Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 26. Jan. 2016 - I-24 U 58/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. März 2015 verkündete Teil- und Grundurteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass außerdem festgestellt wird:
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr ab dem 1. Oktober 2014 daraus entsteht, dass die Beklagte die von ihr im Geschäftshaus M. Straße … in K im EG und 1. OG seit dem 15. November 2011 genutzten Geschäftsräume nicht zum 14. April 2012 geräumt hat und deshalb die T-P GmbH & Co. KG als Nachmieter von dem mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrag vom 27. Dezember 2011 / 03. April 2012 zurückgetreten ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Beklagte war Mieterin einer im Eigentum der Klägerin stehenden Gewerbefläche auf der M. Str. … in K., auf der sie einen Getränkemarkt betrieb. Am 15. April 2011 überließ die Klägerin der Beklagten ein daran angrenzendes Ladenlokal, welches die Beklagte durch Rückbau mit dem Getränkemarkt verband. In der Folgezeit verhandelten die Parteien über die Modalitäten eines schriftlichen Mietvertrages, den die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2011 (Anlage B1, GA 105ff.) übersandt hatte. Am 10. Mai 2011 unter Nr. 5. (GA 127) antwortete die Beklagte und schrieb u.a.:
4„Aus budgettechnischen Gründen ist es uns leider nicht möglich, das Mietverhältnis über die Dauer von einem Jahr abzuschließen. Die von Ihrer Seite aufgeführten Verlängerungsoptionen bitten wir daher zu streichen, so dass das Mietverhältnis fest am 31.05.2012 endet. Selbstverständlich steht es den Parteien frei, wenn das Budget wirtschaftlich darstellbar ist, weitere Verhandlungen im Laufe des abgeschlossenen Mietjahres zu führen.“
5Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 äußerte sich die Klägerin zu den Änderungsvorschlägen der Beklagten und erklärte sich u.a. mit der Änderung zu Nr. 5. einverstanden (Anlage B3, GA 130ff.). Es folgten weitere Korrespondenzen mit Änderungsmodalitäten, ohne dass es zum Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages kam. Auf die Schreiben vom 20. Juli 2011 (Anlage B4, GA 137ff.), 2. August 2011 (Anlage B5, GA 140), 4. August 2011 (Anlage B6, GA 143ff.), 23. August 2011 (Anlage B7, GA 147f.), 31. August 2011 (Anlage B8, GA 149ff.) und 18. Oktober 2011 (Anlage B10, GA 155f.) wird Bezug genommen.
6Am 2. August 2011 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung über die „Mietfläche“ iHv EUR 12.570,64 brutto (GA 141). Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte nicht, was die Klägerin mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 unter Hinweis darauf anmahnte, dass unabhängig vom Abschluss eines förmlichen Mietvertrages jedenfalls eine Nutzungsentschädigung zu zahlen sei (Anlage B9, GA 153). Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 (Anlage B10, GA 155-156) wandte sich die Beklagte erneut mit Änderungswünschen an die Klägerin. Daraufhin erwiderte diese am 9. November 2011 (Anlage K1, GA 11-13), dass es für sie inakzeptabel sei, wenn die Beklagte die Verhandlungen über untergeordnete Fragen in die Länge ziehe und keine Zahlung „auf die unstreitigen Punkte“ leiste. Sie errechnete unter Zugrundelegung von „unstreitigen“ Flächenmaßen eine Bruttomiete von EUR 9.982,16 (siehe auch Rechnung vom gleichen Tag, Anlage B13, GA 161) und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 18. November 2011 auf, insgesamt EUR 64.884,05 zu zahlen. Am 18. November 2011 nahm die Beklagte auf die Rechnung vom 18. November 2011 Bezug und gab an, Zahlungen bislang aus „buchhalterischen Gründen“ nicht geleistet zu haben, die Rechnung vom 9. November 2011 aber nun begleichen zu wollen (Anlage B1, GA 157-158).
7Mit Schreiben vom 5. Dezember 2011 bestätigte die Klägerin den Zahlungseingang für den Zeitraum vom 15. April bis 30. Oktober 2011 und forderte die Zahlung von EUR 19.964,32 für die Monate November und Dezember 2011. Der mit diesem Schreiben übersandte Vertragsentwurf sah in § 3 vor, dass der Vertrag auf die Dauer von einem Jahr fest geschlossen wird und dass das Mietverhältnis am 14. April 2012 endet (Anlage B16, vgl. GA 94, 95 und 167). Die Klägerin bat um Unterzeichnung und Rücksendung bis zum 15. Dezember 2011. Sollte dies nicht erfolgen, bat sie darum, die Flächen bis zum Ende dieses Monats zu räumen (Anlage K2, GA 14-15). Hierauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 (Anlage B12, GA 159-160). Sie verwies darauf, dass der Mietvertragsentwurf von ihr gewünschte Änderungen und Ergänzungen in den §§ 6, 12 und 13 nicht enthalte. Im Übrigen teilte sie aber mit, dass der Vertrag ansonsten ihre Zustimmung finde. Die für November und Dezember 2011 geforderte Zahlung verweigerte sie unter Hinweis darauf, dass es an einer rechtswirksamen Unterzeichnung eines Mietvertrages fehle und somit auch eine entsprechende Buchungsgrundlage nicht vorhanden sei. Daraufhin übersandte die Klägerin am 14. Dezember 2011 zwei Mietrechnungen für die Monate November 2011 (Anlage B14, GA 162) und Dezember 2011 (GA 163). Am 16. Dezember 2011 schrieb die Klägerin erneut an die Beklagte und äußerte sich zu den gewünschten Änderungen. Sie bat um „abschließende“ Unterzeichnung und Rücksendung des Mietvertrages bis zum 21. Dezember 2011 und gab an, dass andernfalls die Räumlichkeiten bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen seien, da ein Nachmieter vorhanden sei. Sie kündigte an, dass es eine weitere Korrespondenz über „Nebensächlichkeiten“ nicht geben werde (Anlage K3, GA 16-18). Am 19. Dezember 2011 schrieb die Klägerin erneut an die Beklagte und teilte mit, dass sie im Falle einer Räumung bis zum 31. Dezember 2011 die Wiederherstellung des vorherigen Bautenzustands erwarte (Anlage K4, GA 19).
8Am 27. Dezember 2011 schlossen die Klägerin und die T-P GmbH & Co. KG einen Mietvertrag (Anlage K7) über die von der Beklagten genutzte Teilfläche. Die Parteien vereinbarten eine 15-jährige Mietdauer (§ 3.1 MV) und einen Mietzins von EUR 11,50 pro qm Mietfläche für 376,70 qm im Erdgeschoss und EUR 5,-- pro qm für 525,66 qm im Obergeschoss (§ 6 MV, GA 24). Insgesamt errechnen sich daraus 8.790,98 EUR für die Miete und EUR 3.385,45 für Nebenkosten (GA 372).
9In § 3.2 findet sich folgende Regelung:
10„Die zusammenhängende Mietzeit beginnt am 16.01.2012. Sollte das Ladenlokal zu diesem Zeitpunkt nicht übergeben werden können, kann der Mieter von diesem Vertrag ohne Kündigungsfrist zurücktreten. Schadensersatzansprüche oder sonstige Ansprüche aus diesem Rücktrittsrecht können vom Mieter nicht geltend gemacht werden.“
11Nachdem die Beklagte auf das Schreiben vom 19. Dezember 2011 nicht reagiert hatte, teilte die Klägerin am 11. Januar 2012 mit, sie gehe davon aus, dass die Beklagte an einer Anmietung offenbar kein Interesse habe, Herr P. am kommenden Montag mit einem Nachmieter zur Begehung vor Ort sein werde und eine Abnahme der geräumten Mietflächen erfolgen könne. Eine Rückgabe der Flächen durch die Beklagte erfolgte nicht, weshalb die T-P mit Schreiben vom 17. Januar 2012 „fristlos“ vom Mietvertrag zurücktrat (Anlage K8, GA 43).
12Am 18. Januar 2012 trat die Beklagte an die Klägerin mit erneuten Änderungswünschen heran, bat um die Aufnahme weiterer Regelungen in den „Vertragsentwurf“ und um die Übermittlung einer „Mietrechnung“ für Januar 2012 (Anlage B15, GA 164-165). Sie berief sich weiter darauf, dass ein mündlicher Mietvertrag zustande gekommen sei und das Mietverhältnis allein unter Beachtung gesetzlicher Fristen gekündigt werden könne.
13Am 3. April 2012 schlossen die Klägerin und die T-P einen „Nachtrag zum Mietvertrag“ und vereinbarten, dass der Vertrag vom 27. Dezember 2011 in vollem Umfang wieder in Kraft gesetzt werde mit der Maßgabe, dass die zusammenhängende Mietzeit am 16. April 2012 beginne. Sollte die Mietfläche an diesem Tag nicht geräumt und zurückgebaut zur Verfügung stehen, sah der Vertrag vor, dass T-P vom Vertrag endgültig und ohne Frist zurücktreten könnte (Anlage K11, GA 53-54). Eine Räumung und Rückgabe durch die Beklagte erfolgte bis zum 16. April 2012 nicht. Daraufhin erklärte die T-P am 23. April 2012 den „endgültigen“ Rücktritt vom Mietvertrag (Anlage K12, GA 55).
14Am 24. April 2012 (Anlage K10, GA 46-52) schrieb die Klägerin an die Beklagte und berief sich darauf, dass mangels eines vertraglichen Bindungswillen kein mündlicher Mietvertrag geschlossen worden sei. Sofern man dennoch hiervon ausgehe, habe das Mietverhältnis nur bis zum 14. April 2012 bestanden. Das allenfalls bestehende entgeltliche Nutzungsverhältnis sei von ihr mit den Schreiben vom 5. und 16. Dezember 2011 widerrufen worden. Sie verwies auf die Vermietung an die T-P und deren Rücktritt sowie die dadurch entstandenen Schäden. Sie erklärte weiter, dass aufgrund des Rücktritts eine Räumung bis zum 31. Mai 2012 nicht mehr erforderlich sei. Die Beklagte antwortete am 3. Mai 2012 (Anlage B19, GA 188-189), dass ein einvernehmlicher Abschluss des Mietvertrages nicht erfolgt und die Räumungsaufforderung unverhältnismäßig, da mit zu kurzer Frist erfolgt sei. Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2012 (Anlage K13, GA 56-58) Stellung. Damit überschnitt sich ein Schreiben der Beklagten vom gleichen Tag, in dem sie erklärte, sie sei bereit, über den Abschluss des „mehrfach diskutierten Mietvertrags“ zu sprechen und bat um die Vereinbarung eines Termins (GA 190). Unter dem 19. Juni 2012 erstellte die Klägerin eine Rechnung über „Nutzungsentschädigung“ über EUR 9.982,16 brutto (GA 67).
15Am 26. Juni 2012 schrieb die Klägerin an die Beklagte und bot an, den Mietvertrag über die Zusatzflächen an die Laufzeit des übrigen Getränkemarktes anzugleichen (Anlage K4, GA 59-60). Hierauf antwortete die Beklagte am 13. Juli 2012 (Anlage K15, GA 61), das Angebot lasse sich wirtschaftlich nicht darstellen, und bot an, die Teilfläche weiter bis zum 31. Dezember 2012 zu nutzen. Hiermit erklärte sich die Klägerin im Schreiben vom 26. Juli 2012 aus „Gründen der Schadensminderung“ einverstanden und verwies darauf, dass sich die Beklagte mit der Zahlung der „Miete“ für das erste Halbjahr 2012 iHv EUR 59.892,96 in Verzug befinde, weshalb auch die damit verbundenen Anwaltskosten (Rechnung vom 25. Juli 2012, GA 64) zu übernehmen seien.
16Am 14. Dezember 2012 erklärte die Beklagte, die Flächen bis zum 31. Dezember 2012 zu räumen (Anlage K18, GA 68-69). Die Räumung erfolgte am 21. Dezember 2012.
17In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin um einen Mieter. Seit dem 1. Mai 2014 hat die K. e.K. das Objekt zum Preis von EUR 8.576,42 brutto (EUR 4.500,-- Nettomiete + EUR 2.707,08 Nebenkostenvorauszahlung + EUR 1.369,34 Umsatzsteuer) angemietet (GA 488).
18Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien sei kein mündlicher Mietvertrag geschlossen worden, weshalb die Beklagte jedenfalls zur Räumung bis zum 16. Januar 2012 verpflichtet gewesen sei. Gehe man vom Abschluss eines mündlichen Vertrages aus, sei die Beklagte zumindest zur Räumung zum 14. April 2012 verpflichtet gewesen. Sie behauptet, die mietvertraglichen Vereinbarungen mit der T-P seien wirksam und gewollt gewesen. Diese habe das Objekt für 15 Jahre angemietet. Allein aufgrund der rechtswidrigen Weiternutzung durch die Beklagte habe die T-P den Rücktritt erklärt und sei später zu einer erneuten Anmietung nicht mehr bereit gewesen. Trotz erheblicher Bemühungen habe sie zunächst keinen geeigneten Mieter gefunden.
19Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
201. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 219.670,05 nebst Zinsen iHv 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils EUR 12.176,45 jeweils ab dem 5. eines Monats von Januar 2013 bis April 2014 sowie auf jeweils EUR 4.969,37 ab dem 5. eines Monats von Mai 2014 bis einschließlich September 2014 zu zahlen;
212. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr ab dem 1. Oktober 2014 daraus entstehen wird, dass diese die von ihr im Geschäftshaus M. Straße 221/223 in K. im EG und 1. OG seit dem 15. April 2011 genutzten Geschäftsräume nicht zum 14. April 2012 geräumt hat und deshalb die T-P GmbH & Co. KG als Nachmieter von dem mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrag vom 27.01.2011/03.04.2012 zurückgetreten ist.
22Die Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es sei zwischen den Parteien ein mündlicher Mietvertrag mit unbestimmter Dauer zustande gekommen, den die Klägerin nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen habe beenden können. Eine ordentliche Kündigung habe nur zum 30. Juni 2012 erfolgen können, diese sei von der Klägerin aber zu keinem Zeitpunkt erklärt worden. Eine Räumung einschließlich Rückbau zum 14. April 2012 sei nicht möglich gewesen, weil die Klägerin hierfür eine viel zu kurze Frist gesetzt habe. Infolgedessen sei sie, die Beklagte, damit auch nicht in Verzug geraten. Die Klägerin und die T-P hätten den Mietvertrag nicht umsetzen wollen, er solle der Klägerin nur zu Schadensersatzansprüchen verhelfen. Die T-P sei wirtschaftlich auch nicht in der Lage gewesen, den dort angegebenen Mietzeitraum von 15 Jahren durchzuhalten. Zudem hätten vor einem etwaigen Bezug durch die T-P erhebliche Umbaumaßnahmen erfolgen müssen, weshalb eine Nutzung bereits ab April 2012 ohnehin ausgeschieden wäre. Die von der Klägerin behaupteten Bemühungen, einen Nachmieter zu finden, hat sie mit Nichtwissen bestritten.
25Das Landgericht hat Beweis erhoben und den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der T-P, den Zeugen M., vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll vom 23. März 2014 (GA 365ff.) wird verwiesen. In dem am 5. März 2015 verkündeten Teil- und Grundurteil hat das Landgericht den Klageantrag zu 1. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Urteil wurde der Beklagten am 5. März 2015 zugestellt (GA 562), hiergegen richtet sich ihre am 18. März 2015 eingegangene Berufung (GA 566). Diese hat sie mit einem am 7. April 2015 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet (GA 573ff.).
26Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens greift sie das angefochtene Urteil an. Sie meint, es sei möglicherweise prozessual unzulässig ergangen, weil die Entscheidung über den Grund des Anspruchs eine abweichende Entscheidung über den Feststellungsantrag offen lasse. Eine Verpflichtung zur Räumung zum 14. April 2012 habe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestanden. Die beabsichtigte Schriftform sei kein konstitutives Element des Mietvertrages gewesen. Die Klägerin habe den auf unbestimmte Laufzeit geschlossenen mündlichen Vertrag deshalb nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen beenden können, was nicht erfolgt sei. Schadensersatz schulde sie schon deshalb nicht, weil eine Realisierung des Mietvertrages zwischen der Klägerin und der T-P ohnehin nicht beabsichtigt gewesen sei. Etwaige Ansprüche scheiterten an einem ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin, da diese gewusst habe, dass sie, die Beklagte, im April nicht mit der Räumung begonnen habe und ihr deshalb habe klar sein müssen, dass innerhalb der kurzen Frist eine solche nicht möglich sein und ein Rücktritt der T-P deshalb zwangsläufig erfolgen werde.
27Die Beklagte beantragt,
28unter Abänderung des Teil- und Grundurteils der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 5. März 2015 die Klage abzuweisen;
29hilfsweise,
30das Teil- und Grundurteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 5. März 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen.
31Die Klägerin beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen und die von ihr für zutreffend erachteten Urteilsgründe entgegen. Sie führt aus, dass durchgängig eine schriftliche Fixierung des Mietvertrages beabsichtigt gewesen sei, weshalb die Annahme eines mündlich geschlossenen Mietvertrages scheitern müsse. Zudem sei die Beklagte selbst ausdrücklich von einer Nutzung nur bis zum 14. April 2012 ausgegangen. Ihr sei damals nicht bekannt gewesen, dass die Beklagte keine Anstalten zur Räumung getroffen habe, weshalb sie keine Bedenken hätte haben müssen, den Mietvertrag mit der T-P abzuschließen. Hätte die Beklagte eine längere Nutzung über den 14. April 2012 hinaus sicherstellen wollen, dann hätte sie dies mit ihr, der Klägerin, abklären müssen.
34Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
35II.
36Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich im Ergebnis als unbegründet. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, und auch der Feststellungsantrag ist begründet.
371.
38Zwar haben die Voraussetzungen für das vom Landgericht erlassene Grund- und Teilurteil nicht vorgelegen. Der Senat entscheidet jedoch über den Feststellungsantrag selbst, wodurch der landgerichtliche Verfahrensmangel geheilt wird.
39a.
40Das Landgericht hat ein Grundurteil hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs (Klageantrag zu 1.) erlassen, über den Feststellungsantrag indes nicht entschieden, sondern dies dem Schlussurteil vorbehalten. Eine Verbindung von Grund- und Teilurteil ist zwar grundsätzlich möglich (vgl. BGH Urteil vom 28. Januar 2000 – V ZR 402/98, Rz. 8; jetzt und im Folgenden zitiert nach Juris), jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig, wenn – wie hier - die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (BGHZ 107, 236, 242 mwN; Urteile vom 28. Januar 2000 – V ZR 402/98, Rz. 9f. und vom 22. Juli 2009 – XII ZR 77/06, Rz. 9-11; OLG Koblenz, Urteil vom 6. Januar 2011 – 2 U 772/10, Rz. 28f.).
41Ein Teilurteil darf nur ergehen, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann. Ein Teilurteil ist daher unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380; BGH, Urteil vom 16. August 2007 – IX ZR 63/06, Rz. 18 mwN). Dabei ist Widersprüchlichkeit in einem weiteren Sinne zu verstehen und umfasst bereits Fälle der Präjudizialität. In die Beurteilung der Widerspruchsfreiheit ist die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug mit einzubeziehen (BGHZ 173, 335; BGH, Urteil vom 4. Februar 1997 – VI ZR 69/96, Rz. 7 mwN). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Begründung, mit der die auf Schadensersatz gerichteten Zahlungsansprüche der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten werden, als bloßes Urteilselement weder in Rechtskraft erwächst, noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren über die mit dem Feststellungsantrag geltend gemachten Schäden bindet (BGH, Urteil vom 4. Februar 1997 – VI ZR 69/96, Rz. 8 mwN). Folglich besteht deshalb die prozessuale Möglichkeit, dass das Gericht bei einer späteren Entscheidung über den Feststellungsantrag aufgrund neuen Vorbringens oder aufgrund geänderter Rechtsauffassung zu einer anderen Einschätzung gelangt. Es entspricht daher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Falle einer objektiven Klagehäufung aus Zahlungs- und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen der Ansprüche entschieden werden darf (BGH, Urteile vom 27. Mai 1992 – IV ZR 42/91; vom 13. Mai 1997 – VI ZR 181/96; vom 28. Januar 2000 – V ZR 402/98, Rz. 10 mwN; siehe auch OLG Koblenz, a.a.O., Rz. 29ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 304 Rn. 3).
42Die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht auch im zu entscheidenden Fall. Denn über die Voraussetzungen des Zahlungsanspruchs, der Gegenstand des Grundurteils ist, ist bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag noch einmal zu befinden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 28. Januar 2000, V ZR 402/98, Rz. 10 mwN; OLG Koblenz, a.a.O., Rz. 30).
43b.
44Ein unzulässiges Teilurteil darf gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen werden. Allerdings kann das Berufungsgericht bei Entscheidungsreife sämtlicher oder einzelner Anträge diese an sich ziehen. Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Entscheidung über den Feststellungsantrag vor, weshalb der Senat – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - hierüber selbst entscheidet, indem er ihn „hochzieht“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. November 1959 - VII ZR 93/59; OLG Hamm, Urteil vom 3. Juli 1995 - 13 U 47/95, Rz. 11-14). Dadurch wird in sachdienlicher Weise der Verfahrensfehler beseitigt, ohne dass eine - notwendigerweise das gesamte erstinstanzliche Verfahren betreffende - Aufhebung und Zurückverweisung wegen dieses Fehlers erfolgen muss.
452.
46Der Anspruch der Klägerin ist dem Grunde nach gerechtfertigt, während die Anspruchshöhe noch weiterer Aufklärung bedarf.
47Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund eines Anspruchs vorab entscheiden, wenn dieser nach Grund und Betrag streitig ist und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Dabei muss es nach dem Sach- und Streitstand hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Anspruch wenigstens in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 144/03) bzw. „Null“ überschreitet (BGH, Urteile vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 37/04, Rz. 12 mwN; vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, Rz. 15 mwN; BeckOKZ/Elzer, ZPO, Stand: 01.09.2015, § 304 Rn. 20-21). Dies ist hier der Fall.
48a.
49Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung der Mietflächen zum 14. April 2012, hätte also bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten die Räume zur Verfügung gehabt und ihrer mietvertraglichen Gebrauchsüberlassungspflicht an die T-P nachkommen können.
50aa.
51Es lässt sich nicht feststellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein mündlich geschlossener, unbefristeter „Interimsmietvertrag“ zustande gekommen war, der unter Beachtung der sich aus § 580 a Abs. 2 BGB ergebenden Frist hätte ordentlich gekündigt werden müssen. Die Beklagte wäre deshalb verpflichtet gewesen, die Flächen spätestens bis zum 14. April 2012 zu räumen.
52(1)
53Zu einem formlos zustande gekommenen Mietvertrag der Parteien fehlt substantiiertes Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, wann und wo welche Beteiligten mündlich verhandelt haben bzw. diesen geschlossen haben sollen.
54(2)
55Auch aus der zwischen den Parteien gewechselten Korrespondenz kann ein stillschweigender Vertragsschluss nicht gefolgert werden. Vielmehr steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass eine Beurkundung des Mietvertrages durchgehend beabsichtigt war, denn hierüber haben die Parteien über einen langen Zeitraum hinweg und umfangreich korrespondiert. Ist – wie hier – eine Beurkundung vereinbart, dann stellt sie regelmäßig eine Abschlussvoraussetzung dar, weshalb selbst eine vollständige mündliche Übereinkunft, wie sie die Parteien hier im Übrigen zu keinem Zeitpunkt erzielt haben (vgl. das Schreiben der Beklagten vom 18. Januar 2012, GA 164f., mit der sie weitere Änderungswünsche an die Klägerin herangetragen hat und auf den „Mietvertragsentwurf“ Bezug nimmt) nicht ausreicht (vgl. hierzu Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 154 Rn. 4 mwN). Insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als gewerbliche Vermieterin und die der Beklagten als ein deutschlandweit tätiges Unternehmen, sowie das Ringen der Parteien um eine vollständige schriftliche Fixierung der gesamten vertraglichen Vereinbarungen lassen nur den Schluss zu, dass die Schriftform des Vertrages eine Abschlussvoraussetzung war, die nicht eingehalten wurde, weshalb infolgedessen kein wirksamer Vertragsschluss erfolgt ist. Selbst im Dezember 2011 erfolgte keine Einigung, die den Vorstellungen beider Parteien in allen Punkten Rechnung trug. Dies war auch der Beklagten bewusst, denn sie hat noch im Schreiben vom 9. Dezember 2011 die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für November und Dezember 2011 von der Vorlage von „Mietrechnungen“ abhängig gemacht, da der angestrebte Vertrag noch nicht rechtswirksam unterzeichnet worden sei und ihr deshalb eine Buchungsgrundlage für die von ihr zu erbringende Leistung fehle (GA 160).
56Soweit die Parteien im Zuge der Korrespondenz teilweise auch den Begriff einer zu zahlenden „Miete“ verwendet haben, erfolgte dies erkennbar nicht in Bezug auf eine dahingehende rechtlich bindende Wertung. Entsprechendes gilt für die erbrachten Zahlungen, weil sich ein Anspruch darauf aufgrund der schon im April 2011 begonnenen Nutzung des Ladenlokals aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ergab. Dass die Parteien in ihrer Korrespondenz die von der Klägerin geforderten und von der Beklagten geleisteten Zahlungen als „Nutzungsentschädigung“ bzw. als „Miete“ oder auch als „Miete/Nutzungsentschädigung“ bezeichnet haben, rechtfertigt vor diesem Hintergrund keine andere Beurteilung. Deshalb verbleibt es bei dem Grundsatz, dass, wenn auch nur eine Partei auf die Beurkundung des Vertrages besteht, dieser im Zweifel nicht zustande kommt, bevor die Beurkundung erfolgt ist, § 154 Abs. 2 BGB. Dies soll zwar dann nicht gelten, wenn die Schriftform nur Beweiszwecken dienen soll. Dafür bedarf es aber konkreter Anhaltspunkte (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 154 Rn. 5), die hier nicht vorliegen. Allein die Tatsache, dass § 550 BGB keine Anwendung gefunden hätte, weil nur eine einjährige Vertragsbindung im Raum stand, genügt hierfür nicht, wobei dies offenbleiben kann, weil bereits eine abschließende Einigung fehlt. Wie bereits ausgeführt, haben die Parteien noch im Dezember 2011 über einzelne Klauseln des Vertragswerks gestritten.
57Nachdem die Klägerin die Beklagte mit den Schreiben vom 5. Dezember 2011 (Anlage K2, GA 14-15) und 16. Dezember 2011 (Anlage K3, G 16-18) ultimativ darauf hingewiesen hatte, dass bei Nichtunterzeichnung des Mietvertrages bis spätestens 21. Dezember 2011 die Fläche bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen sei, hat sie die bisherige Nutzungsgestattung aufgekündigt. Nachdem die geforderte Unterzeichnung des Mietvertrages nicht erfolgt war, war auch die Bedingung (§ 158 BGB) nicht eingetreten, unter der eine weitere Nutzung durch die Beklagte zulässig gewesen wäre. Da die Beklagte auf diese Schreiben nicht reagiert hat, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Januar 2012 (Anlage K5, GA 20) und 16. Januar 2012 (Anlage K6, GA 21), sie wolle das geräumte Ladenlokal am 16. Januar 2012 abnehmen.
58Soweit die Beklagte sich unter dem 18. Januar 2012 (Anlage B 15, GA 164f.) erneut und quasi „unverdrossen“ an die Klägerin mit weiteren Änderungswünschen wandte, änderte auch dies nichts an ihrer Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe. Durch diese von der Beklagten einseitig wieder aufgenommene Korrespondenz hatte sich das von der Klägerin im Dezember 2011 formulierte Räumungsverlangen nicht erledigt, wie die Beklagte meint. Denn die fehlende Reaktion der Klägerin auf die Schreiben der Beklagten vom 18. Januar 2012 (Anlage B15, GA 164-165) und 2. April 2012 (Anlage B17, GA 185) rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Klägerin zur Wiederaufnahme von Vertragsverhandlungen bereit und mit der weiteren Nutzung des Ladenlokals durch die Beklagte einverstanden war. Nichts anderes gilt auch für die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten das Räumungsbegehren nicht wiederholt, sondern sie an die anwaltlichen Vertreter der Klägerin verwiesen hat (Schriftsatz der Beklagten vom 27. September 2013, S. 6, GA 289).
59Deshalb erfolgte die Erinnerung der Klägerin im Schreiben vom 10. April 2012 (Anlage K9, GA 44-45), mit der sie erneut die Pflicht der Beklagten zur Räumung und Herausgabe anmahnte und hierfür den 14. April 2012 nannte, überobligatorisch. Denn die Beklagte hätte schon zu einem früheren Zeitpunkt ihren dahingehenden Verpflichtungen nachkommen müssen. Selbst wenn die Beklagte für die Räumung des Ladenlokals mindestens 6 Wochen benötigte, hätte ihr nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen und dem erstmaligen Räumungsbegehren der Klägerin dafür ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden.
60(3)
61Selbst wenn man von einem „Interimsmietverhältnis“ ausginge, würde sich nichts ändern, weil man sich jedenfalls im Rahmen der noch im Dezember 2011 geführten Verhandlungen auf den 14. April 2012 als Endtermin geeinigt hatte und zwar ohne eine Verlängerungsoption. Das ergibt sich aus § 3 des Entwurfs (GA 167), den die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 übersandt (GA 94f.) und dem die Beklagte jedenfalls in diesem Punkt mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 zugestimmt hatte (GA 159f.). Dass sich die Beklagte auf ein unbefristetes Mietverhältnis, das je nach Kündigungszeitpunkt auch länger hätte währen können als das „Interimsmietverhältnis, eingelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Denn sie war es, die aus „budgettechnischen Gründen“ auf einer Laufzeit von nur einem Jahr bestanden hat (Anlage B2, Schreiben vom 10. Mai 2011, S. 2, GA 127).
62bb.
63Zum Zeitpunkt des von T-P am 23. April 2012 erklärten Rücktritts befand sich die Beklagte jedenfalls aufgrund der Aufforderungen der Klägerin vom 5. und 16. Dezember 2011 und vom 11. und 16. Januar 2012 mit der Räumung und Herausgabe des Ladenlokals in Verzug. Die Klägerin konnte infolgedessen der T-P, mit der sie durch einen wirksamen Mietvertrag vom 3. April 2012 (Anlage K11, GA 53-54) verbunden war, die Räume nicht fristgerecht zum 16. April 2012 zum Gebrauch überlassen.
64(1)
65Der zwischen der Klägerin und der T-P geschlossene Mietvertrag war formgültig und hatte demgemäß eine Bindungsfrist von 15 Jahren. Die gemäß § 550 BGB erforderliche Schriftform war gewahrt. Abzustellen ist hier auf den schriftlichen Mietvertrag (von den Vertragsparteien als „Nachtrag zum Mietvertrag“ bezeichnet) vom 3. April 2012 (Anlage K11, GA 53-54). Soweit dieser den Vertragsinhalt nur unzureichend beschreibt (beispielsweise ist der vereinbarte Mietzins nicht genannt) und deshalb für sich genommen den Anforderungen des § 550 BGB nicht gerecht würde, ist dies im Ergebnis ohne Belang. Denn die notwendige Einigung über die Miete und die genaue Bezeichnung der Mietfläche ergibt sich aus einer anderen von den Parteien unterzeichneten Urkunde, nämlich dem Mietvertrag vom 27. Dezember 2011 (Anlage K7). Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist (BGH, Urteile vom 2. November 2005 – XII ZR 212/03; vom 29. April 2009- XII ZR 142/07, Erz. 22). Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern beispielsweise in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel der „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen (BGHZ 142, 158, 161; BGH, Urteil vom 29. April 2009, a.a.O.). Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (BGHZ 176, 301, 306f.; Urteil vom 29. April 2009, a.a.O.).
66Diesen Anforderungen genügen hier die über den Mietvertrag erstellten Urkunden, nämlich sowohl der Vertrag vom 27. Dezember 2011 als auch der „Nachtrag“ vom 3. April 2012. Die letztgenannte Vereinbarung nimmt ausdrücklich Bezug auf den Vertrag vom 27. Dezember 2011 und bestätigt deren Inhalt mit der Maßgabe der am 3. April 2011 genannten – wenigen - Änderungen. Aus der Gesamtheit der durch Bezugnahme zu einer gedanklichen Einheit verbundenen Urkunden ergibt sich der Gesamtinhalt des Vertrages. Hierbei ist ohne Belang, dass der Vertrag vom 27. Dezember 2011 mit dem Rücktritt der T-P endete. Abgesehen davon, dass der Inhalt des „Nachtrags“ vom 3. April 2012 einen potentiellen Erwerber darüber nicht im Unklaren gelassen hätte, ist es nicht Sinn und Zweck der Schriftform, einem Grundstückserwerber Gewissheit zu verschaffen, ob der Mietvertrag wirksam zustande gekommen ist (BGH, Urteile vom 19. September 2007 – XII ZR 121/05; vom 29. April 2009, a.a.O, Rz. 25). Vielmehr muss der Erwerber, der auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr geschlossenes Mietverhältnis eintritt, lediglich dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen können (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2009 a.a.O.). Dies war hier aufgrund der eindeutigen Bezugnahme auf den Vertrag vom 27. Dezember 2011 der Fall.
67(2)
68Es bestehen auch keine Bedenken gegen die sonstige Wirksamkeit des Mietvertrages im Übrigen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Einwand der Beklagten, die Mietverträge zwischen der T-P und der Klägerin seien nur geschlossen worden, um Schadensersatzansprüche zu kreieren, unter dem rechtlichen Aspekt des Scheingeschäfts gemäß § 117 BGB zu würdigen ist. Dass die Mietverträge vom 27. Dezember 2011 und 3. April 2012 wirksam zustande gekommen sind, ergibt sich aus den vorliegenden Vertragsurkunden und der Aussage des Zeugen M., während die insoweit beweisverpflichtete Beklagte (vgl. hierzu Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 117 Rn. 8) nicht zu beweisen vermochte, dass es sich hierbei um Scheinverträge handelte. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist folgerichtig und nachvollziehbar, das Landgericht erachtete die Aussage des Zeugen M. als glaubhaft. Zu einer abweichenden Beurteilung der so gewonnenen Tatsachenfeststellungen durch den Senat besteht kein Anlass.
69Selbst wenn man die Aussage des Zeugen M. aber nur als negativ ergiebig werten wollte, wäre der von der Beklagten zu erbringende Beweis eines Scheingeschäfts nicht geführt. Dass die T-P sich kurzfristig als Nachmieterin zur Verfügung gestellt, die Verträge offenbar ohne eingehende Standortanalyse geschlossen und dabei – gemessen an dem von der Beklagten und nachfolgend von K e.K. akzeptierten Mietzins – eine wohl nicht mehr marktübliche Miete vereinbart hat, mag zwar – wie die Beklagte geltend macht – ein Akt kaufmännischer Unvernunft gewesen sein. Dies allein rechtfertigt aber nicht den Schluss, die Mietverträge seien nur zum Schein geschlossen worden. Dass T-P sich ein Rücktrittsrecht für den Fall vorbehalten hat, dass ihr das Ladenlokal nicht fristgerecht übergeben wird und dass die Klägerin ihre Haftung für die Vertragserfüllung ausgeschlossen hat, ist nachvollziehbar, weil zumindest unklar war, ob die Beklagte rechtzeitig räumen würde. Unerheblich ist, dass die Beklagte keine Vorbereitungen zur Räumung zum 16. Januar 2012 oder zum 14. April 2012 traf, da die von der T-P für die Neueröffnung getroffenen Vorkehrungen offenbar überschaubar blieben (vgl. dazu die dokumentierten Werbemaßnahmen GA 387-389) und keine größeren Kosten verursacht haben dürften. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die T-P nach ihrem Rücktritt vom 23. April 2012 sofort jedes Interesse an dem Objekt verloren hat, obwohl die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16. April 2012 angekündigt hatte, sie werde jedenfalls bis zum 31. Mai 2012 ihrer Rückgabepflicht nachkommen. Denn dies erscheint vor dem Hintergrund plausibel, dass die Erwartung der T-P, das Objekt bald übernehmen zu können, zweimal enttäuscht worden ist. Zudem wäre eine Eröffnung im Juni oder Juli 2012 für die Sommersaison möglicherweise zu spät gekommen. Somit ist auch bei einer Gesamtwürdigung dieser Indizien ein sicherer Rückschluss auf ein Scheingeschäft nicht gerechtfertigt.
70cc.
71Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin durch ein überwiegendes Mitverschulden gemindert bzw. ganz ausgeschlossen ist (§ 254 BGB). Da die Beklagte das Objekt erst am 21. Dezember 2012 räumte, ließ sich ein gewisser Leerstand nicht vermeiden. Nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen hat, weil sie das Objekt erst ab Mai 2014 und zudem noch für einen deutlich geringeren Mietpreis, als sie diesen von der T-P hätte erzielen können, weitervermietet hat. Der Beklagten als Schädigerin obliegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin gegen ihre Verpflichtung zur Schadensminderung verstoßen hat (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12, Rz. 9), sie hatte also die von der Klägerin geschilderten Anstrengungen zu widerlegen. Insoweit hat die Klägerin – wie es ihr im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 330(04, Rz. 7 mwN) – ausführlich zu den Umständen vorgetragen, was sie zur Schadensminderung unternommen hat, und dies zudem durch die Vorlage von Unterlagen dokumentiert (vgl. nur die Schriftsätze vom 21. August 2013, S. 16f., GA 260 und vom 27. Juni 2014, S. 3ff., GA 420ff. mit Anlagen). Dagegen trägt die Beklagte aber nichts Substantielles vor. Solches müsste ihr aufgrund ihrer deutschlandweiten Tätigkeit als gewerbliche Mieterin von Supermarktflächen bzw. als Eigentümerin derartiger Flächen jedoch möglich sein, denn insoweit können entsprechende Kenntnisse des Immobilienmarktes und zu erzielender Mieten erwartet werden. Allein durch das Bestreiten der von der Klägerin behaupteten Schritte zur Neuvermietung kann die Beklagte ihrer Nachweispflicht jedenfalls nicht genügen.
72Letztlich kann das auch dahinstehen, da ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin jedenfalls nicht die Ersatzpflicht der Beklagten vollständig ausschließen würde. Etwaige weitere Feststellungen sind daher dem Betragsverfahren vorbehalten.
73b.
74Es ist auch hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die unterlassene Räumung der Beklagten zum 14. April 2012 Vermögensschäden durch Mietausfälle entstanden sind. Die für ein Grundurteil erforderliche Schadenswahrscheinlich liegt somit vor. Die konkrete Höhe des Schadensersatzanspruchs bedarf jedoch weiterer Aufklärung, die das Landgericht im Höheverfahren zu betreiben hat.
75c.
76Für das Betragsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
77aa.
78Das Vorbringen der Klägerin zum Klageantrag zu 1. dürfte nur iHv EUR 123.667,35 (= 21 x EUR 6.960,35 – 5 x EUR 4.500,--) schlüssig sein.
79Dem Mietvertrag mit T-P dürfte nicht zu entnehmen sein, dass für die Technik- und Verkehrswege ein zusätzliches Mietentgelt zu leisten ist. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs Betriebskostenvorauszahlungen verlangt werden können (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 3. Auflage, Kap. 15 Rn. 172). Ginge man gleichwohl davon aus, dass Nebenkosten vorauszuzahlen seien, dürften die von der Klägerin mit EUR 3.385,47 monatlich angesetzten Nebenkosten in dieser Höhe nicht ohne weiteres einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Hierzu müssten sie zunächst aufgeschlüsselt und ermittelt werden, ob sie (ginge man von einem von der Beklagten zu bezahlenden „Leerstand“ aus) überhaupt anfallen. Das bisherige Vorbringen der Klägerin, die Nebenkosten würden einen „erheblichen Festanteil“ enthalten (Schriftsatz vom 25. März 2014, S. 2 unten), ist unspezifiziert und nicht ausreichend, einen Schaden in dieser Höhe nachvollziehbar zu machen. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass die Betriebskostenvorauszahlungen für 2013 und 2014 inzwischen abzurechnen gewesen wären, so dass auch unter diesem Aspekt Vorauszahlungen nicht mehr verlangt werden dürfen.
80bb.
81Weiterhin dürfte es darauf ankommen, ob die mit T-P vereinbarte Miete von dieser überhaupt hätte erlangt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass T-P das für den dauerhaften Betrieb eines Geschäfts erforderliche Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung gehabt hätte und dass sie das Geschäft zumindest mit einem leidlichen Erfolg bis September 2014 hätte betreiben können. Dass dürfte sich im Hinblick auf die vergleichsweise hohen Mietschulden nicht von selbst verstehen. In dem Zusammenhang kann auch eine Rolle spielen, ob die T-P GmbH die Rechtsnachfolge der T-P GmbH & Co. KG angetreten hat oder ob es sich bei ihr lediglich um eine geringkapitalisierte Verwaltungs-GmbH handelt, die allein gemäß § 128 HGB für die Mietschulden gehaftet hätte. Dazu wird die Klägerin näher vorzutragen haben. Gegebenenfalls wird darüber auch durch Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens auf der Grundlage der von der Klägerin zu beschaffenden Jahresabschlüsse der T-P GmbH Beweis zu erheben sein. Denn fiele die Rechtsnachfolgerin der T-P in Insolvenz und würde sie dann die Mietzahlungen nicht mehr leisten können (für einen Insolvenzverwalter bestünde die Möglichkeit, den Vertrag gemäß § 109 InsO zu kündigen), entfiele ebenfalls eine Haftung der Beklagten. Die Klägerin hätte in einem solchen Fall diese Vermögenseinbußen auch erlitten, wenn sich die Beklagte vertragsgemäß verhalten und rechtzeitig geräumt hätte.
823.
83Der Feststellungsantrag der Klägerin gemäß § 256 ZPO ist begründet. Sie hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte auch für etwaige Vermögensschäden ab dem 1. Oktober 2014 haftet.
84Hierfür ist grundsätzlich ausreichend, dass künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06; Zöller/Greger, ZPO, a.a.O., § 256 Rn. 9 mwN) bzw. eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein zu ersetzender Schaden eintreten wird (vgl. BeckOK/Bacher, ZPO, Stand: 01.09.2015, § 256 Rn. 24-25). Droht allerdings die Verjährung unabhängig vom Eintritt eines Schadens, so folgt daraus ohne weiteres ein rechtliches Interesse an der baldigen Klärung der Haftungsfrage. Der Darlegung der Wahrscheinlichkeit oder auch nur einer Möglichkeit eines künftigen Haftungseintritts bedarf es dann nicht (MünchKomm/ZPO/Becker-Eberhard, 4. Auflage, § 256 Rn. 46-48). Da eine Kenntnis der Klägerin iSv § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben ist, hat nach dem Grundsatz der Schadenseinheit die Verjährung auch bereits hinsichtlich künftiger Schadensfolgen begonnen, weshalb es zur Hemmung der Verjährung des Feststellungsantrags bedarf (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 199 Rn. 14).
85III.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
87Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
88Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
89Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 336.563,97. Er setzt sich zusammen aus dem Wert für den Zahlungsantrag iHv EUR 219.670,05 und dem vom Landgericht mit EUR 116.893,92 zutreffend festgesetzten Wert des Feststellungsantrags (Beschluss vom 6. Februar 2013, GA 70).
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 26. Jan. 2016 - I-24 U 58/15
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 26. Jan. 2016 - I-24 U 58/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Die Behörden haben mitzuteilen
- 1.
die Erteilung von Reisegewerbekarten, - 2.
zeitlich befristete Erlaubnisse sowie Gestattungen nach dem Gaststättengesetz, - 3.
Bescheinigungen über die Geeignetheit der Aufstellungsorte für Spielgeräte (§ 33c der Gewerbeordnung), - 4.
Erlaubnisse zur Veranstaltung anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d der Gewerbeordnung), - 5.
Festsetzungen von Messen, Ausstellungen, Märkten und Volksfesten (§ 69 der Gewerbeordnung), - 6.
Genehmigungen nach dem Personenbeförderungsgesetz zur Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die Unternehmern mit Wohnsitz oder Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des Personenbeförderungsgesetzes erteilt werden, - 7.
Erlaubnisse zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und - 8.
die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. EG Nr. L 240 S. 8) erteilten Genehmigungen, Verkehrsrechte auszuüben.
(2) Abweichend von § 1 Abs. 2 teilt die Bundesagentur für Arbeit nach Erteilung der erforderlichen Zusicherung folgende Daten der ausländischen Unternehmen mit, die auf Grund bilateraler Regierungsvereinbarungen über die Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Ausführung von Werkverträgen tätig werden:
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1995 erwarben die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einem Gebäudekomplex inG. zum Preis von 238.903,60 DM. Für die Kläger, die die Wohnung als Kapitalanlage erwarben, handelte als Abschlußvertreter der Kaufmann K. , den die Beklagte mit der Vermarktung der Wohnung beauftragt hatte und den die Kläger mit notarieller Vollmacht versehen hatten.
Die Wohnung war - was die Kläger wußten - vermietet und wurde im Dezember 1995 übergeben. Was sie hingegen nicht wußten, war, daß entgegen dem Teilungsplan, auf den im Vertrag Bezug genommen worden war, ein Raum der verkauften Wohnung von etwa 21 qm (im Plan als Küche bezeichnet) nicht innerhalb der Wohnung zugänglich ist. Er kann nur von der Nachbarwohnung aus betreten werden und wird vom Mieter dieser Wohnung aufgrund Vertrages mit dem früheren Eigentümer genutzt.
Die Kläger erklärten vorprozessual zunächst den "Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich auch die Anfechtung der Erklärungen". Mit der Klage machen sie Schadensersatz geltend. Im Prozeß haben sie unter Aufrechterhaltung der auf Schadensersatz gerichteten Anträge erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung der Wohnung, gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Entscheidung über die Höhe hat es dem Betragsverfahren ebenso vorbehalten wie die Entscheidung über zwei Feststellungsanträge dahin, daß sich die Beklagten mit der Annahme der Rückübereignung im Verzug befänden und daß sie verpflichtet seien, sämtlichen (weiteren) Schaden zu ersetzen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Rechtsmangels dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Haftung sei nicht nach § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen; denn die Kläger müßten sich die Kenntnis ihres Abschlußvertreters K. von den örtlichen Gegebenheiten der gekauften Wohnung nicht nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da K. "eindeutig im Lager der Beklagten" gestanden habe. Das Wahlrecht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, hätten die Kläger weder durch Rücktritt vom Kaufvertrag noch durch Anfechtung verloren. Einen Anfechtungsgrund hätten sie nämlich nicht substantiiert dargetan, und zum Zeitpunkt der ersten Rücktrittserklärung hätten die Voraussetzungen des § 326 BGB noch nicht vorgelegen, während der im Prozeß erklärte Rücktritt bei verständiger Würdigung als Aufrechterhaltung des Schadensersatzbegehrens aufzufassen sei.II.
Diese Ausführungen halten nicht allen Angriffen der Revision stand. 1. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen der Aufhebung und Zurückverweisung, weil der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.a) Das Berufungsgericht hat nicht ein Grundurteil hinsichtlich aller Anträge erlassen, sondern nur über den Zahlungsanspruch dem Grunde nach befunden und die Entscheidung über die Feststellungsanträge dem Betrags-
verfahren vorbehalten. Das ergibt sich eindeutig aus den Ausführungen zu V der Entscheidungsgründe und folgt auch daraus, daß über einen nicht bezifferten Feststellungsantrag durch Grundurteil nicht entschieden werden kann (Senatsurt. v. 22. Januar 1993, V ZR 165/91, NJW 1993, 1641, 1642; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1993, III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319). Es handelt sich bei dem angefochtenen Urteil nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil.
b) Ein solches Teilurteil ist zwar grundsätzlich möglich. Es ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (BGHZ 107, 236, 242 m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Über die Voraussetzungen des Zahlungsanspruchs, der Gegenstand des Grundurteils ist, ist zumindest bei dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Erstattungspflicht allen weiteren Schadens noch einmal zu befinden. Es besteht daher die Gefahr, daß das Gericht bei der späteren Entscheidung über diesen Feststellungsantrag aufgrund neuen Vortrags oder aufgrund geänderter Rechtsauffassung - das Grundurteil bindet nur hinsichtlich des Zahlungsanspruchs , über den es ergangen ist - zu einer anderen Einschätzung gelangt. Es entspricht daher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß im Falle - wie hier - der objektiven Klagehäufung von Zahlungs- und Feststellungsansprüchen , die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen der Ansprüche entschieden werden darf (BGH, Urt. v. 27. Mai 1992, IV ZR 42/91, VersR 1992, 1087, 1088; Urt. v. 4. Februar 1997, VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447, 3448). Soweit in einer Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs davon eine Ausnahme gemacht wird, ist
dies nur "unter den besonderen Umständen des Streitfalls" für zulässig erachtet worden (Urt. v. 23. Januar 1996, VI ZR 387/94, NJW 1996, 1478) und kann - unabhängig davon, ob man der Entscheidung für den dortigen Fall beipflichtet (ablehnend Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 301 Rdn. 8 a.E.) - nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen werden. Es ging dort um ein Teilurteil über einen nach § 287 ZPO geschätzten Mindestschaden mit noch durchzuführender Beweisaufnahme über den darüber hinausgehenden Schaden. 2. Das Urteil des Berufungsgerichts hält auch materiell-rechtlich einer Prüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht von einer möglichen Rechtsmängelhaftung der Beklagten ausgeht (§§ 434, 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB). Den Rechtsmangel sieht es zutreffend darin, daß von der verkauften Eigentumswohnung ein Zimmer an einen Dritten vermietet ist, wobei dieser Mietvertrag gemäß § 571 BGB gegen die Kläger als Erwerber wirkt (vgl. dazu nur Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 434 Rdn. 5). Die Ansicht der Revision, ein Rechtsmangel bestehe nur, wenn der nach § 571 BGB bindende Mietvertrag ungünstigere Konditionen aufweise als der den Klägern bekannte Mietvertrag über die restliche Wohnung, ist unzutreffend. Die gekaufte Eigentumswohnung weist zwei Rechtsmängel auf. Der ihnen beim Kauf bekannte Mietvertrag begründet ebenso einen Rechtsmangel wie der ihnen unbekannt gebliebene über das als Küche bezeichnete Zimmer. Wegen des einen Rechtsmangels scheidet eine Haftung nach § 439 Abs. 1 BGB aus, für den zweiten Rechtsmangel muß die Beklagte einstehen. Das zeigt sich auch darin, daß es für den Eigentümer einen Unterschied bedeutet, ob er mit einem Mieter zu tun hat, der die gesamte Wohnung nutzt, oder mit zwei Mietern, die jeweils
Teile der Wohnung beanspruchen. Er kann die Wohnung nicht insgesamt nutzen , ohne sich mit beiden Mietern auseinandersetzen zu müssen. Unerheblich ist es - entgegen der Auffassung der Revision - auch, ob der zweite Mieter jetzt bereit ist auszuziehen. Innerhalb der Frist des § 326 Abs. 1 BGB war er es nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe diese Frage offengelassen, mißversteht es diese Feststellungen. Nur für die Zukunft hat das Berufungsgericht offengelassen, ob der Mieter auszugsbereit ist. Darauf kommt es in der Tat nicht an, nachdem die Rechtsfolgen des § 326 Abs. 1 BGB eingetreten sind.
b) Nicht zu folgen ist hingegen der Ansicht des Berufungsgerichts, nur die Beklagte müsse sich die Kenntnis des Kaufmanns K. über die den Rechtsmangel begründenden Umstände zurechnen lassen, da dieser den Vertrag für die Beklagte vorbereitet und eindeutig in deren Lager gestanden habe. Nach § 166 Abs. 1 BGB werden dem Vertretenen Willensmängel seines Vertreters zugerechnet, soweit diese Einfluß auf die Wirksamkeit der Willenserklärung haben. Gleiches gilt für die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Umständen , die für die Willenserklärung von Bedeutung sind. Da der Kaufmann K. beim Abschluß des Kaufvertrages bevollmächtigter Vertreter der Kläger war, wirkt dessen Kenntnis vom Rechtsmangel nach dieser Vorschrift grundsätzlich zu Lasten der Kläger und führt damit zum Haftungsausschluß nach § 439 Abs. 1 BGB. Daß K. zugleich wegen seiner Nähe zur Beklagten als deren Wissensvertreter anzusehen ist, so daß seine Kenntnis auch ihr zuzurechnen ist, ändert daran nichts. Dadurch wird die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB nicht aufgehoben. Auch der Normzweck erlaubt keine Restriktion. K. war unabhängig von seiner Funktion als Verhandlungsführer der Beklagten Vertreter
der Kläger. Sie haben die mit der Bevollmächtigung verbundenen Risiken, die sich u.a. in der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB konkretisieren, zu tragen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn es der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die den Klägern zugerechnete Kenntnis des Vertreters zu berufen. Das kommt in Betracht, wenn ein Verkäufer mit dem Vertreter des Käufers bewußt zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat (vgl. MünchKomm-BGB/Schramm, 3. Aufl., § 166 Rdn. 6; Staudinger /Schilken, BGB, 1995, § 166 Rdn. 19, jew.m.w.N.) oder wenn ein Verkäufer dem Käufer seinen Verhandlungsführer als Vertreter aufgedrängt hat, um aus der dann eingreifenden Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB Vorteile zu ziehen. Solche Umstände hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Ob auf eine derartige Manipulation die - objektiv falsche - Formulierung im Kaufvertrag "der heutige Zustand des Kaufobjekts ist dem Käufer bekannt" hindeuten mag, obliegt der Prüfung durch den Tatrichter.
c) Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, daß die Berufung der Beklagten auf die den Klägern zuzurechnende Kenntnis des Vertreters treuwidrig ist, so ist den Angriffen der Revision gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen wirksamen Rücktritt oder eine Anfechtung des Kaufvertrages seitens der Kläger verneint hat, nicht zu folgen.
Daß dem mit vorprozessualem Anwaltsschreiben vom 18. November 1996 erklärten Rücktritt keine Wirkungen beizumessen sind, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Anfechtung. Die Revision wendet sich dagegen auch nicht.
Entgegen ihrer Auffassung sind aber auch die Erwägungen rechtsfehlerfrei , mit denen das Berufungsgericht einen während des Prozesses erklärten Rücktritt abgelehnt hat. Die Auslegung des Schriftsatzes vom 26. Juni 1997, in dem zwar der Rücktritt erklärt, das Schadensersatzbegehren, konkretisiert durch die Anträge, jedoch aufrechterhalten wird, ist möglich. Es stellt keinen Auslegungsfehler dar, daß - wie die Revision meint - das Berufungsgericht nicht bedacht habe, daß der prozessual erklärte Rücktritt vor dem Hintergrund zu sehen sei, daß die Kläger mit ihrem Schadensersatzbegehren erstinstanzlich nicht durchgedrungen seien. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand nicht verkannt, ihm aber zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen, weil die Gründe, die in erster Instanz zum Scheitern der Schadensersatzklage geführt haben, dem Rücktrittsverlangen ebenfalls entgegengestanden hätten.
Vogt Lambert-Lang Tropf Krüger Klein
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt als Testamentsvollstrecker über das Vermögen des verstorbenen H.-D. H. (im Folgenden: Betreuter) den Beklagten zu 1 als Betreuer und den Beklagten zu 2 als Verfahrenspfleger des Betreuten auf Scha- densersatz in Anspruch, weil beide beim Verkauf von Grundstücken des Betreuten pflichtwidrig gehandelt hätten. Außerdem begehrt der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 für etwaige weitere infolge des Verkaufs entstehende Schäden.
- 2
- 1997 wurde für den Betreuten infolge einer Tumorerkrankung die Einrichtung einer Betreuung erforderlich. Metastasen hatten sein Gehirn angegriffen und im Februar 1996 zur Erblindung sowie im August 1997 zur Schwerhörigkeit des Betreuten geführt. Zur Regelung der komplexen Vermögensangelegenheiten des Betreuten bestellte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - den Beklagten zu 1 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten". Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet.
- 3
- Der Betreute hatte bereits in den 80-er Jahren begonnen, in großem Umfang Grundstücke zu erwerben und zu bebauen; unter anderem hatte er zwischen 1991 und 1993 unter Einsatz öffentlicher Fördermittel mehrere Grundstücke in H. mit Wohngebäuden bebaut, die aus zahlreichen Mietwohnungen bestanden. Im Zeitpunkt der Betreuerbestellung war der Betreute Eigentümer einer Vielzahl teils unbebauter, teils - insbesondere mit Mietwohnungen - bebauter Grundstücke. Die genannten vom Betreuten in H. bebauten Grundstücke waren erheblich belastet. Außerdem hatte der Betreute im Zeitpunkt der Betreuerbestellung erhebliche Verbindlichkeiten, die insbesondere aus dem Erwerb und der Bebauung seiner Grundstücke resultierten. Gegenüber mehreren Gläubigern standen fällige Forderungen offen. Um dem Vermögen des Betreuten kurzfristig liquide Mittel zuzuführen, entschloss sich der Beklagte zu 1, die genannten Grundstücke in H. zu verkaufen. Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte der Betreute den Wunsch geäußert, nur diese Grundstücke, nicht aber sein Hausgrundstück in Z. (Österreich) zu verkaufen und auch nicht sein in Österreich geführtes Konto zu verwerten.
- 4
- Mit notariellem Vertrag vom 30. Juni 1997 veräußerte der Beklagte zu 1 die Grundstücke in H. - vorbehaltlich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung - für insgesamt 7,4 Mio. DM. Unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernahm der Käufer die auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 4,6 Mio. DM. In der Folgezeit beantragte der Beklagte zu 1 beim Vormundschaftsgericht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages. Das Gericht bestellte den Beklagten zu 2 zum Verfahrenspfleger für den Betreuten mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Betreuten bei dem Abschluss der Kaufverträge …". Zur Begründung verwies das Gericht darauf, die Bestellung eines Verfahrenspflegers sei veranlasst, weil die persönliche Anhörung des Betreuten nicht möglich erscheine. Der Beklagte zu 2 kam in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, die vereinbarten Kaufpreise seien für diese Grundstücke angemessen und - bezogen auf die damaligen Marktverhältnisse - als günstig anzusehen. Daraufhin genehmigte das Vormundschaftsgericht die Erklärungen des Beklagten zu 1 im notariellen Kaufvertrag. Der Betreute verstarb im September 1997 und wurde von seinen fünf Kindern beerbt.
- 5
- Im Jahre 2001 setzten die Stadt H. und das Finanzamt H. gegen den Kläger Gewerbe- und Einkommensteuer für das Jahr 1997 in einer Gesamthöhe von über 1,2 Mio. DM fest; dabei sahen sie die durch den Beklagten zu 1 vorgenommenen Veräußerungen der Grundstücke als gewerblichen Grundstückshandel an. Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage wies das Finanzgericht M. mit Urteil vom 6. April 2005 zurück. Zur Begründung verwies das Finanzgericht darauf, mit dem Vertrag vom 30. Juni 1997 seien neun Objekte mit insgesamt 49 Wohnungen verkauft worden. Da die Gebäude in den Jahren 1991 bis 1993 erstellt worden seien, bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen deren Errichtung und Veräußerung, der - unter Anwendung der "Drei-Objekte-Regel" - den Schluss auf eine von Anfang an vorhandene bedingte Veräußerungsabsicht des Betreuten rechtfertige. Für eine bedingte Veräußerungsabsicht spreche im Übrigen auch das von der Klägerseite beschriebene "Schneeball-System". Danach habe der Betreute über Jahre hinweg den Vermögensbestand aufgebaut und bei größeren Mietausfällen und Leerständen auftretende finanzielle Krisen durch Verwendung von Darlehensmitteln aufgefangen, die zur Finanzierung neuer Bauvorhaben aufgenommen worden seien. Für den Fall, dass weitere Neubauten - wie seit Ende 1996 - nicht mehr in Angriff genommen werden könnten, habe der Betreute immer auch ins Auge fassen müssen, den Immobilienbesitz durch Teilveräußerungen zu sichern.
- 6
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger - nunmehr - von beiden Beklagten den Ausgleich einer Differenz zwischen dem Verkehrswert der mit dem Vertrag vom 30. Juni 1997 verkauften Grundstücke in H. und dem für sie erzielten Kaufpreis ; außerdem verlangt er den Ersatz der wegen der Veräußerung dieser Grundstücke bereits gezahlten Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Freistellung von der weitergehenden Steuerschuld. Ferner beantragt der Kläger festzustellen , dass der Beklagte zu 1 für einen weitergehenden, aus dem Verkauf dieser Grundstücke entstandenen Schaden ersatzpflichtig ist.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert, die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Berufung gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Mit seiner insoweit vom Senat zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte zu 1 gegen seine Verurteilung dem Grunde nach. Außerdem ist er dem Rechtsstreit als Streithelfer des Klägers beigetreten und wendet sich insoweit mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat nur insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
A.
Revision gegen die Verurteilung des Beklagten zu 1I.
- 9
- Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe mit dem angefochtenen "Teilurteil" gegen den Beklagten zu 1 lediglich ein Zwischenurteil über den Grund erlassen. Über den mit der Klage geltend gemachten Feststellungsantrag habe es keine Entscheidung getroffen; diese habe es offenbar dem Schlussurteil vorbehalten. Da sowohl der Zahlungsanspruch, über den das Berufungsgericht dem Grunde nach entschieden habe, als auch der Feststellungsantrag aus demselben tatsächlichen Vorgang abgeleitet seien und auf einem einheitlichen Klagegrund beruhten, sei der Erlass des Teilurteils gemäß § 301 ZPO unzulässig. Die Rüge greift durch.
- 10
- 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein umfassendes Grundurteil dann nicht ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens verbunden hat. Dies folgt bereits daraus, dass über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann. Entscheidet ein Gericht in dieser Konstellation nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil. Dieses ist als Teilurteil dann unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (BGH Urteile vom 30. April 2003 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 2380, 2381 und vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 304 Rdn. 3).
- 11
- 2. Danach verstößt das Berufungsurteil gegen § 301 ZPO. Das Oberlandesgericht hat nicht ein Grundurteil hinsichtlich aller Anträge erlassen, sondern mit seinem "Teilurteil" nur über die Zahlungs- und Freistellungsanträge dem Grunde nach befunden. Dies ergibt sich daraus, dass das Oberlandesgericht in den Entscheidungsgründen zur Rechtfertigung des Erlasses eines Grundurteils lediglich ausführt, dass und warum über die Höhe des vom Beklagten zu 1 geschuldeten Schadensersatzes noch nicht abschließend entschieden werden kann. Hingegen enthalten die Entscheidungsgründe keine Ausführungen zum Feststellungsantrag. Auch eine Auslegung dahingehend, dass das Oberlandesgericht zugleich durch stattgebendes Endurteil über den Feststellungsantrag entschieden hat, kommt mangels eines Anhaltspunktes in den Urteilsgründen nicht in Betracht (vgl. hierzu BGH Urteil vom 7. November 1991 - III ZR 118/90 - NJW-RR 1992, 531; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 304 Rdn. 3). Bei dem angefochtenen Urteil handelt es sich folglich nicht nur um ein Grund-, sondern auch um ein Teilurteil. Als Teilurteil ist es unzulässig, weil über die Voraussetzungen der Zahlungs- und Freistellungsansprüche, die Gegenstand des Grundurteils sind, bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag nochmals zu befinden sein wird. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht, möglicherweise auch das Rechtsmittelgericht, bei der späteren Entscheidung über den Feststellungsantrag zu einer anderen Erkenntnis gelangt (BGH Urteile vom 30. April 2003 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 2380, 2381 und vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155). Aus diesem Grunde darf nach der Recht- sprechung des Bundesgerichtshofs im Falle der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsbegehren, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen Anspruch oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden werden (BGH Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155 m.w.N.).
II.
- 12
- Danach kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 13
- 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte zu 1 seine ihm als Betreuer obliegenden Pflichten dadurch verletzt, dass er mit Vertrag vom 30. Juni 1997 die Grundstücke in H. trotz der damit verbundenen nachteiligen steuerlichen Folgen verkauft habe. Die Steuerbelastung sei vermeidbar gewesen. Der Beklagte zu 1 habe erforderliche liquide Mittel zur Tilgung rückständiger Verbindlichkeiten des Betreuten durch die Verwertung anderer Vermögensgegenstände des Betreuten beschaffen können, welche nicht mit steuerlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre. So habe der Beklagte zu 1 unter anderem das Hausgrundstück in Österreich, das Konto in Österreich sowie andere Immobilien verwerten können, für welche die Drei-Objekte-Regel nicht gegolten hätte. Über den Wunsch des Betreuten, nur die Grundstücke in H., nicht aber das Hausgrundstück in Österreich zu verkaufen und auch das Konto in Österreich nicht zu verwerten, habe sich der Beklagte zu 1 hinwegsetzen müssen. Der Betreuer sei zwar gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich an die Wünsche des Betreuten gebunden, müsse aber solche Wünsche nicht befolgen , die dessen Wohl zuwiderliefen. Letzteres sei hier der Fall gewesen. In der angespannten finanziellen Situation des Betreuten habe es keinerlei anzuerkennende Gründe gegeben, von der Verwertung des Vermögens in Österreich abzusehen und stattdessen die Grundstücke in H. zu veräußern, mit der Konsequenz erheblicher steuerlicher Nachteile, welche die angespannte Vermögenssituation des Betroffenen weiter verschärft hätten. Dies gelte umso mehr, als bereits im Frühjahr 1997 abzusehen gewesen sei, der Betreute werde sein Haus in Österreich krankheitsbedingt kaum mehr selbst nutzen können.
- 14
- Diese Ausführungen sind nicht in allen Punkten bedenkenfrei.
- 15
- a) Gemäß § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist.
- 16
- b) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich der Betreuer in Fällen, in denen die Wünsche des Betreuten seinem objektiven Wohl widersprechen, über den Willen des Betreuten hinwegsetzen kann und muss. Lediglich in einer Entscheidung, die die Haftung des Betreuers gegenüber dem Vertragspartner des Betreuten zum Gegenstand hatte, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass sich der Betreuer bei der Bewältigung von Konflikten zwischen den Neigungen und Wünschen des Betreuten einerseits sowie dessen Wohl andererseits allein vom wohlverstandenen Interesse des Betreuten leiten zu lassen habe (BGH Urteil vom 8. Dezember 1994 - III ZR 175/93 - FamRZ 1995, 282, 283). Der Begriff des wohlverstandenen Interesses wird in dieser Entscheidung allerdings nicht näher konkretisiert.
- 17
- Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur werden unterschiedliche Ansätze zur Lösung des beschriebenen Konflikts vertreten. Ganz überwiegend werden die Wünsche des Betreuten in weitem Umfang respektiert (statt vieler MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f. m.w.N.; eher einschränkend allerdings Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1901 Rdn. 10; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1901 Rdn. 10; restriktiv auch Frommann NDV 1992, 2, 4, der den Betreuer nicht den subjektiven Wünschen des Betreuten für verpflichtet hält, sondern vielmehr einer allenfalls empirisch bestimmbaren Normalität Nichtbetreuter). Allerdings wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen das objektive Betreutenwohl gegenüber diesen Wünschen ausnahmsweise Vorrang beansprucht, unterschiedlich beantwortet: Nach einer Auffassung ist darauf abzustellen, wie der Betreute sein Leben selbst gestalten würde, wenn er die dazu notwendigen Fähigkeiten noch hätte (Bienwald Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1901 Rdn. 26; Staudinger /Bienwald BGB (1999) § 1901 Rdn. 24; vgl. weitergehend Wolf Haftung S. 40 f., der ausführt, dass Wünsche des Betreuten, deren Erfüllung voraussichtlich in einen Schaden mündet, dessen Wohl zuwiderlaufen; ihnen dürfe daher vom Betreuer nicht entsprochen werden). Nach anderer Ansicht tritt ein Wunsch des Betreuten nur dann hinter dessen objektivem Wohl zurück, wenn er Ausdruck einer Lebensvorstellung ist, die außerhalb desjenigen Bereiches liegt, der bei Nichtbetreuten (noch) als Wahrnehmung der Selbstbestimmungsrechte im gesellschaftlich vertretbaren Rahmen angesehen würde (Voigt, Betreuerpflichten , S. 80). Nach einer weiteren Meinung ist entscheidend, ob bei Verwirklichung des Wunsches Rechtsgüter des Betreuten gefährdet werden, die im Rang über den mit dem Wunsch verfolgten Interessen stehen (so etwa der Fall bei der Abwägung von Leben, Gesundheit oder sonstigen fundamenta- len Persönlichkeitsrechten einerseits und Freizeitwünschen des Betreuten andererseits ); darüber hinaus sollen nach dieser Auffassung solche Wünsche dem Wohl des Betreuten zuwiderlaufen und zu vernachlässigen sein, deren Erfüllung seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Als Beispiel wird ein wirtschaftlich unvertretbarer Umgang mit dem Vermögen des Betreuten genannt, wenn daraus die Gefahr erwachse, dass künftig der angemessene Unterhalt nicht mehr bestritten werden könne (KG ZMR 2002, 265, 268; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 42; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f.; Schwab FamRZ 1992, 493, 503; Schulze/Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5).
- 18
- c) Nach Auffassung des Senats darf der Begriff des Wohles des Betreuten im Sinne des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB nicht losgelöst von seinen subjektiven Vorstellungen und Wünschen bestimmt werden (vgl. auch HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 23). Denn gemäß § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Folglich läuft ein Wunsch nicht bereits dann im Sinne des § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Wohl des Betreuten zuwider, wenn er dessen objektivem Interesse widerspricht. Vielmehr entsteht ein beachtlicher Gegensatz zwischen Wohl und Wille des Betreuten erst dann, wenn die Erfüllung der Wünsche höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde (OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 32; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f.). Entsprechend erfordert es das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betreuten (vgl. etwa Bienwald , Betreuungsrecht, § 1901 Rdn. 19; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 24), dass der Betreuer einen Wunsch des Betreuten nicht wegen Vermögensge- fährdung ablehnen darf, solange dieser sich von seinen Einkünften und aus seinem Vermögen voraussichtlich bis zu seinem Tod wird unterhalten können (Schulze/Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5). Selbst wenn durch die Erfüllung der Wünsche des Betreuten dessen Vermögen - den Interessen seiner Erben zuwider - erheblich geschmälert wird, ist der Wunsch in diesem Fall zu respektieren.
- 19
- aa) Für diesen grundsätzlichen Vorrang der Wünsche des Betreuten vor dessen objektiven Interessen, insbesondere auch vor seinen objektiven Vermögensbelangen , spricht zunächst, dass der Betreuer nach allgemeiner Auffassung nicht die Aufgabe hat, das Vermögen des Betreuten zugunsten seiner Erben zu erhalten (BGH Urteil vom 22. Februar 1967 - IV ZR 279/65 - MDR 1967, 473; KG ZMR 2002, 265, 269; BayObLG NJW 1991, 432; Bienwald, Betreuungsrecht , § 1901 Rdn. 22; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 35; Schulze/ Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1901 Rdn. 4; Damrau/Zimmermann § 1901 Rdn. 4). Zudem könnte das Ziel des Gesetzes, das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten zu stärken und seinem Willen grundsätzlich den Vorrang einzuräumen, nicht erreicht werden , wenn der Betreuer befürchten müsste, nach dem Tod des Betreuten von dessen Erben erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden , weil er die dem objektiven Wohl des Betreuten zuwiderlaufenden Wünsche erfüllt hat (HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 52; vgl. zum entsprechenden gesetzgeberischen Ziel BT-Drucks. 11/4528 S. 67, 133; BayObLG FamRZ 1998, 455, 456; Schwab FamRZ 1992, 493, 503; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1908 i Rdn. 231). Diese Sichtweise widerspricht auch nicht dem Anliegen des Gesetzgebers, der Betreuer dürfe dem Betreuten nicht die Hand zur Selbstschädigung reichen (BT-Drucks. 11/4528 S. 67, 133; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 44; MünchKomm/ Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 16); denn eine Selbstschädigung des Betreu- ten wird regelmäßig nur dann nicht mehr hingenommen werden können, wenn dessen Unterhalt bis zu seinem Tod infolge einer Maßnahme des Betreuers nicht mehr gesichert ist.
- 20
- bb) Ist danach ein Wunsch des Betreuten im Grundsatz beachtlich, sofern dessen Erfüllung nicht die gesamte Lebens- und Versorgungssituation des Betreuten erheblich verschlechtern würde, kann dies freilich nur unter der Voraussetzung gelten, dass der Wunsch nicht Ausdruck der Erkrankung des Betreuten ist (MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jeder Wunsch unbeachtlich wäre, den der Betreute ohne Erkrankung nicht hätte oder der als irrational zu bewerten ist (BT-Drucks. 11/4528 S. 67; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; Staudinger /Bienwald BGB (1999) § 1901 Rdn. 28; Voigt, Betreuerpflichten, S. 57, 78 f.). Vielmehr ist ein Wunsch lediglich dann unbeachtlich, wenn der Betreute infolge seiner Erkrankung entweder nicht mehr in der Lage ist, eigene Wünsche und Vorstellungen zu bilden und zur Grundlage und Orientierung seiner Lebensgestaltung zu machen (Erman/Roth BGB 12. Aufl. § 1901 Rdn. 4, 10; Bienwald FamRZ 1992, 1125, 1128; Voigt, Betreuerpflichten, S. 75; vgl. auch Frommann NDV 1992, 2, 4), oder wenn er die der Willensbildung zugrunde liegenden Tatsachen infolge seiner Erkrankung verkennt (vgl. dazu Bienwald, Betreuungsrecht, § 1901 Rdn. 26).
- 21
- cc) Der Vorrang des Willens des Betreuten gilt im übrigen nur für solche Wünsche, die Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Betreuten sind; sie dürfen sich nicht nur als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen erklären lassen, die der Betreute angestellt hat, um über diese Vorstufe sein eigentliches - weitergehendes - Ziel zu erreichen. Der vorliegende Fall verdeutlicht diese Differenzierung :
- 22
- Das Anliegen des Betreuten, das Grundstück in Österreich und das dortige Konto nicht zu verwerten, ist als ein solcher - beachtlicher - Wunsch aufzufassen , wenn man den Vortrag des Beklagten zu 1 als richtig unterstellt, das Grundstück in Österreich sei das Lieblingsobjekt des Betreuten gewesen, dessen Verkauf er auch mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nicht gewollt habe; das Guthaben auf dem Konto habe nach seinem Willen ausschließlich dem Grundbesitz in Österreich zugute kommen sollen. Dasselbe gilt im Hinblick auf die übrigen privat genutzten Häuser des Betreuten, falls der Vortrag des Beklagten zu 1 zutrifft, dass diese dem Betreuten ans Herz gewachsen waren. Unter demselben Aspekt kann - umgekehrt - auch der vom Beklagten zu 1 geltend gemachte Wunsch des Betreuten beachtlich sein, sich am ehesten von einem Grundstück in der R.-K.-Straße zu trennen, dessen Mieter ständig Ärger bereitet hätten.
- 23
- Dagegen hing der Betreute nach dem eigenen Vortrag des Beklagten zu 1 an keinem der nicht privat genutzten Objekte in besonderer Weise. Der Wille des Betreuten, gerade die (nicht privat genutzten) Grundstücke in H. zu veräußern, beruhte - abgesehen von einem etwaigen beachtlichen Wunsch in Ansehung des Objekts R.-K.-Straße - dementsprechend nur auf Erwägungen des Betreuten zur Frage, welche Grundstücke am besten geeignet seien, um die erforderliche Liquidität zu erzielen. Der Betreute hat insoweit lediglich überlegt , auf welchem Wege sich sein eigentliches Ziel - die Schonung seines Vermögens in Österreich und seiner sonstigen privat genutzten Objekte - am zweckmäßigsten erreichen ließe. Über die hierzu geäußerten (Zweckmäßigkeits -)Vorstellungen des Betreuten konnte und musste der Betreuer sich daher gegebenenfalls hinwegsetzen. Dasselbe gilt im Übrigen in Ansehung der vom Beklagten zu 1 behaupteten Vorgabe des Betreuten über die bei einem Verkauf zu erzielenden Mindesterlöse.
- 24
- dd) Schließlich kann sich der Betreuer nur dann auf einen - dem objektiven Wohl des Betreuten zuwiderlaufenden - Wunsch berufen, wenn dieser Wunsch auf ausreichender tatsächlicher Grundlage gefasst wurde. Insoweit gilt im Grundsatz ähnliches wie im Recht der Anwaltshaftung. Dort entlastet eine Weisung des Mandanten nur, wenn der Anwalt diesen vor Befolgung der Weisung eingehend über die damit verbundenen Risiken belehrt und ihm andere weniger nachteilige oder nicht so riskante Wege zur Erreichung des verfolgten Ziels aufgezeigt hat (vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts , 7. Aufl. Rdn. 571 m.w.N.). Allerdings sind die bei der Anwaltshaftung entwickelten Grundsätze zum Umfang der geforderten Aufklärung (vgl. etwa Rinsche/Fahrendorf/Terbille aaO Rdn. 510 ff.) nicht ohne weiteres auf die Betreuerhaftung übertragbar. Vielmehr richtet sich der Grad der erforderlichen Aufklärung zum einen nach der Wichtigkeit des Geschäfts und zum anderen danach, was in den Lebenskreisen, denen der Betreuer angehört, billigerweise erwartet werden kann (vgl. zur Differenzierung nach Lebenskreisen Senatsurteil vom 18. September 2003 - XII ZR 13/01 - FamRZ 2003, 1924, 1925; BGH Urteile vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220 und vom 15. Januar 1964 - IV ZR 106/63 - FamRZ 1964, 199, 200; KG ZMR 2002, 265, 267; MünchKomm/Wagenitz BGB 5. Aufl. § 1833 Rdn. 4; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1833 Rdn. 4; Staudinger/Engler BGB (2004) § 1833 Rdn. 13). Indes kann auch ein geschäftsunerfahrener Betreuer verpflichtet sein, bei einem Geschäft großer Bedeutung fachlichen Rat einzuholen, um den Betreuten umfassend informieren zu können (vgl. BGH Urteil vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220, 1221; Staudinger/Engler BGB (2004) § 1833 Rdn. 35; Voigt, Betreuerpflichten, S. 89; Wolf, Haftung, S. 79). Hat der Betreuer den Betreuten nicht ausreichend aufgeklärt, bleibt dem Betreuer gleichwohl die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, dass der Betreute den - vom Betreuer später umgesetzten - Wunsch auch dann geäußert hätte, wenn der Betreuer ihn zuvor im erforderlichen Umfang aufgeklärt hätte.
- 25
- d) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte sich der Beklagte zu 1 gegenüber dem auf Ersatz der Steuernachteile gerichteten Klagbegehren nicht ohne weiteres auf die Wünsche des Betreuten berufen.
- 26
- Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte zu 1 die Frage der steuerlichen Konsequenzen mit einem Steuerberater nur allgemein besprochen; hingegen hat er sich nicht über die Höhe möglicher Steuerforderungen informiert. Dementsprechend kann er auch den Betreuten nicht über die Größenordnung möglicher Steuerforderungen belehrt haben. Angesichts der Wichtigkeit des beabsichtigten Rechtsgeschäfts wäre aber eine Aufklärung über die ungefähre Höhe der im ungünstigsten Fall zu erwartenden steuerlichen Belastung erforderlich gewesen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 1 gerade im Hinblick auf seine Fachkunde als Anwalt zum Betreuer bestellt worden war. Von einem Anwalt als Betreuer kann erwartet werden, dass er sich über die rechtlichen Risiken eines von ihm abzuschließenden Geschäfts vergewissert (Senatsurteil vom 18. September 2003 - XII ZR 13/01 - FamRZ 2003, 1924, 1925).
- 27
- Der Beklagte zu 1 macht indes auch geltend, dass sich der Betreute in derselben Weise verhalten hätte, wenn er über die Höhe der steuerlichen Belastung informiert gewesen wäre. Dieser Einwand ist, wie ausgeführt, erheblich. Dem Beklagten zu 1 wird deshalb Gelegenheit zu geben sein, seinen Vortrag hierzu gegebenenfalls noch weiter zu konkretisieren und Beweis anzubieten.
- 28
- e) Im übrigen dürfte in dem Verkauf der Grundstücke in H. jedenfalls nur dann eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 zu finden sein, wenn dieser die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels dadurch hätte vermeiden können, dass er - liquiditätssichernd - andere Grundstücke als vom Betreuten gewünscht veräußert hätte. Das Oberlandesgericht verweist insoweit auf mehrere Grundstücke des Betreuten, die dieser mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf (1997) erworben und bebaut hatte; im Falle des Verkaufs dieser Häuser hätte - so das Oberlandesgericht - die "Drei-Objekte-Regel" nicht gegolten und der Verkauf folglich nicht zur Annahme eines - die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht begründenden - gewerblichen Grundstückshandels geführt. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden.
- 29
- Allerdings hat der Bundesfinanzhof zur Konkretisierung der Unterscheidung zwischen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG einerseits und privater Vermögensverwaltung andererseits im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels die so genannte Drei-Objekte-Grenze entwickelt. Danach wird die Grenze privater Vermögensverwaltung überschritten, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang zu Erwerb bzw. Bebauung mehr als drei Objekte veräußert werden. Als enger zeitlicher Zusammenhang wird dabei ein Zeitraum von fünf Jahren angesehen (BFH BB 2007, 250, 252 m.w.N.). Indes kommt der Zahl der Objekte und dem engen zeitlichen Zusammenhang lediglich indizielle Bedeutung für das Vorliegen einer von Anfang an bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht zu. Insbesondere handelt es sich bei der FünfJahres -Grenze nicht um eine starre Zeitgrenze (BFH Beschluss vom 12. August 2008 - X B 46/08 - juris; BFH BB 2007, 250, 252 m.w.N.; BFH/NV 2004, 1089, 1090 m.w.N.). Vielmehr kann im Falle einer Veräußerung nach Ablauf von fünf Jahren die sich mit zunehmender Zeitdauer verringernde Indizwirkung durch zusätzliche für einen gewerblichen Grundstückshandel sprechende Anhaltspunkte ausgeglichen werden (BFH BB 2007, 250, 252; BFH/NV 2004, 1089, 1090 m.w.N.). Lediglich bei Verkäufen außerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Veräußerungen als Ausfluss der privaten Vermögensverwaltung darstellen (BMF BStBl I 2004, 434, 435; BFH/NV 2004, 1089, 1090; zu einer Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. BFH/NV 2005, 1794).
- 30
- Die Revision verweist hierzu auf die Feststellungen des Finanzgerichts M. . Danach sei davon auszugehen, dass der Betreute ein SchneeballSystem entwickelt habe, bei dem er zur Sicherung des übrigen Immobilienbestandes immer auch die Veräußerung von Grundbesitz habe in Erwägung ziehen müssen. Das Finanzgericht M. habe (zumindest) auch aus diesem Grund auf eine bereits im Zeitpunkt der Anschaffung/Errichtung der veräußerten Immobilien vorhandene bedingte Veräußerungsabsicht des Betreuten geschlossen. Eine - die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht begründende - Gewerblichkeit des Grundstückshandels wäre somit auch dann nicht zu verneinen gewesen, wenn der Beklagte zu 1 nur solche Grundstücke des Betreuten veräußert hätte, die dieser bereits mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf erworben und bebaut habe.
- 31
- Diesen Einwänden wird das Oberlandesgericht bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung nachzugehen haben. Dabei wird es die Vermeidbarkeit der aus Anlass des vom Beklagten zu 1 vorgenommenen Grundstücksverkaufs festgesetzten Steuern nicht allein mit dem Hinweis darauf begründen können, der Betreute sei 1997 Eigentümer mehrerer Grundstücke gewesen, die er mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf (1997) erworben und bebaut habe. Denn die Folgerung, dass ein Verkauf dieser Grundstücke im Jahr 1997 - mangels Anwendbarkeit der Drei-Objekte-Regel - nicht zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels hätte führen können, erscheint - aus den von der Revision aufgezeigten Gründen - keineswegs zwingend. Vielmehr wird das Oberlandesgericht zu erwägen haben, ob im vorliegenden Falle - im Hinblick auf ein vom Betreuten betriebenes Schneeball-System - ein gewerblicher Grundstückshandel auch bei der Veräußerung solcher Grundstücke vorgelegen hätte, deren Erwerb bzw. Bebauung mehr als fünf Jahre zurücklag. Dabei wird es allerdings - auf der anderen Seite - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte zu 1 zur Erzielung der notwendigen Liquidität auch Grundstücke des Betreuten hätte veräußern können, die dieser vor mehr als 10 Jahren erworben bzw. bebaut hatte und deren Veräußerung deshalb die Annahme eines gewerbsmäßigen Grundstückshandels von vornherein ausgeschlossen hätte.
- 32
- 2. Eine weitere Pflichtverletzung hat das Oberlandesgericht darin gesehen , dass der Beklagte zu 1 die Grundstücke zu Preisen verkauft habe, die um insgesamt 409.000 € unter ihren Verkehrswerten gelegen seien. Der Beklagte zu 1 sei verpflichtet gewesen, Eigentum des Betreuten nur bestmöglich zu verwerten. Dass die vereinbarten Kaufpreise nicht den Verkehrswerten der Grundstücke entsprochen hätten, habe der Beklagte zu 1 bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können. Bei einem Vertrag von derart hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei eine zuverlässige Prüfung der Angemessenheit der Kaufpreise naheliegend und erforderlich gewesen, beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Eine solche Prüfung habe der Beklagte zu 1 aber nicht veranlasst. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1 Preise in Höhe dieser Verkehrswerte nicht habe erzielen können, lägen nicht vor. Ein möglicherweise vom Betreuten erteiltes Einverständnis mit dem Verkauf der drei Grundstücke zu den vereinbarten Preisen könne die Pflichtwidrigkeit nicht ausschließen.
- 33
- a) Gegen diese Würdigung des Oberlandesgerichts dürften - jedenfalls im Ausgangspunkt - keine revisionsrechtlich bedeutsamen Bedenken zu erheben sein. Insbesondere brauchte das Berufungsgericht nicht auf die Frage einzugehen , ob eine etwaige besondere Sachkunde des Betreuten die Pflicht des Beklagten zu 1 entbehrlich werden ließ, vor der Veräußerung ein Sachverständigengutachten einzuholen, einen Makler zu beauftragen oder jedenfalls Alter- nativangebote einzuholen. Denn eine solche besondere Sachkunde des Betreuten ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar mag der Betreute infolge seiner früheren Tätigkeit als Bauherr oder Bauleiter die Gebäude gekannt haben ; auch mag er Erfahrungen mit der Vermietung von Immobilien gehabt haben. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers hatte er jedoch bisher Grundstücke nur an Verwandte veräußert, nicht aber an Außenstehende. Über besondere Erfahrungen hinsichtlich der auf dem Grundstücksmarkt erzielbaren Preise verfügte der Betreute folglich nicht.
- 34
- b) Die Überlegungen, mit denen das Oberlandesgericht den hypothetisch - bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt - erzielbaren Kaufpreis ermittelt hat, sind indes nicht in allen Punkten frei von revisionsrechtlich bedeutsamen Bedenken.
- 35
- aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Oberlandesgericht das Sachwert- und das Ertragswertverfahren kombiniert hat (vgl. dazu BGHZ 160, 8, 12; BGH Urteile vom 12. Januar 2001 - V ZR 420/99 - NJW-RR 2001, 732, 733 und vom 11. März 1993 - III ZR 24/92 - juris).
- 36
- Auch ansonsten hat das Oberlandesgericht die erzielbaren Preise im Grundsatz zutreffend ermittelt.
- 37
- bb) Nicht auseinandergesetzt hat sich das Oberlandesgericht allerdings mit der Frage, inwieweit die finanziell angespannte Situation des Betreuten und der insoweit bestehende Zeitdruck dem Beklagten zu 1 erlaubten, die Chancen des Marktes bei der Preisgestaltung in vollem Umfang auszuschöpfen. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe dieser Frage nachzugehen.
B.
Revision des Beklagten zu 1 als Streithelfer des KlägersI.
- 38
- Die Revision ist zulässig. Der Beklagte zu 1 ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers wirksam beigetreten. Der Kläger macht gegen beide Beklagte einen Anspruch geltend, der auf den Ersatz desselben Schadens - nämlich auf Ersatz der Wertdifferenz zwischen dem Verkehrswert der vom Beklagten zu 1 verkauften Grundstücke und dem für sie erzielten Kaufpreis sowie auf Ersatz der festgesetzten Einkommen- und Gewerbesteuer - gerichtet ist. Im Falle einer Verurteilung auch des Beklagten zu 2 könnte der Beklagte zu 1 diesen gemäß § 840 BGB analog, § 426 BGB auf Regress in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit begründet - für den Fall der eigenen Verurteilung - ein "rechtliches" Interesse des Beklagten zu 1 im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO am Obsiegen des Klägers auch gegen den Beklagten zu 2. Zwar erschließt sich die Zulässigkeit des Beitritts hier nicht aus einer möglichen Interventionswirkung (§ 68 ZPO). Ebenso wirkte eine etwaige Verurteilung auch des Beklagten zu 2 keine Rechtskraft in einem Rechtsstreit unter den Beklagten über den Regressanspruch des Beklagten zu 1. Dennoch wird mit der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gegenüber dem Beklagten zu 2 eine tatsächliche Vorentscheidung über dessen Verpflichtung zum Gesamtschuldnerausgleich für den Fall getroffen, dass der Beklagte zu 1 zum Schadensersatz verurteilt wird. Diese Vorgreiflichkeit genügt, um das rechtliche Interesse des Beklagten zu 1 am Ausgang des Rechtsstreits gegenüber dem Beklagten zu 2 zu bejahen und ihm den Beitritt als Streithelfer des Klägers zu eröffnen (für den Fall des Beitritts eines Gesamtschuldners auf der Seite des Gläubigers OLG Karlsruhe OLGR 2007, 231; vgl. allgemein: BGHZ 86, 267, 272; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 66 Rdn. 13; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 66 Rdn. 7, 9; MünchKomm/Schilken ZPO 3. Aufl. § 66 Rdn. 15). Der wirksame Beitritt berechtigt den Beklagten zu 1 gemäß § 67 2. Halbs. ZPO, als Streithelfer für den Kläger Revision einzulegen.
II.
- 39
- Die Revision hat indes keinen Erfolg.
- 40
- 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte zu 2 seine Pflichten als Verfahrenspfleger nicht verletzt. Der gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 FGG bestellte Verfahrenspfleger habe die Aufgabe, die subjektiven Interessen und Wünsche des Betroffenen zu ermitteln und in das Verfahren einzubringen. Er sei nicht verpflichtet, das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien zu überprüfen; die Wahrung des objektiven Interesses des Betreuten obliege vielmehr dem Betreuer und dem Vormundschaftsgericht.
- 41
- 2. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
- 42
- Zwar kommt im Ausgangspunkt eine Haftung des Beklagten zu 2 nach § 1833 BGB in Betracht. Diese Vorschrift ist auf den Verfahrenspfleger entsprechend anwendbar (so auch MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1915 Rdn. 5; Küsgens Vergütungsregelungen, S. 42 f.; vgl. auch Bamberger/Roth/Bettin BGB 2. Aufl. § 1915 Rdn. 1; a.A. Staudinger/Bienwald BGB (2006) Vorb. §§ 1909 - 1921 Rdn. 5; § 1915 Rdn. 1). Die ratio des § 1833 BGB, die der Übernahme des Amtes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des Betroffenen Rechnung trägt (Palandt/Diederichsen BGB 68. Aufl. § 1833 Rdn. 1), trifft auch auf den Verfahrenspfleger zu (Küsgens, Vergütungsregelungen, S. 43). Der Beklagte zu 2 hat jedoch keine Pflichtverletzung im Sinne des § 1833 BGB begangen; denn er war nicht verpflichtet, das zu genehmigende Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien zu überprüfen.
- 43
- a) Allerdings hat der Senat - in anderem Zusammenhang und nicht tragend - die Auffassung vertreten, der nach § 67 FGG bestellte Verfahrenspfleger habe die Interessen des Betreuten nach objektiven Maßstäben wahrzunehmen. Er werde dem Betreuten zur Seite gestellt, damit dessen objektive Interessen auch dann geltend gemacht werden könnten, wenn dieser sie nicht selbst wahrnehme (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2003 - XII ZB 169/99 - FamRZ 2003, 1275, 1276; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 171; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 1688, 1689; OLG München OLG-Report 2005, 844; Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 67 FGG Rdn. 32; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 54; HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 100, 107; Keidel/ Kuntze/Winkler/Kayser FGG 15. Aufl. § 67 Rdn. 15; Knittel, Betreuungsgesetz, § 67 Rdn. 2). Diese Aufgabenbeschreibung kann indes - jedenfalls - nicht für Verfahren gelten, in denen wie vorliegend bereits ein Betreuer bestellt ist, dessen Aufgabenkreis den jeweiligen Verfahrensgegenstand umfasst.
- 44
- aa) Ein Betreuer ist, wie dargelegt, dem Wohl des Betreuten verpflichtet, das von dessen Wünschen mitbestimmt wird (§ 1901 Abs. 2, 3 BGB). Dabei gehört es zu seinen Aufgaben zu prüfen, ob die Erfüllung etwaiger Wünsche des Betreuten höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährdet oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Demgegenüber ist es die Pflicht des Gerichts, die Interessen des Betreuten - auch gegenüber dem Betreuer - fürsorglich zu wahren. Soweit es eine effektive Interessenwahrung gebietet, kann das Gericht für den Betreuten - und zur besseren Kontrolle des Betreuers - einen Gegenbetreuer bestellen.
- 45
- bb) Vor diesem rechtlichen Hintergrund erfährt der Pflichtenkreis des Verfahrenspflegers Inhalt und Grenzen. Der Verfahrenspfleger soll nicht - neben dem Gericht und anstelle eines Gegenbetreuers - die Interessen des Betreuten gegenüber dem Betreuer schützen und über dessen Amtsführung wachen. Seine Aufgabe ist vielmehr darauf beschränkt, die verfahrensmäßigen Rechte des Betreuten zur Geltung zu bringen. Dazu gehört insbesondere der Anspruch des Betreuten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 54).
- 46
- Vorrangig hat der Verfahrenspfleger deshalb darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht nicht zu Unrecht von einer offensichtlichen Unfähigkeit des Betreuten ausgeht, seinen Willen kundzutun (vgl. § 68 Abs. 2 FGG). Hat der Verfahrenspfleger nach persönlicher Rücksprache mit dem Betreuten den Eindruck gewonnen, dieser sei entgegen der Einschätzung des Gerichts doch in der Lage, zumindest in beschränktem Umfang seinen Willen zu äußern oder wichtige Informationen zu erteilen, hat er auf eine persönliche Anhörung durch das Gericht hinzuwirken (HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 110; Pohl BtPrax 1992, 19, 24).
- 47
- Sodann gehört es zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erforschen und in das Verfahren einzubringen. Ist der Betreute in der Lage, seine Wünsche zu äußern, hat der Verfahrenspfleger den Betreuten im Gespräch über seine Wünsche und Interessen zu befragen. Dabei hat der Verfahrenspfleger auch ihm bekannte Umstände, die für die Willensbildung des Betreuten von Bedeutung sein könnten (etwa steuerliche Risiken eines beabsichtigten Rechtsgeschäfts), anzusprechen. Über Ablauf und Ergebnis des Gesprächs mit dem Betreuten hat der Verfahrenspfleger das Gericht - in wesentlichen Zügen - zu informieren und gegebenenfalls auch darüber zu berichten, wie der Betreute auf etwaige Hinweise zu Risiken des beabsichtigten Geschäfts reagiert hat. Kann der Betreute dagegen keinen Willen mehr bilden oder seine Wünsche nicht mehr artikulieren, hat der Verfahrenspfleger - in angemessenem Rahmen - Möglichkeiten zu nutzen, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten anderweit zu erkunden. Dabei ist etwa an eine Kontaktaufnahme mit Bezugspersonen des Betreuten zu denken, wenn deren Befragung - etwa im Hinblick auf zurückliegende Äußerungen des Betreuten - Aufschlüsse über dessen tatsächlichen oder hypothetischen Willen erwarten lässt (vgl. HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 109). Auch in diesem Fall hat der Betreuer dem Gericht - hier über die Möglichkeiten sowie über Art, Umfang und Ergebnis etwaiger Erkundigungen - zu berichten.
- 48
- Schließlich hat der Verfahrenspfleger auf der Grundlage dieser Gespräche und Erkundigungen für den Betreuten dessen Verfahrensrechte wahrzunehmen , indem er gegebenenfalls zu einzelnen Verfahrensergebnissen Stellung nimmt oder Rechtsmittel einlegt (vgl. OLG München OLG-Report 2005, 844, 845; Bork FamRZ 2002, 65, 71). Hinzu kommt die Aufgabe des Verfahrenspflegers , dem Betreuten - soweit möglich - den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens und das Verfahrensgeschehen zu erläutern (Knittel Betreuungsgesetz § 67 FGG Rdn. 3).
- 49
- cc) Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Aufklärung von Umständen, die für die Würdigung des Betreuerhandelns, insbesondere für die Wirtschaftlichkeit des von ihm beabsichtigten Rechtsgeschäfts, von Bedeutung sein könnten , trifft den Verfahrenspfleger hingegen nicht. Er ist insbesondere nicht verpflichtet , über den dargestellten Rahmen hinaus weitere Umstände zu erforschen , die sich als für die Willensbildung des Betreuten erheblich erweisen könnten; auch hat er nicht zu prüfen, ob sämtliche für das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft relevanten Umstände in die Willensbildung des Betreuers eingeflossen sind.
- 50
- b) Ob und unter welchen Voraussetzungen die hier aufgezeigten Inhalte und Grenzen der Pflichten eines - neben einem Betreuer bestellten - Verfahrenspflegers auch für andere Fälle der Verfahrenspflegschaft gelten, bedarf keiner Entscheidung. So soll nach dem am 1. September 2009 in Kraft tretenden § 158 FamFG dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen ein - nunmehr "Verfahrensbeistand" genannter - Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn dies "zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist". In der Begründung des Regierungsentwurfs wird erläutert, dass dieser Verfahrensbeistand sowohl das subjektive als auch das objektive Interesse des Kindes einzubeziehen habe (BT-Drucks. 16/6308 S. 239; zum bisherigen Streitstand vgl. Jansen FGG 3. Aufl. § 50 Rdn. 47). Die Verfahrenspflegschaft in minderjährige Kinder betreffenden Verfahren kann indes mit der Verfahrenspflegschaft in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Betreuungsrecht, nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Vielmehr ist das Rechtsinstitut der Verfahrenspflegschaft im Hinblick auf die verschiedenen spezifischen Anforderungen der betroffenen Rechtsgebiete jeweils unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 238). Dementsprechend stimmen auch die Pflichtenkreise des Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG (künftig: § 158 FamFG) einerseits und des Verfahrenspflegers gemäß § 67 FGG (künftig: § 276 FamFG) andererseits nicht zwingend überein. Das ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Fallgruppen, in denen die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach dem Gesetz in der Regel erforderlich ist: Während der Verfahrenspfleger in Betreuungsverfahren regelmäßig zu bestellen ist, wenn von der persönlichen Anhörung des Betreuten abgesehen werden soll, ist in Kindschaftssachen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht entscheidend, ob und in welchem Umfang das betroffene Kind in der Lage ist, seine Wünsche zu äußern. Im Ergebnis wird sich deshalb der Aufgaben- und Pflichtenkreis eines Verfahrenspflegers nicht übergreifend, sondern vielmehr nach der Art der jeweiligen Verfahrenspflegschaft und nach den für die Bestellung eines solchen Verfahrenspflegers vom Gesetz allgemein vorgeschriebenen Gründen bestimmen lassen.
- 51
- c) Betrifft das Verfahren - wie hier - die gerichtliche Genehmigung von Rechtsgeschäften des Betreuers, wird - wie auch die Gesetzesmaterialien belegen - die Bestellung eines Verfahrenspflegers nur ausnahmsweise erforderlich sein (BT-Drucks. 11/4528 S. 171). Sie wird regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers die Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht sichergestellt ist, weil der Betreute seinen Willen nicht mehr in ausreichender Weise kundtun kann (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGG; Bork FamRZ 2002, 65, 72; HK-BUR/Harm § 1821 BGB Rdn. 45; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 13; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser FGG 15. Aufl. § 67 Rdn. 4; vgl. auch BVerfGE 101, 397, 406). Die Aufgaben des Verfahrenspflegers erschöpfen sich in solchem Falle deshalb - wie dargelegt - darin, die Nachteile des Betreuten, die sich aus dessen fehlender Fähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung ergeben, auszugleichen.
- 52
- Ob danach im vorliegenden Fall überhaupt Anlass zur Bestellung eines Verfahrenspflegers bestand, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Auch wenn sich der Betreute noch in ausreichender, der Bedeutung des abzuschließenden Rechtsgeschäfts gerecht werdender Weise zu äußern vermocht haben sollte, kann der Umstand, dass die Pflegerbestellung an sich überflüssig war, keinen Einfluss auf den Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers haben. Entsprechendes gilt für eine missverständliche Beschreibung des Wirkungskreises des Verfahrenspflegers in der Bestallungsurkunde (im vorliegenden Fall: "Vertretung des Betreuten bei dem Abschluss der Kaufverträge …"): Auch sie vermag keine über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Pflichtenstellung des Beklagten zu 2 begründen. Schließlich hat der Beklagte zu 2 auch nicht deshalb die ihm als Verfahrenspfleger obliegenden Pflichten verletzt, weil er sich - wenn auch zurückhaltend - gegenüber dem Gericht zu Bewertungsfragen geäußert hat, die zu beurteilen nicht seines Amtes war. Vielmehr ist es Aufgabe - und Pflicht - des Gerichts, für seine Entscheidung den Ausführungen des Verfahrenpflegers nur insoweit Bedeutung beizumessen, als die Stellungnahme des Verfahrenspflegers von dessen - allein von der Verfahrensordnung bestimmter - Aufgabenstellung gedeckt wird. Die Frage, ob das Gericht dieser Aufgabe gerecht geworden ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
- 53
- d) Danach hat das Oberlandesgericht zu Recht eine Pflichtverletzung weder darin gesehen, dass der Beklagte zu 2 keine sachverständige Ermittlung der Grundstückspreise angeregt, noch darin, dass er eine Überprüfung des Kaufvertrags unter steuerrechtlichen Aspekten unterlassen hat.
- 54
- 3. Der Senat vermag in der Sache abschließend zu entscheiden. Infolge der nunmehr rechtskräftigen Abweisung der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Klage besteht keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen; dies gilt um so mehr, als die Pflichtenkreise beider Beklagten - nach den dargestellten Grundsätzen - nicht deckungsgleich sind. Die angefochtene Entscheidung kann danach insoweit bestehen bleiben, als das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 damit bestätigt hat.
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 15.11.2002 - 8 O 188/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.03.2006 - 29 U 13/03 -
Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1995 erwarben die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einem Gebäudekomplex inG. zum Preis von 238.903,60 DM. Für die Kläger, die die Wohnung als Kapitalanlage erwarben, handelte als Abschlußvertreter der Kaufmann K. , den die Beklagte mit der Vermarktung der Wohnung beauftragt hatte und den die Kläger mit notarieller Vollmacht versehen hatten.
Die Wohnung war - was die Kläger wußten - vermietet und wurde im Dezember 1995 übergeben. Was sie hingegen nicht wußten, war, daß entgegen dem Teilungsplan, auf den im Vertrag Bezug genommen worden war, ein Raum der verkauften Wohnung von etwa 21 qm (im Plan als Küche bezeichnet) nicht innerhalb der Wohnung zugänglich ist. Er kann nur von der Nachbarwohnung aus betreten werden und wird vom Mieter dieser Wohnung aufgrund Vertrages mit dem früheren Eigentümer genutzt.
Die Kläger erklärten vorprozessual zunächst den "Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich auch die Anfechtung der Erklärungen". Mit der Klage machen sie Schadensersatz geltend. Im Prozeß haben sie unter Aufrechterhaltung der auf Schadensersatz gerichteten Anträge erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung der Wohnung, gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Entscheidung über die Höhe hat es dem Betragsverfahren ebenso vorbehalten wie die Entscheidung über zwei Feststellungsanträge dahin, daß sich die Beklagten mit der Annahme der Rückübereignung im Verzug befänden und daß sie verpflichtet seien, sämtlichen (weiteren) Schaden zu ersetzen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Rechtsmangels dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Haftung sei nicht nach § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen; denn die Kläger müßten sich die Kenntnis ihres Abschlußvertreters K. von den örtlichen Gegebenheiten der gekauften Wohnung nicht nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da K. "eindeutig im Lager der Beklagten" gestanden habe. Das Wahlrecht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, hätten die Kläger weder durch Rücktritt vom Kaufvertrag noch durch Anfechtung verloren. Einen Anfechtungsgrund hätten sie nämlich nicht substantiiert dargetan, und zum Zeitpunkt der ersten Rücktrittserklärung hätten die Voraussetzungen des § 326 BGB noch nicht vorgelegen, während der im Prozeß erklärte Rücktritt bei verständiger Würdigung als Aufrechterhaltung des Schadensersatzbegehrens aufzufassen sei.II.
Diese Ausführungen halten nicht allen Angriffen der Revision stand. 1. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen der Aufhebung und Zurückverweisung, weil der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.a) Das Berufungsgericht hat nicht ein Grundurteil hinsichtlich aller Anträge erlassen, sondern nur über den Zahlungsanspruch dem Grunde nach befunden und die Entscheidung über die Feststellungsanträge dem Betrags-
verfahren vorbehalten. Das ergibt sich eindeutig aus den Ausführungen zu V der Entscheidungsgründe und folgt auch daraus, daß über einen nicht bezifferten Feststellungsantrag durch Grundurteil nicht entschieden werden kann (Senatsurt. v. 22. Januar 1993, V ZR 165/91, NJW 1993, 1641, 1642; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1993, III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319). Es handelt sich bei dem angefochtenen Urteil nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil.
b) Ein solches Teilurteil ist zwar grundsätzlich möglich. Es ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (BGHZ 107, 236, 242 m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Über die Voraussetzungen des Zahlungsanspruchs, der Gegenstand des Grundurteils ist, ist zumindest bei dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Erstattungspflicht allen weiteren Schadens noch einmal zu befinden. Es besteht daher die Gefahr, daß das Gericht bei der späteren Entscheidung über diesen Feststellungsantrag aufgrund neuen Vortrags oder aufgrund geänderter Rechtsauffassung - das Grundurteil bindet nur hinsichtlich des Zahlungsanspruchs , über den es ergangen ist - zu einer anderen Einschätzung gelangt. Es entspricht daher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß im Falle - wie hier - der objektiven Klagehäufung von Zahlungs- und Feststellungsansprüchen , die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen der Ansprüche entschieden werden darf (BGH, Urt. v. 27. Mai 1992, IV ZR 42/91, VersR 1992, 1087, 1088; Urt. v. 4. Februar 1997, VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447, 3448). Soweit in einer Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs davon eine Ausnahme gemacht wird, ist
dies nur "unter den besonderen Umständen des Streitfalls" für zulässig erachtet worden (Urt. v. 23. Januar 1996, VI ZR 387/94, NJW 1996, 1478) und kann - unabhängig davon, ob man der Entscheidung für den dortigen Fall beipflichtet (ablehnend Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 301 Rdn. 8 a.E.) - nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen werden. Es ging dort um ein Teilurteil über einen nach § 287 ZPO geschätzten Mindestschaden mit noch durchzuführender Beweisaufnahme über den darüber hinausgehenden Schaden. 2. Das Urteil des Berufungsgerichts hält auch materiell-rechtlich einer Prüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht von einer möglichen Rechtsmängelhaftung der Beklagten ausgeht (§§ 434, 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB). Den Rechtsmangel sieht es zutreffend darin, daß von der verkauften Eigentumswohnung ein Zimmer an einen Dritten vermietet ist, wobei dieser Mietvertrag gemäß § 571 BGB gegen die Kläger als Erwerber wirkt (vgl. dazu nur Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 434 Rdn. 5). Die Ansicht der Revision, ein Rechtsmangel bestehe nur, wenn der nach § 571 BGB bindende Mietvertrag ungünstigere Konditionen aufweise als der den Klägern bekannte Mietvertrag über die restliche Wohnung, ist unzutreffend. Die gekaufte Eigentumswohnung weist zwei Rechtsmängel auf. Der ihnen beim Kauf bekannte Mietvertrag begründet ebenso einen Rechtsmangel wie der ihnen unbekannt gebliebene über das als Küche bezeichnete Zimmer. Wegen des einen Rechtsmangels scheidet eine Haftung nach § 439 Abs. 1 BGB aus, für den zweiten Rechtsmangel muß die Beklagte einstehen. Das zeigt sich auch darin, daß es für den Eigentümer einen Unterschied bedeutet, ob er mit einem Mieter zu tun hat, der die gesamte Wohnung nutzt, oder mit zwei Mietern, die jeweils
Teile der Wohnung beanspruchen. Er kann die Wohnung nicht insgesamt nutzen , ohne sich mit beiden Mietern auseinandersetzen zu müssen. Unerheblich ist es - entgegen der Auffassung der Revision - auch, ob der zweite Mieter jetzt bereit ist auszuziehen. Innerhalb der Frist des § 326 Abs. 1 BGB war er es nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe diese Frage offengelassen, mißversteht es diese Feststellungen. Nur für die Zukunft hat das Berufungsgericht offengelassen, ob der Mieter auszugsbereit ist. Darauf kommt es in der Tat nicht an, nachdem die Rechtsfolgen des § 326 Abs. 1 BGB eingetreten sind.
b) Nicht zu folgen ist hingegen der Ansicht des Berufungsgerichts, nur die Beklagte müsse sich die Kenntnis des Kaufmanns K. über die den Rechtsmangel begründenden Umstände zurechnen lassen, da dieser den Vertrag für die Beklagte vorbereitet und eindeutig in deren Lager gestanden habe. Nach § 166 Abs. 1 BGB werden dem Vertretenen Willensmängel seines Vertreters zugerechnet, soweit diese Einfluß auf die Wirksamkeit der Willenserklärung haben. Gleiches gilt für die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Umständen , die für die Willenserklärung von Bedeutung sind. Da der Kaufmann K. beim Abschluß des Kaufvertrages bevollmächtigter Vertreter der Kläger war, wirkt dessen Kenntnis vom Rechtsmangel nach dieser Vorschrift grundsätzlich zu Lasten der Kläger und führt damit zum Haftungsausschluß nach § 439 Abs. 1 BGB. Daß K. zugleich wegen seiner Nähe zur Beklagten als deren Wissensvertreter anzusehen ist, so daß seine Kenntnis auch ihr zuzurechnen ist, ändert daran nichts. Dadurch wird die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB nicht aufgehoben. Auch der Normzweck erlaubt keine Restriktion. K. war unabhängig von seiner Funktion als Verhandlungsführer der Beklagten Vertreter
der Kläger. Sie haben die mit der Bevollmächtigung verbundenen Risiken, die sich u.a. in der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB konkretisieren, zu tragen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn es der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die den Klägern zugerechnete Kenntnis des Vertreters zu berufen. Das kommt in Betracht, wenn ein Verkäufer mit dem Vertreter des Käufers bewußt zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat (vgl. MünchKomm-BGB/Schramm, 3. Aufl., § 166 Rdn. 6; Staudinger /Schilken, BGB, 1995, § 166 Rdn. 19, jew.m.w.N.) oder wenn ein Verkäufer dem Käufer seinen Verhandlungsführer als Vertreter aufgedrängt hat, um aus der dann eingreifenden Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB Vorteile zu ziehen. Solche Umstände hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Ob auf eine derartige Manipulation die - objektiv falsche - Formulierung im Kaufvertrag "der heutige Zustand des Kaufobjekts ist dem Käufer bekannt" hindeuten mag, obliegt der Prüfung durch den Tatrichter.
c) Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, daß die Berufung der Beklagten auf die den Klägern zuzurechnende Kenntnis des Vertreters treuwidrig ist, so ist den Angriffen der Revision gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen wirksamen Rücktritt oder eine Anfechtung des Kaufvertrages seitens der Kläger verneint hat, nicht zu folgen.
Daß dem mit vorprozessualem Anwaltsschreiben vom 18. November 1996 erklärten Rücktritt keine Wirkungen beizumessen sind, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Anfechtung. Die Revision wendet sich dagegen auch nicht.
Entgegen ihrer Auffassung sind aber auch die Erwägungen rechtsfehlerfrei , mit denen das Berufungsgericht einen während des Prozesses erklärten Rücktritt abgelehnt hat. Die Auslegung des Schriftsatzes vom 26. Juni 1997, in dem zwar der Rücktritt erklärt, das Schadensersatzbegehren, konkretisiert durch die Anträge, jedoch aufrechterhalten wird, ist möglich. Es stellt keinen Auslegungsfehler dar, daß - wie die Revision meint - das Berufungsgericht nicht bedacht habe, daß der prozessual erklärte Rücktritt vor dem Hintergrund zu sehen sei, daß die Kläger mit ihrem Schadensersatzbegehren erstinstanzlich nicht durchgedrungen seien. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand nicht verkannt, ihm aber zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen, weil die Gründe, die in erster Instanz zum Scheitern der Schadensersatzklage geführt haben, dem Rücktrittsverlangen ebenfalls entgegengestanden hätten.
Vogt Lambert-Lang Tropf Krüger Klein
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.
(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auszahlung eines Gewinnanteils aus der Vermarktung eines sanierungsbedürftigen Grundstücks in D. in Anspruch.
Im November/Dezember 1998 kam es zwischen dem Kläger, dem Geschäftsführer der Beklagten W. und Herrn De. zu einer Vereinbarung betreffend das Grundstück Dr.straße 5 in D., auf dem sich ein sanierungsbedürftiges Wohnhaus mit vier Wohneinheiten befand. Gemeinsam
beabsichtigte man den Verkauf des Grundstückes verbunden mit einer Verpflichtung zur Komplettsanierung. Der Kläger, dem die Projektsteuerung obliegen sollte, konnte den Ankauf des Grundstücks vermitteln, während Herrn W. ein Kaufinteressent bekannt war. Herr De. sollte die Finanzierung des Projekts sicherstellen. Als Bauträger sollte die Beklagte fungieren. Der Reingewinn aus dem Geschäft sollte zwischen dem Kläger, dem Geschäftsführer der Beklagten W. und Herrn De. gedrittelt werden.
Die Beklagte erwarb das Grundstück und verkaufte es im Dezember 1998 an die Eheleute E. zu einem Preis von 1.350.000,00 DM. Der Kaufvertrag enthielt eine Verpflichtung der Beklagten zur Sanierung des Objekts, wobei für Arbeiten an Bauwerken eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren ab Abnahme vorgesehen war. Die Sanierung des auf dem Grundstück Dr.straße 5 befindlichen Wohnhauses sowie die Übergabe des Kaufobjektes erfolgten im Jahre 1999. Die Gewährleistungsfrist ist im Jahre 2004 abgelaufen.
Infolge einer Besprechung vom 29. Februar 2000 zwischen dem Kläger und den Herren W. und De. zahlte die Beklagte an den Kläger 50.000,00 DM, davon 45.000,00 DM als Gewinnanteil. Gegenstand der Klage ist ein behaupteter restlicher Gewinnanteil aus dem Sanierungsgeschäft in Höhe von 36.266,33 €. Die Beklagte hat die Forderung mit der Begründung bestritten, mit der Zahlung in Höhe von 45.000,00 DM sei der Gewinnanteil des Klägers vereinbarungsgemäß endgültig abgegolten worden. Darüber hinaus hat sie unter Hinweis auf in die Gesamtabrechnung einzustellende Abzugspositionen die Forderung auch der Höhe nach bestritten und zudem mangelnde Fälligkeit eingewandt.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, da dem Kläger mangels Beendigung der Gesellschaft kein fälliger Auseinandersetzungsanspruch zustehe. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und mit einem am selben Tag verkündeten Beschluß der Beklagten Gelegenheit gegeben, zu den nach ihrer Behauptung in die Gesamtabrechnung des Sanierungsvorhabens einzustellenden Positionen bzw. zu der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung ergänzend Stellung zu nehmen.
Gegen das Grundurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des Grundurteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Aufgrund der zwischen dem Kläger und den Herren W. und De. getroffenen Vereinbarung sei zwischen diesen eine Innengesellschaft begründet worden. Mangels Fehlens einer gesamthänderischen Bindung des Gewinnauskehrungsanspruchs habe der Kläger einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte als der Vermögensinhaberin. Dieser sei als vorläufiger Gewinnanteilsanspruch, gemindert um Rückstellungen in bezug auf die - im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - noch laufende fünfjährige Gewährleistungsfrist, auch fällig, da weder bewiesen noch sonst ersichtlich sei, daß die Beteiligten jegliche Gewinnverteilung vor Ablauf der Gewährleistungsfristen ausgeschlossen hätten. Die Beklagte
habe zudem nicht bewiesen, daß mit der Zahlung in Höhe von 45.000,00 DM aufgrund der Vereinbarung vom 29. Februar 2000 der Gewinnanspruch des Klägers in voller Höhe abgegolten sein sollte. Da mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls ein noch offener Betrag in Höhe von 25.103,74 € zugunsten des Klägers zu erwarten sei, weil weitere Abzugspositionen und die Aufrechnungsforderung seitens der Beklagten bislang nicht schlüssig dargelegt seien, sei die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt.
II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht die Passivlegitimation der Beklagten bejaht hat.
Der Beklagten war von der aus dem Kläger und den Herren W. und De. bestehenden BGB-Gesellschaft der Auftrag erteilt worden, als Bauträgerin das Sanierungsvorhaben durchzuführen. Nach dessen Abschluß ist sie entsprechend der getroffenen Vereinbarungen verpflichtet, den aus dem Geschäft erwirtschafteten Gewinn in voller Höhe auszuzahlen.
b) Der Kläger ist - nunmehr - auch berechtigt, den auf ihn entfallenden Anteil an dem erwirtschafteten Gewinn gegen die Beklagte geltend zu machen. Bei der zum Zwecke der Durchführung des Sanierungsvorhabens gegründeten BGB-Gesellschaft handelt es sich um eine Gelegenheitsgesellschaft, die mit Ablauf der Gewährleistungsfristen für das Bauvorhaben im Jahr 2004 wegen Zweckerreichung gemäß § 726 BGB beendet ist. Da der Gewinn in seiner Gesamthöhe , damit aber zugleich die Höhe des jedem Gesellschafter zustehenden Drittel-Gewinnanspruchs, mit Zweckerreichung der Gesellschaft und der damit verbundenen Beendigung der Gesellschaft feststeht, ist die Gewinnvertei-
lungsabrede der Gesellschafter dahin auszulegen, daß jedem der Gesellschafter mit Beendigung der Gesellschaft gegen die zur Auskehrung des Gewinns verpflichtete Beklagte ein eigener Anspruch auf Auszahlung des auf ihn entfallenden Anteils zustehen sollte.
c) Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen ist durch die Vereinbarung der drei Gesellschafter vom 29. Februar 2000 und der in Erfüllung dieser Vereinbarung von der Beklagten an den Kläger geleisteten Gewinnauszahlung in Höhe von 45.000,00 DM der Gewinnanspruch des Klägers nicht endgültig abgegolten worden. Die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung des Tatrichters läßt revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Das Berufungsurteil muß aber aufgehoben werden, weil der Erlaß eines Grundurteils unzulässig war.
Ein Grundurteil darf, sofern ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, nur dann ergehen, wenn alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören , erledigt sind und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, daß der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (st.Rspr., Sen.Urt. v. 2. Oktober 2000 - II ZR 54/99, WM 2000, 2427 m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Das Berufungsgericht hat zwar darauf abgestellt, daß Abzugspositionen bzw. zum Gegenstand der Hilfsaufrechnung gemachte Gegenansprüche, die den von ihm errechneten, - ungünstigstenfalls - bestehenden weiteren Gewinnanspruch in Höhe von 49.098,64 DM (= 25.103,74 €) mindern könnten, bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Grundurteil ergangen ist, nicht schlüssig dargetan waren und deshalb gemeint, ein restlicher Gewinnanspruch des Klägers sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Gleichzeitig hat es aber der
Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, ergänzend zu den bislang unschlüssigen Positionen vorzutragen, die sich auf eine Gesamthöhe von 38.252,02 € belaufen. Damit fehlt es an der für den Erlaß eines Grundurteils erforderlichen Wahrscheinlichkeit , daß der Gewinnanspruch in irgendeiner Höhe besteht.
III. Das Grundurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, den Gewinnanspruch des Klägers der Höhe nach aufzuklären. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß die Ansicht des Berufungsgerichts, in die Abrechnung sei eine Vergütung der Beklagten für ihre im Rahmen ihres Gewerbebetriebs erbrachte Tätigkeit als Bauträgerin nicht als Abzugsposten einzustellen , jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durchgreifenden Bedenken begegnet. Da die Beklagte Auftragnehmerin der BGBGesellschaft war, stünde ihr nur dann kein Vergütungsanspruch gemäß § 632 Abs. 1 BGB zu, wenn der Kläger darlegen und beweisen würde, daß ein solcher Vergütungsanspruch ausgeschlossen wurde (BGH, Urt. v. 9. April 1987 - VII ZR 266/86, NJW 1987, 2742).
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin, eine Molkereigenossenschaft, wollte auf ihrem ehemaligen Betriebsgrundstück einen Gebäudekomplex mit 83 Wohnungen, mehreren Läden und einer Gewerbeeinheit errichten. Ein Teil der Wohnungen sollte zur Deckung der Bau- und Finanzierungskosten verkauft, die restlichen Wohnungen sollten vermietet werden. Der Buchgewinn aus der Veräußerung der Grundstücksanteile sollte möglichst nach § 6b EStG von den Herstellungskosten der zur Vermietung vorgesehenen Wohn- und Gewerbeeinheiten abgezogen werden oder eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Der beklagte Verband, der die Klägerin in Steuerfragen beriet, vertrat in einem Schreiben vom 1. August 1997 die Auffassung, das Vorhaben könne durch die Klägerin selbst umgesetzt werden, ohne dass steuerliche Nachteile entstünden, empfahl aber, ein Auskunftsersuchen an das zuständige Finanzamt zu richten.
- 3
- Die Klägerin beauftragte zusätzlich den Steuerberater K. , der zur Sicherung der Steuervorteile des § 6b EStG ein aufwändigeres Modell für erforderlich hielt. Danach sollte die Klägerin als Alleingesellschafterin eine GmbHTochter gründen und ihr den zum Verkauf bestimmten Miteigentumsanteil an dem Grundstück veräußern. Außerdem war die Gründung einer GmbH & Co. KG mit der Klägerin als alleiniger Kommanditistin und der GmbH-Tochter als Komplementärin vorgesehen. Die Klägerin sollte den restlichen Miteigentumsanteil in die KG einbringen. GmbH und KG sollten zur Errichtung der Anlage eine Bauherrengemeinschaft bilden. Die GmbH sollte ihre Wohneinheiten ver- äußern, die KG ihre Einheiten vermieten. Am 20. August beantragte K. beim zuständigen Finanzamt dazu eine verbindliche Auskunft. Mit notarieller Urkunde vom 4. September 1997 errichtete die Klägerin die vorgesehene GmbH.
- 4
- Am 20. Oktober 1997 nahmen Vertreter des beklagten Verbandes an einer Sitzung des Vorstands der Klägerin teil. Sie empfahlen, die Anfrage K. zurückzuziehen und ein ihrem eigenen Vorschlag entsprechendes Auskunftsersuchen zu stellen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 könne die Klägerin das Bauvorhaben auch selbst verwirklichen. Bis die Antwort des Finanzamts vorliege , dürfe keine Teilungserklärung abgegeben oder der Vertrag mit dem Generalunternehmer geschlossen werden, weil andernfalls die Steuervergünstigung des § 6b EStG entfallen könne. Bei einem früheren Baubeginn müsse der zu veräußernde Teil des Grundstücks auf eine Tochtergesellschaft übertragen werden.
- 5
- Die Klägerin ließ ihre Anfrage zurücknehmen. Am 30. Oktober 1997 erhielt sie die Abriss- sowie die Baugenehmigung. Am 3. November 1997 beantragte der Beklagte für die Klägerin eine verbindliche Auskunft, ob für den auf die anteilige Veräußerung des Grund und Bodens entfallenden Gewinn eine Rücklage gemäß § 6b EStG gebildet und auf die zu aktivierenden Herstellungskosten der im Eigentum der Klägerin verbleibenden Wohneinheiten angerechnet werden könne, wenn diese selbst als Bauherrin auftrete. Die Klägerin, die am 15. Dezember 1997 mit den Rohbauarbeiten beginnen wollte, traf in der Folge Sicherungsmaßnahmen, ließ das Grundstück abräumen und begann mit der Erschließung. Am 17. Dezember 1997 ließ sie eine auf das Modell des Beklagten abgestimmte Teilungserklärung beurkunden.
- 6
- Mit Schreiben vom 29. Dezember 1997, das der Klägerin am 8. Januar 1998 zuging, beschied das Finanzamt die Anfrage des Beklagten abschlägig. Am 12. Februar 1998 wiederholte der Steuerberater K. seine ursprüngliche Anfrage, die am 20. Februar 1998 positiv beschieden wurde. Die Bauarbeiten wurden am 28. Februar 1998 aufgenommen.
- 7
- Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, sie falsch beraten und dadurch eine Bauverzögerung um 77 Tage verursacht zu haben. Sie verlangt Schadensersatz für die Kosten der dem Vorschlag des Beklagten entsprechenden Teilungserklärung , für Baumehrkosten und für den Mietausfall infolge der verspäteten Fertigstellung des Objekts in einer Gesamthöhe von 490.816,99 € nebst Zinsen. Die Tochtergesellschaften der Klägerin haben mit Erklärung vom 25. Februar 2002 ihre etwaigen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten.
- 8
- Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Nur die Revision der Klägerin hat Erfolg
I.
- 10
- Revision des Beklagten
- 11
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich aus der Abtretung. Der Beklagte habe seine Pflicht zu einer risikolosen steuerlichen Beratung dadurch verletzt, dass er der Klägerin die Rücknahme des Auskunftsersuchens des Steuerberaters K. empfohlen habe, statt dessen Bescheidung abzuwarten. Dadurch sei der Klägerin dem Grunde nach ein Verzögerungsschaden entstanden, den der Beklagte zu ersetzen habe. Das ist im Ergebnis richtig.
- 12
- 1. Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund eines Anspruchs vorab entscheiden, wenn dieser nach Grund und Betrag streitig ist und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Dabei muss es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich sein, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2005 – II ZR 144/03, WM 2005, 1624, 1625; v. 10 März 2005 – VII ZR 220/03, BGH-Report 2005, 932; v. 12. Februar 2003 – XII ZR 324/98, WM 2003, 1919, 1921). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Beklagte der Klägerin in einer noch zu klärenden Höhe zum Schadensersatz verpflichtet.
- 13
- 2. Die Klägerin ist aufgrund der Abtretungserklärungen vom 25. Februar 2002 auch hinsichtlich derjenigen Schäden aktivlegitimiert, die nicht bei ihr, sondern bei der GmbH und der KG entstanden sind. Die Tochtergesellschaften waren in den Schutzbereich des zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrags einbezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Dritten aus einem zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrag Rechte erwachsen, die den Charakter vertraglicher Ansprüche haben und die sich in ihrem Inhalt nach den zwischen den anderen Personen getroffenen vertraglichen Abmachungen bestimmen. Voraussetzung ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der unzureichend erbrachten vertraglichen Leistung in Berührung und durch sie zu Schaden gekommen ist, aber keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Schädiger hat (BGHZ 70, 327, 329; BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 – IX ZR 132/03, WM 2004, 1825, 1827). Im vorliegenden Fall mussten sich Verzögerungen bei der Umsetzung des Konzeptes des Steuerberaters K. notwendig zum Nachteil der Tochtergesellschaften der Klägerin auswirken, welche als Bauherrengemeinschaft auftreten und die Vermietung übernehmen sollten. Das war den Vertretern des Beklagten bekannt, die der Klägerin am 20. Oktober 1997 die (vermeintlichen) Vorteile des eigenen Konzeptes erläuterten und sie dadurch zur Rücknahme der ersten Anfrage veranlassten. Sonstige vertragliche Schadensersatzansprüche stehen der GmbH und der KG nicht zu.
- 14
- 3. Der Beklagte hat die ihm obliegenden Beratungspflichten verletzt. Er hat am 20. Oktober 1997 erklärt, die Klägerin könne das Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 auch in eigener Person verwirklichen, ohne steuerliche Nachteile zu befürchten, insbesondere die Anwendung des § 6b EStG auf den Gewinn aus der anteiligen Veräußerung des Grundstücks in Frage zu stellen. Dies entsprach nicht dem damaligen Stand der Steuerrechtsprechung und den einschlägigen Steuerrichtlinien und Erlassen (vgl. BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v. 20. Oktober 2005 – IX ZR 127/04, WM 2005, 2345).
- 15
- a) Voraussetzung für den Abzug des bei der Veräußerung des Grund und Bodens entstandenen Gewinns von den Herstellungskosten der neu errichteten , zur Vermietung vorgesehenen Wohneinheiten oder zur Bildung einer den Gewinn mindernden Rücklage war nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehörten. Anlagevermögen bilden diejenigen Wirtschaftsgüter, die bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB). Gemäß Abschnitt R 32 Abs. 1 Satz 7 und 8 EStR 1996 bleibt ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, dessen Veräußerung beabsichtigt ist, so lange Anlagevermögen, wie sich seine bisherige Nutzung nicht ändert, auch wenn bereits vorbereitende Maßnahmen zu seiner Veräußerung getroffen worden sind. Bei Grundstücken des Anlagevermögens, die bis zu ihrer Veräußerung unverändert genutzt werden, ändert eine zum Zwecke der Veräußerung vorgenommene Parzellierung des Grund und Bodens oder die Aufteilung eines Gebäudes in Eigentumswohnungen nichts an der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen (BMF v. 29. Oktober 1979, BStBl I 1979, 639; v. 13. Juli 1992 , DStR 1992, 1060; ebenso für den Fall der Parzellierung BFHE 110, 348; 197, 109;. a.A. bei Aufteilung eines zum Anlagevermögen gehörenden Mietshauses in Eigentumswohnungen allerdings noch BFHE 114, 354).
- 16
- Nach Ansicht des Beklagten führte die geplante Bebauung des Grundstücks deshalb nicht zu einer Nutzungsänderung, weil das Grundstück zuvor Träger eines dem Anlagevermögen zuzurechnenden Bauwerks, nämlich des ehemaligen Betriebsgebäudes gewesen war. Die Errichtung eines neuen Gebäudes zum Zwecke der Aufteilung in Wohnungseigentum und der Veräußerung zahlreicher Einheiten ist jedoch schon vom Wortlaut des zitierten BMF- Schreibens nicht gedeckt. Sie steht den dort genannten Beispielsfällen der Parzellierung eines unbebauten Grundstücks oder der Aufteilung eines bereits vorhandenen Gebäudes in Eigentumswohnungen nicht gleich.
- 17
- b) Der Beklagte hat außerdem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum gewerblichen Grundstückshandel und den darauf beruhenden gemeinsamen Bund-Länder-Erlass der Finanzverwaltung vom 20. Dezember 1990 (BStBl I 1990, 884) nicht hinreichend berücksichtigt. Veräußert ein Steuerpflichtiger Wohneinheiten, die er auf eigenen Grundstücken errichtet hat, liegt regelmäßig ein Gewerbebetrieb vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Fertigstellung mehr als drei Objekte an verschiedene Erwerber veräußert werden (BFHE 130, 34, 37; 148, 480, 482; 150, 418; BMF v. 20.12.1990, aaO Tz. 17 f). Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei nur zwischen der Errichtung und der Veräußerung der Wohneinheiten bestehen. Auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks und darauf, ob dieses zuvor mit einem anderen Gebäude bebaut war, kommt es nicht an (BFHE 160, 249, 251). Bei einem gewerblichen Grundstückshandel , der spätestens mit der Errichtung der Wohnungen beginnt, sind die zur Bebauung und anschließenden Veräußerung bestimmten Grundstücke Umlaufvermögen (BFHE 95, 219; 151, 399; 163, 382, 385 f; 164, 381, 384; BFH/NV 1987, 646, 648; 1993, 225, 226; vgl. auch BMF v. 20.12.1990, aaO Tz. 27 unter 1a).
- 18
- Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, weil ohnehin alle Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln waren (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 KStG, § 17 Abs. 2 GenG, § 238 Abs. 1 HGB). Entscheidend war, ob das Grundstück trotz der Bebauung mit einer Wohnungseigentumsanlage in der Absicht, zahlreiche Wohneinheiten zu veräußern, noch im Anlagevermögen der Klägerin bleiben würde; denn die angestrebte Anwendung des § 6b EStG setzte eine Veräußerung aus dem Anlagevermögen voraus (§ 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). Diese Frage war klar zu verneinen. Mit der Aufbereitung und Erschließung des Grundstücks, spätestens aber mit der Errichtung der Wohnungen zum Zwecke des Verkaufs wäre ein gewerblicher Grundstückshandel der Klägerin anzunehmen gewesen; damit wäre das dafür eingesetzte Betriebsvermögen – insbesondere der zum Verkauf bestimmte Miteigentumsanteil am Grundstück – zwingend als Umlaufvermögen zu qualifizieren gewesen (vgl. auch BFHE 200, 304).
- 19
- c) Aufgabe des Beklagten war es, die Klägerin durch ausreichende Belehrung über die Voraussetzungen des § 6b EStG in die Lage zu versetzen, eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. BGHZ 129, 386, 396; BGH, Urt. v. 16. Oktober 2003 – IX ZR 167/02, WM 2004, 472; v. 20. Oktober 2005 – IX ZR 127/04, WM 2005, 2345, 2346). Er hätte sie also darauf hinweisen müssen, dass sich mit dem von ihm vorgeschlagenen Konzept die Steuervergünstigung des § 6b EStG aus Rechtsgründen nicht erreichen ließ, statt eine Zustimmung des zuständigen Finanzamts mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 in Aussicht zu stellen. Er hätte außerdem erläutern müssen , dass das Finanzamt nur einen bestimmt – nicht alternativ – gefassten Antrag auf Erteilung einer Auskunft mit Bindungswirkung bescheiden würde (vgl. BMF v. 24. Juni 1987, BStBl I, 474), dass also die den Vorschlag des Steuerberaters K. betreffende Anfrage und ein weiterer, auf seinen eigenen Vorschlag bezogener Antrag nicht gleichzeitig gestellt werden konnten. Dann hätte die Klägerin entscheiden können, ob sie im Hinblick auf die geringeren Kosten des Vorschlags des Beklagten gleichwohl die Anfrage K. zurückziehen und eine neue, dem Vorschlag des Beklagten entsprechende Anfrage an das zuständige Finanzamt richten sollte; den damit im (sehr wahrscheinlichen) Fall des Scheiterns der Anfrage verbundenen Verlust an Zeit und Geld hätte sie den möglichen Einsparungen im (unwahrscheinlichen) Fall einer Zustimmung des Finanzamts gegenüber stellen können. Infolge der unrichtigen Auskunft des Beklagten fehlte ihr jedoch eine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
- 20
- 3. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (vgl. BGHZ 129, 386, 399; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835; v. 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00, WM 2005, 999). Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
- 21
- 4. Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten, insbesondere wie der Mandant auf eine zutreffende Belehrung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, WM 2004, 475, 476; v. 29. September 2005 - IX ZR 104/01, BGH-Report 2006, 164, 165). Hier folgt bereits aus der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGHZ 123, 311; BGH, Urt. v. 17. Mai 1992 - IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110 [Steuerberater]; Fischer in Zugehör /Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1004 ff), dass die Klägerin bei vollständiger Aufklärung über die Steuerrechtslage und die höchst geringe Wahrscheinlichkeit, eine den Vorschlag des Beklagten billigende verbindliche Auskunft des Finanzamts zu erreichen, die Anfrage des Steuerberaters K. nicht zurückgezogen hätte. In diesem Fall hätte die Antwort des Finanzamts auf die das Modell K. betreffende Anfrage nicht erst am 20. Februar 1998 vorgelegen. Das Bauvorhaben hätte entsprechend früher begonnen und beendet werden können; die auf das Modell des Beklagten bezo- gene Teilungserklärung vom 17. Dezember 1997 wäre nicht beurkundet worden.
- 22
- 5. Die geltend gemachten Schadenspositionen – insbesondere die behaupteten „Verzögerungsschäden“ – fallen schließlich auch in den Schutzbereich der verletzten Beratungspflicht.
- 23
- a) Der steuerliche Berater hat nur für solche Nachteile einzustehen, die im Schutzbereich der verletzten vertraglichen Pflichten liegen. Zu ersetzen sind solche Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. zur Anwaltshaftung BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 – IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451; v. 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 51).
- 24
- b) Die Klägerin wollte den bei der anteiligen Veräußerung des Grundstücks anfallenden Gewinn gemäß § 6b EStG auf die Herstellungskosten der nicht zum Verkauf bestimmten Wohneinheiten anrechnen können. Ziel der Beratung , die sie in Anspruch nahm, war es also, Steuern zu sparen. Ein Schaden in Form einer unnötig hohen Steuerlast ist der Klägerin durch die unrichtige Auskunft des Beklagten nicht entstanden. Nachdem die negative Antwort des Finanzamts vorlag, konnte sie ihr Vorhaben in der vom Steuerberater K. vorgeschlagenen Form verwirklichen, welche die Anwendung des § 6b EStG ermöglichte.
- 25
- c) Bei der Beratung am 20. Oktober 1997 ging es jedoch nicht nur um die Vermeidung einer hohen Steuerlast. Das den steuerlichen Zielen der Klägerin entsprechende Konzept des Steuerberaters K. lag bereits vor. Es stand auch schon ein konkreter Zeitplan im Raum. Die Klägerin, die ein umfangreiches ge- werbliches Objekt errichten wollte, legte aus wirtschaftlichen Gründen Wert auf einen möglichst frühzeitigen Baubeginn. Mitte Dezember 1997 sollten die Bauarbeiten beginnen. Beides war den Vertretern des Beklagten bekannt. Sie wussten außerdem, dass die Einholung einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts über die Realisierbarkeit ihres eigenen Vorschlags die Rücknahme des bereits gestellten Antrags und im Fall einer negativen Antwort des Finanzamts eine Verzögerung des Bauvorhabens zur Folge haben würde. Zu ihren Pflichten gehörte es damit auch, die Aufnahme der Bauarbeiten nicht durch die steuerliche Abklärung eines Gestaltungsvorschlags zu verzögern, der kaum eine Aussicht auf eine Billigung durch das Finanzamt hatte. Da die Vertragspflichten des Beklagten somit erkennbar den Schutz des Interesses der Klägerin an der Vermeidung aller bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht sinnvoll erscheinender Verzögerungen umfasste, hat er auch für diejenigen Schäden einzustehen, die daraus entstanden sind, dass die Anfrage K. erst nach der Erledigung der zweiten, auf den Vorschlag des Beklagten bezogenen Anfrage neu gestellt und beantwortet werden konnte.
II.
- 26
- Revision der Klägerin
- 27
- Nach Ansicht des Berufungsgericht trifft die Klägerin ein hälftiges Mitverschulden , weil sie einerseits bereits Anfang August 1997 eine dem Rat des Beklagten entsprechende Auskunft habe einholen können, andererseits im Oktober 1997 dem Rat des Beklagten zur Rücknahme des Auskunftsantrags K. keine Folge habe leisten dürfen. Das ist rechtlich unhaltbar.
- 28
- Nach 1. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGHZ 134, 100, 114 f; BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997 – IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 6. Februar 2003 – IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen zu werden, der (unrichtigen) Auskunft des Beklagten vertraut zu haben, sie könne das geplante Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 auch in eigener Person verwirklichen, und daraufhin die erste Anfrage zurückgezogen zu haben. Daran, dass die Antwort des Finanzamts auf die Anfrage des Steuerberaters K. erst am 20. Februar 1998 vorlag, trifft sie folglich kein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB).
- 29
- 2. Eine andere Frage ist die des Mitverschuldens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 254 Abs. 2 BGB). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Kosten der Teilungserklärung vom 17. Dezember 1997. Die Vertreter des Beklagten hatten am 20. Oktober 1997 darauf hingewiesen, dass die Teilungserklärung nicht beurkundet werden dürfe, bevor die Antwort des Finanzamts vorliege. Diesen Rat hat die Klägerin missachtet. Gleiches gilt hinsichtlich der Baumehrkosten. Dem Protokoll vom 20. Oktober 1997 nach hatten die Vertreter des Beklagten auch erklärt, bis zur Antwort des Finanzamts dürfe keinesfalls ein Vertrag mit dem Generalunternehmer abgeschlossen werden; die Mehrkosten sollen jedoch auf eine „Bauunterbrechung“ zurückzuführen sein. Ob und in welchem Umfang die Klägerin insoweit ein Mitverschulden trifft, ist jedoch erst im Betragsverfahren zu prüfen. Dass es sich um Ansprüche aus abgetretenem Recht der GmbH und der KG handelt, steht der Annahme eines Mitverschuldens nicht entgegen, weil die Tochtergesellschaften sich ein etwai- ges Verschulden der Klägerin gemäß § 278 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müssten (§ 254 Abs. 2 Satz 2 BGB).
III.
- 30
- Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, trifft der Senat eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Das Landgericht wird im Betragsverfahren zu klären haben, ob und in welcher Höhe durch die Rücknahme des ersten Antrags auf eine verbindliche Auskunft Schäden entstanden sind und ob sich die Klägerin insoweit ein Mitverschulden anrechnen lassen muss.
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.03.03- 26 O 12960/99 -
OLG München, Entscheidung vom 14.01.04- 15 U 2791/03
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 12. Januar 1995 an die S. AG ein Ladenlokal im Nahversorgungszentrum H. auf 15 Jahre.
- 2
- Am 17. September 1996 wurde das Objekt an die Beklagte übergeben, die das Vermögen der S. AG durch Verschmelzungsvertrag vom 13. Juni 1996 übernommen hatte. Später erwarb die Klägerin das Objekt von der Vermieterin. Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 kündigte die Beklagte den Mietvertrag zum 30. September 2003 mit der Begründung, dass der Mietvertrag die Schriftform nicht wahre.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung, dass die Kündigung der Beklagten das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet habe, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
- 5
- 1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der zulässige Feststellungsantrag sei unbegründet. Der Mietvertrag vom 12. Januar 1995 sei nicht wirksam auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen worden. Deshalb habe die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2003 das Mietverhältnis zum 30. September 2003 beendet. Der Mietvertrag erfülle nicht die Schriftform des § 566 BGB a.F. (§ 550 BGB). Danach müssten die wesentlichen Vertragsinhalte wie Vertragspartner, Mietgegenstand, Mietzins und Mietdauer im Mietvertrag bestimmbar geregelt sein, wobei bei der Beurteilung der Bestimmbarkeit auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden könnten. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sei der Mietbeginn nicht hinreichend bestimmbar vereinbart worden. Die Parteien hätten sich in § 2 Abs. 1 darauf geeinigt , dass das Mietverhältnis "mit der Übergabe der Mieträume" beginnen solle. Zwar lasse sich nunmehr anhand des Übergabeprotokolls feststellen, dass die Übergabe am 17. September 1996 erfolgt sei. Das sei aber nicht ausreichend, weil die Schriftform nur gewahrt sei, wenn die Bestimmbarkeit bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gegeben sei. Der mit der Schriftform in erster Linie verfolgte Zweck, es einem späteren Erwerber zu ermöglichen, sich vollständig über die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten des Mietvertrages zu unterrichten, könne sonst nicht erfüllt werden. Dem Umstand, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 12. Januar 1995 das Mietobjekt noch nicht errichtet gewesen sei und deshalb der Übergabezeitpunkt nicht habe benannt werden können, hätten die Parteien mit der Bestimmung eines "spätesten" Übergabezeitpunkts ("spätestens am …") Rechnung tragen können.
- 6
- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 7
- a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass es zur Wahrung der Schriftform des § 566 BGB a.F. zwar grundsätzlich erforderlich ist, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Miet- verhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben. Da aber auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar und lückenhaft erweisen, brauchen indes auch wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Die Bestimmbarkeit muss allerdings im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegeben sein. Insoweit darf auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden, die aber, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ebenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorliegen müssen (BGH, Senatsurteil vom 7. Juli 1999 - XII ZR 15/97 - NJW 1999, 3257, 3259).
- 8
- b) Soweit das Berufungsgericht aber meint, die Form des § 566 BGB a.F. sei vorliegend nicht gewahrt, weil der Mietbeginn nicht hinreichend bestimmbar vereinbart sei, kann dem nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht stellt zu hohe Anforderungen an den Begriff der Bestimmbarkeit. Wäre das Datum des Mietbeginns bei Vertragsabschluß bereits bekannt gewesen, so wäre bereits das Merkmal der "Bestimmtheit" erfüllt. "Bestimmbarkeit" verlangt demgegenüber ein deutlich geringeres Maß an Genauigkeit. Dafür genügt eine abstrakte Beschreibung, die es ermöglicht, den Mietbeginn zu ermitteln.
- 9
- Die Frage der Bestimmbarkeit stellt sich in vergleichbarer Weise bei der Abtretung künftiger Forderungen. Dabei verlangt die Rechtsprechung nicht, dass die Person des Schuldners bei Vertragsschluss feststeht. Sie lässt es vielmehr genügen, dass die juristische Entstehungsgrundlage und/oder der für die Entstehung maßgebliche Lebenssachverhalt so genau benannt werden, dass sich eine bestimmte Forderung bei ihrem Entstehen dann zuverlässig als der Abtretung unterfallend definieren lässt (vgl. MünchKomm/Roth BGB 4. Aufl. § 398 Rdn. 81 m.w.N.). Auch bei Verträgen zugunsten Dritter wird es regelmäßig für ausreichend gehalten, wenn die Person des (begünstigten) Gläubigers bestimmbar ist; der Dritte kann "zur Zeit des Vertragsschlusses noch ungewiss sein, aber durch den Eintritt eines gewissen Zustandes bestimmt werden" (MünchKomm/Kramer aaO § 241 Rdn. 5 m.w.N.). Selbst Verträge, die ein Vertreter für den ihm nicht einmal bekannten Vertretenen (für den, der sich "in der Zukunft als Straßenbaupflichtiger ergebe") abschließt, hat die Rechtsprechung nicht an der mangelnden Bestimmbarkeit des Vertretenen scheitern lassen (MünchKomm/Kramer aaO m.w.N.).
- 10
- Für die Frage der Bestimmbarkeit des Mietvertragsbeginns gelten keine anderen Grundsätze. Ein Sachverhalt, an den die Vertragsparteien den Vertragsbeginn knüpfen, muss so genau bestimmt werden, dass bei seiner Verwirklichung kein Zweifel am Vertragsbeginn verbleibt. Das trifft hier zu. Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass das Mietverhältnis "mit der Übergabe der Mieträume" beginnen sollte. Auf Grund dieser Beschreibung steht der Beginn des Mietverhältnisses - nach erfolgter Übergabe - eindeutig fest.
- 11
- c) Den Beginn des Mietverhältnisses an die Übergabe des Mietobjektes zu knüpfen, entspricht auch einem praktischen Bedürfnis.
- 12
- Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung würde dazu führen, dass die aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichtbare Vermietung noch nicht fertig gestellter Räume (so genannte Vermietung "vom Reißbrett weg") über Gebühr erschwert würde. Die Meinung, die Mietvertragsparteien könnten den mit der Bestimmung des Vertragsbeginns auftretenden Schwierigkeiten dadurch begegnen, dass sie einen "spätesten" Übergabezeitpunkt ("spätestens am …") vereinbaren, hilft nicht weiter. Auch in diesem Falle müsste ein Rechtsnachfolger , der das Mietobjekt nach Übergabe an den Mieter erwirbt, das tatsächliche Übergabedatum ermitteln, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Übergabe immer erst zum vereinbarten "spätesten" Übergabezeitpunkt erfolgt ist.
- 13
- 3. Da die Schriftform des § 566 BGB a.F. eingehalten ist, konnte die Beklagte den auf 15 Jahre fest abgeschlossenen Vertrag nicht ordentlich kündigen. Das Mietverhältnis besteht somit weiter. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und der Feststellungsklage stattzugeben.
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 01.07.2003 - 4 O 122/03 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 21.10.2003 - 9 U 117/03 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger (Untervermieter) nimmt die Beklagte als Untermieterin auf Ersatz entgangener Miete für die Monate Mai bis September 2003 in Anspruch, nachdem er den Untermietvertrag der Parteien vom 8. Februar 2001 im November 2001 wegen Zahlungsverzuges der Beklagten fristlos gekündigt hat.
- 2
- Der schriftliche Vertrag der Parteien sieht eine Festlaufzeit bis zum 31. Dezember 2010 vor. Als "Mieter" ist darin die beklagte GmbH, "vertreten durch S. C. -S. und Dr. D. S. " bezeichnet. Auf Seiten der Beklagten ist der Vertrag über der mit "Mieter" gekennzeichneten Unterschriftszeile mit "i.V. von P. " unterzeichnet. Die Parteien streiten darüber, ob dies der Schriftform genügt, oder ob die Beklagte den Vertrag ihrerseits wegen eines Mangels der Schriftform nach § 550 BGB spätestens zum 30. April 2003 hätte kündigen können und deshalb für nach diesem Zeitpunkt entgangene Mieten nicht mehr hafte.
- 3
- Das Landgericht hat die Schriftform als nicht gewahrt angesehen und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht der Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Höhe der vereinbarten Nettowarmmiete (5 Monate à 60 m² x 32,50 DM/m² = 9.750 DM = 4.985,10 €) nebst Zinsen stattgegeben.
- 4
- Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision stand und lässt auch sonst keine Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen.
- 6
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es fehle bereits an einem wirksamen (Unter-)Mietvertrag, weil der Kläger die in den Vorinstanzen bestrittene Vollmacht des den Vertrag für die Beklagte unterzeichnenden Abschlussvertreters von P. nicht nachgewiesen habe. Zu Recht hat das Berufungsgericht dessen Vollmacht dahinstehen lassen, weil die Beklagte den Vertrag, sofern von P. vollmachtloser Vertreter gewesen sei, jedenfalls nachträglich stillschweigend genehmigt habe.
- 7
- Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob diese Genehmigung - mit dem Berufungsgericht - bereits im Einzug der Beklagten in die Mieträume zu sehen ist, was die Revision angreift. Ein Verhalten der Beklagten, das der Kläger als konkludente Genehmigung des Vertrages ansehen durfte, ist nämlich spätestens darin zu sehen, dass die Beklagte nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers in dessen Schriftsatz vom 9. Januar 2004 im Mai und Juni 2001 Mietzahlungen geleistet und den Mietvertrag nach ihrem eigenen Vorbringen in der Berufungserwiderung bis zur fristlosen Kündigung des Klägers (November 2001) vollzogen hat. Auch die eigene Abrechnung der Beklagten vom 26. Juli 2001 über die bisher geschuldeten und beglichenen Mietzahlungen einschließlich Kaution (Bl. 36 der vom Landgericht beigezogenen Akten des Vorprozesses 25 O 190/03 LG Berlin) konnte vom Kläger nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte den Vertrag gegen sich wirken lassen wollte.
- 8
- 2. Zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass der nach seinen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen dem Grunde nach unstreitige Anspruch des Klägers auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens sich auch auf die hier streitige Zeit vom Mai bis September 2003 erstreckt und nicht etwa dadurch ausgeschlossen ist, dass die Beklagte ihrerseits das Mietverhältnis wegen eines Formmangels spätestens zum Ende April 2003 nach § 550 BGB hätte kündigen können.
- 9
- Entgegen der Auffassung der Revision steht es der Wahrung der Schriftform nämlich nicht entgegen, wenn ein Mietvertrag auf Seiten einer GmbH als Mieterin (oder Vermieterin) ohne nähere Kennzeichnung des Vertretungsverhältnisses mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet ist, und zwar gleichgültig, ob der Unterzeichnende Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter, in anderer Weise Bevollmächtigter oder lediglich vollmachtloser Vertreter war.
- 10
- a) Unzutreffend ist der Einwand der Revision, im vorliegenden Fall lasse der Zusatz "i.V." nicht erkennen, ob der Unterzeichnende beide im Rubrum des Vertrages benannten Vertreter der Beklagten, nämlich S. C. -S. und Dr. D. S. , habe vertreten wollen, oder nur einen von ihnen, so dass es zum formgültigen Abschluss des Vertrages noch der Unterschrift des anderen bedurft hätte.
- 11
- Da der Unterzeichnende nicht selbst zu den im Vertrag aufgeführten Mietparteien gehörte, wäre auch ohne den Zusatz "i.V." offensichtlich gewesen, dass er nicht im eigenen Namen handelte. Seine Unterschrift in der mit "Mieter" gekennzeichneten Unterschriftszeile ließ vielmehr hinreichend deutlich erkennen , dass er im Namen derjenigen Partei unterzeichnete, die im Mietvertrag als "Mieter" bezeichnet war. Dies war aber die beklagte GmbH und nicht etwa die im Rubrum des Vertrages als deren (allgemeine) Vertreter benannten Personen. Die Annahme, von P. habe lediglich in Untervollmacht einer dieser beiden Personen unterzeichnet, wäre mit der räumlichen Anordnung seiner Unterschrift in der Mitte der mit "Mieter" bezeichneten Unterschriftszeile nicht vereinbar.
- 12
- Insbesondere kann die Revision sich demgegenüber nicht auf das Senatsurteil vom 6. April 2005 - XII ZR 132/03 - NJW 2005, 2225 ff. berufen. Nach Abschnitt II 2 dieser Entscheidung (aaO S. 2226) ist ein klarstellender Zusatz vielmehr nur erforderlich, wenn lediglich einer von mehreren Vermietern oder Mietern oder einer von mehreren Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterschreibt und deshalb ohne einen solchen Zusatz nicht ersichtlich wäre, ob er diese Unterschrift nur für sich selbst oder aber zugleich in Vertretung der anderen leistet. Derartige Zweifel konnten hier nicht auftreten.
- 13
- b) Ob der Mietvertrag bereits mit dieser Unterzeichnung wirksam zustande kam oder mangels Vollmacht des Unterzeichnenden erst noch der Genehmigung der von ihm vertretenen Partei bedurfte, ist keine Frage der Schriftform (vgl. Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 550 BGB Rdn. 8 m.w.N.). § 550 BGB kann und will in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Sinn und Zweck der Schriftform ist es hingegen nicht, ihm Gewissheit zu verschaffen, ob der Mietvertrag wirksam zustande gekommen ist und im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs noch besteht oder etwa von den Mietvertragsparteien mündlich aufgehoben wurde (vgl. Senatsurteile BGHZ 160, 97, 104 f. und 154, 171, 180). Denn soweit ein Eintritt des Grundstückserwerbers in einen Mietvertrag nicht stattfindet , weil dieser nicht oder nicht mehr besteht, bedarf es auch nicht des Schutzes der Schriftform vor einer langjährigen Bindung an unbekannte Bedingungen. Nichts anderes gilt, soweit die Schriftform auch dazu dient, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den Parteien sicherzustellen und die Parteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.
- 14
- 3. Die angefochtene Entscheidung hält der revisionsrechtlichen Prüfung auch im Übrigen stand. Auch die Revision erinnert insoweit nichts.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 16.02.2004 - 25 O 483/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 09.06.2005 - 20 U 77/04 -
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von den Beklagten wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung zukünftiger Schäden vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Dritte, wobei sie eine Mithaftung von 75% hinnimmt.
- 2
- Die Klägerin wurde am 6. Februar 2009 gegen 20.11 Uhr als Fußgängerin beim Überqueren einer innerörtlichen Straße von dem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW erfasst, dessen Halterin und Fahrerin die Beklag- te zu 1 war. Dabei wurde die Klägerin schwer verletzt. Bei der ihr entnommenen Blutprobe wurde eine BAK von 1,75 Promille festgestellt.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht verneint einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin gegen die Beklagten gemäß § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG. Zwar habe sich der Unfall beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 1 ereignet, doch habe die Klägerin ein Verschulden der Beklagten zu 1 am Zustandekommen des Unfalls nicht bewiesen. Das von der Klägerin angebotene unfallanalytische Sachverständigengutachten scheide als Beweismittel aus, weil die notwendigen ausreichend konkreten Anknüpfungstatsachen, insbesondere Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten für die Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens nicht gegeben seien. Zwar könnten die Beklagten auch nicht den Unabwendbarkeitsbeweis führen, doch treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Sie habe in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquert, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Das Verschulden der Klägerin überwiege dermaßen, dass die Betriebsgefahr dahinter zurücktrete.
II.
- 5
- Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 6
- 1. Im Ansatz geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon aus, dass die Beklagten auch ohne den Beweis eines Verschuldens der Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfallbedingten Schaden gemäß § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen haben, weil sie nicht den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG führen können.
- 7
- 2. Das Berufungsurteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit es die Haftung der Beklagten wegen des überwiegenden Verschuldens der Klägerin verneint. Da die Klägerin weder Halterin noch Führerin eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Die Beklagten zu 1 und 2 haften der Klägerin grundsätzlich als Gesamtschuldner in vollem Umfang. Die Gefährdungshaftung kann allerdings im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 21. Dezember 1955 - VI ZR 63/55, VersR 1956, 238 f.; vom 12. Oktober 1965 - VI ZR 81/64, VersR 1966, 39 f.; vom 18. März 1969 - VI ZR 242/67, VersR 1969, 571, 572 und vom 13. Februar 1990 - VI ZR 128/89, VersR 1990, 535, 536). Die Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB setzt jedoch stets die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1960 - VI ZR 30/60, VersR 1961, 249, 250; vom 8. Januar 1963 - VI ZR 35/62, VersR 1963, 285, 286; vom 29. November 1977 - VI ZR 51/76, VersR 1978, 183, 185; vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94, VersR 1995, 357, 358 und vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05, VersR 2007, 263 Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 34). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2012 - VI ZR 3/11, VersR 2012, 865 Rn. 12). Für die Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist mithin nur das Verhalten der Klägerin maßgebend, das sich erwiesenermaßen als Gefahrenmoment in dem Unfall ursächlich niedergeschlagen hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 aaO).
- 8
- Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht annehmen, das Verschulden der Klägerin überwiege gegenüber der nicht ausgeräumten Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten dermaßen, dass die Betriebsgefahr hinter dem Verschulden der Klägerin zurücktrete. Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als widersprüchlich zu der Begründung, mit der das Berufungsgericht die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens abgelehnt hat. Dazu heißt es in dem angefochtenen Urteil, dass sich weder aus der Ermittlungsakte noch aus der Aussage des Zeugen M. oder der Anhörung der Parteien konkrete Anknüpfungstatsachen, insbesondere Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten entnehmen ließen, die ausreichten, um einen Sachverständigen mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens über den Hergang des Unfalls zu beauftragen. Mithin stand für das Berufungsgericht weder fest, welche Wegstrecke die Klägerin auf der Fahrbahn bis zum Erreichen des Kollisionsorts zurückgelegt hat, noch dass sie für die Beklagte zu 1 nicht erkennbar gewesen ist und der Unfall durch eine sofortige Reaktion der Beklagten zu 1 nicht hätte vermieden werden können.
- 9
- Das Berufungsgericht hat außerdem verkannt, dass bei einer Nichtbeweisbarkeit des Unfallhergangs die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil der Klägerin nach allgemeinen Beweisgrundsätzen (vgl. Baumgärtel/Helling, Handbuch der Beweislast 3. Aufl. § 254 Rn. 6 f.) die Beklagten tragen und nicht die Klägerin.
III.
- 10
- Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 20.09.2011 - 3 O 417/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 03.05.2012 - 5 U 185/11 -
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Kündigt der Verwalter nach Satz 1 oder gibt er die Erklärung nach Satz 2 ab, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder wegen der Folgen der Erklärung als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.
(2) Waren dem Schuldner der unbewegliche Gegenstand oder die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen, so kann sowohl der Verwalter als auch der andere Teil vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Verwalter zurück, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen. Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen zu erklären, ob er vom Vertrag zurücktreten will; unterläßt er dies, so verliert er das Rücktrittsrecht.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.