Nr 9 und BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2). Offenbleiben kann auch, ob die Klägerin - was die Beklagte annimmt, wozu das LSG aber keine Feststellungen getroffen hat - ein (fahrlässiges) Mitverschulden an der Fristversäumnis trifft, etwa weil - wie die Beklagte andeutet - auch in Fällen, in denen die Ursache der Säumnis im Verantwortungsbereich der Behörde liegt, (gleichwohl) eine Obliegenheit zur Erkundigung bestehen könnte (vgl hierzu allgemein BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 21 mwN aus der Rspr). Dahinstehen kann schließlich, ob die Klägerin die versäumte Handlung (= Weiterversicherungsantrag) nach § 27 Abs 2 S 3 SGB X rechtzeitig innerhalb der Frist des § 27 Abs 2 S 1 SGB X nachholte; auch hierzu fehlen entsprechende Feststellungen des LSG. Das Berufungsurteil braucht aber (diesbezüglich) nicht aufgehoben und die Sache nicht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen zu werden, damit das LSG solche unterbliebenen Feststellungen nachholen kann. Denn die Klägerin ist bereits - ohne dass insoweit weitere Feststellungen getroffen werden müssten - allein unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, wie sie stehen würde, als hätte sie die Weiterversicherung als Selbstständige in der Arbeitslosenversicherung rechtzeitig beantragt.

19

Die Voraussetzungen eines - vom LSG der Sache nach auch (nur) geprüften und qua Gesetz nicht ausgeschlossenen (vgl aber - zur Bedeutung der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Beendigungsregeln nach § 28a Abs 2 S 3 Nr 3 SGB III aF für die Anwendbarkeit der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch - BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 22) - sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind erfüllt. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut tritt - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl §§ 14, 15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (stRspr; zu den Tatbestandsvoraussetzungen vgl zuletzt BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 22 mwN; ferner BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 12).

20

aa) Die Beklagte unterließ es vorliegend pflichtwidrig, die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Existenzgründung auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung als Selbstständige nach dem Recht der Arbeitsförderung und - in diesem Kontext - das Antragserfordernis, die Fristgebundenheit des Antrags und Beginn sowie Dauer der Antragsfrist (§ 28a Abs 2 S 2 SGB III aF) hinzuweisen.

21

Rechtsgrundlage für die Beratungs- und Betreuungspflicht (in Form einer Hinweispflicht) sind die in §§ 14, 15 SGB I genannten allgemeinen Beratungs- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger. Eine umfassendere Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten (vgl BSG, SGb 2000, 616; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr 9 S 59). Ausnahmsweise besteht jedoch auch dann - ohne ein solches ausdrückliches Begehren - "spontan" eine Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter (mutmaßlich) wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 14, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr des BSG). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit - nach den bekannten tatsächlichen Umständen - "klar zu Tage liegt", allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (vgl BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 50; ferner BSGE 49, 76, 77 f = SozR 2200 § 1418 Nr 6). Ein solcher Fall liegt hier vor.

22

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Sozialrechtsverhältnis, aus dem der Beklagten Pflichten zur Beratung und Betreuung (gerade auch) in versicherungsrechtlicher Hinsicht erwuchsen, bereits - wie das BSG im Zusammenhang mit dem Leistungsrecht entschieden hat (vgl BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 15 mwN) - mit der Arbeitslosmeldung und der Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Alg entstand. Spätestens mit dem (ersten) Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 8.9.2006 oblag es der Beklagten jedoch, die Frage der Fortführung des Versicherungsschutzes der Klägerin in der Arbeitslosenversicherung bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Auge zu behalten. Zwar ist der Beklagten in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass das am 7.2.2007 durchgeführte Beratungsgespräch (noch) vorrangig auf die Vermittlung der Klägerin in eine Beschäftigung gerichtet war, auch wenn diese hier bereits angegeben hatte, (begleitend) eine selbstständige Tätigkeit als Beraterin für Vermietung und Verpachtung ausüben zu wollen und sie deshalb von der Beklagten über die (zeitlichen) Voraussetzungen eines Gründungszuschusses unterrichtet worden war. Mag die Beklagte auch angesichts dieser Umstände am 7.2.2007 noch nicht zu Hinweisen an die Klägerin auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung (und deren Voraussetzungen) verpflichtet gewesen sein, so war sie es aber jedenfalls bei den beiden Beratungsgesprächen am 12.2.2007. Selbst wenn die Beklagte - mangels Eingangs der Antragsunterlagen für den Gründungszuschuss - zu diesem Zeitpunkt weder überprüfen konnte, ob die Klägerin hierauf (tatsächlich) Anspruch hatte, noch das Bestehen eines Rechts zur Weiterversicherung nach § 28a SGB III abschließend beurteilen konnte, bestand für sie eine Beratungsnotwendigkeit, weil ihr am 12.2.2007 jedenfalls - neben dem Antrag auf einen Gründungszuschuss - (auch) die Anmeldung des (selbstständigen) Gewerbes der Klägerin mit der Haupttätigkeit "Einzelhandel mit Haus- und Heimtextilien" zum 12.2.2007 vorlag. Dass bei den Beratungsgesprächen am 12.2.2007 noch keine konkrete, auf eine selbstständige Tätigkeit abzielende - den Erfordernissen des § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III genügende - Beratung möglich war, liegt auf der Hand. Erforderlich war indessen bereits zu diesem Zeitpunkt jedenfalls ein genereller Hinweis auch auf die Möglichkeit Selbstständiger zur Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung und deren Voraussetzungen, zumal ein Versicherungspflichtverhältnis sogar von Selbstständigen beantragt werden kann, die keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss haben. Maßgebende Voraussetzung des Rechts Selbstständiger zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ist insoweit (nur), dass eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wird; das jedenfalls war der Beklagten in Bezug auf die Verhältnisse der Klägerin am 12.2.2007 bekannt. Entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgten jedoch nachweislich nicht.

23

Vor diesem Hintergrund muss sich der Senat nicht (auch) mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen der Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung im "Merkblatt Gründungszuschuss" der Beklagten und (dort) auf ein weiteres "Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung" oder (optional) eine Informationsmöglichkeit bei der örtlichen Agentur für Arbeit ihren aus §§ 14, 15 SGB I folgenden Beratungs- und Betreuungspflichten genügen kann. Zwar trifft es zu, dass - wie die Beklagte vorträgt - ihre Merkblätter nach der Rechtsprechung des BSG nicht etwa generell ein untaugliches Mittel zur Aufklärung und Beratung von Versicherten darstellen (vgl zur Eignung von Merkblättern in diesem Zusammenhang allgemein BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 RdNr 29 ff). Jedoch reichen solche "Anfangshinweise" - wie sie die Beklagte selbst bezeichnet - nicht aus, wenn (wie hier) im Rahmen einer konkreten Sachbearbeitung eine gesteigerte Hinweispflicht (vgl hierzu BSGE 98, 108 = SozR 4-4300 § 324 Nr 3, RdNr 21) besteht.

24

Spätestens als sich die Klägerin am 12.2.2007 wegen des Gründungszuschusses an die Beklagte wandte, war die freiwillige Weiterversicherung Selbstständiger in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III für die Mitarbeiter der Beklagten als eine - nach objektiven Merkmalen zu beurteilende - naheliegende (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit der Klägerin ersichtlich, die auch ein verständiger Versicherter (mutmaßlich) wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat sich das LSG bei dieser "Beweiswürdigung" nicht auf einen allgemeinen oder besonderen - gerichtskundigen bzw auf eigener Sachkunde beruhenden - Erfahrungssatz gestützt. Die Beklagte weist hierzu darauf hin, dass sich für Antragspflichtversicherte auch Beitragspflichten, dh Beitragstra-gungs- und -zahlungspflichten (vgl §§ 345b, 349a SGB III) ergeben und dieser Umstand in der "wirtschaftlich erfahrungsgemäß schwierigen Gründungsphase eines selbstständigen Unternehmens" zu zusätzlichen Belastungen führe, die nicht jeder Selbstständige tragen wolle. Sie bezweifelt daher, dass die freiwillige Weiterversicherung eine Gestaltungsmöglichkeit darstellt, von der "ein vernünftiger Versicherter (Selbstständiger)" in der Lage der Klägerin mutmaßlich Gebrauch gemacht haben würde; jedenfalls habe das LSG die (wahrnehmungsbezogenen) Tatsachen (Erfahrungstatsachen) und Quellen nicht offengelegt, auf die es einen solchen Erfahrungssatz gründe. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden.

25

Einen solchen - von der Beklagten hervorgehobenen - (allgemeingültigen) Erfahrungssatz, zu dessen Aufstellung die Gerichte allein aufgrund allgemeiner oder eigener Wahrnehmungen, dh ohne weitere empirische (statistische, demoskopische) Grundlage, möglicherweise nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen legitimiert sein könnten, dessen Bestehen dann allerdings - wegen seiner Nähe zur Tatsachenfeststellung - auch (wohl) nur eingeschränkt - nämlich bei zulässigen Verfahrensrügen - revisionsgerichtlicher Kontrolle unterläge (vgl BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1 RdNr 12), hat das LSG seiner Beurteilung nicht zugrunde gelegt. Erfahrungssätze - als Hilfsmittel bei der Tatsachenfeststellung (oder bei der Auslegung) - liegen vor, wenn zB ein Gericht aus gleichgelagerten "Wahrnehmungsfällen" mit denselben Folgeerscheinungen den Schluss zieht, dass sich unter gewissen (Rahmen)Bedingungen diese Folgeerscheinungen wiederholen bzw stets eintreten; ein - aufgestellter - (Erfahrungs)Satz beansprucht also nicht nur für die bisherigen "Wahrnehmungsfälle" Geltung, sondern lässt auch den allgemeinen Schluss auf Folgeerscheinungen künftiger "Wahrnehmungsfälle" zu. Hiervon zu unterscheiden sind indessen Bewertungen, die sich auf einen konkreten, einzelnen Fall beziehen, also (singuläre) Sätze über eine Wahrnehmung von tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall darstellen. Legt man hier diese Unterscheidung zugrunde, so muss angenommen werden, dass das LSG seiner prognostischen Beurteilung der Interessenlage der Klägerin (gerade) keine abstrakt generalisierte, Allgemeingültigkeit beanspruchende Betrachtung zugrunde gelegt hat; es hat vielmehr auf die ihm bekannten tatsächlichen Umstände des (Einzel)Falls der Klägerin abgestellt und diese im Hinblick auf deren Belange objektiv bewertet. Dass in der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung allgemein an die Sicht bzw den Standpunkt "eines verständigen Versicherten" angeknüpft wird, ändert hieran nichts; insoweit ist nämlich nur gemeint, dass einzelne Versicherte auf "für sie" naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten "in typischen Fallkonstellationen" hingewiesen werden sollen (vgl mit dieser Akzentuierung etwa BSG SozR 3-2600 § 115 Nr 9 S 59).

26

Die Annahme einer gegenüber der Klägerin bestehenden Pflicht der Beklagten zum Hinweis auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung und die Voraussetzungen dieser Weiterversicherung führt nicht - wie die Beklagte meint - zu einer Überspannung ihrer Beratungs- und Betreuungspflichten. Sie war vielmehr sachlich und funktional zuständiger Leistungsträger iS von § 12 SGB I und bei der Sachbearbeitung ganz konkret mit den Belangen der Klägerin als Selbstständiger befasst. Im Rahmen des vorliegend streitigen Sachkomplexes ging es auch nicht etwa darum, sämtliche bei ihr gemeldeten und potentiell durch § 28a SGB III angesprochenen Arbeitslosen zu ermitteln und individuell über die Möglichkeit einer Antragspflichtversicherung für Selbstständige zu informieren. Allein schon die konkrete Kontaktaufnahme des Versicherten mit der Beklagten begründete hier eine gesteigerte Hinweispflicht (vgl allgemein BSG SozR 4-4300 § 324 Nr 3 RdNr 21).

27

Gegen eine solche gesteigerte Hinweispflicht kann die Beklagte schließlich nicht einwenden, dass der Inhalt eines Gesetzes mit seiner Verkündung dem Normadressaten - und damit auch der Klägerin - gegenüber grundsätzlich als bekannt zu gelten hat, und zwar unabhängig davon, wann das Gesetz ihm tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist (sog formelle Publizität). Der Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen wird bei einer konkreten Kontaktaufnahme mit dem Sozialleistungsträger durch die Beratungs- und Betreuungspflichten nach §§ 14, 15 SGB I "überlagert"; der Sozialleistungsträger kann sich bei einem Behördenfehler hierauf nicht berufen (vgl schon BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 7).

28

bb) Der Ausgleich des durch die Pflichtverletzung der Beklagten eingetretenen sozialrechtlichen Nachteils oder Schadens der Klägerin (= Ausschluss von der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung wegen Versäumung der Antragsfrist) stellt auch eine zulässige Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs dar, weil er von der Beklagten durch Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung beseitigt werden kann. Die Beklagte kann die Klägerin durch "Anerkennung" eines seit dem 12.2.2007 bestehenden Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag als Selbstständige so stellen, wie sie bei rechtzeitiger Antragstellung aufgrund entsprechender Beratung und Betreuung gestanden hätte. Sie kann hierzu insbesondere einen das Bestehen der freiwilligen Weiterversicherung bestätigenden deklaratorischen Verwaltungsakt erlassen.

29

3. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung liegen bei alledem entscheidungserhebliche Mängel des Berufungsverfahrens nicht vor.

30

Sie macht - erstens - geltend, das Berufungsurteil gebe unter Verstoß gegen § 128 Abs 1 S 2 SGG die Gründe nicht an, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen seien. Insoweit rügt die Beklagte zum einen, das LSG habe in dem angefochtenen Urteil seine Auffassung nicht begründet, dass die Klägerin nicht habe "von sich aus rechtzeitig … um ergänzende Informationen … nachsuchen" müssen; zum anderen wendet sie ein, das Berufungsurteil lasse Hinweise des LSG dazu vermissen, auf welche (Erfahrungs)Tatsachen und Quellen es den Erfahrungssatz stütze, dass die Antragspflichtversicherung "unbedingt eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit darstellt, von der jeder wirtschaftlich vernünftig Denkende mutmaßlich Gebrauch machen würde". Auf solchermaßen angenommenen Verfahrensmängeln könnte das Berufungsurteil indessen (schon) nicht beruhen. Das LSG hat der Sache nach nämlich nur über das Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs befunden; auf ein Mitverschulden der Klägerin (etwa durch Nichteinholen von Rechtsrat) kam es deshalb für dessen Entscheidung nicht an. Auch hat das Berufungsgericht seine "Beweiswürdigung" - wie bereits erörtert - nicht auf einen allgemeinen oder besonderen Erfahrungssatz gestützt, sondern eine einzelfallbezogene Bewertung vorgenommen. Die Beklagte macht - zweitens - geltend, das LSG habe unter Verletzung von § 103 S 1 SGG keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin "von sich aus bei der Beklagten oder einer sonst rechtkundigen Person um Beratung … nachgesucht" habe. Nach dem oben Gesagten bezieht sich auch diese Verfahrensrüge auf für den Rechtsstreit nicht entscheidungserhebliche Tatsachen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 wird zurückgewiesen.

Für den Rechtsstreit sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus der Seemannskasse, die seit dem 1.1.2009 anstelle der See-Berufsgenossenschaft (See-BG) von der Beklagten geführt wird.

2

Der am 1942 geborene Kläger ist zur See gefahren. Zum 31.12.2007 schied er aus der seemännischen Beschäftigung aus und bezieht seit dem 1.1.2008 eine Altersrente. Ende 2007 plante die Seemannskasse die Einführung einer Leistung, die sie als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" bezeichnen wollte. Die Leistung sollte an den Eintritt der Regelaltersgrenze anknüpfen und neben der Altersvollrente erbracht werden. Am 6.11.2007 beschloss die Vertreterversammlung der See-BG eine entsprechende Änderung der Satzung mit Wirkung zum 1.1.2008. Die betroffenen Versicherten wurden ab Ende März 2008 mit der ihnen übersandten Zeitschrift See und Sicherheit Nr. 1/2008 über eine geplante "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" informiert. Im Juni 2008 wurden auch die Versicherten der Geburtsjahrgänge 1937 bis 1942 persönlich angeschrieben. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte die Genehmigung zur Änderung der Seemannskasse im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung der neuen Leistung zunächst versagt. Die Genehmigung der "von der Vertreterversammlung der See-Berufsgenossenschaft am 6. November 2007 beschlossenen Neufassung der Satzung der Seemannskasse" erfolgte gemäß § 34 Abs 1 S 2 SGB IV iVm § 143 Abs 1 SGB VII unter dem 6.11.2008, nachdem ua § 143 SGB VII geändert worden war. Mit Schreiben vom selben Tag hatte das BVA die Beklagte außerdem darauf hingewiesen, dass "die textliche Angleichung der Satzung an den Wortlaut des durch Artikel 1 Nr. 18 geänderten § 143 SGB VII in den §§ 9, 17, 20 Abs. 1 Satz 3 und § 21 Abs. 6 als redaktionelle Änderungen im Rahmen der Drucklegung erfolgen" könne. Unter anderem in § 9 Nr 5 und § 17 der in der Zeitschrift HANSA vom Dezember 2008 veröffentlichten Neufassung der Satzung wurde die neue Leistung aus der Seemannskasse daraufhin als "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" bezeichnet. Die veröffentlichte Neufassung enthält - ohne Hinweis auf die dort vorgenommenen Textänderungen - am Schluss eine wörtliche Wiedergabe der Genehmigung des BVA vom 6.11.2008.

3

Die Beklagte lehnte den am 10.9.2009 gestellten Antrag auf Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze ab. Der Kläger habe bereits vor dem 1.1.2008 die Regelaltersgrenze erreicht und sei auch vor diesem Tag aus der Seefahrt ausgeschieden (Bescheid vom 6.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 21.1.2010).

4

Das SG Stade hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.11.2011). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat auf die Berufung des Klägers die Bescheide der Beklagten und den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe ihre Entscheidung auf Satzungsbestimmungen gestützt, die mit höherrangigem Recht unvereinbar seien. Der Beklagten obliege es, die entsprechenden Bestimmungen ihrer Satzung neu zu fassen und sodann das Begehren des Klägers neu zu prüfen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer völligen Verkennung der "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" und einer Missachtung des im Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130) und in den Vorschriften des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII aF und § 137b Abs 1 S 2 SGB VI zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens. Bei dieser Leistung handele es sich um eine neue, vom Überbrückungsgeld unabhängige Leistung, die arbeitsmarktpolitischen und versichertenbezogenen Zwecken diene und von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Selbst wenn § 17 S 3 der Satzung der Seemannskasse (zukünftig: Satzung) eine Stichtagsregelung sei, stelle die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine neue Leistung dar, weshalb es sachgerecht sei, den Tag für den frühesten Erhalt der Leistung auf den Tag des Inkrafttretens der Neuregelung der Satzung zu legen. Die zeitliche Abgrenzung berücksichtige ferner die zukunftsgerichtete Zwecksetzung und den Umstand, dass die zu erbringenden Leistungen von den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln gedeckt sein müssten.

6

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das LSG hat gegen Bundesrecht verstoßen, indem es den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet hat, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

10

Die Revision ist zulässig. Beteiligtenfähig (§ 70 SGG) ist die Beklagte, nicht aber die Seemannskasse. Die Seemannskasse wird mit Wirkung vom 1.1.2009 unter ihrem Namen durch die Beklagte als Träger der allgemeinen Rentenversicherung nach den §§ 137b bis 137e SGB VI weitergeführt(§ 137a SGB VI). Ihr Vermögen ist zum 1.1.2009 mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen (§ 137c Abs 1 SGB VI). Zu diesem Zeitpunkt ist die Beklagte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl BT-Drucks 16/9154 S 43) in die Rechte und Pflichten der See-BG bzw - soweit die Seemannskasse teilrechtsfähig war (vgl dazu Waibel, WzS 2003, 238, 243) - der Seemannskasse eingetreten. Damit ist die Seemannskasse selbst jedenfalls seit dem 1.1.2009 weder Trägerin von Rechten und Pflichten noch über § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig.

11

Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Selbst wenn das LSG (zu Recht) von der Nichtigkeit der im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers inzident überprüften Satzung der Beklagten überzeugt gewesen wäre, hätte es die Beklagte nicht verurteilen dürfen. Auch dann hätte es grundsätzlich und in aller Regel dem Ermessen der Beklagten als Normgeber überlassen bleiben müssen, wie die sich ergebende Lücke zu schließen ist. Andernfalls griffe das LSG in die dem Normgeber (Satzungsgeber) vorbehaltene Gestaltungsfreiheit ein, die ihm trotz zustehender Kontroll- und Verwerfungskompetenz über untergesetzliche Normen nicht zusteht (vgl BVerfGE 115, 81, 93 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 45 sowie BVerwGE 102, 113, 117 f). Eine Rechtsschutzmöglichkeit, um den Erlass untergesetzlicher Normen durchzusetzen, gibt es daher grundsätzlich nicht. Dem Berufungsgericht war es folglich verwehrt, das Begehren des Klägers abweichend von seinem Antrag im Sinne einer von ihm angenommenen kombinierten Anfechtungs- und Verbescheidungsklage zu verstehen. Eine zusätzliche Feststellungsklage, um effektiven Rechtsschutz iS von Art 19 Abs 4 GG zu erlangen, hat der Kläger vor den Instanzgerichten nicht erhoben, obwohl ein derartiges Rechtsschutzbegehren grundsätzlich möglich gewesen wäre. Denn auch die Rechtsetzung der Exekutive in der Form von Rechtsverordnungen und Satzungen ist Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einzubeziehen (vgl BVerfG, aaO, S 92 bzw RdNr 40). Die Erhebung einer Feststellungsklage vor dem BSG im Rahmen des Revisionsverfahrens ist nicht (mehr) möglich (vgl § 168 S 1 SGG sowie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 99 RdNr 12 und § 168 RdNr 2b).

12

Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger auf der Grundlage des geltenden Bundesrechts keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Weder unmittelbar das geltende Gesetzesrecht noch eine der in Betracht kommenden Textfassungen der Satzung der Beklagten für Zeiten ab dem 1.1.2008 vermittelt denkbar ein entsprechendes Recht.

13

Nach der in der Zeitschrift HANSA im Dezember 2008 veröffentlichten Fassung erhält ein Versicherter auf Antrag eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze", wenn er auf Dauer als Seemann nicht mehr tätig ist und die Wartezeit sowie die Halbbelegung erfüllt (vgl § 9 Nr 7, § 10 Abs 1 bis Abs 3 der Satzung). Ein Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Versicherte die Regelaltersgrenze noch vor dem 1.1.2008 erreicht hat und aus der Seefahrt ausgeschieden ist (vgl § 17 S 3 iVm S 1 der Satzung). Vorliegend hat der am 1942 geborene Kläger nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG die Regelaltersgrenze am 2007 erreicht und ist vor dem 1.1.2008, hier zum 31.12.2007, aus der Seefahrt ausgeschieden. Ein Anspruch scheidet damit nach § 17 S 3 der Satzung aus.

14

Die Beklagte konnte sich für den Erlass einer so gefassten Satzung und des hierauf gestützten (ablehnenden) Verwaltungsakts auf die Ermächtigung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) bzw auf § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) stützen. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelungen beruht auf Art 74 Nr 12 GG.

15

Nicht einschlägig ist demgegenüber § 143 Abs 1 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407). Nach dieser Vorschrift konnte die See-BG unter ihrer Haftung mit Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt an Seeleute sowie Küstenschiffer und Küstenfischer, die nach § 2 Abs 1 Nr 7 SGB VII versichert sind, eine Seemannskasse mit eigenem Haushalt einrichten(Satz 1). Die Mittel für die Seemannskasse waren im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert waren oder die bei ihr Versicherte beschäftigten (Satz 2). Das Nähere, insbesondere über die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen sowie die Festsetzung und die Zahlung der Beiträge, bestimmte die Satzung; die Satzung konnte auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen (Satz 3). Die Satzung bedurfte der Genehmigung des BVA (Satz 4).

16

Durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) wurden in § 143 Abs 1 S 3 SGB VII die Worte "die Satzung kann auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen" durch die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" ersetzt. Die Möglichkeit, in der Satzung die Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorzusehen, wurde in dem neu eingefügten § 143 Abs 1 S 4 SGB VII geregelt. Die Änderungen des § 143 SGB VII traten gemäß Art 13 Abs 3 UVMG rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft. Gemäß Art 2 Nr 2 iVm Art 13 Abs 3 UVMG wurde § 143 SGB VII zum 1.1.2009 aufgehoben. Gleichzeitig traten die Regelungen der §§ 137a ff SGB VI in Kraft(Art 5 iVm Art 13 Abs 4 UVMG). Nach § 137b Abs 1 S 1 SGB VI ist Aufgabe der Seemannskasse die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres an die bei ihr versicherten Seeleute sowie an Küstenschiffer und Küstenfischer, die aus der Seefahrt ausgeschieden sind. Nach S 2 dieser Regelung kann die Satzung ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen.

17

Mit der Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einer ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze als zugelassene Aufgabe (§ 30 Abs 1 SGB IV) hat der Gesetzgeber einen Anreiz für ältere Berufsseeleute bezweckt, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine, wenn auch geringere Leistung in Anspruch nehmen zu können. Ein weiteres Ziel war die Deckung des Bedarfs an qualifiziertem Personal, der aufgrund der im Rahmen des "maritimen Bündnisses" zugesagten Rückflaggungen entstanden war (BT-Drucks 16/9154 S 29). Dieses weitere Ziel macht die Leistung aber - anders als das LSG meint - nicht etwa zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die vom Bund finanziert werden müsste (vgl BSGE 81, 276, 285 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1). Der verfassungsrechtliche weite Gattungsbegriff der "Sozialversicherung" schließt eine zur Grundversorgung hinzutretende Zusatzversorgung ein (BVerfGE 63, 1, 36). Die Beschränkung auf eine Notlage gehört hingegen nicht zu ihren konstituierenden Merkmalen. Außer dem Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten ist (nur) die Art und Weise kennzeichnend, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt wird. Die hierzu berufenen Träger der Sozialversicherung sind selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen (BVerfGE 11, 105, 113).

18

Diese wesentlichen Strukturmerkmale der klassischen Sozialversicherung sind vorliegend erfüllt. Die Leistungen werden aus den Mitteln der Seemannskasse erbracht, die grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen sind, wobei die gesetzlichen Regelungen auch eine Beteiligung der Seeleute ermöglichen. Träger der Leistungen sind eigenständige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Die auszugleichende besondere Last liegt in der Bereitschaft, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung in der Seefahrt tätig zu sein, obwohl nach dem 71. Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) - das die Bundesrepublik zwar nicht ratifiziert hat, dessen Grundanliegen der Gewährung einer vorgezogenen Altersrente für Seeleute aber schon bei der Entstehung des § 891a RVO Berücksichtigung fand(vgl die Ausführungen des Abgeordneten Orgaß in der 197. Sitzung der 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 11650 A) - das System der Rentenversicherung für Seeleute so zu gestalten ist, dass Altersrenten bereits bei Erreichung des 55. oder 60. Lebensjahres zu gewähren sind.

19

Existenz erlangt eine Satzung erst mit ihrer öffentlichen Bekanntmachung. Gemäß § 34 Abs 2 SGB IV ist die Satzung, die sich ein Versicherungsträger gibt, öffentlich bekannt zu machen. Sie tritt, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und erlangt damit rechtliche Geltung. Nach der Grundregel des § 34 Abs 2 S 2 SGB IV iVm § 33 der Satzung wäre die Änderung der Satzung erst am Tag nach der Bekanntmachung in der Dezemberausgabe 2008 der "HANSA", Zeitschrift für Schifffahrt, Schiffbau, Hafen in Hamburg in Kraft getreten. Abweichend hiervon bestimmt § 34 der Satzung im Einklang mit der entsprechenden Ermächtigung in § 34 Abs 2 S 2 SGB IV das Inkrafttreten der Satzungsänderung spezialgesetzlich mit Wirkung vom 1.1.2008. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung lag damit vor dem der Bekanntmachung in der Vergangenheit. Das ist grundsätzlich zulässig (Finkenbusch, WzS 1992, 1, 10; aA Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 35), zumal Satzungsänderungen nicht vor Erteilung der Genehmigung durch das BVA bekannt gemacht werden dürfen (Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 83), sodass die wirksame Wahrnehmung der Selbstverwaltungskompetenz bei einer Abhängigkeit des Zeitpunkts des Inkrafttretens von dem Datum der Genehmigung behindert werden könnte.

20

Die Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung bedurfte einer gesetzlichen Ermächtigung, die bis zur Neufassung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) zum 1.1.2008 nicht vorlag.

21

Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden (BVerfGE 10, 20, 49 f). Der Gesetzgeber begibt sich mit der Verleihung dieser Autonomie innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs seiner Regelungsbefugnis und ermächtigt einen bestimmten Kreis von Bürgern, durch demokratisch gebildete Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Er darf sich aber seiner Rechtssetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen völlig preisgeben (BVerfGE 33, 125, 158). Der Gesetzesvorbehalt aus Art 20 Abs 3 GG verlangt, dass staatliches Handeln durch förmliches Gesetz legitimiert ist. Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das GG ist, liegt es nahe anzunehmen, dass die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muss, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des "Eingriffs" (BVerfGE 40, 237, 249).

22

Unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber mit dem allgemeinen einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 37).

23

Nicht maßgeblich ist insofern, ob die Satzungsregelung den Bürger belastet und ihm Pflichten auferlegt oder ob er aus ihr Rechte herleiten kann. Der Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I gilt bereits seinem ausdrücklichen Wortlaut nach("Rechte") auch für begünstigende Handlungen und macht somit selbst bei der Leistungsgewährung eine gesetzliche Grundlage erforderlich (Weselski in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 31 RdNr 9). Infolgedessen kann der Gesetzgeber die Satzungsautonomie insoweit einschränken, als Satzungsregelungen über zu gewährende Leistungen nur zulässig sind, soweit das Gesetz solche Leistungen zulässt (BSG SozR 4-7862 § 9 Nr 3 RdNr 18). Ergänzend bestimmt § 30 Abs 1 SGB IV, dass Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden dürfen.

24

Zur Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze war die See-BG erst seit dem 1.1.2008 durch § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) ermächtigt. Die Einführung einer Ermächtigungsnorm für die Gewährung ergänzender Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze - die grundsätzlich dazu führt, dass eine Vollrente bezogen werden kann - war nicht bereits durch die Ermächtigung zur Gewährung eines Überbrückungsgelds gedeckt. Weil die ergänzende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine andere Zielrichtung als das Überbrückungsgeld verfolgt, handelt es sich bei der Ermächtigung zu ihrer Regelung auch nicht um eine gesetzgeberische "Klarstellung", sondern nach Wortlaut und Inhalt um die erstmalige Einführung einer besonderen Ermächtigungsgrundlage.

25

Zweck der Gewährung eines Überbrückungsgelds ist es, ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Seefahrt zu ermöglichen oder zu erleichtern. Mit dem Überbrückungsgeld wird den besonderen Belastungen der Seeschifffahrt Rechnung getragen und dem Seemann vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine Versorgung gewährleistet, die die Lücke in der Zeit zwischen der Aufgabe der Seeschifffahrt und dem Beginn der allgemeinen Altersversorgung schließt (vgl Göttsch in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd 3, 4. Aufl, Stand April 2009, § 143 aF SGB VII RdNr 2). Nähert sich der Seemann beim Ausscheiden aus der Seefahrt dem Rentenalter, wird durch das Überbrückungsgeld de facto das Rentenalter für Seeleute vorgezogen (Orgelmann, Die Seemannskasse in § 891a RVO - Geschichte, Struktur und Funktion - Diss Bremen 1980, S 147). Ist die Regelaltersgrenze erreicht, kommt dem Zweck des Überbrückungsgelds keine Bedeutung mehr zu. Daher ist der Anspruch auf Überbrückungsgeld ausdrücklich an die negative Tatbestandsvoraussetzung geknüpft, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Vollrente wegen Alters nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegen (§ 10 Abs 1 S 2 der Satzung). Von einer derartigen Beschränkung gingen auch frühere Fassungen der Satzung aus (vgl BSG vom 14.11.1984 - 1 RS 4/83 - SozR 2200 § 891a Nr 4 S 6; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 11.5.2001 - L 3 RJ 78/00 - Juris RdNr 39; LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.12.2004 - L 1 RA 40/04 - Juris RdNr 29) aus.

26

Demgegenüber verfolgt die vorliegend in Frage stehende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze einen anderen - demjenigen des Überbrückungsgelds entgegengesetzten - Zweck. Durch die Ergänzung des § 143 S 3 SGB VII(idF ab 1.1.2008) um die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" sollte die Aufgabenstellung der Seemannskasse erweitert werden. Alleinige Aufgabe der Seemannskasse war es bis zum 31.12.2007, eine zusätzliche soziale Sicherung für Berufsseeleute zu schaffen, die ihnen in der Zeit ab der Vollendung des 55. Lebensjahres durch Zahlung eines Überbrückungsgelds das Ausscheiden aus der Seefahrt und ggf die Aufnahme einer Beschäftigung an Land erleichterte. Durch die Erweiterung der Vorschrift sollte den veränderten Beschäftigungsbedingungen in der deutschen Seeschifffahrt Rechnung getragen werden. Dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, einen Anreiz für ältere Berufsseeleute zu setzen, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine Leistung in Anspruch nehmen zu können (vgl BT-Drucks 16/9154 S 29). Der Versicherte, dem trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen in der Seefahrt eine Tätigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze möglich ist, soll hiervon nicht durch den "Fehlanreiz" eines Überbrückungsgelds bei vorzeitigem Ausscheiden abgehalten werden. Im Ergebnis geht es darum, die Versicherten zu einer Tätigkeit in der Seefahrt bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze anzuhalten, indem den durch das Überbrückungsgeld geschaffenen finanziellen Anreizen durch Setzung eines finanziellen Gegenanreizes entgegengewirkt wird. Insofern wird den Versicherten entgegen der Ansicht des LSG kein finanzieller Nachteil bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Seefahrt, sondern im Vergleich mit der Rechtslage vor dem 1.1.2008 ein finanzieller Vorteil bei Verbleib in der Seefahrt in Aussicht gestellt.

27

Ebenfalls entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begrenzt die so verstandene Ermächtigung zur Einführung "ergänzender Leistungen" die Satzungsbefugnis logisch und rechtlich nicht auf weitere Leistungen, die ihrer grundsätzlichen Zielrichtung nach das mit dem Überbrückungsgeld als "Hauptleistung" verfolgte Ziel erreichen können.

28

Die Satzung kann "ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze" vorsehen. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass das Überbrückungsgeld nach der gesetzlichen Ermächtigung an Versicherte ab der Vollendung des 55. Lebensjahres gezahlt werden kann, dagegen die ab dem 1.1.2008 neu eingeführte Leistung aber das Erreichen der Regelaltersgrenze voraussetzt und sich daher an unterschiedliche Zielgruppen richtet. Ist die Zielgruppe nicht identisch, kann die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze nur die Gesamtkonzeption der Leistungen der Seemannskasse als Vorruhestands- und Zusatzversorgungskasse (vgl BT-Drucks 16/9154 S 42) ergänzen, nicht aber die - kontradiktorische - Leistung des Überbrückungsgelds. Dessen Anwendungsbereich entfällt vielmehr notwendig, sobald die Regelaltersrente beansprucht werden kann, deren Fehlen es kompensieren sollte, während es sich umgekehrt bei einer neben der Regelaltersrente zu erbringenden Leistung nur um ein aliud gegenüber dem Überbrückungsgeld handeln kann.

29

Abermals entgegen der Ansicht des LSG ist eine "enge" Auslegung des Begriffs der ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VI(idF ab 1.1.2008) bzw § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(idF ab 1.1.2009) auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus einer vermeintlich erhöhten Beitragsbelastung der Mitglieder. Der Normgeber hat diesem Aspekt bereits dadurch ausreichend Beachtung geschenkt, dass er durch die Wahl einer Stichtagsregelung einen Eingriff in bereits abgeschlossene Rentenbiographien vermieden und durch die Beschränkung der begünstigenden Neuregelung auf Rentenneuzugänge eine erst allmählich zunehmende Belastung der Finanzierungsgemeinschaft sichergestellt hat (vgl zur Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise in der Sozialversicherung BVerfG vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90 und 1 BvR 761/91 - BVerfGE 87, 1, 43 ff = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Der Kläger ist zu keinem Zeitpunkt mit der Finanzierung der neuen Leistung belastet worden, kann sich aber auch umgekehrt nicht denkbar darauf berufen, er habe durch von ihm getragene Beiträge bereits entsprechende Anwartschaften erworben. Zudem wird schließlich gemäß § 19 Abs 5 S 1 der Satzung die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze um alle nach § 9 Nr 1 bis 6 der Satzung zuvor gewährten Überbrückungsgelder vermindert und auch auf diese Weise eine Begrenzung der durch die neue Leistung verursachten Kosten erreicht.

30

Dass der Regelung über die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine echte Rückwirkung zukommt, macht die Satzung nicht unwirksam. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl BVerfGE 11, 139, 145 f; 101, 239, 263) oder wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, dh gültig geworden ist (vgl BVerfGE 63, 343, 353; zu alledem BVerfGE 126, 369, 391 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 71). Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines (materiellen) Gesetzes mit rückwirkender Kraft ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt (vgl BSG vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 70 f). Eine solche Belastung fehlt, wenn die streitige Satzungsnorm erstmalig Ansprüche der Versicherten der Seemannskasse regelt, für die es zuvor keine Anspruchsgrundlage gegeben hat (vgl BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 24). Dies ist hier der Fall. Gemäß § 143 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) konnte die See-BG unter ihrer Haftung die Seemannskasse lediglich für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt einrichten. Nur für diese beiden Leistungen als zugelassene Aufgaben iS des § 30 Abs 1 SGB IV durfte die Seemannskasse ihre Mittel verwenden. Dem folgten die Regelungen der Satzung. Erst im Zuge der Schaffung der gesetzlichen Ermächtigung in § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII zum 1.1.2008 wurde ein Anspruch auf Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung - begünstigend - geregelt.

31

Die Einführung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze scheitert auch nicht an der Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sozialversicherungsbeiträge zeichnen sich durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung aus. Eine unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft vermag die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die Kompetenzvorschrift des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG lässt nur solche Finanzierungsregelungen zu, die einen sachlich-gegenständlichen Bezug zur Sozialversicherung aufweisen. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner Glieder stehen sie nicht zur Verfügung (vgl BVerfGE 75, 108, 148 = SozR 5425 § 1 Nr 1; BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55).

32

Diese Vorgaben sind bereits in den Regelungen der §§ 143 Abs 1 S 1 SGB VII(idF ab 1.1.2008) und 137c Abs 2 S 1 und 2 SGB VI (idF ab 1.1.2009) berücksichtigt, nach denen für die Seemannskasse (bis zum 31.12.2008) ein eigener Haushalt einzurichten war bzw (seit dem 1.1.2009) das Vermögen der Seemannskasse als Sondervermögen getrennt von dem sonstigen Vermögen der Beklagten zu verwalten ist, der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben dem Vermögen zuzuführen und ein etwaiger Fehlbetrag aus diesem zu decken ist.

33

Der Einwand des LSG, finanzielle Anreize für einen möglichst langen aktiven Dienst der Seeleute müssten allein aus allgemeinen Steuermitteln oder von den betroffenen Unternehmen geleistet werden, verfängt nicht. Denn die Mittel für die Seemannskasse sind grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert sind oder die bei ihr Versicherte beschäftigen (§ 143 Abs 1 S 2 SGB VII bzw § 137c Abs 3 S 1 SGB VI). Darüber hinaus stellen die Regelungen des § 24 Abs 1 und 2 der Satzung sicher, dass die Unternehmer mindestens die Hälfte der Umlage aufbringen müssen.

34

Die Anknüpfung des Anspruchs an einen Stichtag (1.1.2008) verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Satzungen der Berufsgenossenschaften sind autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist. Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17 f mwN).

35

Die Wahl des Stichtages 1.1.2008 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Die Festlegung eines Stichtags für die Schaffung von Ansprüchen ist trotz der damit verbundenen Härten grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber seinen Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt und nicht als willkürlich erscheint (vgl BVerfGE 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73).

36

Vorliegend orientiert sich der gewählte Stichtag an der Einführung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Eine solche Lösung erscheint sachgerecht. Zum einen werden mit ihr einzelfallbezogene Ermittlungen einer Anspruchsdauer über die Fragen nach bereits bezogenen Überbrückungsgelds hinaus vermieden. Zudem war zu berücksichtigen, dass eine Lenkung des Ausscheideverhaltens Versicherter im Wege der Normsetzung durch die Selbstverwaltungsorgane insofern beschränkt war, als eine Abschaffung des Überbrückungsgelds zum 1.1.2008 an höheren Anforderungen zu messen ist als die Einführung einer neuen Leistung. Seit dem 1.1.2009 ist der Beklagten die Abschaffung des Überbrückungsgelds gänzlich verwehrt, da die Gewährung eines Überbrückungsgelds gemäß § 137b Abs 1 S 1 SGB VI gesetzliche Pflichtaufgabe ist. Schließlich führt der neben der Gewährung eines Ausgleichs für die Nichtinanspruchnahme des Überbrückungsgelds verfolgte weitere Zweck der Personalbedarfsdeckung dazu, dass die in der Satzung erfolgte Stichtagsregelung sachgerecht ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass nur der zum Zeitpunkt der gesetzlichen Ermächtigung vorhandene Versichertenbestand durch die neu eingeführte Leistung veranlasst werden sollte, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden. Eine am aktuellen Versichertenbestand orientierte Lösung ermöglicht eine bessere Planbarkeit der Ausgaben für die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Zudem erscheint nicht absehbar, welche Maßnahmen für die erneute Heranführung von aus der Seefahrt bereits aufgrund Alters ausgeschiedener Seeleute ergriffen werden müssten, um den mit dem Ausscheiden aus der Seefahrt und dem Erwerbsleben einhergehenden Verlust von Kenntnissen und Fertigkeiten zu begegnen.

37

Auch aufgrund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht dem Kläger kein Anspruch zu. Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs sind hier nicht erfüllt. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, RdNr 25; BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 28).

38

Es kann vorliegend offenbleiben, ob eine Hinweispflicht des Versicherungsträgers schon vor Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung bestehen kann (vgl BSG vom 6.5.1992 - 12 BK 1/92). Das hier maßgebliche Gesetz (UVMG, aaO) ist am 30.10.2008 verabschiedet worden und mit Wirkung zum 1.1.2008 in Kraft getreten. Auch aufgrund eines Hinweises zu diesem Zeitpunkt bzw ab Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl Gesetzentwürfe vom 14.3.2008, BR-Drucks 113/08 bzw vom 8.5.2008, BT-Drucks 16/9154) wäre der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen, die Voraussetzungen für eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" (hier: keine Vollendung des 65. Lebensjahres vor dem 1.1.2008, kein Ausscheiden aus der Seefahrt vor dem 1.1.2008, vgl § 17 S 3 der Satzung) tatsächlich zu erfüllen.

39

Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis ließe sich auch nicht aus der von der Vertreterversammlung der See-BG am 6.11.2007 beschlossenen und vom BVA am 6.11.2008 genehmigten - so aber nicht bekannt gemachten - Textfassung der Satzung ableiten. Die dort noch enthaltene Bezeichnung der neuen Leistung als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" ändert ungeachtet der vordergründigen und vom BVA schon deshalb beanstandeten Namensähnlichkeit nichts an ihren rechtlichen Unterschieden gegenüber dem hergebrachten, noch auf § 143 Abs 1 SGB VII in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung als Ermächtigungsgrundlage beruhenden Überbrückungsgeld.

40

Unter diesen Umständen kann vorliegend offenbleiben, ob die in Frage stehende Fassung der Satzung mit der Folge der Nichtigkeit möglicherweise durchgreifenden formellen Bedenken begegnen könnte. Über die schlussendlich veröffentlichte Fassung hat nämlich weder die Vertreterversammlung der See-BG beschlossen noch ist sie vom BVA genehmigt worden. Das Vorliegen lediglich "redaktioneller Änderungen", die das BVA in seinem Begleitschreiben zur Genehmigung vom 6.11.2008 angenommen hat und die es nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Erlass von gemeindlichen Bebauungsplänen (vgl Beschluss vom 14.8.1989 - 4 NB 24/88 - DVBl 1989, 1105 f) erlauben könnten, von einem Rechtssetzungsbefehl in Form eines (erneuten) Satzungsbeschlusses zur Umsetzung der nur bedingt erteilten Genehmigung abzusehen, erscheint fraglich. Nachdem nämlich - wie dargelegt - erstmals zum 1.1.2008 die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Einführung einer neuen Leistung vorhanden war, konnte sich das zuständige Beschlussorgan der Rechtsvorgängerin der Beklagten hiermit am 6.11.2007 nicht befasst und die hierdurch eingetretene nachhaltige Änderung der Rechtslage nicht in seinen Willen aufgenommen haben. Ebenfalls offenbleiben kann, ob die Genehmigung anstelle ihres damaligen Trägers unmittelbar der Seemannskasse erteilt werden konnte und wie sich der Hinweis auf die für eine andere Fassung erteilte Genehmigung auf die Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung der neugefassten Satzung im Dezember 2008 auswirkt.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2012 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2011 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für seine in der Schweiz durchgeführte freiwillige Krankenversicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI zusteht.

2

Der 1935 geborene Kläger, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, bezieht eine Altersrente nach schweizerischem Recht sowie seit dem 1.1.2001 eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenbescheid vom 31.1.2001), die mit Wirkung zum 1.6.2002 unter Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten neu festgestellt worden ist (Rentenbescheid vom 10.2.2010).

3

Seit 1999 ist der Kläger bei der Schweizer Groupe Mutuel in Bezug auf ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel, Heilmittel und zahnärztliche Behandlungen sowie Zahnersatz versichert. Nach den weiteren Feststellungen des LSG besteht bei demselben Unternehmen eine freiwillige Zusatzversicherung in Bezug auf weitere Risiken im Krankheitsfall.

4

Mit Schreiben vom 10.8.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten "einen Zuschuss zum (freiwilligen) Krankenversicherungsbeitrag gem. § 106 SGB VI" ab Beginn seiner Altersrente nebst gesetzlicher Verzinsung.

5

Zur Begründung gab er an, jedenfalls vor der Gesetzesänderung zum 1.5.2007 einen Anspruch auf Zuschuss zu seiner schweizerischen Krankenversicherung gehabt zu haben. Aufgrund der geltenden Besitzstandsregelung gelte der Anspruch auch über dieses Datum hinaus fort. Einen früheren Antrag habe er nicht gestellt, weil es die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die LVA Baden-Württemberg, versäumt habe, ihm im Rahmen des Rentenverfahrens das entsprechende Formular zugänglich zu machen. Er habe davon ausgehen müssen, dass ihm sämtliche Formulare übersandt worden seien.

6

Mit Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege als Bezieher einer Rente aus der schweizerischen Rentenversicherung mit Wohnsitz in der Schweiz der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach dem schweizerischen Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18.3.1994 (KV-Obligatorium nach dem KVG). Damit sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Aufwendungen ausgeschlossen. Den hiergegen am 5.10.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.2.2010 zurück. Nach dem ab dem 1.5.2007 geltenden Recht sei kein Zuschuss zu gewähren, weil die schweizerische Krankenversicherung als Pflichtversicherung zu werten sei. Auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns habe keine Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden, weil nach dem damals gültigen deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen die Zahlung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen gewesen sei, wenn der Rentner in der Schweiz dem KV-Obligatorium unterliege. Ab Inkrafttreten des zwischen der Europäischen Union und der schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen Abkommens über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme (Freizügigkeitsabkommen) am 1.6.2002 sei hinsichtlich von Zusatzversicherungen die Zahlung eines Beitragszuschusses zwar möglich gewesen. Es habe jedoch keine Veranlassung bestanden, den Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens hinsichtlich seiner Rechte zu beraten oder entsprechende Antragsformulare zu versenden.

7

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG Karlsruhe den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2005 einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKPV) zu zahlen sowie die jeweiligen Zahlungsansprüche ab 1.3.2005 mit 4 vH zu verzinsen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.7.2011).

8

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 4.12.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ab dem 1.1.2005 ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten der OKPV bei der Groupe Mutuel zu. Die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI lägen vor. Der Kläger beziehe eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar sei er nicht freiwillig in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung und auch nicht bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert, das der deutschen Aufsicht unterliege. Der schweizerische Krankenversicherungsträger sei einem solchen Krankenversicherungsunternehmen aber gleichzustellen. Dies folge aus zwischenstaatlichem Recht iVm Europarecht und der Rechtsprechung des EuGH. Im Urteil vom 6.7.2000 (C-73/99, Movrin - SozR 3-6050 Art 10 Nr 6) habe der EuGH ausdrücklich ausgeführt, dass ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung - wie § 106 SGB VI und § 249a SGB V - eine Geldleistung bei Alter im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 sei, auf die der Bezieher einer nach dem Recht eines Staates zu zahlenden Rente auch dann Anspruch habe, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohne und dort der Krankenversicherungspflicht unterliege. Dies gelte über das Freizügigkeitsabkommen auch für die Schweiz. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sei § 106 Abs 1 S 1 SGB VI in seiner zweiten Alternative ("bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt") dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass hierunter auch Krankenversicherungsunternehmen fielen, die - wie hier - der Aufsicht eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz unterlägen, wenn zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht herangezogen werde. Umgekehrt bedeute dies, dass eine Pflichtkrankenversicherung, für die auch nach Ansicht des Senats kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI bestehe, bei einer ausländischen Krankenversicherung im Geltungsbereich der Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 bzw (EG) Nr 883/2004 nur vorliege, wenn der Abschluss der Krankenversicherung gesetzlich vorgeschrieben sei und die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben würden. Damit werde sichergestellt, dass der Versicherte vom deutschen Rentenversicherungsträger einen Beitragszuschuss zur ausländischen Krankenversicherung entweder über § 249a SGB V (analog) oder nach § 106 SGB VI erhalte. Dieses Verständnis des § 106 SGB VI trage dem Umstand Rechnung, dass die Organisation der Krankenversicherung der anderen EU-Mitgliedstaaten bzw der Schweiz mit dem inländischen System nicht ohne Weiteres vergleichbar sei. Die nach deutschem Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger bzw privater Versicherung habe zur Folge, dass entweder an den Versicherten ein Zuschuss ausgezahlt (§ 106 SGB VI) oder ein Teil der aus der Rente zu zahlenden gesetzlichen Beiträge übernommen werde (§ 249a SGB V). Wenn aber Letzteres - wie im vorliegenden Fall - aufgrund der ausländischen Regelungen zur Finanzierung der Krankenversicherung nicht umsetzbar sei, weil keine einkommensabhängigen Beiträge, sondern Kopfpauschalen zu entrichten seien, könne dies nicht dazu führen, dass dem Bezieher einer deutschen Rente aufgrund seines Wohnsitzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw der Schweiz der Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung als Teil seines Rentenanspruchs verwehrt bleibe. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auf dem die genannten EG-Verordnungen beruhten. Seien demnach die Voraussetzungen des § 249a SGB V - wie vorliegend - nicht erfüllt und entstünden dem Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für seinen Krankenversicherungsschutz in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw der Schweiz Kosten, dann habe sich die Beklagte über eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI hieran zu beteiligen.

9

§ 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 geltenden Fassung stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Es fehle am Kriterium der "Gleichzeitigkeit". Unter Berücksichtigung dieses Kriteriums greife die Ausschlussregelung nur dann ein, wenn neben einer bestehenden Pflichtversicherung ein Zuschuss zu einer weiteren privaten Krankenversicherung begehrt werde. Der Kläger begehre aber keinen Zuschuss zu seinen Aufwendungen für eine private Krankenversicherung, sondern für seinen originären Krankenversicherungsschutz in der Schweiz. Die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI finde daher keine Anwendung.

10

Schließlich habe der Kläger den Zuschuss auch beantragt. Zwar sei die Antragstellung erst im August 2009 erfolgt. In Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei der Kläger jedoch so zu stellen, als habe er rechtzeitig zum 1.6.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) den Zuschuss beantragt. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Beratung anläßlich des Rentenantrags des Klägers vom 10.2.2000 verletzt, wodurch diesem ein Nachteil entstanden sei. Gemäß § 44 Abs 4 S 1 SGB X sei der Zuschuss allerdings nur rückwirkend für vier Jahre zu gewähren. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 44 Abs 1 SGB I.

11

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 106 SGB VI.

12

Ob dem Kläger ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 gültigen Fassung zustehe, hänge davon ob, ob es sich bei dem KV-Obligatorium der Schweiz um eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung handele. Dies sei der Fall. Die Krankenversicherung in der Schweiz erfasse alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Diese müssten sich innerhalb von drei Monaten nach Wohnsitznahme oder Geburt versichern oder versichern lassen, wenn sie selbst keine Verträge schließen könnten. Träger der Krankenversicherung könnten zwar juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sein. Anders als in Deutschland gälten für die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen aber dieselben gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der von der Krankenversicherungspflicht erfassten Personen, des Leistungskatalogs, der Voraussetzungen für die Leistungserbringung usw. Das KV-Obligatorium gehöre als Teil der schweizerischen Sozialversicherung in den Bereich des öffentlichen Rechts. Die Versicherten genössen nur in ganz beschränktem Umfang Wahlfreiheiten. Insbesondere die Frage, ob eine Person dem KV-Obligatorium unterliege, sowie das Beitrags- und Leistungsrecht seien gesetzlich zwingend festgelegt. Ein Leistungsausschluss bestimmter Risiken sei nicht möglich. Zudem könnten Versicherte die Krankenkasse wechseln, ohne hierdurch Nachteile zu erleiden. Der Versicherer habe dagegen kein Kündigungsrecht. Auch wenn das KV-Obligatorium zum Teil durch private Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt und die Pflichtversicherung durch einen Vertrag geregelt werde, handele es sich doch um eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung. Lediglich die Zusatzversicherungen seien privatrechtliche Versicherungen, bei deren Ausgestaltung Versicherte und Versicherer die Gestaltungsmöglichkeiten des Vertragsrechts nutzen könnten. Entgegen der Auffassung des LSG könne aus dem Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) nicht abgeleitet werden, dass eine Pflichtkrankenversicherung bei einer ausländischen Krankenversicherung nur dann vorliege, wenn die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben würden. Diese Auffassung entbehre auch sonst jeglicher Grundlage.

13

Die Beklagte weist weiter sinngemäß darauf hin, dass zudem das Kriterium der Gleichzeitigkeit erfüllt sei. Hierzu trägt sie vor, der Kläger unterhalte bei der Groupe Mutuel zwei verschiedene Versicherungsverhältnisse, zum einen die obligatorische Krankenversicherung und zum anderen eine private Krankenzusatzversicherung nach dem schweizerischen Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

14

Die Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI zu einer Pflichtversicherung sei ausgeschlossen. Dies verstoße entgegen der Ansicht des LSG auch nicht gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die grundsätzliche Exportierbarkeit von Geldleistungen nach Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 bzw Art 7 VO (EG) Nr 883/2004 werde von den Rentenversicherungsträgern nicht in Frage gestellt. Voraussetzung für den Leistungsexport sei jedoch, dass die entsprechenden nationalen Anspruchsvoraussetzungen (unabhängig vom Wohnort) erfüllt seien.

15

Bei rechtzeitiger Antragstellung vor dem 1.5.2007 hätte dem Kläger zwar nach der damals geltenden Rechtslage ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI (frühestens ab dem 1.6.2002, dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) zu seiner Krankenzusatzversicherung nach dem VVG zugestanden. Der Kläger habe den Zuschuss jedoch erst am 17.8.2009 beantragt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei aber die Gewährung eines Beitragszuschusses gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 gültigen Fassung nicht mehr zulässig gewesen. Eine Pflicht, den Kläger anlässlich seines Rentenantrags vom 10.2.2000 auf die Möglichkeit der Beantragung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine private Krankenzusatzversicherung nach Inkrafttreten des zu erwartenden Freizügigkeitsabkommens hinzuweisen, habe nicht bestanden.

16

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2012 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

17

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Rechtsmittel hat zum Teil schon aus prozessrechtlichen Gründen Erfolg (A.I.). Im Übrigen sind die angefochtenen Entscheidungen nicht mit der materiellen Rechtslage vereinbar (A.II.).

19

A.I. LSG und SG haben die Beklagte verurteilt, dem Kläger "einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu zahlen". Nach dem Verständnis des erkennenden Senats umfasst dieser Tenor eine Verurteilung der Beklagten zu einer Beteiligung an den Kosten des Klägers sowohl für seine obligatorische Krankenversicherung als auch seine freiwillige Krankenversicherung. Soweit die vorinstanzlichen Entscheidungen die Beklagte mit der Tragung von Zuschüssen zu der obligatorischen Krankenversicherung des Klägers belasten, gehen sie über dessen Klagebegehren hinaus und verletzen damit § 123 SGG. Der Kläger hat mit der Klageschrift vom 23.4.2010 ebenso wie zuvor mit seinem Schreiben vom 10.8.2009 lediglich einen Zuschuss zu seiner freiwilligen bzw privaten Krankenversicherung beantragt. Allein hierüber befindet der Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.2.2010. Eine über diesen Regelungsgegenstand hinausgehende Klage wäre unzulässig gewesen.

20

Zwar hat die Beklagte eine Verletzung des § 123 SGG nicht gerügt. Einen Verstoß gegen diese Vorschrift und damit eine Verkennung des Streitgegenstands hat der erkennende Senat aber von Amts wegen zu beachten. Hierbei handelt es sich um einen Mangel, der im Revisionsverfahren fortwirkt, sodass er bei Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würde (vgl allgemein BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 31), weshalb seine Überprüfung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (vgl allgemein BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13).

21

II. Der Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.2.2010 ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine freiwillige bzw private Krankenversicherung gemäß § 106 Abs 1 SGB VI zu.

22

Auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen ist zwar nicht entscheidbar, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erfüllt sind. Gleichwohl ist eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nach § 170 Abs 2 SGG entbehrlich. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des S 1 gegeben wären, stünde dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Es ist zumindest der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI verwirklicht, und zwar sowohl in der ab dem 1.5.2007 als auch der davor geltenden Fassung.

23

1. Gemäß § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

24

Zu Recht hat das LSG festgestellt, dass der Kläger zu dem berechtigten Personenkreis im Sinne der Vorschrift gehört, weil er seit dem 1.1.2001 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht (Bescheid vom 31.1.2001). Hingegen ist für den erkennenden Senat nicht beurteilbar, ob es sich bei der Groupe Mutuel um ein Krankenversicherungsunternehmen iS von § 106 Abs 1 S 1 SGB VI handelt.

25

Krankenversicherungsunternehmen im Sinne der Vorschrift sind alle (deutschen oder ausländischen) Versicherungsunternehmen, die eine Krankenversicherung durchführen und nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung sind, mögen sie im Übrigen privat oder öffentlich-rechtlich organisiert sein (vgl BSGE 14, 116, 118 = SozR Nr 2 zu § 381 RVO; BSGE 27, 129, 130, 131 = SozR Nr 15 zu § 381 RVO; BSG SozR 2200 § 385 Nr 11 S 50 zu § 534 Abs 1 RVO und § 173a RVO; BSGE 58, 224, 225 = SozR 2600 § 239 Nr 1 zu § 239 Abs 1 S 1 RKG, § 534 RVO und § 173a Abs 1 RVO; s auch KomGRV § 106 SGB VI RdNr 4, Stand: März 2009). In dieser Definition erschöpft sich die Bedeutung des Begriffs Krankenversicherungsunternehmen. Für die Auffassung des LSG, bei ausländischen Unternehmen sei darauf abzustellen, dass diese zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht heranziehen, gibt der Wortlaut des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI nichts her. Ebenso wenig sind dem Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) Anhaltspunkte für eine solche Auslegung zu entnehmen.

26

Zwar ist offensichtlich, dass die Schweizer Groupe Mutuel nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ist, und angesichts der genannten Vorgaben unschädlich, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Groupe Mutuel privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Entscheidungserheblich iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI, den Feststellungen des LSG aber nicht entnehmbar, ist dagegen, ob dieses Unternehmen auch eine private Krankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI durchführt.

27

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts umfasst die bei der Groupe Mutuel bestehende OKPV des Klägers ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arznei- und Heilmittel sowie zahnärztliche Behandlungen und Zahnersatz, während die bei demselben Unternehmen bestehende freiwillige Zusatzversicherung weitere Risiken im Krankheitsfall abdeckt. Um welche Risiken es sich hierbei handelt, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Nicht jede private Versicherung - gleich welchen Umfangs - ist indes zuschusspflichtig (vgl BSGE 20, 159, 161 = SozR Nr 5 zu § 381 RVO; BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16).

28

Zwar ist nicht erforderlich, dass die private Krankenversicherung des Rentenbeziehers eine Vollversicherung ist, die nach Art und Höhe Leistungen gewährt wie die gesetzliche Krankenversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern (vgl Peters in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, § 106 SGB VI RdNr 10, Stand: Dezember 2010). Im Interesse zumindest einer gewissen Vergleichbarkeit mit der ebenfalls zuschusspflichtigen freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Vollversicherung ist, ist in Fortführung der zu § 1304e RVO entwickelten Rechtsprechung des BSG aber eine Krankenversicherung von nennenswerter Bedeutung zu verlangen(BSGE 50, 61 = SozR 2200 § 1304e Nr 5 in einem Auslandsfall und allgemein BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16). Hiervon dürfte jedenfalls dann auszugehen sein, wenn die private Versicherung einen Teilbereich der im SGB V vorgesehenen Leistungen bei Krankheit - entweder ambulante, stationäre oder zahnärztliche Behandlung, Heil- und Hilfsmittel, Arzneien, medizinische Leistungen zur Rehabilitation oder Ähnliches - abdeckt (so auch Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II Bd 2, § 106 SGB VI RdNr 22, Stand: 01/08).

29

Sollte der Kläger bei der Groupe Mutuel eine private Krankenversicherung mit einem nicht ausreichenden Krankenversicherungsschutz unterhalten, lägen die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI nicht vor.

30

Anderenfalls wäre den Anforderungen der Norm genügt. Zu Recht hat das LSG hinsichtlich der weiteren Voraussetzung des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI ausgeführt, es sei ausreichend im Sinne der Vorschrift, dass die Groupe Mutuel der schweizerischen Aufsicht untersteht.

31

Nach Art 10 Abs 1 der im Februar 2010 noch in Kraft befindlichen VO (EWG) Nr 1408/71, die im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz Anwendung findet (Art 8 iVm Anhang II Abschn A Nr 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999 auf die am 1.5.2004 beigetretenen Mitgliedstaaten erweitert), dürfen die Geldleistungen bei Alter, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch besteht, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Daher kann weder die Entstehung noch die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die in dieser Bestimmung genannten Leistungen allein deshalb verneint werden, weil der Betroffene nicht im Gebiet des Mitgliedstaates wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (EuGH, aaO, S 19 mwN). Zu den Geldleistungen bei Alter iS der Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 zählt auch ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung (EuGH, aaO).

32

Unter Berücksichtigung dieser im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zu berücksichtigenden Vorgaben ist ausreichend, wenn das ausländische Krankenversicherungsunternehmen, bei dem der Rentenbezieher versichert ist, der Aufsicht des Mitgliedstaates oder gleichgestellten Staates unterliegt, in dem das Krankenversicherungsunternehmen seinen Sitz hat (vgl auch Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 12, Stand: Dezember 2010). Ansonsten liefe die von Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 gewährleistete Exportierbarkeit einer Geldleistung im Alter bei Rentenbeziehern, die in einem anderen Mitgliedstaat oder gleichgestellten Staat wohnen und bei einem dort ansässigen Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, letztlich wegen ihrer Wohnsitznahme leer.

33

Sollten die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI vorliegen, wäre der Anspruch des Klägers jedoch gleichwohl ausgeschlossen, weil der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI verwirklicht ist.

34

2.a) Gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der mit Wirkung vom 1.5.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 33 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 (BGBl I 554) erhalten Rentenbezieher den Zuschuss nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.

35

aa) Die schweizerische OKPV ist eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung, die den Kläger als Pflichtmitglied erfasst. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des schweizerischen KVG im Vergleich mit den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Merkmalen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung.

36

Zwar ist ausländisches Recht nicht revisibel, sodass das Revisionsgericht grundsätzlich an die Feststellungen des Tatsachengerichts und dessen rechtliche Schlussfolgerungen gebunden ist (BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN; BSGE 80, 295, 298 ff = SozR 3-4100 § 142 Nr 1; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 25; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Tatsachengericht eine ausländische Rechtsnorm übersehen und in der angefochtenen Entscheidung nicht gewürdigt hat; denn dann handelt es sich nicht um die Überprüfung der Auslegung einer irrevisiblen Norm, sondern um die Anwendung des geltenden Rechts auf einen vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (BSGE 71, 163, 165 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1, RdNr 14; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 6c). Aus diesem Grund ist der erkennende Senat zur Anwendung der Vorschriften des KVG befugt. Das LSG hat keine Norm dieses Gesetzes seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ebenso ist der erkennende Senat berechtigt, generelle Tatsachen - wie die Strukturen einer Krankenversicherung - selbst festzustellen (vgl hierzu Leitherer, aaO, § 163 RdNr 7 mwN).

37

(1) Die OKPV ist zunächst eine gesetzliche Krankenversicherung.

38

Sie ist eine "Versicherung" ua gegen das Risiko der "Krankheit" (Art 1a Abs 1 und Abs 2 Buchst a KVG). Sie erbringt bei Eintritt eines Versicherungsfalls Kosten für Leistungen (insbesondere Art 24, 25 und 31 KVG), an denen sich die Versicherten beteiligen müssen (Art 64 KVG). Dafür erhebt sie Beiträge (Prämien) von den Versicherten (Art 61 KVG; vgl auch Gerlinger, Das Schweizer Modell der Krankenversicherung - Zu den Auswirkungen der Reform von 1996, 2003, S 8 zu Nr 2.2). Sie ist also - ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - keine Einrichtung eines staatlichen Gesundheitswesens mit Versorgungscharakter (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 17, Stand: Juni 2007). Die OKPV ist auch eine "gesetzliche" Krankenversicherung. Sie ist - wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - bis in Einzelheiten gesetzlich geregelt (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 19). Das KVG enthält Vorschriften über die Versicherungspflicht (2. Titel, 1. Kapitel), die Organisation (2. Titel, 2. Kapitel), die Leistungen (2. Titel, 3. Kapitel), die Leistungserbringer (2. Titel, 4. Kapitel) und die Finanzierung (2. Titel, 5. Kapitel). Die OKPV ist schließlich auch eine soziale Krankenversicherung (Art 1a Abs 1 KVG).

39

(2) Die schweizerische OKPV ist zudem eine Pflichtversicherung iS des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI.

40

Bei der Beurteilung von Ansprüchen der Auslandsrentner hat die Rechtsprechung wiederholt ua hinsichtlich der Prüfung einer gesetzlichen Pflichtversicherung den möglicherweise anders gelagerten Verhältnissen im Ausland Rechnung getragen. Insoweit wird lediglich vorausgesetzt, dass die ausländische gesetzliche Krankenversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr 22 S 56; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

41

Dies trifft auf die schweizerische OKPV unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung zu.

42

Zwar beginnt die Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes mit der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, während in der Schweiz Versicherungspflicht besteht, aufgrund derer sich alle Personen mit dortigem Wohnsitz versichern müssen (Art 3 Abs 1 KVG), was den Abschluss eines Versicherungsvertrages erfordert.

43

Dieser Unterschied ist allerdings unwesentlich und steht einer Bewertung der OKPV als einer mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbaren Versicherung nicht entgegen.

44

Sowohl Pflichtversicherung als auch Versicherungspflicht bewirken, dass die von ihnen erfassten Personen verbindlich einer Versicherung zugeführt werden. Dass der Versicherungspflicht nach dem KVG auch tatsächlich nachgekommen wird, wird nicht dem freiwilligen Entschluss der Betroffenen überlassen, sondern durch Rechtszwang sichergestellt (Johannes W. Pichler in ders, Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 2001, S 1, 15). Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, werden von den zuständigen kantonalen Behörden einem Versicherer zugewiesen (Art 6 Abs 2 KVG). Die Versicherer müssen in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede versicherungspflichtige Person aufnehmen (Art 4 Abs 2 KVG). Dieser Kontrahierungszwang bewirkt, dass Alters-, Geschlechts-, Gesundheits- oder ethnische Selektionen ausgeschlossen sind (vgl auch Johannes W. Pichler, aaO, S 16 und Richner in Johannes W. Pichler, aaO, S 41, 53) und damit jede versicherungspflichtige Person tatsächlich einen Versicherungsschutz erhält.

45

Der Versicherungsschutz wird auch nicht dadurch vermindert, dass die OKPV von Krankenkassen, die sowohl juristische Personen des öffentlichen als auch des privaten Rechts sein können (Art 11 Buchst a iVm Art 12 Abs 1 KVG), und zudem von privaten Versicherungsunternehmen (Art 11 Buchst b KVG) betrieben wird.

46

Abgesehen davon, dass alle Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung benötigen (Art 13 KVG) und jede versicherungspflichtige Person aufnehmen müssen (Art 4 Abs 2 KVG), können sie auch keiner versicherten Person kündigen (Richner, aaO, S 53). Solange die Versicherungspflicht dauert, müssen sie die Versicherten behalten (Art 5 Abs 3 KVG). Nur die Versicherten können den Versicherer wechseln (Art 7 Abs 1 bis 3 KVG), es sei denn, die Versicherer führen die soziale Krankenversicherung nicht mehr durch (Art 7 Abs 4 KVG). Auch in diesem Fall droht den Versicherten allerdings nicht der Verlust der Krankenversicherung. Zwar entzieht die zuständige Behörde einem Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn er darum ersucht oder die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (Art 13 Abs 3 S 1 KVG). Der Entzug wird aber erst dann wirksam, wenn alle Versicherten von anderen Versicherern übernommen worden sind (Art 13 Abs 3 S 2 KVG). Auch gelten bezüglich der sozialen Krankenversicherung für alle Versicherer, dh sowohl für die privaten und öffentlich-rechtlichen Krankenkassen als auch die privaten Versicherungsunternehmen, identische Grundsätze (Richner, aaO, S 54).

47

(3) Die OKPV ist schließlich nicht mit der Versicherung nach § 193 Abs 3 des deutschen VVG vergleichbar. Ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist die OKPV eine vorrangige Versicherung, die - mit geringfügigen Ausnahmen - die gesamte Wohnbevölkerung erfasst (vgl Maurer/Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl 2009, S 284 RdNr 2). Demgegenüber stellt sich die Versicherung nach § 193 Abs 3 VVG als Auffangversicherung dar, die lediglich den Teil der Wohnbevölkerung betrifft, der keine andere Absicherung im Krankheitsfall hat(Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 193 RdNr 23); dieser Teil beläuft sich auf unter 10 %. Die Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG gilt ua nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind(§ 193 Abs 3 S 2 Nr 1 VVG). Allein die gesetzliche Krankenversicherung schützt aber über 90 % der Wohnbevölkerung (Peters, aaO, § 1 SGB V RdNr 4, Stand: Juni 2007).

48

(4) Entgegen der Auffassung des LSG kann das Vorliegen einer Pflichtkrankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI bei ausländischen Krankenversicherungen nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Beiträge kraft Gesetzes aus der deutschen Rente erhoben werden. Hierfür geben weder der Wortlaut der Norm noch die Pflichtversicherung im Sinne des SGB V etwas her (vgl § 5 Abs 1 SGB V).

49

Das LSG stützt seine Auslegung auf die Überlegung, dass die Beiträge für die schweizerische obligatorische Krankenversicherung unabhängig vom Einkommen nach Kopfprämien erhoben werden (Art 61 KVG), diese Beitragserhebung nicht zu § 249a SGB V "passt", nach dem die Träger der Rentenversicherung "die Hälfte der nach der Rente zu bemessenden Beiträge …" tragen, und der Kläger daher bei Qualifizierung der obligatorischen Krankenversicherung als Pflichtversicherung keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte auf Beteiligung an seinen Aufwendungen zur Krankenversicherung habe, was gegen europäisches Recht verstoße.

50

Derartige "Ergebnisauslegungen" genügen indes nicht den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und verbieten sich insoweit von selbst. Die vom LSG vorgenommene Interpretation des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI unter Berücksichtigung des § 249a SGB V vermengt unzulässig die Anwendungsbereiche beider Normen und ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich geboten.

51

§ 106 Abs 1 SGB VI einerseits und § 249a SGB V andererseits sind selbstständige Vorschriften, die für Rentenbezieher unter bestimmten Voraussetzungen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen (Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung oder anteilige hälftige Beitragstragung) hinsichtlich unterschiedlicher Versicherungen (freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bzw private Krankenversicherung oder in- oder ausländische gesetzliche Pflichtkrankenversicherung) führen. Ihre Auslegung hat unabhängig voneinander zu erfolgen. Verfassungs- oder unionsrechtliche Zweifelsfragen bei der einen Vorschrift berühren die andere Vorschrift nicht, sondern sind vielmehr begrenzt auf die jeweilige Norm zu beurteilen.

52

Aus der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl BVerfGE 75, 223, 237; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 23 RdNr 27; Streinz in ders, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 4 EUV RdNr 33, jeweils mwN) ergibt sich kein anderes Ergebnis.

53

Die unionsrechtskonforme Auslegung unterliegt den gleichen Grenzen wie die verfassungskonforme Auslegung (BAGE 105, 32, 48 f; Jarass, aaO). Diese darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz keinen entgegengesetzten Sinn verleihen oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen (BVerfGE 71, 81, 105; 90, 263, 275; 109, 279, 316 f). Mit diesen Grenzen zulässiger Auslegung wäre es nicht vereinbar, die eindeutig getrennten Anwendungsbereiche des § 106 Abs 1 SGB VI einerseits und des § 249a SGB V andererseits miteinander zu vermengen.

54

Eine derartige Auslegung hat auch der EuGH im Urteil vom 6.7.2000 (aaO) nicht vorgenommen. Statthafter Gegenstand einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Rechtssätze des Unionsrechts (vgl Ehricke in Streinz, aaO, Art 267 AEUV RdNr 13, 17). Fragen der Auslegung nationalen Rechts sind daher ausgenommen (vgl zB EuGH Urteil vom 3.10.2000 - C-58/98, Corsten - Juris RdNr 24; EuGH Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03, Dörr und Ünal - Juris RdNr 46). Dementsprechend hat sich der EuGH in dem dem Urteil vom 6.7.2000 zugrunde liegenden Vorabentscheidungsverfahren (aaO) auch nur mit den Fragen beschäftigt, ob eine im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehene Beteiligung eines Rentenversicherers an den Beiträgen zur Krankenversicherung eine Geldleistung bei Alter iS von Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 darstellt, und ob diese Leistung unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Bestimmungen dem in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden und dort der Krankenversicherungspflicht unterliegenden Rentner verwehrt werden darf.

55

§ 106 Abs 1 SGB VI ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden.

56

Inländischer Prüfungsmaßstab ist insoweit Art 3 Abs 1 GG, nach dem einem Auslandsrentner ein Beitragszuschuss zuzuerkennen ist, wenn bei vergleichbarer Sachlage, die in Anknüpfung an die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der maßgeblichen Vorschriften zu beurteilen ist, auch einem Inlandsrentner diese Leistungen zu gewähren wären (so schon im Ergebnis BSG SozR 2200 § 381 Nr 23). Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Pflichteinbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung hat.

57

Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung von Unionsrecht.

58

Dem zur Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften ergangenen Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass dem Auslandsrentner nichts versagt werden darf, worauf er als Inlandsrentner einen Anspruch hätte. Als Inlandsrentner und Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung stünde dem Kläger aber ebenfalls kein Anspruch aus § 106 Abs 1 SGB VI zu.

59

Ob auch § 249a SGB V mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, falls eine Beteiligung der Rentenversicherungsträger nach dieser Vorschrift an den Kosten einer ausländischen Pflichtkrankenversicherung ausscheiden sollte, die wie die schweizerische obligatorische Krankenversicherung Beiträge als Kopfprämien(Art 61 KVG) erhebt, hat der Senat nicht zu entscheiden. Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu seiner freiwilligen bzw privaten Krankenversicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI und nicht die anteilige Tragung seiner Beiträge zur obligatorischen Krankenversicherung nach § 249a SGB V.

60

bb) Unterhielte der Kläger eine private Krankenversicherung bei der Groupe Mutuel mit einem ausreichenden Krankenversicherungsschutz iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI - nur dann wären die Anspruchsvoraussetzungen der Norm erfüllt -, wäre auch das Kriterium der Gleichzeitigkeit gegeben.

61

Der Ausschlusstatbestand des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichzeitigkeit verwirklicht, wenn neben der privaten Krankenversicherung zeitgleich Versicherungspflicht in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung besteht(vgl Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 13, Stand: Dezember 2010). Der Kläger unterliegt aufgrund seiner Wohnsitznahme in der Schweiz der Versicherungspflicht in der OKPV und wäre zeitgleich bei demselben Krankenversicherungsträger freiwillig krankenzusatzversichert.

62

2.b) Auch vor Inkrafttreten der Neufassung des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI zum 1.5.2007 hat dem Kläger kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss nach § 106 Abs 1 S 1 SGB VI zugestanden.

63

Gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der bis 30.4.2007 geltenden Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.2.2002 (BGBl I 754 - nachfolgend alter Fassung ) war ein Anspruch nach S 1 ausgeschlossen, wenn Rentenbezieher gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert waren.

64

Nach der Rechtsprechung des BSG zur früheren Gesetzeslage (vgl zB BSG SozR 2200 § 381 Nr 16; Nr 22 S 55; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30; s auch BT-Drucks 16/3794, S 37 zu Nr 33) ist einem Auslandsrentner, der die Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses erfüllt, dieser jedoch gleichwohl zu versagen, wenn er von einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtmitglied erfasst wird, soweit diese wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist, was bejaht wurde, wenn sich das ausländische Versicherungssystem im Kern als Vollversicherung darstellt, dh mindestens die stationäre als auch ambulante Behandlung umfasst (BSGE 35, 15 = SozR Nr 32 zu § 381 RVO; BSGE 47, 64, 66 = SozR 2200 § 381 Nr 30). Diese Folge ist aus dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG abzuleiten. Ein Auslandsrentner soll einen Beitragszuschuss nur erhalten können, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre. Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung des Beitragszuschusses ausschließt, muss die Einbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung haben. Insoweit zieht der Gleichheitsgrundsatz dem an sich nach dem Gesetzeswortlaut gegebenen Anspruch eine Grenze (BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

65

Die schweizerische OKPV stellt nicht nur eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung dar, die den Kläger als Pflichtmitglied erfasst (vgl A.II.2.aa)). Sie ist darüber hinaus auch inhaltlich mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbar, weil sie sich ebenfalls als Vollversicherung darstellt.

66

Sie übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art 25 Abs 1 KVG). Diese Leistungen umfassen die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital von Ärzten/Ärztinnen, Chiropraktoren/Chiropraktorinnen oder von Personen durchgeführt werden, die auf Anordnung oder im Auftrag dieser Leistungserbringer Leistungen erbringen (Art 25 Abs 2 Buchst a KVG). Ferner gehören zum Leistungskatalog insbesondere die ärztlich verordneten Analysen, Arzneimittel und die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände (Art 25 Abs 2 Buchst b KVG), ein Beitrag zu den Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren (Art 25 Abs 2 Buchst c KVG), die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (Art 25 Abs 2 Buchst d KVG) sowie der Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung (Art 25 Abs 2 Buchst e KVG). Kosten für zahnärztliche Behandlungen werden (nur) unter engen Voraussetzungen übernommen (Art 31 KVG).

67

Der Qualifizierung der OKPV als Vollversicherung steht nicht entgegen, dass der Versicherte an den Kosten beteiligt wird (Art 64 KVG); auch die deutsche gesetzliche Krankenversicherung kennt eine Kostenbeteiligung der Versicherten etwa in Form von Zuzahlungen (§ 61 SGB V). Auch ist unerheblich, dass die Leistungen der OKPV nicht als Naturalleistung, sondern in Form der Kostenerstattung erbracht (Art 24 KVG; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30) und die Kosten der Zahnbehandlung nur begrenzt erstattet werden (vgl BSGE 47, 64, 66 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

68

3. Da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI aF hat, kann ihm dieser auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs zuerkannt werden. Dieses Rechtsinstitut findet seine Rechtfertigung im Rechtsstaatsprinzip, und zwar in dessen Ausprägung als Gebot der Herstellung von materieller Gerechtigkeit iVm denjenigen Regelungen des geschriebenen Rechts, in denen dieses Gebot - konkretisierend - umgesetzt werden soll (Seewald in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, Vor §§ 38 bis 47 SGB I RdNr 124, Stand: Juni 2012). Damit kann im Wege des Herstellungsanspruchs keine Vergünstigung erwirkt werden, die dem Betroffenen nach geltendem Recht nicht zusteht.

69

4. Schließlich kann der Kläger zu seinen Gunsten auch nichts aus Art 3 Abs 1 GG iVm einer möglicherweise anderen gleichmäßigen Verwaltungspraxis der Beklagten herleiten.

70

Nach den Ausführungen der Beklagten in der Revisionsbegründung scheint diese unter Geltung der bis zum 30.4.2007 geltenden Fassung des § 106 Abs 1 SGB VI Beziehern einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mit Wohnsitz in der Schweiz bei Abschluss einer zusätzlichen privaten Krankenversicherung und rechtzeitigem Antrag einen Beitragszuschuss nach dieser Norm gewährt zu haben. Ob eine derartige Verwaltungspraxis der Beklagten bestanden hat, bedarf indes keiner Aufklärung. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Kläger hieraus keine Rechtsvorteile ableiten. Aus den oben dargelegten Gründen hat einem Auslandsrentner, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat und in der OKPV versichert ist, kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI aF zugestanden, sodass eine entsprechende Gewährung rechtswidrig gewesen ist. Auf eine Gleichheit im Unrecht kann sich niemand berufen (BVerfGE 50, 142, 166; BVerfG NVwZ 1994, 475, 476; BVerwGE 34, 278, 283; 92, 153, 154 f, 157).

71

Mangels Bestehens eines Anspruchs auf Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI kommt ein Zinsanspruch nicht in Betracht.

72

B. Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger im Revisionsverfahren nicht vertreten ist, sodass er sich nicht äußern kann. Einer Entscheidung steht der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG nicht entgegen.

73

Eine Versagung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil der Kläger nicht von den ihm im Verfahrensrecht eröffneten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr BSG Beschluss vom 25.11.2008 - B 5 R 308/08 B - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 31.8.1988 - 4 B 153/88 - Juris RdNr 10, mwN).

74

Sollte der Kläger bedürftig sein, hätte er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Da die Beklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat, hätte diesem Antrag ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 119 Abs 1 S 2 ZPO) stattgegeben werden müssen. Ist der Kläger nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes, wäre es seine prozessuale Obliegenheit gewesen, zur Ermöglichung der Teilnahme am Revisionsverfahren einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen auf eigene Kosten zu beauftragen.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) (weggefallen)

(2) Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und

1.
ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
2.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.

(3) Ist Übergangsgeld gezahlt worden und wird nachträglich für denselben Zeitraum der Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit festgestellt, gilt dieser Anspruch bis zur Höhe des gezahlten Übergangsgeldes als erfüllt. Übersteigt das Übergangsgeld den Betrag der Rente, kann der übersteigende Betrag nicht zurückgefordert werden.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt.

Tenor

Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. November 2013 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

2

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung (Divergenz) beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe haben die Klägerinnen zur Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

3

Soweit in der Beschwerdebegründung eine Divergenz geltend gemacht wird (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), wird schon nicht aufgezeigt, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl zu dieser Anforderung BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54).

4

Soweit Verfahrensmängel geltend gemacht werden, ist der Beschwerdebegründung nicht hinreichend zu entnehmen, dass das Urteil des LSG auf einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG beruhen kann. Soweit gerügt wird, das LSG habe einen völlig anderen Klagantrag zugrunde gelegt, ist die Beschwerdebegründung unschlüssig. Denn danach sei mit dem Hauptantrag die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2009 und Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch sowie mit dem Hilfsantrag die Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht begehrt worden; eben diese Anträge hat indes das LSG ausweislich des Tatbestands seines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils, den die Beschwerdebegründung insoweit zum Gegenstand des Vortrags gemacht hat, dem Vorbringen der Klägerinnen auch entnommen.

5

Soweit gerügt wird, das LSG habe nicht vorab über einen Antrag auf Rechtswegbestimmung nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Bezug auf amtshaftungsrechtliche Ansprüche entschieden, auf die das Kostenerstattungsbegehren hilfsweise gestützt worden sei, unterlässt die Beschwerdebegründung jede Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Nach dieser darf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen, weil einerseits das GVG keine Teilverweisung kennt und andererseits der Verweisung des gesamten Rechtsstreits der Grundsatz entgegensteht, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist. Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs 2 GVG abzusehen(vgl BSG Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 437/11 B - juris RdNr 10, unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 23, jeweils mwN). Mit Blick auf diese Rechtsprechung hätte es eingehender Darlegungen in der Beschwerdebegründung bedurft, warum vorliegend dennoch ein Verfahrensmangel in Betracht kommen soll, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

6

Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß

1.
jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
2.
die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,
3.
der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und
4.
ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.

(2) Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen. § 5 der Kommunikationshilfenverordnung in der jeweils geltenden Fassung gilt entsprechend.

(2a) § 11 des Behindertengleichstellungsgesetzes gilt in seiner jeweils geltenden Fassung bei der Ausführung von Sozialleistungen entsprechend.

(3) In der Zusammenarbeit mit gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Organisationen wirken die Leistungsträger darauf hin, daß sich ihre Tätigkeit und die der genannten Einrichtungen und Organisationen zum Wohl der Leistungsempfänger wirksam ergänzen. Sie haben dabei deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben zu achten. Die Nachprüfung zweckentsprechender Verwendung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bleibt unberührt. Im übrigen ergibt sich ihr Verhältnis zueinander aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs; § 97 Abs. 1 Satz 1 bis 4 und Abs. 2 des Zehnten Buches findet keine Anwendung.

(4) Die Leistungsträger arbeiten mit den Betreuungsbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Vermittlung geeigneter Hilfen zur Betreuungsvermeidung zusammen. Soziale Rechte dürfen nicht deshalb abgelehnt, versagt oder eingeschränkt werden, weil ein rechtlicher Betreuer nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden ist oder bestellt werden könnte.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 abgeändert und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist die Verzinsung einer Rentennachzahlung.
Der im 1945 geborene Kläger beantragte am 29. November 2005 formlos Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 den förmlichen Vordruck für den Rentenantrag „R 100“. Nachdem der Kläger sich trotz Erinnerung vom 23. Januar 2006 nicht gemeldet hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung der Rente unter Berufung auf § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit Bescheid vom 6. März 2006 ab, da das Rentenantragsformular nicht eingesandt worden sei. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2006) und Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (Urteil vom 10. Juli 2007 - S 11 R 2304/06 -) blieben erfolglos. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) erklärten die Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins vom 16. Oktober 2007 das Verfahren übereinstimmend für erledigt, nachdem der Kläger der Beklagten kurz zuvor, nämlich am 28. September 2007, den Vordruck „R 100“ für den Rentenantrag übersandt hatte. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen u.a. für den Zeitraum vor Vollendung des 17. Lebensjahres des Klägers, den Monat Juli 1972 und die Monate April 1980 bis Juli 1980 durch, ließ sich die Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes bestätigen und bewilligte mit Bescheid vom 13. Februar 2008 auf den Antrag vom 29. November 2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit rückwirkend ab dem 1. September 2005. Für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 29. Februar 2008 errechnete sie einen Rentennachzahlungsanspruch in Höhe von 31.232,52 EUR. Eine Verzinsung wurde abgelehnt, weil seit Eingang des vollständigen Leistungsantrags keine sechs Kalendermonate vergangen seien. Der Nachzahlungsbetrag wurde noch im Februar 2008 an den Kläger überwiesen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte u.a. die Verzinsung der Rentennachzahlung geltend. Es habe dem Grunde nach ein Anspruch auf die am 26. November 2005 formlos beantragte Altersrente bestanden. Mit dem ablehnenden Rentenbescheid vom 6. März 2006 sei ohne zwingende Notwendigkeit und Grund die Zahlung der Rente abgelehnt worden. Nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) werde damit die Verzinsung begründet, zumindest soweit die Ansprüche aus dem Versicherungsverlauf unstrittig gewesen seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 und (offenbar weil in dieser Entscheidung die Widerspruchsbegründung des Klägers nicht beachtet worden war) erneut mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 als unbegründet zurück. Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginne die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Formantrag sei erst am 28. September 2007 eingegangen, so dass die im Februar 2008 überwiesene Nachzahlung nicht habe verzinst werden müssen.
Bereits am 31. Juli 2008 hatte der Kläger Klage zum SG erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2011 hat das SG - nach vorheriger Abtrennung weiterer Verfahrensgegenstände - die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Verzinsungsanspruch bezüglich der Rentennachzahlung. Die Verzinsung beginne frühestens sechs Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages. Wenn das Gesetz von einem vollständigen Leistungsantrag spreche, so verlange es, dass der Sachverhalt vollständig dargelegt werde, um die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen nach Grund und Höhe zu überprüfen und sein Entstehen feststellen zu können. Der Kläger habe die erforderlichen Angaben zur Sachverhalts-aufklärung nicht gemacht. Zu aufklärungsbedürftigen Lücken im Versicherungsverlauf, die sich auf die Rentenhöhe auswirkten, hätten Angaben gefehlt. Erst im September 2007 habe damit ein vollständiger Leistungsantrag vorgelegen.
Gegen diesen ihm am 4. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 4. März 2011 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Begründung, dass der Gesetzgeber zwingend einen vollständigen Leistungsantrag vorsehe, möge für sonstige Sozialleistungen wie Wohngeld, Arbeitslosengeld II u.a. wohl zutreffen. Bei der Altersrente bestehe der entscheidende Unterschied zu den sonstigen Sozialleistungen darin, dass ein Rechtsanspruch auf selbst erworbene Leistungsansprüche bereits vorliege, die bei der Beklagten auf dem Rentenkonto ersichtlich seien. Die Anträge hätten damit allenfalls ergänzenden Charakter. Dies habe die Beklagte in ihrer zeitnahen Rentenauskunft vom 18. März 2005 detailliert bestätigt und den frühesten möglichen Rentenbeginn zum 1. September 2005 benannt. Damit sei dem Grunde nach auch § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I als Leistungsvoraussetzung erfüllt. Auf die Verzinsung bezogen sei damit § 44 Abs. 2 SGB I vollständig anzuwenden, nicht nur der 1. Halbsatz. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 6. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2006 den sowieso bestehenden Leistungsanspruch komplett abgelehnt und sich damit unnötig in Zugzwang gebracht. Sie hätte auch mitteilen können, dass nach Aktenlage vorläufig eine Rente bewilligt werde, denn nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sei dafür die Rechtsgrundlage vorhanden. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten die Rentenzahlung ursächlich erheblich verzögert und sich deshalb die Zinszahlung selbst zuzurechnen. Der Zinsanspruch nach § 44 Abs. 2 SGB I bestehe ab dem 6. April 2006 auf Grund des ergangenen Bescheides vom 6. März 2006.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2012 hat der Kläger ferner die Feststellung beantragt, dass der Bescheid vom 6. März 2006 rechtswidrig gewesen sei, da er die bestehenden Ansprüche des Klägers verletzt habe und damit ein Zinsanspruch vom 6. April 2006 an bestehe, berechnet auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt auf dem Rentenkonto bestehenden Guthabens.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. Juli 2008 und 5. September 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung ab dem 6. April 2006 bis zum Monat vor der Auszahlung in gesetzlicher Höhe zu verzinsen, sowie festzustellen, dass der Bescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 rechtswidrig war.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
16 
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
17 
Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
16 
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
17 
Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. September 2013 sowie des Sozialgerichts Hannover vom 29. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten des Verfahrens sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (Krg) für den 11.12.2008 und den Zeitraum vom 11.1. bis 3.4.2009.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1957 geborene Kläger war nach vorausgegangener Kündigung bis zum 30.11.2008 als Lagerarbeiter bei der M.
 GmbH & Co KG beschäftigt (M-GmbH & Co KG). Der Facharzt für Chirurgie Dipl.-Med. M. stellte ab 13.10.2008 durchgehend, letztmalig am 26.11.2008, für die Zeit bis 10.12.2008 wegen der Diagnose Lumboischialgie Arbeitsunfähigkeit (AU) fest. Auf Veranlassung der Beklagten wechselte der Kläger den behandelnden Arzt und begab sich am 28.11.2008 in die Behandlung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Dr. T., der zunächst keine weitergehende AU-Feststellung vornahm. Am 9.12.2008 suchte der Kläger die Praxis von Dr. Dr. T. zur weiteren AU-Feststellung auf. Dr. Dr. T. nahm ihn an diesem Tag jedoch als Patient nicht mehr an und verwies ihn auf den bereits vereinbarten Untersuchungstermin am 11.12.2008, weil die AU-Feststellung an diesem Tag ausreiche, um den Krg-Anspruch aufrechtzuerhalten. Ab dem 11.12.2008 stellte er AU fortlaufend bis 3.4.2009 fest. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krg vom 1. bis 10.12.2008 und vom 12.12.2008 bis 10.1.2009. Krg für den 11.12.2008 und nach dem 10.1.2009 lehnte sie ab, weil ein Krg-Anspruch erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung, hier am 12.12.2008, entstehen könne, zu diesem Zeitpunkt aber keine Versicherung mehr bestanden habe, die einen Anspruch auf Krg beinhalte; der Krg-Anspruch für die Zeit vom 12.12.2008 bis 10.1.2009 ergebe sich aus § 19 Abs 2 SGB V(Bescheid vom 2.1.2009, Widerspruchsbescheid vom 25.3.2009). Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger am 11.12.2008 und vom 11.1. bis 3.4.2009 Krg zu zahlen (Urteil vom 29.10.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Krg-Anspruch entstehe zwar erst an dem Tag, der dem Tag nach der Feststellung der AU folge, hier am 12.12.2008. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Versicherung mit Anspruch auf Krg mehr bestanden. Es liege aber ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche AU-Feststellung rückwirkend auf einen Zeitpunkt nachgeholt werden könne, an dem noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krg bestanden habe. Das Verhalten von Dr. Dr. T. sei der Beklagten zuzurechnen, die mit den Ärzten zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zusammenwirke. Eine Differenzierung danach, ob die Auskunft des Arztes medizinische oder rechtliche Fragen betreffe, sei nicht vorzunehmen (Urteil vom 10.9.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 46 S 1 Nr 2 und des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V. Um eine Mitgliedschaft als Pflichtversicherter zu erhalten, müsse vor Ablauf des letzten Abschnitts der Krg-Bewilligung die AU erneut ärztlich festgestellt werden. Unterbleibe dies, ende die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft. Die am Tag nach dem bis 10.12.2008 reichenden Bewilligungsabschnitt erfolgte ärztliche AU-Feststellung habe auch nicht ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden können. Unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten lösten keine Krg-Ansprüche gegen die KK aus.

4

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. September 2013 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Dem Kläger steht am 11.12.2008 und für die Zeit vom 11.1. bis 3.4.2009 kein Krg-Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB V aus der Beschäftigtenversicherung zu. Die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10.12.2008 (dazu 1.). Infolge der Gewährung von Krg für die Zeit vom 12.12.2008 bis 10.1.2009 bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger Anspruch auf Krg aus nachgehendem Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V gehabt hat. Im Übrigen kann der Kläger einen Anspruch auf Krg für den 11.12.2008 auch nicht auf § 19 Abs 2 SGB V stützen(dazu 2.)

8

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler, die einer Sachentscheidung der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4, § 56 SGG) entgegenstehen, liegen nicht vor (zur nicht notwendigen Beiladung der Bundesagentur für Arbeit vgl BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 10).

9

1. Der Kläger war ab 11.12.2008 nicht mehr beruhend auf seiner bis 30.11.2008 ausgeübten Beschäftigung mit Anspruch auf Krg versichert (dazu a). Er ist auch nicht so zu stellen, als hätte er noch am letzten Tag des Krg-Bezugs eine ärztliche Feststellung über seine AU herbeigeführt (dazu b).

10

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krg vorliegt (vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2007-33; BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 10; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 9).

11

Nach § 46 S 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krg 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, § 24, § 40 Abs 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Wird Krg wegen ärztlich festgestellter AU begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag der Feststellung der AU folgt (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 11; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 10). Das Gesetz bietet weder einen Anhalt für ein Verständnis des § 46 S 1 Nr 2 SGB V als bloße Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krg-Anspruch gemäß § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht(vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 10). Der Kläger war bis 30.11.2008 aufgrund seiner Beschäftigung bei der M-GmbH & Co KG mit Anspruch auf Krg versichert (§ 5 Abs 1 Nr 1, § 44 SGB V). Die durch die Beschäftigtenversicherung begründete Mitgliedschaft endete nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endete (§ 190 Abs 2 SGB V), sondern bestand über den 30.11.2008 hinaus fort.

12

Die - hier durch die Beschäftigtenversicherung begründete - Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort. Sie bleibt nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ua erhalten, solange Anspruch auf Krg besteht(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - Juris RdNr 7; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 454). § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krg-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krg - hier des Beschäftigungsverhältnisses - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages - einen Krg-Anspruch entstehen zu lassen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5 LS 1; ablehnend Hammann, NZS 2014, 729, der aber den Auslegungsspielraum zu Gunsten der Versicherten vernachlässigt). Das folgt aus Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegensteht (eingehend BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 12). Die Aufrechterhaltung der Beschäftigtenversicherung setzt insoweit nur eine Nahtlosigkeit von Beschäftigung und Entstehung des Rechts auf die Sozialleistung voraus, also die Entstehung des Anspruchs auf die Sozialleistung in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses (BSG, aaO, RdNr 15).

13

Bei fortdauernder AU, aber abschnittsweiser Krg-Bewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24). Für die Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die AU vor Ablauf des Krg-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 17; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24; aA Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 527). Hieran fehlt es. Die den Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10.12.2008, des letzten Tages der befristeten AU-Feststellung von Dipl.-Med. M. Als der Kläger am 11.10.2008 erneut Dr. Dr. T.
aufsuchte, um sich untersuchen und die Fortdauer der AU feststellen zu lassen, war er deshalb nicht mehr nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V mit Anspruch auf Krg versichert.

14

Soweit der Revisionserwiderung, wonach die am 11.12.2008 ausgestellte AU-Bescheinigung auf die (AU-)Feststellung am 9.12.2008 hätte bezogen werden müssen, sinngemäß eine Verfahrensrüge entnommen werden könnte, hat der Kläger iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN; ausführlich zu den Anforderungen s ferner BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - RdNr 21 mwN; zur Anwendung auf eine Verfahrensrüge des Revisionsbeklagten vgl BSG Urteil vom 24.5.1966 - 1 RA 281/64 - Juris RdNr 15 = AP Nr 12 zu § 554 ZPO; BSG SozR 1500 § 164 Nr 24; Zeihe, SGG, Stand Juli 2014, § 164 RdNr 32a). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass Dr. Dr. T. ihn am 9.12.2008 untersucht und gestützt darauf AU festgestellt habe.

15

b) Nach den unangefochtenen bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise - rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs - hätte nachgeholt werden können (vgl zu den in den Verantwortungsbereich der KKn fallenden Hinderungsgründen, insbesondere bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 ff, zur Verhinderung wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO, zur Falschberatung durch die KK vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 37/14 R - RdNr 25 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

16

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Der erkennende Senat hat die vom LSG in diesem Zusammenhang geäußerte Rechtsauffassung, dass auch unzutreffende ärztliche Meinungsäußerungen und Handlungsempfehlungen gegenüber Versicherten zu rechtlichen Voraussetzungen des Krg-Anspruchs der KK des Versicherten zuzurechnen sind, bereits in seinem Urteil vom 10.5.2012 (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5) als unzutreffend verworfen. Insoweit fehlt es bereits an einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung (aaO RdNr 24 f; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 18). Von KKn nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten können zwar ggf Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber Krg-Ansprüche gegen KKn auslösen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20; s ferner BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 25/14 R - RdNr 15). Hieran hält der Senat fest. Der Kläger kann sich danach gegenüber der Beklagten nicht wirksam darauf berufen, dass er sich auf die Äußerung von Dr. Dr. T. verlassen habe, zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krg genüge - wie geschehen - eine AU-Feststellung am 11.12.2008.

17

Auch ist es nicht Sache der KK, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten AU-Zeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. KKn sind nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 19). Die differenzierende gesetzliche Regelung der Krg-Ansprüche mag zwar eine Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten wünschenswert erscheinen lassen. Der Herstellungsanspruch greift aber nicht schon dann ein, wenn eine allgemeine Aufklärung nach § 13 SGB I unterblieben ist(stRspr, vgl zB BSGE 67, 90, 93 f = SozR 3-1200 § 13 Nr 1 S 4 f; BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 15 S 50; BSGE 104, 108 = SozR 4-2600 § 93 Nr 13, RdNr 28 mwN). Für eine Situation, bei der die Beklagte eine Pflicht zur Spontanberatung (vgl dazu BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2, RdNr 19 mwN) gehabt hätte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass am 6.11.2008 ein Beratungsgespräch stattfand, das jedenfalls auch den Wechsel zu einem anderen Vertragsarzt zum Gegenstand hatte. Wie das Verhalten des Klägers zeigt, war ihm die Obliegenheit der rechtzeitigen weiteren AU-Feststellung bewusst, als er sich am 9.12.2008 bei Dr. Dr. T. zum Zwecke der AU-Feststellung vorstellte, obwohl er bereits einen Untersuchungstermin für den 11.12.2008 hatte. Die Beklagte konnte aber weder am 6.11.2008 noch zu einem anderen Zeitpunkt erkennen, dass Dr. Dr. T. den Kläger in Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krg wieder fortschicken würde.

18

Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, entweder bereits am 9.12.2008 oder jedenfalls am 10.12.2008 einen anderen Arzt zur Feststellung der AU aufzusuchen. Soweit Dr. Dr. T. von der Beklagten nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben hat, stehen dem Kläger ggf Schadensersatzansprüche gegen diesen, nicht aber ein Krg-Anspruch gegen die Beklagte zu (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20).

19

2. Dem Kläger steht auch kein nachgehender Leistungsanspruch für den 11.12.2008 nach § 19 Abs 2 SGB V zu. § 19 Abs 2 SGB V entbindet nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt - das LSG hat nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig insoweit keine Feststellungen getroffen -, dass für sich genommen die Voraussetzungen nachgehender Leistungsberechtigung (§ 19 Abs 2 SGB V) beim Kläger erfüllt waren, hat der Kläger schon deswegen keinen Anspruch auf Krg für den 11.12.2008, weil die am 11.12.2008 von Dr. Dr. T. getroffene AU-Feststellung nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V erst am darauffolgenden Tag zu einem (neuen) Krg-Anspruch führen konnte.

20

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin ab 12. Februar 2007 in der Arbeitslosenversicherung antragspflichtversichert ist.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund ihres Antrags in der Arbeitslosenversicherung als Selbstständige versicherungspflichtig ist.

2

Die Klägerin, die ausgebildete Textilbetriebswirtin ist, bezog vom 15.2.2006 bis 11.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten. Sie strebte zunächst eine Vermittlung in eine Beschäftigung als "Geschäftsführerin/Vertriebsleiterin in der Modebranche" an und beabsichtigte, daneben in Selbstständigkeit als "Beraterin für Vermietung und Verpachtung" tätig zu werden. In einem persönlichen Beratungsgespräch bei der Beklagten am 7.2.2007 stellte sie diese beruflichen Pläne vor und ließ sich wegen eines Gründungszuschusses zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beraten. Am 12.2.2007 nahm die Klägerin erneut - einmal telefonisch und einmal persönlich - wegen der hierfür geforderten Unterlagen Kontakt mit der Beklagten auf und überreichte eine Gewerbeanmeldung. Am selben Tag eröffnete sie ein Wäschehaus (Einzelhandel mit Haus- und Heimtextilien) und wurde darin als "Kauffrau" mit einem Umfang von mehr als 15 Wochenstunden (hauptberuflich) selbstständig tätig. Für diese Tätigkeit erhielt die Klägerin von der Beklagten ab 12.2.2007 aufgrund eines bereits zuvor am 8.9.2006 gestellten (ersten) Antrags einen Gründungszuschuss. Die Klägerin war ab 12.2.2007 in der Arbeitslosenversicherung nicht nach § 26 SGB III sonstig versicherungspflichtig oder nach § 27 SGB III in einer Beschäftigung versicherungsfrei.

3

Im Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit händigte die Beklagte der Klägerin ihr "Merkblatt Gründungszuschuss" aus. Das Merkblatt enthielt ua folgenden Hinweis: "Damit Ihnen der Schutz der Arbeitslosenversicherung in der Zeit Ihrer selbstständigen Tätigkeit erhalten bleibt, können Sie sich freiwillig weiterversichern. Nähere Informationen finden Sie im Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung oder erhalten Sie von der örtlichen Agentur für Arbeit."

4

Am 17.4.2007 beantragte die Klägerin im Hinblick auf ihre selbstständige Tätigkeit als "Kauffrau" in einem Wäschehaus die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ab 12.2.2007. Die Beklagte hatte ihr bis dahin weder das "Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung" übergeben noch hatte sie sie sonst über die Weiterversicherung und ihre Voraussetzungen informiert. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin unter Hinweis darauf ab, dass die einen Monat dauernde, mit Aufnahme der Tätigkeit am 12.2.2007 beginnende Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III(in der bis 30.6.2008 geltenden Fassung) bei Antragstellung am 17.4.2007 bereits abgelaufen gewesen sei; weil es sich dabei um eine Ausschlussfrist bzw materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung handele, komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist nach § 27 SGB X nicht in Betracht(Bescheid vom 22.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 19.9.2007).

5

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin "in die freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung aufzunehmen" (Urteil vom 29.5.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht - wie beschrieben - verurteilt. Zwar habe die Klägerin die einmonatige Antragsfrist bei ihrer Antragstellung am 17.4.2007 um mehr als einen Monat überschritten. Der Klägerin sei jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 S 1 SGB X zu gewähren. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Antragsfrist um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handele oder nicht, weil jedenfalls auch bei solchen Fristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme. Sei die Wiedereinsetzung - wie hier - nicht bereits durch Rechtsvorschrift ausgeschlossen, könne sich ein solcher Ausschluss allenfalls aus dem Sinn und Zweck des betreffenden Fristerfordernisses ergeben. Das sei hier jedoch nicht anzunehmen. Die Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III sei der Frist für die Anzeige des Beitritts zur (freiwilligen) Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung(vgl § 9 Abs 2 SGB V) strukturell vergleichbar; für Letztere habe das BSG die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber bereits anerkannt. Auch werde im Schrifttum mehrheitlich eine dahingehende Auffassung vertreten. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Antragsfrist lägen auch vor; insbesondere sei die Klägerin ohne Verschulden an ihrer Einhaltung verhindert gewesen. Sie sei im Zusammenhang mit ihrer Existenzgründung von der Beklagten nämlich nicht in der gebotenen Weise auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung und vor allem die hierfür bestehende Antragsfrist hingewiesen worden (Urteil vom 22.5.2012).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 27 SGB X. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist sei iS von § 27 Abs 5 SGB X unzulässig, weil die Wiedereinsetzung nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III ausgeschlossen sei. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Bedeutung des § 28a SGB III als "Ausnahme- und Risikobeschränkungsregelung". In der amtlichen Begründung zum Beschäftigungschancengesetz werde die Antragsfrist zudem ausdrücklich als Ausschlussfrist bezeichnet. Für eine Beurteilung als Ausschlussfrist spreche auch, dass die Antragsfrist aus Gründen der Rechtsklarheit einen Schwebezustand verhindern solle und bei Ermöglichung einer Wiedereinsetzung hier eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes drohte. Schließlich sei § 28a Abs 2 S 2 SGB III mit der Fristenregelung des § 9 Abs 2 SGB V nicht vergleichbar. Die Klägerin sei ferner nicht "ohne Verschulden" an der Einhaltung der Antragsfrist verhindert gewesen. Die Klägerin habe weder Rechtsrat eingeholt noch von ihr - der Beklagten - weitere Hinweise angefordert. Die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung sei im Übrigen keine Gestaltungsmöglichkeit, von der "verständige" Empfänger von Gründungszuschüssen "mutmaßlich" Gebrauch machten. Die Beklagte rügt außerdem Mängel des Berufungsverfahrens.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2012 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin ab 12. Februar 2007 in der Arbeitslosenversicherung antragspflichtversichert ist.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Verfahrensmängel lägen nicht vor. Sie - die Klägerin - stütze ihren Anspruch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, sondern begehre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Antragsfrist. Mithin habe vom LSG nicht ein Beratungsverschulden der Beklagten, sondern ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist geprüft werden müssen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG deren Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2007 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19.9.2007 ist rechtswidrig. Die Klägerin ist seit 12.2.2007 in der Arbeitslosenversicherung als Selbstständige versicherungspflichtig.

11

1. Unzutreffend hat die Klägerin ihre Anfechtungsklage allerdings mit einer auf "Aufnahme in die freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung" gerichteten Verpflichtungsklage verbunden. Weil auf einen (Weiterversicherungs)Antrag hin - wenn auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen - Versicherungspflicht nach § 28a SGB III kraft Gesetzes eintritt, bedurfte es insoweit lediglich eines Feststellungsantrags(vgl BSG vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - Juris RdNr 9; zuletzt BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 12). Die Klägerin hat das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt.

12

2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass für die Klägerin ab 12.2.2007 ein Antragspflichtversicherungsverhältnis nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Die Voraussetzungen einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterversicherung für Selbstständige nach Abs 1 S 1 Nr 2 des § 28a SGB III(dazu a) lagen vor (dazu b); insbesondere hinderte die (verspätete) Antragstellung am 17.4.2007 den Eintritt der Versicherungspflicht am 12.2.2007 nicht (dazu c).

13

a) Nach Abs 1 S 1 Nr 2 des § 28a SGB III(eingefügt mit Wirkung zum 1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) können Personen auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen oder ausüben. Nach § 28a Abs 1 S 2 SGB III(in der hier maßgebenden, bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung; im Folgenden: aF) setzt die Weiterversicherung voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens zwölf Monate sowie unmittelbar vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts (des SGB III) gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen hat (Nr 1 und 2) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit nicht besteht (Nr 3). § 28a Abs 2 S 1 SGB III(in der bis zum 31.12.2010 anzuwendenden Fassung) trifft eine Regelung zum Beginn der Versicherungspflicht; § 28a Abs 2 S 2 SGB III(in der bis zum 30.6.2008 anzuwendenden Fassung; im Folgenden: aF) legt fest, dass der (Weiterversicherungs)Antrag spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt werden muss.

14

b) Die - kumulativ zu erfüllenden - Voraussetzungen eines Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 und § 28a Abs 1 S 2 SGB III aF lagen - wie zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - vor. Die - wenn auch knappen - Feststellungen des LSG zu den Umständen der von der Klägerin ab 12.2.2007 ausgeübten Tätigkeit, deren (zeitlichem) Umfang, der geforderten Vorversicherung(szeit) und dem aktuellen Versicherungsstatus der Klägerin (am 12.2.2007) tragen seine Annahme, dass diese berechtigt war, durch einen Antrag, also nach Maßgabe ihres freien Willensentschlusses, ein Versicherungspflichtverhältnis als Selbstständige in der Arbeitslosenversicherung zu begründen.

15

c) Eine solche Antragspflichtversicherung ist nicht etwa deshalb - wie die Beklagte meint - nicht zustande gekommen, weil die Klägerin die Versicherungspflicht für ihre am 12.2.2007 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als "Kauffrau" in einem Wäschehaus erst am 17.4.2007 beantragte. Zwar versäumte sie insoweit die mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beginnende, einen Monat dauernde Antragsfrist des § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF. Diese Fristversäumnis wird jedoch unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch "überwunden". Der im angefochtenen Urteil festgestellte Sachverhalt begründet einen Herstellungsanspruch der Klägerin wegen der Verletzung behördlicher Beratungs- und Betreuungspflichten (vgl §§ 14, 15 SGB I) mit der Folge, dass der verspätete Antrag der Klägerin als rechtzeitig gestellt anzusehen ist; dass eine Antragspflichtversicherung allgemein im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs "herbeigeführt" werden kann, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 23; ferner BSG SozR 3-2200 § 1227 Nr 8 S 15; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 15 S 42 ff). Die Klägerin erfüllte damit auch die letzte der Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung.

16

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Versäumung der Antragsfrist nach § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF auch - was die Beteiligten und die Vorinstanzen im Rechtsstreit in den Vordergrund gestellt haben - im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 S 1 SGB X "behoben" werden könnte. Entgegen der von der Klägerin im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung kann sie die (revisionsgerichtliche) Prüfung insoweit nicht (willentlich) beeinflussen und auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie - hiermit zusammenhängend - die Frage nach ihrem (eigenen) Verschulden an der Versäumung der Frist "beschränken"; sie kann damit nicht bewirken, dass die Frage nach einem Beratungsverschulden der Beklagten bei der (revisionsgerichtlichen) Prüfung "ausgespart" bleibt. Weil die Klägerin - in der Hauptsache - die (gerichtliche) Feststellung ihrer Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung begehrt, hat der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28a SGB III, hier der Einhaltung der Antragsfrist, nämlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

17

Einer Beantwortung der mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen (geltend gemacht: unverschuldeter) Versäumung der Antragsfrist zusammenhängenden Fragen bedarf es deshalb nicht, weil das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei Fristversäumnissen eines Antragstellers, die - wie hier (unten 2. c) aa) - auf Behördenfehlern beruhen, neben den Wiedereinsetzungsregelungen des § 27 SGB X zur Anwendung kommt(grundlegend BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 20 ff, 26) und dessen Voraussetzungen hier vorliegen. Nach gefestigter Rechtsprechung stellen die Wiedereinsetzungsvorschriften keine abschließende Entscheidung des Gesetzgebers über die in einer verspäteten Antragstellung liegenden Folgen von Pflichtverletzungen der Verwaltung dar (BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 20 mwN aus der Rspr des BSG und dem Schrifttum); ist die Fristversäumnis auf einen Behördenfehler zurückzuführen, überschneiden sich also die Tatbestände des § 27 SGB X und des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, ohne dass letzterer durch ersteren ausgeschlossen würde. Ist die verspätete Antragstellung durch behördliche Pflichtverletzung verursacht, so kann der Betroffene die Fristversäumnis unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise (sogar) leichter "überwinden", als wenn er sich ausschließlich auf § 27 SGB X mit seinen besonderen - und in gewisser Hinsicht strengeren - Voraussetzungen stützten könnte(vgl BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 26).

18

Hiervon ausgehend kann der Senat die von Beginn an kontrovers diskutierte Frage unentschieden lassen, ob sich - wie die Beklagte meint - aus § 28a SGB III für die für die freiwillige Weiterversicherung geltende Antragsfrist des § 28a Abs 2 S 2 SGB III aF ergibt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist iS von § 27 Abs 5 SGB X unzulässig ist, also ein Fall vorliegt, in dem die gesetzliche Regelung "mit der Frist steht und fällt"(vgl hierzu allgemein BSG SozR 4-7833 § 4 Nr 1 RdNr 13 mwN) oder die Antragsfrist - so das LSG und die Klägerin (unter Hinweis auf die im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung und Hessisches LSG Urteil vom 11.10.2010 - L 9 AL 165/09 - info also 2011, 23 = Juris) - einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "zugänglich" ist, weil sich (im Wege der Auslegung) aus Sinn und Zweck des Fristerfordernisses (und der Gesetzgebungsgeschichte) gerade nicht entnehmen lässt, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sein soll. Ein solcher Ausschluss würde sich jedenfalls auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch grundsätzlich nicht erstrecken; dieser wäre vielmehr (gleichwohl) anwendbar (vgl BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 26, unter Hinweis auf BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 8, BSGE 73, 56 = SozR 3-1200 § 14 Nr 9 und BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2). Offenbleiben kann auch, ob die Klägerin - was die Beklagte annimmt, wozu das LSG aber keine Feststellungen getroffen hat - ein (fahrlässiges) Mitverschulden an der Fristversäumnis trifft, etwa weil - wie die Beklagte andeutet - auch in Fällen, in denen die Ursache der Säumnis im Verantwortungsbereich der Behörde liegt, (gleichwohl) eine Obliegenheit zur Erkundigung bestehen könnte (vgl hierzu allgemein BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 21 mwN aus der Rspr). Dahinstehen kann schließlich, ob die Klägerin die versäumte Handlung (= Weiterversicherungsantrag) nach § 27 Abs 2 S 3 SGB X rechtzeitig innerhalb der Frist des § 27 Abs 2 S 1 SGB X nachholte; auch hierzu fehlen entsprechende Feststellungen des LSG. Das Berufungsurteil braucht aber (diesbezüglich) nicht aufgehoben und die Sache nicht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen zu werden, damit das LSG solche unterbliebenen Feststellungen nachholen kann. Denn die Klägerin ist bereits - ohne dass insoweit weitere Feststellungen getroffen werden müssten - allein unter Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, wie sie stehen würde, als hätte sie die Weiterversicherung als Selbstständige in der Arbeitslosenversicherung rechtzeitig beantragt.

19

Die Voraussetzungen eines - vom LSG der Sache nach auch (nur) geprüften und qua Gesetz nicht ausgeschlossenen (vgl aber - zur Bedeutung der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Beendigungsregeln nach § 28a Abs 2 S 3 Nr 3 SGB III aF für die Anwendbarkeit der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch - BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 22) - sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind erfüllt. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut tritt - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl §§ 14, 15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (stRspr; zu den Tatbestandsvoraussetzungen vgl zuletzt BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 RdNr 22 mwN; ferner BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 12).

20

aa) Die Beklagte unterließ es vorliegend pflichtwidrig, die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Existenzgründung auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung als Selbstständige nach dem Recht der Arbeitsförderung und - in diesem Kontext - das Antragserfordernis, die Fristgebundenheit des Antrags und Beginn sowie Dauer der Antragsfrist (§ 28a Abs 2 S 2 SGB III aF) hinzuweisen.

21

Rechtsgrundlage für die Beratungs- und Betreuungspflicht (in Form einer Hinweispflicht) sind die in §§ 14, 15 SGB I genannten allgemeinen Beratungs- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger. Eine umfassendere Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten (vgl BSG, SGb 2000, 616; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr 9 S 59). Ausnahmsweise besteht jedoch auch dann - ohne ein solches ausdrückliches Begehren - "spontan" eine Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter (mutmaßlich) wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 14, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr des BSG). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit - nach den bekannten tatsächlichen Umständen - "klar zu Tage liegt", allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (vgl BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 50; ferner BSGE 49, 76, 77 f = SozR 2200 § 1418 Nr 6). Ein solcher Fall liegt hier vor.

22

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Sozialrechtsverhältnis, aus dem der Beklagten Pflichten zur Beratung und Betreuung (gerade auch) in versicherungsrechtlicher Hinsicht erwuchsen, bereits - wie das BSG im Zusammenhang mit dem Leistungsrecht entschieden hat (vgl BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 RdNr 15 mwN) - mit der Arbeitslosmeldung und der Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Alg entstand. Spätestens mit dem (ersten) Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 8.9.2006 oblag es der Beklagten jedoch, die Frage der Fortführung des Versicherungsschutzes der Klägerin in der Arbeitslosenversicherung bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Auge zu behalten. Zwar ist der Beklagten in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass das am 7.2.2007 durchgeführte Beratungsgespräch (noch) vorrangig auf die Vermittlung der Klägerin in eine Beschäftigung gerichtet war, auch wenn diese hier bereits angegeben hatte, (begleitend) eine selbstständige Tätigkeit als Beraterin für Vermietung und Verpachtung ausüben zu wollen und sie deshalb von der Beklagten über die (zeitlichen) Voraussetzungen eines Gründungszuschusses unterrichtet worden war. Mag die Beklagte auch angesichts dieser Umstände am 7.2.2007 noch nicht zu Hinweisen an die Klägerin auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung (und deren Voraussetzungen) verpflichtet gewesen sein, so war sie es aber jedenfalls bei den beiden Beratungsgesprächen am 12.2.2007. Selbst wenn die Beklagte - mangels Eingangs der Antragsunterlagen für den Gründungszuschuss - zu diesem Zeitpunkt weder überprüfen konnte, ob die Klägerin hierauf (tatsächlich) Anspruch hatte, noch das Bestehen eines Rechts zur Weiterversicherung nach § 28a SGB III abschließend beurteilen konnte, bestand für sie eine Beratungsnotwendigkeit, weil ihr am 12.2.2007 jedenfalls - neben dem Antrag auf einen Gründungszuschuss - (auch) die Anmeldung des (selbstständigen) Gewerbes der Klägerin mit der Haupttätigkeit "Einzelhandel mit Haus- und Heimtextilien" zum 12.2.2007 vorlag. Dass bei den Beratungsgesprächen am 12.2.2007 noch keine konkrete, auf eine selbstständige Tätigkeit abzielende - den Erfordernissen des § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III genügende - Beratung möglich war, liegt auf der Hand. Erforderlich war indessen bereits zu diesem Zeitpunkt jedenfalls ein genereller Hinweis auch auf die Möglichkeit Selbstständiger zur Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung und deren Voraussetzungen, zumal ein Versicherungspflichtverhältnis sogar von Selbstständigen beantragt werden kann, die keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss haben. Maßgebende Voraussetzung des Rechts Selbstständiger zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ist insoweit (nur), dass eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wird; das jedenfalls war der Beklagten in Bezug auf die Verhältnisse der Klägerin am 12.2.2007 bekannt. Entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgten jedoch nachweislich nicht.

23

Vor diesem Hintergrund muss sich der Senat nicht (auch) mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen der Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung im "Merkblatt Gründungszuschuss" der Beklagten und (dort) auf ein weiteres "Hinweisblatt zur freiwilligen Weiterversicherung" oder (optional) eine Informationsmöglichkeit bei der örtlichen Agentur für Arbeit ihren aus §§ 14, 15 SGB I folgenden Beratungs- und Betreuungspflichten genügen kann. Zwar trifft es zu, dass - wie die Beklagte vorträgt - ihre Merkblätter nach der Rechtsprechung des BSG nicht etwa generell ein untaugliches Mittel zur Aufklärung und Beratung von Versicherten darstellen (vgl zur Eignung von Merkblättern in diesem Zusammenhang allgemein BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 RdNr 29 ff). Jedoch reichen solche "Anfangshinweise" - wie sie die Beklagte selbst bezeichnet - nicht aus, wenn (wie hier) im Rahmen einer konkreten Sachbearbeitung eine gesteigerte Hinweispflicht (vgl hierzu BSGE 98, 108 = SozR 4-4300 § 324 Nr 3, RdNr 21) besteht.

24

Spätestens als sich die Klägerin am 12.2.2007 wegen des Gründungszuschusses an die Beklagte wandte, war die freiwillige Weiterversicherung Selbstständiger in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III für die Mitarbeiter der Beklagten als eine - nach objektiven Merkmalen zu beurteilende - naheliegende (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit der Klägerin ersichtlich, die auch ein verständiger Versicherter (mutmaßlich) wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat sich das LSG bei dieser "Beweiswürdigung" nicht auf einen allgemeinen oder besonderen - gerichtskundigen bzw auf eigener Sachkunde beruhenden - Erfahrungssatz gestützt. Die Beklagte weist hierzu darauf hin, dass sich für Antragspflichtversicherte auch Beitragspflichten, dh Beitragstra-gungs- und -zahlungspflichten (vgl §§ 345b, 349a SGB III) ergeben und dieser Umstand in der "wirtschaftlich erfahrungsgemäß schwierigen Gründungsphase eines selbstständigen Unternehmens" zu zusätzlichen Belastungen führe, die nicht jeder Selbstständige tragen wolle. Sie bezweifelt daher, dass die freiwillige Weiterversicherung eine Gestaltungsmöglichkeit darstellt, von der "ein vernünftiger Versicherter (Selbstständiger)" in der Lage der Klägerin mutmaßlich Gebrauch gemacht haben würde; jedenfalls habe das LSG die (wahrnehmungsbezogenen) Tatsachen (Erfahrungstatsachen) und Quellen nicht offengelegt, auf die es einen solchen Erfahrungssatz gründe. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden.

25

Einen solchen - von der Beklagten hervorgehobenen - (allgemeingültigen) Erfahrungssatz, zu dessen Aufstellung die Gerichte allein aufgrund allgemeiner oder eigener Wahrnehmungen, dh ohne weitere empirische (statistische, demoskopische) Grundlage, möglicherweise nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen legitimiert sein könnten, dessen Bestehen dann allerdings - wegen seiner Nähe zur Tatsachenfeststellung - auch (wohl) nur eingeschränkt - nämlich bei zulässigen Verfahrensrügen - revisionsgerichtlicher Kontrolle unterläge (vgl BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1 RdNr 12), hat das LSG seiner Beurteilung nicht zugrunde gelegt. Erfahrungssätze - als Hilfsmittel bei der Tatsachenfeststellung (oder bei der Auslegung) - liegen vor, wenn zB ein Gericht aus gleichgelagerten "Wahrnehmungsfällen" mit denselben Folgeerscheinungen den Schluss zieht, dass sich unter gewissen (Rahmen)Bedingungen diese Folgeerscheinungen wiederholen bzw stets eintreten; ein - aufgestellter - (Erfahrungs)Satz beansprucht also nicht nur für die bisherigen "Wahrnehmungsfälle" Geltung, sondern lässt auch den allgemeinen Schluss auf Folgeerscheinungen künftiger "Wahrnehmungsfälle" zu. Hiervon zu unterscheiden sind indessen Bewertungen, die sich auf einen konkreten, einzelnen Fall beziehen, also (singuläre) Sätze über eine Wahrnehmung von tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall darstellen. Legt man hier diese Unterscheidung zugrunde, so muss angenommen werden, dass das LSG seiner prognostischen Beurteilung der Interessenlage der Klägerin (gerade) keine abstrakt generalisierte, Allgemeingültigkeit beanspruchende Betrachtung zugrunde gelegt hat; es hat vielmehr auf die ihm bekannten tatsächlichen Umstände des (Einzel)Falls der Klägerin abgestellt und diese im Hinblick auf deren Belange objektiv bewertet. Dass in der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung allgemein an die Sicht bzw den Standpunkt "eines verständigen Versicherten" angeknüpft wird, ändert hieran nichts; insoweit ist nämlich nur gemeint, dass einzelne Versicherte auf "für sie" naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten "in typischen Fallkonstellationen" hingewiesen werden sollen (vgl mit dieser Akzentuierung etwa BSG SozR 3-2600 § 115 Nr 9 S 59).

26

Die Annahme einer gegenüber der Klägerin bestehenden Pflicht der Beklagten zum Hinweis auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung und die Voraussetzungen dieser Weiterversicherung führt nicht - wie die Beklagte meint - zu einer Überspannung ihrer Beratungs- und Betreuungspflichten. Sie war vielmehr sachlich und funktional zuständiger Leistungsträger iS von § 12 SGB I und bei der Sachbearbeitung ganz konkret mit den Belangen der Klägerin als Selbstständiger befasst. Im Rahmen des vorliegend streitigen Sachkomplexes ging es auch nicht etwa darum, sämtliche bei ihr gemeldeten und potentiell durch § 28a SGB III angesprochenen Arbeitslosen zu ermitteln und individuell über die Möglichkeit einer Antragspflichtversicherung für Selbstständige zu informieren. Allein schon die konkrete Kontaktaufnahme des Versicherten mit der Beklagten begründete hier eine gesteigerte Hinweispflicht (vgl allgemein BSG SozR 4-4300 § 324 Nr 3 RdNr 21).

27

Gegen eine solche gesteigerte Hinweispflicht kann die Beklagte schließlich nicht einwenden, dass der Inhalt eines Gesetzes mit seiner Verkündung dem Normadressaten - und damit auch der Klägerin - gegenüber grundsätzlich als bekannt zu gelten hat, und zwar unabhängig davon, wann das Gesetz ihm tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist (sog formelle Publizität). Der Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen wird bei einer konkreten Kontaktaufnahme mit dem Sozialleistungsträger durch die Beratungs- und Betreuungspflichten nach §§ 14, 15 SGB I "überlagert"; der Sozialleistungsträger kann sich bei einem Behördenfehler hierauf nicht berufen (vgl schon BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 7).

28

bb) Der Ausgleich des durch die Pflichtverletzung der Beklagten eingetretenen sozialrechtlichen Nachteils oder Schadens der Klägerin (= Ausschluss von der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung wegen Versäumung der Antragsfrist) stellt auch eine zulässige Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs dar, weil er von der Beklagten durch Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung beseitigt werden kann. Die Beklagte kann die Klägerin durch "Anerkennung" eines seit dem 12.2.2007 bestehenden Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag als Selbstständige so stellen, wie sie bei rechtzeitiger Antragstellung aufgrund entsprechender Beratung und Betreuung gestanden hätte. Sie kann hierzu insbesondere einen das Bestehen der freiwilligen Weiterversicherung bestätigenden deklaratorischen Verwaltungsakt erlassen.

29

3. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung liegen bei alledem entscheidungserhebliche Mängel des Berufungsverfahrens nicht vor.

30

Sie macht - erstens - geltend, das Berufungsurteil gebe unter Verstoß gegen § 128 Abs 1 S 2 SGG die Gründe nicht an, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen seien. Insoweit rügt die Beklagte zum einen, das LSG habe in dem angefochtenen Urteil seine Auffassung nicht begründet, dass die Klägerin nicht habe "von sich aus rechtzeitig … um ergänzende Informationen … nachsuchen" müssen; zum anderen wendet sie ein, das Berufungsurteil lasse Hinweise des LSG dazu vermissen, auf welche (Erfahrungs)Tatsachen und Quellen es den Erfahrungssatz stütze, dass die Antragspflichtversicherung "unbedingt eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit darstellt, von der jeder wirtschaftlich vernünftig Denkende mutmaßlich Gebrauch machen würde". Auf solchermaßen angenommenen Verfahrensmängeln könnte das Berufungsurteil indessen (schon) nicht beruhen. Das LSG hat der Sache nach nämlich nur über das Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs befunden; auf ein Mitverschulden der Klägerin (etwa durch Nichteinholen von Rechtsrat) kam es deshalb für dessen Entscheidung nicht an. Auch hat das Berufungsgericht seine "Beweiswürdigung" - wie bereits erörtert - nicht auf einen allgemeinen oder besonderen Erfahrungssatz gestützt, sondern eine einzelfallbezogene Bewertung vorgenommen. Die Beklagte macht - zweitens - geltend, das LSG habe unter Verletzung von § 103 S 1 SGG keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin "von sich aus bei der Beklagten oder einer sonst rechtkundigen Person um Beratung … nachgesucht" habe. Nach dem oben Gesagten bezieht sich auch diese Verfahrensrüge auf für den Rechtsstreit nicht entscheidungserhebliche Tatsachen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 wird zurückgewiesen.

Für den Rechtsstreit sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus der Seemannskasse, die seit dem 1.1.2009 anstelle der See-Berufsgenossenschaft (See-BG) von der Beklagten geführt wird.

2

Der am 1942 geborene Kläger ist zur See gefahren. Zum 31.12.2007 schied er aus der seemännischen Beschäftigung aus und bezieht seit dem 1.1.2008 eine Altersrente. Ende 2007 plante die Seemannskasse die Einführung einer Leistung, die sie als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" bezeichnen wollte. Die Leistung sollte an den Eintritt der Regelaltersgrenze anknüpfen und neben der Altersvollrente erbracht werden. Am 6.11.2007 beschloss die Vertreterversammlung der See-BG eine entsprechende Änderung der Satzung mit Wirkung zum 1.1.2008. Die betroffenen Versicherten wurden ab Ende März 2008 mit der ihnen übersandten Zeitschrift See und Sicherheit Nr. 1/2008 über eine geplante "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" informiert. Im Juni 2008 wurden auch die Versicherten der Geburtsjahrgänge 1937 bis 1942 persönlich angeschrieben. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte die Genehmigung zur Änderung der Seemannskasse im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung der neuen Leistung zunächst versagt. Die Genehmigung der "von der Vertreterversammlung der See-Berufsgenossenschaft am 6. November 2007 beschlossenen Neufassung der Satzung der Seemannskasse" erfolgte gemäß § 34 Abs 1 S 2 SGB IV iVm § 143 Abs 1 SGB VII unter dem 6.11.2008, nachdem ua § 143 SGB VII geändert worden war. Mit Schreiben vom selben Tag hatte das BVA die Beklagte außerdem darauf hingewiesen, dass "die textliche Angleichung der Satzung an den Wortlaut des durch Artikel 1 Nr. 18 geänderten § 143 SGB VII in den §§ 9, 17, 20 Abs. 1 Satz 3 und § 21 Abs. 6 als redaktionelle Änderungen im Rahmen der Drucklegung erfolgen" könne. Unter anderem in § 9 Nr 5 und § 17 der in der Zeitschrift HANSA vom Dezember 2008 veröffentlichten Neufassung der Satzung wurde die neue Leistung aus der Seemannskasse daraufhin als "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" bezeichnet. Die veröffentlichte Neufassung enthält - ohne Hinweis auf die dort vorgenommenen Textänderungen - am Schluss eine wörtliche Wiedergabe der Genehmigung des BVA vom 6.11.2008.

3

Die Beklagte lehnte den am 10.9.2009 gestellten Antrag auf Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze ab. Der Kläger habe bereits vor dem 1.1.2008 die Regelaltersgrenze erreicht und sei auch vor diesem Tag aus der Seefahrt ausgeschieden (Bescheid vom 6.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 21.1.2010).

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Das SG Stade hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.11.2011). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat auf die Berufung des Klägers die Bescheide der Beklagten und den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe ihre Entscheidung auf Satzungsbestimmungen gestützt, die mit höherrangigem Recht unvereinbar seien. Der Beklagten obliege es, die entsprechenden Bestimmungen ihrer Satzung neu zu fassen und sodann das Begehren des Klägers neu zu prüfen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer völligen Verkennung der "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" und einer Missachtung des im Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130) und in den Vorschriften des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII aF und § 137b Abs 1 S 2 SGB VI zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens. Bei dieser Leistung handele es sich um eine neue, vom Überbrückungsgeld unabhängige Leistung, die arbeitsmarktpolitischen und versichertenbezogenen Zwecken diene und von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Selbst wenn § 17 S 3 der Satzung der Seemannskasse (zukünftig: Satzung) eine Stichtagsregelung sei, stelle die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine neue Leistung dar, weshalb es sachgerecht sei, den Tag für den frühesten Erhalt der Leistung auf den Tag des Inkrafttretens der Neuregelung der Satzung zu legen. Die zeitliche Abgrenzung berücksichtige ferner die zukunftsgerichtete Zwecksetzung und den Umstand, dass die zu erbringenden Leistungen von den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln gedeckt sein müssten.

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Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 zurückzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das LSG hat gegen Bundesrecht verstoßen, indem es den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet hat, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

10

Die Revision ist zulässig. Beteiligtenfähig (§ 70 SGG) ist die Beklagte, nicht aber die Seemannskasse. Die Seemannskasse wird mit Wirkung vom 1.1.2009 unter ihrem Namen durch die Beklagte als Träger der allgemeinen Rentenversicherung nach den §§ 137b bis 137e SGB VI weitergeführt(§ 137a SGB VI). Ihr Vermögen ist zum 1.1.2009 mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen (§ 137c Abs 1 SGB VI). Zu diesem Zeitpunkt ist die Beklagte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl BT-Drucks 16/9154 S 43) in die Rechte und Pflichten der See-BG bzw - soweit die Seemannskasse teilrechtsfähig war (vgl dazu Waibel, WzS 2003, 238, 243) - der Seemannskasse eingetreten. Damit ist die Seemannskasse selbst jedenfalls seit dem 1.1.2009 weder Trägerin von Rechten und Pflichten noch über § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig.

11

Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Selbst wenn das LSG (zu Recht) von der Nichtigkeit der im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers inzident überprüften Satzung der Beklagten überzeugt gewesen wäre, hätte es die Beklagte nicht verurteilen dürfen. Auch dann hätte es grundsätzlich und in aller Regel dem Ermessen der Beklagten als Normgeber überlassen bleiben müssen, wie die sich ergebende Lücke zu schließen ist. Andernfalls griffe das LSG in die dem Normgeber (Satzungsgeber) vorbehaltene Gestaltungsfreiheit ein, die ihm trotz zustehender Kontroll- und Verwerfungskompetenz über untergesetzliche Normen nicht zusteht (vgl BVerfGE 115, 81, 93 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 45 sowie BVerwGE 102, 113, 117 f). Eine Rechtsschutzmöglichkeit, um den Erlass untergesetzlicher Normen durchzusetzen, gibt es daher grundsätzlich nicht. Dem Berufungsgericht war es folglich verwehrt, das Begehren des Klägers abweichend von seinem Antrag im Sinne einer von ihm angenommenen kombinierten Anfechtungs- und Verbescheidungsklage zu verstehen. Eine zusätzliche Feststellungsklage, um effektiven Rechtsschutz iS von Art 19 Abs 4 GG zu erlangen, hat der Kläger vor den Instanzgerichten nicht erhoben, obwohl ein derartiges Rechtsschutzbegehren grundsätzlich möglich gewesen wäre. Denn auch die Rechtsetzung der Exekutive in der Form von Rechtsverordnungen und Satzungen ist Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einzubeziehen (vgl BVerfG, aaO, S 92 bzw RdNr 40). Die Erhebung einer Feststellungsklage vor dem BSG im Rahmen des Revisionsverfahrens ist nicht (mehr) möglich (vgl § 168 S 1 SGG sowie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 99 RdNr 12 und § 168 RdNr 2b).

12

Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger auf der Grundlage des geltenden Bundesrechts keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Weder unmittelbar das geltende Gesetzesrecht noch eine der in Betracht kommenden Textfassungen der Satzung der Beklagten für Zeiten ab dem 1.1.2008 vermittelt denkbar ein entsprechendes Recht.

13

Nach der in der Zeitschrift HANSA im Dezember 2008 veröffentlichten Fassung erhält ein Versicherter auf Antrag eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze", wenn er auf Dauer als Seemann nicht mehr tätig ist und die Wartezeit sowie die Halbbelegung erfüllt (vgl § 9 Nr 7, § 10 Abs 1 bis Abs 3 der Satzung). Ein Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Versicherte die Regelaltersgrenze noch vor dem 1.1.2008 erreicht hat und aus der Seefahrt ausgeschieden ist (vgl § 17 S 3 iVm S 1 der Satzung). Vorliegend hat der am 1942 geborene Kläger nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG die Regelaltersgrenze am 2007 erreicht und ist vor dem 1.1.2008, hier zum 31.12.2007, aus der Seefahrt ausgeschieden. Ein Anspruch scheidet damit nach § 17 S 3 der Satzung aus.

14

Die Beklagte konnte sich für den Erlass einer so gefassten Satzung und des hierauf gestützten (ablehnenden) Verwaltungsakts auf die Ermächtigung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) bzw auf § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) stützen. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelungen beruht auf Art 74 Nr 12 GG.

15

Nicht einschlägig ist demgegenüber § 143 Abs 1 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407). Nach dieser Vorschrift konnte die See-BG unter ihrer Haftung mit Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt an Seeleute sowie Küstenschiffer und Küstenfischer, die nach § 2 Abs 1 Nr 7 SGB VII versichert sind, eine Seemannskasse mit eigenem Haushalt einrichten(Satz 1). Die Mittel für die Seemannskasse waren im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert waren oder die bei ihr Versicherte beschäftigten (Satz 2). Das Nähere, insbesondere über die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen sowie die Festsetzung und die Zahlung der Beiträge, bestimmte die Satzung; die Satzung konnte auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen (Satz 3). Die Satzung bedurfte der Genehmigung des BVA (Satz 4).

16

Durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) wurden in § 143 Abs 1 S 3 SGB VII die Worte "die Satzung kann auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen" durch die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" ersetzt. Die Möglichkeit, in der Satzung die Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorzusehen, wurde in dem neu eingefügten § 143 Abs 1 S 4 SGB VII geregelt. Die Änderungen des § 143 SGB VII traten gemäß Art 13 Abs 3 UVMG rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft. Gemäß Art 2 Nr 2 iVm Art 13 Abs 3 UVMG wurde § 143 SGB VII zum 1.1.2009 aufgehoben. Gleichzeitig traten die Regelungen der §§ 137a ff SGB VI in Kraft(Art 5 iVm Art 13 Abs 4 UVMG). Nach § 137b Abs 1 S 1 SGB VI ist Aufgabe der Seemannskasse die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres an die bei ihr versicherten Seeleute sowie an Küstenschiffer und Küstenfischer, die aus der Seefahrt ausgeschieden sind. Nach S 2 dieser Regelung kann die Satzung ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen.

17

Mit der Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einer ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze als zugelassene Aufgabe (§ 30 Abs 1 SGB IV) hat der Gesetzgeber einen Anreiz für ältere Berufsseeleute bezweckt, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine, wenn auch geringere Leistung in Anspruch nehmen zu können. Ein weiteres Ziel war die Deckung des Bedarfs an qualifiziertem Personal, der aufgrund der im Rahmen des "maritimen Bündnisses" zugesagten Rückflaggungen entstanden war (BT-Drucks 16/9154 S 29). Dieses weitere Ziel macht die Leistung aber - anders als das LSG meint - nicht etwa zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die vom Bund finanziert werden müsste (vgl BSGE 81, 276, 285 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1). Der verfassungsrechtliche weite Gattungsbegriff der "Sozialversicherung" schließt eine zur Grundversorgung hinzutretende Zusatzversorgung ein (BVerfGE 63, 1, 36). Die Beschränkung auf eine Notlage gehört hingegen nicht zu ihren konstituierenden Merkmalen. Außer dem Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten ist (nur) die Art und Weise kennzeichnend, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt wird. Die hierzu berufenen Träger der Sozialversicherung sind selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen (BVerfGE 11, 105, 113).

18

Diese wesentlichen Strukturmerkmale der klassischen Sozialversicherung sind vorliegend erfüllt. Die Leistungen werden aus den Mitteln der Seemannskasse erbracht, die grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen sind, wobei die gesetzlichen Regelungen auch eine Beteiligung der Seeleute ermöglichen. Träger der Leistungen sind eigenständige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Die auszugleichende besondere Last liegt in der Bereitschaft, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung in der Seefahrt tätig zu sein, obwohl nach dem 71. Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) - das die Bundesrepublik zwar nicht ratifiziert hat, dessen Grundanliegen der Gewährung einer vorgezogenen Altersrente für Seeleute aber schon bei der Entstehung des § 891a RVO Berücksichtigung fand(vgl die Ausführungen des Abgeordneten Orgaß in der 197. Sitzung der 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 11650 A) - das System der Rentenversicherung für Seeleute so zu gestalten ist, dass Altersrenten bereits bei Erreichung des 55. oder 60. Lebensjahres zu gewähren sind.

19

Existenz erlangt eine Satzung erst mit ihrer öffentlichen Bekanntmachung. Gemäß § 34 Abs 2 SGB IV ist die Satzung, die sich ein Versicherungsträger gibt, öffentlich bekannt zu machen. Sie tritt, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und erlangt damit rechtliche Geltung. Nach der Grundregel des § 34 Abs 2 S 2 SGB IV iVm § 33 der Satzung wäre die Änderung der Satzung erst am Tag nach der Bekanntmachung in der Dezemberausgabe 2008 der "HANSA", Zeitschrift für Schifffahrt, Schiffbau, Hafen in Hamburg in Kraft getreten. Abweichend hiervon bestimmt § 34 der Satzung im Einklang mit der entsprechenden Ermächtigung in § 34 Abs 2 S 2 SGB IV das Inkrafttreten der Satzungsänderung spezialgesetzlich mit Wirkung vom 1.1.2008. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung lag damit vor dem der Bekanntmachung in der Vergangenheit. Das ist grundsätzlich zulässig (Finkenbusch, WzS 1992, 1, 10; aA Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 35), zumal Satzungsänderungen nicht vor Erteilung der Genehmigung durch das BVA bekannt gemacht werden dürfen (Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 83), sodass die wirksame Wahrnehmung der Selbstverwaltungskompetenz bei einer Abhängigkeit des Zeitpunkts des Inkrafttretens von dem Datum der Genehmigung behindert werden könnte.

20

Die Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung bedurfte einer gesetzlichen Ermächtigung, die bis zur Neufassung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) zum 1.1.2008 nicht vorlag.

21

Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden (BVerfGE 10, 20, 49 f). Der Gesetzgeber begibt sich mit der Verleihung dieser Autonomie innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs seiner Regelungsbefugnis und ermächtigt einen bestimmten Kreis von Bürgern, durch demokratisch gebildete Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Er darf sich aber seiner Rechtssetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen völlig preisgeben (BVerfGE 33, 125, 158). Der Gesetzesvorbehalt aus Art 20 Abs 3 GG verlangt, dass staatliches Handeln durch förmliches Gesetz legitimiert ist. Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das GG ist, liegt es nahe anzunehmen, dass die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muss, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des "Eingriffs" (BVerfGE 40, 237, 249).

22

Unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber mit dem allgemeinen einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 37).

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Nicht maßgeblich ist insofern, ob die Satzungsregelung den Bürger belastet und ihm Pflichten auferlegt oder ob er aus ihr Rechte herleiten kann. Der Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I gilt bereits seinem ausdrücklichen Wortlaut nach("Rechte") auch für begünstigende Handlungen und macht somit selbst bei der Leistungsgewährung eine gesetzliche Grundlage erforderlich (Weselski in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 31 RdNr 9). Infolgedessen kann der Gesetzgeber die Satzungsautonomie insoweit einschränken, als Satzungsregelungen über zu gewährende Leistungen nur zulässig sind, soweit das Gesetz solche Leistungen zulässt (BSG SozR 4-7862 § 9 Nr 3 RdNr 18). Ergänzend bestimmt § 30 Abs 1 SGB IV, dass Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden dürfen.

24

Zur Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze war die See-BG erst seit dem 1.1.2008 durch § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) ermächtigt. Die Einführung einer Ermächtigungsnorm für die Gewährung ergänzender Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze - die grundsätzlich dazu führt, dass eine Vollrente bezogen werden kann - war nicht bereits durch die Ermächtigung zur Gewährung eines Überbrückungsgelds gedeckt. Weil die ergänzende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine andere Zielrichtung als das Überbrückungsgeld verfolgt, handelt es sich bei der Ermächtigung zu ihrer Regelung auch nicht um eine gesetzgeberische "Klarstellung", sondern nach Wortlaut und Inhalt um die erstmalige Einführung einer besonderen Ermächtigungsgrundlage.

25

Zweck der Gewährung eines Überbrückungsgelds ist es, ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Seefahrt zu ermöglichen oder zu erleichtern. Mit dem Überbrückungsgeld wird den besonderen Belastungen der Seeschifffahrt Rechnung getragen und dem Seemann vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine Versorgung gewährleistet, die die Lücke in der Zeit zwischen der Aufgabe der Seeschifffahrt und dem Beginn der allgemeinen Altersversorgung schließt (vgl Göttsch in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd 3, 4. Aufl, Stand April 2009, § 143 aF SGB VII RdNr 2). Nähert sich der Seemann beim Ausscheiden aus der Seefahrt dem Rentenalter, wird durch das Überbrückungsgeld de facto das Rentenalter für Seeleute vorgezogen (Orgelmann, Die Seemannskasse in § 891a RVO - Geschichte, Struktur und Funktion - Diss Bremen 1980, S 147). Ist die Regelaltersgrenze erreicht, kommt dem Zweck des Überbrückungsgelds keine Bedeutung mehr zu. Daher ist der Anspruch auf Überbrückungsgeld ausdrücklich an die negative Tatbestandsvoraussetzung geknüpft, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Vollrente wegen Alters nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegen (§ 10 Abs 1 S 2 der Satzung). Von einer derartigen Beschränkung gingen auch frühere Fassungen der Satzung aus (vgl BSG vom 14.11.1984 - 1 RS 4/83 - SozR 2200 § 891a Nr 4 S 6; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 11.5.2001 - L 3 RJ 78/00 - Juris RdNr 39; LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.12.2004 - L 1 RA 40/04 - Juris RdNr 29) aus.

26

Demgegenüber verfolgt die vorliegend in Frage stehende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze einen anderen - demjenigen des Überbrückungsgelds entgegengesetzten - Zweck. Durch die Ergänzung des § 143 S 3 SGB VII(idF ab 1.1.2008) um die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" sollte die Aufgabenstellung der Seemannskasse erweitert werden. Alleinige Aufgabe der Seemannskasse war es bis zum 31.12.2007, eine zusätzliche soziale Sicherung für Berufsseeleute zu schaffen, die ihnen in der Zeit ab der Vollendung des 55. Lebensjahres durch Zahlung eines Überbrückungsgelds das Ausscheiden aus der Seefahrt und ggf die Aufnahme einer Beschäftigung an Land erleichterte. Durch die Erweiterung der Vorschrift sollte den veränderten Beschäftigungsbedingungen in der deutschen Seeschifffahrt Rechnung getragen werden. Dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, einen Anreiz für ältere Berufsseeleute zu setzen, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine Leistung in Anspruch nehmen zu können (vgl BT-Drucks 16/9154 S 29). Der Versicherte, dem trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen in der Seefahrt eine Tätigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze möglich ist, soll hiervon nicht durch den "Fehlanreiz" eines Überbrückungsgelds bei vorzeitigem Ausscheiden abgehalten werden. Im Ergebnis geht es darum, die Versicherten zu einer Tätigkeit in der Seefahrt bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze anzuhalten, indem den durch das Überbrückungsgeld geschaffenen finanziellen Anreizen durch Setzung eines finanziellen Gegenanreizes entgegengewirkt wird. Insofern wird den Versicherten entgegen der Ansicht des LSG kein finanzieller Nachteil bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Seefahrt, sondern im Vergleich mit der Rechtslage vor dem 1.1.2008 ein finanzieller Vorteil bei Verbleib in der Seefahrt in Aussicht gestellt.

27

Ebenfalls entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begrenzt die so verstandene Ermächtigung zur Einführung "ergänzender Leistungen" die Satzungsbefugnis logisch und rechtlich nicht auf weitere Leistungen, die ihrer grundsätzlichen Zielrichtung nach das mit dem Überbrückungsgeld als "Hauptleistung" verfolgte Ziel erreichen können.

28

Die Satzung kann "ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze" vorsehen. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass das Überbrückungsgeld nach der gesetzlichen Ermächtigung an Versicherte ab der Vollendung des 55. Lebensjahres gezahlt werden kann, dagegen die ab dem 1.1.2008 neu eingeführte Leistung aber das Erreichen der Regelaltersgrenze voraussetzt und sich daher an unterschiedliche Zielgruppen richtet. Ist die Zielgruppe nicht identisch, kann die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze nur die Gesamtkonzeption der Leistungen der Seemannskasse als Vorruhestands- und Zusatzversorgungskasse (vgl BT-Drucks 16/9154 S 42) ergänzen, nicht aber die - kontradiktorische - Leistung des Überbrückungsgelds. Dessen Anwendungsbereich entfällt vielmehr notwendig, sobald die Regelaltersrente beansprucht werden kann, deren Fehlen es kompensieren sollte, während es sich umgekehrt bei einer neben der Regelaltersrente zu erbringenden Leistung nur um ein aliud gegenüber dem Überbrückungsgeld handeln kann.

29

Abermals entgegen der Ansicht des LSG ist eine "enge" Auslegung des Begriffs der ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VI(idF ab 1.1.2008) bzw § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(idF ab 1.1.2009) auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus einer vermeintlich erhöhten Beitragsbelastung der Mitglieder. Der Normgeber hat diesem Aspekt bereits dadurch ausreichend Beachtung geschenkt, dass er durch die Wahl einer Stichtagsregelung einen Eingriff in bereits abgeschlossene Rentenbiographien vermieden und durch die Beschränkung der begünstigenden Neuregelung auf Rentenneuzugänge eine erst allmählich zunehmende Belastung der Finanzierungsgemeinschaft sichergestellt hat (vgl zur Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise in der Sozialversicherung BVerfG vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90 und 1 BvR 761/91 - BVerfGE 87, 1, 43 ff = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Der Kläger ist zu keinem Zeitpunkt mit der Finanzierung der neuen Leistung belastet worden, kann sich aber auch umgekehrt nicht denkbar darauf berufen, er habe durch von ihm getragene Beiträge bereits entsprechende Anwartschaften erworben. Zudem wird schließlich gemäß § 19 Abs 5 S 1 der Satzung die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze um alle nach § 9 Nr 1 bis 6 der Satzung zuvor gewährten Überbrückungsgelder vermindert und auch auf diese Weise eine Begrenzung der durch die neue Leistung verursachten Kosten erreicht.

30

Dass der Regelung über die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine echte Rückwirkung zukommt, macht die Satzung nicht unwirksam. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl BVerfGE 11, 139, 145 f; 101, 239, 263) oder wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, dh gültig geworden ist (vgl BVerfGE 63, 343, 353; zu alledem BVerfGE 126, 369, 391 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 71). Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines (materiellen) Gesetzes mit rückwirkender Kraft ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt (vgl BSG vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 70 f). Eine solche Belastung fehlt, wenn die streitige Satzungsnorm erstmalig Ansprüche der Versicherten der Seemannskasse regelt, für die es zuvor keine Anspruchsgrundlage gegeben hat (vgl BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 24). Dies ist hier der Fall. Gemäß § 143 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) konnte die See-BG unter ihrer Haftung die Seemannskasse lediglich für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt einrichten. Nur für diese beiden Leistungen als zugelassene Aufgaben iS des § 30 Abs 1 SGB IV durfte die Seemannskasse ihre Mittel verwenden. Dem folgten die Regelungen der Satzung. Erst im Zuge der Schaffung der gesetzlichen Ermächtigung in § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII zum 1.1.2008 wurde ein Anspruch auf Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung - begünstigend - geregelt.

31

Die Einführung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze scheitert auch nicht an der Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sozialversicherungsbeiträge zeichnen sich durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung aus. Eine unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft vermag die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die Kompetenzvorschrift des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG lässt nur solche Finanzierungsregelungen zu, die einen sachlich-gegenständlichen Bezug zur Sozialversicherung aufweisen. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner Glieder stehen sie nicht zur Verfügung (vgl BVerfGE 75, 108, 148 = SozR 5425 § 1 Nr 1; BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55).

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Diese Vorgaben sind bereits in den Regelungen der §§ 143 Abs 1 S 1 SGB VII(idF ab 1.1.2008) und 137c Abs 2 S 1 und 2 SGB VI (idF ab 1.1.2009) berücksichtigt, nach denen für die Seemannskasse (bis zum 31.12.2008) ein eigener Haushalt einzurichten war bzw (seit dem 1.1.2009) das Vermögen der Seemannskasse als Sondervermögen getrennt von dem sonstigen Vermögen der Beklagten zu verwalten ist, der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben dem Vermögen zuzuführen und ein etwaiger Fehlbetrag aus diesem zu decken ist.

33

Der Einwand des LSG, finanzielle Anreize für einen möglichst langen aktiven Dienst der Seeleute müssten allein aus allgemeinen Steuermitteln oder von den betroffenen Unternehmen geleistet werden, verfängt nicht. Denn die Mittel für die Seemannskasse sind grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert sind oder die bei ihr Versicherte beschäftigen (§ 143 Abs 1 S 2 SGB VII bzw § 137c Abs 3 S 1 SGB VI). Darüber hinaus stellen die Regelungen des § 24 Abs 1 und 2 der Satzung sicher, dass die Unternehmer mindestens die Hälfte der Umlage aufbringen müssen.

34

Die Anknüpfung des Anspruchs an einen Stichtag (1.1.2008) verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Satzungen der Berufsgenossenschaften sind autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist. Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17 f mwN).

35

Die Wahl des Stichtages 1.1.2008 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Die Festlegung eines Stichtags für die Schaffung von Ansprüchen ist trotz der damit verbundenen Härten grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber seinen Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt und nicht als willkürlich erscheint (vgl BVerfGE 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73).

36

Vorliegend orientiert sich der gewählte Stichtag an der Einführung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Eine solche Lösung erscheint sachgerecht. Zum einen werden mit ihr einzelfallbezogene Ermittlungen einer Anspruchsdauer über die Fragen nach bereits bezogenen Überbrückungsgelds hinaus vermieden. Zudem war zu berücksichtigen, dass eine Lenkung des Ausscheideverhaltens Versicherter im Wege der Normsetzung durch die Selbstverwaltungsorgane insofern beschränkt war, als eine Abschaffung des Überbrückungsgelds zum 1.1.2008 an höheren Anforderungen zu messen ist als die Einführung einer neuen Leistung. Seit dem 1.1.2009 ist der Beklagten die Abschaffung des Überbrückungsgelds gänzlich verwehrt, da die Gewährung eines Überbrückungsgelds gemäß § 137b Abs 1 S 1 SGB VI gesetzliche Pflichtaufgabe ist. Schließlich führt der neben der Gewährung eines Ausgleichs für die Nichtinanspruchnahme des Überbrückungsgelds verfolgte weitere Zweck der Personalbedarfsdeckung dazu, dass die in der Satzung erfolgte Stichtagsregelung sachgerecht ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass nur der zum Zeitpunkt der gesetzlichen Ermächtigung vorhandene Versichertenbestand durch die neu eingeführte Leistung veranlasst werden sollte, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden. Eine am aktuellen Versichertenbestand orientierte Lösung ermöglicht eine bessere Planbarkeit der Ausgaben für die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Zudem erscheint nicht absehbar, welche Maßnahmen für die erneute Heranführung von aus der Seefahrt bereits aufgrund Alters ausgeschiedener Seeleute ergriffen werden müssten, um den mit dem Ausscheiden aus der Seefahrt und dem Erwerbsleben einhergehenden Verlust von Kenntnissen und Fertigkeiten zu begegnen.

37

Auch aufgrund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht dem Kläger kein Anspruch zu. Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs sind hier nicht erfüllt. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, RdNr 25; BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 28).

38

Es kann vorliegend offenbleiben, ob eine Hinweispflicht des Versicherungsträgers schon vor Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung bestehen kann (vgl BSG vom 6.5.1992 - 12 BK 1/92). Das hier maßgebliche Gesetz (UVMG, aaO) ist am 30.10.2008 verabschiedet worden und mit Wirkung zum 1.1.2008 in Kraft getreten. Auch aufgrund eines Hinweises zu diesem Zeitpunkt bzw ab Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl Gesetzentwürfe vom 14.3.2008, BR-Drucks 113/08 bzw vom 8.5.2008, BT-Drucks 16/9154) wäre der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen, die Voraussetzungen für eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" (hier: keine Vollendung des 65. Lebensjahres vor dem 1.1.2008, kein Ausscheiden aus der Seefahrt vor dem 1.1.2008, vgl § 17 S 3 der Satzung) tatsächlich zu erfüllen.

39

Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis ließe sich auch nicht aus der von der Vertreterversammlung der See-BG am 6.11.2007 beschlossenen und vom BVA am 6.11.2008 genehmigten - so aber nicht bekannt gemachten - Textfassung der Satzung ableiten. Die dort noch enthaltene Bezeichnung der neuen Leistung als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" ändert ungeachtet der vordergründigen und vom BVA schon deshalb beanstandeten Namensähnlichkeit nichts an ihren rechtlichen Unterschieden gegenüber dem hergebrachten, noch auf § 143 Abs 1 SGB VII in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung als Ermächtigungsgrundlage beruhenden Überbrückungsgeld.

40

Unter diesen Umständen kann vorliegend offenbleiben, ob die in Frage stehende Fassung der Satzung mit der Folge der Nichtigkeit möglicherweise durchgreifenden formellen Bedenken begegnen könnte. Über die schlussendlich veröffentlichte Fassung hat nämlich weder die Vertreterversammlung der See-BG beschlossen noch ist sie vom BVA genehmigt worden. Das Vorliegen lediglich "redaktioneller Änderungen", die das BVA in seinem Begleitschreiben zur Genehmigung vom 6.11.2008 angenommen hat und die es nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Erlass von gemeindlichen Bebauungsplänen (vgl Beschluss vom 14.8.1989 - 4 NB 24/88 - DVBl 1989, 1105 f) erlauben könnten, von einem Rechtssetzungsbefehl in Form eines (erneuten) Satzungsbeschlusses zur Umsetzung der nur bedingt erteilten Genehmigung abzusehen, erscheint fraglich. Nachdem nämlich - wie dargelegt - erstmals zum 1.1.2008 die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Einführung einer neuen Leistung vorhanden war, konnte sich das zuständige Beschlussorgan der Rechtsvorgängerin der Beklagten hiermit am 6.11.2007 nicht befasst und die hierdurch eingetretene nachhaltige Änderung der Rechtslage nicht in seinen Willen aufgenommen haben. Ebenfalls offenbleiben kann, ob die Genehmigung anstelle ihres damaligen Trägers unmittelbar der Seemannskasse erteilt werden konnte und wie sich der Hinweis auf die für eine andere Fassung erteilte Genehmigung auf die Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung der neugefassten Satzung im Dezember 2008 auswirkt.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2012 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2011 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für seine in der Schweiz durchgeführte freiwillige Krankenversicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI zusteht.

2

Der 1935 geborene Kläger, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, bezieht eine Altersrente nach schweizerischem Recht sowie seit dem 1.1.2001 eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenbescheid vom 31.1.2001), die mit Wirkung zum 1.6.2002 unter Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten neu festgestellt worden ist (Rentenbescheid vom 10.2.2010).

3

Seit 1999 ist der Kläger bei der Schweizer Groupe Mutuel in Bezug auf ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel, Heilmittel und zahnärztliche Behandlungen sowie Zahnersatz versichert. Nach den weiteren Feststellungen des LSG besteht bei demselben Unternehmen eine freiwillige Zusatzversicherung in Bezug auf weitere Risiken im Krankheitsfall.

4

Mit Schreiben vom 10.8.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten "einen Zuschuss zum (freiwilligen) Krankenversicherungsbeitrag gem. § 106 SGB VI" ab Beginn seiner Altersrente nebst gesetzlicher Verzinsung.

5

Zur Begründung gab er an, jedenfalls vor der Gesetzesänderung zum 1.5.2007 einen Anspruch auf Zuschuss zu seiner schweizerischen Krankenversicherung gehabt zu haben. Aufgrund der geltenden Besitzstandsregelung gelte der Anspruch auch über dieses Datum hinaus fort. Einen früheren Antrag habe er nicht gestellt, weil es die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die LVA Baden-Württemberg, versäumt habe, ihm im Rahmen des Rentenverfahrens das entsprechende Formular zugänglich zu machen. Er habe davon ausgehen müssen, dass ihm sämtliche Formulare übersandt worden seien.

6

Mit Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege als Bezieher einer Rente aus der schweizerischen Rentenversicherung mit Wohnsitz in der Schweiz der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach dem schweizerischen Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18.3.1994 (KV-Obligatorium nach dem KVG). Damit sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Aufwendungen ausgeschlossen. Den hiergegen am 5.10.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.2.2010 zurück. Nach dem ab dem 1.5.2007 geltenden Recht sei kein Zuschuss zu gewähren, weil die schweizerische Krankenversicherung als Pflichtversicherung zu werten sei. Auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns habe keine Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden, weil nach dem damals gültigen deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen die Zahlung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen gewesen sei, wenn der Rentner in der Schweiz dem KV-Obligatorium unterliege. Ab Inkrafttreten des zwischen der Europäischen Union und der schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen Abkommens über die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme (Freizügigkeitsabkommen) am 1.6.2002 sei hinsichtlich von Zusatzversicherungen die Zahlung eines Beitragszuschusses zwar möglich gewesen. Es habe jedoch keine Veranlassung bestanden, den Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens hinsichtlich seiner Rechte zu beraten oder entsprechende Antragsformulare zu versenden.

7

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG Karlsruhe den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2005 einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKPV) zu zahlen sowie die jeweiligen Zahlungsansprüche ab 1.3.2005 mit 4 vH zu verzinsen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.7.2011).

8

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 4.12.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ab dem 1.1.2005 ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten der OKPV bei der Groupe Mutuel zu. Die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI lägen vor. Der Kläger beziehe eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar sei er nicht freiwillig in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung und auch nicht bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert, das der deutschen Aufsicht unterliege. Der schweizerische Krankenversicherungsträger sei einem solchen Krankenversicherungsunternehmen aber gleichzustellen. Dies folge aus zwischenstaatlichem Recht iVm Europarecht und der Rechtsprechung des EuGH. Im Urteil vom 6.7.2000 (C-73/99, Movrin - SozR 3-6050 Art 10 Nr 6) habe der EuGH ausdrücklich ausgeführt, dass ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung - wie § 106 SGB VI und § 249a SGB V - eine Geldleistung bei Alter im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 sei, auf die der Bezieher einer nach dem Recht eines Staates zu zahlenden Rente auch dann Anspruch habe, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohne und dort der Krankenversicherungspflicht unterliege. Dies gelte über das Freizügigkeitsabkommen auch für die Schweiz. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sei § 106 Abs 1 S 1 SGB VI in seiner zweiten Alternative ("bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt") dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass hierunter auch Krankenversicherungsunternehmen fielen, die - wie hier - der Aufsicht eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz unterlägen, wenn zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht herangezogen werde. Umgekehrt bedeute dies, dass eine Pflichtkrankenversicherung, für die auch nach Ansicht des Senats kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI bestehe, bei einer ausländischen Krankenversicherung im Geltungsbereich der Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 bzw (EG) Nr 883/2004 nur vorliege, wenn der Abschluss der Krankenversicherung gesetzlich vorgeschrieben sei und die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben würden. Damit werde sichergestellt, dass der Versicherte vom deutschen Rentenversicherungsträger einen Beitragszuschuss zur ausländischen Krankenversicherung entweder über § 249a SGB V (analog) oder nach § 106 SGB VI erhalte. Dieses Verständnis des § 106 SGB VI trage dem Umstand Rechnung, dass die Organisation der Krankenversicherung der anderen EU-Mitgliedstaaten bzw der Schweiz mit dem inländischen System nicht ohne Weiteres vergleichbar sei. Die nach deutschem Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger bzw privater Versicherung habe zur Folge, dass entweder an den Versicherten ein Zuschuss ausgezahlt (§ 106 SGB VI) oder ein Teil der aus der Rente zu zahlenden gesetzlichen Beiträge übernommen werde (§ 249a SGB V). Wenn aber Letzteres - wie im vorliegenden Fall - aufgrund der ausländischen Regelungen zur Finanzierung der Krankenversicherung nicht umsetzbar sei, weil keine einkommensabhängigen Beiträge, sondern Kopfpauschalen zu entrichten seien, könne dies nicht dazu führen, dass dem Bezieher einer deutschen Rente aufgrund seines Wohnsitzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw der Schweiz der Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung als Teil seines Rentenanspruchs verwehrt bleibe. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auf dem die genannten EG-Verordnungen beruhten. Seien demnach die Voraussetzungen des § 249a SGB V - wie vorliegend - nicht erfüllt und entstünden dem Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für seinen Krankenversicherungsschutz in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw der Schweiz Kosten, dann habe sich die Beklagte über eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI hieran zu beteiligen.

9

§ 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 geltenden Fassung stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Es fehle am Kriterium der "Gleichzeitigkeit". Unter Berücksichtigung dieses Kriteriums greife die Ausschlussregelung nur dann ein, wenn neben einer bestehenden Pflichtversicherung ein Zuschuss zu einer weiteren privaten Krankenversicherung begehrt werde. Der Kläger begehre aber keinen Zuschuss zu seinen Aufwendungen für eine private Krankenversicherung, sondern für seinen originären Krankenversicherungsschutz in der Schweiz. Die Ausschlussregelung des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI finde daher keine Anwendung.

10

Schließlich habe der Kläger den Zuschuss auch beantragt. Zwar sei die Antragstellung erst im August 2009 erfolgt. In Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei der Kläger jedoch so zu stellen, als habe er rechtzeitig zum 1.6.2002 (Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) den Zuschuss beantragt. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Beratung anläßlich des Rentenantrags des Klägers vom 10.2.2000 verletzt, wodurch diesem ein Nachteil entstanden sei. Gemäß § 44 Abs 4 S 1 SGB X sei der Zuschuss allerdings nur rückwirkend für vier Jahre zu gewähren. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 44 Abs 1 SGB I.

11

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 106 SGB VI.

12

Ob dem Kläger ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 gültigen Fassung zustehe, hänge davon ob, ob es sich bei dem KV-Obligatorium der Schweiz um eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung handele. Dies sei der Fall. Die Krankenversicherung in der Schweiz erfasse alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Diese müssten sich innerhalb von drei Monaten nach Wohnsitznahme oder Geburt versichern oder versichern lassen, wenn sie selbst keine Verträge schließen könnten. Träger der Krankenversicherung könnten zwar juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sein. Anders als in Deutschland gälten für die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen aber dieselben gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der von der Krankenversicherungspflicht erfassten Personen, des Leistungskatalogs, der Voraussetzungen für die Leistungserbringung usw. Das KV-Obligatorium gehöre als Teil der schweizerischen Sozialversicherung in den Bereich des öffentlichen Rechts. Die Versicherten genössen nur in ganz beschränktem Umfang Wahlfreiheiten. Insbesondere die Frage, ob eine Person dem KV-Obligatorium unterliege, sowie das Beitrags- und Leistungsrecht seien gesetzlich zwingend festgelegt. Ein Leistungsausschluss bestimmter Risiken sei nicht möglich. Zudem könnten Versicherte die Krankenkasse wechseln, ohne hierdurch Nachteile zu erleiden. Der Versicherer habe dagegen kein Kündigungsrecht. Auch wenn das KV-Obligatorium zum Teil durch private Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt und die Pflichtversicherung durch einen Vertrag geregelt werde, handele es sich doch um eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung. Lediglich die Zusatzversicherungen seien privatrechtliche Versicherungen, bei deren Ausgestaltung Versicherte und Versicherer die Gestaltungsmöglichkeiten des Vertragsrechts nutzen könnten. Entgegen der Auffassung des LSG könne aus dem Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) nicht abgeleitet werden, dass eine Pflichtkrankenversicherung bei einer ausländischen Krankenversicherung nur dann vorliege, wenn die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben würden. Diese Auffassung entbehre auch sonst jeglicher Grundlage.

13

Die Beklagte weist weiter sinngemäß darauf hin, dass zudem das Kriterium der Gleichzeitigkeit erfüllt sei. Hierzu trägt sie vor, der Kläger unterhalte bei der Groupe Mutuel zwei verschiedene Versicherungsverhältnisse, zum einen die obligatorische Krankenversicherung und zum anderen eine private Krankenzusatzversicherung nach dem schweizerischen Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

14

Die Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI zu einer Pflichtversicherung sei ausgeschlossen. Dies verstoße entgegen der Ansicht des LSG auch nicht gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die grundsätzliche Exportierbarkeit von Geldleistungen nach Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 bzw Art 7 VO (EG) Nr 883/2004 werde von den Rentenversicherungsträgern nicht in Frage gestellt. Voraussetzung für den Leistungsexport sei jedoch, dass die entsprechenden nationalen Anspruchsvoraussetzungen (unabhängig vom Wohnort) erfüllt seien.

15

Bei rechtzeitiger Antragstellung vor dem 1.5.2007 hätte dem Kläger zwar nach der damals geltenden Rechtslage ein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI (frühestens ab dem 1.6.2002, dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens) zu seiner Krankenzusatzversicherung nach dem VVG zugestanden. Der Kläger habe den Zuschuss jedoch erst am 17.8.2009 beantragt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei aber die Gewährung eines Beitragszuschusses gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der ab dem 1.5.2007 gültigen Fassung nicht mehr zulässig gewesen. Eine Pflicht, den Kläger anlässlich seines Rentenantrags vom 10.2.2000 auf die Möglichkeit der Beantragung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine private Krankenzusatzversicherung nach Inkrafttreten des zu erwartenden Freizügigkeitsabkommens hinzuweisen, habe nicht bestanden.

16

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2012 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

17

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Rechtsmittel hat zum Teil schon aus prozessrechtlichen Gründen Erfolg (A.I.). Im Übrigen sind die angefochtenen Entscheidungen nicht mit der materiellen Rechtslage vereinbar (A.II.).

19

A.I. LSG und SG haben die Beklagte verurteilt, dem Kläger "einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu zahlen". Nach dem Verständnis des erkennenden Senats umfasst dieser Tenor eine Verurteilung der Beklagten zu einer Beteiligung an den Kosten des Klägers sowohl für seine obligatorische Krankenversicherung als auch seine freiwillige Krankenversicherung. Soweit die vorinstanzlichen Entscheidungen die Beklagte mit der Tragung von Zuschüssen zu der obligatorischen Krankenversicherung des Klägers belasten, gehen sie über dessen Klagebegehren hinaus und verletzen damit § 123 SGG. Der Kläger hat mit der Klageschrift vom 23.4.2010 ebenso wie zuvor mit seinem Schreiben vom 10.8.2009 lediglich einen Zuschuss zu seiner freiwilligen bzw privaten Krankenversicherung beantragt. Allein hierüber befindet der Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.2.2010. Eine über diesen Regelungsgegenstand hinausgehende Klage wäre unzulässig gewesen.

20

Zwar hat die Beklagte eine Verletzung des § 123 SGG nicht gerügt. Einen Verstoß gegen diese Vorschrift und damit eine Verkennung des Streitgegenstands hat der erkennende Senat aber von Amts wegen zu beachten. Hierbei handelt es sich um einen Mangel, der im Revisionsverfahren fortwirkt, sodass er bei Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würde (vgl allgemein BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 31), weshalb seine Überprüfung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (vgl allgemein BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13).

21

II. Der Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.2.2010 ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine freiwillige bzw private Krankenversicherung gemäß § 106 Abs 1 SGB VI zu.

22

Auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen ist zwar nicht entscheidbar, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erfüllt sind. Gleichwohl ist eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nach § 170 Abs 2 SGG entbehrlich. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des S 1 gegeben wären, stünde dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Es ist zumindest der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI verwirklicht, und zwar sowohl in der ab dem 1.5.2007 als auch der davor geltenden Fassung.

23

1. Gemäß § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

24

Zu Recht hat das LSG festgestellt, dass der Kläger zu dem berechtigten Personenkreis im Sinne der Vorschrift gehört, weil er seit dem 1.1.2001 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht (Bescheid vom 31.1.2001). Hingegen ist für den erkennenden Senat nicht beurteilbar, ob es sich bei der Groupe Mutuel um ein Krankenversicherungsunternehmen iS von § 106 Abs 1 S 1 SGB VI handelt.

25

Krankenversicherungsunternehmen im Sinne der Vorschrift sind alle (deutschen oder ausländischen) Versicherungsunternehmen, die eine Krankenversicherung durchführen und nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung sind, mögen sie im Übrigen privat oder öffentlich-rechtlich organisiert sein (vgl BSGE 14, 116, 118 = SozR Nr 2 zu § 381 RVO; BSGE 27, 129, 130, 131 = SozR Nr 15 zu § 381 RVO; BSG SozR 2200 § 385 Nr 11 S 50 zu § 534 Abs 1 RVO und § 173a RVO; BSGE 58, 224, 225 = SozR 2600 § 239 Nr 1 zu § 239 Abs 1 S 1 RKG, § 534 RVO und § 173a Abs 1 RVO; s auch KomGRV § 106 SGB VI RdNr 4, Stand: März 2009). In dieser Definition erschöpft sich die Bedeutung des Begriffs Krankenversicherungsunternehmen. Für die Auffassung des LSG, bei ausländischen Unternehmen sei darauf abzustellen, dass diese zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht heranziehen, gibt der Wortlaut des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI nichts her. Ebenso wenig sind dem Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) Anhaltspunkte für eine solche Auslegung zu entnehmen.

26

Zwar ist offensichtlich, dass die Schweizer Groupe Mutuel nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ist, und angesichts der genannten Vorgaben unschädlich, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Groupe Mutuel privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Entscheidungserheblich iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI, den Feststellungen des LSG aber nicht entnehmbar, ist dagegen, ob dieses Unternehmen auch eine private Krankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI durchführt.

27

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts umfasst die bei der Groupe Mutuel bestehende OKPV des Klägers ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arznei- und Heilmittel sowie zahnärztliche Behandlungen und Zahnersatz, während die bei demselben Unternehmen bestehende freiwillige Zusatzversicherung weitere Risiken im Krankheitsfall abdeckt. Um welche Risiken es sich hierbei handelt, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Nicht jede private Versicherung - gleich welchen Umfangs - ist indes zuschusspflichtig (vgl BSGE 20, 159, 161 = SozR Nr 5 zu § 381 RVO; BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16).

28

Zwar ist nicht erforderlich, dass die private Krankenversicherung des Rentenbeziehers eine Vollversicherung ist, die nach Art und Höhe Leistungen gewährt wie die gesetzliche Krankenversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern (vgl Peters in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, § 106 SGB VI RdNr 10, Stand: Dezember 2010). Im Interesse zumindest einer gewissen Vergleichbarkeit mit der ebenfalls zuschusspflichtigen freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Vollversicherung ist, ist in Fortführung der zu § 1304e RVO entwickelten Rechtsprechung des BSG aber eine Krankenversicherung von nennenswerter Bedeutung zu verlangen(BSGE 50, 61 = SozR 2200 § 1304e Nr 5 in einem Auslandsfall und allgemein BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16). Hiervon dürfte jedenfalls dann auszugehen sein, wenn die private Versicherung einen Teilbereich der im SGB V vorgesehenen Leistungen bei Krankheit - entweder ambulante, stationäre oder zahnärztliche Behandlung, Heil- und Hilfsmittel, Arzneien, medizinische Leistungen zur Rehabilitation oder Ähnliches - abdeckt (so auch Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II Bd 2, § 106 SGB VI RdNr 22, Stand: 01/08).

29

Sollte der Kläger bei der Groupe Mutuel eine private Krankenversicherung mit einem nicht ausreichenden Krankenversicherungsschutz unterhalten, lägen die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI nicht vor.

30

Anderenfalls wäre den Anforderungen der Norm genügt. Zu Recht hat das LSG hinsichtlich der weiteren Voraussetzung des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI ausgeführt, es sei ausreichend im Sinne der Vorschrift, dass die Groupe Mutuel der schweizerischen Aufsicht untersteht.

31

Nach Art 10 Abs 1 der im Februar 2010 noch in Kraft befindlichen VO (EWG) Nr 1408/71, die im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz Anwendung findet (Art 8 iVm Anhang II Abschn A Nr 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999 auf die am 1.5.2004 beigetretenen Mitgliedstaaten erweitert), dürfen die Geldleistungen bei Alter, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch besteht, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Daher kann weder die Entstehung noch die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die in dieser Bestimmung genannten Leistungen allein deshalb verneint werden, weil der Betroffene nicht im Gebiet des Mitgliedstaates wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (EuGH, aaO, S 19 mwN). Zu den Geldleistungen bei Alter iS der Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 zählt auch ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung (EuGH, aaO).

32

Unter Berücksichtigung dieser im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zu berücksichtigenden Vorgaben ist ausreichend, wenn das ausländische Krankenversicherungsunternehmen, bei dem der Rentenbezieher versichert ist, der Aufsicht des Mitgliedstaates oder gleichgestellten Staates unterliegt, in dem das Krankenversicherungsunternehmen seinen Sitz hat (vgl auch Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 12, Stand: Dezember 2010). Ansonsten liefe die von Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 gewährleistete Exportierbarkeit einer Geldleistung im Alter bei Rentenbeziehern, die in einem anderen Mitgliedstaat oder gleichgestellten Staat wohnen und bei einem dort ansässigen Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, letztlich wegen ihrer Wohnsitznahme leer.

33

Sollten die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI vorliegen, wäre der Anspruch des Klägers jedoch gleichwohl ausgeschlossen, weil der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI verwirklicht ist.

34

2.a) Gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der mit Wirkung vom 1.5.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 33 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 (BGBl I 554) erhalten Rentenbezieher den Zuschuss nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.

35

aa) Die schweizerische OKPV ist eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung, die den Kläger als Pflichtmitglied erfasst. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des schweizerischen KVG im Vergleich mit den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Merkmalen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung.

36

Zwar ist ausländisches Recht nicht revisibel, sodass das Revisionsgericht grundsätzlich an die Feststellungen des Tatsachengerichts und dessen rechtliche Schlussfolgerungen gebunden ist (BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN; BSGE 80, 295, 298 ff = SozR 3-4100 § 142 Nr 1; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 25; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Tatsachengericht eine ausländische Rechtsnorm übersehen und in der angefochtenen Entscheidung nicht gewürdigt hat; denn dann handelt es sich nicht um die Überprüfung der Auslegung einer irrevisiblen Norm, sondern um die Anwendung des geltenden Rechts auf einen vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (BSGE 71, 163, 165 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1, RdNr 14; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 6c). Aus diesem Grund ist der erkennende Senat zur Anwendung der Vorschriften des KVG befugt. Das LSG hat keine Norm dieses Gesetzes seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ebenso ist der erkennende Senat berechtigt, generelle Tatsachen - wie die Strukturen einer Krankenversicherung - selbst festzustellen (vgl hierzu Leitherer, aaO, § 163 RdNr 7 mwN).

37

(1) Die OKPV ist zunächst eine gesetzliche Krankenversicherung.

38

Sie ist eine "Versicherung" ua gegen das Risiko der "Krankheit" (Art 1a Abs 1 und Abs 2 Buchst a KVG). Sie erbringt bei Eintritt eines Versicherungsfalls Kosten für Leistungen (insbesondere Art 24, 25 und 31 KVG), an denen sich die Versicherten beteiligen müssen (Art 64 KVG). Dafür erhebt sie Beiträge (Prämien) von den Versicherten (Art 61 KVG; vgl auch Gerlinger, Das Schweizer Modell der Krankenversicherung - Zu den Auswirkungen der Reform von 1996, 2003, S 8 zu Nr 2.2). Sie ist also - ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - keine Einrichtung eines staatlichen Gesundheitswesens mit Versorgungscharakter (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 17, Stand: Juni 2007). Die OKPV ist auch eine "gesetzliche" Krankenversicherung. Sie ist - wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - bis in Einzelheiten gesetzlich geregelt (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 19). Das KVG enthält Vorschriften über die Versicherungspflicht (2. Titel, 1. Kapitel), die Organisation (2. Titel, 2. Kapitel), die Leistungen (2. Titel, 3. Kapitel), die Leistungserbringer (2. Titel, 4. Kapitel) und die Finanzierung (2. Titel, 5. Kapitel). Die OKPV ist schließlich auch eine soziale Krankenversicherung (Art 1a Abs 1 KVG).

39

(2) Die schweizerische OKPV ist zudem eine Pflichtversicherung iS des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI.

40

Bei der Beurteilung von Ansprüchen der Auslandsrentner hat die Rechtsprechung wiederholt ua hinsichtlich der Prüfung einer gesetzlichen Pflichtversicherung den möglicherweise anders gelagerten Verhältnissen im Ausland Rechnung getragen. Insoweit wird lediglich vorausgesetzt, dass die ausländische gesetzliche Krankenversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr 22 S 56; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

41

Dies trifft auf die schweizerische OKPV unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung zu.

42

Zwar beginnt die Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes mit der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, während in der Schweiz Versicherungspflicht besteht, aufgrund derer sich alle Personen mit dortigem Wohnsitz versichern müssen (Art 3 Abs 1 KVG), was den Abschluss eines Versicherungsvertrages erfordert.

43

Dieser Unterschied ist allerdings unwesentlich und steht einer Bewertung der OKPV als einer mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbaren Versicherung nicht entgegen.

44

Sowohl Pflichtversicherung als auch Versicherungspflicht bewirken, dass die von ihnen erfassten Personen verbindlich einer Versicherung zugeführt werden. Dass der Versicherungspflicht nach dem KVG auch tatsächlich nachgekommen wird, wird nicht dem freiwilligen Entschluss der Betroffenen überlassen, sondern durch Rechtszwang sichergestellt (Johannes W. Pichler in ders, Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 2001, S 1, 15). Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, werden von den zuständigen kantonalen Behörden einem Versicherer zugewiesen (Art 6 Abs 2 KVG). Die Versicherer müssen in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede versicherungspflichtige Person aufnehmen (Art 4 Abs 2 KVG). Dieser Kontrahierungszwang bewirkt, dass Alters-, Geschlechts-, Gesundheits- oder ethnische Selektionen ausgeschlossen sind (vgl auch Johannes W. Pichler, aaO, S 16 und Richner in Johannes W. Pichler, aaO, S 41, 53) und damit jede versicherungspflichtige Person tatsächlich einen Versicherungsschutz erhält.

45

Der Versicherungsschutz wird auch nicht dadurch vermindert, dass die OKPV von Krankenkassen, die sowohl juristische Personen des öffentlichen als auch des privaten Rechts sein können (Art 11 Buchst a iVm Art 12 Abs 1 KVG), und zudem von privaten Versicherungsunternehmen (Art 11 Buchst b KVG) betrieben wird.

46

Abgesehen davon, dass alle Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung benötigen (Art 13 KVG) und jede versicherungspflichtige Person aufnehmen müssen (Art 4 Abs 2 KVG), können sie auch keiner versicherten Person kündigen (Richner, aaO, S 53). Solange die Versicherungspflicht dauert, müssen sie die Versicherten behalten (Art 5 Abs 3 KVG). Nur die Versicherten können den Versicherer wechseln (Art 7 Abs 1 bis 3 KVG), es sei denn, die Versicherer führen die soziale Krankenversicherung nicht mehr durch (Art 7 Abs 4 KVG). Auch in diesem Fall droht den Versicherten allerdings nicht der Verlust der Krankenversicherung. Zwar entzieht die zuständige Behörde einem Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn er darum ersucht oder die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (Art 13 Abs 3 S 1 KVG). Der Entzug wird aber erst dann wirksam, wenn alle Versicherten von anderen Versicherern übernommen worden sind (Art 13 Abs 3 S 2 KVG). Auch gelten bezüglich der sozialen Krankenversicherung für alle Versicherer, dh sowohl für die privaten und öffentlich-rechtlichen Krankenkassen als auch die privaten Versicherungsunternehmen, identische Grundsätze (Richner, aaO, S 54).

47

(3) Die OKPV ist schließlich nicht mit der Versicherung nach § 193 Abs 3 des deutschen VVG vergleichbar. Ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist die OKPV eine vorrangige Versicherung, die - mit geringfügigen Ausnahmen - die gesamte Wohnbevölkerung erfasst (vgl Maurer/Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl 2009, S 284 RdNr 2). Demgegenüber stellt sich die Versicherung nach § 193 Abs 3 VVG als Auffangversicherung dar, die lediglich den Teil der Wohnbevölkerung betrifft, der keine andere Absicherung im Krankheitsfall hat(Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 193 RdNr 23); dieser Teil beläuft sich auf unter 10 %. Die Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG gilt ua nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind(§ 193 Abs 3 S 2 Nr 1 VVG). Allein die gesetzliche Krankenversicherung schützt aber über 90 % der Wohnbevölkerung (Peters, aaO, § 1 SGB V RdNr 4, Stand: Juni 2007).

48

(4) Entgegen der Auffassung des LSG kann das Vorliegen einer Pflichtkrankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI bei ausländischen Krankenversicherungen nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Beiträge kraft Gesetzes aus der deutschen Rente erhoben werden. Hierfür geben weder der Wortlaut der Norm noch die Pflichtversicherung im Sinne des SGB V etwas her (vgl § 5 Abs 1 SGB V).

49

Das LSG stützt seine Auslegung auf die Überlegung, dass die Beiträge für die schweizerische obligatorische Krankenversicherung unabhängig vom Einkommen nach Kopfprämien erhoben werden (Art 61 KVG), diese Beitragserhebung nicht zu § 249a SGB V "passt", nach dem die Träger der Rentenversicherung "die Hälfte der nach der Rente zu bemessenden Beiträge …" tragen, und der Kläger daher bei Qualifizierung der obligatorischen Krankenversicherung als Pflichtversicherung keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte auf Beteiligung an seinen Aufwendungen zur Krankenversicherung habe, was gegen europäisches Recht verstoße.

50

Derartige "Ergebnisauslegungen" genügen indes nicht den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und verbieten sich insoweit von selbst. Die vom LSG vorgenommene Interpretation des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI unter Berücksichtigung des § 249a SGB V vermengt unzulässig die Anwendungsbereiche beider Normen und ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich geboten.

51

§ 106 Abs 1 SGB VI einerseits und § 249a SGB V andererseits sind selbstständige Vorschriften, die für Rentenbezieher unter bestimmten Voraussetzungen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen (Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung oder anteilige hälftige Beitragstragung) hinsichtlich unterschiedlicher Versicherungen (freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bzw private Krankenversicherung oder in- oder ausländische gesetzliche Pflichtkrankenversicherung) führen. Ihre Auslegung hat unabhängig voneinander zu erfolgen. Verfassungs- oder unionsrechtliche Zweifelsfragen bei der einen Vorschrift berühren die andere Vorschrift nicht, sondern sind vielmehr begrenzt auf die jeweilige Norm zu beurteilen.

52

Aus der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl BVerfGE 75, 223, 237; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 23 RdNr 27; Streinz in ders, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 4 EUV RdNr 33, jeweils mwN) ergibt sich kein anderes Ergebnis.

53

Die unionsrechtskonforme Auslegung unterliegt den gleichen Grenzen wie die verfassungskonforme Auslegung (BAGE 105, 32, 48 f; Jarass, aaO). Diese darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz keinen entgegengesetzten Sinn verleihen oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen (BVerfGE 71, 81, 105; 90, 263, 275; 109, 279, 316 f). Mit diesen Grenzen zulässiger Auslegung wäre es nicht vereinbar, die eindeutig getrennten Anwendungsbereiche des § 106 Abs 1 SGB VI einerseits und des § 249a SGB V andererseits miteinander zu vermengen.

54

Eine derartige Auslegung hat auch der EuGH im Urteil vom 6.7.2000 (aaO) nicht vorgenommen. Statthafter Gegenstand einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Rechtssätze des Unionsrechts (vgl Ehricke in Streinz, aaO, Art 267 AEUV RdNr 13, 17). Fragen der Auslegung nationalen Rechts sind daher ausgenommen (vgl zB EuGH Urteil vom 3.10.2000 - C-58/98, Corsten - Juris RdNr 24; EuGH Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03, Dörr und Ünal - Juris RdNr 46). Dementsprechend hat sich der EuGH in dem dem Urteil vom 6.7.2000 zugrunde liegenden Vorabentscheidungsverfahren (aaO) auch nur mit den Fragen beschäftigt, ob eine im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehene Beteiligung eines Rentenversicherers an den Beiträgen zur Krankenversicherung eine Geldleistung bei Alter iS von Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 darstellt, und ob diese Leistung unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Bestimmungen dem in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden und dort der Krankenversicherungspflicht unterliegenden Rentner verwehrt werden darf.

55

§ 106 Abs 1 SGB VI ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden.

56

Inländischer Prüfungsmaßstab ist insoweit Art 3 Abs 1 GG, nach dem einem Auslandsrentner ein Beitragszuschuss zuzuerkennen ist, wenn bei vergleichbarer Sachlage, die in Anknüpfung an die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der maßgeblichen Vorschriften zu beurteilen ist, auch einem Inlandsrentner diese Leistungen zu gewähren wären (so schon im Ergebnis BSG SozR 2200 § 381 Nr 23). Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Pflichteinbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung hat.

57

Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung von Unionsrecht.

58

Dem zur Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften ergangenen Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass dem Auslandsrentner nichts versagt werden darf, worauf er als Inlandsrentner einen Anspruch hätte. Als Inlandsrentner und Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung stünde dem Kläger aber ebenfalls kein Anspruch aus § 106 Abs 1 SGB VI zu.

59

Ob auch § 249a SGB V mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, falls eine Beteiligung der Rentenversicherungsträger nach dieser Vorschrift an den Kosten einer ausländischen Pflichtkrankenversicherung ausscheiden sollte, die wie die schweizerische obligatorische Krankenversicherung Beiträge als Kopfprämien(Art 61 KVG) erhebt, hat der Senat nicht zu entscheiden. Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu seiner freiwilligen bzw privaten Krankenversicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI und nicht die anteilige Tragung seiner Beiträge zur obligatorischen Krankenversicherung nach § 249a SGB V.

60

bb) Unterhielte der Kläger eine private Krankenversicherung bei der Groupe Mutuel mit einem ausreichenden Krankenversicherungsschutz iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI - nur dann wären die Anspruchsvoraussetzungen der Norm erfüllt -, wäre auch das Kriterium der Gleichzeitigkeit gegeben.

61

Der Ausschlusstatbestand des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichzeitigkeit verwirklicht, wenn neben der privaten Krankenversicherung zeitgleich Versicherungspflicht in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung besteht(vgl Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 13, Stand: Dezember 2010). Der Kläger unterliegt aufgrund seiner Wohnsitznahme in der Schweiz der Versicherungspflicht in der OKPV und wäre zeitgleich bei demselben Krankenversicherungsträger freiwillig krankenzusatzversichert.

62

2.b) Auch vor Inkrafttreten der Neufassung des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI zum 1.5.2007 hat dem Kläger kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss nach § 106 Abs 1 S 1 SGB VI zugestanden.

63

Gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der bis 30.4.2007 geltenden Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.2.2002 (BGBl I 754 - nachfolgend alter Fassung ) war ein Anspruch nach S 1 ausgeschlossen, wenn Rentenbezieher gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert waren.

64

Nach der Rechtsprechung des BSG zur früheren Gesetzeslage (vgl zB BSG SozR 2200 § 381 Nr 16; Nr 22 S 55; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30; s auch BT-Drucks 16/3794, S 37 zu Nr 33) ist einem Auslandsrentner, der die Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses erfüllt, dieser jedoch gleichwohl zu versagen, wenn er von einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtmitglied erfasst wird, soweit diese wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist, was bejaht wurde, wenn sich das ausländische Versicherungssystem im Kern als Vollversicherung darstellt, dh mindestens die stationäre als auch ambulante Behandlung umfasst (BSGE 35, 15 = SozR Nr 32 zu § 381 RVO; BSGE 47, 64, 66 = SozR 2200 § 381 Nr 30). Diese Folge ist aus dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG abzuleiten. Ein Auslandsrentner soll einen Beitragszuschuss nur erhalten können, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre. Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung des Beitragszuschusses ausschließt, muss die Einbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung haben. Insoweit zieht der Gleichheitsgrundsatz dem an sich nach dem Gesetzeswortlaut gegebenen Anspruch eine Grenze (BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

65

Die schweizerische OKPV stellt nicht nur eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung dar, die den Kläger als Pflichtmitglied erfasst (vgl A.II.2.aa)). Sie ist darüber hinaus auch inhaltlich mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbar, weil sie sich ebenfalls als Vollversicherung darstellt.

66

Sie übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art 25 Abs 1 KVG). Diese Leistungen umfassen die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital von Ärzten/Ärztinnen, Chiropraktoren/Chiropraktorinnen oder von Personen durchgeführt werden, die auf Anordnung oder im Auftrag dieser Leistungserbringer Leistungen erbringen (Art 25 Abs 2 Buchst a KVG). Ferner gehören zum Leistungskatalog insbesondere die ärztlich verordneten Analysen, Arzneimittel und die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände (Art 25 Abs 2 Buchst b KVG), ein Beitrag zu den Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren (Art 25 Abs 2 Buchst c KVG), die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (Art 25 Abs 2 Buchst d KVG) sowie der Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung (Art 25 Abs 2 Buchst e KVG). Kosten für zahnärztliche Behandlungen werden (nur) unter engen Voraussetzungen übernommen (Art 31 KVG).

67

Der Qualifizierung der OKPV als Vollversicherung steht nicht entgegen, dass der Versicherte an den Kosten beteiligt wird (Art 64 KVG); auch die deutsche gesetzliche Krankenversicherung kennt eine Kostenbeteiligung der Versicherten etwa in Form von Zuzahlungen (§ 61 SGB V). Auch ist unerheblich, dass die Leistungen der OKPV nicht als Naturalleistung, sondern in Form der Kostenerstattung erbracht (Art 24 KVG; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30) und die Kosten der Zahnbehandlung nur begrenzt erstattet werden (vgl BSGE 47, 64, 66 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

68

3. Da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI aF hat, kann ihm dieser auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs zuerkannt werden. Dieses Rechtsinstitut findet seine Rechtfertigung im Rechtsstaatsprinzip, und zwar in dessen Ausprägung als Gebot der Herstellung von materieller Gerechtigkeit iVm denjenigen Regelungen des geschriebenen Rechts, in denen dieses Gebot - konkretisierend - umgesetzt werden soll (Seewald in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, Vor §§ 38 bis 47 SGB I RdNr 124, Stand: Juni 2012). Damit kann im Wege des Herstellungsanspruchs keine Vergünstigung erwirkt werden, die dem Betroffenen nach geltendem Recht nicht zusteht.

69

4. Schließlich kann der Kläger zu seinen Gunsten auch nichts aus Art 3 Abs 1 GG iVm einer möglicherweise anderen gleichmäßigen Verwaltungspraxis der Beklagten herleiten.

70

Nach den Ausführungen der Beklagten in der Revisionsbegründung scheint diese unter Geltung der bis zum 30.4.2007 geltenden Fassung des § 106 Abs 1 SGB VI Beziehern einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mit Wohnsitz in der Schweiz bei Abschluss einer zusätzlichen privaten Krankenversicherung und rechtzeitigem Antrag einen Beitragszuschuss nach dieser Norm gewährt zu haben. Ob eine derartige Verwaltungspraxis der Beklagten bestanden hat, bedarf indes keiner Aufklärung. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Kläger hieraus keine Rechtsvorteile ableiten. Aus den oben dargelegten Gründen hat einem Auslandsrentner, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat und in der OKPV versichert ist, kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI aF zugestanden, sodass eine entsprechende Gewährung rechtswidrig gewesen ist. Auf eine Gleichheit im Unrecht kann sich niemand berufen (BVerfGE 50, 142, 166; BVerfG NVwZ 1994, 475, 476; BVerwGE 34, 278, 283; 92, 153, 154 f, 157).

71

Mangels Bestehens eines Anspruchs auf Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI kommt ein Zinsanspruch nicht in Betracht.

72

B. Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger im Revisionsverfahren nicht vertreten ist, sodass er sich nicht äußern kann. Einer Entscheidung steht der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG nicht entgegen.

73

Eine Versagung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil der Kläger nicht von den ihm im Verfahrensrecht eröffneten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr BSG Beschluss vom 25.11.2008 - B 5 R 308/08 B - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 31.8.1988 - 4 B 153/88 - Juris RdNr 10, mwN).

74

Sollte der Kläger bedürftig sein, hätte er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Da die Beklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat, hätte diesem Antrag ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 119 Abs 1 S 2 ZPO) stattgegeben werden müssen. Ist der Kläger nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes, wäre es seine prozessuale Obliegenheit gewesen, zur Ermöglichung der Teilnahme am Revisionsverfahren einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen auf eigene Kosten zu beauftragen.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) (weggefallen)

(2) Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und

1.
ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
2.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.

(3) Ist Übergangsgeld gezahlt worden und wird nachträglich für denselben Zeitraum der Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit festgestellt, gilt dieser Anspruch bis zur Höhe des gezahlten Übergangsgeldes als erfüllt. Übersteigt das Übergangsgeld den Betrag der Rente, kann der übersteigende Betrag nicht zurückgefordert werden.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt.

Tenor

Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. November 2013 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

2

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung (Divergenz) beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe haben die Klägerinnen zur Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

3

Soweit in der Beschwerdebegründung eine Divergenz geltend gemacht wird (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), wird schon nicht aufgezeigt, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl zu dieser Anforderung BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54).

4

Soweit Verfahrensmängel geltend gemacht werden, ist der Beschwerdebegründung nicht hinreichend zu entnehmen, dass das Urteil des LSG auf einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG beruhen kann. Soweit gerügt wird, das LSG habe einen völlig anderen Klagantrag zugrunde gelegt, ist die Beschwerdebegründung unschlüssig. Denn danach sei mit dem Hauptantrag die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2009 und Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch sowie mit dem Hilfsantrag die Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht begehrt worden; eben diese Anträge hat indes das LSG ausweislich des Tatbestands seines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils, den die Beschwerdebegründung insoweit zum Gegenstand des Vortrags gemacht hat, dem Vorbringen der Klägerinnen auch entnommen.

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Soweit gerügt wird, das LSG habe nicht vorab über einen Antrag auf Rechtswegbestimmung nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Bezug auf amtshaftungsrechtliche Ansprüche entschieden, auf die das Kostenerstattungsbegehren hilfsweise gestützt worden sei, unterlässt die Beschwerdebegründung jede Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Nach dieser darf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen, weil einerseits das GVG keine Teilverweisung kennt und andererseits der Verweisung des gesamten Rechtsstreits der Grundsatz entgegensteht, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist. Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs 2 GVG abzusehen(vgl BSG Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 437/11 B - juris RdNr 10, unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 23, jeweils mwN). Mit Blick auf diese Rechtsprechung hätte es eingehender Darlegungen in der Beschwerdebegründung bedurft, warum vorliegend dennoch ein Verfahrensmangel in Betracht kommen soll, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

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Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.