Bundessozialgericht Urteil, 11. Dez. 2014 - B 11 AL 2/14 R

bei uns veröffentlicht am11.12.2014

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

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bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juli 2012 - B 11 AL 16/11 R

bei uns veröffentlicht am 04.07.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Sozialgericht Mannheim Urteil, 09. Sept. 2010 - S 14 AL 3538/09

bei uns veröffentlicht am 09.09.2010

Tenor 1. Der Bescheid vom 18.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2009 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen für insgesamt 352 Tage zu gewähren.2. Die Beklag
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 11. Dez. 2014 - B 11 AL 2/14 R.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 18. Juli 2016 - L 10 AL 133/16 NZB

bei uns veröffentlicht am 18.07.2016

Tenor I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.05.2016 - S 10 AL 43/16 - wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe

Sozialgericht Landshut Endurteil, 25. Juli 2017 - S 13 AL 172/16

bei uns veröffentlicht am 25.07.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeld I (Alg I). Di

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 1412/15

bei uns veröffentlicht am 22.01.2016

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Tatbestand  1 Die Beteiligten streite

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 27. März 2015 - L 10 R 2689/12

bei uns veröffentlicht am 27.03.2015

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2012 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Gründe  I.1 Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungs

Referenzen

(1) Die Rahmenfrist beträgt 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(2) Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

(3) In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.

Bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei Grundausbildung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Bei einer Berufsausbildung und bei einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.
Bei einer Berufsausbildung ist in den Fällen der Nummern 1 und 3 mindestens ein Betrag zugrunde zu legen, der der Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 entspricht. Übersteigt in den Fällen der Nummer 2 die Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 den Bedarf zuzüglich der Beträge nach § 2 Absatz 1 und 3 Nummer 2 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, so wird die Differenz als Ausgleichsbetrag gezahlt.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei Grundausbildung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(2) Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag nach dem Erlöschen der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind.

(3) Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht während eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld fort.

(4) Das Versicherungspflichtverhältnis endet für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag vor Eintritt der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht letztmals erfüllt waren.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(2) Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag nach dem Erlöschen der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind.

(3) Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht während eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld fort.

(4) Das Versicherungspflichtverhältnis endet für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag vor Eintritt der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht letztmals erfüllt waren.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Bei einer Berufsausbildung und bei einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich des jeweils geltenden Bedarfs für die Unterkunft nach § 13 Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.
Bei einer Berufsausbildung ist in den Fällen der Nummern 1 und 3 mindestens ein Betrag zugrunde zu legen, der der Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 entspricht. Übersteigt in den Fällen der Nummer 2 die Ausbildungsvergütung nach § 17 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale nach § 153 Absatz 1 den Bedarf zuzüglich der Beträge nach § 2 Absatz 1 und 3 Nummer 2 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, so wird die Differenz als Ausgleichsbetrag gezahlt.

(1) Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Zeiten, die vor dem Tag liegen, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen ist, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit.

(2) Für Arbeitslose, die die Anwartschaftszeit nach Absatz 1 nicht erfüllen sowie darlegen und nachweisen, dass

1.
sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage überwiegend aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als 14 Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet sind, und
2.
das in den letzten zwölf Monaten vor der Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt das 1,5fache der zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches nicht übersteigt,
beträgt die Anwartschaftszeit sechs Monate. § 27 Absatz 3 Nummer 1 bleibt unberührt.

Bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei Grundausbildung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.

(1) Die Rahmenfrist beträgt 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(2) Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

(3) In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

(1) Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Ausbildungsgeld während

1.
einer Berufsausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung,
2.
einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches und
3.
einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches,
wenn Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann.

(2) Für das Ausbildungsgeld gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

Bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei Grundausbildung wird folgender Bedarf zugrunde gelegt:

1.
bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
2.
bei Unterbringung in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen 126 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
3.
bei anderweitiger Unterbringung der jeweils geltende Bedarf nach § 12 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes; § 128 ist mit Ausnahme der Erstattung behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

(1) Die Rahmenfrist beträgt 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(2) Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

(3) In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 5.12.2007 erfüllt hat.

2

Der 1948 geborene Kläger war ab 1.8.2004 als kaufmännischer Leiter bei der G-GmbH & Co KG (im Folgenden: KG) beschäftigt, die einen Großmarkt in G (G.) betrieb. Der Mietvertrag über die Geschäftsräume wurde zum 30.9.2005 gekündigt. Daraufhin verlegte die KG ihren Sitz von G. nach P (P.); dort wurde über ihr Vermögen die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und mit rechtskräftigen Beschlüssen vom 6.2.2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt. Am 30.3.2007 wurde die Auflösung der KG eingetragen und am 1.6.2007 meldeten die Liquidatoren das Erlöschen der KG an; die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte im Dezember 2007.

3

Bereits am 13.10.2005 hatte sich der Kläger arbeitslos gemeldet und angegeben, sein Arbeitsverhältnis sei nicht gekündigt. Nach der von einer Steuerberatungsgesellschaft ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 2.11.2005 war die Kündigung am 30.9.2005 wegen Betriebsaufgabe erfolgt; ebenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte die KG den Kläger gegenüber der Einzugsstelle abgemeldet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 13.10.2005 bis 30.5.2006 Alg im Wege der Gleichwohlgewährung (Bescheid vom 9.11.2005) und nachfolgend Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 6.11.2006 bis 5.2.2007 (Bescheid vom 14.6.2007). Auf einen weiteren Leistungsantrag vom 5.12.2006 bewilligte die Beklagte Alg ab 6.2. bis 7.8.2007 (Bescheid vom 8.1.2008).

4

Das Arbeitsgericht G. verurteilte die KG mit Versäumnisurteilen vom 24.5.2006 und 25.5.2007 jeweils zur Zahlung des bis dahin aufgelaufenen Gehalts unter gleichzeitiger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbestehe.

5

Am 30.11.2007 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18.2.2008 und Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008). Sie wies darauf hin, dass der Kläger aufgrund seines Antrags vom 5.12.2006 Alg für 180 Tage erhalten habe. Ausgehend von dem neuerlichen Antrag vom 30.11.2007 laufe die Rahmenfrist somit vom 5.12.2006 bis 29.11.2007. Innerhalb dieser 360 Tage umfassenden Zeit habe der Kläger schon wegen des Insg-Bezugs nicht durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

6

Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) ergingen weitere arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile vom 8.10.2009 und 13.4.2010, in denen der unveränderte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der KG festgestellt wurde. Das SG hat - nach Beweiserhebung - die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 5.12.2007 Alg für sechs Monate zu gewähren (Urteil vom 25.8.2009).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.6.2011). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Ansicht des SG habe der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Unabhängig davon, wie die Rahmenfrist zu bestimmen sei, habe keine Versicherungspflicht mehr bestanden, sodass der Kläger in keinem Fall die erforderlichen zwölf Monate (360 Tage) Versicherungszeit zurückgelegt habe. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Maßgeblichkeit des rechtlichen Fortbestands des Arbeitsverhältnisses (vgl ua BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16) könne entgegen der Annahme des Klägers nicht abgeleitet werden, dass in jedem Fall allein der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigung iS des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) begründe. Angesichts des Verhaltens der KG, die Versäumnisurteile gegen sich habe ergehen lassen und sich letztlich um den formalen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gekümmert habe, könne der äußerliche Bestand eines Arbeitsverhältnisses nicht maßgebend für die Beurteilung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sein. Denn es fehle an dem nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen "Vollzug" des Arbeitsverhältnisses (SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und Nr 10 mwN). Die KG sei nicht nur von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2005 ausgegangen, sondern habe insbesondere auf ihre Verfügungsbefugnis verzichtet und es sei auch keine Betriebsorganisation mehr vorhanden gewesen, in die der Kläger hätte eingegliedert werden können. Unabhängig davon, dass schon viel für eine Beendigung der Beschäftigung des Klägers im Oktober/November 2005 spreche, habe spätestens mit der Anmeldung des Erlöschens der Firma durch die Liquidatoren am 1.6.2007 festgestanden, dass es (endgültig) keine Geschäftstätigkeit der KG und damit auch keinerlei Grundlage für eine irgendwie geartete Tätigkeit des Klägers mehr gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, entgegen der Rechtsansicht des LSG habe er weiterhin in einem Versicherungspflichtverhältnis iS von § 25 Abs 1 S 1 SGB III gestanden. Nach der Rechtsprechung des BSG vollziehe sich die Bewertung des Fortgangs eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinne wesentlich nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Daher sei maßgeblich für die Beendigung der Beschäftigung grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern vielmehr das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsrechtlichen Bandes als auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug begründeten. Aus diesem Grund setze eine versicherungspflichtige Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne auch nicht etwa zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers voraus. Soweit darüber hinaus weitere Voraussetzung der Versicherungspflicht die Entgeltlichkeit der Beschäftigung sei, sei diese nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere auch dann erfüllt, wenn sich der Entgeltanspruch aus Annahmeverzug des Arbeitgebers ergebe. Entscheidend sei somit nach der Rechtsprechung des BSG der Fortbestand des Rechts-/Arbeitsverhältnisses und der Fortbestand der rechtlichen Leistungspflicht. Diese beiden Voraussetzungen seien bei ihm jedoch ohne Weiteres erfüllt.

9

Soweit das LSG trotz unzweifelhaft fortbestehenden Arbeitsverhältnisses eine Beendigung seines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses wohl bereits "im Oktober/November 2005" angenommen habe, sei dies rechtsfehlerhaft und stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und B 12 KR 27/07 R, BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10 sowie insbesondere Urteil vom 17.12.1985 - 12 RK 51/85). Dem stehe auch der Hinweis des LSG auf das Urteil des BSG vom 3.6.2004 (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16) nicht entgegen. Denn die dortigen Ausführungen, dass zumindest bei missbräuchlichem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzprozess in Ausnahmefällen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu verneinen sein könne, seien durch die neueren Entscheidungen des BSG relativiert worden. Außerdem habe das BSG in dem genannten Urteil ausdrücklich vom theoretischen Ausnahmefall eines außerhalb der Dispositionsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzprozess liegenden missbräuchlichen Verhaltens gesprochen und damit klargestellt, dass dieses jedenfalls ein kollusives, auf den Missbrauch des Sozialversicherungsschutzes gerichtetes Zusammenwirken von Arbeitnehmer und Arbeitgeber voraussetze. Für ein solches kollusives Zusammenwirken seien nach den tatsächlichen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Ebenso wenig vermöge die Ansicht des LSG zu überzeugen, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis jedenfalls mit der (angenommenen) Beendigung der Liquidation seines Arbeitgebers und der Anmeldung des Erlöschens des Unternehmens zur Eintragung in das Handelsregister unter dem 1.6.2007 geendet habe. Denn das Arbeitsverhältnis habe - völlig unberührt von der Anmeldung des Erlöschens des Arbeitgebers zur Eintragung in das Handelsregister - unverändert fortbestanden. Insoweit werde auf die arbeitsgerichtlichen Urteile verwiesen.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. August 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des BSG (SozR 4-4300 § 123 Nr 2) die Beantwortung der Frage, wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliege, aus § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III ergebe. Diese Vorschrift knüpfe nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse. Beschäftigungslosigkeit sei deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben. Die Beschäftigungslosigkeit und damit der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne in der Arbeitslosenversicherung unterscheide sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne. Insoweit sei die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BSG zum beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis nicht einschlägig.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

Das LSG hat zu Recht einen Anspruch auf Alg ab 5.12.2007 verneint.

15

Ob ein Anspruch auf Alg besteht, richtet sich nach § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis 31.3.2012 gültigen Fassung (, ab 1.4.2012 § 137 SGB III). Danach haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3).

16

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG lagen bei dem Kläger im Zeitraum ab 5.12.2007 die Voraussetzungen des § 118 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB III aF vor. Soweit der Begriff der Arbeitslosigkeit voraussetzt, dass der Arbeitnehmer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF, ab 1.4.2012 § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III), hat das LSG zutreffend angenommen, dass der Kläger im Zeitraum ab 5.12.2007 trotz des möglichen Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses zur KG beschäftigungslos war. Denn § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse. Dies verdeutlicht auch die Vorschrift des § 143 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 157 SGB III), die einerseits ein Ruhen des Anspruchs auf Alg während des Bezugs von Arbeitsentgelt vorsieht (Abs 1 S 1) und andererseits die Gewährung von Alg im Fall der Nichterfüllung aktueller Ansprüche auf Arbeitsentgelt (sog Gleichwohlgewährung, Abs 3 S 1; vgl zuletzt BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 12 und BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 9, jeweils mwN).

17

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist auch davon auszugehen, dass bei dem Kläger in der fraglichen Zeit die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Arbeitslosigkeit (§ 119 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB III aF) sowie die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosmeldung (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III aF) erfüllt waren.

18

2. Der Kläger hat jedoch, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF).

19

a) Nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 144 Abs 1 S 1 SGB III) hat die Anwartschaftszeit zurückgelegt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate (360 Tage, § 339 S 1 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs 1 S 1 SGB III aF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Sie reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 124 Abs 2 SGB III aF); dies verkürzt die grundsätzlich zweijährige Rahmenfrist, damit dieselben Beschäftigungszeiten nicht mehrmals zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen (so bereits BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95 - zur weitgehend inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 117 Arbeitsförderungsgesetz). Die Verkürzung gilt auch in Fällen der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs 3 SGB III aF(vgl BSG, aaO S 98).

20

b) Da der Kläger innerhalb des zweijährigen Zeitraums vom 29.11.2007 (Arbeitslosmeldung am 30.11.2007) bis 30.11.2005 zuletzt aufgrund seines (zweiten) Leistungsantrags vom 5.12.2006 - nach vorherigem Bezug von Insg bis 5.2.2007 - Alg ab 6.2. bis 7.8.2007 bezogen hat, kann im vorliegenden Fall der Lauf einer Rahmenfrist nicht vor dem 5.12.2006 (Tag der zweiten Arbeitslosmeldung) beginnen. Dem steht auch nicht entgegen, dass in Fällen des § 143 Abs 3 SGB III aF mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein kann und der Antragstellung nunmehr nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt(vgl BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 17). Ob die Rahmenfrist - wie von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 18.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2008 zugrunde gelegt - vom 5.12.2006 bis 29.11.2007 (= 360 Tage) läuft oder - wovon das SG in seiner Entscheidung vom 25.8.2009 ausgegangen ist - erst am 5.12.2007 endet, bedarf hier - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger hat weder in diesem Zeitraum noch danach 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

21

c) Was unter dem Begriff Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF zu verstehen ist, erschließt sich aus § 24 SGB III. Danach stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind (Abs 1). Für Beschäftigte beginnt es mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (Abs 2 S 1) und endet mit dem Tag des Ausscheidens (Abs 4).

22

Der Begriff des Beschäftigten ist in § 25 Abs 1 S 1 SGB III umschrieben. Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, dessen sachlicher Anwendungsbereich sich auch auf das Arbeitsförderungsrecht erstreckt(§ 1 Abs 1 S 2 SGB IV), die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

23

Daraus folgt indes nicht, dass ein Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF iVm § 24 Abs 1 SGB III stets dann vorliegt, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse (vgl BSGE 73, 126, 127 f = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 mwN; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 41 mwN; Stand Einzelkommentierung März 2010). So müssen bei faktischer Beschäftigungslosigkeit Arbeitgeber wie Arbeitnehmer den Willen zur (wenn auch künftigen) Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses dokumentieren (vgl BSGE 73, 90, 96 = SozR 3-4100 § 101 Nr 4 mwN - zum Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses bei Krankheit, bezahltem Urlaub, Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts, zum Fortbestand trotz Inhaftierung des Arbeitnehmers bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber). Besteht ein solcher Fortsetzungswille nicht, endet auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses das eine Anwartschaftszeit begründende Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF mit dem tatsächlichen Ende der Beschäftigung, also dann, wenn Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt tatsächlich nicht mehr erbracht werden und der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet oder seine (arbeitsrechtliche) faktische Verfügungsmöglichkeit nicht wahrnimmt(vgl BSGE 73, 90, 94 = SozR 3-4100 § 101 Nr 4 S 8; BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15 - zur Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2001 - L 8 AL 368/00 - Juris RdNr 33 - zur Anwartschaftszeit).

24

d) Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse spricht im vorliegenden Fall - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - viel dafür, dass die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers bei der KG schon im Oktober/November 2005 beendet war. Denn nach den vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG bestand zu diesem Zeitpunkt der Mietvertrag für den Großmarkt in G. nicht mehr und war - was dem Kläger auch bekannt war - die Geschäftstätigkeit der KG eingestellt. Auf Seiten des Arbeitgebers bestand ferner kein Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr, vielmehr ging die KG - dokumentiert durch die erfolgte Abmeldung (vgl § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV) und die Arbeitgeberbescheinigung vom 2.11.2005 - von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2005 aus. Doch es bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung, ob im Rückblick die Beklagte zu Recht oder zu Unrecht ab 13.10.2005 bzw ab 6.2.2007 Alg im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlt hat. Dies gilt umso mehr, als diese Vorschrift eine schnelle Überbrückung von Notlagen in unklaren Fällen sichern soll, sodass es (zunächst) genügt, wenn Ansprüche gegen den Arbeitgeber möglicherweise bestehen oder möglicherweise entstehen können (vgl auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 78; Düe in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl 2010, § 143 Nr 33). Jedenfalls fehlt es für den hier streitigen Anspruch des Klägers auf Alg ab 5.12.2007 an der erforderlichen Anwartschaftszeit, weil spätestens mit der Anmeldung des Erlöschens der KG im Juni 2007 kein Versicherungspflichtverhältnis mehr vorlag.

25

Zwar fällt in die maßgebliche Rahmenfrist (beginnend ab 5.12.2006) der Bezug von Insg. Doch der Bezug von Insg in der Zeit vom 6.11.2006 bis 5.2.2007 führt als solcher - wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zu Recht ausgeführt hat - nicht zum Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses. Vielmehr kann aus der Leistungsgewährung lediglich gefolgert werden, dass die Beklagte das für einen Anspruch auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 165 Abs 1 S 1 SGB III) erforderliche "Arbeitsverhältnis" und dessen Fortbestand bis zum 5.2.2007 (Tag vor dem Insolvenzereignis) bejaht hat. Doch selbst, wenn in diesem Zeitraum von einem Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF auszugehen wäre, ergäben sich (für die Zeit vom 5.12.2006 bis 5.2.2007) nur 63 Tage eines Versicherungspflichtverhältnisses als Voraussetzung der mindestens 360 Tage erfordernden Anwartschaftszeit.

26

Die für die Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlichen Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses hat der Kläger auch in der anschließenden Zeit nicht zurückgelegt. Wenn nicht schon die nach der Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erfolgte Eintragung der Auflösung der KG im Handelsregister am 30.3.2007 als Endzeitpunkt angesehen werden kann (vgl § 60 Abs 1 Nr 5, § 65 Abs 1 GmbH-Gesetz sowie § 161 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 Handelsgesetzbuch), wird jedenfalls durch die am 1.6.2007 erfolgte Anmeldung des Erlöschens der KG durch die Liquidatoren zur Eintragung im Handelsregister (§ 74 Abs 1 GmbHG; § 157 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB) dokumentiert, dass jegliche realistische Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen war. Ein weiteres Festhalten des Klägers an seinem Arbeitsverhältnis war unter diesen Voraussetzungen - wie es das LSG ausgedrückt hat - als bloße verbale Bekundung oder "leere Hülse" anzusehen (vgl BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15 - zur Beschäftigungslosigkeit).

27

e) Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 3.6.2004 (BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2) - in Fortführung der früheren Rechtsprechung des BSG unter der Geltung des § 117 AFG - entschieden hat, dass durch eine während des Kündigungsschutzprozesses zurückgelegte Beschäftigungszeit die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt werden kann, auch wenn der Betreffende während dieser Zeit arbeitslos war und Arbeitslosenhilfe bezogen hat(aaO, RdNr 15). Soweit dort ausgeführt worden ist, für die Versicherungspflicht komme es nicht "ohne weiteres" auf das tatsächliche Ende der Beschäftigung an, sondern "ggf auf den Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses", bezogen sich diese Ausführungen auf einen Sachverhalt, der sich in wesentlichen Punkten vom vorliegenden Fall unterscheidet. Dort war der Kläger vom Arbeitgeber nach einer fristlosen Kündigung freigestellt worden und das Arbeitsverhältnis im anschließenden Kündigungsschutzprozess durch arbeitsgerichtlichen Vergleich unter Wahrung der geltenden tariflichen Kündigungsfrist beendet worden. Damals war also - anders als im vorliegenden Fall, jedoch übereinstimmend mit früheren Entscheidungen des BSG (vgl ua SozR 3-4100 § 117 Nr 17 und auch die vom Senat in Bezug genommene, beitragsrechtliche Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 25.9.1981 - 12 RK 58/80 - BSGE 52, 152, 156 = SozR 2100 § 25 Nr 3) - der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses (durch Urteil oder Vergleich) genau festgelegt und die Arbeitnehmer erhielten entsprechende Gehaltsnachzahlungen des Arbeitgebers (vgl hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.11.2009 - L 11 AL 208/06 - Juris RdNr 19, 21 - zur wiederholten Leistungsgewährung; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.6.2010 - L 9 AL 143/07 - Juris RdNr 37, zum Nichtbestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses). Im Unterschied zum vorliegenden Fall hatte der Senat in der Entscheidung vom 3.6.2004 (aaO) über die erstmalige Erfüllung der Anwartschaftszeit nach dem tatsächlichen Ende der Beschäftigung zu befinden, nicht über eine (erneute) Erfüllung der Anwartschaftsvoraussetzungen. Darüber hinaus hat der Senat - worauf bereits das LSG zu Recht hingewiesen hat - schon in der Entscheidung vom 3.6.2004 klargestellt, dass es damals keine Hinweise für ein missbräuchliches Verhalten, das in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, gegeben habe (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16).

28

f) Soweit der Kläger meint, dieser Hinweis in der Senatsentscheidung vom 3.6.2004 könne möglicherweise durch die zeitlich späteren Entscheidungen des 12. Senats vom 24.9.2008 (B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und B 12 KR 27/07 R - BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10) inhaltlich überholt sein, ist dies unzutreffend. Im Gegenteil ist in diesen Entscheidungen, bei denen es um die Versicherungspflicht von Zeiten der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung bei fortlaufender Zahlung des Arbeitsentgelts bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ging, klargestellt worden, dass grundsätzlich eine Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV den "Vollzug" eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, wie etwa des im Gesetz exemplarisch genannten Arbeitsverhältnisses, erfordert. Aus Anlass der konkret zu entscheidenden Sachverhalte hat der 12. Senat ferner klargestellt, dass eine tatsächliche Arbeitsleistung nicht zwingende Voraussetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 15 und RdNr 22 bis 23). Der 12. Senat hat also in den genannten Entscheidungen festgehalten, dass grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung für das Ende der Beschäftigung maßgeblich ist, sondern das "kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die iS der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug … begründen". Daraus wird deutlich, dass gerade nicht - wie offenbar der Kläger meint - ein Fortbestand des arbeitsvertraglichen Bandes und der daraus folgenden rechtlichen Leistungspflichten genügt, sondern, dass trotz Freistellung ein Fortsetzungswille von Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich ist, der ua auch durch die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts zum Ausdruck gebracht werden kann.

29

Nur wegen des Erfordernisses eines derartigen "Vollzugs" des Arbeitsverhältnisses hat auch der 12. Senat in seinen Entscheidungen zur Freistellung bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts die Gefahr eines Missbrauchs der Sozialversicherung oder gar eines "Erschleichens" von Sozialversicherungsschutz als generell gering eingestuft (vgl ua BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 20; Schlegel, NZA 2005, 972, 976; Berchtold in Gagel/Weiß, Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts, § 12 C RdNr 31 f).

30

3. Im Fall des Klägers kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG fehlt es jedenfalls am erforderlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses. Spätestens mit der Anmeldung der Beendigung der Liquidation durch die Liquidatoren am 1.6.2007 war jede realistische Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen. Denn damit dokumentierten die Liquidatoren die Beendigung der Abwicklung der Gesellschaft (vgl § 74 Abs 1 GmbHG; § 157 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB). Schon zuvor war die KG zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers mangels Geschäftsbetriebs in G. und Verlagerung des Firmensitzes nach P. tatsächlich nicht mehr in der Lage. Sie konnte als Arbeitgeber ihre Verfügungsmacht über den Kläger gar nicht mehr ausüben und umgekehrt war der Kläger weder in einen vorgegebenen Arbeitsablauf eingegliedert noch erhielt er seit Oktober 2005 Arbeitsentgelt.

31

Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, sein Arbeitsverhältnis mit der KG habe nach den rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen vom 25.5.2007 und 13.4.2010 - letzteres Urteil nunmehr gerichtet gegen die Liquidatorin, vertreten durch ihren Nachtragsliquidator - weiter fortbestanden und die der Auflösung folgende Liquidation der KG habe rechtlich keineswegs die Beendigung der Geschäftstätigkeit der KG bedeutet (vgl § 70 GmbHG; § 149 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB). Abgesehen davon, dass es sich bei den arbeitsgerichtlichen Entscheidungen lediglich um Versäumnisurteile handelt und diesen grundsätzlich keine Tatbestandswirkung für das sozialrechtliche Verfahren zukommen kann, weil sie nur auf dem jeweiligen Parteivorbringen und einer Schlüssigkeitsprüfung beruhen (vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 9; Krodel in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl 2010, § 183 RdNr 105), folgt aus der gerichtlichen Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur KG keineswegs - wie der Kläger offenbar meint - der Fortbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Vielmehr kommt es - wie insbesondere unter 1. und 2. ausgeführt - für die Beschäftigung sowohl im leistungsrechtlichen als auch im beitragsrechtlichen Sinne auf den Vollzug des Arbeitsverhältnisses und die diesen Vollzug im Einzelfall näher begründenden Umstände an.

32

Es bedarf deshalb auch keiner Vertiefung, ob sich der Kläger zu Recht oder zu Unrecht auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mangels wirksamer schriftlicher Kündigung (vgl § 623 Bürgerliches Gesetzbuch) berufen hat und ob im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Einstellung der Geschäftstätigkeit bereits im Jahre 2005, die Geschäftsgrundlage für seine Weiterbeschäftigung entfallen oder die Berufung auf den Formmangel treuwidrig gewesen sein könnte (vgl zuletzt Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 659/03 - AP Nr 1 zu § 623 BGB; Urteil vom 24.8.1995 - 8 AZR 134/94 - BB 1995, 2584 - zum Wegfall der Geschäftsgrundlage; Henssen, DB 2006, 1613). Denn hierauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Es bedarf deshalb auch keiner weiteren Erörterung, welche rechtlichen Wirkungen die Anmeldung der Beendigung der Liquidation hatte und ob diese - wie der Kläger in der Revisionsbegründung geltend macht - verfrüht war oder die Liquidation dann fortzusetzen gewesen wäre, wenn sich ein bislang unbekanntes Vermögen der KG ergeben hätte. Ein solcher Extremfall ist weder vom LSG festgestellt noch wird er vom Kläger selbst substanziell vorgetragen; außerdem geht es bei dem Zeitpunkt der Anmeldung der Beendigung der Liquidation allein darum, dass dadurch mit Außenwirkung dokumentiert war, dass auf Seiten der KG jeglicher Wille zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, insbesondere auch zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers, gefehlt und insoweit keine Verfügungsmöglichkeit mehr bestanden hat.

33

4. Entgegen der Meinung des Klägers verlangt schließlich auch die Schutzfunktion der Versicherungspflicht keine andere rechtliche Beurteilung. Denn die Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes endet dort, wo von einem ausreichenden Vollzug einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr die Rede sein kann. Gegenteiliges lässt sich nicht der von der Revision zitierten Rechtsprechung des BSG, insbesondere der Entscheidung vom 26.11.1985 (12 RK 51/83 - BSGE 59, 183 = SozR 4100 § 168 Nr 19) entnehmen, auf die sich im Übrigen nicht nur der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 3.6.2004 (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16), sondern auch der 12. Senat in seinen Entscheidungen vom 24.9.2008 (ua B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 16) bezogen hat. In diesen Entscheidungen ist lediglich klargestellt worden, dass die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit nicht schon mit der Freistellung endet, wenn ein Konkursverwalter das Arbeitsverhältnis nach Konkurseröffnung fristgemäß kündigt und den Arbeitnehmer "mit sofortiger Wirkung" von der Arbeit freistellt und dass dies auch für den Fall der sog Gleichwohlgewährung von Alg gilt. Wenn danach von einer grundsätzlichen Deckungsgleichheit von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis im Beitragsrecht auszugehen ist, folgt hieraus nicht, dass dies ausnahmslos ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles und unbesehen von den leistungsrechtlichen Folgen gilt. Aus Anlass der konkret zu entscheidenden Fallgestaltungen bestand für das BSG bisher auch keine Veranlassung, sich zu der streitgegenständlichen Frage einer erneuten Erfüllung der Anwartschaftsvoraussetzungen und einer wiederholten Inanspruchnahme von Leistungen im Wege der Gleichwohlgewährung zu äußern.

34

Der Schutzzweck der Gleichwohlgewährung und eines beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses würde verfehlt, wenn - wie der Kläger geltend macht - ein formal noch nicht beendetes, aber langfristig nicht mehr in Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis selbst nach Auflösung und Liquidation des Unternehmens noch sozialrechtliche Positionen in Gestalt der Begründung neuer Anwartschaftszeiten und daraus folgender Leistungsansprüche - wie der Kläger ausdrücklich vorträgt, ggf bis zur Rente - begründen könnte (wie der Senat im Ergebnis auch Schweiger, NZS 2001, 519, 522 - zu den Auswirkungen des § 623 BGB auf die sog Gleichwohlgewährung).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Die Rahmenfrist beträgt 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(2) Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

(3) In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer

1.
arbeitslos ist,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 wird zurückgewiesen.

Für den Rechtsstreit sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus der Seemannskasse, die seit dem 1.1.2009 anstelle der See-Berufsgenossenschaft (See-BG) von der Beklagten geführt wird.

2

Der am 1942 geborene Kläger ist zur See gefahren. Zum 31.12.2007 schied er aus der seemännischen Beschäftigung aus und bezieht seit dem 1.1.2008 eine Altersrente. Ende 2007 plante die Seemannskasse die Einführung einer Leistung, die sie als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" bezeichnen wollte. Die Leistung sollte an den Eintritt der Regelaltersgrenze anknüpfen und neben der Altersvollrente erbracht werden. Am 6.11.2007 beschloss die Vertreterversammlung der See-BG eine entsprechende Änderung der Satzung mit Wirkung zum 1.1.2008. Die betroffenen Versicherten wurden ab Ende März 2008 mit der ihnen übersandten Zeitschrift See und Sicherheit Nr. 1/2008 über eine geplante "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" informiert. Im Juni 2008 wurden auch die Versicherten der Geburtsjahrgänge 1937 bis 1942 persönlich angeschrieben. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte die Genehmigung zur Änderung der Seemannskasse im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung der neuen Leistung zunächst versagt. Die Genehmigung der "von der Vertreterversammlung der See-Berufsgenossenschaft am 6. November 2007 beschlossenen Neufassung der Satzung der Seemannskasse" erfolgte gemäß § 34 Abs 1 S 2 SGB IV iVm § 143 Abs 1 SGB VII unter dem 6.11.2008, nachdem ua § 143 SGB VII geändert worden war. Mit Schreiben vom selben Tag hatte das BVA die Beklagte außerdem darauf hingewiesen, dass "die textliche Angleichung der Satzung an den Wortlaut des durch Artikel 1 Nr. 18 geänderten § 143 SGB VII in den §§ 9, 17, 20 Abs. 1 Satz 3 und § 21 Abs. 6 als redaktionelle Änderungen im Rahmen der Drucklegung erfolgen" könne. Unter anderem in § 9 Nr 5 und § 17 der in der Zeitschrift HANSA vom Dezember 2008 veröffentlichten Neufassung der Satzung wurde die neue Leistung aus der Seemannskasse daraufhin als "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" bezeichnet. Die veröffentlichte Neufassung enthält - ohne Hinweis auf die dort vorgenommenen Textänderungen - am Schluss eine wörtliche Wiedergabe der Genehmigung des BVA vom 6.11.2008.

3

Die Beklagte lehnte den am 10.9.2009 gestellten Antrag auf Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze ab. Der Kläger habe bereits vor dem 1.1.2008 die Regelaltersgrenze erreicht und sei auch vor diesem Tag aus der Seefahrt ausgeschieden (Bescheid vom 6.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 21.1.2010).

4

Das SG Stade hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.11.2011). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat auf die Berufung des Klägers die Bescheide der Beklagten und den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe ihre Entscheidung auf Satzungsbestimmungen gestützt, die mit höherrangigem Recht unvereinbar seien. Der Beklagten obliege es, die entsprechenden Bestimmungen ihrer Satzung neu zu fassen und sodann das Begehren des Klägers neu zu prüfen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer völligen Verkennung der "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" und einer Missachtung des im Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130) und in den Vorschriften des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII aF und § 137b Abs 1 S 2 SGB VI zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens. Bei dieser Leistung handele es sich um eine neue, vom Überbrückungsgeld unabhängige Leistung, die arbeitsmarktpolitischen und versichertenbezogenen Zwecken diene und von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Selbst wenn § 17 S 3 der Satzung der Seemannskasse (zukünftig: Satzung) eine Stichtagsregelung sei, stelle die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine neue Leistung dar, weshalb es sachgerecht sei, den Tag für den frühesten Erhalt der Leistung auf den Tag des Inkrafttretens der Neuregelung der Satzung zu legen. Die zeitliche Abgrenzung berücksichtige ferner die zukunftsgerichtete Zwecksetzung und den Umstand, dass die zu erbringenden Leistungen von den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln gedeckt sein müssten.

6

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das LSG hat gegen Bundesrecht verstoßen, indem es den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet hat, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

10

Die Revision ist zulässig. Beteiligtenfähig (§ 70 SGG) ist die Beklagte, nicht aber die Seemannskasse. Die Seemannskasse wird mit Wirkung vom 1.1.2009 unter ihrem Namen durch die Beklagte als Träger der allgemeinen Rentenversicherung nach den §§ 137b bis 137e SGB VI weitergeführt(§ 137a SGB VI). Ihr Vermögen ist zum 1.1.2009 mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen (§ 137c Abs 1 SGB VI). Zu diesem Zeitpunkt ist die Beklagte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl BT-Drucks 16/9154 S 43) in die Rechte und Pflichten der See-BG bzw - soweit die Seemannskasse teilrechtsfähig war (vgl dazu Waibel, WzS 2003, 238, 243) - der Seemannskasse eingetreten. Damit ist die Seemannskasse selbst jedenfalls seit dem 1.1.2009 weder Trägerin von Rechten und Pflichten noch über § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig.

11

Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Selbst wenn das LSG (zu Recht) von der Nichtigkeit der im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers inzident überprüften Satzung der Beklagten überzeugt gewesen wäre, hätte es die Beklagte nicht verurteilen dürfen. Auch dann hätte es grundsätzlich und in aller Regel dem Ermessen der Beklagten als Normgeber überlassen bleiben müssen, wie die sich ergebende Lücke zu schließen ist. Andernfalls griffe das LSG in die dem Normgeber (Satzungsgeber) vorbehaltene Gestaltungsfreiheit ein, die ihm trotz zustehender Kontroll- und Verwerfungskompetenz über untergesetzliche Normen nicht zusteht (vgl BVerfGE 115, 81, 93 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 45 sowie BVerwGE 102, 113, 117 f). Eine Rechtsschutzmöglichkeit, um den Erlass untergesetzlicher Normen durchzusetzen, gibt es daher grundsätzlich nicht. Dem Berufungsgericht war es folglich verwehrt, das Begehren des Klägers abweichend von seinem Antrag im Sinne einer von ihm angenommenen kombinierten Anfechtungs- und Verbescheidungsklage zu verstehen. Eine zusätzliche Feststellungsklage, um effektiven Rechtsschutz iS von Art 19 Abs 4 GG zu erlangen, hat der Kläger vor den Instanzgerichten nicht erhoben, obwohl ein derartiges Rechtsschutzbegehren grundsätzlich möglich gewesen wäre. Denn auch die Rechtsetzung der Exekutive in der Form von Rechtsverordnungen und Satzungen ist Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einzubeziehen (vgl BVerfG, aaO, S 92 bzw RdNr 40). Die Erhebung einer Feststellungsklage vor dem BSG im Rahmen des Revisionsverfahrens ist nicht (mehr) möglich (vgl § 168 S 1 SGG sowie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 99 RdNr 12 und § 168 RdNr 2b).

12

Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger auf der Grundlage des geltenden Bundesrechts keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Weder unmittelbar das geltende Gesetzesrecht noch eine der in Betracht kommenden Textfassungen der Satzung der Beklagten für Zeiten ab dem 1.1.2008 vermittelt denkbar ein entsprechendes Recht.

13

Nach der in der Zeitschrift HANSA im Dezember 2008 veröffentlichten Fassung erhält ein Versicherter auf Antrag eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze", wenn er auf Dauer als Seemann nicht mehr tätig ist und die Wartezeit sowie die Halbbelegung erfüllt (vgl § 9 Nr 7, § 10 Abs 1 bis Abs 3 der Satzung). Ein Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Versicherte die Regelaltersgrenze noch vor dem 1.1.2008 erreicht hat und aus der Seefahrt ausgeschieden ist (vgl § 17 S 3 iVm S 1 der Satzung). Vorliegend hat der am 1942 geborene Kläger nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG die Regelaltersgrenze am 2007 erreicht und ist vor dem 1.1.2008, hier zum 31.12.2007, aus der Seefahrt ausgeschieden. Ein Anspruch scheidet damit nach § 17 S 3 der Satzung aus.

14

Die Beklagte konnte sich für den Erlass einer so gefassten Satzung und des hierauf gestützten (ablehnenden) Verwaltungsakts auf die Ermächtigung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) bzw auf § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung des UVMG vom 30.10.2008, aaO) stützen. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelungen beruht auf Art 74 Nr 12 GG.

15

Nicht einschlägig ist demgegenüber § 143 Abs 1 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407). Nach dieser Vorschrift konnte die See-BG unter ihrer Haftung mit Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt an Seeleute sowie Küstenschiffer und Küstenfischer, die nach § 2 Abs 1 Nr 7 SGB VII versichert sind, eine Seemannskasse mit eigenem Haushalt einrichten(Satz 1). Die Mittel für die Seemannskasse waren im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert waren oder die bei ihr Versicherte beschäftigten (Satz 2). Das Nähere, insbesondere über die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen sowie die Festsetzung und die Zahlung der Beiträge, bestimmte die Satzung; die Satzung konnte auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen (Satz 3). Die Satzung bedurfte der Genehmigung des BVA (Satz 4).

16

Durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) wurden in § 143 Abs 1 S 3 SGB VII die Worte "die Satzung kann auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen" durch die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" ersetzt. Die Möglichkeit, in der Satzung die Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorzusehen, wurde in dem neu eingefügten § 143 Abs 1 S 4 SGB VII geregelt. Die Änderungen des § 143 SGB VII traten gemäß Art 13 Abs 3 UVMG rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft. Gemäß Art 2 Nr 2 iVm Art 13 Abs 3 UVMG wurde § 143 SGB VII zum 1.1.2009 aufgehoben. Gleichzeitig traten die Regelungen der §§ 137a ff SGB VI in Kraft(Art 5 iVm Art 13 Abs 4 UVMG). Nach § 137b Abs 1 S 1 SGB VI ist Aufgabe der Seemannskasse die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres an die bei ihr versicherten Seeleute sowie an Küstenschiffer und Küstenfischer, die aus der Seefahrt ausgeschieden sind. Nach S 2 dieser Regelung kann die Satzung ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen.

17

Mit der Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einer ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze als zugelassene Aufgabe (§ 30 Abs 1 SGB IV) hat der Gesetzgeber einen Anreiz für ältere Berufsseeleute bezweckt, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine, wenn auch geringere Leistung in Anspruch nehmen zu können. Ein weiteres Ziel war die Deckung des Bedarfs an qualifiziertem Personal, der aufgrund der im Rahmen des "maritimen Bündnisses" zugesagten Rückflaggungen entstanden war (BT-Drucks 16/9154 S 29). Dieses weitere Ziel macht die Leistung aber - anders als das LSG meint - nicht etwa zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die vom Bund finanziert werden müsste (vgl BSGE 81, 276, 285 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1). Der verfassungsrechtliche weite Gattungsbegriff der "Sozialversicherung" schließt eine zur Grundversorgung hinzutretende Zusatzversorgung ein (BVerfGE 63, 1, 36). Die Beschränkung auf eine Notlage gehört hingegen nicht zu ihren konstituierenden Merkmalen. Außer dem Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten ist (nur) die Art und Weise kennzeichnend, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt wird. Die hierzu berufenen Träger der Sozialversicherung sind selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen (BVerfGE 11, 105, 113).

18

Diese wesentlichen Strukturmerkmale der klassischen Sozialversicherung sind vorliegend erfüllt. Die Leistungen werden aus den Mitteln der Seemannskasse erbracht, die grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen sind, wobei die gesetzlichen Regelungen auch eine Beteiligung der Seeleute ermöglichen. Träger der Leistungen sind eigenständige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Die auszugleichende besondere Last liegt in der Bereitschaft, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung in der Seefahrt tätig zu sein, obwohl nach dem 71. Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) - das die Bundesrepublik zwar nicht ratifiziert hat, dessen Grundanliegen der Gewährung einer vorgezogenen Altersrente für Seeleute aber schon bei der Entstehung des § 891a RVO Berücksichtigung fand(vgl die Ausführungen des Abgeordneten Orgaß in der 197. Sitzung der 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 11650 A) - das System der Rentenversicherung für Seeleute so zu gestalten ist, dass Altersrenten bereits bei Erreichung des 55. oder 60. Lebensjahres zu gewähren sind.

19

Existenz erlangt eine Satzung erst mit ihrer öffentlichen Bekanntmachung. Gemäß § 34 Abs 2 SGB IV ist die Satzung, die sich ein Versicherungsträger gibt, öffentlich bekannt zu machen. Sie tritt, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und erlangt damit rechtliche Geltung. Nach der Grundregel des § 34 Abs 2 S 2 SGB IV iVm § 33 der Satzung wäre die Änderung der Satzung erst am Tag nach der Bekanntmachung in der Dezemberausgabe 2008 der "HANSA", Zeitschrift für Schifffahrt, Schiffbau, Hafen in Hamburg in Kraft getreten. Abweichend hiervon bestimmt § 34 der Satzung im Einklang mit der entsprechenden Ermächtigung in § 34 Abs 2 S 2 SGB IV das Inkrafttreten der Satzungsänderung spezialgesetzlich mit Wirkung vom 1.1.2008. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung lag damit vor dem der Bekanntmachung in der Vergangenheit. Das ist grundsätzlich zulässig (Finkenbusch, WzS 1992, 1, 10; aA Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 35), zumal Satzungsänderungen nicht vor Erteilung der Genehmigung durch das BVA bekannt gemacht werden dürfen (Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 34 RdNr 83), sodass die wirksame Wahrnehmung der Selbstverwaltungskompetenz bei einer Abhängigkeit des Zeitpunkts des Inkrafttretens von dem Datum der Genehmigung behindert werden könnte.

20

Die Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung bedurfte einer gesetzlichen Ermächtigung, die bis zur Neufassung des § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII durch das UVMG vom 30.10.2008 (aaO) zum 1.1.2008 nicht vorlag.

21

Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden (BVerfGE 10, 20, 49 f). Der Gesetzgeber begibt sich mit der Verleihung dieser Autonomie innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs seiner Regelungsbefugnis und ermächtigt einen bestimmten Kreis von Bürgern, durch demokratisch gebildete Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Er darf sich aber seiner Rechtssetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen völlig preisgeben (BVerfGE 33, 125, 158). Der Gesetzesvorbehalt aus Art 20 Abs 3 GG verlangt, dass staatliches Handeln durch förmliches Gesetz legitimiert ist. Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das GG ist, liegt es nahe anzunehmen, dass die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muss, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des "Eingriffs" (BVerfGE 40, 237, 249).

22

Unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber mit dem allgemeinen einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 37).

23

Nicht maßgeblich ist insofern, ob die Satzungsregelung den Bürger belastet und ihm Pflichten auferlegt oder ob er aus ihr Rechte herleiten kann. Der Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I gilt bereits seinem ausdrücklichen Wortlaut nach("Rechte") auch für begünstigende Handlungen und macht somit selbst bei der Leistungsgewährung eine gesetzliche Grundlage erforderlich (Weselski in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 31 RdNr 9). Infolgedessen kann der Gesetzgeber die Satzungsautonomie insoweit einschränken, als Satzungsregelungen über zu gewährende Leistungen nur zulässig sind, soweit das Gesetz solche Leistungen zulässt (BSG SozR 4-7862 § 9 Nr 3 RdNr 18). Ergänzend bestimmt § 30 Abs 1 SGB IV, dass Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden dürfen.

24

Zur Einführung einer Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze war die See-BG erst seit dem 1.1.2008 durch § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII(in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) ermächtigt. Die Einführung einer Ermächtigungsnorm für die Gewährung ergänzender Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze - die grundsätzlich dazu führt, dass eine Vollrente bezogen werden kann - war nicht bereits durch die Ermächtigung zur Gewährung eines Überbrückungsgelds gedeckt. Weil die ergänzende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine andere Zielrichtung als das Überbrückungsgeld verfolgt, handelt es sich bei der Ermächtigung zu ihrer Regelung auch nicht um eine gesetzgeberische "Klarstellung", sondern nach Wortlaut und Inhalt um die erstmalige Einführung einer besonderen Ermächtigungsgrundlage.

25

Zweck der Gewährung eines Überbrückungsgelds ist es, ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Seefahrt zu ermöglichen oder zu erleichtern. Mit dem Überbrückungsgeld wird den besonderen Belastungen der Seeschifffahrt Rechnung getragen und dem Seemann vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine Versorgung gewährleistet, die die Lücke in der Zeit zwischen der Aufgabe der Seeschifffahrt und dem Beginn der allgemeinen Altersversorgung schließt (vgl Göttsch in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd 3, 4. Aufl, Stand April 2009, § 143 aF SGB VII RdNr 2). Nähert sich der Seemann beim Ausscheiden aus der Seefahrt dem Rentenalter, wird durch das Überbrückungsgeld de facto das Rentenalter für Seeleute vorgezogen (Orgelmann, Die Seemannskasse in § 891a RVO - Geschichte, Struktur und Funktion - Diss Bremen 1980, S 147). Ist die Regelaltersgrenze erreicht, kommt dem Zweck des Überbrückungsgelds keine Bedeutung mehr zu. Daher ist der Anspruch auf Überbrückungsgeld ausdrücklich an die negative Tatbestandsvoraussetzung geknüpft, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Vollrente wegen Alters nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegen (§ 10 Abs 1 S 2 der Satzung). Von einer derartigen Beschränkung gingen auch frühere Fassungen der Satzung aus (vgl BSG vom 14.11.1984 - 1 RS 4/83 - SozR 2200 § 891a Nr 4 S 6; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 11.5.2001 - L 3 RJ 78/00 - Juris RdNr 39; LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.12.2004 - L 1 RA 40/04 - Juris RdNr 29) aus.

26

Demgegenüber verfolgt die vorliegend in Frage stehende Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze einen anderen - demjenigen des Überbrückungsgelds entgegengesetzten - Zweck. Durch die Ergänzung des § 143 S 3 SGB VII(idF ab 1.1.2008) um die Worte "die Satzung kann ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen" sollte die Aufgabenstellung der Seemannskasse erweitert werden. Alleinige Aufgabe der Seemannskasse war es bis zum 31.12.2007, eine zusätzliche soziale Sicherung für Berufsseeleute zu schaffen, die ihnen in der Zeit ab der Vollendung des 55. Lebensjahres durch Zahlung eines Überbrückungsgelds das Ausscheiden aus der Seefahrt und ggf die Aufnahme einer Beschäftigung an Land erleichterte. Durch die Erweiterung der Vorschrift sollte den veränderten Beschäftigungsbedingungen in der deutschen Seeschifffahrt Rechnung getragen werden. Dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, einen Anreiz für ältere Berufsseeleute zu setzen, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden und dennoch eine Leistung in Anspruch nehmen zu können (vgl BT-Drucks 16/9154 S 29). Der Versicherte, dem trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen in der Seefahrt eine Tätigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze möglich ist, soll hiervon nicht durch den "Fehlanreiz" eines Überbrückungsgelds bei vorzeitigem Ausscheiden abgehalten werden. Im Ergebnis geht es darum, die Versicherten zu einer Tätigkeit in der Seefahrt bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze anzuhalten, indem den durch das Überbrückungsgeld geschaffenen finanziellen Anreizen durch Setzung eines finanziellen Gegenanreizes entgegengewirkt wird. Insofern wird den Versicherten entgegen der Ansicht des LSG kein finanzieller Nachteil bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Seefahrt, sondern im Vergleich mit der Rechtslage vor dem 1.1.2008 ein finanzieller Vorteil bei Verbleib in der Seefahrt in Aussicht gestellt.

27

Ebenfalls entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begrenzt die so verstandene Ermächtigung zur Einführung "ergänzender Leistungen" die Satzungsbefugnis logisch und rechtlich nicht auf weitere Leistungen, die ihrer grundsätzlichen Zielrichtung nach das mit dem Überbrückungsgeld als "Hauptleistung" verfolgte Ziel erreichen können.

28

Die Satzung kann "ergänzende Leistungen für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze" vorsehen. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass das Überbrückungsgeld nach der gesetzlichen Ermächtigung an Versicherte ab der Vollendung des 55. Lebensjahres gezahlt werden kann, dagegen die ab dem 1.1.2008 neu eingeführte Leistung aber das Erreichen der Regelaltersgrenze voraussetzt und sich daher an unterschiedliche Zielgruppen richtet. Ist die Zielgruppe nicht identisch, kann die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze nur die Gesamtkonzeption der Leistungen der Seemannskasse als Vorruhestands- und Zusatzversorgungskasse (vgl BT-Drucks 16/9154 S 42) ergänzen, nicht aber die - kontradiktorische - Leistung des Überbrückungsgelds. Dessen Anwendungsbereich entfällt vielmehr notwendig, sobald die Regelaltersrente beansprucht werden kann, deren Fehlen es kompensieren sollte, während es sich umgekehrt bei einer neben der Regelaltersrente zu erbringenden Leistung nur um ein aliud gegenüber dem Überbrückungsgeld handeln kann.

29

Abermals entgegen der Ansicht des LSG ist eine "enge" Auslegung des Begriffs der ergänzenden Leistung für Versicherte nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VI(idF ab 1.1.2008) bzw § 137b Abs 1 S 2 SGB VI(idF ab 1.1.2009) auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus einer vermeintlich erhöhten Beitragsbelastung der Mitglieder. Der Normgeber hat diesem Aspekt bereits dadurch ausreichend Beachtung geschenkt, dass er durch die Wahl einer Stichtagsregelung einen Eingriff in bereits abgeschlossene Rentenbiographien vermieden und durch die Beschränkung der begünstigenden Neuregelung auf Rentenneuzugänge eine erst allmählich zunehmende Belastung der Finanzierungsgemeinschaft sichergestellt hat (vgl zur Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise in der Sozialversicherung BVerfG vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90 und 1 BvR 761/91 - BVerfGE 87, 1, 43 ff = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Der Kläger ist zu keinem Zeitpunkt mit der Finanzierung der neuen Leistung belastet worden, kann sich aber auch umgekehrt nicht denkbar darauf berufen, er habe durch von ihm getragene Beiträge bereits entsprechende Anwartschaften erworben. Zudem wird schließlich gemäß § 19 Abs 5 S 1 der Satzung die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze um alle nach § 9 Nr 1 bis 6 der Satzung zuvor gewährten Überbrückungsgelder vermindert und auch auf diese Weise eine Begrenzung der durch die neue Leistung verursachten Kosten erreicht.

30

Dass der Regelung über die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine echte Rückwirkung zukommt, macht die Satzung nicht unwirksam. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl BVerfGE 11, 139, 145 f; 101, 239, 263) oder wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, dh gültig geworden ist (vgl BVerfGE 63, 343, 353; zu alledem BVerfGE 126, 369, 391 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 71). Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines (materiellen) Gesetzes mit rückwirkender Kraft ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt (vgl BSG vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 70 f). Eine solche Belastung fehlt, wenn die streitige Satzungsnorm erstmalig Ansprüche der Versicherten der Seemannskasse regelt, für die es zuvor keine Anspruchsgrundlage gegeben hat (vgl BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 24). Dies ist hier der Fall. Gemäß § 143 SGB VII(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) konnte die See-BG unter ihrer Haftung die Seemannskasse lediglich für die Gewährung eines Überbrückungsgelds nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgelds auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt einrichten. Nur für diese beiden Leistungen als zugelassene Aufgaben iS des § 30 Abs 1 SGB IV durfte die Seemannskasse ihre Mittel verwenden. Dem folgten die Regelungen der Satzung. Erst im Zuge der Schaffung der gesetzlichen Ermächtigung in § 143 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB VII zum 1.1.2008 wurde ein Anspruch auf Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der Satzung - begünstigend - geregelt.

31

Die Einführung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze scheitert auch nicht an der Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sozialversicherungsbeiträge zeichnen sich durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung aus. Eine unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft vermag die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die Kompetenzvorschrift des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG lässt nur solche Finanzierungsregelungen zu, die einen sachlich-gegenständlichen Bezug zur Sozialversicherung aufweisen. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner Glieder stehen sie nicht zur Verfügung (vgl BVerfGE 75, 108, 148 = SozR 5425 § 1 Nr 1; BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55).

32

Diese Vorgaben sind bereits in den Regelungen der §§ 143 Abs 1 S 1 SGB VII(idF ab 1.1.2008) und 137c Abs 2 S 1 und 2 SGB VI (idF ab 1.1.2009) berücksichtigt, nach denen für die Seemannskasse (bis zum 31.12.2008) ein eigener Haushalt einzurichten war bzw (seit dem 1.1.2009) das Vermögen der Seemannskasse als Sondervermögen getrennt von dem sonstigen Vermögen der Beklagten zu verwalten ist, der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben dem Vermögen zuzuführen und ein etwaiger Fehlbetrag aus diesem zu decken ist.

33

Der Einwand des LSG, finanzielle Anreize für einen möglichst langen aktiven Dienst der Seeleute müssten allein aus allgemeinen Steuermitteln oder von den betroffenen Unternehmen geleistet werden, verfängt nicht. Denn die Mittel für die Seemannskasse sind grundsätzlich im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert sind oder die bei ihr Versicherte beschäftigen (§ 143 Abs 1 S 2 SGB VII bzw § 137c Abs 3 S 1 SGB VI). Darüber hinaus stellen die Regelungen des § 24 Abs 1 und 2 der Satzung sicher, dass die Unternehmer mindestens die Hälfte der Umlage aufbringen müssen.

34

Die Anknüpfung des Anspruchs an einen Stichtag (1.1.2008) verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Satzungen der Berufsgenossenschaften sind autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist. Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17 f mwN).

35

Die Wahl des Stichtages 1.1.2008 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Die Festlegung eines Stichtags für die Schaffung von Ansprüchen ist trotz der damit verbundenen Härten grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber seinen Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt und nicht als willkürlich erscheint (vgl BVerfGE 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73).

36

Vorliegend orientiert sich der gewählte Stichtag an der Einführung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Gewährung der Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Eine solche Lösung erscheint sachgerecht. Zum einen werden mit ihr einzelfallbezogene Ermittlungen einer Anspruchsdauer über die Fragen nach bereits bezogenen Überbrückungsgelds hinaus vermieden. Zudem war zu berücksichtigen, dass eine Lenkung des Ausscheideverhaltens Versicherter im Wege der Normsetzung durch die Selbstverwaltungsorgane insofern beschränkt war, als eine Abschaffung des Überbrückungsgelds zum 1.1.2008 an höheren Anforderungen zu messen ist als die Einführung einer neuen Leistung. Seit dem 1.1.2009 ist der Beklagten die Abschaffung des Überbrückungsgelds gänzlich verwehrt, da die Gewährung eines Überbrückungsgelds gemäß § 137b Abs 1 S 1 SGB VI gesetzliche Pflichtaufgabe ist. Schließlich führt der neben der Gewährung eines Ausgleichs für die Nichtinanspruchnahme des Überbrückungsgelds verfolgte weitere Zweck der Personalbedarfsdeckung dazu, dass die in der Satzung erfolgte Stichtagsregelung sachgerecht ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass nur der zum Zeitpunkt der gesetzlichen Ermächtigung vorhandene Versichertenbestand durch die neu eingeführte Leistung veranlasst werden sollte, die Beschäftigung in der Seefahrt erst zum Beginn der Regelaltersgrenze bzw danach zu beenden. Eine am aktuellen Versichertenbestand orientierte Lösung ermöglicht eine bessere Planbarkeit der Ausgaben für die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Zudem erscheint nicht absehbar, welche Maßnahmen für die erneute Heranführung von aus der Seefahrt bereits aufgrund Alters ausgeschiedener Seeleute ergriffen werden müssten, um den mit dem Ausscheiden aus der Seefahrt und dem Erwerbsleben einhergehenden Verlust von Kenntnissen und Fertigkeiten zu begegnen.

37

Auch aufgrund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht dem Kläger kein Anspruch zu. Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs sind hier nicht erfüllt. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, RdNr 25; BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, RdNr 28).

38

Es kann vorliegend offenbleiben, ob eine Hinweispflicht des Versicherungsträgers schon vor Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung bestehen kann (vgl BSG vom 6.5.1992 - 12 BK 1/92). Das hier maßgebliche Gesetz (UVMG, aaO) ist am 30.10.2008 verabschiedet worden und mit Wirkung zum 1.1.2008 in Kraft getreten. Auch aufgrund eines Hinweises zu diesem Zeitpunkt bzw ab Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl Gesetzentwürfe vom 14.3.2008, BR-Drucks 113/08 bzw vom 8.5.2008, BT-Drucks 16/9154) wäre der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen, die Voraussetzungen für eine "Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze" (hier: keine Vollendung des 65. Lebensjahres vor dem 1.1.2008, kein Ausscheiden aus der Seefahrt vor dem 1.1.2008, vgl § 17 S 3 der Satzung) tatsächlich zu erfüllen.

39

Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis ließe sich auch nicht aus der von der Vertreterversammlung der See-BG am 6.11.2007 beschlossenen und vom BVA am 6.11.2008 genehmigten - so aber nicht bekannt gemachten - Textfassung der Satzung ableiten. Die dort noch enthaltene Bezeichnung der neuen Leistung als "Überbrückungsgeld für langjährig Versicherte" ändert ungeachtet der vordergründigen und vom BVA schon deshalb beanstandeten Namensähnlichkeit nichts an ihren rechtlichen Unterschieden gegenüber dem hergebrachten, noch auf § 143 Abs 1 SGB VII in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung als Ermächtigungsgrundlage beruhenden Überbrückungsgeld.

40

Unter diesen Umständen kann vorliegend offenbleiben, ob die in Frage stehende Fassung der Satzung mit der Folge der Nichtigkeit möglicherweise durchgreifenden formellen Bedenken begegnen könnte. Über die schlussendlich veröffentlichte Fassung hat nämlich weder die Vertreterversammlung der See-BG beschlossen noch ist sie vom BVA genehmigt worden. Das Vorliegen lediglich "redaktioneller Änderungen", die das BVA in seinem Begleitschreiben zur Genehmigung vom 6.11.2008 angenommen hat und die es nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Erlass von gemeindlichen Bebauungsplänen (vgl Beschluss vom 14.8.1989 - 4 NB 24/88 - DVBl 1989, 1105 f) erlauben könnten, von einem Rechtssetzungsbefehl in Form eines (erneuten) Satzungsbeschlusses zur Umsetzung der nur bedingt erteilten Genehmigung abzusehen, erscheint fraglich. Nachdem nämlich - wie dargelegt - erstmals zum 1.1.2008 die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Einführung einer neuen Leistung vorhanden war, konnte sich das zuständige Beschlussorgan der Rechtsvorgängerin der Beklagten hiermit am 6.11.2007 nicht befasst und die hierdurch eingetretene nachhaltige Änderung der Rechtslage nicht in seinen Willen aufgenommen haben. Ebenfalls offenbleiben kann, ob die Genehmigung anstelle ihres damaligen Trägers unmittelbar der Seemannskasse erteilt werden konnte und wie sich der Hinweis auf die für eine andere Fassung erteilte Genehmigung auf die Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung der neugefassten Satzung im Dezember 2008 auswirkt.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer

1.
arbeitslos ist,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

Tenor

1. Der Bescheid vom 18.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2009 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen für insgesamt 352 Tage zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld für insgesamt 352 Tage.
Dem Kläger wurde am 18.08.2009 durch seinen Arbeitgeber, die Firma P., fristlos gekündigt. Am 31.08.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Beklagten. Die Arbeitslosmeldung erfolgte am 20.08.2009. Auf dem Arbeitslosengeldantrag findet sich der Hinweis darauf, dass eine Kündigungsschutzklage anhängig sei. Daneben ist in grüner Schrift folgendes vermerkt „T 10.9.09“. Ausweislich eines in der Verwaltungsakte enthaltenen Protokolls des Arbeitsgerichts Mannheim fand am 10.09.2009 ein Gütetermin statt. Mit Bescheid vom 01.09.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Dauer von 172 Tagen beginnend am 11.11.2009 bis 08.02.2010 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 31,54 EUR.
Im Rahmen der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht wurde zwischen dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers und dem Kläger folgender Vergleich geschlossen:
㤠1
Die Beklagte hält an den Kündigungsgründen gegenüber dem Kläger nicht mehr fest.
§ 2
Die Parteien sind darin einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund fristgerechter, ordentlicher und zwar betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 10.09.2009 sein Ende nehmen wird.
§ 3
Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis einschließlich 10.09.2009 auf der Basis der arbeitsvertraglichen Vereinbarung ordnungsgemäß abzurechnen. […]“
Am 18.09.2009 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid. Diesem ist zu entnehmen, dass es bei einer Anspruchsdauer von 172 Tagen verblieb. Für die Zeit vom 18.09.2009 bis 10.09.2009 betrage der Leistungsbetrag täglich 0 EUR. Als Begründung wurde auf § 143 Abs. 1 SGB III verwiesen. Für die Zeit vom 11.09.2009 bis 02.03.2010 wurde dem Kläger ein täglicher Leistungsbetrag von 31,54 EUR bewilligt. Mit Schreiben vom 23.09.2009 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er sei bis 29.02.2008 beschäftigt gewesen. Im Anschluss daran sei ihm Arbeitslosengeld für 360 Tage bewilligt worden. Tatsächlich habe er aber nur Arbeitslosengeld bis 08.09.2008 bezogen, da er ab 09.09.2008 eine neue Beschäftigung aufgenommen habe. Seit 11.09.2009 sei er wieder arbeitslos. Aus seiner Sicht müsse er einen neuen Anspruch für 180 Tage erworben haben und den restlichen Anspruch aus dem vorangegangenen Arbeitslosengeldbezug noch geltend machen können, so dass er insgesamt wieder für ein Jahr Arbeitslosengeld erhalten müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2009 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe sich bereits mit Wirkung zum 19.08.2009 arbeitslos gemeldet und zu diesem Zeitpunkt habe er alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, so dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits am 19.08.2009 entstanden sei. Die für die Anspruchsdauer maßgebliche Rahmenfrist umfasse daher die Zeit vom 01.03.2008 bis 18.08.2009. Es könne daher lediglich das Arbeitsverhältnis bei der „Firma P.“ vom 09.09.2008 bis 18.08.2009 als Versicherungspflichtverhältnis berücksichtigt werden. Dies seien 344 Kalendertage. Die Zeit vom 19.08.2009 bis 10.09.2009, in der aufgrund des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis rückwirkend fortbestanden habe, könne dagegen nicht berücksichtigt werden, da diese Zeit nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld liege. Dieser Zeitraum führe lediglich gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Damit habe der Kläger innerhalb der Rahmenfrist nicht 360 Tage oder zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Er habe deshalb keine neue Anwartschaftszeit erfüllt und keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Der restliche Leistungsanspruch aus dem Anspruch vom 01.04.2008 in Höhe von 172 Tagen habe noch geltend gemacht werden können, weil nach dessen Entstehung noch keine vier Jahre verstrichen seien. Der Kläger habe deshalb Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 11.09.2009 für 172 Tage.
10 
Mit seiner am 19.10.2009 zum Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Man habe ihm durch die rechtzeitige Arbeitslosmeldung einen neuen Anwartschaftszeitraum quasi abgeschnitten. Hätte er sich nicht innerhalb der Wochenfrist arbeitslos gemeldet, hätte er aus diesem Grunde Nachteile erlitten. Hätte er die fristlose Kündigung hingenommen, wäre eine Sperrzeit bis zum 10.11.2009 eingetreten. Er sei also gezwungen gewesen, noch während des Laufs der alten Anwartschaftszeit sich arbeitslos zu melden, um weitere Konsequenzen zu vermeiden. Aus seiner Sicht müsse ein neuer Anwartschaftszeitraum am 11.09.2009 beginnen, da das Arbeitsverhältnis nicht am 18.08.2009, sondern aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs erst am 10.09.2009 geendet habe.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid vom 18.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld nach der gesetzlichen Bestimmung für insgesamt 352 Tage zu gewähren.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen im Vorverfahren und ergänzt ihren Vortrag im Erörterungstermin dahingehend, dass eine Pflicht zur Beratung im Hinblick auf die Regelung des § 118 Abs. 2 SGB III nicht bestehen würde, da über den völlig ungewissen Ausgang der Kündigungsschutzklage beraten werden müsste.
16 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie der SG-Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
17 
Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist zulässig und in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Darüber hinaus hat der Kläger ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für insgesamt 352 Tage.
18 
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Erörterungstermin vom 09.09.2010 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
II.
19 
1. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Gemäß § 123 Abs. 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Alg-Anspruchsdauer bestimmt sich nach § 127 SGB III, wobei gem. § 339 SGB III ein Monat 30 Tagen entspricht.
20 
2. Die Rahmenfrist beginnt im Falle des Klägers am 20.08.2007 und endet am 19.08.2009, da am 20.08.2009 (Alo-Meldung) alle sonstigen Voraussetzungen für die Erfüllung des Alg-Anspruchs erfüllt waren. Jedoch ragt nach § 124 Abs. 2 SGB III die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaft erfüllt hatte. Aus diesem Grund beginnt die Rahmenfrist im Falle des Klägers tatsächlich erst am 01.03.2008, also mit Beginn des letzten Alg-Anspruchs, und endet am 19.08.2009. In dieser Zeit hatte der Kläger lediglich eine Anwartschaftszeit von 344 Tagen (Versicherungspflichtverhältnis vom 09.09.08 bis 18.08.09) erfüllt, sodass kein neuer Anspruch auf Alg begründet werden konnte.
21 
Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Kläger gem. § 127 Abs. 4 SGB III einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 172 Tagen hatte.
22 
3. Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie die Tatsache, dass er Kläger aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs faktisch bis zum 10.09.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis stand, zu bewerten ist.
23 
a. Grundsätzlich ändert sich in einem solchen Fall nichts an der Bemessung der Rahmenfrist, da der Kläger in der Zeit vom 19.08.09 bis 10.09.09 beschäftigungslos war und die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 117 SGB III lediglich Beschäftigungslosigkeit voraussetzt (st. Rspr. BSG, 11.06.87, 7 RAr 40/86; 03.12.1998, B 7 AL 34/98 R). Der Beginn der Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III knüpft an die materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts, nicht jedoch an den Zeitpunkt der Antragstellung an (LSG Baden-Württemberg, 24.09.03, L 12 AL 224/03). Der Kläger hatte somit nach wie vor am 20.08.09 alle sonstigen Voraussetzungen für den Alg-Anspruch erfüllt, sodass keine Verlängerung der Rahmenfrist angenommen werden kann.
24 
b. Seit dem der Gesetzgeber jedoch mit Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) in § 118 Abs. 2 SGB III geregelt hat, dass der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über den Anspruch bestimmen kann, dass dieser nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist den obigen Ausführungen zur Überzeugung der Kammer eine weiterer Aspekt hinzuzufügen. Nunmehr hat es der Versicherte in der Hand den Anspruch auf Alg „hinauszuzögern“. Denn § 118 Abs. 2 SGB III ermöglicht die Verschiebung der Entstehung des Stammrechts. Der Kläger hätte also grundsätzlich die Möglichkeit gehabt die Entstehung des Stammrechts und damit das Ende der Rahmenfrist solange hinauszuzögern, bis ihm der Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens bzw. das tatsächliche Ende seines Arbeitsverhältnisses bekannt ist. § 118 Abs. 2 SGB III bedarf jedoch der Ausübung des Wahlrechts durch den Versicherten. Dies kann bis zur Entscheidung der Beklagten über den Alg-Anspruch geschehen. Unstreitig hat der Kläger sein Wahlrecht nicht ausgeübt, sodass die Vorschrift des § 118 Abs. 2 SGB III im vorliegenden Fall zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage führt.
25 
c. Der Kläger wäre jedoch über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts durch die Beklagte zu beraten gewesen. Dies ist nicht, auch nicht im Merkblatt für Arbeitslose, geschehen. Der Einwand der Beklagten, dass über ein ungewisses Ereignis, nämlich den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens, aufzuklären gewesen wäre, geht fehl. Die Beklagte hätte den Kläger überhaupt über das Bestehen eines Wahlrechts und der Folgen der Ausübung des Wahlrechts aufklären müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr - wie vorliegend - zur Kenntnis gelangt, dass ein Kündigungsschutzverfahren anhängig ist und der Beklagten sogar das Datum des Gütetermins bekannt ist.
26 
Der Kläger ist deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er ordnungsgemäß beraten und sein Stammrecht erst am 11.09.09 hätte entstehen lassen (vgl. Gutzler, in: Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, § 118 Rn. 33 mwN). Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Anwartschaftszeit mit 366 Tagen erfüllt und einen neuen Anspruch auf Alg in Höhe von 6 Monaten (= 180 Tagen) begründet.
27 
Durch die Unterlassung der erforderlichen Beratung ist beim Kläger ein Nachteil dadurch entstanden, dass er keinen neuen Alg-Anspruch begründen konnte. Die Unterlassung der Beratung war auch rechtswidrig. Die Beklagte ist gemäß § 14 Erstes Sozialgesetzbuch Buch (SGB I) rechtlich verpflichtet, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. BSG, 05.08.1999, B 7 AL 38/98 R). Angesichts der Angaben des Klägers in seinem Arbeitslosengeldantrag (Kündigungsschutzklage anhängig, Gütetermin am 10.09.09) hätte es sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass für den Kläger eine Verschiebung des Arbeitslosengeldanspruchs in Betracht kommt. Denn es ergaben sich aus dem Antrag Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Zeitraum bis zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht von weniger als 4 Wochen ohne Bezug von Arbeitslosengeld überbrücken können würde. Der Kläger machte in seinem Antrag ausführliche Angaben dazu, warum die Kündigung seiner Meinung nach unwirksam war und er arbeitsrechtlich dagegen vorgehen wollte (vgl. LSG NRW, 29.01.2007, L 1 AL 62/06). Zum Zeitpunkt des Antrags auf Alg hatte der Kläger daher die berechtigte Aussicht, zeitnah eine Klärung der Rechtswirksamkeit der Kündigung sowie seine Weiterbeschäftigung oder zumindest eine Abfindung zu erwirken. Im Übrigen ist es gerichtsbekannt - und muss auch der Beklagten bekannt sein -, dass der ehemalige Arbeitgeber sehr freizügig mit fristlosen Kündigungen hantiert, die nicht selten einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht stand halten. Unter diesen Umständen lag es nahe, dass der Kläger sich nicht ohne Weiteres der Aussicht auf eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld begeben würde. Die Beklagte war daher gehalten, den Kläger auf die Gestaltungsmöglichkeit nach § 118 Abs. 2 SGB III hinzuweisen und ihm eine entsprechende Beratung zuteilwerden zu lassen. Diese wäre auch noch im Rahmen der Antragsbearbeitung vor Erlass des Bewilligungsbescheids möglich gewesen.
28 
Die unterbliebene Beratung war auch kausal für den eingetretenen Rechtsnachteil für den Kläger, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt. Zur Überzeugung der Kammer hätte der Kläger die Zeit bis zum 11.09.2009 ohne Weiteres aus finanziellen Rückstellungen überbrücken können, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass er einen um 180 Tage längeren Leistungsanspruch realisieren kann.
29 
Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs ist, dass der Kläger so zu stellen ist, als ob er sein Bestimmungsrecht ausgeübt und die Entstehung des Anspruchs auf den 11.09.09 verschoben hätte. Denn auch die auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Nichtausübung des Dispositionsrecht kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden (vgl. LSG RP, 26.02.2009, L 1 AL 81/07).
30 
Der Klage war somit vollumfänglich statt zu geben.
III.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

 
I.
17 
Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist zulässig und in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Darüber hinaus hat der Kläger ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für insgesamt 352 Tage.
18 
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Erörterungstermin vom 09.09.2010 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
II.
19 
1. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Gemäß § 123 Abs. 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Alg-Anspruchsdauer bestimmt sich nach § 127 SGB III, wobei gem. § 339 SGB III ein Monat 30 Tagen entspricht.
20 
2. Die Rahmenfrist beginnt im Falle des Klägers am 20.08.2007 und endet am 19.08.2009, da am 20.08.2009 (Alo-Meldung) alle sonstigen Voraussetzungen für die Erfüllung des Alg-Anspruchs erfüllt waren. Jedoch ragt nach § 124 Abs. 2 SGB III die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaft erfüllt hatte. Aus diesem Grund beginnt die Rahmenfrist im Falle des Klägers tatsächlich erst am 01.03.2008, also mit Beginn des letzten Alg-Anspruchs, und endet am 19.08.2009. In dieser Zeit hatte der Kläger lediglich eine Anwartschaftszeit von 344 Tagen (Versicherungspflichtverhältnis vom 09.09.08 bis 18.08.09) erfüllt, sodass kein neuer Anspruch auf Alg begründet werden konnte.
21 
Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Kläger gem. § 127 Abs. 4 SGB III einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 172 Tagen hatte.
22 
3. Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie die Tatsache, dass er Kläger aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs faktisch bis zum 10.09.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis stand, zu bewerten ist.
23 
a. Grundsätzlich ändert sich in einem solchen Fall nichts an der Bemessung der Rahmenfrist, da der Kläger in der Zeit vom 19.08.09 bis 10.09.09 beschäftigungslos war und die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 117 SGB III lediglich Beschäftigungslosigkeit voraussetzt (st. Rspr. BSG, 11.06.87, 7 RAr 40/86; 03.12.1998, B 7 AL 34/98 R). Der Beginn der Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III knüpft an die materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts, nicht jedoch an den Zeitpunkt der Antragstellung an (LSG Baden-Württemberg, 24.09.03, L 12 AL 224/03). Der Kläger hatte somit nach wie vor am 20.08.09 alle sonstigen Voraussetzungen für den Alg-Anspruch erfüllt, sodass keine Verlängerung der Rahmenfrist angenommen werden kann.
24 
b. Seit dem der Gesetzgeber jedoch mit Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) in § 118 Abs. 2 SGB III geregelt hat, dass der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über den Anspruch bestimmen kann, dass dieser nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist den obigen Ausführungen zur Überzeugung der Kammer eine weiterer Aspekt hinzuzufügen. Nunmehr hat es der Versicherte in der Hand den Anspruch auf Alg „hinauszuzögern“. Denn § 118 Abs. 2 SGB III ermöglicht die Verschiebung der Entstehung des Stammrechts. Der Kläger hätte also grundsätzlich die Möglichkeit gehabt die Entstehung des Stammrechts und damit das Ende der Rahmenfrist solange hinauszuzögern, bis ihm der Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens bzw. das tatsächliche Ende seines Arbeitsverhältnisses bekannt ist. § 118 Abs. 2 SGB III bedarf jedoch der Ausübung des Wahlrechts durch den Versicherten. Dies kann bis zur Entscheidung der Beklagten über den Alg-Anspruch geschehen. Unstreitig hat der Kläger sein Wahlrecht nicht ausgeübt, sodass die Vorschrift des § 118 Abs. 2 SGB III im vorliegenden Fall zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage führt.
25 
c. Der Kläger wäre jedoch über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts durch die Beklagte zu beraten gewesen. Dies ist nicht, auch nicht im Merkblatt für Arbeitslose, geschehen. Der Einwand der Beklagten, dass über ein ungewisses Ereignis, nämlich den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens, aufzuklären gewesen wäre, geht fehl. Die Beklagte hätte den Kläger überhaupt über das Bestehen eines Wahlrechts und der Folgen der Ausübung des Wahlrechts aufklären müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr - wie vorliegend - zur Kenntnis gelangt, dass ein Kündigungsschutzverfahren anhängig ist und der Beklagten sogar das Datum des Gütetermins bekannt ist.
26 
Der Kläger ist deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er ordnungsgemäß beraten und sein Stammrecht erst am 11.09.09 hätte entstehen lassen (vgl. Gutzler, in: Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, § 118 Rn. 33 mwN). Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Anwartschaftszeit mit 366 Tagen erfüllt und einen neuen Anspruch auf Alg in Höhe von 6 Monaten (= 180 Tagen) begründet.
27 
Durch die Unterlassung der erforderlichen Beratung ist beim Kläger ein Nachteil dadurch entstanden, dass er keinen neuen Alg-Anspruch begründen konnte. Die Unterlassung der Beratung war auch rechtswidrig. Die Beklagte ist gemäß § 14 Erstes Sozialgesetzbuch Buch (SGB I) rechtlich verpflichtet, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. BSG, 05.08.1999, B 7 AL 38/98 R). Angesichts der Angaben des Klägers in seinem Arbeitslosengeldantrag (Kündigungsschutzklage anhängig, Gütetermin am 10.09.09) hätte es sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass für den Kläger eine Verschiebung des Arbeitslosengeldanspruchs in Betracht kommt. Denn es ergaben sich aus dem Antrag Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Zeitraum bis zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht von weniger als 4 Wochen ohne Bezug von Arbeitslosengeld überbrücken können würde. Der Kläger machte in seinem Antrag ausführliche Angaben dazu, warum die Kündigung seiner Meinung nach unwirksam war und er arbeitsrechtlich dagegen vorgehen wollte (vgl. LSG NRW, 29.01.2007, L 1 AL 62/06). Zum Zeitpunkt des Antrags auf Alg hatte der Kläger daher die berechtigte Aussicht, zeitnah eine Klärung der Rechtswirksamkeit der Kündigung sowie seine Weiterbeschäftigung oder zumindest eine Abfindung zu erwirken. Im Übrigen ist es gerichtsbekannt - und muss auch der Beklagten bekannt sein -, dass der ehemalige Arbeitgeber sehr freizügig mit fristlosen Kündigungen hantiert, die nicht selten einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht stand halten. Unter diesen Umständen lag es nahe, dass der Kläger sich nicht ohne Weiteres der Aussicht auf eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld begeben würde. Die Beklagte war daher gehalten, den Kläger auf die Gestaltungsmöglichkeit nach § 118 Abs. 2 SGB III hinzuweisen und ihm eine entsprechende Beratung zuteilwerden zu lassen. Diese wäre auch noch im Rahmen der Antragsbearbeitung vor Erlass des Bewilligungsbescheids möglich gewesen.
28 
Die unterbliebene Beratung war auch kausal für den eingetretenen Rechtsnachteil für den Kläger, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt. Zur Überzeugung der Kammer hätte der Kläger die Zeit bis zum 11.09.2009 ohne Weiteres aus finanziellen Rückstellungen überbrücken können, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass er einen um 180 Tage längeren Leistungsanspruch realisieren kann.
29 
Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs ist, dass der Kläger so zu stellen ist, als ob er sein Bestimmungsrecht ausgeübt und die Entstehung des Anspruchs auf den 11.09.09 verschoben hätte. Denn auch die auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Nichtausübung des Dispositionsrecht kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden (vgl. LSG RP, 26.02.2009, L 1 AL 81/07).
30 
Der Klage war somit vollumfänglich statt zu geben.
III.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.