Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2017:0928.L3R531.14.00
bei uns veröffentlicht am28.09.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat.

2

Der 1959 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der zehnten Klasse vom 1. September 1976 bis zum 15. Juli 1978 eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker mit der Spezialisierung "Technologische Ausrüstung der Stärkeindustrie" im VEB Stärkefabrik K. Anschließend leistete er bis November 1981 seinen dreijährigen Wehrdienst bei der NVA ab. Danach arbeitete er als Kraftfahrer und Lagerarbeiter (Dezember 1981 bis Dezember 1982), Förderarbeiter/Stationswärter (Januar 1983 bis September 1992), Munitionsentschärfer (November 1992 bis Januar 1993) sowie als Bauhelfer (Februar 1993 bis Dezember 1997 und Mai bis August 1998). Während seiner Tätigkeit als Förderarbeiter/Stationswärter erwarb er im Januar 1985 berufsbegleitend den Abschluss "Facharbeiter für geologische Bohrungen".

3

Zuletzt war er vom 7. September 1998 bis zum 9. Dezember 2010 im Bereich der H.er Stadtentwässerung beschäftigt. Dort wurde er ausweislich des Arbeitsvertrages vom 7. September 1998 als "Vorarbeiter" eingestellt. Als Arbeitsentgelt wurden ein Grundlohn in Höhe von 14,50 DM sowie eine Leistungszulage in Höhe von 2,- DM vereinbart. In der diesbezüglichen Arbeitgeberauskunft der O. Rohrleitungs- und Stahlbau GmbH & Co. KG vom 8. März 2012 (im Weiteren: Firma O.) ist ausgeführt, der Kläger habe Abwasserschächte montiert sowie Abwasser- und Hausanschlussleitungen verlegt. Diese Tätigkeit werde im Allgemeinen von Arbeitnehmern verrichtet, die eine längere betriebliche Anlernung erfahren hätten. Die Anlernung des Klägers habe zwölf Monate gedauert; die gleiche Anlernzeit wäre bei einem Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse erforderlich gewesen. Der Kläger habe keine Vorkenntnisse bei der Anlernung verwerten können. Die Tätigkeit habe als besondere Qualitätsmerkmale die Einweisung von Mitarbeitern sowie die Organisation von Arbeitsabläufen im Bereich Abwasser und als qualitätsfremde Merkmale teilweise Schmutzarbeit und körperliche Belastung beinhaltet. Das stündliche Arbeitsentgelt habe zuletzt 10,48 EUR betragen. Die Entlohnung sei nach den ortsüblichen Bedingungen erfolgt. Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt am 18. August 2015 hat der Kläger erklärt, er habe eine Kolonne geleitet. Bei dieser Kolonne habe es sich um eine Gruppe von vier bis acht Mitarbeitern gehandelt. Sie hätten hauptsächlich für die H.er Stadtentwässerung gearbeitet. Bei der H.er Stadtentwässerung sei er als Meister geführt worden. Die H.er Stadtentwässerung habe Wert darauf gelegt, dass die jeweiligen Betriebe, die für sie tätig gewesen seien, Schachtmeister beschäftigt hätten. Er habe von der H.er Stadtentwässerung die Aufgabenstellung erhalten. Diese habe er an seine Kolonne weitergegeben. Seine Tätigkeit habe nicht nur aus Einweisungs- und Überwachungsaufgaben bestanden; er habe auch körperlich mitgearbeitet.

4

Der Kläger bezog vom 11. Oktober bis zum 12. November 2010 Krankengeld und vom 10. Dezember 2010 bis zum 8. März 2012 Arbeitslosengeld. Seitdem erhält er keine Sozialleistungen mehr. Seine Ehefrau ist berufstätig. Er besitzt einen Führerschein; ein PKW ist vorhanden.

5

Am 22. Februar 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er gab an, sich seit dem 30. August 2010 für erwerbsgemindert zu halten und keine Arbeiten mehr verrichten zu können. Er leide unter einem Hüftleiden links sowie unter einem Lendenwirbelschaden. Er könne maximal 100 bis 200 m laufen, da die Schmerzen unerträglich seien. Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. H. vom 6. März 2012 ein und veranlasste sodann ein orthopädisches Gutachten. Der Facharzt für Orthopädie Dr. med. habil. F. (im Weiteren: Dr. F.) untersuchte den Kläger am 2. Mai 2012 und stellte in seinem Gutachten vom folgenden Tag die Diagnosen:

6

Lumbales Radikulärsyndrom links bei Osteochondrose der unteren Lendenwirbelsäule.

7

Mittelgradige Coxarthrose beidseits.

8

Periarthritis humerus scapularis beidseits.

9

Diskrete Gonarthrose beidseits.

10

Die Belastbarkeit des Klägers sei eingeschränkt. Aus orthopädischer Sicht bestehe noch Eignung für leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Diese Tätigkeit sei für einen Zeitraum von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Als Rohrleitungsbauer sei der Kläger nicht mehr leistungsfähig. Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. L. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (SMD) führte in ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom 9. Mai 2012 aus, das Gutachten von Dr. F. sei inhaltlich schlüssig, den Ausführungen zum Restleistungsvermögen könne sie sich voll anschließen. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 25. Mai 2012, mit dem sie ihm gleichzeitig eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 1. März 2012 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 116,21 EUR (brutto 129,34 EUR) bewilligte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2013 ab. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Kläger könne zwar in seinem bisherigen Beruf als Vorarbeiter/Stadtentwässerung nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Als Registrator, Poststellenmitarbeiter und Pförtner könne er in diesem Umfang jedoch noch arbeiten. Dies sei ihm aufgrund seines beruflichen Werdeganges auch zumutbar.

11

Dagegen hat der Kläger am 14. September 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er leide unter erheblichen Bewegungs- und Ruheschmerzen. Die ständigen Schmerzen stellten darüber hinaus eine erhebliche psychische Belastung für ihn dar. Aufgrund dessen habe er eine Depression entwickelt und seit Dezember 2012 in erhöhtem Maße Alkohol konsumiert.

12

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dipl.-Med. H. hat in seinem Bericht vom 28. April 2014 lediglich mitgeteilt, dass der Kläger letztmalig am 12. November 2010 und damit vor mehr als drei Jahren von ihm behandelt worden sei. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. hat in ihrem Befundbericht vom 15. Mai 2014 erklärt, der Kläger könne im Wechsel der Haltungsarten (sitzend, gehend und stehend) mindestens noch sechs Stunden täglich arbeiten. Er sei auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in einer Zeit von jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen. Dr. L. hat u.a. den Entlassungsbrief des Fachklinikums U. vom 17. Oktober 2013 über die dortige Behandlung des Klägers vom 3. bis zum 16. September 2013 übersandt. Dort sei der Kläger wegen einer Trinkmengensteigerung von acht bis zehn Bier täglich mit Entzugserscheinungen aufgenommen worden. In der Klinik habe der Kläger eine leichte Entzugssymptomatik entwickelt. Er sei medikamentös behandelt worden. Hierunter sei es zu einem komplikationslosen Abklingen der Entzugssymptomatik gekommen, so dass er in die nichtmedikamentösen Therapien habe integriert werden können. Dabei sei allerdings auffällig ist, dass er sowohl in den Gesprächsgruppen als auch im Tagesablauf eher ausweichend bagatellisierend gewesen sei und sich nur bedingt auf die Therapieangebote habe einlassen können. Es habe sich nur eine mäßige Krankheitseinsicht entwickeln können. Zu einer weiterführenden Therapie habe der Kläger nicht motiviert werden können.

13

Mit Urteil vom 30. Oktober 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Ergebnis habe keine rentenbegründete Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt werden können. Daran ändere auch nichts, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Vorarbeiter im Bereich der H.er Stadtentwässerung nicht mehr ausüben könne. Denn er könne als angelernter Rohrleitungsbauer zumutbar auf ungelernte Arbeiten verwiesen werden, soweit es sich nicht um die allereinfachsten in ihrer Art handele. Die von der Beklagten aufgezeigten Verweisungstätigkeiten (Registrator, Poststellenmitarbeiter und Pförtner) entsprächen dem medizinischen Leistungsbild des Klägers und seien aufgrund der dafür notwendigen Einarbeitungszeit auch zumutbar.

14

Gegen das ihm am 14. November 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. November 2014 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vortrag hat er erklärt, eine Besserung seines Gesundheitszustandes sei bislang nicht zu verzeichnen. Eine Belastbarkeit für eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei daher nicht mehr gegeben. Im Übrigen beurteile das Sozialgericht seinen Hauptberuf zu Unrecht als eine angelernte Tätigkeit. Seine letzte Beschäftigung sei die eines Vorarbeiters gewesen. Er sei gegenüber mehreren Mitarbeitern, darunter auch Facharbeitern, weisungsbefugt gewesen. Diese Tätigkeit habe einer Facharbeitertätigkeit entsprochen. Ergänzend hat er auf den von ihm eingereichten Anstellungsvertrag vom 7. September 1998 verwiesen. Darüber hinaus hat der Kläger die "Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 3. Mai 2013" eingereicht. Hieraus ergebe sich, dass er gemäß § 2 Abs. 3a in die Lohngruppe 1 TL (10,48 EUR) einzuordnen sei.

15

Der Kläger beantragt,

16

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Oktober 2014 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Darüber hinaus hat sie berufskundliche Unterlagen zu den benannten Verweisungstätigkeiten des Registrators, des Mitarbeiters in der Poststelle sowie des Pförtners übersandt. Diesbezüglich wird auf Blatt 112 bis 115 der Gerichtsakten verwiesen.

20

Das LSG hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dr. L. hat in ihrem Bericht vom 3. Februar 2016 darauf hingewiesen, dass der Kläger seit einem Jahr nicht mehr in ihrer Sprechstunde gewesen sei. Der Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. N. hat in seinem Befundbericht vom 9. Juni 2016 nach zwei Konsultationen (am 15. April und 21. Mai 2015) folgenden psychischen Befund erhoben: "Bedrückt, Selbstwert-/Sinn-Problem, nur wenig Introspektion, nur wenig kooperativ. Dramatisierend."

21

Schließlich hat das LSG ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie sowie für Neurologie/Psychiatrie Dr. P. vom 25. Januar 2017 eingeholt. Dr. P. hat den Kläger am 24. Januar 2017 untersucht und folgende orthopädisch relevante Diagnosen gestellt:

22

Chronisch rezidivierendes, degenerativ bedingtes lumbales Pseudoradikulärsyndrom links.

23

Mäßiggradige linksbetonte Coxarthrose beidseits.

24

Initiale Gonarthrose beidseits ohne klinische Relevanz.

25

Der Kläger gehe morgens und abends jeweils eine Stunde mit dem Hund spazieren. Er könne auch leichte Haus- und Gartenarbeiten verrichten. Alkohol trinke er seit vier Jahren nicht mehr. Im Ergebnis der Begutachtung hätten sich mäßiggradige Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sowie endgradige Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke links betont feststellen lassen. Sie seien röntgenologisch objektivierbar. Weitere nennenswerte Funktionseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sowie neurologische Ausfallerscheinungen hätten nicht vorgelegen. Eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte habe sich nicht feststellen lassen. Der Kläger sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im zeitweiligen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig (acht Stunden täglich) zu verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule, schwerere Hebe- und Trageleistungen, Hock- und Bückverrichtungen, kniende und hockende Bewegungsabläufe, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Kälte-, Nässe-, Zuglufteinwirkungen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Die Tätigkeiten könnten im Wechselschichtsystem ausgeführt werden. Es könne eine normale Arbeitsleistung bei Einhaltung der üblichen Ruhepausen erbracht werden. Zusätzliche Ruhepausen seien nicht erforderlich. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Er sei auch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht geklärt.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats vorgelegen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist unbegründet.

28

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

29

Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außer Stande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

30

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er seit Rentenantragstellung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

31

Dabei liegt dieser Feststellung folgendes Leistungsbild zugrunde: Der Kläger kann noch leichte körperliche Tätigkeiten im zeitweiligen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig (acht Stunden täglich) verrichten. Zu vermeiden sind Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule, schwerere Hebe- und Trageleistungen, Hock- und Bückverrichtungen, kniende und hockende Bewegungsabläufe, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Kälte-, Nässe-, Zuglufteinwirkungen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten.

32

Dieses Leistungsbild ergibt sich insbesondere aus den überzeugenden Feststellungen in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. F. vom 3. Mai 2012 und in dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. vom 25. Januar 2017.

33

Der Kläger leidet an orthopädischen Beschwerden, die aber nicht so schwerwiegend sind, dass sie einer leichten vollschichtigen Tätigkeit entgegenstehen. Bei der Begutachtung durch Dr. P. haben sich mäßiggradige Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sowie endgradige Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke links betont gezeigt. Diese sind auch röntgenologisch objektivierbar gewesen. Weitere nennenswerte Funktionseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sowie neurologische Ausfallerscheinungen haben aber nicht vorgelegen. Eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte hat Dr. P. nicht feststellen können. Der erhöhte Bierkonsum des Klägers hat im September 2013 zu einem einmaligen stationären Aufenthalt im Fachklinikum U. geführt. Unter der dortigen medikamentösen Behandlung ist es zu einem komplikationslosen Abklingen der Entzugssymptomatik gekommen. Der Alkoholkonsum hat noch nicht zu schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen mit der Folge einer eingeschränkten beruflichen Leistungsfähigkeit geführt. Auch Dr. N. hat in seinem Bericht vom 9. Juni 2016 keinen schwerwiegenden psychischen Befund mitgeteilt. Er hat den Kläger - ebenso wie die Ärzte in U. - als wenig kooperativ erlebt. Bezeichnenderweise hat es bei ihm auch nur zwei Konsultationen (am 15. April und 21. Mai 2015) gegeben. Die den Kläger behandelnde Dr. L. hat in ihrem Befundbericht für das Sozialgericht vom 15. Mai 2014 in Übereinstimmung mit den orthopädischen Gutachtern Dr. F. und Dr. P. erklärt, der Kläger könne im Wechsel der Haltungsarten (sitzend, gehend und stehend) mindestens noch sechs Stunden täglich arbeiten. In ihrem Bericht vom 3. Februar 2016 hat sie lediglich darauf hinweisen können, dass der Kläger seit einem Jahr nicht mehr in ihrer Sprechstunde gewesen sei. Dies passt ins Bild des Klägers, der sich von den Ärzten keine Linderung seiner Beschwerden mehr verspricht und auf die für ihn im Zusammenhang mit den Behandlungen entstehenden Kosten hingewiesen hat. Aus Sicht des Senats resultiert die fehlende Behandlungsmotivation aber vielmehr daraus, dass - wie Dr. P. in seinem Gutachten festgehalten hat - eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte gar nicht festzustellen ist.

34

Bei dem Kläger liegt auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 33 f.; vgl. zur Anwendung dieser Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris). Das Leistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für körperlich leichte ungelernte Tätigkeiten, wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, Reinigungsarbeiten, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, aus.

35

Bei dem Kläger besteht darüber hinaus kein Katalog- oder Seltenheitsfall, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Die medizinischen Ermittlungen haben keinen belastbaren Hinweis auf eine dermaßen eingeschränkte Wegefähigkeit ergeben, dass der Kläger die genannte Anforderung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewältigen könnte. Dr. P. hat erklärt, die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Er sei auch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Dr. L. hat in ihrem Befundbericht vom 15. Mai 2014 insoweit ebenfalls keine Einschränkungen mitgeteilt, sondern ausgeführt, der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in einer Zeit von jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen.

36

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

37

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist vor dem maßgebenden Stichtag geboren, aber nicht berufsunfähig.

38

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).

39

Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Wenn er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss also mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. Nazarek in JurisPraxiskommentar SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240 RdNr. 35 m.w.N.).

40

Der Senat hat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze auf die bis Dezember 2010 im Bereich der H.er Stadtentwässerung ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als "Vorarbeiter" abzustellen. Diese Tätigkeit mit körperlich schweren Arbeiten (Montage von Abwasserschächten sowie Verlegung von Abwasser- und Hausanschlussleitungen) kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Ein insoweit nicht ausreichendes Leistungsvermögen ist bereits dem Gutachten von Dr. F. vom 3. Mai 2012 zu entnehmen. Dieser ist zu der plausiblen Einschätzung gelangt, dass der Kläger als Rohrleitungsbauer nicht mehr leistungsfähig ist.

41

Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit im Bereich der H.er Stadtentwässerung begründet indes für ihn keinen Berufsschutz, da er der Ebene der Angelernten im unteren Bereich im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnen ist.

42

Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten oder ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Bei den angelernten Arbeitern ist weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen (vgl. hierzu Nazarek, a.a.O., § 240 RdNr. 94 ff. m.w.N.).

43

Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Instandhaltungsmechaniker und zusätzlich über einen berufsbegleitend erworbenen Abschluss als "Facharbeiter für geologische Bohrungen". Diese Abschlüsse haben jedoch keinen direkten Bezug zu der Tätigkeit bei der Firma O., bei der es um die Montage von Abwasserschächten sowie die Verlegung von Abwasser- und Hausanschlussleitungen ging. Dies belegt auch die Arbeitgeberauskunft der Firma O. vom 8. März 2012. Danach ist die damalige Tätigkeit des Klägers im Allgemeinen von Arbeitnehmern verrichtet worden, die eine betriebliche Anlernung von zwölf Monaten erfahren haben. Die gleiche Anlernzeit wäre aber auch bei einem Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse erforderlich gewesen. Dementsprechend hat die Firma O. in der Arbeitgeberauskunft mitgeteilt, der Kläger habe bei der Anlernung keine Vorkenntnisse verwerten können.

44

Der vom Kläger im Berufungsverfahren - unvollständig - eingereichte TV Mindestlohn und die von ihm in Bezug genommene Einstufung in die Lohngruppe 1 bestätigen, dass er der Ebene der Angelernten im unteren Bereich im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnen ist. Denn die Lohngruppe 1 mit dem Tariflohn 10,48 EUR beinhaltet "einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung" sowie "einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung". In Bezug auf die erforderliche Regelqualifikation ist "keine" angegeben. Der Kläger hatte auch keine Aufgaben mit herausgehobener Verantwortung zu verrichten. Die Bezeichnung "Vorabeiter" allein rechtfertigt eine solche Schlussfolgerung nicht. Denn im Ergebnis sind alle Arbeiter der Kolonne nach Anweisung tätig geworden, nämlich der von der H.er Stadtentwässerung vorgegebenen Aufgabenstellung, die der Kläger als Ansprechpartner für diese an die Mitglieder der Kolonne weitergegeben hat. Dass er gegenüber mehreren Mitarbeitern, darunter auch Facharbeitern, weisungsbefugt gewesen sei, wie er behauptet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Weisungsbefugnis berechtigt nicht zwingend zur Einstufung mindestens in die Gruppe der oberen Angelernten. Denn es kommt auch auf die Art der Weisungsbefugnis und den jeweiligen Spielraum des Weisungsgebers an. Dieser Spielraum dürfte im Falle des Klägers als Kolonnenführer sehr gering gewesen sein, zumal er auch selbst körperlich mitgearbeitet hat. Dass seine Kollegen teilweise ebenfalls Facharbeiter gewesen seien, wie er vorgetragen hat, fällt ebenfalls nicht ins Gewicht, weil sie in ihrer Tätigkeit bei der Firma O. - wie der Kläger selbst auch - jedenfalls nicht als Facharbeiter entsprechend einer von ihnen abgeschlossenen Ausbildung eingesetzt und entlohnt worden sind.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

46

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14 zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - B 13 R 78/09 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Referenzen

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Instandhaltungsmechaniker und war zuletzt von 1997 bis 2004 als LKW-Fahrer beschäftigt. Im Januar 2004 kam es zu einem Arbeitsunfall, der ua die Amputation seines linken Unterarms zur Folge hatte. Im März 2004 erlitt er einen Herzinfarkt. Der Kläger erhält Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls.

3

Den im August 2004 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege (Bescheid vom 17.8.2005). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007). Das SG Gotha hat die Beklagte verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1.2.2005 bis zum 31.1.2009 zu gewähren (Urteil vom 4.3.2008). Das Leistungsvermögen des Klägers sei auf leichte Arbeiten begrenzt, die er grundsätzlich sechs bis acht Stunden täglich mit Einschränkungen verrichten könne. Es liege jedoch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung mit der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit vor, da er die linke Hand nach Amputation des Unterarms allenfalls als Beihand einsetzen könne. Für solche leistungseingeschränkten Versicherten sei der allgemeine Arbeitsmarkt nicht als offen anzusehen. Die von der Beklagten benannten leichten Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Kontrolleurtätigkeiten könne der Kläger nicht ausüben, weil es sich um bimanuelle Tätigkeiten handele. Auch eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist scheide aus, da der Kläger dem damit verbundenen Zeitdruck nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nicht gewachsen sei.

4

Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.9.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nach den Feststellungen des vom SG gehörten Sachverständigen noch in der Lage, eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Die linksseitige Unterarmamputation sowie die Schmerzsymptomatik im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule erforderten allerdings eine Begrenzung auf körperlich leichte Arbeiten. Wegen der orthopädischen Leiden und der Schmerzzustände im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule seien Tätigkeiten mit längeren Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufigem Klettern oder Gehen auf unebenen Böden, Tätigkeiten mit Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten sowie lang anhaltende Vibrationen und Erschütterungen nicht zuzumuten. Die koronare Herzerkrankung und der arterielle Hypertonus erlaubten keine Nachtschichten und Überstunden, keine Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Mensch und Technik, besondere geistige und seelische Beanspruchung sowie auch taktgebundene Arbeiten oder Arbeiten unter Zeitdruck. Der Zugang zu alkoholischen Getränken sollte während der Arbeitszeit wegen der Alkoholerkrankung nicht ermöglicht werden. Tätigkeiten mit besonderen manuellen Anforderungen bzw bimanuelle Tätigkeiten seien dem Kläger ebenfalls nicht möglich. Diese qualitativen Einschränkungen stünden einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht entgegen. Insbesondere könne der Kläger eine zumutbare Wegstrecke zurücklegen.

5

Dem Kläger sei eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dabei sei schon fraglich, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Die - zu dem vor dem 1.1.2001 geltenden Recht - ergangene Rechtsprechung zur Prüfung und Feststellung von Rentenansprüchen wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Falle der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung könne auf das aktuelle Recht nicht übertragen werden. Bereits der Wortlaut "übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" schließe eine konkrete, dh individualisierte Betrachtungsweise aus. Die Gesetzesbegründung sei in sich widersprüchlich, wenn dort auf die Entscheidung des Großen Senats (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) verwiesen werde, wonach mit "konkreter Betrachtungsweise" - dann aber anders als das BSG - arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrenten gemeint seien. Unter dem "allgemeinen Arbeitsmarkt" verstehe die Gesetzesbegründung "jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe". Hingegen erfasse die Rechtsprechung des BSG damit nur körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten (Hinweis auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 - B 13 RJ 38/05 R - BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9). Zudem habe der Gesetzgeber eine spezielle zeitliche Komponente eingeführt (sechs Stunden und mehr). Auch dies verbiete eine Fortgeltung der Rechtsprechung zur Summierung. Der Gesetzgeber habe vielmehr den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen wollen.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 SGB VI. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass es auf die bei ihm vorliegende schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht ankomme. Auch die aktuelle Rechtslage erfordere eine individuelle Betrachtung mit der Folge, dass bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nur gegeben sei, wenn eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden könne. Daran fehle es hier.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. März 2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie meint, § 43 SGB VI in der seit 2001 geltenden Fassung enthalte nicht nur neue Begrifflichkeiten, sondern auch neue Beurteilungsmaßstäbe. Bei den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts handele es sich um objektive Maßstäbe. Solange ein Versicherter vollschichtig, ohne betriebsunübliche Pausen und ohne infolge einer ekelerregenden Krankheit für andere Betriebsangehörige unzumutbar zu sein, irgendeine Arbeit des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten und den Weg zum Arbeitsplatz zurücklegen könne, sei er nicht erwerbsgemindert. Selbst wenn die konkrete Betrachtungsweise bei Versicherten mit einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung beibehalten werde, ändere dies hier im Ergebnis nichts. Das Fehlen des linken Unterarms müsse nicht zwangsläufig eine schwere spezifische Leistungsbehinderung sein, etwa wenn eine Prothese getragen und der Arm noch zur Unterstützung verwendet werde. Tätigkeiten eines Nebenpförtners könnten durchaus auch an außerhalb eines Betriebs stehende Personen vermittelt werden.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Halbs 1 SGG).

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung hat.

12

1. Der Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754). Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 1 Satz 1 bzw Abs 2 Satz 1, jeweils Nr 2 und 3) haben danach Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Abs 1 Satz 1 Nr 1), bzw auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 Satz 1 Nr 1). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 1 Satz 2). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 Satz 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3).

13

2. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten. Nicht entschieden werden kann unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen indes, ob der Kläger in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch erwerbstätig zu sein, und ob ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Das LSG hat dies offengelassen, da eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nach § 43 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(RRErwerbG) vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) - § 43 SGB VI nF - generell nicht mehr erforderlich sei.

14

Die Ansicht des LSG hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Grundsätze, die das BSG zur Erwerbsunfähigkeit nach der vor Inkrafttreten des RRErwerbG geltenden Rechtslage herausgearbeitet hat (hierzu a), sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (hierzu b). Eine Änderung der insoweit maßgeblichen Rechtslage lässt sich weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung oder sonstigen Erwägungen begründen (hierzu c). Der im vorliegenden Fall geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hängt daher davon ab, ob der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts im zeitlichen Rahmen erwerbstätig sein kann (hierzu d), bzw ob bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, so dass ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist (hierzu e). Entsprechende Feststellungen wird das LSG daher nachzuholen haben (hierzu f).

15

a) Nach der zu § 44 SGB VI aF ergangenen Rechtsprechung des BSG war die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit bei Versicherten mit einem, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag(BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 mwN). Bereits nach den §§ 1246 und 1247 RVO knüpfte der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an ein Herabsinken der Fähigkeit des Versicherten an, auf dem Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen. Die RVO differenzierte zwischen Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit: Während der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ua davon abhängig war, ob dem Versicherten eine ihm nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch mögliche Berufstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnte, setzte der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs 2 RVO voraus, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben konnte. Diese Struktur wurde in den §§ 43 und 44, jeweils aF, SGB VI inhaltlich unverändert übernommen(vgl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 81 mwN). Das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit war an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen (BSG stRspr, vgl nur BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und Nr 9 RdNr 18 ff; SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 22 ff, Nr 14 S 41 ff, Nr 17 S 58 ff und Nr 21 S 72 ff).

16

Die Ablehnung einer Rente mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit setzte danach regelmäßig die konkrete Benennung zumindest einer Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) voraus, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschloss, weil der Versicherte diese Tätigkeit noch ausüben konnte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale war hingegen nicht ausreichend (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; Senatsurteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits war aber auch nicht die Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes erforderlich (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteil vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33; vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

17

Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte unteren Ranges (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

18

Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten grundsätzlichen Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27).

19

b) Diese Maßstäbe haben - wie bereits der 5. Senat entschieden hat (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18)- auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (vgl insoweit auch bereits die Senatsbeschlüsse vom 10.7.2002 - B 13 RJ 101/02 B - Juris RdNr 7 und vom 27.2.2003 - B 13 RJ 215/02 B - Juris RdNr 12). Durch das RRErwerbG wurden die oben skizzierten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht abgeschafft, sondern vielmehr für den Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF übernommen: Erwerbsfähigkeit iS des § 43 Abs 3 SGB VI nF setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, dh unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit zur Ausübung einer "Erwerbstätigkeit" in § 43 Abs 3 SGB VI nF ist § 44 Abs 2 SGB VI aF entnommen. Das Tatbestandsmerkmal der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" knüpft an die - oben wiedergegebene - Rechtsprechung des BSG zu den §§ 1246 und 1247 RVO bzw den §§ 43 und 44 SGB VI aF und die dort verwendete Begrifflichkeit an.

20

c) Die vom LSG gegen eine Weitergeltung dieser Grundsätze nach § 43 SGB VI nF angeführten Argumente überzeugen nicht.

21

aa) Insbesondere steht der Wortlaut des Gesetzes einem Vergleich zwischen der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten und den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorkommenden Erwerbsmöglichkeiten bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht entgegen, sondern gebietet diesen. Denn die - von § 43 SGB VI nF nach dessen Wortlaut geforderte - Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts besteht nur, wenn die dem Versicherten noch möglichen Tätigkeiten überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden können. Auch die Gesetzesbegründung bringt dies klar zum Ausdruck, indem sie auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 ("BSGE 80, 24, 34") Bezug nimmt und ausführt, maßgeblich für die Feststellung des Leistungsvermögens sei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dh in jeder nur denkbaren Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe, wobei allerdings nur Tätigkeiten in Betracht kämen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich seien. Damit werde sichergestellt, dass für die Feststellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten nicht in Betracht zu ziehen seien, für die es für den zu beurteilenden Versicherten einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gebe. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen (BT-Drucks 14/4230 S 25). In Bezug genommen werden durch diese Formulierung - entgegen der Ansicht des LSG - die Möglichkeiten der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem Teilzeit- und dem Vollzeitarbeitsmarkt. Durch den Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats vom 19.12.1996 (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) und die Übernahme der dort verwendeten Begrifflichkeit macht die Gesetzesbegründung darüber hinaus deutlich, dass keine Abkehr von der zitierten Rechtsprechung des BSG beabsichtigt war, sondern dass vielmehr an diese angeknüpft werden sollte.

22

bb) Wenn die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4230 S 23, 25) den der abstrakten Betrachtungsweise entgegengesetzten Begriff "konkrete Betrachtungsweise" in anderem Zusammenhang gebraucht, nämlich in Bezug auf sog "Arbeitsmarktrenten" bei teilweiser Erwerbsminderung, ändert dies hieran nichts. Jedenfalls kann daraus, dass der Gesetzgeber die sog "Arbeitsmarktrenten" beibehalten wollte, nicht geschlossen werden, dass er die konkrete Betrachtungsweise in Bezug auf die Fähigkeit eines Versicherten, mit seinem individuellen Leistungsvermögen eine Tätigkeit auszuüben, mit der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen erzielt werden kann, abschaffen wollte. Hierfür ergeben sich aus der Gesetzesbegründung ebenso wenige Anhaltspunkte wie für die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe "den gesamten Komplex der Benennung von Verweisungstätigkeiten einschränken bzw abschaffen" wollen.

23

Die Gesetzesbegründung benennt als Ausgangspunkt für die Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vielmehr zum einen, dass die Rentenversicherung bei einem beträchtlichen Teil der Versicherten nicht nur das Invaliditätsrisiko, sondern auch das Arbeitsmarktrisiko trage, und zum anderen, dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit - wegen der dort typischen Bevorzugung von Versicherten mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen - zunehmend in die Kritik geraten sei (BT-Drucks 14/4230 S 1). Ziel des Gesetzgebers war es damit, das durch die Arbeitslosenversicherung abzusichernde Arbeitsmarktrisiko von dem durch die Rentenversicherung abzusichernden Invaliditätsrisiko sachgerecht abzugrenzen (insbesondere auch durch Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit an die Rentenversicherung, vgl BT-Drucks 14/4230 S 1); weiteres Ziel war die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Verzicht auf die Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts, dh der fehlenden Möglichkeit der Erzielung eines Erwerbseinkommens auf dem konkret offenstehenden Arbeitsmarkt, gehörte - entgegen der Ansicht des LSG - nicht zu den in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Zielen. Im Gegenteil legt die Gesetzesbegründung dar, dass eine Erwerbsminderungsrente, bei der (ohne Berücksichtigung der dem Versicherten verbliebenen Möglichkeit, auf dem [Teilzeit-]Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen) allein auf den Gesundheitszustand des Versicherten abgestellt werden sollte, nicht beabsichtigt war (so ausdrücklich BT-Drucks 14/4230 S 25).

24

cc) Eine Ungleichbehandlung von Versicherten mit unterschiedlicher fachlicher Qualifikation ist darin nicht zu sehen. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass ein Versicherter nur auf diejenigen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden kann, die er mit seiner individuellen fachlichen Qualifikation auch ausüben kann, da ihm nur mit diesen Tätigkeiten die Erzielung eines Erwerbseinkommens möglich ist.

25

dd) Maßgeblich ist damit für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (auch) nach § 43 SGB VI nF, ob der jeweilige Versicherte mit seinem individuellen gesundheitlichen und beruflichen Leistungsvermögen Tätigkeiten ausüben kann, mit denen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Erwerbseinkommen zu erzielen ist(so auch Mey, SGb 2007, 217 ff; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" im Sozialrecht, 2009, S 84 ff; KomGRV, § 43 SGB VI Anm 1.3, 4, 7, Stand April 2008; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Kamprad in Hauck/Noftz, K § 43 SGB VI RdNr 31 ff, 41, Stand Juni 2011; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl, § 43 SGB VI RdNr 81 ff, Stand September 2009; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 43 SGB VI Anm 2, Stand März 2008; Lange in Jahn, SGB für die Praxis, § 43 SGB VI RdNr 26 ff, Stand Februar 2008; Steiner, SGb 2011, 310 ff; 365 ff; Dünn, MedSach 2011, 131 f; aA Apidopoulos, SGb 2006, 720 ff).

26

d) Im vorliegenden Fall kommt es mithin darauf an, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 1 Satz 2, Abs 3 Halbs 1 SGB VI). Dies setzt voraus, dass es solche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt gibt; nicht entscheidend ist hingegen, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich auch findet.

27

aa) Der "allgemeine Arbeitsmarkt" in diesem Sinne umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25). Das Merkmal "allgemein" grenzt den Arbeitsmarkt lediglich von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für Behinderte und andere geschützte Einrichtungen (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 85; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 35 f, Stand Juni 2011). Eine Beschränkung auf körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten erfolgt durch die Bezeichnung "allgemeiner Arbeitsmarkt" entgegen der Meinung des LSG hingegen nicht.

28

Eine solche Beschränkung galt auch bei der früheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht. Vielmehr waren bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit alle Versicherten unabhängig von ihrem Beruf auf alle geeigneten Tätigkeiten verweisbar (BSGE 80, 24, 27 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20; BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO S Aa4; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18). Wenn Versicherte, die zu körperlich leichten oder mittelschweren Arbeiten noch vollschichtig in der Lage waren, "auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld (das meint ungelernte Tätigkeiten)" verwiesen werden durften (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24), so deshalb, weil dies die Tätigkeiten waren, auf die jedenfalls alle Versicherten - unabhängig von ihrem Bildungsstand - verwiesen werden konnten. Ein grundsätzlicher Ausschluss der Verweisung eines qualifizierten Versicherten auf eine seiner beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit erfolgte hierdurch jedoch nicht. Deswegen geht auch der Hinweis des LSG auf das Senatsurteil vom 23.5.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 9) fehl: Wenn dort Feststellungen zu "körperlich leichten und fachlich einfachen Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden" (aaO RdNr 24) gefordert wurden, bedeutet dies nicht, dass sich der allgemeine Arbeitsmarkt in solchen Tätigkeiten erschöpfen würde; vielmehr ging es in dieser Entscheidung um die Erwerbsfähigkeit einer ungelernten Versicherten, bei der lediglich eine Verweisung auf Tätigkeiten mit diesem Anforderungsprofil in Betracht kam.

29

bb) Unter den "üblichen Bedingungen" iS des § 43 SGB VI nF ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, dh unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften, als auch tatsächliche Umstände, wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (vgl zB Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, aaO RdNr 86 ff, Stand September 2009). Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f). Eine Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn einer der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten sog Katalogfälle einschlägig ist (vgl im Einzelnen BSGE 80, 24, 34 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28 f).

30

cc) Hieran ändert auch nichts, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nach § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI nF nicht zu berücksichtigen ist. Denn hiermit ist lediglich gemeint, dass konjunkturelle Schwankungen des Arbeitsmarkts unberücksichtigt zu bleiben haben. Wird eine bestimmte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber aus strukturellen Gründen nicht (mehr) nachgefragt, kann man mit ihr auch kein Erwerbseinkommen erzielen, mit ihr also nicht erwerbstätig sein iS des § 43 Abs 3 SGB VI.

31

dd) Für den Regelfall kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in meist ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw - vgl BSGE 80, 24, 31 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 f).

32

Der Senat hält diese beispielhaft genannten Verrichtungen bzw Tätigkeiten nach wie vor für geeignet, um zu überprüfen, ob tatsächlich von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann. Er übersieht hierbei nicht, dass sich die Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit Anfang der 1980iger Jahre (vgl hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81 und Nr 90) verändert haben. Neue Arbeitsfelder, insbesondere im Dienstleistungsbereich und im Bereich der Informationstechnik mögen hinzugekommen sein; gleichwohl ist anhand der og Verrichtungen bzw Tätigkeiten eine Überprüfung, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen ausreichende Erwerbsmöglichkeiten für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich vorhanden sind, jedenfalls auch für dort zu verrichtende ungelernte Tätigkeiten weiterhin möglich.

33

e) Es besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer Konkretisierung schwer zugänglich sind (Senatsurteile vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69; vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f). Eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn "ernsthafte Zweifel" bestehen, ob der Versicherte "in einem Betrieb einsetzbar" ist (oder ein Katalogfall vorliegen könnte), die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (so BSGE 80, 24, 39, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33, 27: "ernste Zweifel"; vgl schon BSG 4. Senat vom 30.11.1982 - SozR 2200 § 1246 Nr 104 LS; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112 - Juris RdNr 24; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 59; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 20, vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73; vom 23.8.2001 - B 13 RJ 13/01 R - Juris RdNr 21; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43 und vom 10.12.2003 - BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 11).

34

aa) Insofern richtet sich der hierbei anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalls; insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger bzw das Tatsachengericht die Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist eine Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (Senatsurteile vom 23.5.2006 - SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; vom 19.8.1997 - BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 70; vom 20.8.1997 - BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61; vom 30.10.1997 - 13 RJ 49/97 - Juris RdNr 24 ff). Diesen aufgezeigten abstrakten Maßstäben ist allerdings Kritik entgegengesetzt worden im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Rechtsprechung (Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006)und den damit verbundenen Begründungsaufwand für die Rentenversicherungsträger und die Instanzgerichte (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 107).

35

bb) Aus diesem Grund weist der Senat erneut darauf hin, dass sich aus Zweckmäßigkeits- und aus Effektivitätsgründen die rentenrechtliche Prüfung in zwei Schritten anbietet:

36

(1) Bei Versicherten, die trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, ist die Einsatzfähigkeit des Versicherten in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen (noch kommt die Möglichkeit einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht). Auf der ersten Prüfstufe ist daher festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw <vgl BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25>)erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. In diesem Fall genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl, aaO RdNr 168; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand Juni 2011; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der oben beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

37

(2) Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann und insofern "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteile vom 20.8.1997 - SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; BSG 5. Senat vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44). Verbleibt es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der individuellen Leistungseinschränkungen, ist mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zum Ausschluss der Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33).

38

f) Ob dem Kläger ein Verweisungsberuf benannt werden muss, kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Sollte sich das LSG nicht davon überzeugen können, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch bestimmte "Arbeitsfelder" ausfüllen bzw og "Tätigkeiten der Art nach" noch verrichten kann - um Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuräumen -, wird das LSG das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu prüfen haben. Bejaht es die eine oder andere Alternative, wird es Feststellungen nachzuholen haben, ob dem Kläger ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden kann, den er mit seinen individuellen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen und seiner fachlichen Qualifikation noch ausüben kann. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger den Bedingungen und Anforderungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgeübt wird, noch gewachsen ist.

39

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.