Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 20. Mai 2010 - L 5 KR 57/09

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2010:0520.L5KR57.09.0A
bei uns veröffentlicht am20.05.2010

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) auch die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin seit dem 1. Mai 1999 eine selbstständige Tätigkeit ausübt.

2

Die 1947 geborene Klägerin ist Gesellschafterin mit einem Anteil von 25 v. H. an der Beigeladenen zu 4). Der Gesellschaftsanteil wurde ihr von deren Geschäftsführer und weiterem Gesellschafter, ihrem Ehemann J. H., am 5. Mai 1999 übertragen. Zwischen der Beigeladenen zu 4) und der Klägerin besteht ein Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1999, demzufolge das Arbeitsverhältnis unbefristet abgeschlossen ist und als Tätigkeiten die Angebots- und Auftragsbearbeitung, Kundenpflege, Festlegung der Geschäftsziele, Planung und Ausführung von Investitionen beinhalten sollte. Die Vergütung war monatlich auf 2.450,00 EUR zuzüglich 230,00 EUR Sachbezug für Pkw vereinbart worden (Ziffer 3). Die Klägerin kann die Dauer der täglichen Arbeitszeit und ihren Arbeitsort frei wählen und unterliegt keinem Weisungsrecht (Ziffer 4). Ihre Arbeit umfasst sämtliche Arbeitsbereiche und Arbeitsaufträge. Sie entscheidet selbst, in welcher Art und Weise und mit welchen Arbeitsmitteln sie ihre Arbeitsgebiete bearbeitet bzw. die Arbeitsaufträge ausführt (Ziffer 5). Es besteht kein Urlaubsanspruch, Ortsabwesenheit braucht vom Arbeitgeber nicht genehmigt zu werden (Ziffer 6). Überstunden können nicht geltend gemacht werden (Ziffer 7). Es ist ein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart, deren Dauer nicht festgelegt ist (Ziffer 8). Die Gesellschafterversammlung beschloss am 29. September 2005 als Versorgung der Klägerin eine Direktversicherung bei der H.-M. Lebensversicherungs-AG.

3

Mit notariellem Vertrag vom 18. September 2008 wurde der Gesellschaftsanteil der Klägerin an der Beigeladenen zu 4) auf 50 v.H. erhöht.

4

Die Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Diese nahm eine Überprüfung des Versicherungsverhältnisses vor und stellte mit Bescheiden vom 21. und 30. November 2005 fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 4) nicht beschäftigt, sondern selbstständig tätig sei. Als Gesellschafter-Geschäftsführerin verfolge sie aufgrund ihrer Gesellschafterstellung unternehmerische Ziele und sei nicht in einem fremden Unternehmen tätig. Sie trage einen erheblichen Anteil am Unternehmerrisiko und sei vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB befreit. Sie sei damit nicht persönlich oder wirtschaftlich von der Beigeladenen zu 4) abhängig. Die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung seien zu Unrecht entrichtet worden. Sie – die Beklagte – werde die Klägerin ab 1. Mai 1999 als hauptberuflich selbstständige Unternehmerin in die Versicherungsklasse F11 000 (ohne Krankengeldanspruch) einstufen. Die Beigeladene zu 3) erhielt eigenen Angaben zufolge den Bescheid vom 30. November 2005 am 12. April 2006 zur Kenntnis. Sie äußerte nach mehrfachem Schriftwechsel Bedenken hinsichtlich der Selbstständigkeit der Klägerin und forderte die Beklagte erstmalig mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 auf, die Versicherungspflicht der Klägerin in der Rentenversicherung festzustellen. Diesen Anspruch machte sie am 28. März 2007 beim Sozialgericht Berlin geltend (S 84 KR 1039/07). Die Beklagte erkannte den Klaganspruch an.

5

Mit Bescheid vom 19. Juni 2007 stellte sie fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 4) beschäftigt sei. Sie nahm den Bescheid vom 30. November 2005 in Ausführung des Anerkenntnisses vor dem Sozialgericht Berlin zurück. Zur Begründung führte sie aus, als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin sei die Klägerin nicht in der Lage, ihr nicht genehme Weisungen ihres Ehemannes als Geschäftsführer zu verhindern. Dagegen legte die Klägerin am 10. Juli 2007 Widerspruch ein. Sie machte einen Vertrauensschutz geltend und stützte sich auf den Bescheid vom 21. November 2005, der bestandskräftig geworden sei. Die Rückzahlung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung seit 1. Mai 1999 sei darin ausdrücklich geregelt. Seit Dezember 2005 habe sie sich freiwillig krankenversichert und es seien keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung entrichtet worden. Im Vertrauen darauf habe sie Vermögensverfügungen vorgenommen, die durch den Wegfall der Sozialversicherungen zwingend erforderlich gewesen seien. Sie habe eine private Altersvorsorge gebildet, deren monatliche Beiträge sie nicht zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen könne. In dem Rechtsstreit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 3) sei sie nicht beigeladen gewesen. Im Übrigen sei sie selbstständig tätig. Neben ihrem Ehemann sei sie alleinige Gesellschafterin der Beigeladenen zu 4), bei der sie mitarbeite. Sie könne Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern und sei neben ihrem Ehemann gleichberechtigt. Sie unterliege keinem Direktionsrecht und verfüge frei über die Gestaltung ihrer Tätigkeit. Es bestehe keine Weisungsgebundenheit. Urlaub müsse sie sich nicht genehmigen lassen und sie unterliege nicht dem Kündigungsrecht oder Kündigungsfristen. Der Arbeitsvertrag sei nachträglich ausgedruckt worden; der Ausdruck weise daher die Eurobeträge auf. Sie und ihr Ehemann hingen beide finanziell vom wirtschaftlichen Erfolg der Beigeladenen zu 4) ab. Daher habe sie ein existenzielles Interesse an deren Erfolg. Die Leitung des Betriebes habe sie sich mit ihrem Ehemann aufgeteilt; sie übernehme die kaufmännischen Arbeiten, ihr Ehemann die technischen Angelegenheiten. Sie sei am Gewinn der Beigeladenen zu 4) beteiligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

6

Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 16. Oktober 2007 Klage bei dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Bescheid vom 21. November 2005 sei nach wie vor bestandskräftig, da er nicht aufgehoben worden sei. Die Regelung des § 49 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), nach dem ein Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden könne, wenn er von einem Dritten angefochten worden sei, sei nicht anwendbar. Denn die Beklagte handele im Auftrag der Beigeladenen zu 3). Sie trete als Berechtigte zur „Überprüfung des Versicherungsverhältnisses in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung“ auf. Sie gehe ferner auf die Beitragszahlungen der Rentenversicherung ein und bestätige, dass diese zu Unrecht gezahlt worden seien. In dem Bescheid fehle jeglicher Hinweis darauf, dass die Feststellung hinsichtlich der Selbstständigkeit für die Rentenversicherung nicht bindend sein solle. Dies bestätige die Beigeladene zu 3) in ihrem Schreiben vom 26. November 2006. Sie habe auf die Bestandskraft der Bescheide vertraut und eine private Rentenversicherung abgeschlossen, in die sie monatlich 1.250,17 EUR einzahle. Den Vertrag könne sie nicht mehr auflösen, sondern er sei für zehn Jahre verbindlich abgeschlossen worden. Daneben könne sie nicht noch gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge abführen. Ferner liege ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vor; da die Beigeladene zu 3) kein Dritter im Sinne des Gesetzes sei, sei die Rechtsmittelfrist anzuwenden. Es gelte daher nicht die Jahresfrist für die Klage seit Zustellung der Bescheide. Sie sei in den Schriftverkehr zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 3) nicht einbezogen worden. Schließlich sei sie selbstständig tätig. Hierzu hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren vertieft und ergänzend ausgeführt, sie habe Vollmachten über die Geschäftskonten der Beigeladenen zu 4). Ferner habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt und sie nicht vor Erlass des Bescheides angehört.

7

Die Klägerin hat nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Ausgangsbescheide der Beklagten vom 21. und 30. November 2005 wirksam sind und sie seit dem 1. Mai 1999 eine selbstständige Tätigkeit ausübt.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat ausgeführt, ein Vertrauensschutz für die Klägerin habe nicht entstehen können, solange die Beigeladene zu 3) nicht mit einer Stellungnahme befasst gewesen sei. Sobald die Klägerin – wie angekündigt – einen Anteil von 50 v. H. des Gesellschafterkapitals halte, könne sich eine andere Beurteilung ergeben.

12

Die Beigeladene zu 3) hat ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Die Regelung des § 49 SGB X sei nur solange anwendbar, wie der angefochtene Bescheid nicht allen Beteiligten gegenüber bestandskräftig geworden sei. Dies sei jedoch der Fall; mit dem abgegebenen Anerkenntnis vor dem Sozialgericht Berlin sei jenes Verfahren abschließend beendet und der Bescheid vom 30. November 2005 infolgedessen unanfechtbar geworden. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin auf die Bestandskraft des Bescheides vertrauen können. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Aufhebung lägen nicht vor, denn die Klägerin sei nicht zuvor angehört und es sei das Ermessen nicht ausgeübt und keine Vertrauensschutzprüfung durchgeführt worden.

13

Im Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden und mit Urteil vom 16. Juli 2009 den Bescheid vom 19. Juni 2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12. September 2007 aufgehoben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des Begehrens, die selbstständige Tätigkeit seit dem 1. Mai 1999 festzustellen, fehle es an einem Feststellungsinteresse der Klägerin. Die Feststellung sei nicht notwendig, da das Anfechtungsbegehren ausreiche, um den Rechtsschutz der Klägerin zu gewährleisten. Nach der seit Oktober 2008 bestehenden Aufteilung der Geschäftsanteile von je 50 v. H. hätten die Beklagte und die Beigeladene zu 3) erkennen lassen, dass sie für die Zukunft eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin anerkennen würden. Im Übrigen seien der Bescheid vom 19. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid rechtswidrig. Der Bescheid vom 30. November 2005 sei mit der Annahme des Anerkenntnisses durch die Beigeladene zu 3) bestandskräftig geworden, nachdem das Anerkenntnis den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin am 21. Mai 2007 erledigt habe. Die Rücknahme des Feststellungsbescheides durch die Beklagte sei jedoch erst mit Bescheid vom 19. Juni 2007 erfolgt. Der Bescheid vom 30. November 2005 könne nicht mehr aufgehoben werden, da die Klägerin einen Vertrauensschutz geltend machen könne. Sie habe im Hinblick auf die Feststellung der selbstständigen Tätigkeit Vermögensdispositionen getroffen. Ferner habe die Beklagte kein Ermessen ausgeübt.

14

Gegen die ihr am 22. Juli 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 29. Juli 2009 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, der Klägerin stehe kein Vertrauensschutz zu.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Juli 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus, sie sei selbstständig tätig.

20

Die Beigeladene zu 3) stellt keinen Sachantrag. Sie führt aus, die Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2005 richte sich allein nach den Rücknahmevoraussetzungen, die einen Vertrauensschutz erforderten. Denn die Regelung des § 49 SGB X sei infolge der Bestandskraft des Bescheides vom 30. November 2005 nicht anwendbar. Dieser sei infolge des angenommenen Anerkenntnisses bestandskräftig geworden. Im Rahmen des § 45 SGB X seien jedoch kein Anhörungsverfahren und keine Ermessensprüfung vorgenommen worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Juli 2009 ist zulässig aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat zutreffend den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 12. September 2007 aufgehoben, denn diese waren rechtswidrig. Die Beklagte hat fehlerhaft die Entscheidung vom 30. November 2005 aufgehoben und in dem angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

23

Allerdings hatte die Beklagte in dem Bescheid vom 19. Juni 2007 den Bescheid vom 21. November 2005 nicht genannt, in dem eine dem Bescheid vom 30. November 2005 gleichgeartete Feststellung der Versicherungsfreiheit enthalten war. Dies ist jedoch unmaßgeblich, da infolge des Bescheides vom 30. November 2005, der ein Zweitbescheid ist, der Bescheid vom 21. November 2005 seine Erledigung gefunden hatte.

24

Als Eingriffsgrundlage für den Bescheid vom 19. Juni 2007, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 30. November 2005 zurückgenommen hat, kommt lediglich § 45 SGB X in Betracht. Die Rücknahme ist der actus contrarius zur Vornahme des Verwaltungsakts. Die Feststellung der Versicherungsfreiheit im Bescheid vom 30. November 2005 stellte für die Klägerin eine Begünstigung im Sinne des § 45 SGB X dar, denn die Versicherungspflicht wäre eine Belastung gewesen, da sie mit der Beitragspflicht und weiteren Nebenpflichten der Klägerin einhergegangen wäre. Zwar enthält die Feststellung über die Versicherungspflicht sowohl begünstigende Elemente, insbesondere die Leistungsansprüche, die aus der Pflichtversicherung fließen, jedoch sind mit der Pflicht auch Belastungen verbunden, da Beiträge zu zahlen sind und andere Nebenpflichten bestehen. Dies gilt für einen Bescheid, der die Versicherungsfreiheit ausspricht in umgekehrter Weise. Ob ein solcher Bescheid mit sowohl begünstigendem als auch belastendem Inhalt insgesamt ein begünstigender oder belastender Verwaltungsakt ist, richtet sich nach der gegenwärtigen subjektiven Sicht des Betroffenen (BSG v. 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R, SozR 3-2200 § 605 Nr.1; LSG Baden-Württemberg v. 23.3.2006 – L 10 U 585/04, HVBG-Info 2006 Nr. 7, 806). Indem der Bescheid vom 30. November 2005 die Feststellung getroffen hatte, dass die Klägerin diesen Belastungen nicht unterlag, war er für sie begünstigend, da sie, wie sich aus dem Rechtstreit ergibt, an dieser Feststellung festhalten will. Die Rücknahme des Bescheides vom 30. November 2005 kam insbesondere nur dann in Betracht, wenn dieser begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig war und die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X vorlagen.

25

Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1). Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich hierbei um eine Eingriffsgrundlage handelt, die der Behörde einen Ermessensspielraum eröffnet (Waschull in LPK-SGB X § 45 Rz. 57). Das folgt bereits aus dem Wortlaut und der Formulierung „darf“ der Vorschrift, ferner aus der Tatsache, dass die Behörde das öffentliche Interesse mit dem privaten Interesse des Betroffenen abwägen muss. Der Abwägungsvorgang verlangt einen Entscheidungsspielraum der Behörde, der regelmäßig in eine Ermessensbetätigung einmünden muss. Die Beklagte hat das Ermessen nicht ausgeübt, jedenfalls lässt der Bescheid vom 19. Juni 2007 dies nicht erkennen. Das wäre jedoch erforderlich, denn nach § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, die die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung beinhalten muss. Eine Ermessensentscheidung muss darüber hinaus die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei einer Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Dies ist bei dem Bescheid vom 19. Juni 2007 nicht der Fall, sodass der Bescheid an einem Verfahrensfehler leidet. Eine Heilung des Verfahrensfehlers gemäß § 41 Abs. 1 SGB X ist nicht erfolgt. Nach dieser Vorschrift ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, u. a. unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Es kann hier dahinstehen, ob diese Heilungsregelung auch auf Ermessensentscheidungen anwendbar ist (ablehnend Littmann in Hauck/Noftz, SGB X § 41 Rz. 9). Denn tatsächlich ist die Begründung nicht nachgeholt worden.

26

Darüber hinaus wäre es auch notwendig gewesen, dass vor Erlass des belastenden Bescheides die Klägerin angehört worden wäre. Nach § 24 SGB X ist es erforderlich, vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Auch dies war nicht der Fall, ohne dass einer von den Fällen, in denen eine Anhörung unterbleiben kann (Abs. 2 der Vorschrift), vorliegt. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann zwar auch die erforderliche Anhörung eines Beteiligten zur Heilung des Verfahrensfehlers nachgeholt werden, gemäß Abs. 2 der Vorschrift jedoch auch dies nur bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens.

27

Die Verfahrensvoraussetzungen des § 45 waren daher nicht erfüllt, sodass die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides vom 30. November 2005 nicht vorlagen.

28

Von den Voraussetzungen des § 45 SGB X kann auch nicht nach § 49 SGB X abgesehen werden. Nach dieser Vorschrift gelten u. a. die Regelungen des § 45 Abs. 1 bis 4 nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wie auch das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Rücknahme des Bescheides während des laufenden Verfahrens erfolgen muss (ebenso Waschull a.a.O., § 49 Rz. 10; Merten in Hauck/Noftz, § 49 Rz. 11; offengelassen in BSG vom 25. Februar 2010, B 13 R 147/08 R, - juris; im Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R, SozR 3-5520 § 44 Nr. 1 hat das BSG auf die Möglichkeit der Anfechtbarkeit des aufzuhebenden Bescheides abgestellt). Allein diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des § 49 SGB X („während des … Verfahrens“), der eine Ausnahme von den Vertrauensschutzregelungen der §§ 45 ff. SGB X darstellt. Diese Ausnahmeregelung ist eng zu fassen, da sie in die Rechte des Betroffenen des Verwaltungsakts eingreift und der Vertrauensschutz eine zentrale Funktion bei der Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten hat. Anderenfalls wäre es möglich, noch über langandauernde Zeiträume hinaus als Dritter eine Entscheidung anzufechten, sodass ein Bestandsschutz des Verwaltungsaktes sehr fraglich würde.

29

Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die Beigeladene zu 3), die im Rahmen des Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (S 84 KR 1039/07) den Bescheid vom 30. November 2005 angefochten hatte, ist zwar Dritter im Sinne des § 49 SGB X. Jedoch war infolge des angenommenen Anerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 SGG das Sozialgerichtsverfahren S 84 KR 1039/07 in Berlin erledigt worden. Infolge der Beendigung des Verfahrens war der Bescheid vom 30. November 2005 bestandskräftig und konnte nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

31

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da der Senat eine am Wortlaut orientierte Interpretation des § 49 SGB X vorgenommen hat und entgegenstehende Rechtsprechung des BSG nicht vorliegt.


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§ 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

§ 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

§ 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob der Klägerin große Witwenrente an geschiedene Ehegatten (Geschiedenenwitwenrente) zusteht und ob die Beklagte im Zugunstenverfahren die Zurücknahme der Bewilligung der Geschiedenenwitwenrente und der Erstattungsforderung ihrerseits zurücknehmen muss.

2

Der 1936 geborene, bei der Beklagten rentenversicherte M.-J. D. (Versicherter) ist am 25.1.2001 verstorben. 1957 hatte der Versicherte die 1935 geborene Klägerin geheiratet; die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts (LG) Aachen vom 4.1.1967 (rechtskräftig seit dem 24.2.1967) aus alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden. Aus der Ehe war eine am 17.6.1957 geborene Tochter hervorgegangen. Beide Ehegatten waren während der gesamten Ehezeit durchgehend versicherungspflichtig tätig; nach der Heiratsurkunde waren sie bei Eingehen der Ehe kaufmännische Angestellte. Der Versicherte war von 1954 bis 1993 versicherungspflichtig beschäftigt (versichertes Entgelt aus abhängiger Beschäftigung 1966: 8.669,04 DM; 1967: 12.950,00 DM). Die Klägerin war von 1950 bis 1982 versicherungspflichtig beschäftigt (versichertes Entgelt aus abhängiger Beschäftigung 1966: 11.617,00 DM; 1967: 10.657,34 DM). Die Klägerin erwirkte weder einen Unterhaltstitel gegen den Versicherten noch erhielt sie tatsächlich Unterhaltszahlungen von ihm. Auch seinen Verpflichtungen aus einem Urteil von Oktober 1964, an die Tochter eine Unterhaltsrente zu zahlen, kam der Versicherte nicht nach. Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet.

3

Die im Mai 1967 geschlossene Ehe des Versicherten mit der zweiten Ehefrau M. D. wurde im März 1973 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Sie verzichtete im Rahmen der Scheidung auf Unterhaltsansprüche für sich und ihre Kinder.

4

Die im Jahre 1936 geborene Beigeladene ist die Witwe des Versicherten, mit der dieser seit Oktober 1977 in dritter Ehe verheiratet war. Zuletzt wurde er von der nicht erwerbstätigen Beigeladenen gepflegt, wofür diese das Pflegegeld in Höhe von 400,00 DM monatlich erhielt.

5

Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit (ab 1983) bezog die Klägerin Altersrente; im Jahr vor dem Tod des Versicherten (2000) belief sich diese auf monatlich durchschnittlich 2.199,62 DM netto. Nach Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit 1993 bezog der Versicherte ab 1.3.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die monatliche Nettorente des Verstorbenen betrug im Jahr 2000 durchschnittlich 2.683,57 DM.

6

Am 7.2.2001 beantragte die Beigeladene die Gewährung von großer Witwenrente, die die Beklagte ungeteilt (monatlicher Zahlbetrag: 1.630,23 DM) ab 1.2.2001 bewilligte (Bescheid vom 2.3.2001). Nach Anhörung der Beigeladenen (Schreiben vom 12.7.2001) bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 27.2.2001 anteilige große Witwenrente an geschiedene Ehegatten (monatlicher Zahlbetrag nach Einkommensanrechnung: 103,20 DM) ab dem 1.3.2001 (Bescheid vom 6.8.2001). Gegenüber der Beigeladenen hob die Beklagte die ursprünglich ungeteilte Bewilligung wegen des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche auf Witwenrente teilweise auf und forderte die bis zum 31.10.2001 errechnete Überzahlung zurück (Bescheid vom 14.9.2001).

7

Dem hiergegen mit Schreiben vom 16.10.2001 erhobenen Widerspruch half die Beklagte ab und bewilligte der Beigeladenen die ungeteilte Witwenrente weiter (Bescheid vom 10.9.2002). Nachdem die Beklagte die Rente der Klägerin ab 1.1.2002 zunächst noch neu berechnet (Zahlbetrag: 52,77 €) hatte (Bescheid vom 29.11.2001), nahm sie den Bewilligungsbescheid vom 6.8.2001 nach Anhörung (Schreiben vom 15.3.2002 und 20.11.2002) gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom 1.4.2002 zurück und forderte die Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 474,93 € für den Zeitraum vom 1.4. bis 31.12.2002 (Bescheid vom 5.3.2003).

8

Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ebenso erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.5.2003) wie die dagegen erhobene Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 22.12.2003, S 4 RA 106/03). Das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (L 3 RA 7/04) wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 2.8.2004 beendet, wonach sich die Beklagte verpflichtete, "über die Ansprüche der Klägerin und der Beigeladenen (…) auf Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten … neu zu entscheiden". Zuvor hatte der Berufungssenat darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Existenz der zweiten Ehe bei der Berechnung der Witwenrente bislang nicht berücksichtigt hatte und zudem die Aufteilung der Witwenrente nicht plausibel erschien.

9

Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheids vom 5.3.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 gemäß § 44 SGB X gegenüber der Klägerin ab und bestätigte der Beigeladenen die Rechtmäßigkeit der Bewilligung der ungeteilten Witwenrente vom 10.9.2002 (Bescheide vom 5.11.2004). Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2.12.2005). Ihre erneut erhobene Klage blieb ebenfalls erfolglos (Gerichtsbescheid des SG Aachen vom 30.3.2006, S 4 R 181/05). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 14.11.2008 (L 14 R 148/06) den Gerichtsbescheid des SG Aachen vom 30.3.2006 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2005 verurteilt, den Bescheid vom 5.3.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 zurückzunehmen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:

10

Die Beklagte habe die Aufhebung der zu überprüfenden Bescheide zu Unrecht abgelehnt, denn der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 5.3.2003 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003) sei bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen. Zu Recht sei der Klägerin mit Bescheid vom 6.8.2001 anteilige Witwenrente für Geschiedene nach § 243 Abs 2 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bewilligt worden.

11

Der Versicherte sei ihr im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod nach den Vorschriften der §§ 58, 59 Ehegesetz (EheG) zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs habe nach der Differenzmethode bzw der modifizierten Additionsmethode zu erfolgen, die der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall der Doppelverdienerehe anwende. Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorherrschende Anrechnungsmethode sei dagegen für den Fall gedacht, dass nur der Unterhaltspflichtige im Zeitpunkt der Scheidung Einkommen bezogen habe. Dem 5. Senat des BSG, der auch im Fall der Doppelverdienerehe noch an der Anrechnungsmethode festhalte, sei nicht zu folgen. Die Differenzmethode sei nach der Rechtsprechung des BGH auch für die Auslegung des Begriffs der ehelichen Lebensverhältnisse iS von § 58 EheG anzuwenden; diese Berechnungsmethode bilde hier am ehesten die Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung ab.

12

Nach der Differenzmethode errechne sich für die Klägerin ein relevanter Unterhaltsanspruch. Hiernach sei zunächst das niedrigere vom höheren Einkommen abzuziehen und dem geringer Verdienenden vom Differenzbetrag ein Anteil von 2/5 bis 1/2 als Unterhaltsanspruch zu gewähren. Anders hingegen die Anrechnungsmethode, wonach zunächst das Gesamteinkommen zu ermitteln sei und dem geringer Verdienenden 1/3 bis 3/7 des Gesamteinkommens abzüglich des eigenen Einkommens als Unterhaltsanspruch zustehe. Danach ergebe sich hier kein Unterhaltsanspruch.

13

Ein etwaiger Abzug von der Rente des Versicherten infolge Pflegeaufwands komme nicht in Betracht. Es könne offen bleiben, ob bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen gegenüber dem Versicherten das Pflegegeld in Höhe von 400,00 DM zu berücksichtigen sei. Der ermittelte Unterhaltsanspruch gefährde auch nicht den eigenen angemessenen Unterhalt des Versicherten, da ihm ein Selbstbehalt von 1.300 DM verbliebe.

14

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

15

Die Beklagte rügt die Verletzung von § 243 Abs 2 Nr 3 SGB VI wegen der Anwendung der Differenzmethode. Es bestünden keine zwingenden Gründe, von der Rechtsprechung des 5. Senats abzuweichen, zumal es sich bei § 243 SGB VI um auslaufendes Recht handele. Die Änderung der Berechnungsmethode zur Ermittlung des Unterhaltsanspruchs führe zu einer Ungleichbehandlung der nach der Anrechnungsmethode entschiedenen Fälle und zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Soweit in der Rechtsprechung des BSG Kritik an der Anrechnungsmethode geübt worden sei, sei dies nicht entscheidungserheblich (obiter dicta) erfolgt. Da weder Versicherungsträger noch Sozialgerichte an zivilgerichtliche Unterhaltstitel gebunden seien, bestehe keine Notwendigkeit, in Übereinstimmung mit den Zivilgerichten die Differenzmethode anzuwenden. Die geänderte Rechtsprechung des BGH sei angesichts der Kontinuität der Rechtsprechung des BSG kein sachlicher Grund, künftig von dieser abzuweichen. Da das LSG keine (für die Klägerin anspruchsbegründende) konkrete Quote zum Unterhaltsbedarf (von 1/2 oder zumindest von 12/25) bestimmt habe, sei vorliegend die Anrechnungsmethode innerhalb der herkömmlichen Quoten (zwischen 2/5 und 3/7) maßgeblich; hiernach aber hätte der Klägerin vor dem Tod des Versicherten kein relevanter Unterhaltsanspruch zugestanden.

16

Die Beigeladene schließt sich der Revisionsbegründung der Beklagten an und macht ferner geltend, dass sich auch unter Anwendung der Differenzmethode kein Unterhaltsanspruch der Klägerin in relevanter Höhe errechne. Da ein Ausnahmefall iS des § 13 Abs 6 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht vorliege, sei die Berücksichtigung des Pflegegeldes in Höhe von 400,00 DM bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen ausgeschlossen. Der Versicherte sei unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts in Höhe von 1.800 DM nicht in der Lage gewesen, die Unterhaltsansprüche der Klägerin und der Beigeladenen vollumfänglich zu erfüllen. Ferner beruft sich die Beigeladene darauf, dass die Klägerin einen etwaigen Unterhaltsanspruch verwirkt habe.

17

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. November 2008 aufzuheben und die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 30. März 2006 zurückzuweisen.

18

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

19

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

20

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen haben im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg (§ 170 Abs 2 SGG). Auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen kann nicht abschließend über das Klagebegehren entschieden werden.

22

Gegenstand der Klage ist zuvörderst, ob der Klägerin nach materiellem Recht Geschiedenenwitwenrente (zumindest in der im Bescheid vom 6.8.2001 bewilligten Höhe) zusteht. Dann hätte die Klage auf Gewährung dieser Leistung (auch über den 31.3.2002 hinaus) Erfolg. Grundlage ist insoweit der zum Abschluss des Berufungsverfahrens L 3 RA 7/04 führende gerichtliche Vergleich vom 2.8.2004. Soweit dieser die Klägerin betrifft, haben sie und die Beklagte sich geeinigt, dass Letztere über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente, also über deren materielle Leistungsberechtigung, "neu entscheidet". Dies hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 5.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2005 getan; hierin hat sie die Rücknahme nach § 44 SGB X ihres Bescheids vom 5.3.2003 abgelehnt, mit dem die Bewilligung der Leistung ab dem 1.4.2002 (gestützt auf § 45 SGB X) zurückgenommen wurde. Über die sich hieraus ergebenden Fragen wird das LSG im Einzelnen erneut zu entscheiden haben (hierzu im Folgenden unter 1.).

23

Sollte dies nicht zum Erfolg der Klage führen, stehen der Klägerin auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 2.8.2004 auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund Ansprüche gegen die Beklagte auf die begehrte Leistung zu; insbesondere hält der Bescheid vom 5.3.2003 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003) in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht der Überprüfung stand (hierzu im Folgenden unter 2.).

24

1. Vorliegend war § 243 Abs 2 SGB VI in der hier maßgeblichen, vom 1.1. bis 31.12.2001 gültigen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) anzuwenden, denn die Klägerin hatte im Februar 2001 Antrag auf Hinterbliebenenrente gestellt (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Nach § 243 Abs 2 SGB VI besteht Anspruch auf große Witwenrente auch für eine geschiedene Ehefrau,

1.   

deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,

2.   

die nicht wieder geheiratet hat und

3.   

die im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten hat oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatte und

4.   

... das 45. Lebensjahr vollendet hat ...,

wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

25

Nach den unstreitigen Feststellungen des LSG hatte der Versicherte die Wartezeit erfüllt und ist am 25.1.2001, dh nach dem in der Vorschrift genannten Stichtag, gestorben; außerdem war die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten vor dem 1.7.1977 geschieden, die Klägerin war nicht wieder verheiratet und hat das 45. Lebensjahr vollendet. Tatsächliche Unterhaltsleistungen an die Klägerin hat der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Todenicht erbracht (§ 243 Abs 2 Nr 3 erste Alternative SGB VI).

26

Es kann aber nicht abschließend entschieden werden, ob nach der allein zu diskutierenden Vorschrift des § 243 Abs 2 Nr 3 zweite Alternative SGB VI im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten (hierzu im Folgenden unter a) ein Anspruch der Klägerin auf Unterhalt bestand (hierzu im Folgenden unter b).

27

a) Dass das Gesetz unter Übernahme der früheren Rechtsprechung des BSG auf einen Unterhaltsanspruch "im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor (dem) Tod" des Versicherten und nicht auf eine bestimmte Zeitdauer abstellt, will die Bedeutung von Zufälligkeiten und kurzzeitigen besonderen Umständen des Einzelfalles zurückdrängen (BSG vom 28.2.1990, 8 RKn 3/89, SozR 3-2200 § 1265 Nr 1 S 3 mwN). Maßgeblich ist ohne Rücksicht auf ihre Dauer grundsätzlich die Zeitspanne von der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschiedenen mit Dauerwirkung bis zum Tode des Versicherten. Eine bestimmte Zeitgrenze, bis zu der eine zum Tode führende Krankheit berücksichtigt oder unberücksichtigt bleiben muss, hat das BSG nicht gezogen und auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt. Wie sich auch aus dem unterschiedlichen Wortlaut der ersten und der zweiten Alternative des § 243 Abs 2 Nr 3 SGB VI ergibt, verbietet sich eine starre, schematische, auf ein Jahr fixierte Handhabung(vgl bereits BSG vom 11.11.1986, 4a RJ 61/85, SozR 2200 § 1265 Nr 82 S 273 f; zu § 46 SGB VI s BSG vom 16.3.2006, B 4 RA 15/05 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 3 RdNr 22). Die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Tod des Versicherten müssen jedoch jeweils dauerhaft und stabil gewesen sein (BSG vom 12.6.2001, B 4 RA 37/00 R, SozR 3-2600 § 243 Nr 9 S 41).

28

Das LSG ist hier ohne nähere Prüfung vom Jahr 2000, den letzten zwölf vollen Kalendermonaten vor dem Tode des Versicherten (am 25.1.2001) ausgegangen (zum selben Ergebnis hätte auch der Ansatz des Zeitraums ab der Rentenerhöhung zum 1.7.2000 geführt). Dies mag den og Grundsätzen entsprechen, zB dann, wenn dem Tod des Versicherten keine längere Zeit eines gegenüber den bisherigen Verhältnissen verschlechterten Gesundheitszustands mit uU erhöhten Pflegeaufwendungen vorangegangen ist (vgl Senatsurteil vom 23.5.2006, B 13 RJ 4/05 R, juris RdNr 19 ff), und sich auch der Unterhaltsbedarf der Klägerin bzw der Beigeladenen während dieses Zeitraums nicht geändert hat. Feststellungen hierzu fehlen jedoch.

29

b) Auch unter der Voraussetzung, dass sich die Wahl des Kalenderjahres 2000 als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand als richtig erweisen sollte, ist dem Senat keine Entscheidung darüber möglich, ob während dieser Zeit ein Anspruch der Klägerin auf Unterhalt bestand.

30

Für den in Frage kommenden Zeitraum kann sich die Klägerin jedenfalls nicht auf eine Vereinbarung berufen, in der sich der Versicherte zu Unterhaltsleistungen verpflichtet hätte.

31

aa) Damit bleibt zu prüfen, ob ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestand. Hierfür muss lediglich eine Verpflichtung zum Unterhalt nach materiellem Recht bestanden haben. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob eine Zahlung erzwungen werden konnte oder ob ein Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend gemacht worden ist (vgl BSG vom 9.2.1984, 11 RA 84/82, juris RdNr 15; vom 5.2.1976, 11 RA 30/75, BSGE 41, 160, 162; vom 27.6.1963, GS 5/61, BSGE 20, 1, 5). Hier kommt ein Anspruch nach §§ 58, 59 EheG in Betracht, denn das Urteil des LG Aachen vom 4.1.1967 stellt fest, dass der Beklagte (der Versicherte) die Schuld an der Scheidung trägt.

32

Die Vorschriften des EheG sind zwar mit Ablauf des 30.6.1977 außer Kraft getreten (vgl Art 3 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts <1. EheRG> vom 14.6.1976, BGBl I 1421). Hier sind aber die Vorschriften des EheG über die Scheidung der Ehe und die Folgen der Scheidung noch anwendbar, weil die Ehe vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG am 1.7.1977 (vgl Art 12 Nr 3 Abs 2 des Gesetzes) durch Urteil vom 4.1.1967 geschieden worden ist.

33
        
        

Nach § 58 Abs 1 EheG galt:

        

"Der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann hat der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen."

34
        
        

Nach § 59 EheG galt:

        

Abs 1:
"Würde der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Ehegatte durch Gewährung des im § 58 bestimmten Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, so braucht er nur soviel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Hat der Verpflichtete einem minderjährigen unverheirateten Kinde oder bei Wiederverheiratung dem neuen Ehegatten Unterhalt zu gewähren, so sind auch die Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Personen zu berücksichtigen."

        

Abs 2:
"Der Mann ist unter den Voraussetzungen des Abs 1 von der Unterhaltspflicht ganz befreit, wenn die Frau den Unterhalt aus dem Stamm ihres Vermögens bestreiten kann."

35

Auf einen sich aus diesen Vorschriften ergebenden Unterhaltsanspruch hat die Klägerin nicht verzichtet. Zwar ist ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt nach § 72 Satz 1 EheG zulässig und steht dem Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente entgegen; die Annahme eines solchen Erlassvertrages setzt aber - auch bei jahrelangem Unterlassen der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs - den Willen zu erlassen voraus (BSG vom 10.7.1986, 11a RA 6/85, SozR 2200 § 1265 Nr 80 S 269 mwN; vom 9.2.1984, 11 RA 84/82, juris RdNr 17). Ein solcher Wille ist vom LSG im angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden.

36

Ein solcher Anspruch war auch - entgegen der Revisionsbegründung der Beigeladenen - nicht verwirkt. Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) entwickelte - und im Sozialrecht anerkannte - Rechtsinstitut der Verwirkung setzt voraus, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhaltens) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG vom 29.1.1997, 5 RJ 52/94, BSGE 80, 41 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vom 1.4.1993, 1 RK 16/92, HV-INFO 1993, 1269, 1273 mwN). Solche Umstände hat das LSG nicht festgestellt. Zwar hat die Klägerin einen Unterhaltsanspruch tatsächlich nicht geltend gemacht; hierzu war sie - wie bereits ausgeführt - auch nicht verpflichtet. Es fehlt aber an einem zu der schlichten Untätigkeit hinzutretenden zusätzlichen Verwirkungsverhalten, aufgrund dessen der Versicherte darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen werde.

37

Hiermit stimmt überein, dass ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente in der hier einschlägigen Alternative typischerweise mit einem großen zeitlichen Abstand zwischen dem Zeitpunkt der Scheidung (vor dem 1.7.1977) und dem Tod des Versicherten und damit dem möglichen Beginn des Anspruchs einhergeht. Diese Leistung der Rentenversicherung will nach dem gegenwärtigen Rechtszustand gerade auch die Geschiedenen im eigenen Rentenalter für die typischen Einbußen entschädigen, die sie - vor Einführung des Versorgungsausgleichs mit dem 1. EheRG - wegen der später geschiedenen Ehe in ihrer eigenen Rente hinnehmen müssen.

38

bb) Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten setzt die eigene Unterhaltsbedürftigkeit (1) sowie die Unterhaltsfähigkeit des Versicherten (2) voraus.

39

(1) Die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ist nach § 58 EheG danach zu bestimmen, ob sie einen nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus eigenen Einkünften bestreiten konnte.

40

Nach Ansicht des LSG waren die ehelichen Lebensverhältnisse der Klägerin und des Versicherten durch beiderseitige Berufstätigkeit als kaufmännische Angestellte geprägt, die weitere berufliche Entwicklung habe im Wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen, sodass die Höhe ihrer zusammen gerechneten Renten noch das eheliche Lebensniveau widerspiegele und es somit keiner Projektion bedürfe. Den Unterhaltsbedarf der Klägerin errechnete das LSG aus der Differenz zwischen der höheren monatlichen Durchschnittsrente des Versicherten und der niedrigeren monatlichen Durchschnittsrente der Klägerin. Auf der Grundlage des Differenzbetrags ist das LSG von einem Anteil zwischen 2/5 und 1/2 als Unterhaltsanspruch der Klägerin ausgegangen (nach den Berechnungen des LSG aufgrund der monatlichen Durchschnittsrenten in 2000: 2.683,57 DM minus 2.199,62 DM = 483,95 DM, davon 2/5 <193,58 DM> bis 1/2 <241,98 DM>).

41

Selbst wenn man der Rechtsmeinung des LSG vom fehlenden Erfordernis einer Fortschreibung der ehelichen Lebensverhältnisse folgt, fehlen jedoch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Denn weder für die Klägerin noch für den Versicherten ist ermittelt, welche regelmäßigen Einkünfte sie neben der jeweiligen Rente (zB Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung oder aus Vermögen ) erzielten. Solche können nicht von vornherein ausgeschlossen werden; sie hätten bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin berücksichtigt werden müssen.

42

Damit fehlt es auch an tatsächlichen Feststellungen, welche eigenen Mittel der Klägerin im maßgebenden Zeitraum für ihren Unterhalt zur Verfügung standen und somit uU ihren Unterhaltsbedarf - unabhängig von der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten - decken konnten.

43

Angesichts der gewichtigen Unsicherheiten hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen kann der Senat wiederum (wie im Urteil vom 23.5.2006, B 13 RJ 4/05 R, juris RdNr 30) die vom LSG problematisierte Frage offen lassen, welcher Berechnungsmethode er für den Unterhaltsanspruch der Klägerin im maßgebenden Zeitraum gefolgt wäre.

44

Insoweit sei jedoch auf Folgendes hingewiesen: Nach dem gegenwärtigen Stand der Zivilrechtsprechung ist auch bei Anwendung von § 58 EheG(für das Recht des 1. EheRG s bereits BGH vom 13.6.2001, XII ZR 343/99, BGHZ 148, 105, 115 f) nicht nur bei Doppelverdienerehen (wie zwischen dem Versicherten und der Klägerin vor der Scheidung), sondern selbst bei Alleinverdienerehen zur Ermittlung des aus den ehelichen Lebensverhältnissen abzuleitenden Unterhaltsbedarfs auf die sog Differenzmethode abzustellen (BGH vom 23.11.2005, XII ZR 73/03, FamRZ 2006, 317, 320 f für einen Zeitraum ab September 2001); nur dies entspreche der "Gleichwertigkeit von Kindeserziehung und/oder Haushaltsführung (der Frau mit den Unterhaltsleistungen des Mannes), die nach heutigem Verfassungsverständnis nicht erst seit Änderung des Unterhaltsrechts durch das 1. EheRG, sondern schon seit der Einführung des Grundgesetzes" geboten gewesen sei (aaO S 321). Dem folgt auch der Senat (s bereits Senatsurteil vom 12.10.1993, 13 RJ 55/92, SozR 3-2200 § 1265 Nr 11 S 70 ff). Im Rahmen der Differenzmethode kann auch dahinstehen, ob die volle Berufstätigkeit der Klägerin vor der Scheidung überobligationsmäßig war oder nicht. Denn ihre Anwendung auch auf Alleinverdienerehen geht davon aus, dass eine spätere Erwerbstätigkeit des früher nur Haushaltsführenden ein Surrogat der bisherigen Familienarbeit ist und somit die hieraus erzielten Einkünfte (soweit nicht ihrerseits überobligationsmäßig) in die Bedarfsbemessung einzubeziehen sind (s BGH vom 13.4.2005, XII ZR 273/02, BGHZ 162, 384, 391 ff).

45

Bei dem vorliegenden Streitstand kann ebenfalls dahinstehen, inwieweit der Senat damit iS des § 41 Abs 2 SGG von anderweitiger Rechtsprechung des BSG(s BSG 5. Senat vom 17.7.1996, 5 RJ 50/95, SozR 3-2600 § 243 Nr 3 S 7 f bzw die dort zitierte anderweitige Rspr) abweicht, die auch bei Doppelverdienerehen eine "Anrechnungsmethode" praktizieren will, nach der die Einkommen beider Ehegatten zusammenzurechnen seien und der Frau ein bestimmter Bruchteil (1/3 bis 3/7) der Summe abzüglich ihres eigenen Einkommens zuzugestehen sei. Diese Methode entspricht jedoch nicht der Anrechnungs- (Subtraktions-)methode, wie sie der BGH bis zum Urteil vom 13.6.2001 (XII ZR 343/99, BGHZ 148, 105; s zuvor BGH vom 8.4.1981, IVb ZR 566/80, FamRZ 1981, 539, 541) auf Alleinverdienerehen angewendet hat; diese ging von der "Prägung" der ehelichen Lebensverhältnisse von nur einem Einkommen aus, sodass auch der nacheheliche Unterhaltsbedarf aus einem Anteil an diesem prägenden Einkommen abzuleiten war. Vielmehr entspricht die vom BSG als Anrechnungsmethode bezeichnete Berechnungsart der sog Additionsmethode, die bei einer Quote von 1/2 im Ergebnis mit der Differenzmethode übereinstimmt (s den Vergleich bei BGH vom 13.6.2001, aaO, S 112).

46

Die Beteiligungsquote wiederum, die das LSG mit 2/5 bis zu 1/2 angesetzt hat, ist nach der Zivilrechtsprechung dann auf 1/2 festzusetzen, wenn der Unterhaltsverpflichtete Rentner ist und deshalb keine besonderen beruflichen Aufwendungen mehr hat (vgl BGH vom 7.7.1982, IVb ZR 726/80, FamRZ 1982, 894, 895; vom 14.11.1984, IVb ZR 38/83, FamRZ 1985, 161, 164 mwN). Ein insoweit zu berücksichtigender Erwerbstätigenbonus (vgl BGH vom 9.6.2004, XII ZR 308/01, FamRZ 2004, 1357, 1359) kam im Jahre 2000 weder der Klägerin noch dem Versicherten zugute.

47

(2) Um festzustellen, ob der Versicherte im Umfang des Unterhaltsbedarfs der Klägerin unterhaltsfähig war, ist die Billigkeitsprüfung nach § 59 EheG vorzunehmen(vgl BGH vom 23.4.1980, IVb ZR 510/80, FamRZ 1980, 770 f).

48

Nach § 59 Abs 1 EheG ist dessen eigener angemessener Unterhalt(vgl Senatsurteil vom 23.5.2006, B 13 RJ 4/05 R, juris RdNr 24; BGH vom 15.3.2006, XII ZR 30/04, BGHZ 166, 351; BGH vom 19.11.2008, XII ZR 51/08, FamRZ 2009, 311; jeweils zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts) und sind seine sonstigen Verpflichtungen, hier insbesondere seine Unterhaltspflichten der Beigeladenen als seiner neuen Ehegattin zu berücksichtigen. Jedenfalls hier nicht zu prüfen sind etwaige Unterhaltspflichten gegenüber der zweiten Ehefrau; denn im (unterstellt) maßgebenden Kalenderjahr 2000 hat diese vom Versicherten weder Unterhalt erhalten noch gefordert. Eine derart rein potentielle Verpflichtung konnte der Klägerin damals nicht entgegengehalten werden, wäre sie doch zu ihren Lasten allein dem Versicherten zugute gekommen.

49

Im Übrigen liegen jedoch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG zur Anwendung der Regelung des § 59 Abs 1 EheG nicht vor. So kann der Unterhaltsbedarf der Beigeladenen nicht ermittelt werden; für sie ist ebenso wenig - wie bei der Klägerin und beim Versicherten - ersichtlich, welche regelmäßigen Einkünfte insgesamt zur Verfügung standen. Das LSG wird auch zu ermitteln haben, ob dem Versicherten ein erhöhter Aufwand wegen der Pflegebedürftigkeit zuzubilligen war.

50

Schließlich ist nach § 59 Abs 2 EheG erheblich, ob die Klägerin imstande war, sich aus dem Stamm ihres Vermögens zu unterhalten. Auch dies kann nicht beurteilt werden, weil das Berufungsurteil zum Vermögen der Klägerin ebenfalls keinerlei Aussagen enthält.

51

Im Ergebnis wird das LSG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, der Beigeladenen und des Versicherten umfänglich zu ermitteln und festzustellen haben.

52

c) Stellt sich nach alledem heraus, dass die Klägerin gegen den Versicherten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen im Rahmen des § 243 SGB VI erheblichen(hierzu zusammenfassend BSG vom 31.8.2000, B 4 RA 44/99 R, juris RdNr 15 mwN) Unterhaltsanspruch hatte, bliebe zu überprüfen, ob und in welcher Höhe nach §§ 18a ff Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) Einkommen der Klägerin auf den hieraus folgenden Rentenanspruch anzurechnen ist. Insoweit ist die Prüfung nicht darauf beschränkt, ob der Klägerin (mindestens) der Zahlbetrag des Bescheids vom 6.8.2001 (103,20 DM/Monat) zusteht. Denn wenn die Beteiligten im Vergleich vom 2.8.2004 eine "neue Entscheidung" der Beklagten vereinbart haben, so hat diese gerade nicht nur zu überprüfen, ob der Klägerin der im Bewilligungsbescheid zugesprochene Rentenzahlbetrag auch zusteht, sondern auch, ob sie nicht einen darüber hinaus gehenden Anspruch hat.

53

2. Für den Fall, dass die unter 1. skizzierte Prüfung auf der Grundlage der vom LSG nachzuholenden Tatsachenfeststellungen nicht zu einem Erfolg der Klägerin mindestens in Höhe des Rentenbetrags entsprechend dem Bescheid vom 6.8.2001 führt, stehen ihr auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 2.8.2004 auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung einer Rente zu.

54

In Betracht kommen insoweit Ansprüche aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 6.8.2001 (a) sowie dem Bescheid vom 29.11.2001 (b).

55

a) Den Rentenbewilligungsbescheid vom 6.8.2001 hat die Beklagte zwar mit Bescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 mit Wirkung ab 1.4.2002 zurückgenommen. Wenn aber das Verfahren über die Klage gegen diesen Verwaltungsakt in der Berufungsinstanz durch den Vergleich vom 2.8.2004 beendet wurde, wonach die Beklagte über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente neu entscheidet, so hat die Klägerin damit - sollte ihr nicht nach materiellem Recht die begehrte Rente zustehen - nicht auf eventuelle Ansprüche verzichtet, die sich ergäben, sollte der Aufhebungsbescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht rechtswidrig sein. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin am 2.8.2004 zu einem derartigen Verzicht einen Anlass hätte haben können.

56

(aa) Zu Recht hat daher die Beklagte (jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 2.12.2005) auch - im Rahmen des § 44 SGB X - geprüft, ob der auf § 45 SGB X gestützte Bescheid vom 5.3.2003 rechtswidrig war. Der Senat kann offen lassen, ob im Verfahren über die hiergegen erhobene Klage es darauf ankommt, inwieweit im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X Verfahrensfehler - anders als im Erstanfechtungs-(-feststellungs-)verfahren - insbesondere Verstöße gegen vertrauensschützende Vorschriften, eine Rolle spielen(vgl hierzu Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 2. Aufl 2007, § 44 RdNr 18b mwN). Jedenfalls müssen der Klägerin aufgrund des Vergleichs auch im vorliegenden Verfahren jene Rechte zustehen, die sie im damaligen Berufungsverfahren auf ihre Klage gegen den Bescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 hatte. Sollte sich daher dieser Bescheid, gleich aus welchem Grund, als rechtswidrig erweisen, und hätte er deswegen im damaligen Gerichtsverfahren aufgehoben werden müssen, so hat dies auch im vorliegenden Verfahren zu geschehen. Dies gilt unabhängig von der konkreten Fassung der Anträge (§ 123 SGG).

57

(bb) Im Bescheid vom 6.8.2001 hat die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag vom 27.2.2001 ab dem 1.3.2001 eine anteilige große Witwenrente "nach dem vorletzten Ehegatten" in Höhe eines Zahlbetrags von 103,20 DM (nach Einkommensanrechnung) bewilligt. Dies ist richtigerweise als Bewilligung der - von der Klägerin auch beantragten - Rente an geschiedene Ehegatten zu verstehen. Wenn die insoweit anzuwendenden Voraussetzungen nach § 243 SGB VI (s hierzu oben unter 1.) und - was ggf noch zu überprüfen wäre - §§ 18a ff SGB IV für eine Rente in dieser Höhe nicht erfüllt waren, war der Bescheid rechtswidrig und damit die Grundvoraussetzung für eine Rücknahme nach § 45 SGB X erfüllt.

58

Erweist sich jedoch der Bescheid vom 6.8.2001 als (insgesamt) rechtswidrig, weil der Klägerin keine Geschiedenenwitwenrente zustand, bleibt zu prüfen, ob die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 rechtmäßig zurückgenommen hat. Auf dieser Grundlage stünden der Klägerin - unterstellt - jedoch keine Ansprüche zu.

59

Ermächtigungsgrundlage für den genannten Bescheid war § 45 SGB X. Nach Abs 1 dieser Vorschrift kann (Ermessen) die Verwaltung einen begünstigenden Bescheid (hier: die Rentenbewilligung vom 6.8.2001) zurücknehmen, wenn er rechtswidrig ist; ferner müssen die Voraussetzungen der Abs 2 bis 4 der Vorschrift (Vertrauensschutz, Fristen) erfüllt sein.

60

Nach der obigen Unterstellung war die Rentenbewilligung an die Klägerin rechtswidrig; ferner hat die Beklagte im Bescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 ihr Rücknahmeermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat die von der Klägerin im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Umstände überprüft und ist zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gekommen, dass dem Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes keine vorrangigen Interessen der Klägerin entgegenstünden. Ob die Beklagte überhaupt Ermessen hätte ausüben müssen, kann der Senat dahingestellt sein lassen (bejahend im Fall des zulässigen und begründeten Drittwiderspruchs Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 2. Aufl 2007, § 49 RdNr 14 mwN; gegen ein Rücknahmeermessen bei § 50 Verwaltungsverfahrensgesetz: BVerwG vom 8.11.2001, Buchholz 406.12 § 5 BauNVO Nr 8 freilich in einem Fall, in dem die Beseitigung der Belastung des Dritten nur durch Rücknahme des Verwaltungsakts erreicht werden konnte).

61

(1) Sollte das LSG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zur Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung vom 6.8.2001 gelangen, so käme es auf die Voraussetzungen von § 45 Abs 2 bis 4 SGB X jedoch nicht an, weil sich die Vorschrift des § 49 SGB X dann zugunsten der Beklagten auswirkt. Hiernach gelten ua § 45 Abs 1 bis 4 SGB X "nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird". Dies beseitigt zwar nicht die Eigenschaft der Vorschrift des § 45 SGB X als(nach § 39 Abs 2 SGB X erforderliche)Rechts-(Ermächtigungs-)grundlage für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide in Drittwiderspruchs-(klage-)fällen, schließt jedoch die Prüfung der Vertrauensschutz- und Fristvorschriften in § 45 Abs 2 bis 4 SGB X aus(Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 49 RdNr 4, Stand 2007).

62

Im Sinne des § 49 SGB X war die Entscheidung der Beklagten, die Witwenrente zwischen der Beigeladenen und der Klägerin aufzuteilen, der "begünstigende Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist". Diese Entscheidung ist der Klägerin durch den Rentenbewilligungsbescheid vom 6.8.2001 bekanntgegeben und damit ihr gegenüber wirksam geworden; durch den Aufteilungsbescheid vom 14.9.2001 geschah dies für die Beigeladene, die fristgerecht Widerspruch eingelegt hat, so dass der der Klägerin erteilte Bescheid vom 6.8.2001 nicht bindend (§ 77 SGG) wurde.

63

(2) Dieser Verwaltungsakt war die "einheitliche Entscheidung" der Beklagten im Sinne der Rechtsprechung des BSG, wonach im Fall der erstmaligen oder späteren Beschränkung einer Witwenrente wegen des Vorhandenseins einer weiteren Berechtigten (geschiedene Frau), über die den beiden Hinterbliebenen erteilten Bescheide einheitlich zu entscheiden ist (s hierzu bereits BSG vom 23.6.1964, 11/1 RA 90/62, BSGE 21, 125, 127 = SozR Nr 5 zu § 1268 Reichsversicherungsordnung unter Bezugnahme auf BSG vom 25.10.1963, SozR Nr 3 zu § 1268 RVO; vom 25.10.1984, 11 RA 60/83, SozR 2200 § 1265 Nr 73 S 248; vom 22.4.1986, 1 RA 21/85, SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 91; vom 26.10.1989, 4 RA 84/88, SozR 2200 § 1268 Nr 32 S 105 f; jeweils noch zur alten Rechtslage des § 45 Abs 4 Satz 1 und 2 Angestelltenversicherungsgesetz = § 1268 Abs 4 Satz 1 und 2 RVO).

64

Auch unter Anwendung der Nachfolgevorschrift des § 91 SGB VI in der hier maßgeblichen, vom 1.1.1992 bis 31.12.2001 gültigen Fassung (Art 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) gilt nichts anderes. Danach erhält, wenn für denselben Zeitraum aus den Rentenanwartschaften eines Versicherten Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte besteht, jede Berechtigte den Teil der Witwenrente, der dem Verhältnis der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten zu der Dauer der Ehen des Versicherten mit allen Berechtigten entspricht (§ 91 Satz 1 SGB VI).

65

Das BSG hat den Sinn und Zweck der materiell-rechtlichen Aufteilungsregelung nach den Vorläufervorschriften (§ 45 Abs 4 Satz 1 AVG = § 1268 Abs 4 Satz 1 RVO) darin gesehen, dass die Versichertengemeinschaft nicht dadurch belastet werden sollte, dass der Versicherte mehrere Ehen eingegangen war. Der Tod des Versicherten sollte betragsmäßig nur eine Hinterbliebenenrente für die Witwe und etwaige frühere Ehefrauen auslösen (BSG vom 11.3.1969, 4 RJ 153/68, BSGE 29, 169, 171 = SozR Nr 14 zu § 1268 RVO, vom 26.5.1971, 5 RJ 154/70, BSGE 33, 7, 8 = SozR Nr 20 zu § 1268 RVO; vom 12.11.1980, 1 RA 95/79, BSGE 51, 1, 2 f = SozR 2200 § 1268 Nr 18, S 64 und vom 5.6.1986, 5a RKn 8/85, BSGE 60, 110, 113 = SozR 2200 § 1268 Nr 30, S 100; vom 21.4.1999, B 5/4 RA 90/97 R, SozR 3-2600 § 91 Nr 2, S 10 f; vgl auch BVerfG vom 10.1.1984, 1 BvR 55/81, 1254/81, BVerfGE 66, 79 = SozR 2200 § 1268 Nr 23). Die Aufteilung nur einer (einzigen) aus dem Versichertenverhältnis erworbenen Hinterbliebenenrente wurde durch eine verfahrensrechtliche Spezialermächtigung sichergestellt (§ 45 Abs 4 Satz 2 AVG = § 1268 Abs 4 Satz 2 RVO). Danach waren Hinterbliebenenrenten (nur) mit Wirkung für die Zukunft neu festzustellen (aufzuteilen), wenn nach der Bewilligung offenbar wurde, dass ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen war (vgl BSG vom 26.10.1989, 4 RA 84/88, SozR 2200 § 1268 Nr 32 S 104 f; BSG vom 22.4.1986, 1 RA 21/85, SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 93 mwN).

66

Zwar ist diese verfahrensrechtliche Regelung nicht in § 91 SGB VI übernommen worden. Hieraus folgt jedoch lediglich, dass an deren Stelle im Fall der Neufestsetzung der Witwenrenten (Aufteilung) nunmehr die allgemeinen Regeln über die Aufhebung von Verwaltungsakten des SGB X (im Fall der Kürzung der Witwenrente: § 48 Abs 1, ggf auch § 45 SGB X) getreten sind. Eine Änderung des mit der Aufteilung beabsichtigten Gesetzeszwecks ist hingegen nicht erfolgt (BSG vom 21.4.1999, B 5/4 RA 90/97 R, SozR 3-2600 § 91 Nr 2, S 11 f). Vielmehr ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Aufteilung entsprechend dem geltenden Recht erfolgen sollte (vgl BT-Drucks 11/4124, S 174 zu Art 1 § 90 und S 199 zu Art 1 § 238 des Entwurfs eines Rentenreformgesetzes).

67

(3) Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck der Aufteilungsvorschrift des § 91 Satz 1 SGB VI folgt daher, dass die Ansprüche auf Witwen- bzw Geschiedenenwitwenrente nach wie vor "unauflöslich" (so BSG vom 26.10.1989, 4 RA 84/88, SozR 2200 § 1268 Nr 32 S 104, 106 noch zum alten Recht) miteinander verknüpft sind (Mey, DAngVers 1993, 367, 369, 372 nennt den Zusammenhang in § 91 Satz 1 SGB VI "normlogisch"). Diese aufgezeigte enge Verknüpfung wird verfahrensrechtlich jetzt über die Drittbetroffenheit iS von § 49 SGB X sichergestellt. Richten sich nämlich Widerspruch und Klage einer Witwe gegen die Aufteilung einer Rente gemäß § 91 Satz 1 SGB VI zwischen ihr und der geschiedenen ersten Frau des Versicherten, so ficht sie damit nicht nur den ihr selbst erteilten Rentenbescheid, sondern auch den der geschiedenen Frau an. Denn soweit deren Rentenberechtigung nach § 243 SGB VI für die Witwe die Teilung der Hinterbliebenenrente gemäß § 91 SGB VI zur Folge hat, wird sie in ihren Rechten (dritt-)betroffen und beschwert(§ 54 SGG) mit der Folge, dass auf ihre Klage (bzw ihren Widerspruch) über die Rechtmäßigkeit beider Bescheide zu entscheiden ist (BSG vom 31.8.2000, B 4 RA 44/99 R, HVBG-INFO 2000, 2764, 2765).

68

Davon geht auch die überwiegende Meinung in der Literatur aus (Mey, DAngVers 1993, 367, 376; Löns in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 91 RdNr 9; Rüfner in Wannagat, SGB X, § 49 RdNr 8, Stand 1997; Brähler in GK-SGB VI, § 91 RdNr 44, Stand 2004; Verbandskommentar, SGB VI, § 91 RdNr 1, Stand 2004; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, SGB VI, § 91 RdNr 19, Stand 1991; Schütze in v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 49 RdNr 3; Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 2. Aufl 2007, § 49 RdNr 8; Marschner in Pickel/Marschner, SGB X, § 49 RdNr 11, Stand 2006).

69

Soweit nach aA eine Drittwirkung des Widerspruchs verneint wird (Heilemann, SGb 1993, S 165, 167, ders SGb 1997, 255, 257; Klieve in jurisPK-SGB VI § 91 RdNr 18, Stand 2008; Gürtner in Kasseler Komm, § 91 SGB VI RdNr 10, 26, Stand 2008),steht dieser Auffassung die aufgezeigte materiell-rechtliche "Einheitlichkeit der Entscheidung" in der hier vorliegenden Konstellation entgegen.

70

Bei dem vorliegenden Streitstand kann dahinstehen, inwieweit der Senat damit iS des § 41 Abs 2 SGG von anderweitiger Rechtsprechung des BSG abweicht. Der 5. Senat (vom 30.8.2000, B 5 RJ 4/00 R, SozR 3-1200 § 34 Nr 1 S 3) hat eine Beiladung der zweiten, in Marokko lebenden Witwe eines muslimischen Versicherten zum Verfahren gegen den gemäß § 48 Abs 1 SGB X an die erste Witwe ergangenen endgültigen Aufteilungsbescheid nach § 34 Abs 2 SGB I nicht für notwendig gehalten, weil nach der ab 1992 geltenden Rechtslage durch die Anwendung des allgemeinen Verfahrensrechts des SGB X es "in der Summe … zu mehr als einer vollen Hinterbliebenenrente kommen kann." Der dort entschiedene Fall war bereits deshalb anders gelagert, weil die zweite Witwe nach bindender Bewilligung und Auszahlung einer Witwenrentenabfindung nicht mehr leistungsberechtigt war, dies jedoch auf die Aufteilung zu Lasten der ersten Witwe keinen Einfluss hatte.

71

Im Übrigen war schon zu den Vorläufervorschriften zu § 243 SGB VI anerkannt, dass trotz der "Einheitlichkeit der Entscheidung" im obigen Sinne die Pflicht der Beklagten, entsprechend der von ihr erkannten materiellen Rechtslage der (unterstelltermaßen: voll) berechtigten Witwe (hier: der Beigeladenen) die gesamte ihr zustehende Leistung zu gewähren, nicht davon abhängen kann, ob es verwaltungsverfahrensrechtlich gelingt, der nicht berechtigten (geschiedenen) Witwe (hier: der Klägerin) die ihr (unterstelltermaßen: zu Unrecht) gewährte Teilleistung wieder zu entziehen(so BSG vom 25.10.1984, 11 RA 60/83, SozR 2200 § 1265 Nr 73 S 248; vom 15.10.1987, 1 RA 37/85, SozR 1300 § 45 Nr 32 S 99; vom 26.10.1989, 4 RA 84/88, SozR 2200 § 1268 Nr 32 S 108 f; sämtlich noch zur Rechtslage unter Geltung des § 1268 Abs 4 Satz 2 RVO = § 45 Abs 4 Satz 2 AVG; s auch Mey, DAngVers 1993, 367, 376).

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(4) Der Anwendung des § 49 SGB X auf den vorliegenden Fall steht ferner nicht entgegen, dass der Aufhebungsbescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 erst nach - und nicht zeitgleich mit - dem ungeteilten Witwenrentenbescheid vom 10.9.2002 ergangen ist; mit Letzterem hatte die Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen gegen den ihr erteilten Aufteilungsbescheid vom 14.9.2001 in vollem Umfang abgeholfen. Im Sinne der obigen Ausführungen zur "einheitlichen Entscheidung" des Rentenversicherungsträgers bedeutet dies, dass das durch den rechtzeitig am 16.10.2001 eingelegten, zulässigen und - hier unterstellt begründeten - Drittwiderspruch gegen den begünstigenden Verwaltungsakt (hier: die Rentenbewilligung an die Klägerin vom 6.8.2001) eröffnete Vorverfahren (§ 83 SGG)solange nicht beendet war, wie eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren (§ 85 SGG) über den drittangefochtenen, begünstigenden Verwaltungsakt noch ausstand. Der Aufhebungsbescheid vom 5.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003 war eine solche Entscheidung "während des Vorverfahrens" bzw auf den zulässigen und - unterstellt begründeten - Drittwiderspruch. Erst mit dieser, der Klägerin bekanntgemachten Entscheidung war dem (Dritt-)Widerspruch der Beigeladenen gegen die einheitliche Aufteilungsentscheidung iS von § 49 SGB X abgeholfen.

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Dem steht auch nicht entgegen, dass aus dem Aufhebungsbescheid vom 5.3.2003 nicht hervorgeht, dass er auf den Widerspruch der Beigeladenen ergangen ist. Der Klägerin war seit der Anhörung im März 2002 bekannt, dass eine Rücknahme ihrer Rentenbewilligung aufgrund des Drittwiderspruchs beabsichtigt war. Eine bestimmte Reihenfolge hinsichtlich der Bescheidung der beiden Prätendenten kann schon deshalb nicht vorausgesetzt werden, weil hierdurch wiederum die Leistungsgewährung an den tatsächlich Berechtigten von Zufälligkeiten beim Nichtberechtigten (zB Schwierigkeiten bei der Bekanntgabe eines Rücknahmebescheids) abhängig wäre. Die Vorschrift des § 49 SGB X bewirkt, dass der durch den Verwaltungsakt Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts vertrauen kann, solange ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist(zur Parallelvorschrift des § 50 VwVfG vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 50 RdNr 1 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung).

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Der Senat kann daher offen lassen, ob § 49 SGB X auch auf den Zeitraum nach bestandskräftigem Abschluss des Widerspruchs-(bzw Klage-)verfahrens zu erstrecken ist(so wohl Mey, DAngVers 1993, 367, 376; aA Schäfer in Obermayer, VwVfG, 3. Aufl 1999, § 50 RdNr 20 f; Ziekow, VwVfG, 2006, § 50 RdNr 10; Kastner in Handkommentar VerwR/VwVfG, 2006, § 50 VwVfG RdNr 5, die den Anwendungsbereich von § 50 VwVfG von der Erhebung des Widerspruchs bis zum Erlass des Abhilfe- bzw Widerspruchsbescheids begrenzen; vgl Cornils, Die Verwaltung 33 <2000>, 485, 505 f, der den Anwendungsbereich von § 50 VwVfG auf das gerichtliche Verfahren verengt). Ein Nachteil - außer der Notwendigkeit des weiteren Zuwartens - für den durch den Verwaltungsakt Begünstigten wäre hiermit nicht verbunden.

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b) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 5.3.2003 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2003) nicht auch ausdrücklich den Bescheid vom 29.11.2001 zurückgenommen hat. Dass auch dies notwendige Rechtsfolge der genannten Bescheide war, ist von der Klägerin selbst nie angezweifelt worden. Sie hat damit zu Recht die Bescheide so ausgelegt, dass hierin der Wille erkennbar wurde, ebenfalls den Bescheid vom 29.11.2001 zurückzunehmen. Dies gilt erst recht deshalb, weil in diesem (trotz seiner Ausführungen, die Rente der Klägerin werde "neu berechnet") nichts anderes geregelt wurde als die zum 1.1.2002 fällige Umstellung des der Klägerin bisher bewilligten Rentenbetrags von 103,20 DM (= 52,77 Euro).

§ 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.

(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.

(2) Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

§ 45 Abs. 1 bis 4, §§ 47 und 48 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattgegeben wird.