Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Sept. 2015 - I-26 W 10/12 (AktE)
Tenor
Auf die Anschlussbeschwerde des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) vom 08.05.2012 und die Beschwerde der Antragstellerin zu 9 vom 25.04.2012 wird – unter Zurückweisung im Übrigen – der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 28.02.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die angemessene Abfindung für eine Aktie der L. Maschinen- und Anlagenbau AG im Nennbetrag von 50 DM wird auf 132,24 € (entspricht 258,63 DM) festgesetzt.
Der angemessene Ausgleich für außenstehende Aktionäre der L. Maschinen- und Anlagenbau AG wird für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie im Nennbetrag von 50 DM auf 10,37 € (entspricht 20,29 DM) abzüglich der Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs festgesetzt.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen vom 20.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sowie die Vergütung und Auslagen der gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre beider Instanzen tragen die Antragsgegnerinnen.
Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 200.000 € festgesetzt.
A.
1Am 28.09.1993 hatte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2, die L. Maschinen- und Anlagenbau AG (L. AG), mit der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1., der LMM GmbH (LMM GmbH), einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die Hauptversammlung der L. AG stimmte dem Vertrag am 16.12.1993 zu. Mit dem Vertrag unterstellte die L. AG die Leitung ihrer Gesellschaft der LMM GmbH und verpflichtete sich, ihren gesamten Gewinn an diese abzuführen. Der Vertrag lief zunächst bis zum 30.09.1997 und war danach jährlich kündbar. Der Unternehmensvertrag wurde am 28.01.1994 in das Handelsregister der L. AG eingetragen und am 26.02.1994 bekannt gemacht. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag endete am 04.05.2000.
2Die L. AG verfügte über ein Grundkapital von 55,2 Mio. DM, aufgeteilt in 1,104 Millionen auf den Inhaber lautende Stammaktien im Nennbetrag von 50 DM. Hauptaktionärin war die LMM GmbH, die zum Bewertungsstichtag rund 96 % der Aktien hielt. Auf die außenstehenden Aktionäre entfielen 37.518 Aktien. Das Geschäftsjahr umfasste den Zeitraum vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.09. des Folgejahres.
3Die L. AG plante, baute und installierte komplette Reinigungs-, Füll-, Inspektions-, Kontroll-, Pasteurisierungsanlagen sowie Etikettier- und Verpackungsmaschinen für die Getränkeindustrie sowie für die pharmazeutische, kosmetische und chemische Industrie. Der Verkauf erfolgte über eine eigene Vertriebsorganisation. Darüber hinaus war die L. AG an verschiedenen Tochtergesellschaften beteiligt. Die LMM GmbH übernahm nach dem Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bis zum Geschäftsjahr 1998/1999 Verluste der L. AG in Höhe von 233.388.000 DM.
4In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verpflichtete sich die LMM GmbH, den außenstehenden Aktionären der L. AG während der Vertragsdauer als Ausgleich für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie der L. AG im Nennbetrag von 50 DM einen Betrag in Höhe von 10,15 DM zzgl. einer Steuergutschrift in Höhe von 4,35 DM, insgesamt 14,50 DM, zu zahlen. Außerdem sagte die LMM GmbH zu, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der L. AG dessen Aktien gegen eine Abfindung in Höhe von 176,00 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM zu erwerben.
5Die LMM GmbH war neben der Beteiligung an der L. AG auch alleinige Gesellschafterin der I. Aktiengesellschaft (I. AG) mit Sitz in Dortmund und mit über 90 % an der T. Maschinenbau AG (T. AG), Mannheim, beteiligt. Die LMM GmbH hatte ihrerseits mit der L.-Werke AG, Duisburg, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die I. AG und T. AG standen damit mittelbar unter der einheitlichen Leitung der L.-Werke AG. Mit Verschmelzungsvertrag vom 30.03.1987 sollten die I. AG und T. AG auf die Rechtsvorgängerin der L. AG, die N. Getränke- und Verpackungstechnik AG, verschmolzen werden. Aufgrund von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen beim Landgericht Mannheim und der Dauer des Instanzenzuges bis zum Bundesgerichtshof wurden die Verschmelzungen der I. AG und der T. AG erst verzögert am 04.08.1993 und 26.08.1993 in das Handelsregister eingetragen. Durch die Fusion entstand einer der weltweit bedeutendsten Hersteller auf dem stark umkämpften Markt für Verpackungs- und Abfülltechnik.
6Am 15.03.2000 beschloss die Hauptversammlung der L. AG die Eingliederung des Unternehmens gemäß § 320 Abs. 1 AktG in die L.-Werke AG, Duisburg. Mit „Aufspaltungs- und Übernahmevertrag“ vom 27.08.2012 hat die LMM GmbH ihr Vermögen auf die M. L.-Werke GmbH übertragen.
7Die Antragsteller haben die im Unternehmensvertrag angebotene Abfindung und den angebotenen Ausgleich für nicht ausreichend erachtet. Sie haben geltend gemacht, die Ertragslage und –aussichten seien zu pessimistisch eingeschätzt und unzureichend ermittelt worden. Auch nach der Eingliederung sei das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Der Kapitalisierungszins sei überhöht. Einige Antragsteller haben geltend gemacht, die CAPM-Methode sei nicht anwendbar, weil dieser Standard zum Bewertungsstichtag noch nicht gegolten habe. Außerdem sei der Börsenkurs zu berücksichtigen.
8Die Antragsteller und die Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben beantragt,
9Ausgleich und Abfindung höher festzusetzen.
10Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,
11die Anträge zurückzuweisen.
12Sie haben darauf verwiesen, dass die L. AG sich deutlich schlechter entwickelt habe, als bei Abschluss des Unternehmensvertrages angenommen. So wäre die L. AG ohne den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag insolvent gewesen. Diese durch den Vertrag entstehenden Verbundeffekte hätten aber nicht berücksichtigt werden dürfen. So wären etwa ohne den Verlustausgleich der LMM GmbH Kredite mit erheblichen Zinsaufwendungen nötig gewesen.
13Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 08.01.2003 und vom 03.11.2008 Beweis zur Höhe des Unternehmenswertes der L. AG und zur Angemessenheit der Abfindung und des Ausgleichs erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2012 ist der gerichtlich beauftragte Sachverständige ausführlich angehört worden.
14Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 15.04.2008 zunächst einen Unternehmenswert in Höhe von 232.144.000 DM berechnet und daraus eine Abfindung in Höhe von 210,28 DM sowie einen Ausgleich in Höhe von 13,28 DM zzgl. einer Steuergutschrift in Höhe von 5,69 DM, insgesamt 18,97 DM, ermittelt. Der Sachverständige hatte die Bewertungsgrundsätze der HFA 2/93-Stellungnahme zugrunde gelegt. Er hatte ausgehend von einer Vergangenheitsanalyse eine Planung für die Geschäftsjahre 1993/1994 bis 1997/1998 vorgenommen (Phase I, 5 Jahre) und dann ab dem Geschäftsjahr 1998/1999 die ewige Rente (Phase II) berechnet. Er hatte einen Basiszinssatz in Höhe von 6,5 %, einen Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % und – ausgehend von der durchschnittlichen Vor-Steuer-Rendite amtlich notierter deutscher Aktien in Höhe von 3,332 % mit einem Anlagehorizont von 30 Jahren und einem Betafaktor von 1,05 ‑ einen Risikozuschlag in Höhe von 3,5 % geschätzt. Hieraus hatte er einen Kapitalisierungszinssatz in Höhe von 10 % für die Phase I und in Höhe von 9 % für den Zeitraum der „ewigen Rente“ ermittelt.
15In der mündlichen Anhörung hat er dann nach umfassender Erörterung und nach einem Hinweis der Kammer des Landgerichts den Risikozuschlag auf 3 % reduziert, den Wachstumsabschlag auf 2 % erhöht und anstelle eines Basiszinssatzes von 6,5 % mit 6,48 % gerechnet. Hieraus hat er einen erhöhten Unternehmenswert in Höhe von 285.524.509 DM ermittelt. Damit ergab sich eine Abfindung in Höhe von 258,63 DM (entspricht 132,24 €) und ein Ausgleich in Höhe von 13,59 DM zzgl. einer Steuergutschrift in Höhe von 5,83 DM, insgesamt 19,42 DM (entspricht 9,93 €).
16Mit Beschluss vom 28.02.2012 hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf die angemessene Barabfindung auf 132,24 € (entspricht 258,63 DM) je Aktie im Nennbetrag von 50,00 DM festgesetzt. Den angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre der L. AG hat das Landgericht auf 9,93 € (entspricht 19,42 DM) je Aktiennennbetrag von 50 DM abzüglich der Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifes festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten hat das Landgericht den Antragsgegnerinnen auferlegt.
17Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die nach Einleitung des Spruchverfahrens erfolgte Eingliederung keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren habe. Hinsichtlich der Berechnung des Unternehmenswertes ist das Landgericht den Feststellungen des Sachverständigen Buchert in der mündlichen Verhandlung gefolgt. Im schriftlichen Gutachten habe er zwar zunächst einen Risikozuschlag in Höhe von 3,5 % angenommen, den er dann aber in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar auf 3 % reduziert habe. Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten auf die CAPM-Methode verwiesen habe, sei dies ausweislich seiner mündlichen Anhörung nur erfolgt, um den nach der Zuschlagsmethode ermittelten Risikozuschlag zu verproben. Das Landgericht ist mit dem Gutachter davon ausgegangen, dass ein Wachstumsabschlag in Höhe von 2 % angemessen, der noch im schriftlichen Gutachten angesetzte Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % zu gering sei. Die prognostizierten Inflationsraten seien zunächst nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Landgericht hat nicht beanstandet, dass der Sachverständige eine eigenständige Ertragsplanung vorgenommen habe, weil die Antragsgegnerinnen nur unzureichende Unterlagen (4 Seiten mit 7 Zahlen) zur Verfügung gestellt hätten, aus denen nicht auf eine verlässliche Planung habe geschlossen werden können. Auch sei nicht von einer Insolvenz der L. AG auszugehen gewesen. Die relevanten Börsenkurse hätten in den letzten Monaten vor der Bekanntgabe der Strukturmustermaßnahme unter der angebotenen Abfindung gelegen, so dass eine Anpassung der Abfindung deswegen nicht geboten gewesen sei.
18Gegen diese Entscheidung haben die Antragsgegnerinnen und die Antragstellerin zu 9 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) hat gegen den ihm am 10.04.2012 zugestellten Beschluss mit Fax vom 08.05.2012 „Beschwerde“ eingelegt. Er hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die „Beschwerde“ hilfsweise als Anschlussbeschwerde behandelt werden solle.
19Die Antragsgegnerinnen halten die Zukunftserträge, die der gerichtlich bestellte Sachverständige geschätzt habe, angesichts der nach Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eingetretenen Verluste für überhöht. Es habe sich gezeigt, dass die tatsächliche Entwicklung des Unternehmens deutlich schlechter gewesen sei, als es Vorstand und der gerichtlich bestellte Sachverständige angenommen hätten. So sei in den Geschäftsjahren bis 1998/1999 ein Gesamtverlust in Höhe von 233.388.000 DM entstanden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige für die ersten vier Jahre eine schlechtere Ertragsprognose als der Vorstand erstellt habe, dann aber für den Zeitraum der ewigen Rente, ab dem Jahr 1997, von höheren Gewinnen ausgegangen sei. Es sei nicht überzeugend, dass der Gutachter bei fallenden Umsätzen noch von wachsenden Überschüssen ausgegangen sei. Da bei der L. AG ein Verlustvortrag in Höhe von 64.656.207 DM zum 30.09.1997 entstanden sei, hätten daher in der Folge zunächst keine Gewinne ausgeschüttet werden können und im Hinblick auf nicht ausschüttbare gesetzliche Rücklagen ausgeschüttet werden dürfen. Darüber hinaus seien die Ergebnisse der Inlandstöchter nicht zutreffend einbezogen worden, übersehen worden, dass teilweise hohe Verluste der Inlandstöchter durch die L. AG ausgeglichen worden seien. Für die Planungsphase I hätten nur drei Jahre angesetzt werden dürfen.
20Der auf die „ewige Rente“ entfallende Ertragswert mache 97,7 % des Gesamtergebnisses aus. Eine „ewige Rente“ könne aber schon deshalb nicht angesetzt werden, weil der Vertrag nach vier Jahren kündbar gewesen sei, jederzeit mit einem Vertragsende hätte gerechnet werden müssen. Außerdem habe das Landgericht nicht gesehen, dass Prognosen immer weniger belastbar seien, je weiter eine Schätzung in die Zukunft erfolge. Für den Zeitraum der „ewigen Rente“ hätte deshalb ein Sicherheitsabschlag berücksichtigt werden müssen.
21Darüber hinaus habe das Landgericht einen zu niedrigen Kapitalisierungszinssatz angesetzt. Ursprünglich sei der Kapitalisierungszinssatz nicht streitig gewesen, weil der Sachverständige in seinem Gutachten vom 15.04.2008 wie der Vorstand der L. AG mit 9 % gerechnet habe. Es sei nicht plausibel, dass das Landgericht von einem Risikozuschlag in Höhe von 3 % ausgegangen sei, obwohl der gerichtlich bestellte Sachverständige noch in seinem schriftlichen Gutachten einen Risikozuschlag in Höhe von 3,5 % angenommen habe. Es sei auch widersprüchlich, dass der Gerichtsgutachter in seinem schriftlichen Gutachten zunächst einen Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % angesetzt habe, damals noch einen Prozentsatz in Höhe von 2 % als „nicht sachgerecht“ angesehen habe. In der mündlichen Verhandlung habe er dann aber nicht nachvollziehbar einen Wachstumsabschlag in Höhe von 2 % für gerechtfertigt gehalten. Durch diese Änderungen habe sich der Unternehmenswert gravierend erhöht. Soweit der Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) auf eine fehlerhafte Berechnung des Ausgleichs verweise, sei dies unzutreffend. Um diese Streitfrage über die Höhe des Ausgleichs beizulegen, treten die Antragsgegnerinnen der Berechnung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre nicht mehr entgegen.
22Die Antragsgegnerinnen beantragen,
23den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 28.02.2012 aufzuheben und die Anträge aller Antragsteller sowie der Vertreter der außenstehenden Aktionäre zurückzuweisen
24sowie die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 9 sowie die Beschwerde des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) zurückzuweisen.
25Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) verweist darauf, dass die von den Antragsgegnerinnen erwähnten Verlustvorträge nicht zu berücksichtigen seien, weil das Unternehmen damals unter Konzernleitung gestanden habe. Der Gutachter habe hohe Verluste in den ersten Planjahren berücksichtigt. Der Sachverständige habe in der mündlichen Anhörung plausibel erläutert, warum ein Risikozuschlag in Höhe von 3 % und ein Wachstumszuschlag in Höhe von 2 % angemessen seien. In seinem schriftlichen Gutachten sei der Sachverständige noch unzutreffend davon ausgegangen, dass er sich einschränkungslos an die Vorgaben des IDW S1 habe halten müssen. Das Gutachten im T. AG-Verfahren, auf das sich die Antragsgegnerinnen selbst berufen hätten, sei ebenfalls von einem Risikozuschlag in Höhe von 3 % ausgegangen. Im Übrigen sei der Ausgleich mathematisch unzutreffend berechnet worden, der Ausgleich daher auf 20,29 DM (entspricht 10,37 €) inkl. Steuergutschrift zu erhöhen.
26Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) beantragt,
27unter Abänderung des Beschlusses der landgerichtlichen Entscheidung den Ausgleich angemessen auf 10,37 € (entspricht 20,29 DM) einschließlich Steuergutschrift festzusetzen.
28Die Antragstellerin zu 9 schließt sich den Ausführungen des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) an und beantragt,
29die Barabfindung auf einen höheren Betrag als EUR 132,24 je Aktie und die Ausgleichszahlung auf einen höheren Betrag als EUR 9,93 je Aktie und Geschäftsjahr der KHS Maschinen-Anlagenbau AG festzusetzen.
30Die Antragsteller zu 1 – 6, 7, 9 - 14 und die Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Abfindung und Ausgleich) beantragen,
31die Beschwerde der Antragsgegnerinnen zurückzuweisen.
32Die Antragstellerinnen zu 12 und 13 halten einen Risikozuschlag in Höhe von 3 % für angemessen. Die Antragsgegnerinnen hätten auch benötigte und aussagekräftige Unterlagen nicht vorgelegt.
33Die Vertreterin der außenstehenden Aktionäre (Abfindung) hält die angesetzte Höhe des Risikozuschlags und des Ausgleichs für sachgerecht. So berücksichtige der Wachstumsabschlag hier die seinerzeitige Höhe der Inflationsrate und die Entwicklung der Unternehmensgewinne in Abhängigkeit von der Inflationsrate. Für die Berechnung der „ewigen Rente“ sei die erste Kündigungsmöglichkeit unerheblich.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.
B.
35Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen ist unbegründet, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 9. und die als Anschlussbeschwerde auszulegende „Beschwerde“ des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) sind begründet.
36Der Ausgleich war geringfügig auf 10,37 € zu erhöhen, nachdem die Antragsgegnerinnen sich nicht mehr gegen die vom Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) erhobenen Einwände gegen die Berechnung wenden.
I.
37Die Beschwerden und die Anschlussbeschwerde des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) sind zulässig.
38Die vom Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) gegen die landgerichtliche Entscheidung eingelegte „Beschwerde“ ist nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 11 Abs. 3 SpruchG a.F. i.V.m. § 22 FGG eingelegt worden und daher verspätet (vgl. zur Anwendbarkeit der FamFG-Vorschriften auf Altfälle: BGH, Beschluss vom 19.07.2010, II ZB 18/09, juris). Sie ist jedoch als Anschlussbeschwerde auszulegen. Eine Anschlussbeschwerde ist in Spruchverfahren zulässig (BGH, Beschluss vom 13.12.2011, II ZB 12/11 (KG), NZG 2012, 191; vgl. auch § 66 S. 1 FamFG). Sie kann auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben werden (vgl. nun ausdrücklich § 66 S. 1 FamFG). Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Beschwerde hilfsweise als Anschlussbeschwerde behandelt werden solle.
II.
39In der Sache bleiben die Beschwerden und die Anschlussbeschwerde – bis auf die nicht mehr streitige Frage der Berechnung des Ausgleichs – ohne Erfolg.
1. Eingliederung
40Durch die Eingliederung ist das Rechtsschutzinteresse der außenstehenden Aktionäre nicht entfallen. Die hier nach Einleitung des Spruchverfahrens erfolgte Eingliederung führt nicht zur Erledigung des Spruchverfahrens.
41Vielmehr ist das Spruchverfahren fortzusetzen und die angemessene Abfindung und der angemessene Ausgleich zu ermitteln, um die außenstehenden Aktionäre auch nach der Eingliederung für ihren Herrschafts- und Vermögensverlust, der ihnen mit der Durchführung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages entsteht, zu entschädigen (BGH, Beschluss vom 20.05.1997, II ZB 9/96, BGHZ 135, 374; BGH, Beschluss vom 12.03.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, „DAT Altana“; Puszkajler in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Auflage, § 11 SpruchG, Rn. 44). Die außenstehenden Aktionäre haben daher auch nach der Eingliederung die Möglichkeit, die Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich gerichtlich überprüfen zu lassen.
2. Unternehmenswert
42Das Landgericht hat zutreffend einen Unternehmenswert von 285.524.509 DM ermittelt. Die vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
a) Ertragslage
43Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat den Unternehmenswert und die Ertragslage sachgerecht zum 16.12.1993 ermittelt.
44Das Landgericht Düsseldorf hat hierzu ein schriftliches Gutachten sowie Ergänzungsgutachten eingeholt und darüber hinaus in der Sitzung vom 28.02.2012 den Sachverständigen sehr ausführlich angehört. Soweit sich durch die mündliche Verhandlung Veränderungen zu den im schriftlichen Gutachten ermittelten Werten ergeben haben, hat das Landgericht dies plausibel erläutert. Das Gericht hat nachvollziehbar begründet, warum es nach der Anhörung von veränderten Werten ausgegangen ist.
aa) Ertragswertmethode - Bewertungsstandard
45Die Bewertung erfolgte hier zutreffend anhand der anerkannten Ertragswertmethode (vgl. zum Ertragswertverfahren: Koch in Hüffer, AktG, 11. Auflage 2014, § 305, Rn. 24 ff.; Paulsen in Münchener Kommentar, 4. Auflage 2015, § 305, Rn. 80).
46Der Sachverständige hat seiner Bewertung die HFA 2/1983-Stellungnahme zugrunde gelegt. Diese Methode war die am Bewertungsstichtag anerkannte Bewertungsmethode. Im Hinblick auf die im Laufe des Spruchverfahrens erfolgten Anpassungen von Bewertungsstandards (IDW S1 2000 und IDW S1 2005) hat der Sachverständige dies gesehen (Hauptgutachten, S. 10). So hat der Gutachter zur Ermittlung des nach der Pauschalmethode berechneten Risikozuschlags auch CAPM-Elemente zur Plausibilisierung berücksichtigt.
47Auf die Frage, welcher Bewertungsstandard anwendbar ist, der am Bewertungsstichtag geltende oder der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. hierzu den Vorlagebeschluss OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.08.2014, I-26 W 9/12 (AktE), AG 2014, 817), kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, wie sich der Unternehmenswert im konkreten Fall, bezogen auf einen Stichtag 1993, wesentlich ändern oder eine Berechnung anhand der CAPM-Methode hätte durchgeführt werden sollen. Der Gutachter hat in seiner Anhörung klargestellt, dass eine „saubere Anwendung“ der CAPM-Methode schon deshalb nicht möglich gewesen sei, weil für den hier relevanten Stichtag keine belastbaren Indizes vorgelegen hätten. So hat der Gutachter etwa zur Plausibilisierung des Risikozuschlags, hier der Schätzung des Branchenbetas, auf Zahlen zurückgegriffen, die zehn Jahre vom Bewertungsstichtag entfernt lagen, aus den Jahren 2003 und 2004.
bb) Prognoseplanung
48Das Landgericht hat anhand der Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen die seinerzeit zu erwartende Ertragslage nachvollziehbar eingeschätzt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat in seiner Anhörung plausibel geschildert, wie er die Ertragslage ermittelt und beurteilt hat.
49Es kann hier dahinstehen, ob ein Gutachter seine eigene Planung an die Stelle einer Unternehmensplanung setzen kann oder ob er Ertragsplanungen von Unternehmensseite zu übernehmen hat. Hier fehlten jedenfalls belastbare Daten zur Unternehmensentwicklung, so dass der Gutachter notwendigerweise eine eigene Planung zu erstellen hatte. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat unmissverständlich darauf hingewiesen, dass verwertbare Planungsunterlagen der L. AG zum Bewertungsstichtag nicht vorhanden gewesen seien, „nicht ernsthaft eine Planung“ existiert habe (Anhörung Bl. 1111 GA). Die von den Antragsgegnerinnen als „Ertragsplanung“ vorgelegten Daten (4 Seiten mit 7 Zahlen) seien praktisch nicht verwertbar gewesen. So hat der Gutachter in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten bekräftigt, dass die Aussagekraft der von Seiten der L. AG zur Ertragsermittlung vorgelegten Unterlagen sehr begrenzt gewesen sei, von einer Planungsrechnung im eigentlichen Sinne keine Rede sein könne.
50Es ist insoweit bemerkenswert, dass der Gutachter auch in der Folge nur wenig Informationen von Seiten der Antragsgegnerinnen erhalten hat. So hatte der Gutachter mehrfach bei den Antragsgegnerinnen nach detaillierten Planungsrechnungen gefragt, diese jedoch nicht erhalten (vgl. Bl. 429 f., 589, 595, 606 GA) und von einem „zähem Informationsfluss der Antragsgegnerinnen“ berichtet (Bl. 615 GA). Auch haben die Antragsgegnerinnen nicht auf entsprechende Nachfragen reagiert, nicht einmal mitgeteilt, ob angefragte Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr auffindbar seien (Bl. 606 GA). Benötigte Unterlagen wurden teils nur mit großer Verzögerung und teils unvollständig übersandt (Bl. 615, 618 GA). Es war dem Gutachter vor diesem Hintergrund auch nicht zumutbar, nach weiteren Informationen auf Seiten der Antragsgegnerinnen zu fragen. Angesichts dieser dürftigen Datenlage war es geboten, dass der Gutachter eine eigene Ertragsrechnung erstellt und zur Überprüfung der Plausibilität eine Szenarioanalyse durchgeführt hat.
51Der Gutachter hat in seinem schriftlichen Gutachten sorgfältig die Entwicklung in der Vergangenheit analysiert und eine sachgerechte Zukunftsplanung vorgenommen.
52Für die Vergangenheitsanalyse hat er die Daten der Geschäftsjahre 1988/1989 bis 1992/1993 zugrunde gelegt. Anschließend hat er eine Planung für die Jahre 1993/1994 bis 1997/1998 (Phase I) vorgenommen und dann hieraus ein nachhaltiges Ergebnis für die Geschäftsjahre ab 1998/1999 abgeleitet. Er hat hierbei – im Hinblick auf die seinerzeit schon vor dem Bewertungsstichtag eingeleitete Fusion – auch die Entwicklung der I. AG und T. AG und sich hieraus ergebende Synergieeffekte berücksichtigt. Der Gutachter hat die Umsatzentwicklung gesehen, erkannt, dass nach einer wiedervereinigungsbedingten Umsatzsteigerung dann 1992/1993 mit 749 Mio. DM nahezu wieder das Umsatzvolumen von 1988/1989 erreicht worden war. Er hat festgestellt, dass die Materialeinsatzquote über und der Personalaufwand unter dem Branchenschnitt gelegen hatten. Durch die Verschmelzung ist die Zahl der Mitarbeiter erheblich von 3.730 auf 2.718 Mitarbeiter reduziert worden, teils durch Ausgliederungen von Teilbereichen, teils durch Entlassungen, Abfindungen oder Sozialpläne. Für das Geschäftsjahr 1992/1993 waren daher Rückstellungen für Sozialplanaufwendungen in Höhe von mehr als 30 Mio. € eingeplant. Der Gutachter ist – im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerinnen ‑ auch von einem weniger schnellen Mitarbeiterabbau ausgegangen, als es der Vorstand geplant hatte. Es ist sachgerecht, dass der Gutachter insbesondere vor dem Hintergrund der Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen von einem Detailplanungszeitraum von fünf, statt nur drei Jahren, ausgegangen ist, um so eine belastbare Datenbasis seinen Berechnungen zugrunde legen zu können. Er hat neben der Entwicklung der volkswirtschaftlichen Rahmendaten, der individuellen Rahmenbedingungen auch Branchenanalysen des VDMA in seine Betrachtung einbezogen.
53Der Gutachter ist auch keineswegs von einseitig überzogenen oder übertrieben ambitionierten Ertragserwartungen ausgegangen. Vielmehr hat er sorgfältig und differenziert geplant. So hat er die Margen zugrunde gelegt, von denen der Vorstand ausgegangen war (Bl. 1112 GA). Andererseits hat er dargestellt, dass der Vorstand damals für die ersten vier Jahre von unrealistisch hohen Gewinnen ausgegangen sei. Er hat gesehen, dass sich Anfang der 90-iger Jahre die volkswirtschaftliche Entwicklung abgeschwächt hatte und die Kapazitätsauslastung des Maschinenbaus zwischen 1989 und 1993 spürbar gesunken war (Hauptgutachten S. 50). Der Gutachter ist trotz des Zusammenschlusses und hierdurch möglicherweise entstehender Synergien von einer gleichbleibenden Materialquote ausgegangen, weil im Materialeinkauf kaum mit Synergieeffekten zu rechnen gewesen sei. Dies gilt auch für die Verwaltungsaufwendungen, bei denen er keine wesentlichen Synergieeffekte angesetzt hat. Er hat angenommen, dass der Verwaltungsapparat des Unternehmens im Laufe der Zeit wieder aufgestockt werde. Auch die durch die Wiedervereinigung entstehenden Effekte hat er berücksichtigt (Hauptgutachten S. 51, 55). Im Zuge der Wiedervereinigung bestand eine hohe Inlandsnachfrage, wohingegen in Osteuropa die Nachfrage zurückgegangen war.
54Gut vertretbar ist der gerichtlich bestellte Sachverständige daher für die Folgejahre bis zur „ewigen Rente“ von einer jährlichen Steigerung des Gesamtumsatzes in Höhe von 5 % ausgegangen. Er hat entsprechend den Vorgaben der seinerzeitigen HFA 2/1983-Stellungnahme eine Vollausschüttung der entziehbaren Überschüsse zugrunde gelegt (Hauptgutachten S. 48, Anhörung Bl. 1118 GA). Er hat verdeutlicht, dass die Vollausschüttung auch nur für die Jahre berechnet worden sei, in denen keine Verluste angesetzt worden seien. Er hat klargestellt, dass trotz der Verlustjahre noch Ausschüttungspotential bestanden habe.
55Der gerichtlich bestellte Gutachter hat darauf verwiesen, dass die hohen Verluste im Geschäftsjahr 1992/93 im Wesentlichen auf Sozialplanaufwendungen und Abfindungen beruhten, die sich aus der Verschmelzung mit der I. AG und der T. AG auf die L. AG ergeben hätten und sich diese Rationalisierungs- und Umstrukturierungseffekte kostentechnisch über mehrere Jahre erstreckt hätten (Hauptgutachten S. 20, Ergänzungsgutachten S. 17). Er ist so nur für einen begrenzten Zeitraum von sinkenden Umsätzen ausgegangen, hat danach wieder steigende Umsätze zugrunde gelegt. Es ist auch nachvollziehbar, dass aufgrund der getroffenen Maßnahmen, insbesondere durch den Personalabbau, anschließend die Umsatzrendite trotz sinkender Umsätze steigen werde. Im Übrigen war auch der Vorstand davon ausgegangen, dass das Unternehmen nach der Umstrukturierung wieder „gut aufgestellt“ sei, in den Folgejahren mit Erlösverbesserungen zu rechnen sei (Ergänzungsgutachten S. 18; Ermittlung der Höhe der Ausgleichszahlung und der Barabfindung durch L. AG im Dezember 1993, Bl. 43, 45 GA), man also auf Seiten des Unternehmens ersichtlich selbst mit einer spürbaren Verbesserung der Situation gerechnet hatte.
56Ebenso hat der Gutachter die durch die Inlandstöchter entstehenden Ergebniseffekte gesehen und plausibel berücksichtigt. Das Auslandsgeschäft machte mehr als 50 % aus; als Zukunftsmärkte wurden seinerzeit Mittel-, Südamerika und Südostasien angesehen. Für die ersten Geschäftsjahre nach dem Bewertungsstichtag hat der Gutachter mit weiter sinkenden Umsätzen gerechnet, dann aber – bedingt durch die geplante Expansion und verstärkten Marktanstrengungen im lateinamerikanischen und asiatischem Raum – wieder steigende Umsätze angenommen. So war der Umsatzanteil des Asiengeschäfts von 5,4 % im Geschäftsjahr 1990/1991 auf 11,7 % im Geschäftsjahr 1992/1993 angestiegen.
57Der Gutachter hat in seinem schriftlichen Gutachten zunächst einen Unternehmenswert zum 16.12.1993 in Höhe von 232.144.000 DM ermittelt. Hieraus hat er dann eine Abfindung in Höhe von 210,28 DM und einen Ausgleich je Aktie im Nennwert von 50,00 DM in Höhe von 13,28 DM zzgl. einer Steuergutschrift in Höhe von 5,69 DM, insgesamt 18,97 DM, ermittelt. Soweit er seine Berechnungen in der mündlichen Anhörung dann geändert und einen höheren Unternehmenswert berechnet hat, beruht dies allein auf der Veränderung des Kapitalisierungszinssatzes (s. hierzu unten).
58Dass sich die L. AG später anders entwickelt hat, als vom Gutachter eingeschätzt, stellt dessen Bewertung nicht infrage. So hat der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten darauf verwiesen, dass die späteren tatsächlich entstandenen Verluste damals noch nicht absehbar gewesen seien. Auch der Vorstand sei nicht davon ausgegangen, dass sich das Unternehmen später deutlich schlechter entwickeln werde. Anders als der Gutachter hatte der Vorstand für die Geschäftsjahre 1993/94 und 1995/96 sogar noch deutlich positivere Jahresergebnisse geschätzt.
59Die Antragsgegnerinnen verweisen hingegen pauschal darauf, dass der Vorstand die Situation „völlig falsch beurteilt“ habe, ohne darzulegen, warum diese gravierende Fehleinschätzung des Vorstands erfolgt sein soll. Die Antragsgegnerinnen haben sich nicht dazu geäußert, warum der Vorstand, wenn denn die Zukunftsaussichten damals leicht erkennbar negativ gewesen sein sollen, gleichwohl eine derart entgegengesetzte Unternehmensentwicklung prognostiziert hatte. Der Gutachter hat jedenfalls keine Umstände erkennen können, dass hier Bewertungsgrundsätze verletzt worden sein könnten (Ergänzungsgutachten S. 9). So hatte der Vorstand auch zu keinem Zeitpunkt vor einer möglicherweise negativen Entwicklung gewarnt. Im Gegenteil, der Vorstand war davon ausgegangen, dass nach dem hohen Verlust im Geschäftsjahr 1992/1993 für die kommenden Jahre das Unternehmen wieder gut aufgestellt sei. Der Gutachter weist nachvollziehbar darauf hin, dass der Vorstand auch keine Mitteilung nach § 44 a Börsengesetz veröffentlicht hatte, wonach alle Tatsachen unverzüglich hätten veröffentlicht werden müssen, wenn sie Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage gehabt hätten. Es liegen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vorstand die Unternehmenssituation hier fahrlässig oder bewusst pflichtwidrig geschönt dargestellt haben könnte.
60Das Landgericht hat mit dem Gutachter auch die Auswirkungen des Verlustausgleichs gesehen. Auch insoweit ist bemerkenswert, dass anhand der überlassenen Unterlagen und Dokumente nicht ersichtlich war, inwieweit der Vorstand im Rahmen seiner Planungen einen Ausgleich des Verlusts des Geschäftsjahres 1992/1993 berücksichtigt hatte (Ergänzungsgutachten S. 22, vgl. auch Anhörung Bl. 1115 GA). Der Gutachter hat insoweit auf eine fehlerhafte Doppelberechnung der Antragsgegnerinnen hingewiesen (Ergänzungsgutachten S. 26 f.). Nachvollziehbar ist der Gutachter davon ausgegangen, dass die Gesellschaft in der Lage gewesen sei, die Verlustperiode zu überbrücken, und das gezeichnete Kapital nicht angegriffen worden wäre. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat in seiner Anhörung erläutert, dass er den Verlustausgleich berücksichtigt habe, indem negative Barwerte angesetzt worden seien (Anhörung Bl. 1112, 1115, 1117 GA). Es ist hierbei plausibel, dass der Gutachter nicht dauerhaft von Verlusten ausgegangen war, sondern von einem Going-Concern-Ansatz, andernfalls ein Liquidationsszenario vorgelegen hätte. Für ein solches negatives Szenario gab es, insbesondere vor dem Hintergrund der gerade erfolgten Umstrukturierung, keinerlei Anhaltspunkte. Dass für den Detailplanungszeitraum vorübergehend mit Verlusten zu rechnen war, stellt die Berechnung der „ewigen Rente“ daher nicht in Frage.
b) Kapitalisierungszinssatz
61Das Landgericht hat den Kapitalisierungszinssatz sachgerecht mit 7,48 % angesetzt (vgl. Anhörung Bl. 1121 f. GA).
aa) Basiszinssatz
62Der Gutachter und mit ihm das Landgericht haben bei der Ermittlung des Basiszinssatzes die Zinsstrukturkurve („Svensson-Methode“) nachvollziehbar zugrunde gelegt.
63Die Berechnung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve ist geeignet und hat sich mittlerweile durchgesetzt (vgl. Paulsen in Münchener Kommentar, 4. Auflage 2015, § 305, Rn. 114; vgl. zur Rückwirkung: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2011, I-26 W 2/11 (AktE), juris, m. w. Nachw.).
64Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat nach der Svensson-Methode einen Basiszinssatz zum Bewertungsstichtag in Höhe von 6,4781 % ermittelt und in seinem schriftlichen Gutachten auf 6,5 % gerundet. In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter dann auf einen entsprechenden Hinweis des Landgerichts den Unternehmenswert anhand eines weniger stark gerundeten Basiszinssatzes in Höhe von 6,48 % berechnet. Dies ist nicht zu beanstanden. Vielmehr hat das Landgericht gut vertretbar hier anstelle des pauschaleren Wertes in Höhe von 6,5 % den genaueren, sich stärker an der Zinsstrukturkurve orientierendem Basiszinssatz zugrunde gelegt. Die Berechnung des Basiszinssatzes wird im Übrigen im Beschwerdeverfahren nicht mehr angegriffen.
bb) Risikozuschlag
65Der gerichtlich bestellte Sachverständige und mit ihm das Landgericht haben die Berechnung des Risikozuschlages nachvollziehbar erläutert.
66Der Gutachter hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht deutlich gemacht, dass er den Risikozuschlag nach der HFA 2/1983-Stellungnahme geschätzt und diesen Wert anhand von CAPM-Elementen plausibilisiert habe. In seinem schriftlichen Gutachten hatte er eine Risikoprämie in Höhe von 3,332 % ermittelt und in dem schriftlichen Gutachten dann auf 3,5 % gerundet. Er hat in seiner Anhörung verdeutlicht, dass der Risikozuschlag im Wesentlichen pauschal geschätzt worden sei, hierzu „gängige Marktrisikoprämien“ und Branchenbetas verwandt worden seien, weil speziellere Daten nicht vorgelegen hätten. Er hat so klargestellt, dass im Ergebnis eine ‑ wie seinerzeit nach der HFA 2/1983-Stellungnahme üblich – pauschale Schätzung vorgenommen worden sei. Er hat mündlich erläutert, dass er einen Risikozuschlag in Höhe von 3 % letztlich für realistischer als einen Wert in Höhe von 3,5 % halte. Dieser Wert entspricht auch – worauf das Landgericht hingewiesen hat – dem Wert, der im Rahmen der Begutachtung der T. AG als angemessen angesetzt worden war.
67Der angesetzte Risikozuschlag ist nicht zu niedrig und hält sich innerhalb der Grenzen, die in ähnlichen Fällen angewandt werden. Hierbei ist zu sehen, dass die Risikozuschläge nach der seinerzeit geltenden Pauschalmethode tendenziell niedriger als heute waren (vgl. Großfeld, Unternehmensbewertung, 7. Auflage, Rn. 743).
cc) Wachstumsabschlag
68Auch ein Wachstumsabschlag in Höhe von 2 % ist nicht zu beanstanden.
69Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat in seiner Anhörung klargestellt, dass er, anders als noch in seinem schriftlichen Gutachten, einen Wachstumsabschlag in Höhe von 2 % als angemessen erachte. Er hatte in seinem Ergänzungsgutachten aber bereits verdeutlicht, dass durchaus auch ein über 1 % liegender Wachstumsabschlag denkbar wäre. In seiner Anhörung hat er dann darauf verwiesen, dass er seinerzeit bei einem Wachstumsabschlag von 1 % bereits ein „Störgefühl“ gehabt habe, er einen Wachstumsabschlag von 1,5 % oder 2 % für sachgerechter halte, den niedrigeren Wert aber im Hinblick auf die IDW-Vorgaben angesetzt habe. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass er in seinem schriftlichen Gutachten zunächst einen Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % angenommen habe, weil dies vom IDW so „vorgeschrieben“, vorgegeben worden sei.
70Der Gutachter ist davon ausgegangen, dass eine Steigerung der Überschüsse in Höhe der Inflationsrate eher unrealistisch gewesen sei, insbesondere weil die L. AG langfristig fertige, Angebote anhand von Beschaffungspreisen vor Beginn der Fertigung hätten kalkuliert werden müssen (Hauptgutachten S. 42). So könnten aufgrund der langfristigen Fertigung nachträglich eintretende Preissteigerungen Kunden nur bedingt weiter belastet werden. Es sei daher unrealistisch, dass die finanziellen Überschüsse in Höhe der zu erwartenden Inflationsrate ansteigen könnten. Er hat plausibel erläutert, dass im Übrigen die Wachstumsrate der Gewinne deutscher Unternehmen in der Vergangenheit unterhalb der Preissteigerungsrate gelegen habe (Ergänzungsgutachten S. 33). Der Gutachter hat ferner gesehen, dass die Schätzung mit Unsicherheiten verbunden gewesen sei, weil Ergebnisse durch die Verschmelzung beeinflusst und die Folgen der einsetzenden Konjunkturflaute schwer einschätzbar gewesen seien.
71Wachstumsabschläge zwischen 0,5 % und 2 % sind üblich (Paulsen in Münchener Kommentar, 4. Auflage 2015, § 305, Rn. 134). Ein Wachstumsabschlag in der hier zugrunde gelegten Höhe ist auch vor dem Hintergrund der damaligen, eher hohen Inflationsrate von 3 % und des vergleichsweise hohen Basiszinssatzes nicht unangemessen (vgl. Anhörung Bl. 1107, 1110 GA; vgl. etwa einen Wachstumsabschlag von 2 % bei einem Basiszins von 4,04 %: OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.01.2015, 21 W 26/13, AG 2015, 504).
dd) „ewige Rente“
72Auch die Berechnung der „ewigen Rente“ ist nicht zu beanstanden. Dass sich die „ewige Rente“ ganz entscheidend auf den Unternehmenswert auswirkt und maßgeblich den Ertragswert bestimmt, ist dem Bewertungssystem immanent.
73So hat der Gutachter zutreffend darauf hingewiesen, dass der Barwert der „ewigen Rente“ den stärksten Werteinfluss bei einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren habe (vgl. Ergänzungsgutachten S. 16, Anhörung Bl. 1112 GA). Im vorliegenden Fall hat sich dieser Effekt dadurch verstärkt, dass für die Detailplanungsphase, hier die Geschäftsjahre 1993/1994 bis 1995/1996, wegen der Sozialplanaufwendungen mit Verlusten gerechnet werden musste, so dass der positive Wertanteil der „ewigen Rente“ stärker gewichtet wurde. Aber auch der Vorstand ging davon aus, dass nach dem hohen Verlust im Geschäftsjahr 1992/1993 die Umstrukturierung abgeschlossen und die L. AG dann wieder für die kommenden Jahre „gut aufgestellt“ sei, also positive Ertragsüberschüsse erzielen werde.
74Die Antragsgegnerinnen weisen zutreffend darauf hin, dass eine Schätzung in die Zukunft mit Unsicherheiten verbunden ist. Dies ist jedoch bei Zukunftsprognosen stets der Fall und stellt die hier angewendete Berechnung nicht infrage. Die Unsicherheiten werden durch den Risikozuschlag abgebildet.
75Auch die Kündigungsfrist des Unternehmensvertrages, zunächst nach vier Jahren, dann jährlich, führt nicht dazu, die Ertragsprognose oder den Ertragswert nur für die vertragliche Mindestfrist zu bestimmen. Derartige Kündigungsregeln finden sich regelmäßig in Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und stellen die Berechnung des Ertragswertes anhand der anerkannten Phasenmethode nicht infrage. Der Ertragswert ist vielmehr anhand der geplanten und voraussichtlichen Unternehmensentwicklung zu berechnen. Hier sollte die L. AG aber nicht nach vier Jahren liquidiert werden, sondern – wie die Umstrukturierungsmaßnahmen zeigen – für die Zukunft langfristig wettbewerbsfähig gemacht werden und dauerhaft Gewinne erwirtschaften. Diese Planung ist für die Frage maßgeblich, welcher voraussichtliche Zukunftsertrag erwirtschaftet werden kann. Dieser Zukunftsertrag wird anhand der „ewigen Rente“ berechnet.
c) Börsenkurs
76Der maßgebliche Börsenkurs führt nicht zu einem höheren Abfindungsbetrag (vgl. zur Berücksichtigung von Börsenkursen: Koch in Hüffer, AktG, 11. Auflage 2014, § 305, Rn. 36 ff.). Es bleibt daher bei dem im Rahmen des Ertragswertverfahrens ermittelten Unternehmenswertes.
77Der hier relevante 3-Monats-Durchschnittskurs vor Bekanntgabe der Maßnahme (204,56 DM, Anhörung Bl. 1108 GA) liegt unterhalb der ermittelten Abfindung. Auch eine Anpassung aufgrund der Börsenkursentwicklung bis zum Tag der Hauptversammlung ist nicht veranlasst (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 19.07.2010, II ZB 18/09, NJW 2010, 2657, „Stollwerck“). Es lag zwischen dem Datum der Bekanntgabe der Einladung zur Hauptversammlung am 04.11.1993 und dem Tag der Hauptversammlung am 16.12.1993 kein so langer Zeitraum, der ggfs. eine Anpassung erfordert hätte (vgl. Dauer der Zeitspanne: BGH, Beschluss vom 28.06.2011, II ZB 2/10, AG 2011, 590; BGH, Beschluss vom 19.07.2010, II ZB 18/09, NJW 2010, 2657, „Stollwerck“). Im Übrigen hat sich der Börsenkurs bis zum Tag der Hauptversammlung kaum verändert (3-Monats-Durchschnittskurs vor der Hauptversammlung 206,69 DM, Hauptgutachten S. 33, Anhörung Bl. 1108 GA). Eine Marktenge konnte der Gutachter nicht feststellen.
3. Ausgleich
78Der angemessene Ausgleich war auf 20,29 DM (entspricht 10,37 €) festzusetzen, nachdem die Antragsgegnerinnen die Bedenken gegen die Berechnung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) nicht mehr weiterverfolgen.
III.
79Die Antragsgegnerinnen haben die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen (§ 15 Abs. 2 S. 1 SpruchG a.F.). Auch die Kosten der Antragsteller sind von den Antragsgegnerinnen zu tragen, weil dies – unter Berücksichtigung des Ausgangs des Beschwerdeverfahrens – der Billigkeit entspricht (§ 15 Abs. 4 SpruchG a.F.).
80Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 200.000,00 € (§ 15 Abs. 1 S. 2 SpruchG a.F.). Dieser Geschäftswert gilt jeweils auch für die Vergütung der beiden Vertreter der außenstehenden Aktionäre.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Sept. 2015 - I-26 W 10/12 (AktE)
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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Sept. 2015 - I-26 W 10/12 (AktE) zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland auch dann beschließen, wenn sich Aktien der Gesellschaft, auf die zusammen fünfundneunzig vom Hundert des Grundkapitals entfallen, in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. Eigene Aktien und Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, sind vom Grundkapital abzusetzen. Für die Eingliederung gelten außer § 319 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 7 die Absätze 2 bis 4.
(2) Die Bekanntmachung der Eingliederung als Gegenstand der Tagesordnung ist nur ordnungsgemäß, wenn
- 1.
sie die Firma und den Sitz der zukünftigen Hauptgesellschaft enthält, - 2.
ihr eine Erklärung der zukünftigen Hauptgesellschaft beigefügt ist, in der diese den ausscheidenden Aktionären als Abfindung für ihre Aktien eigene Aktien, im Falle des § 320b Abs. 1 Satz 3 außerdem eine Barabfindung anbietet.
(3) Die Eingliederung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Eingliederungsprüfer) zu prüfen. Diese werden auf Antrag des Vorstands der zukünftigen Hauptgesellschaft vom Gericht ausgewählt und bestellt. § 293a Abs. 3, §§ 293c bis 293e sind sinngemäß anzuwenden.
(4) Die in § 319 Abs. 3 Satz 1 bezeichneten Unterlagen sowie der Prüfungsbericht nach Absatz 3 sind jeweils von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung zur Eingliederung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der einzugliedernden Gesellschaft und der Hauptgesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. In dem Eingliederungsbericht sind auch Art und Höhe der Abfindung nach § 320b rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen; auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der beteiligten Gesellschaften sowie auf die Folgen für die Beteiligungen der Aktionäre ist hinzuweisen. § 319 Abs. 3 Satz 2 bis 5 gilt sinngemäß für die Aktionäre beider Gesellschaften.
(5) bis (7) (weggefallen)
(1) Das Gericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluss.
(2) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein. Kommt eine solche Einigung aller Beteiligten zustande, so ist hierüber eine Niederschrift aufzunehmen; die Vorschriften, die für die Niederschrift über einen Vergleich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten, sind entsprechend anzuwenden. Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
(3) Das Gericht hat seine Entscheidung oder die Niederschrift über einen Vergleich den Beteiligten zuzustellen.
(4) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten
- 1.
dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder - 2.
einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsgegnerin, die Hauptaktionärin der Stollwerck AG (künftig: Gesellschaft ), erlangte am 5. August 2002 die Mehrheit der Aktien. Am 17. September 2002 unterbreitete sie gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG den übrigen Aktionären das öffentliche Pflichtangebot auf Übernahme ihrer Aktien gegen Zahlung von 295 € je Aktie und gab ihre Absicht bekannt, die Übertragung der Aktien der Gesellschaft auf sich zu verlangen (§§ 327a ff. AktG). Die Hauptversammlung der Gesellschaft fasste am 30. April 2003 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen die angebotene Barabfindung von 295 € zu übertragen. Diesem Angebot der Antragsgegnerin lag das Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zugrunde. Der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert je Aktie lag nach dem eingeholten Bewertungsgutachten bei 93,65 €.
- 2
- Das gegen den Übertragungsbeschluss eingeleitete Beschlussmängelstreitverfahren wurde in zweiter Instanz am 5. April 2005 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, Minderheitsaktionären , die innerhalb einer bestimmten Frist auf die Durchführung eines Spruchverfahrens verzichteten, eine Barabfindung von 395 € zu gewähren. Der Übertragungsbeschluss wurde am 6. April 2005 in das Handelsregister eingetragen.
- 3
- Die Antragsteller haben ein Spruchverfahren beantragt. Das Landgericht hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, den Antragstellern fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin auf Zahlung von 395 € hätten annehmen können. Gegen den Beschluss des Landgerichts haben die Antragsteller zu 4 bis 7 sofortige Beschwerde eingelegt, die die Antragstellerin zu 4 zurückgenommen hat. Das Oberlandesgericht (ZIP 2009, 2055) hat den gewichteten Durchschnittskurs der Aktien für den Zeitraum von drei Monaten vor dem 17. September 2002 mit 275,09 €, für den Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung mit 308,86 € ermittelt. Es will die Beschwerden zurückweisen, weil für den Börsenwert der Aktien auf den gewichteten Durchschnittskurs in einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen sei, und hat das Verfahren wegen der Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108) nach § 28 FGG vorgelegt.
II.
- 4
- Die Vorlage ist zulässig.
- 5
- 1. Die Vorlage ist nach § 28 FGG i.V.m. 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG aF statthaft. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz finden in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung. Ist ein Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitet worden, findet auf das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das seinerzeit geltende Verfahrensrecht Anwendung (BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 6 ff.). Das Spruchverfahren wurde bereits im Jahr 2005 eingeleitet.
- 6
- 2. Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig, weil das Oberlandesgericht in einer für seine Entscheidung maßgeblichen Frage von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108 ff.) abweichen will. Dabei steht einer zulässigen Vorlage nicht entgegen, dass diese Entscheidung des Senats die Bemessung der Abfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags betraf, während in dem hier zu entscheidenden Fall eine Barabfindung nach § 327b AktG in Rede steht. Eine beabsichtigte Abweichung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung , von der abgewichen werden soll, nicht zu demselben gesetzlichen Tatbestand ergangen ist, aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 5; vom 13. März 2006 - II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 Rn. 6). Sowohl für die Barabfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) als auch bei Ausschließung (§ 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG) sind die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung zu berücksichtigen. Dementsprechend ist auch der für die Bemessung der Abfindung maßgebliche Börsenwert in beiden Fällen nach den gleichen Regeln zu bestimmen.
III.
- 7
- Die Sache ist zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzugeben. Grundsätzlich ist der der Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie aus dem gewichteten Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor der Bekanntgabe einer Strukturmaßnahme zu errechnen. Wenn - wie hier - zwischen der Bekanntgabe der Übertragungsabsicht und dem Beschluss der Hauptversammlung über die Maßnahme ein längerer Zeitraum liegt, ist dieser Wert aber unter Umständen entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Börsenwertentwicklung auf den Beschlusszeitpunkt hochzurechnen. Damit das Oberlandesgericht die dazu erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an das Beschwerdegericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
- 8
- 1. Die Anträge sind zulässig. Ihnen fehlt nicht mit Rücksicht auf das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Antragsteller die Angemessenheit einer angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren auch dann überprüfen lassen, wenn das ursprüngliche Angebot durch einen Vergleich zugunsten aller außenstehenden Aktionäre erhöht worden ist. Die im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter angebotene Erhöhung nimmt den Minderheitsaktionären nicht das Recht, die Angemessenheit der angebotenen Abfindung überprüfen zu lassen (§ 327f Satz 2 AktG). Andernfalls könnte der Antragsgegner durch eine Erhöhung des Angebots auch unter den angemessenen Betrag verhindern, dass die Anteilsinhaber "angemessen" im Sinn des Gesetzes entschädigt werden. Erst recht muss das gelten, wenn - wie hier - das im Vergleichswege unterbreitete Angebot für die Antragsteller des Spruchverfahrens nicht gilt. Das Angebot einer Abfindungszahlung von 395 € je Aktie stand unter der Bedingung, dass der annehmende Aktionär kein Spruchverfahren einleitet, und war befristet. Die Antragsteller haben es nicht angenommen.
- 9
- 2. Der quotale Anteil je Aktie am Unternehmenswert übersteigt die von der Antragsgegnerin angebotene Barabfindung nicht. Aus dem vom Gutachter der Gesellschaft nach dem Ertragswertverfahren ermittelten und vom sachverständigen Prüfer bestätigten Unternehmenswert errechnet sich ein anteiliger Wert je Aktie von 93,65 €. Die Einwände der Antragsteller gegen die Berechnungen sind - wie das Oberlandesgericht zutreffend festgestellt hat - unbegründet.
- 10
- 3. Die angemessene Abfindung ist nach dem höheren Börsenwert der Aktie zu bestimmen, da dieser über dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Schätzwert liegt und keine Marktenge bestand. Der Börsenwert ist grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Maßnahme zu ermitteln. Soweit der Senat bisher vertreten hat, der Referenzzeitraum sei auf den Tag der Hauptversammlung als dem Stichtag, an dem die Maßnahme beschlossen wird, zu beziehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), gibt er seine Auffassung auf.
- 11
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289 ff.; BVerfG, ZIP 2007, 175 ff.), der sich der Senat angeschlossen hat (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), ist bei der Bemessung einer Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu berechnende Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung , sondern unter Umständen auch der Börsenwert zu berücksichtigen.
- 12
- b) Soweit es danach auf den Börsenwert ankommt, ist im Regelfall auf den nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurs in einem dreimonatigen Zeitraum vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen. Der Senat hält an der Ansicht nicht fest, der Tag der Hauptversammlung sei maßgeblich, weil die Maßnahme an diesem Tag beschlossen wird. Zwar bezieht sich die Wertermittlung auf dieses Datum. Zur Ermittlung des Börsenwerts taugt der Stichtagswert auch unter Einbeziehung eines Referenzzeitraums aber nicht, weil mit der Ankündigung einer Strukturmaßnahme an die Stelle der Markterwartung hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmenswertes und damit des der Aktie innewohnenden Verkehrswertes die Markterwartung an die Abfindungshöhe tritt.
- 13
- aa) Weder das Grundgesetz noch das Aktiengesetz verlangen, den Referenzzeitraum auf den Tag der Hauptversammlung zu beziehen.
- 14
- (1) Den Stichtag für die Bewertung gibt Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vor. Von Verfassungs wegen kann auch auf einen Durchschnittskurs im "Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" zurückgegriffen werden (BVerfGE 100, 289, 309 f.; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 18). Entscheidend ist allein, dass durch die Wahl des entsprechenden Referenzkurses einem Missbrauch beider Seiten begegnet wird.
- 15
- (2) § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG, nach dem die angemessene Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen muss, verlangt nur, dass auch beim Börsenwert der Aktie, den der Aktionär bei einer freien Deinvestitionsentscheidung erhalten könnte, dieser Zeitpunkt Berücksichtigung findet. Er gibt aber keinen Stichtag für den Referenzzeitraum der Wertermittlung vor.
- 16
- Mit der Einführung der § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG entsprechenden Regelungen in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF zuerst im Aktiengesetz 1965 sollte allerdings eine Berücksichtigung des Börsenwerts überhaupt ausgeschlossen werden. Mit diesen Vorschriften reagierte der Gesetzgeber auf einen zu § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844) geführten Meinungsstreit, den er in dem Sinne der Klarstellung zu entscheiden suchte, dass es für die Bemessung der Barabfindung nicht allein auf den Kurswert der Aktien ankomme (Sitzung des Unterausschusses "Aktienrecht" des Rechtsausschusses vom 4. Dezember 1963, Protokoll Nr. 12, S. 9; außerdem Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 4/3296, S. 48). Bei Schaffung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF begegnete der Gesetzgeber - wie zur gleichen Zeit der Senat (BGH, Urteil vom 30. März 1967 - II ZR 141/64, WM 1967, 479) - einer Bestimmung der Abfindungshöhe nach dem Börsenwert mit Misstrauen.
- 17
- Die geringfügige redaktionelle Anpassung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG an den neuen § 30 UmwG (Ersetzung der Worte "Vermögens- und Ertragslage" durch das Wort "Verhältnisse") durch Artikel 6 Nr. 8 Buchst. a und Nr. 12 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungs- rechts (UmwBerG) vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210) sollte die Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden beseitigen und nur noch den für die Bemessung der Barabfindung entscheidenden Zeitpunkt - auf der Grundlage des damals geltenden Verständnisses für die Unternehmensbewertung - festlegen (BT-Drucks. 12/6699, S. 94 f. mit S. 179).
- 18
- Auch bei der Einführung des § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG durch Artikel 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822), mit dem der Gesetzgeber die Formulierung in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG für die Barabfindung bei der Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär übernahm, wurde kein Stichtag vorgegeben. Der Gesetzgeber bezog sich ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289) (BTDrucks. 14/7034, S. 72). Da das Bundesverfassungsgericht einen Durchschnittskurs "im Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" ausdrücklich zur Diskussion gestellt hatte, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses nicht festlegen wollte, dass der Börsenwert am Tag der Hauptversammlung maßgebend sein sollte.
- 19
- Die Bezugnahme in § 327b Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AktG auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Hauptversammlung bedeutet nicht, dass für die Wertfeststellung auf diesen Stichtag abzustellen ist. Zwischen dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung beziehen muss, und dem Zeitpunkt oder Zeitraum, aus dem die Daten für die Wertermittlung gewonnen werden, ist zu unterscheiden. Der Senat hat bereits wegen der Volatilität des Börsenwertes nicht auf einen Stichtag, sondern auf einen Referenzzeitraum abgestellt (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 118). Auch bei der Ermittlung des quotalen Anteilswertes mit Hilfe fundamentalanalytischer Methoden werden - wie hier - die Werte für den Zeitpunkt der Hauptversammlung aus vergangenen Daten, in der Regel den Werten zum letzten Geschäftsjahreswechsel , auf den Tag der Hauptversammlung durch Aufzinsung hochgerechnet, schon weil bei der Einberufung der Hauptversammlung das Bewertungsgutachten vorliegen und vom sachverständigen Prüfer geprüft sein muss. Auch als Referenzzeitraum kann daher ein anderer Zeitraum als gerade der Zeitraum vor der Hauptversammlung gewählt werden, wenn dieser besser geeignet ist, den Börsenwert der Aktie bei einer fiktiven freien Deinvestitionsentscheidung abzubilden.
- 20
- cc) Der Börsenwert ist nach dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten drei Monate vor der Bekanntmachung, die nicht notwendig eine Bekanntmachung im Sinne des § 15 WpHG sein muss, zu bestimmen, weil dieser Zeitraum besser geeignet ist, den Verkehrswert der Aktie zu ermitteln, als ein mit dem Tag der Hauptversammlung endender Referenzzeitraum , solange die Kapitalmarktforschung keine noch besser geeigneten Anhaltspunkte entwickelt.
- 21
- (1) Der Tag der Hauptversammlung liegt zwar besonders nahe an dem nach § 327b AktG für die Bewertung maßgebenden Tag, ist aber als Stichtag des Referenzzeitraums nicht geeignet, weil der Börsenkurs in dem Zeitraum davor regelmäßig von den erwarteten Abfindungswerten wesentlich bestimmt wird und weil mit einer Bemessung nach dieser Referenzperiode nicht mehr der Verkehrswert der Aktie entgolten wird. Den Minderheitsaktionären ist das zu ersetzen, was sie ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme bei einem Verkauf des Papiers erlöst hätten (BVerfGE 100, 289, 308). Abfindungswertspekulationen mögen zwar bei einem Börsenkurs unter dem Ertragswert in einem gewissen Umfang noch ein Abbild von Angebot und Nachfrage darstellen, soweit sie die Erwartung widerspiegeln , dass in einem Spruchverfahren eine höhere Bewertung des Unternehmens erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 121). Sie beruhen aber auch auf der Erwartung, dass der Zahlungspflichtige sich die Strukturmaßnahme und ihre Durchführung etwas kosten lässt.
- 22
- Von der Mitteilung der angebotenen Abfindung an, also spätestens mit der Einberufung der Hauptversammlung, die in aller Regel innerhalb des Dreimonatszeitraums liegt, nähert sich der Börsenwert dem angekündigten Abfindungswert. Dabei wird er in der Erwartung eines Aufschlags im Spruchverfahren oder - als Lästigkeitswert - im Anfechtungsprozess häufig leicht überschritten (KG, ZIP 2007, 75, 77; OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 288). Der angebotene Preis für die Aktie wird sicher erreicht, ungewiss ist lediglich, ob und in welcher Höhe im Spruchverfahren oder schon im Anfechtungsprozess ein Aufschlag durchzusetzen ist. Schon vor der Bekanntgabe des Abfindungsangebots ändert sich mit der Bekanntgabe der Maßnahme die Börsenbewertung von der Erwartung an den künftigen Unternehmenswert hin zur Erwartung an die künftige Abfindung oder den künftigen Umtauschkurs , was nicht selten zu heftigen Kursausschlägen führt, weil der Phantasie in beide Richtungen keine Grenzen gesetzt sind (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 283 ff.). Da nur Anfechtungskläger sein kann, wer die Aktien bereits vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hat (§ 245 Nr. 1 AktG), die mit der Bekanntmachung der Abfindungshöhe zeitlich häufig zusammenfällt, beginnt auch die Spekulation auf den Lästigkeitswert bereits mit der Bekanntgabe der Maßnahme.
- 23
- Wenn diese Zeiten in die Referenzperiode einbezogen werden, spiegelt der ermittelte Börsenkurs nicht mehr - wie geboten - den Preis wider, den der Aktionär ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme erlöst hätte und der sich aus Angebot und Nachfrage unter dem Gesichtspunkt des vom Markt erwarteten Unternehmenswertes bildet, sondern den Preis, der gerade wegen der Strukturmaßnahme erzielt werden kann. Für die Entwicklung eines höheren Börsenkurses sorgt insoweit zwar nicht eine gezielte Kursmanipulation einzelner Minderheitsaktionäre , sondern die durch die Strukturmaßnahme geweckte besondere Nachfrage (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 533; ZIP 2010, 274, 278; Koch/Widders, Der Konzern 2007, 351, 353). Diese Nachfrage hat aber mit dem Verkehrswert der Aktie, mit dem der Aktionär für den Verlust der Aktionärsstellung so entschädigt werden soll, als ob es nicht zur Strukturmaßnahme gekommen wäre (BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 16), nichts zu tun.
- 24
- Umgekehrt erleichtert die Einbeziehung des Zeitraums ab Bekanntgabe der Abfindung auch Manipulationen des Börsenkurses nach unten z.B. durch Bekanntgabe eines bewusst zu niedrigen Abfindungsangebots. Die Nachteile eines auf den Tag der Hauptversammlung bezogenen Referenzzeitraums werden durch den Vorteil der zeitlichen Nähe nicht ausgeglichen. Verbundeffekte der Strukturmaßnahme, deren Berücksichtigung der Senat beim Unternehmensvertrag für die Kursentwicklung nicht ausschließen wollte (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 120), bestehen bei der Aus- schließung nicht. Inwieweit sie und nicht nur Abfindungserwartungen maßgebend sind, ist aber auch beim Unternehmensvertrag oder bei der Verschmelzung nicht zu bestimmen (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532).
- 25
- (2) Zur Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie ist der Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Maßnahme geeigneter (vgl. BVerfG, ZIP 2007, 175, 178). Die Informationspflichten insbesondere nach § 15 WpHG wirken einer verzögerten Bekanntgabe und einer verdeckten Abfindungswertspekulation entgegen. Dieser Zeitpunkt stimmt mit der Einschätzung des Verordnungsgebers in § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO überein, dass ein Referenzzeitraum vor Bekanntgabe des zur Abfindung führenden Vorgangs den Börsenkurs richtig abbildet. In § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO wird ein Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG) zugrunde gelegt, nicht der Zeitraum zwischen Kontrollerlangung und Bekanntgabe der Höhe des Pflichtangebots.
- 26
- Die Orientierung des Referenzzeitraums am Tag der Bekanntmachung trägt weiter dem Umstand Rechnung, dass der Abfindungsvorschlag nach § 327c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 327b Abs. 3, § 327d AktG vor der Hauptversammlung bekannt zu geben ist (Angerer, BKR 2002, 260, 264; Brandi/Wilhelm, NZG 2009, 1408, 1409; Kocher/Widder, Der Konzern 2007, 351, 355; Krieger, BB 2002, 53, 56; Maier-Reimer/Kolb, Festschrift W. Müller 2001 S.93, 104; Veil in Spindler/Stilz, AktG § 305 Rn. 54; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, 3. Aufl. § 305 Rn. 102 a.E.; Widmann/Mayer, UmwG § 30 Rn. 22). Der Wert, der sich bei einem dreimonatigen Referenzzeitraum vor dem Beschluss der Hauptversammlung errechnet, ist zu diesem Zeitpunkt weder bekannt noch vorhersehbar. Er kann weder zur Bestimmung der Höhe des Ab- findungsangebots verwendet noch bekannt gegeben werden. Dagegen kann der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs für drei Monate vor Bekanntgabe der Maßnahme bis zur Mitteilung des Abfindungsangebots ermittelt und bei der Entscheidung über die Höhe des Angebots berücksichtigt werden.
- 27
- Der Einwand, der Hauptaktionär habe es durch die Wahl des Zeitpunkts der Bekanntgabe seines Übernahmebegehrens in der Hand, eine ungünstige Kursentwicklung für sich nutzbar zu machen, steht einer Bestimmung der Referenzperiode an die Zeit vor Bekanntmachung der Maßnahme nicht entgegen. Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG knüpft an das Verlangen des Hauptaktionärs an, der von Gesetzes wegen den Zeitpunkt frei bestimmen kann. Auch andere Strukturmaßnahmen im AktG und dem UmwG sind an die freie Entscheidung der Beteiligten und nicht an das Erreichen einer bestimmten Schwelle oder an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Vor Manipulationsmöglichkeiten durch Auswahl eines besonders günstigen Zeitpunktes sind die Minderheitsaktionäre ohnehin dadurch geschützt, dass die Barabfindung nach § 327b AktG nie geringer sein kann als der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert. Außerdem wirken die sanktionsbewehrten kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten (§ 15 WpHG) einer Manipulation des Bekanntgabezeitpunkts entgegen. Im Übrigen bleibt den Antragstellern im Spruchverfahren unbenommen, konkrete Anhaltspunkte für eine Einflussnahme auf den Aktienkurs im Referenzzeitraum darzulegen.
- 28
- Der Verlegung des Referenzzeitraums auf die Zeit vor der Bekanntmachung der Maßnahme steht auch nicht entgegen, dass sich der Stichtag und der Referenzzeitraum vom Bezugspunkt, dem Tag der Hauptversammlung, entfernen. Das ist keine Besonderheit der Ermittlung des Börsenwerts. Auch der Bezugspunkt für die Ermittlung des Werts der quotalen Unternehmensbeteiligung nach fundamentalanalytischen Methoden und die Aktualität der zugrunde liegenden Daten fallen auseinander.
- 29
- Die Minderheitsaktionäre müssen allerdings davor geschützt werden, dass der mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ermittelte Börsenwert zugunsten des Hauptaktionärs fixiert wird, ohne dass die angekündigte Maßnahme umgesetzt wird, und sie von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden. Das kann dadurch verhindert werden, dass der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochgerechnet wird (vgl. Weber, ZGR 2004, 280, 287), wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme als dem Ende des Referenzzeitraums und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt.
- 30
- c) Die Sache ist dem Oberlandesgericht zur Ermittlung des maßgebenden Börsenwertes zurückzugeben. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der gewichtete Durchschnittskurs drei Monate vor Bekanntgabe der Absicht, die Übertragung zu verlangen, maßgebend ist, und hat mit dem zum Sachverständigen bestellten sachverständigen Prüfer eine Marktenge zutreffend verneint. Der Sachverständige hat nach dem umsatzgewichteten Durchschnittskurs innerhalb von drei Monaten vor Bekanntgabe der Squeezeout -Absicht einen Börsenwert der Aktie von 275,09 € ermittelt, der unter der von der Antragsgegnerin angebotenen Abfindung von 295 € je Aktie liegt. Das Oberlandesgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass zwischen der Ankündigung des Squeeze-out und dem Tag der Hauptversammlung mit neun Monaten bereits ein längerer Zeitraum liegt. Die Entwicklung der allgemeinen oder branchentypischen Aktienkurse in dieser Zeit ist nicht festgestellt, so dass der Senat nicht abschließend entscheiden kann, ob der ermittelte Börsenwert von 275,09 € zugrunde zu legen oder eine Anpassung notwendig ist.
- 31
- 4. Die Abfindung ist nicht, wie das Oberlandesgericht erwogen hat, aus Rechtsgründen auf den mit dem Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG angebotenen Betrag festzusetzen. Das Pflichtangebot errechnet sich nicht ausschließlich nach dem gewichteten inländischen Durchschnittskurs drei Monate vor der Bekanntgabe der Kontrollerlangung (§ 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO), sondern hat auch die höchsten Preise zu berücksichtigen, die der Bieter sechs Monate vor Abgabe des Pflichtangebots gezahlt hat (§ 4 Satz 1 WpÜG-AngVO). Die angemessene Abfindung muss sich nicht an den Preisen orientieren, die vom Antragsgegner anderen Aktionären gezahlt werden oder wurden (BVerfGE 100, 289, 306).
- 32
- 5. Das von der Antragsgegnerin im Zuge der Beendigung des Beschlussmängelstreits unterbreitete Vergleichsangebot hat keine Auswirkungen auf die im Spruchverfahren zuzumessende Barabfindung. Zwar kann ein nachträgliches , höheres und allen außenstehenden Aktionären oder Minderheitsaktionären im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter unterbreitetes Angebot im Spruchverfahren - unter Zurückweisung der Anträge - als angemessene Abfindung berücksichtigt werden, wenn keine höhere angemessene Abfindung ermittelt wird (vgl. OLG München, NZG 2007, 635). Das Angebot der Hauptaktionärin , 395 € zu bezahlen, stand aber unter der Bedingung, kein Spruchverfahren einzuleiten, und betraf die Antragsteller damit nicht. Darauf, ob mit dem Vergleichsangebot einzelnen Aktionären ein ungerechtfertigter Sondervorteil ver- sprochen wurde, kommt es nicht an. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätten die anderen Aktionäre keinen Anspruch darauf, ebenfalls diese ungerechtfertigten Sondervorteile zu erhalten (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2007 - II ZR 184/06, ZIP 2008, 218 Rn. 3).
Goette Reichart Drescher
Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.03.2006 - 82 O 126/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2009 - I-26 W 13/06 AktE -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin hat nach der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der B. AG auf die Antragsgegnerin am 17. Januar 2007 im Spruchverfahren einen Antrag auf die gerichtliche Bestimmung der angemessenen Abfindung und eines angemessenen Ausgleichs nebst Verzinsung einer Erhöhung gestellt. Das Landgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim Kammergericht eingelegt. Die Antragsgegnerin hat Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt, die Gerichtskosten und außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Antragstellerin aufzuerlegen. Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin die im ersten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten der Antragstellerin auferlegt. Außerdem hat es der Antragstellerin die im zweiten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten auferlegt. Wegen der weitergehenden , die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin betreffenden Anschlussbeschwerde hat es die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Insoweit möchte das Kammergericht die Anschlussbeschwerde zurückweisen , weil es die Kostenregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG für abschließend hält. Daran sieht es sich durch den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 9. Juni 2005 - 11 W 30/05 (AG 2005, 853) gehindert.
II.
- 2
- Die Vorlage ist zulässig.
- 3
- 1. Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beurteilen, dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838) angeordnet war. Nach Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGGReformgesetz -FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 eingeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 5 - STOLLWERCK). Das Spruchverfahren wurde 2007 eingeleitet.
- 4
- 2. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof ist auch wegen einer Rechtsfrage zulässig, die die Kostenerstattungspflicht (hier nach § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG bzw. § 13a Abs. 1 FGG) betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 1958 - V ZB 13/58, WM 1958, 1087; Beschluss vom 23. Oktober 1959 - IV ZB 105/59, BGHZ 31, 92, 94; Beschluss vom 6. Oktober 1960 - VII ZB 14/60, BGHZ 33, 205, 206).
- 5
- 3. Das vorlegende Gericht will bei seiner Entscheidung von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen.
- 6
- a) Der vom vorlegenden Kammergericht angeführte Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg ist in einem Spruchverfahren ergangen und beruht auf einer Rechtsauffassung, von der das vorlegende Gericht abweichen will. Eine Abweichung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, nicht zu demselben gesetzlichen Tatbestand ergangen ist, aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 6 - STOLLWERCK; Beschluss vom 25. Juni 2008 - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 5; Beschluss vom 13. März 2006 - II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 Rn. 6). Danach liegen die Vorlagevoraussetzungen vor, obwohl vom vorlegenden Gericht über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren entschieden werden soll, während das Oberlandesgericht Hamburg darüber entschieden hat, wer die außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren zu tragen hat. Das Oberlandesgericht Hamburg hat ange- nommen, dass § 15 SpruchG zu den außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners nicht abschließend und § 13a Abs. 1 FGG über § 17 Abs. 1 SpruchG aF anwendbar sei. Das Kammergericht will dagegen die Regelung in § 15 Abs. 2 bis 4 SpruchG gegenüber § 13a Abs. 1 FGG als abschließend ansehen.
- 7
- Die Vorlagepflicht ist nicht entfallen, weil § 17 Abs. 1 SpruchG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) nunmehr auf das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) verweist und § 13a Abs. 1 FGG aufgehoben wurde. Wenn das vorlegende Gericht von einer Entscheidung zu einem aufgehobenen Gesetz abweichen will, ist die Vorlage allerdings nur zulässig, wenn die frühere Gesetzesfassung weiter anzuwenden ist oder wenn die gleiche Norm ihrem wesentlichen Inhalt nach Bestandteil des geltenden Rechts ist (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1965 - IV ZB 342/65, BGHZ 44, 220, 222 f.). Im Verfahren des Kammergerichts sind § 17 Abs. 1 SpruchG in der seither geltenden Fassung und damit die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) anzuwenden, soweit das Spruchverfahrensgesetz keine Regelung enthält. Außerdem stellt sich die Frage, ob durch eine abschließende Regelung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners ausgeschlossen ist, auch weiterhin. § 81 und § 84 FamFG, die an die Stelle von § 13a Abs. 1 FGG getreten sind, ermöglichen unter bestimmten Umständen, einem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners aufzuerlegen.
- 8
- c) Für die Zulässigkeit der Vorlage ist weiter erforderlich, dass es für die Entscheidung vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die streitige Rechtsfrage ankommt. Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1981- IVb ZB 718/80, BGHZ 82, 34, 36 f.; Beschluss vom 11. Juli 1990 - XII ZB 113/87, BGHZ 112, 127, 129; Beschluss vom 16. Juli 1997 - XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162). Es ist zwar zweifelhaft, ob die Entscheidung über die Anschlussbeschwerde allein von der Geltung von § 13a Abs. 1 FGG für die Kostenentscheidung im Spruchverfahren abhängt. § 13a Abs. 1 Satz 1 sieht nicht vor, dass die außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten bei Misserfolg eines Antrags dem Antragsteller auferlegt werden müssen, sondern regelt die Kostenerstattung nach Billigkeit. Insoweit ist die Ansicht des vorlegenden Gerichts, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage nicht über die Anschlussbeschwerde entscheiden, für die Beurteilung der Zulässigkeit der Vorlage aber bindend.
III.
- 9
- 1. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.
- 10
- Eine Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Spruchverfahren grundsätzlich statthaft. Die Anschlussbeschwerde kann sich auch allein gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung richten. Nach § 20a FGG ist die Kostenentscheidung zwar nicht ohne die Hauptsache anfechtbar. Wenn in der Hauptsache ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt ist, ist eine Anschlussbeschwerde nur wegen der Kosten aber statthaft (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 20a Rn. 9).
- 11
- 2. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin bleibt - soweit der Senat hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin darüber zu entscheiden hat - ohne Erfolg. Im Spruchverfahren können die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners (§ 5 SpruchG) nicht dem Antragsteller auferlegt werden. Eine Erstattung der Kosten des Antragsgegners ist in § 15 SpruchG nicht vorgesehen. § 15 Abs. 4 SpruchG regelt die Kostenerstattung für die außergerichtlichen Kosten abschließend.
- 12
- a) Ob der Antragsteller dem nach § 5 SpruchG bestimmten Antragsgegner im Spruchverfahren außergerichtliche Kosten zu erstatten hat, ist streitig. Teilweise wird angenommen, dass § 15 Abs. 4 SpruchG den § 13a Abs. 1 FGG verdrängt (Meilicke/ Heidel, DB 2003, 2267, 2275; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 21b; Hüffer, AktG, 9. Aufl., Anh. § 305 § 15 SpruchG Rn. 6 für § 81 FamFG); teilweise wird über § 17 Abs. 1 SpruchG aF § 13a Abs. 1 FGG für anwendbar erachtet (Klöcker/Frowein, SpruchG, § 15 Rn. 18; Krieger/Mennicke in Lutter UmwG, 4. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 15; MünchKommAktG /Kubis, 3. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 21; Rosskopf in KK-SpruchG § 15 Rn. 53; Volhard in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 14; Ederle/ Theusinger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 7). Eine vermittelnde Ansicht hält § 15 Abs. 4 SpruchG nur für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten im erstinstanzlichen Verfahren für abschließend, dagegen nicht für die Kosten im Beschwerdeverfahren (Winter in Simon, SpruchG, § 15 Rn. 102 und 103). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren wird eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners teilweise angeordnet (vgl. neben dem OLG Hamburg OLG München, Beschluss vom 3. Februar 2010 - 31 Wx 135/09, juris; OLGR Düsseldorf, 2009, 438, 443; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 12 W 136/04, juris; OLG Zweibrücken, ZIP 2005, 948, 951) und teilweise abgelehnt (vgl. außer dem Kammergericht BayObLG, NZG 2004, 1111, 1114; OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. Mai 2009 - 20 W 13/08, juris).
- 13
- b) § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG regeln die Kostenerstattung im Spruchverfahren abschließend.
- 14
- aa) Für eine abschließende Regelung spricht schon, dass zwischen der Pflicht, die Gerichtskosten zu tragen, und den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller unterschieden wird, ohne die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu erwähnen. Hätten die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners wie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers nach Billigkeit verteilt werden sollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich aufzunehmen oder auf eine Regelung der Erstattung für außergerichtliche Kosten zugunsten des Verweises über § 17 Abs. 1 SpruchG auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu verzichten. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG sind nach Billigkeit die außergerichtlichen Kosten und gegebenenfalls auch verauslagte Gerichtskosten einem Beteiligten aufzuerlegen.
- 15
- Die Ausgestaltung der Kostentragungspflicht in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG spricht ebenfalls dafür, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner nicht erstattet werden. Grundsätzlich hat ein Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (§ 15 Abs. 4 SpruchG), abhängig vom Verfahrensausgang können sie auch dem Antragsgegner auferlegt werden. Gerichtskosten sollen dem Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Verfahrens dagegen nur ausnahmsweise auferlegt werden können (§ 15 Abs. 2 SpruchG). Ihn dann nach Billigkeit darüber hinaus sogar zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners zu verpflichten, passt nicht zu dieser Abstufung des Kostenrisikos.
- 16
- bb) Die Entstehungsgeschichte von § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG stützt dieses Ergebnis. Die Neuregelung des Spruchverfahrens ging unter anderem auf die Emp- fehlung der Regierungskommission „Corporate Governance“ zurück (Neye, NZG 2002, 23; Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des gesell- schaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], BTDrucks. 15/371 S. 1 und S. 11). Die Empfehlung sah vor, dass die Gerichtskosten und die Kosten des gemeinsamen Vertreters von der Gesellschaft getragen werden, die Antragsteller wie bisher von der Gesellschaft Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen können, aber abweichend von der seitherigen Praxis nur noch im Falle ihres Obsiegens. Die außergerichtlichen Kosten der Gesellschaft sollten dagegen wie bisher unabhängig vom Ausgang des Verfahrens bei dieser verbleiben (Be- richt der Regierungskommission „Corporate Governance“, Unternehmensführung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 14/7515 S. 83 f.). Dem entsprechend ging der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG davon aus, dass bis dahin nach § 306 Abs. 7 AktG bzw. 312 UmwG der Antragsgegner bzw. der andere Vertragsteil regelmäßig sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen hatte. Dass der Antragsgegner seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen musste, wurde dabei vorausgesetzt (vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz ], abgedruckt NZG 2002, 25, 31; Regierungsentwurf BTDrucks. 15/371 S. 11).
- 17
- Dem Gesetzgeber erschien eine völlige Änderung der Grundlagen des Verfahrens im Sinne einer Umgestaltung in einen reinen Parteiprozess nach der Zivilprozessordnung nicht als sinnvoll (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 11 f.), und eine Kostenentscheidung nach Obsiegen und Unterliegen sollte nicht getroffen werden , weil den Antragsberechtigten ansonsten in den meisten Fällen das Spruchverfahren wegen des Kostenrisikos faktisch verbaut wäre (Regierungsentwurf BTDrucks. 15/371 S. 17). Die Gerichtskosten sollte nach der Neuregelung weiter grundsätzlich der Antragsgegner tragen, nur ausnahmsweise - etwa bei Rechtsmissbrauch - sollen sie dem Antragsteller auferlegt werden können. Bei den außergericht- lichen Kosten der Antragsteller sollte die Möglichkeit einer stärkeren Differenzierung durch das Gericht eröffnet werden. Grundsätzlich sollten die Antragsteller ihre Kosten selbst tragen. Eine Anordnung der Kostenerstattung durch den Antragsgegner soll aus Billigkeitsgründen in Betracht kommen, insbesondere bei einer deutlichen Erhöhung der Leistung des Antragsgegners (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 17 f.). Daraus, dass den Antragstellern mit der Aufbürdung der eigenen außergerichtlichen Kosten nur ein begrenztes Kostenrisiko auferlegt werden sollte (so ausdrücklich Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 17), lässt sich entnehmen, dass - entsprechend der Empfehlung der Corporate Governance Kommission - die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners bei diesem verbleiben sollten.
- 18
- cc) Eine solche Kostenverteilung entspricht auch dem Zweck der ausdifferenzierten Kostenregelung in § 15 SpruchG. Sie ist ein Ausgleich dafür, dass die Antragsberechtigten die Erfolgsaussichten des Verfahrens nicht notwendig im Voraus abschätzen können. Sie sind nach der Konzeption des Spruchverfahrensgesetzes hinsichtlich der Informationen auf den in § 7 Abs. 3 Satz 1 SpruchG genannten Bericht und den Prüfungsbericht des sachverständigen Prüfers beschränkt, während der Antragsgegner regelmäßig weitergehende Informationen über die zur Bewertung der Angemessenheit der Kompensation heranzuziehenden Umstände besitzt. Dieses informationelle Ungleichgewicht rechtfertigt es, die Antragsberechtigten nur mit einem beschränkten, berechenbaren Kostenrisiko zu belasten. Dass der Antragsgegner seine eigenen außergerichtlichen Kosten - wie auch schon die Gerichtskosten und die Kosten des gemeinsamen Vertreters - tragen muss, ist auch deshalb plausibel , weil der Antragsgegner die Strukturmaßnahme, die regelmäßig in seinem Interesse liegt, nach der gesetzlichen Konzeption zunächst unabhängig von der angemessenen Höhe eines Ausgleichs durchsetzen und die Antragsteller auf das Spruchverfahren verweisen kann. Sie können die Strukturmaßnahme regelmäßig weder wegen der Unangemessenheit der Kompensation noch wegen unzureichender In- formation verhindern, sondern werden auf eine Überprüfung im Spruchverfahren verwiesen (vgl. § 243 Abs. 4 Satz 2, § 304 Abs. 3, § 305 Abs. 5, § 320b Abs. 2, § 327 f AktG, § 14 Abs. 2 UmwG, § 6 Abs. 1 SEAG, § 7 Abs. 1 SCEAG). Da der Antragsgegner die von ihm gewünschte Maßnahme ohne endgültige Klärung der Ausgleichshöhe durchsetzen kann, dürfen die Hürden für ihre nachträgliche Überprüfung nicht zu hoch angesetzt werden.
IV.
- 19
- Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren war durch den Senat unter Aufhebung der unzulässigen Teilkostenentscheidung im Beschluss des Kammergerichts nach § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG zu treffen, weil er nach § 28 Abs. 3 FGG abschließend zu entscheiden hat.
- 20
- 1. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind zwischen den Beteiligten im Verhältnis 24/25 zu 1/25 zu teilen.
- 21
- a) Die Regelung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG zu den Gerichtskosten und der Erstattung außergerichtlicher Kosten gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Der Wortlaut verhält sich dazu zwar nicht. § 15 Abs. 1 Satz 7 SpruchG, der eine Bestimmung zur Gebührenhöhe im Rechtsmittelverfahren enthält, legt aber nahe, dass auch die übrigen Regelungen in § 15 SpruchG für ein Rechtsmittelverfahren gelten sollen. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 15 Abs. 4 SpruchG für das Beschwerdeverfahren Geltung hat. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Spruchverfahrensneuordnungsgesetz soll das Beschwerdegericht im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten die Begründung des Landgerichts auch auf Rechtsfehler überprüfen können (Regie- rungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 18). Zwar trifft der Gedanke, dass die Antragsberechtigten ihre Aussichten im Verfahren nur beschränkt einschätzen können und ein Informationsgefälle besteht, wegen des Vorliegens einer erstinstanzlichen Entscheidung regelmäßig nur noch eingeschränkt zu. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass erst im Rechtsmittelverfahren weitere Informationen eingeholt werden oder dass ein Rechtsmittel des Antragsgegners zu einer Abweisung des Antrags führt. Hinsichtlich der Gerichtskosten sollte ohnehin nicht auf den Erfolg der Anträge abzustellen sein, und ihre außergerichtlichen Kosten sollten die Antragsteller ohne weiteres Kostenrisiko grundsätzlich selbst tragen. Dem widerspräche es, die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach anderen Grundsätzen als die Kosten der ersten Instanz zu verteilen.
- 22
- b) Danach sind die Gerichtskosten, soweit die Beschwerde erfolglos war, anteilig nach § 15 Abs. 2 SpruchG der Antragstellerin aufzuerlegen.
- 23
- Der Gesetzgeber ging zwar davon aus, dass die Gerichtskosten nur ausnahmsweise einem Antragssteller aufzuerlegen sind, etwa bei Rechtsmissbrauch (BT-Drucks. 15/371 S. 18). Einem Ausnahmefall wie dem Rechtsmissbrauch steht es nicht schon gleich, wenn ein Rechtsmittel erfolglos ist. Dem Antragsteller können die Gerichtskosten aber auferlegt werden, wenn sein Rechtsmittel bei einer Beurteilung ex ante offensichtlich von vorneherein ohne Erfolgsaussichten war. Das war hier der Fall, weil die Begründung des Antrags den Mindestanforderungen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG eindeutig nicht entsprach und die Antragstellerin mit der Entscheidung des Landgerichts darauf bereits hingewiesen worden war. Zwar sind an die Begründung des Antrags im Spruchverfahren keine besonders strengen Anforderungen zu stellen und muss kein bezifferter Antrag gestellt werden, so dass auch keine Berechnung verlangt werden kann; im Gegenteil sollen die Anforderungen nach der Gesetzesbegründung zum Spruchverfahrensgesetz ausdrücklich nicht überspannt werden (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 13). Mit dem Erfordernis konkreter Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation oder den als Grundlage der Kompensation ermittelten Unternehmenswert sollte verhindert werden, dass Antragsteller - wie dies nicht selten der Fall war - praktisch mit einem Satz und ohne jede sachliche Erläuterung ein aufwendiges und kostenträchtiges Überprüfungsverfahren in Gang setzen können (Regierungsentwurf BTDrucks. 15/371 S. 13).
- 24
- Hier genügt die Anspruchsbegründung diesen Mindestanforderungen nicht. Sie steht einer Antragstellung „in einem Satz“ ohne sachliche Erläuterung gleich. Die Unternehmensbewertung wird nur mit einer pauschalen, nicht näher erläuterten Behauptung als unrichtig gekennzeichnet. Die Antragsbegründung beschränkt sich darauf , den angesetzten Wachstumsabschlag als zu niedrig und einen anderen Wachs- tumsabschlag als „fair“ zu bezeichnen, weil nicht erkennbar sei, warum gerade „in dem aktuellen Marktumfeld und in dieser Sparte mit weniger als der Inflation“ zu rechnen sein sollte; außerdem enthält sie noch eine Frage nach den Unternehmen in einer Vergleichsgruppe.
- 25
- c) Dagegen sind die Gerichtskosten hinsichtlich der Anschlussbeschwerde nach der Regel in § 15 Abs. 2 SpruchG dem Antragsgegner aufzuerlegen. Wie schon aus der unterschiedlichen Fassung von § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG folgt, ist der teilweise Erfolg des Rechtsmittels nicht ausschlaggebend. Gründe für eine ausnahmsweise Belastung der Antragstellerin sind, nachdem die Entscheidung des Landgerichts zu den Gerichtskosten vertretbar war, nicht erkennbar.
- 26
- 2. Für die Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 4 SpruchG besteht keine Veranlassung. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin ist in § 15 SpruchG nicht vorgesehen; § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist - wie dargelegt - nicht anwendbar.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.02.2009 - 102 O 2/09 AktG -
KG, Entscheidung vom 26.05.2011 - 2 W 72/09 -
Ein Beteiligter kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist; die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Beschwerdeanschlussschrift bei dem Beschwerdegericht. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I. Die Deutsch-Atlantische Telegraphen-Gesellschaft (Beteiligte zu 4; künftig: DAT) und die Beteiligte zu 5 (künftig: Altana) schlossen am 16. Mai 1988 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach Zustimmung ihrer Hauptversammlungen am 5. bzw. 14. Juli 1988 am 29. Juli 1988 in das Handelsregister eingetragen worden ist. In dem Vertrag garantiert Altana den außenstehenden Aktionären der DAT für jede Aktie im Nennwert von 50,-- DM einen jährlichen Ausgleich in Höhe des 1,3-fachen der auf eine ihrer Aktien im Nennwert von 50,-- DM entfallenden Dividende. Als Abfindung sollen für zehn Aktien der DAT 13 Aktien der Altana gewährt werden. Wahlweise bietet Altana den DAT-Aktionären den Kauf ihrer Aktien für 550,-- DM pro Stück
an. Entsprechende Rechte der DAT-Aktionäre sind für Aktien mit höheren Nennbeträgen vereinbart.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 halten Ausgleich und Abfindung für unangemessen. Sie verlangen die gerichtliche Festsetzung höherer Leistungen, die sie aus dem Börsenkurs herleiten, zu dem die DAT-Aktie bis zum Beschluß der Hauptversammlung der DAT über die Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag im amtlichen Handel an der Börse gehandelt worden ist.
Nachdem Altana die bis Ende 1987 an DAT erlangte Beteiligung von ca. 91,31 % auf 95,006 % aufgestockt hatte, vollzogen die Gesellschaften die Eingliederung der DAT in Altana, die am 27. August 1990 in das Handelsregister eingetragen worden ist. Als Abfindung hat Altana den außenstehenden Aktionären von DAT 14 Altana-Aktien für zehn DAT-Aktien bzw. - wahlweise - die Übernahme einer DAT-Aktie für 600,-- DM angeboten. Das mit dem Ziel einer Erhöhung der Abfindung anhängig gemachte Spruchstellenverfahren ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Mai 2000 (19 W 5/93) abgeschlossen worden, das den DAT-Aktionären eine Zuzahlung von 43,45 DM für je 0,1 Altana-Aktien zugesprochen hat.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die Anträge nach Einholung eines Gutachtens zur Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung mit Beschluß vom 16. Dezember 1992 zurückgewiesen. Die Berücksichtigung des Börsenkurses hat es abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 mit Beschluß vom 2. August 1994 mit der Maßgabe einer Zuzahlung von 35,60 DM je 0,1 Altana-Aktie zurückgewiesen. Eine Berücksichtigung des Börsenkurses hat es ebenfalls abgelehnt. Auf
die Verfassungsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 27. April 1999 (1 BvR 1613/94, ZIP 1999, 1436) die Entscheidung des Beschwerdegerichts mit der Begründung aufgehoben, sie verletze die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Börsenkurs der DAT-Aktie bei der Bemessung von Ausgleich und Abfindung nicht berücksichtigt worden sei.
Das Beschwerdegericht hat nunmehr die sofortigen Beschwerden dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es meint, Barabfindung und Umtauschverhältnis müßten unter Berücksichtigung des für den Tag der Beschlußfassung der Hauptversammlung der DAT maßgebenden Börsenkurses der DAT-Aktie festgesetzt werden. Daran sieht es sich jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2000 (DB 2000, 709) gehindert, das als Referenzkurs das Mittel der Börsenkurse zugrunde gelegt hat, die in dem vor dem Beschluß der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft liegenden Zeitraum von etwa acht Monaten festgesetzt worden sind.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie die Beteiligten zu 4 und 5 lehnen übereinstimmend die Zugrundelegung eines Stichtagskurses ab. Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 4 und 5 sehen in einem Wertverhältnis von 20,2 AltanaAktien zu zehn DAT-Aktien eine tragfähige Basis für eine Abfindung, wobei die Beteiligte zu 1 die Kurse der Jahre 1986 bis 1988 zugrunde legt, die Beteiligten zu 4 und 5 die Kurse des Jahres 1988 ausklammern möchten. Der Beteiligte zu 2 möchte für die Ermittlung der Durchschnittswerte nur eine relativ kurze Zeitspanne berücksichtigen.
II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG sind aus den vom Beschwerdegericht in seinem Vorlagebeschluß angeführten Gründen gegeben.
Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 4 und 5 fehlt es an diesen Voraussetzungen nicht deswegen, weil durch die im Jahre 1990 vorgenommene Eingliederung während des Spruchstellenverfahrens der Unternehmensvertrag beendet worden ist und die Aktien der Beteiligten zu 1 bis 3 auf die Beteiligte zu 5 als Hauptgesellschaft übergegangen sind (§ 320 a Satz 1 AktG).
1. Die Eingliederung hat den Unternehmensvertrag nur mit Wirkung für die Zukunft beendet. Für die Zeit vom 29. Juli 1988 bis zum 27. August 1990 bleibt er hingegen bestehen. Für diesen Zeitraum steht den außenstehenden Aktionären der DAT ein angemessener Ausgleich zu. Stellt das Gericht fest, daß der nach dem Vertrag zu gewährende Ausgleich den Anforderungen der Angemessenheit nicht entspricht, hat es den Unternehmensvertrag für den Zeitraum seines Bestehens umzugestalten und einen angemessenen - höheren - Ausgleich festzusetzen. Die Eingliederung hat auf diesen Verfahrensablauf und sein Ergebnis keinen Einfluß. Hat der andere Vertragsteil den vertraglich vereinbarten Ausgleichsanspruch bereits erfüllt, muß er die Differenz zu dem durch das Gericht festgesetzten Ausgleich nachentrichten (allgemeine Meinung, vgl. Koppensteiner in: KK z. AktG, 2. Aufl. § 304 Rdn. 66).
Wie der Senat bereits entschieden hat, bleibt auch der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre bestehen, wenn der Unternehmensvertrag während des Spruchstellenverfahrens beendet wird (BGHZ 135, 374 - Guano).
2. Anders als die Beteiligten zu 4 und 5 offenbar meinen, entfällt mit der Eingliederung auch nicht die Sachbefugnis der Beteiligten zu 1 bis 3. Allerdings verlieren die außenstehenden Aktionäre mit dem vom Gesetz (§ 320 a Satz 1 AktG) angeordneten Übergang der Aktien auf die Hauptgesellschaft ihre Mitgliedschaftsrechte. Aktienurkunden verbriefen nach § 320 a Satz 2 AktG bis zu ihrer Aushändigung an die Hauptgesellschaft nur einen - auf den für die Eingliederung maßgebenden Zeitpunkt bezogenen - Anspruch auf Abfindung. Wäre diese Regelung so zu verstehen, daß die außenstehenden Aktionäre mit der Eingliederung ihren Anspruch auf den angemessenen Ausgleich und die angemessene Abfindung, die ihnen aus Anlaß des abgeschlossenen Unternehmensvertrages zustehen und die vom Gericht im bereits rechtshängigen Spruchstellenverfahren noch festgesetzt werden müßten, verlieren, würde sie gegen das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen (vgl. für die Abfindung Hüffer, AktG 4. Aufl. § 305 Rdn. 4 b). Dieses Verständnis wäre mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung von Ausgleich und Abfindung nicht in Einklang zu bringen. Das Ziel des Ausgleichs, den von den außenstehenden Aktionären erlittenen Verlust ihrer mitgliedschaftlichen Vermögensrechte zu kompensieren, würde verfehlt, wenn diese Leistung ersatzlos entfallen würde. Der Abfindungsanspruch , der den Verlust der mit der Mitgliedschaft verbundenen Herrschafts - und vom Ausgleich nicht erfaßten Vermögensrechte ausgleichen soll, würde entwertet, wenn er den außenstehenden Aktionären nicht in den vom Gesetz (§ 305 AktG) festgelegten Grenzen zustünde. Dazu gehört nicht nur die Art des Anspruchs (Abs. 2), sondern auch der zeitliche Rahmen, in dem er geltend gemacht werden kann (Abs. 4), und der Zeitpunkt, der für seine Bemessung maßgebend ist (Abs. 3 Satz 2; vgl. dazu BGHZ 135, 374, 378 ff. - Guano). Fällt beispielsweise die Bewertung der Abfindung für den Zeitpunkt,
der für den Unternehmensvertrag maßgebend ist, günstiger aus als für den der Eingliederung und würde eine Abfindung nur aus Anlaß der Eingliederung gewährt , obwohl die Frist für die Geltendmachung des aus dem Unternehmensvertrag folgenden Abfindungsanspruchs (§ 304 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 305 Abs. 5 Satz 4 AktG) noch nicht abgelaufen ist, würden die außenstehenden Aktionäre in ihren Eigentumsrechten verletzt. Die Regelung der §§ 304 f., 320 a AktG ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß das Recht der außenstehenden Aktionäre auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs bzw. einer angemessenen Abfindung auch dann bestehen bleibt, wenn die abhängige AG während des Spruchstellenverfahrens in die herrschende AG eingegliedert wird (i.E. ebenso OLG Düsseldorf, AG 1995, 85, 86; OLG Celle, AG 1973, 405, 406; Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 304 Rdn. 64; Hüffer, AktG aaO § 305 Rdn. 4 b; Geßler in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG § 304 Rdn. 134; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre 1979, S. 48; a.A. Hengeler, FS Möhring 1975, S. 197, 200).
Soweit die Beteiligten zu 4 und 5 den Beteiligten zu 1 bis 3 infolge der Eingliederung bereits eine Abfindung geleistet haben und sich herausstellen sollte, daß die aus dem Unternehmensvertrag zu leistende Abfindung für die außenstehenden Aktionäre günstiger ist, ist die frühere Leistung anzurechnen.
III. Die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 sind zulässig (§§ 306 Abs. 2, 99 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 99 Abs. 1 AktG, 28 Abs. 2 FGG). Sie sind auch begründet.
1. Das Landgericht ist auf der Grundlage von zwei gutachterlichen Unternehmensbewertungen , die zu einem Umtauschverhältnis von 1:1,28 bzw. 1:1,12 gekommen sind, zu dem Ergebnis gelangt, daß das im Unternehmensvertrag für den variablen Ausgleich und die Abfindung zugrunde gelegte Umtauschverhältnis von 1 (DAT-Aktie) zu 1,3 (Altana-Aktien) angemessen ist. Aus diesem Grunde hat es die Anträge der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen. Eine Berücksichtigung des Börsenkurses als Ermessensgrundlage hat es in Übereinstimmung mit der im Zeitpunkt seiner Entscheidung in Rechtsprechung und Lehre vertretenen allgemeinen Ansicht ausdrücklich abgelehnt. Das steht nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999 - 1 BvR 1613/94 (ZIP 1999, 1436) und vom 8. September 1999 - 1 BvR 301/89 (ZIP 1999, 1804) in Widerspruch zu der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des Landgerichts ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
2. Wie bereits das Oberlandesgericht in seinem vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Beschluß ausgeführt hat, kann dem Vortrag der Beteiligten nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, ob es sich bei Altana um eine von einem anderen Unternehmen abhängige AG handelt oder ob sie unabhängig ist. Da das in Betracht kommende herrschende Unternehmen - die Erben nach Dr. H. Q. - keine AG oder KGaA ist, können als Abfindungsregelungen nur diejenigen der Nr. 1 oder Nr. 3 des § 305 Abs. 2 AktG angewandt werden. Beide Regelungen sind in dem Unternehmensvertrag vom 16. Mai 1988 mit verpflichtender Wirkung getroffen (§§ 4, 5 des Vertrages). Wie das Oberlandesgericht seinerzeit zu Recht ausgeführt hat, kann die Frage der Unabhängigkeit oder Abhängigkeit der Altana daher offenbleiben.
3. Maßgebend für den im Unternehmensvertrag festgelegten variablen Ausgleich ist die Angemessenheit des Umrechnungsverhältnisses im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 3 AktG. Es ist unter Berücksichtigung des Börsenkurses der Aktien festzustellen (BVerfG, Beschl. v. 8. September 1999 - 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804, 1805 - Hartmann & Braun). Für die Bestimmung der Abfindung in Aktien ist die Verschmelzungswertrelation im Sinne des § 305 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG, für die Angemessenheit der Barabfindung die Regelung des § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG zugrunde zu legen. Bei der Bestimmung dieser Abfindung ist ebenfalls der Börsenwert der Aktien zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 27. April 1999 - 1 BvR 1613/94, ZIP 1999, 1436, 1440 ff. - DAT-Altana).
a) Die Barabfindung im Sinne des § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nur dann angemessen, wenn dem außenstehenden Aktionär eine volle Entschädigung gewährt wird. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999 (aaO S. 1441) ist der Verkehrswert der Aktie die untere Grenze des dem Aktionär zu zahlenden Entschädigungsbetrages. Er wird als ein Wert verstanden, der durch die Verkehrsfähigkeit der Aktie geprägt wird und dem Betrag entspricht, den der Aktionär aufgrund der Möglichkeit, sie frei zu veräußern , auf dem dafür relevanten Markt zu erzielen vermag. Der Verkehrswert der Aktie ist, wie das Bundesverfassungsgericht weiter ausgeführt hat, in der Regel mit dem Börsenwert identisch. Da er stets die untere Grenze der wirtschaftlich vollen Entschädigung bildet, muß dem außenstehenden Aktionär grundsätzlich mindestens der Börsenwert als Barabfindung gezahlt werden.
Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (aaO S. 1442) gibt weiter vor, daß bei der Abfindung in Aktien der herrschenden Gesellschaft der für die
Bestimmung der Verschmelzungswertrelation erforderlichen Unternehmensbewertung der - börsennotierten - abhängigen Gesellschaft der Börsenwert grundsätzlich als Untergrenze der Bewertung zugrunde zu legen ist. Aus dieser Vorgabe folgt, daß bei der Verschmelzungswertrelation (vgl. § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG) die Summe der Verkehrswerte der Aktien der abhängigen Gesellschaft als untere Grenze des Unternehmenswertes maßgebend ist. Da der Verkehrswert in der Regel mit dem Börsenwert identisch ist, ergibt sich daraus, daß Ausgangspunkt für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation auf seiten der beherrschten Gesellschaft grundsätzlich die Summe der Börsenwerte der Aktien dieser Gesellschaft ist.
Die Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert beruht auf der Annahme , daß die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Gesellschaftsunternehmens , um dessen Aktien es geht, zutreffend bewertet, der Erwerber von Aktien sich an dieser Einschätzung durch den Markt orientiert und sich daher Angebot und Nachfrage danach regulieren, so daß sich die Marktbewertung in dem Börsenkurs der Aktien niederschlägt (vgl. dazu Fleischer, ZGR 2001, 1, 27 f.). Beabsichtigt ein anderes - herrschendes - Unternehmen, sich dieses Gesellschaftsunternehmen mit seiner Ertragskraft im Rahmen eines Unternehmensvertrages zunutze zu machen, muß es bei der Verwirklichung seiner Intentionen diese Wertschätzung des Marktes akzeptieren und daran die Abfindung der außenstehenden Aktionäre ausrichten, die sich zum Ausscheiden aus der sich in die Abhängigkeit begebenden Gesellschaft entschließen.
Der Börsenwert kommt als Untergrenze der Barabfindung bzw. der Bewertung bei der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation nicht in Betracht, wenn er den Verkehrswert der Aktien nicht widerspiegelt. Das kommt sowohl bei der Barabfindung als auch bei der Abfindung in Aktien grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn über einen längeren Zeitraum mit Aktien der Gesellschaft praktisch kein Handel stattgefunden hat, aufgrund einer Marktenge der einzelne außenstehende Aktionär nicht in der Lage ist, seine Aktien zum Börsenpreis zu veräußern oder der Börsenpreis manipuliert worden ist (BVerfG aaO, S. 1442). In diesen Fällen muß der Verkehrswert des Gesellschaftsunternehmens im Wege der Schätzung (§§ 287 Abs. 2 ZPO, 738 Abs. 2 BGB) nach einer der anerkannten betriebswirtschaftlichen Methoden ermittelt werden.
Der Börsenwert der Aktie sowie der daraus gebildete Börsenunternehmenswert können mit dem nach § 287 Abs. 2 ZPO ermittelten Unternehmenswert sowie der quotal darauf bezogenen Aktie übereinstimmen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Ansätze, die der Bewertung durch den Markt und der Preisbemessung bei der Unternehmensveräußerung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20. September 1971 - II ZR 157/68, WM 1971, 1450; v. 24. September 1984 - II ZR 256/83, WM 1984, 1506) sowie der Wertermittlung durch sachverständige Begutachtung (vgl. dazu IDW Standard, Wpg 2000, 825, 827) zugrunde liegen, können diese Werte differieren (vgl. zur Unterschiedlichkeit der Wertvorstellungen Piltz, ZGR 2001, 185, 192 ff.). Da nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Abfindung dem an der Börse gebildeten Verkehrswert aufgrund der Verkehrsfähigkeit der Aktie und der daran zu messenden Entschädigung des Aktionärs der Vorrang gebührt, ist der Minderheitsaktionär unter Berücksichtigung des Verkehrswertes der Aktie abzufinden,
wenn dieser Wert höher ist als der Schätzwert. Ist jedoch der Schätzwert höher als der Börsenwert, steht dem Aktionär der höhere Betrag des quotal auf die Aktie bezogenen Schätzwertes zu.
Diese Grundsätze sind auch für die Bemessung des variablen Ausgleichs im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 2 AktG maßgebend (BVerfG, Beschl. v. 8. September 1999 - 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804 - Hartmann & Braun). Zwar stellt diese Vorschrift anders als § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht auf die dem Umwandlungsgesetz entlehnte Verschmelzungswertrelation, sondern auf ein "angemessenes Umrechnungsverhältnis" ab. Die Grundlagen für diese Bemessung stimmen jedoch mit denen der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation überein (vgl. Kropff, AktG 1965, S. 395).
b) Nach den bereits zitierten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts verlangt Art. 14 Abs. 1 GG nicht, daß als Untergrenze der Barabfindung sowie der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses auf seiten der beherrschten Gesellschaft der Börsenkurs zum Bewertungsstichtag gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG maßgebend sein muß. Das entscheidende Gericht könne auch auf einen Durchschnittskurs im Vorfeld der Bekanntgabe des Unternehmensvertrages zurückgreifen. Zwar schreibe das Gesetz vor, die angemessene Barabfindung müsse die Verhältnisse der AG "im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung" über den Vertrag - das gleiche gilt für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation und des angemessenen Umtauschverhältnisses - berücksichtigen. Zu den im Berücksichtigungszeitpunkt maßgeblichen Verhältnissen gehöre jedoch nicht nur der Tageskurs, sondern auch ein auf diesen Tag bezogener Durchschnittswert.
Nach diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben kommen für die Festsetzung der angemessenen Barabfindung bzw. die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation und des angemessenen Umtauschverhältnisses sowohl der Börsenkurs zum Stichtag der Hauptversammlung als auch ein auf den Stichtag bezogener Durchschnittskurs in Betracht, der aus den für einen bestimmten Zeitraum festgestellten Kursen gebildet wird (zu dem Diskussionsstand vgl. Piltz, ZGR 2001, 185, 200 f.). Der Senat sieht sich aus Gründen der Rechtssicherheit veranlaßt, auf einen auf den Stichtag im Sinne des § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG bezogenen Durchschnittskurs abzustellen. Die Befürchtung des Bundesverfassungsgerichts, bei Zugrundelegung des Stichtagsprinzips könnten Marktteilnehmer den Börsenkurs in ihrem Interesse beeinflussen, ist nicht von der Hand zu weisen. Solche Manipulationen werden erheblich erschwert, mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar ausgeschlossen, wenn ein durchschnittlicher Referenzkurs gewählt wird. Da dieser Referenzkurs auf den Tag zu beziehen ist, an dem die Hauptversammlung der beherrschten AG dem Abschluß des Unternehmensvertrages zugestimmt hat, muß er aus den in einem Zeitraum festgestellten und berücksichtigungsfähigen Kursen gebildet werden, der in größtmöglicher Nähe zu diesem Stichtag liegt. Das Erfordernis dieser Nähe läßt es ferner geboten erscheinen, einen relativ kurzen Zeitraum zu wählen. Der Senat hält einen solchen von drei Monaten, der unmittelbar vor der Hauptversammlung der beherrschten AG liegt, für erforderlich, aber auch ausreichend , um den aufgezeigten Gefahren wirksam begegnen zu können. Um einen Referenzkurs zu erlangen, der eine kontinuierliche Entwicklung des Börsenkurses in dem maßgebenden Zeitraum repräsentiert, müssen außergewöhnliche Tagesausschläge oder sprunghafte Entwicklungen binnen weniger
Tage, die sich nicht verfestigen - gleichgültig, ob es sich um steigende oder fallende Kurse handelt - unberücksichtigt bleiben.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Börsenkurs insbesondere dann die Erwartung von (positiven) Synergieeffekten einschließt, wenn er sich in zeitlicher Nähe des Abschlusses des Unternehmensvertrages, der dazu beschlossenen Zustimmung der Hauptversammlung der daran beteiligten AG oder dazu ergangener ad hoc-Mitteilungen (§ 15 WphG) gebildet hat. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts schließt die Berücksichtigung derartiger Effekte nicht aus, sondern schreibt die Entschädigung zum Börsenkurs als Untergrenze ohne eine derartige Einschränkung vor. Bestätigt wird das durch die Erwägung in den Beschlußgründen, die Minderheitsaktionäre dürften nicht weniger erhalten als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages erlangt hätten (Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1440).
Gegen die Berücksichtigung dieser Effekte können keine Einwände erhoben werden. Sog. unechte Verbundvorteile (vgl. dazu Werner in: FS Steindorff 1990, S. 301, 315; auch IDW Standard, Wpg 2000, 825, 830) fließen ohnehin nach allgemeiner Meinung in den Ertragswert der abhängigen AG ein. Die Berücksichtigung sog. echter Verbundvorteile - also solcher, die das beherrschte Unternehmen nicht allein, sondern nur durch den Hinzutritt des herrschenden Unternehmens erzielen kann - ist zwar in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. dazu die Übersichten bei Hüffer aaO § 305 Rdn. 22; Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 305 Rdn. 33, 34; Fleischer, ZGR 2001, 1, 27; ablehnend BGHZ 138, 136, 140). Allerdings wird auch nachdrücklich die Meinung vertreten, die Vorschrift des § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG schließe sie
keineswegs aus (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht 3. Aufl. M I 7 c - S. 118). Ein Teil des Schrifttums ist ferner der Ansicht , für die Barabfindung sei nicht der die Berücksichtigung der Verbundeffekte ausschließende Grenzpreis, sondern der sie beinhaltende Schiedswert des Unternehmens maßgebend (vgl. die Nachw. bei Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 305 Rdn. 33, 34). Gegen ihre Berücksichtigung wird angeführt, letztlich könne im voraus nicht erkannt werden, bei welcher Gesellschaft die Synergieeffekte auftreten. Das liege schließlich in der Hand des Vorstandes der herrschenden Gesellschaft (Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 305 Rdn. 33, 34).
Gegen die Berücksichtigung dieser Effekte beim Aktienumtausch wird angeführt, die Gleichstellung der Umtauschrelation mit der Wertrelation im Verschmelzungsrecht schließe die echten Verbundeffekte aus. Sie kämen dem einheitlichen Unternehmen zugute, ohne daß festgestellt werden könne, welches der dazu verschmolzenen Unternehmen zu der Entstehung der Synergieeffekte beigetragen habe (Werner in: FS Steindorff aaO S. 316).
Es mag auch im Rahmen eines Unternehmensvertrages Schwierigkeiten bereiten, im einzelnen festzustellen, welche Verbundeffekte bei der beherrschten Gesellschaft eintreten und welche - zusätzlich - dem herrschenden Unternehmen zugute kommen. Es trifft sicher auch zu, daß bei dem Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages Verbundeffekte, die bei der beherrschten Gesellschaft eintreten, dem herrschenden Unternehmen und damit auch den außenstehenden Aktionären der beherrschten Gesellschaft zugute kommen, die durch Tausch seine Aktien erwerben. Sind die Effekte jedoch , was im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen werden kann, bei der
Preisbildung vom Markt berücksichtigt worden, müssen sie sowohl bei der Barabfindung als auch bei der Herstellung der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses im Börsenpreis belassen werden. Denn es kann nicht festgestellt werden, welche Bedeutung ihnen der Markt im einzelnen beigemessen hat und in welchem Umfange sie sich auf den Preis ausgewirkt haben. Da der Markt insoweit eine Bewertung sowohl beim beherrschten als auch beim herrschenden Unternehmen vorgenommen hat, ist die Wertrelation gewahrt. Nachteile erleidet keiner der Aktionäre der beiden Gesellschaften.
Im Schrifttum wird weiter die Ansicht vertreten, "Abfindungsspekulationen" müßten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unberücksichtigt bleiben (Wilm, NZG 1999, 234, 239). Das trifft nur insoweit zu, als sie auf Börsenkursmanipulationen beruhen. Entwickeln sich jedoch höhere Börsenpreise aufgrund der Erwartung der Marktteilnehmer, infolge des Abschlusses des Unternehmensvertrages eine günstige Abfindung erreichen zu können, beruht das einmal auf dem Marktgesetz, daß Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen, zum anderen darauf, daß darin die Einschätzung des Marktes über die zu erwartenden unechten und echten Synergieeffekte zum Ausdruck kommt. In den Beschlußgründen des Bundesverfassungsgerichts wird das mit der Aussage berücksichtigt, die Minderheitsaktionäre dürften nicht weniger erhalten als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Unternehmensvertrages erlangt hätten (Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1440).
c) Das Bundesverfassungsgericht hat weiter ausgeführt, von Verfassungs wegen sei es nicht geboten, zur Feststellung der Verschmelzungswer-
trelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses einen Börsenwert der herrschenden Gesellschaft als Obergrenze der Bewertung dieser Gesellschaft heranzuziehen, weil der abfindungsberechtigte Minderheitsaktionär keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf habe, daß die Aktien der herrschenden Gesellschaft höchstens mit ihrem Börsenkurs bei der Ermittlung der Relation berücksichtigt würden. Das entscheidende Gericht sei daher verfassungsrechtlich nicht gehindert, dem herrschenden Unternehmen einen höheren Wert beizumessen als den Börsenwert (Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1442).
Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts schließen jedoch nicht aus, daß auch der Börsenwert des herrschenden Unternehmens grundsätzlich seinem Verkehrswert entspricht. Er bildet sich unter den gleichen Marktverhältnissen wie derjenige der beherrschten Gesellschaft. Für seine Berücksichtigung im Rahmen der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses gelten die gleichen Überlegungen, die oben für den Börsenwert der beherrschten Gesellschaft zu dem Referenzzeitraum (ein dreimonatiger an den Termin über die Beschlußfassung der Hauptversammlung der AG über den Vertrag heranreichender Zeitraum) und die Verbundeffekte dargelegt worden sind. Die Berücksichtigung dieses Referenzzeitraumes ist grundsätzlich geboten, um möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen für die Bestimmung der Wertrelation zu schaffen (vgl. dazu Piltz, ZGR 2001, 185, 203 f.).
Auch der Börsenwert des herrschenden Unternehmens kann von seinem Verkehrswert abweichen. Zum Nachweis dieser Voraussetzungen genügt jedoch grundsätzlich nicht allein die Einholung eines Sachverständigengutach-
tens über den Unternehmenswert; vielmehr bedarf es der Darlegung und des Beweises von Umständen, aus denen auf die Abweichung des Börsenkurses vom Verkehrswert zu schließen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat als Beispiel die schlechte Verfassung der Kapitalmärkte angeführt. Ein solcher Umstand muß sich nicht nur im Börsenkurs des herrschenden Unternehmens, sondern auch in den Kursen der Indizes (z.B. DAX 30, DAX 100, NEMAX, EUROSTOXY 50) niedergeschlagen haben.
d) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommen eine Abfindung der außenstehenden Aktionäre der DAT in Form der Bar- oder Aktienabfindung und ein variabler Ausgleich nur unter Berücksichtigung des Börsenkurses der Aktie dieser Gesellschaft in Betracht, der sich als Mittelwert der Kurse ergibt, die in der Zeit vom 6. April bis zum 5. Juli 1988 gebildet worden sind.
Der quotal auf eine Aktie im Nennwert von 50,-- DM entfallende Unternehmenswert errechnet sich für den Tag der Hauptversammlung der DAT auf 397,84 DM (40,5 Mio. DM Unternehmenswert dividiert durch 101.800 auf einen Nennwert von 50,-- DM umgerechnete Aktien). Nach den von den Beteiligten zu 4 und 5 zu den Akten gereichten Schaubildern hat sich der Börsenkurs der Aktie in der Zeit von April bis Juli 1988 etwa zwischen 1.000,-- DM und 1.200,-- DM bewegt. Er war somit deutlich höher als der anteilige Unternehmenswert und die von der Beteiligten zu 5 den außenstehenden Aktionären im Unternehmensvertrag (550,-- DM) und aus Anlaß der Eingliederung (600,-- DM) unterbreiteten Barabfindungsgebote. Die Aktien der Altana haben sich in dem fraglichen Zeitraum in einer Größenordnung von etwa 330,-- DM bis 360,-- DM bewegt. Legt man hier für beide Börsenkurse einen Durch-
schnittswert zugrunde, ergibt sich ein wesentlich höheres Umtauschverhältnis als in den Sachverständigengutachten festgestellt worden ist.
Die Beteiligten zu 4 und 5 haben nicht dargelegt, daß in der fraglichen Zeit beim Börsenhandel mit DAT eine Marktenge bestanden hat, die lediglich einen marginalen Handel mit diesen Aktien ermöglicht hätte, so daß der aufgrund derartiger Marktumstände gebildete Börsenpreis den Verkehrswert der Aktie nicht widerspiegeln könne. Der Handel mit DAT-Werten hat nach ihrem Vorbringen in dem Bezugszeitraum zu keinem Zeitpunkt über längere Zeit geruht. Er hat im Jahre 1988 im April an 15, im Juni an neun und im Mai und Juli an jeweils acht Tagen stattgefunden. Es ist nicht erkennbar, daß das für den Handel verfügbare Volumen geringer als 5 % gewesen wäre. Die Beteiligte zu 5 hatte Ende 1987 erst eine Beteiligung von 91,31 % erreicht, so daß noch 8,69 % der Aktien der DAT im freien Handel verfügbar waren. Daß sich die Umsätze im Jahre 1988 nur zwischen 2,5 % und 3,7 % des Aktienbestandes der DAT bewegt haben, wie die Beteiligten zu 4 und 5 vorgetragen haben, ist für sich genommen nicht erheblich. Schematisierende Betrachtungen, die ein Mindesthandelsvolumen von 3 % bis 5 % und einen Handel an mindestens jedem zweiten Tage im Monat fordern (so Wilm, NZG 1999, 234, 238 f.), erscheinen dem Senat nicht gerechtfertigt (ablehnend auch Piltz, ZGR 2001, 185, 202 f.). Grundsätzlich kommt ebensowenig ein Referenzzeitraum von mehr als drei Monaten, insbesondere von mehr als sechs Monaten (so Wilm aaO S. 239 und Luttermann, ZIP 1999, 45, 51), mit Rücksicht auf die oben angestellten Überlegungen in Betracht. Auch das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen (Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1443), es sei nicht ersichtlich , daß es der Beteiligten zu 1 unmöglich gewesen sei, ihre Aktien zu Börsenpreisen zu veräußern. Das gilt insbesondere auch für den Zeitraum von
April bis Juli 1988, und zwar nicht nur für die Beteiligte zu 1, sondern auch für die Beteiligten zu 2 und 3 sowie die übrigen außenstehenden Aktionäre.
4. Die Beteiligten zu 4 und 5 nehmen für sich einen Vertrauensschutz in Anspruch. Sie sind der Ansicht, sie hätten auf die bisherige Rechtsprechung zur Abfindung und zum variablen Ausgleich, die den Börsenkurs nicht berücksichtigt habe, vertrauen dürfen. Die geänderte Rechtsprechung, die sich zu ihrem Nachteil auswirke, könne im vorliegenden Fall nicht angewandt werden, weil sie nicht vorhersehbar gewesen sei und ihnen auch nicht zugemutet werden könne.
Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung eines solchen Vertrauensschutzes abgelehnt. Allerdings ist es richtig, daß die Beteiligten zu 4 und 5 aufgrund der bisherigen Rechtsprechung davon ausgehen konnten, daß der Börsenpreis weder bei der Barabfindung noch bei der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses berücksichtigt würde (vgl. die Übersicht bei Hüffer aaO § 305 Rdn. 20 a). Die kritischen Stimmen, die sich dagegen im Schrifttum erhoben haben, reichen in die Zeit des Vertragsschlusses sowie des Beginns der Rechtshängigkeit des Spruchstellenverfahrens nicht zurück, sondern sind sämtlich jüngeren Datums (Emmerich/Habersack, KonzernR 1998, § 305 Rdn. 35 m.w.N. in Fn. 55; Nachw. bei Hüffer aaO § 305 Rdn. 20 a). Die neuere Rechtsprechung hat darauf zurückhaltend reagiert und den Börsenkurs allenfalls für Ausnahmefälle anerkannt (vgl. BayObLGZ 1998, 231, 237 ff.).
Die Hinnahme dieser Rechtsprechungsänderung kann den Beteiligten zu 4 und 5 jedoch zugemutet werden. In der Rechtsprechung ist es anerkannt,
daß die sog. unechte Rückwirkung infolge einer Ä nderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Privatrecht nur in sehr engen Grenzen, und zwar nur dann eingeschränkt wird, wenn sie zur Beendigung eines - in der Regel Versorgungscharakter tragenden - Dauerschuldverhältnisses führen würde oder für den davon Betroffenen existenzbedrohende Auswirkungen hätte (vgl. BVerfGE 74, 129; BAGE 66, 228, 236 ff.; BGHZ 65, 190, 194 f.; 114, 127, 136 f.; 132, 119, 131 f.). Vergleichbare Auswirkungen sind bei den Beteiligten zu 4 und 5 nicht gegeben.
5. Der sofortigen Beschwerde ist somit stattzugeben. Der Senat sieht sich jedoch nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen. Vielmehr bedarf es noch der Feststellung der Börsenwerte für die Aktien der Beteiligten zu 4 und 5 für den maßgebenden Referenzzeitraum, damit die Durchschnittswerte unter Eliminierung positiver oder negativer Kurssprünge ermittelt werden können. Nach dem Vortrag der Parteien sind die Aktien der DAT sowohl an der Börse in Frankfurt als auch in Düsseldorf gehandelt worden. Um zu erreichen, daß ein möglichst ausgeglichenes Durchschnittsergebnis für
den Referenzzeitraum festgestellt wird, sind die Kurse beider Börsen zu ermitteln und ein Durchschnittskurs aus den Kursfestsetzungen beider Börsen zu errechnen.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke
(1) Das Gericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluss.
(2) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein. Kommt eine solche Einigung aller Beteiligten zustande, so ist hierüber eine Niederschrift aufzunehmen; die Vorschriften, die für die Niederschrift über einen Vergleich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten, sind entsprechend anzuwenden. Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
(3) Das Gericht hat seine Entscheidung oder die Niederschrift über einen Vergleich den Beteiligten zuzustellen.
(4) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten
- 1.
dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder - 2.
einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsgegnerin, die Hauptaktionärin der Stollwerck AG (künftig: Gesellschaft ), erlangte am 5. August 2002 die Mehrheit der Aktien. Am 17. September 2002 unterbreitete sie gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG den übrigen Aktionären das öffentliche Pflichtangebot auf Übernahme ihrer Aktien gegen Zahlung von 295 € je Aktie und gab ihre Absicht bekannt, die Übertragung der Aktien der Gesellschaft auf sich zu verlangen (§§ 327a ff. AktG). Die Hauptversammlung der Gesellschaft fasste am 30. April 2003 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen die angebotene Barabfindung von 295 € zu übertragen. Diesem Angebot der Antragsgegnerin lag das Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zugrunde. Der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert je Aktie lag nach dem eingeholten Bewertungsgutachten bei 93,65 €.
- 2
- Das gegen den Übertragungsbeschluss eingeleitete Beschlussmängelstreitverfahren wurde in zweiter Instanz am 5. April 2005 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, Minderheitsaktionären , die innerhalb einer bestimmten Frist auf die Durchführung eines Spruchverfahrens verzichteten, eine Barabfindung von 395 € zu gewähren. Der Übertragungsbeschluss wurde am 6. April 2005 in das Handelsregister eingetragen.
- 3
- Die Antragsteller haben ein Spruchverfahren beantragt. Das Landgericht hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, den Antragstellern fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin auf Zahlung von 395 € hätten annehmen können. Gegen den Beschluss des Landgerichts haben die Antragsteller zu 4 bis 7 sofortige Beschwerde eingelegt, die die Antragstellerin zu 4 zurückgenommen hat. Das Oberlandesgericht (ZIP 2009, 2055) hat den gewichteten Durchschnittskurs der Aktien für den Zeitraum von drei Monaten vor dem 17. September 2002 mit 275,09 €, für den Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung mit 308,86 € ermittelt. Es will die Beschwerden zurückweisen, weil für den Börsenwert der Aktien auf den gewichteten Durchschnittskurs in einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen sei, und hat das Verfahren wegen der Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108) nach § 28 FGG vorgelegt.
II.
- 4
- Die Vorlage ist zulässig.
- 5
- 1. Die Vorlage ist nach § 28 FGG i.V.m. 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG aF statthaft. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz finden in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung. Ist ein Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitet worden, findet auf das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das seinerzeit geltende Verfahrensrecht Anwendung (BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 6 ff.). Das Spruchverfahren wurde bereits im Jahr 2005 eingeleitet.
- 6
- 2. Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig, weil das Oberlandesgericht in einer für seine Entscheidung maßgeblichen Frage von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108 ff.) abweichen will. Dabei steht einer zulässigen Vorlage nicht entgegen, dass diese Entscheidung des Senats die Bemessung der Abfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags betraf, während in dem hier zu entscheidenden Fall eine Barabfindung nach § 327b AktG in Rede steht. Eine beabsichtigte Abweichung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung , von der abgewichen werden soll, nicht zu demselben gesetzlichen Tatbestand ergangen ist, aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 5; vom 13. März 2006 - II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 Rn. 6). Sowohl für die Barabfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) als auch bei Ausschließung (§ 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG) sind die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung zu berücksichtigen. Dementsprechend ist auch der für die Bemessung der Abfindung maßgebliche Börsenwert in beiden Fällen nach den gleichen Regeln zu bestimmen.
III.
- 7
- Die Sache ist zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzugeben. Grundsätzlich ist der der Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie aus dem gewichteten Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor der Bekanntgabe einer Strukturmaßnahme zu errechnen. Wenn - wie hier - zwischen der Bekanntgabe der Übertragungsabsicht und dem Beschluss der Hauptversammlung über die Maßnahme ein längerer Zeitraum liegt, ist dieser Wert aber unter Umständen entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Börsenwertentwicklung auf den Beschlusszeitpunkt hochzurechnen. Damit das Oberlandesgericht die dazu erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an das Beschwerdegericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
- 8
- 1. Die Anträge sind zulässig. Ihnen fehlt nicht mit Rücksicht auf das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Antragsteller die Angemessenheit einer angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren auch dann überprüfen lassen, wenn das ursprüngliche Angebot durch einen Vergleich zugunsten aller außenstehenden Aktionäre erhöht worden ist. Die im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter angebotene Erhöhung nimmt den Minderheitsaktionären nicht das Recht, die Angemessenheit der angebotenen Abfindung überprüfen zu lassen (§ 327f Satz 2 AktG). Andernfalls könnte der Antragsgegner durch eine Erhöhung des Angebots auch unter den angemessenen Betrag verhindern, dass die Anteilsinhaber "angemessen" im Sinn des Gesetzes entschädigt werden. Erst recht muss das gelten, wenn - wie hier - das im Vergleichswege unterbreitete Angebot für die Antragsteller des Spruchverfahrens nicht gilt. Das Angebot einer Abfindungszahlung von 395 € je Aktie stand unter der Bedingung, dass der annehmende Aktionär kein Spruchverfahren einleitet, und war befristet. Die Antragsteller haben es nicht angenommen.
- 9
- 2. Der quotale Anteil je Aktie am Unternehmenswert übersteigt die von der Antragsgegnerin angebotene Barabfindung nicht. Aus dem vom Gutachter der Gesellschaft nach dem Ertragswertverfahren ermittelten und vom sachverständigen Prüfer bestätigten Unternehmenswert errechnet sich ein anteiliger Wert je Aktie von 93,65 €. Die Einwände der Antragsteller gegen die Berechnungen sind - wie das Oberlandesgericht zutreffend festgestellt hat - unbegründet.
- 10
- 3. Die angemessene Abfindung ist nach dem höheren Börsenwert der Aktie zu bestimmen, da dieser über dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Schätzwert liegt und keine Marktenge bestand. Der Börsenwert ist grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Maßnahme zu ermitteln. Soweit der Senat bisher vertreten hat, der Referenzzeitraum sei auf den Tag der Hauptversammlung als dem Stichtag, an dem die Maßnahme beschlossen wird, zu beziehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), gibt er seine Auffassung auf.
- 11
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289 ff.; BVerfG, ZIP 2007, 175 ff.), der sich der Senat angeschlossen hat (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), ist bei der Bemessung einer Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu berechnende Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung , sondern unter Umständen auch der Börsenwert zu berücksichtigen.
- 12
- b) Soweit es danach auf den Börsenwert ankommt, ist im Regelfall auf den nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurs in einem dreimonatigen Zeitraum vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen. Der Senat hält an der Ansicht nicht fest, der Tag der Hauptversammlung sei maßgeblich, weil die Maßnahme an diesem Tag beschlossen wird. Zwar bezieht sich die Wertermittlung auf dieses Datum. Zur Ermittlung des Börsenwerts taugt der Stichtagswert auch unter Einbeziehung eines Referenzzeitraums aber nicht, weil mit der Ankündigung einer Strukturmaßnahme an die Stelle der Markterwartung hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmenswertes und damit des der Aktie innewohnenden Verkehrswertes die Markterwartung an die Abfindungshöhe tritt.
- 13
- aa) Weder das Grundgesetz noch das Aktiengesetz verlangen, den Referenzzeitraum auf den Tag der Hauptversammlung zu beziehen.
- 14
- (1) Den Stichtag für die Bewertung gibt Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vor. Von Verfassungs wegen kann auch auf einen Durchschnittskurs im "Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" zurückgegriffen werden (BVerfGE 100, 289, 309 f.; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 18). Entscheidend ist allein, dass durch die Wahl des entsprechenden Referenzkurses einem Missbrauch beider Seiten begegnet wird.
- 15
- (2) § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG, nach dem die angemessene Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen muss, verlangt nur, dass auch beim Börsenwert der Aktie, den der Aktionär bei einer freien Deinvestitionsentscheidung erhalten könnte, dieser Zeitpunkt Berücksichtigung findet. Er gibt aber keinen Stichtag für den Referenzzeitraum der Wertermittlung vor.
- 16
- Mit der Einführung der § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG entsprechenden Regelungen in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF zuerst im Aktiengesetz 1965 sollte allerdings eine Berücksichtigung des Börsenwerts überhaupt ausgeschlossen werden. Mit diesen Vorschriften reagierte der Gesetzgeber auf einen zu § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844) geführten Meinungsstreit, den er in dem Sinne der Klarstellung zu entscheiden suchte, dass es für die Bemessung der Barabfindung nicht allein auf den Kurswert der Aktien ankomme (Sitzung des Unterausschusses "Aktienrecht" des Rechtsausschusses vom 4. Dezember 1963, Protokoll Nr. 12, S. 9; außerdem Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 4/3296, S. 48). Bei Schaffung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF begegnete der Gesetzgeber - wie zur gleichen Zeit der Senat (BGH, Urteil vom 30. März 1967 - II ZR 141/64, WM 1967, 479) - einer Bestimmung der Abfindungshöhe nach dem Börsenwert mit Misstrauen.
- 17
- Die geringfügige redaktionelle Anpassung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG an den neuen § 30 UmwG (Ersetzung der Worte "Vermögens- und Ertragslage" durch das Wort "Verhältnisse") durch Artikel 6 Nr. 8 Buchst. a und Nr. 12 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungs- rechts (UmwBerG) vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210) sollte die Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden beseitigen und nur noch den für die Bemessung der Barabfindung entscheidenden Zeitpunkt - auf der Grundlage des damals geltenden Verständnisses für die Unternehmensbewertung - festlegen (BT-Drucks. 12/6699, S. 94 f. mit S. 179).
- 18
- Auch bei der Einführung des § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG durch Artikel 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822), mit dem der Gesetzgeber die Formulierung in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG für die Barabfindung bei der Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär übernahm, wurde kein Stichtag vorgegeben. Der Gesetzgeber bezog sich ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289) (BTDrucks. 14/7034, S. 72). Da das Bundesverfassungsgericht einen Durchschnittskurs "im Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" ausdrücklich zur Diskussion gestellt hatte, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses nicht festlegen wollte, dass der Börsenwert am Tag der Hauptversammlung maßgebend sein sollte.
- 19
- Die Bezugnahme in § 327b Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AktG auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Hauptversammlung bedeutet nicht, dass für die Wertfeststellung auf diesen Stichtag abzustellen ist. Zwischen dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung beziehen muss, und dem Zeitpunkt oder Zeitraum, aus dem die Daten für die Wertermittlung gewonnen werden, ist zu unterscheiden. Der Senat hat bereits wegen der Volatilität des Börsenwertes nicht auf einen Stichtag, sondern auf einen Referenzzeitraum abgestellt (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 118). Auch bei der Ermittlung des quotalen Anteilswertes mit Hilfe fundamentalanalytischer Methoden werden - wie hier - die Werte für den Zeitpunkt der Hauptversammlung aus vergangenen Daten, in der Regel den Werten zum letzten Geschäftsjahreswechsel , auf den Tag der Hauptversammlung durch Aufzinsung hochgerechnet, schon weil bei der Einberufung der Hauptversammlung das Bewertungsgutachten vorliegen und vom sachverständigen Prüfer geprüft sein muss. Auch als Referenzzeitraum kann daher ein anderer Zeitraum als gerade der Zeitraum vor der Hauptversammlung gewählt werden, wenn dieser besser geeignet ist, den Börsenwert der Aktie bei einer fiktiven freien Deinvestitionsentscheidung abzubilden.
- 20
- cc) Der Börsenwert ist nach dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten drei Monate vor der Bekanntmachung, die nicht notwendig eine Bekanntmachung im Sinne des § 15 WpHG sein muss, zu bestimmen, weil dieser Zeitraum besser geeignet ist, den Verkehrswert der Aktie zu ermitteln, als ein mit dem Tag der Hauptversammlung endender Referenzzeitraum , solange die Kapitalmarktforschung keine noch besser geeigneten Anhaltspunkte entwickelt.
- 21
- (1) Der Tag der Hauptversammlung liegt zwar besonders nahe an dem nach § 327b AktG für die Bewertung maßgebenden Tag, ist aber als Stichtag des Referenzzeitraums nicht geeignet, weil der Börsenkurs in dem Zeitraum davor regelmäßig von den erwarteten Abfindungswerten wesentlich bestimmt wird und weil mit einer Bemessung nach dieser Referenzperiode nicht mehr der Verkehrswert der Aktie entgolten wird. Den Minderheitsaktionären ist das zu ersetzen, was sie ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme bei einem Verkauf des Papiers erlöst hätten (BVerfGE 100, 289, 308). Abfindungswertspekulationen mögen zwar bei einem Börsenkurs unter dem Ertragswert in einem gewissen Umfang noch ein Abbild von Angebot und Nachfrage darstellen, soweit sie die Erwartung widerspiegeln , dass in einem Spruchverfahren eine höhere Bewertung des Unternehmens erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 121). Sie beruhen aber auch auf der Erwartung, dass der Zahlungspflichtige sich die Strukturmaßnahme und ihre Durchführung etwas kosten lässt.
- 22
- Von der Mitteilung der angebotenen Abfindung an, also spätestens mit der Einberufung der Hauptversammlung, die in aller Regel innerhalb des Dreimonatszeitraums liegt, nähert sich der Börsenwert dem angekündigten Abfindungswert. Dabei wird er in der Erwartung eines Aufschlags im Spruchverfahren oder - als Lästigkeitswert - im Anfechtungsprozess häufig leicht überschritten (KG, ZIP 2007, 75, 77; OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 288). Der angebotene Preis für die Aktie wird sicher erreicht, ungewiss ist lediglich, ob und in welcher Höhe im Spruchverfahren oder schon im Anfechtungsprozess ein Aufschlag durchzusetzen ist. Schon vor der Bekanntgabe des Abfindungsangebots ändert sich mit der Bekanntgabe der Maßnahme die Börsenbewertung von der Erwartung an den künftigen Unternehmenswert hin zur Erwartung an die künftige Abfindung oder den künftigen Umtauschkurs , was nicht selten zu heftigen Kursausschlägen führt, weil der Phantasie in beide Richtungen keine Grenzen gesetzt sind (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 283 ff.). Da nur Anfechtungskläger sein kann, wer die Aktien bereits vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hat (§ 245 Nr. 1 AktG), die mit der Bekanntmachung der Abfindungshöhe zeitlich häufig zusammenfällt, beginnt auch die Spekulation auf den Lästigkeitswert bereits mit der Bekanntgabe der Maßnahme.
- 23
- Wenn diese Zeiten in die Referenzperiode einbezogen werden, spiegelt der ermittelte Börsenkurs nicht mehr - wie geboten - den Preis wider, den der Aktionär ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme erlöst hätte und der sich aus Angebot und Nachfrage unter dem Gesichtspunkt des vom Markt erwarteten Unternehmenswertes bildet, sondern den Preis, der gerade wegen der Strukturmaßnahme erzielt werden kann. Für die Entwicklung eines höheren Börsenkurses sorgt insoweit zwar nicht eine gezielte Kursmanipulation einzelner Minderheitsaktionäre , sondern die durch die Strukturmaßnahme geweckte besondere Nachfrage (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 533; ZIP 2010, 274, 278; Koch/Widders, Der Konzern 2007, 351, 353). Diese Nachfrage hat aber mit dem Verkehrswert der Aktie, mit dem der Aktionär für den Verlust der Aktionärsstellung so entschädigt werden soll, als ob es nicht zur Strukturmaßnahme gekommen wäre (BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 16), nichts zu tun.
- 24
- Umgekehrt erleichtert die Einbeziehung des Zeitraums ab Bekanntgabe der Abfindung auch Manipulationen des Börsenkurses nach unten z.B. durch Bekanntgabe eines bewusst zu niedrigen Abfindungsangebots. Die Nachteile eines auf den Tag der Hauptversammlung bezogenen Referenzzeitraums werden durch den Vorteil der zeitlichen Nähe nicht ausgeglichen. Verbundeffekte der Strukturmaßnahme, deren Berücksichtigung der Senat beim Unternehmensvertrag für die Kursentwicklung nicht ausschließen wollte (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 120), bestehen bei der Aus- schließung nicht. Inwieweit sie und nicht nur Abfindungserwartungen maßgebend sind, ist aber auch beim Unternehmensvertrag oder bei der Verschmelzung nicht zu bestimmen (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532).
- 25
- (2) Zur Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie ist der Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Maßnahme geeigneter (vgl. BVerfG, ZIP 2007, 175, 178). Die Informationspflichten insbesondere nach § 15 WpHG wirken einer verzögerten Bekanntgabe und einer verdeckten Abfindungswertspekulation entgegen. Dieser Zeitpunkt stimmt mit der Einschätzung des Verordnungsgebers in § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO überein, dass ein Referenzzeitraum vor Bekanntgabe des zur Abfindung führenden Vorgangs den Börsenkurs richtig abbildet. In § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO wird ein Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG) zugrunde gelegt, nicht der Zeitraum zwischen Kontrollerlangung und Bekanntgabe der Höhe des Pflichtangebots.
- 26
- Die Orientierung des Referenzzeitraums am Tag der Bekanntmachung trägt weiter dem Umstand Rechnung, dass der Abfindungsvorschlag nach § 327c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 327b Abs. 3, § 327d AktG vor der Hauptversammlung bekannt zu geben ist (Angerer, BKR 2002, 260, 264; Brandi/Wilhelm, NZG 2009, 1408, 1409; Kocher/Widder, Der Konzern 2007, 351, 355; Krieger, BB 2002, 53, 56; Maier-Reimer/Kolb, Festschrift W. Müller 2001 S.93, 104; Veil in Spindler/Stilz, AktG § 305 Rn. 54; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, 3. Aufl. § 305 Rn. 102 a.E.; Widmann/Mayer, UmwG § 30 Rn. 22). Der Wert, der sich bei einem dreimonatigen Referenzzeitraum vor dem Beschluss der Hauptversammlung errechnet, ist zu diesem Zeitpunkt weder bekannt noch vorhersehbar. Er kann weder zur Bestimmung der Höhe des Ab- findungsangebots verwendet noch bekannt gegeben werden. Dagegen kann der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs für drei Monate vor Bekanntgabe der Maßnahme bis zur Mitteilung des Abfindungsangebots ermittelt und bei der Entscheidung über die Höhe des Angebots berücksichtigt werden.
- 27
- Der Einwand, der Hauptaktionär habe es durch die Wahl des Zeitpunkts der Bekanntgabe seines Übernahmebegehrens in der Hand, eine ungünstige Kursentwicklung für sich nutzbar zu machen, steht einer Bestimmung der Referenzperiode an die Zeit vor Bekanntmachung der Maßnahme nicht entgegen. Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG knüpft an das Verlangen des Hauptaktionärs an, der von Gesetzes wegen den Zeitpunkt frei bestimmen kann. Auch andere Strukturmaßnahmen im AktG und dem UmwG sind an die freie Entscheidung der Beteiligten und nicht an das Erreichen einer bestimmten Schwelle oder an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Vor Manipulationsmöglichkeiten durch Auswahl eines besonders günstigen Zeitpunktes sind die Minderheitsaktionäre ohnehin dadurch geschützt, dass die Barabfindung nach § 327b AktG nie geringer sein kann als der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert. Außerdem wirken die sanktionsbewehrten kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten (§ 15 WpHG) einer Manipulation des Bekanntgabezeitpunkts entgegen. Im Übrigen bleibt den Antragstellern im Spruchverfahren unbenommen, konkrete Anhaltspunkte für eine Einflussnahme auf den Aktienkurs im Referenzzeitraum darzulegen.
- 28
- Der Verlegung des Referenzzeitraums auf die Zeit vor der Bekanntmachung der Maßnahme steht auch nicht entgegen, dass sich der Stichtag und der Referenzzeitraum vom Bezugspunkt, dem Tag der Hauptversammlung, entfernen. Das ist keine Besonderheit der Ermittlung des Börsenwerts. Auch der Bezugspunkt für die Ermittlung des Werts der quotalen Unternehmensbeteiligung nach fundamentalanalytischen Methoden und die Aktualität der zugrunde liegenden Daten fallen auseinander.
- 29
- Die Minderheitsaktionäre müssen allerdings davor geschützt werden, dass der mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ermittelte Börsenwert zugunsten des Hauptaktionärs fixiert wird, ohne dass die angekündigte Maßnahme umgesetzt wird, und sie von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden. Das kann dadurch verhindert werden, dass der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochgerechnet wird (vgl. Weber, ZGR 2004, 280, 287), wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme als dem Ende des Referenzzeitraums und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt.
- 30
- c) Die Sache ist dem Oberlandesgericht zur Ermittlung des maßgebenden Börsenwertes zurückzugeben. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der gewichtete Durchschnittskurs drei Monate vor Bekanntgabe der Absicht, die Übertragung zu verlangen, maßgebend ist, und hat mit dem zum Sachverständigen bestellten sachverständigen Prüfer eine Marktenge zutreffend verneint. Der Sachverständige hat nach dem umsatzgewichteten Durchschnittskurs innerhalb von drei Monaten vor Bekanntgabe der Squeezeout -Absicht einen Börsenwert der Aktie von 275,09 € ermittelt, der unter der von der Antragsgegnerin angebotenen Abfindung von 295 € je Aktie liegt. Das Oberlandesgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass zwischen der Ankündigung des Squeeze-out und dem Tag der Hauptversammlung mit neun Monaten bereits ein längerer Zeitraum liegt. Die Entwicklung der allgemeinen oder branchentypischen Aktienkurse in dieser Zeit ist nicht festgestellt, so dass der Senat nicht abschließend entscheiden kann, ob der ermittelte Börsenwert von 275,09 € zugrunde zu legen oder eine Anpassung notwendig ist.
- 31
- 4. Die Abfindung ist nicht, wie das Oberlandesgericht erwogen hat, aus Rechtsgründen auf den mit dem Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG angebotenen Betrag festzusetzen. Das Pflichtangebot errechnet sich nicht ausschließlich nach dem gewichteten inländischen Durchschnittskurs drei Monate vor der Bekanntgabe der Kontrollerlangung (§ 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO), sondern hat auch die höchsten Preise zu berücksichtigen, die der Bieter sechs Monate vor Abgabe des Pflichtangebots gezahlt hat (§ 4 Satz 1 WpÜG-AngVO). Die angemessene Abfindung muss sich nicht an den Preisen orientieren, die vom Antragsgegner anderen Aktionären gezahlt werden oder wurden (BVerfGE 100, 289, 306).
- 32
- 5. Das von der Antragsgegnerin im Zuge der Beendigung des Beschlussmängelstreits unterbreitete Vergleichsangebot hat keine Auswirkungen auf die im Spruchverfahren zuzumessende Barabfindung. Zwar kann ein nachträgliches , höheres und allen außenstehenden Aktionären oder Minderheitsaktionären im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter unterbreitetes Angebot im Spruchverfahren - unter Zurückweisung der Anträge - als angemessene Abfindung berücksichtigt werden, wenn keine höhere angemessene Abfindung ermittelt wird (vgl. OLG München, NZG 2007, 635). Das Angebot der Hauptaktionärin , 395 € zu bezahlen, stand aber unter der Bedingung, kein Spruchverfahren einzuleiten, und betraf die Antragsteller damit nicht. Darauf, ob mit dem Vergleichsangebot einzelnen Aktionären ein ungerechtfertigter Sondervorteil ver- sprochen wurde, kommt es nicht an. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätten die anderen Aktionäre keinen Anspruch darauf, ebenfalls diese ungerechtfertigten Sondervorteile zu erhalten (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2007 - II ZR 184/06, ZIP 2008, 218 Rn. 3).
Goette Reichart Drescher
Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.03.2006 - 82 O 126/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2009 - I-26 W 13/06 AktE -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der M. GmbH, die am 24. Juli 2007 auf die Antragsgegnerin verschmolzen wurde, gehörten Ende 2006 4.472.341 (89,1 %) Aktien der K. AG, deren Grundkapital von 13.050.752 € in 5.019.520 Stückaktien eingeteilt war. Am 15. Dezember 2006 gab die K. AG die Kennzahlen des Jahresabschlusses 2005/2006 bekannt, die über den ursprünglichen Erwartungen lagen, und veröffentlichte eine Ad-hocMeldung , wonach der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der M. GmbH und ein Widerruf der Zulassung der Aktien am Amtlichen Markt der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main (reguläres Delisting) beabsichtigt seien. Mit der Veröffentlichung der Einberufung der Hauptversammlung wurde am 5. Januar 2007 mitgeteilt, dass im Beherrschungs - und Gewinnabführungsvertrag ein Ausgleich von 2,23 € brutto je Stückaktie für jedes volle Geschäftsjahr abzüglich Körperschaftssteuer sowie Solidaritätszuschlag und eine Abfindung für die außenstehenden Aktionäre von 27,77 € je Stückaktie vorgesehen waren und die M. GmbH den übrigen Aktionären der K. AG im Zusammenhang mit dem Delisting anbot, die Aktien für 27,77 € je Stückaktie zu erwerben. Die Hauptversammlung vom 16. Februar 2007 stimmte dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu und ermächtigte den Vorstand, den Widerruf der Börsenzulassung zu beantragen. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wurde am 12. März 2007 in das Handelsregister eingetragen und am folgenden Tag bekannt gemacht. Dem Antrag auf Widerruf gab die Frankfurter Wertpapierbörse am 5. April 2007 statt und veröffentlichte den Widerruf am selben Tag in der Börsenzeitung.
- 2
- Die Antragsteller zu 2-28, 31, 34-36 und 38-72 haben die gerichtliche Bestimmung des Ausgleichs, die Antragsteller zu 1-72 die Bestimmung der Abfindung nach dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und die Antragsteller zu 1-4, 10, 14, 15, 25-28, 31-33, 38, 39, 42, 44, 47-54, 61, 63-68 und 71-75 die Bestimmung des Erwerbspreises nach dem Delisting beantragt. Das Landgericht, das alle Verfahren verbunden hat, hat die Anträge der Antragsteller zu 5, 6, 12, 13, 17-21, 31, 39, 55, 56, 63, 64 und 70 insgesamt, die Anträge der Antragsteller zu 3, 4, 38 und 44 hinsichtlich des Delistings und den Antrag der Antragstellerin zu 71 hinsichtlich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zurückgewiesen und festgestellt, dass die Antragstellerinnen zu 22 und 23 ihren Antrag zurückgenommen haben. Im Übrigen hat es die Barabfindung auf Grund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags und den Erwerbspreis aus Anlass des Delistings auf 31,25 € je Stückaktie sowie den festen Ausgleich auf 2,36 € je Stückaktie abzüglich Körperschaftssteuerbelastung einschließlich Solidaritätszuschlag festgesetzt.
- 3
- Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Antragsteller zu 3, 4, 12, 13, 16, 24 bis 28, 34, 35, 40, 42, 44, 47-49, 55, 62-64, 71 und 74 und die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsteller zu 5, 12, 13, 41, 43, 45, 46, 52-54, 57-59, 61, 72 und 73 haben Anschlussbeschwerde eingelegt. Der Antragsteller zu 45 ist während des Beschwerdeverfahrens verstorben.
- 4
- Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2009 die Beschwerde der Antragstellerin zu 71 gegen die Zurückweisung ihres Antrags betreffend den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zurückgewiesen und die Beschwerden und Anschlussbeschwerden im Übrigen dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt, weil es von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Bestimmung des Referenzzeitraums bei der Ermittlung des Börsenwertes von Aktien (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 118) abweichen wollte.
II.
- 5
- Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerden nicht mehr berufen. Die Voraussetzungen für die Vorlage an den Bundesgerichtshof sind inzwischen weggefallen.
- 6
- 1. Die Vorlagevoraussetzungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG entfallen, wenn der Bundesgerichtshof nach dem Vorlagebeschluss die streitige Frage im Sinn des vorlegenden Oberlandesgerichts entscheidet. Die Wahrung der Rechtseinheit, der die Divergenzvorlage dient, erfordert nicht, dass der Bundesgerichtshof die umstrittene Rechtsfrage nochmals entscheidet (BGH, Beschluss vom 7. April 1952 - IV ZB 23/52, BGHZ 5, 356, 358; Beschluss vom 1. Juni 1955 - V ZB 38/54, WM 1955, 1203, 1204; Beschluss vom 27. Juni 1985 - VII ZB 25/84, WM 1985, 1325, 1326; Beschluss vom 25. September 2003 - V ZB 40/03, NJW 2003, 3554, 3555).
- 7
- Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beurteilen , dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838) angeordnet war. Nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 eingeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 5 - STOLLWERCK). Das Spruchverfahren wurde 2007 eingeleitet.
- 8
- 2. Die Rechtsfrage, die der Vorlage zugrunde lag, hat der Senat nach dem Vorlagebeschluss unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 118) im Sinn des Oberlandesgerichts entschieden (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 20 ff. - STOLLWERCK). Danach ist der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme zu ermitteln. Er ist lediglich dann entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochzurechnen, wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht - was hier nicht der Fall ist - und die Entwicklung der Börsen- kurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt. Zwar betraf die Entscheidung des Senats vom 19. Juli 2010 die Abfindung nach der Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär (§ 327b Abs. 1 Satz 1 AktG), während hier die Abfindung nach einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (§ 305 Abs. 1 AktG) und die Höhe des Pflichtangebots nach dem Widerruf der Börsenzulassung auf Veranlassung der Gesellschaft zu bestimmen sind. Trotz des unterschiedlichen Tatbestands ist aber die gleiche Rechtsfrage betroffen. Bei der Barabfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) sind ebenso wie bei der Abfindung nach einer Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär (§ 327b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AktG) die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 6 - STOLLWERCK). Dasselbe gilt - entsprechend diesen Vorschriften und § 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG - bei dem nach der Rechtsprechung des Senats erforderlichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57) Pflichtangebot für den Kauf von Aktien der Minderheitsaktionäre bei einem Delisting, für das nicht auf den bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung noch unbekannten Zeitpunkt des Widerrufs der Börsenzulassung abzustellen ist (Riegger in KK-SpruchG, Anh. § 11 Rn. 5; aA Klöcker/Frowein, Spruchverfahrensgesetz, § 1 Anh. Rn. 2).
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 06.03.2008 - 31 O 32/07 KfH AktG -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.2009 - 20 W 2/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsgegnerin, die Hauptaktionärin der Stollwerck AG (künftig: Gesellschaft ), erlangte am 5. August 2002 die Mehrheit der Aktien. Am 17. September 2002 unterbreitete sie gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG den übrigen Aktionären das öffentliche Pflichtangebot auf Übernahme ihrer Aktien gegen Zahlung von 295 € je Aktie und gab ihre Absicht bekannt, die Übertragung der Aktien der Gesellschaft auf sich zu verlangen (§§ 327a ff. AktG). Die Hauptversammlung der Gesellschaft fasste am 30. April 2003 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen die angebotene Barabfindung von 295 € zu übertragen. Diesem Angebot der Antragsgegnerin lag das Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zugrunde. Der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert je Aktie lag nach dem eingeholten Bewertungsgutachten bei 93,65 €.
- 2
- Das gegen den Übertragungsbeschluss eingeleitete Beschlussmängelstreitverfahren wurde in zweiter Instanz am 5. April 2005 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, Minderheitsaktionären , die innerhalb einer bestimmten Frist auf die Durchführung eines Spruchverfahrens verzichteten, eine Barabfindung von 395 € zu gewähren. Der Übertragungsbeschluss wurde am 6. April 2005 in das Handelsregister eingetragen.
- 3
- Die Antragsteller haben ein Spruchverfahren beantragt. Das Landgericht hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, den Antragstellern fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin auf Zahlung von 395 € hätten annehmen können. Gegen den Beschluss des Landgerichts haben die Antragsteller zu 4 bis 7 sofortige Beschwerde eingelegt, die die Antragstellerin zu 4 zurückgenommen hat. Das Oberlandesgericht (ZIP 2009, 2055) hat den gewichteten Durchschnittskurs der Aktien für den Zeitraum von drei Monaten vor dem 17. September 2002 mit 275,09 €, für den Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung mit 308,86 € ermittelt. Es will die Beschwerden zurückweisen, weil für den Börsenwert der Aktien auf den gewichteten Durchschnittskurs in einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen sei, und hat das Verfahren wegen der Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108) nach § 28 FGG vorgelegt.
II.
- 4
- Die Vorlage ist zulässig.
- 5
- 1. Die Vorlage ist nach § 28 FGG i.V.m. 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG aF statthaft. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz finden in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung. Ist ein Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitet worden, findet auf das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das seinerzeit geltende Verfahrensrecht Anwendung (BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 6 ff.). Das Spruchverfahren wurde bereits im Jahr 2005 eingeleitet.
- 6
- 2. Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig, weil das Oberlandesgericht in einer für seine Entscheidung maßgeblichen Frage von der Entscheidung des Senats vom 12. März 2001 (BGHZ 147, 108 ff.) abweichen will. Dabei steht einer zulässigen Vorlage nicht entgegen, dass diese Entscheidung des Senats die Bemessung der Abfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags betraf, während in dem hier zu entscheidenden Fall eine Barabfindung nach § 327b AktG in Rede steht. Eine beabsichtigte Abweichung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung , von der abgewichen werden soll, nicht zu demselben gesetzlichen Tatbestand ergangen ist, aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 5; vom 13. März 2006 - II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 Rn. 6). Sowohl für die Barabfindung bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) als auch bei Ausschließung (§ 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG) sind die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung zu berücksichtigen. Dementsprechend ist auch der für die Bemessung der Abfindung maßgebliche Börsenwert in beiden Fällen nach den gleichen Regeln zu bestimmen.
III.
- 7
- Die Sache ist zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzugeben. Grundsätzlich ist der der Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie aus dem gewichteten Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor der Bekanntgabe einer Strukturmaßnahme zu errechnen. Wenn - wie hier - zwischen der Bekanntgabe der Übertragungsabsicht und dem Beschluss der Hauptversammlung über die Maßnahme ein längerer Zeitraum liegt, ist dieser Wert aber unter Umständen entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Börsenwertentwicklung auf den Beschlusszeitpunkt hochzurechnen. Damit das Oberlandesgericht die dazu erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an das Beschwerdegericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
- 8
- 1. Die Anträge sind zulässig. Ihnen fehlt nicht mit Rücksicht auf das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Antragsteller die Angemessenheit einer angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren auch dann überprüfen lassen, wenn das ursprüngliche Angebot durch einen Vergleich zugunsten aller außenstehenden Aktionäre erhöht worden ist. Die im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter angebotene Erhöhung nimmt den Minderheitsaktionären nicht das Recht, die Angemessenheit der angebotenen Abfindung überprüfen zu lassen (§ 327f Satz 2 AktG). Andernfalls könnte der Antragsgegner durch eine Erhöhung des Angebots auch unter den angemessenen Betrag verhindern, dass die Anteilsinhaber "angemessen" im Sinn des Gesetzes entschädigt werden. Erst recht muss das gelten, wenn - wie hier - das im Vergleichswege unterbreitete Angebot für die Antragsteller des Spruchverfahrens nicht gilt. Das Angebot einer Abfindungszahlung von 395 € je Aktie stand unter der Bedingung, dass der annehmende Aktionär kein Spruchverfahren einleitet, und war befristet. Die Antragsteller haben es nicht angenommen.
- 9
- 2. Der quotale Anteil je Aktie am Unternehmenswert übersteigt die von der Antragsgegnerin angebotene Barabfindung nicht. Aus dem vom Gutachter der Gesellschaft nach dem Ertragswertverfahren ermittelten und vom sachverständigen Prüfer bestätigten Unternehmenswert errechnet sich ein anteiliger Wert je Aktie von 93,65 €. Die Einwände der Antragsteller gegen die Berechnungen sind - wie das Oberlandesgericht zutreffend festgestellt hat - unbegründet.
- 10
- 3. Die angemessene Abfindung ist nach dem höheren Börsenwert der Aktie zu bestimmen, da dieser über dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Schätzwert liegt und keine Marktenge bestand. Der Börsenwert ist grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Maßnahme zu ermitteln. Soweit der Senat bisher vertreten hat, der Referenzzeitraum sei auf den Tag der Hauptversammlung als dem Stichtag, an dem die Maßnahme beschlossen wird, zu beziehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), gibt er seine Auffassung auf.
- 11
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289 ff.; BVerfG, ZIP 2007, 175 ff.), der sich der Senat angeschlossen hat (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff.), ist bei der Bemessung einer Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu berechnende Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung , sondern unter Umständen auch der Börsenwert zu berücksichtigen.
- 12
- b) Soweit es danach auf den Börsenwert ankommt, ist im Regelfall auf den nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurs in einem dreimonatigen Zeitraum vor der Bekanntmachung der Maßnahme abzustellen. Der Senat hält an der Ansicht nicht fest, der Tag der Hauptversammlung sei maßgeblich, weil die Maßnahme an diesem Tag beschlossen wird. Zwar bezieht sich die Wertermittlung auf dieses Datum. Zur Ermittlung des Börsenwerts taugt der Stichtagswert auch unter Einbeziehung eines Referenzzeitraums aber nicht, weil mit der Ankündigung einer Strukturmaßnahme an die Stelle der Markterwartung hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmenswertes und damit des der Aktie innewohnenden Verkehrswertes die Markterwartung an die Abfindungshöhe tritt.
- 13
- aa) Weder das Grundgesetz noch das Aktiengesetz verlangen, den Referenzzeitraum auf den Tag der Hauptversammlung zu beziehen.
- 14
- (1) Den Stichtag für die Bewertung gibt Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vor. Von Verfassungs wegen kann auch auf einen Durchschnittskurs im "Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" zurückgegriffen werden (BVerfGE 100, 289, 309 f.; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 18). Entscheidend ist allein, dass durch die Wahl des entsprechenden Referenzkurses einem Missbrauch beider Seiten begegnet wird.
- 15
- (2) § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG, nach dem die angemessene Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen muss, verlangt nur, dass auch beim Börsenwert der Aktie, den der Aktionär bei einer freien Deinvestitionsentscheidung erhalten könnte, dieser Zeitpunkt Berücksichtigung findet. Er gibt aber keinen Stichtag für den Referenzzeitraum der Wertermittlung vor.
- 16
- Mit der Einführung der § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG entsprechenden Regelungen in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF zuerst im Aktiengesetz 1965 sollte allerdings eine Berücksichtigung des Börsenwerts überhaupt ausgeschlossen werden. Mit diesen Vorschriften reagierte der Gesetzgeber auf einen zu § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844) geführten Meinungsstreit, den er in dem Sinne der Klarstellung zu entscheiden suchte, dass es für die Bemessung der Barabfindung nicht allein auf den Kurswert der Aktien ankomme (Sitzung des Unterausschusses "Aktienrecht" des Rechtsausschusses vom 4. Dezember 1963, Protokoll Nr. 12, S. 9; außerdem Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 4/3296, S. 48). Bei Schaffung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG aF begegnete der Gesetzgeber - wie zur gleichen Zeit der Senat (BGH, Urteil vom 30. März 1967 - II ZR 141/64, WM 1967, 479) - einer Bestimmung der Abfindungshöhe nach dem Börsenwert mit Misstrauen.
- 17
- Die geringfügige redaktionelle Anpassung der § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG an den neuen § 30 UmwG (Ersetzung der Worte "Vermögens- und Ertragslage" durch das Wort "Verhältnisse") durch Artikel 6 Nr. 8 Buchst. a und Nr. 12 des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungs- rechts (UmwBerG) vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210) sollte die Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden beseitigen und nur noch den für die Bemessung der Barabfindung entscheidenden Zeitpunkt - auf der Grundlage des damals geltenden Verständnisses für die Unternehmensbewertung - festlegen (BT-Drucks. 12/6699, S. 94 f. mit S. 179).
- 18
- Auch bei der Einführung des § 327b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AktG durch Artikel 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822), mit dem der Gesetzgeber die Formulierung in § 305 Abs. 3 Satz 2, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG für die Barabfindung bei der Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär übernahm, wurde kein Stichtag vorgegeben. Der Gesetzgeber bezog sich ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, 289) (BTDrucks. 14/7034, S. 72). Da das Bundesverfassungsgericht einen Durchschnittskurs "im Vorfeld der Bekanntgabe der Maßnahme" ausdrücklich zur Diskussion gestellt hatte, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses nicht festlegen wollte, dass der Börsenwert am Tag der Hauptversammlung maßgebend sein sollte.
- 19
- Die Bezugnahme in § 327b Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AktG auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Hauptversammlung bedeutet nicht, dass für die Wertfeststellung auf diesen Stichtag abzustellen ist. Zwischen dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung beziehen muss, und dem Zeitpunkt oder Zeitraum, aus dem die Daten für die Wertermittlung gewonnen werden, ist zu unterscheiden. Der Senat hat bereits wegen der Volatilität des Börsenwertes nicht auf einen Stichtag, sondern auf einen Referenzzeitraum abgestellt (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 118). Auch bei der Ermittlung des quotalen Anteilswertes mit Hilfe fundamentalanalytischer Methoden werden - wie hier - die Werte für den Zeitpunkt der Hauptversammlung aus vergangenen Daten, in der Regel den Werten zum letzten Geschäftsjahreswechsel , auf den Tag der Hauptversammlung durch Aufzinsung hochgerechnet, schon weil bei der Einberufung der Hauptversammlung das Bewertungsgutachten vorliegen und vom sachverständigen Prüfer geprüft sein muss. Auch als Referenzzeitraum kann daher ein anderer Zeitraum als gerade der Zeitraum vor der Hauptversammlung gewählt werden, wenn dieser besser geeignet ist, den Börsenwert der Aktie bei einer fiktiven freien Deinvestitionsentscheidung abzubilden.
- 20
- cc) Der Börsenwert ist nach dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten drei Monate vor der Bekanntmachung, die nicht notwendig eine Bekanntmachung im Sinne des § 15 WpHG sein muss, zu bestimmen, weil dieser Zeitraum besser geeignet ist, den Verkehrswert der Aktie zu ermitteln, als ein mit dem Tag der Hauptversammlung endender Referenzzeitraum , solange die Kapitalmarktforschung keine noch besser geeigneten Anhaltspunkte entwickelt.
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- (1) Der Tag der Hauptversammlung liegt zwar besonders nahe an dem nach § 327b AktG für die Bewertung maßgebenden Tag, ist aber als Stichtag des Referenzzeitraums nicht geeignet, weil der Börsenkurs in dem Zeitraum davor regelmäßig von den erwarteten Abfindungswerten wesentlich bestimmt wird und weil mit einer Bemessung nach dieser Referenzperiode nicht mehr der Verkehrswert der Aktie entgolten wird. Den Minderheitsaktionären ist das zu ersetzen, was sie ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme bei einem Verkauf des Papiers erlöst hätten (BVerfGE 100, 289, 308). Abfindungswertspekulationen mögen zwar bei einem Börsenkurs unter dem Ertragswert in einem gewissen Umfang noch ein Abbild von Angebot und Nachfrage darstellen, soweit sie die Erwartung widerspiegeln , dass in einem Spruchverfahren eine höhere Bewertung des Unternehmens erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 121). Sie beruhen aber auch auf der Erwartung, dass der Zahlungspflichtige sich die Strukturmaßnahme und ihre Durchführung etwas kosten lässt.
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- Von der Mitteilung der angebotenen Abfindung an, also spätestens mit der Einberufung der Hauptversammlung, die in aller Regel innerhalb des Dreimonatszeitraums liegt, nähert sich der Börsenwert dem angekündigten Abfindungswert. Dabei wird er in der Erwartung eines Aufschlags im Spruchverfahren oder - als Lästigkeitswert - im Anfechtungsprozess häufig leicht überschritten (KG, ZIP 2007, 75, 77; OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 288). Der angebotene Preis für die Aktie wird sicher erreicht, ungewiss ist lediglich, ob und in welcher Höhe im Spruchverfahren oder schon im Anfechtungsprozess ein Aufschlag durchzusetzen ist. Schon vor der Bekanntgabe des Abfindungsangebots ändert sich mit der Bekanntgabe der Maßnahme die Börsenbewertung von der Erwartung an den künftigen Unternehmenswert hin zur Erwartung an die künftige Abfindung oder den künftigen Umtauschkurs , was nicht selten zu heftigen Kursausschlägen führt, weil der Phantasie in beide Richtungen keine Grenzen gesetzt sind (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532; Weber, ZGR 2004, 280, 283 ff.). Da nur Anfechtungskläger sein kann, wer die Aktien bereits vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hat (§ 245 Nr. 1 AktG), die mit der Bekanntmachung der Abfindungshöhe zeitlich häufig zusammenfällt, beginnt auch die Spekulation auf den Lästigkeitswert bereits mit der Bekanntgabe der Maßnahme.
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- Wenn diese Zeiten in die Referenzperiode einbezogen werden, spiegelt der ermittelte Börsenkurs nicht mehr - wie geboten - den Preis wider, den der Aktionär ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme erlöst hätte und der sich aus Angebot und Nachfrage unter dem Gesichtspunkt des vom Markt erwarteten Unternehmenswertes bildet, sondern den Preis, der gerade wegen der Strukturmaßnahme erzielt werden kann. Für die Entwicklung eines höheren Börsenkurses sorgt insoweit zwar nicht eine gezielte Kursmanipulation einzelner Minderheitsaktionäre , sondern die durch die Strukturmaßnahme geweckte besondere Nachfrage (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 533; ZIP 2010, 274, 278; Koch/Widders, Der Konzern 2007, 351, 353). Diese Nachfrage hat aber mit dem Verkehrswert der Aktie, mit dem der Aktionär für den Verlust der Aktionärsstellung so entschädigt werden soll, als ob es nicht zur Strukturmaßnahme gekommen wäre (BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2007, 175 Rn. 16), nichts zu tun.
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- Umgekehrt erleichtert die Einbeziehung des Zeitraums ab Bekanntgabe der Abfindung auch Manipulationen des Börsenkurses nach unten z.B. durch Bekanntgabe eines bewusst zu niedrigen Abfindungsangebots. Die Nachteile eines auf den Tag der Hauptversammlung bezogenen Referenzzeitraums werden durch den Vorteil der zeitlichen Nähe nicht ausgeglichen. Verbundeffekte der Strukturmaßnahme, deren Berücksichtigung der Senat beim Unternehmensvertrag für die Kursentwicklung nicht ausschließen wollte (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 120), bestehen bei der Aus- schließung nicht. Inwieweit sie und nicht nur Abfindungserwartungen maßgebend sind, ist aber auch beim Unternehmensvertrag oder bei der Verschmelzung nicht zu bestimmen (OLG Stuttgart, ZIP 2007, 530, 532).
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- (2) Zur Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie ist der Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Maßnahme geeigneter (vgl. BVerfG, ZIP 2007, 175, 178). Die Informationspflichten insbesondere nach § 15 WpHG wirken einer verzögerten Bekanntgabe und einer verdeckten Abfindungswertspekulation entgegen. Dieser Zeitpunkt stimmt mit der Einschätzung des Verordnungsgebers in § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO überein, dass ein Referenzzeitraum vor Bekanntgabe des zur Abfindung führenden Vorgangs den Börsenkurs richtig abbildet. In § 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO wird ein Referenzzeitraum vor Bekanntwerden der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG) zugrunde gelegt, nicht der Zeitraum zwischen Kontrollerlangung und Bekanntgabe der Höhe des Pflichtangebots.
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- Die Orientierung des Referenzzeitraums am Tag der Bekanntmachung trägt weiter dem Umstand Rechnung, dass der Abfindungsvorschlag nach § 327c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 327b Abs. 3, § 327d AktG vor der Hauptversammlung bekannt zu geben ist (Angerer, BKR 2002, 260, 264; Brandi/Wilhelm, NZG 2009, 1408, 1409; Kocher/Widder, Der Konzern 2007, 351, 355; Krieger, BB 2002, 53, 56; Maier-Reimer/Kolb, Festschrift W. Müller 2001 S.93, 104; Veil in Spindler/Stilz, AktG § 305 Rn. 54; KölnerKommAktG/ Koppensteiner, 3. Aufl. § 305 Rn. 102 a.E.; Widmann/Mayer, UmwG § 30 Rn. 22). Der Wert, der sich bei einem dreimonatigen Referenzzeitraum vor dem Beschluss der Hauptversammlung errechnet, ist zu diesem Zeitpunkt weder bekannt noch vorhersehbar. Er kann weder zur Bestimmung der Höhe des Ab- findungsangebots verwendet noch bekannt gegeben werden. Dagegen kann der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs für drei Monate vor Bekanntgabe der Maßnahme bis zur Mitteilung des Abfindungsangebots ermittelt und bei der Entscheidung über die Höhe des Angebots berücksichtigt werden.
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- Der Einwand, der Hauptaktionär habe es durch die Wahl des Zeitpunkts der Bekanntgabe seines Übernahmebegehrens in der Hand, eine ungünstige Kursentwicklung für sich nutzbar zu machen, steht einer Bestimmung der Referenzperiode an die Zeit vor Bekanntmachung der Maßnahme nicht entgegen. Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG knüpft an das Verlangen des Hauptaktionärs an, der von Gesetzes wegen den Zeitpunkt frei bestimmen kann. Auch andere Strukturmaßnahmen im AktG und dem UmwG sind an die freie Entscheidung der Beteiligten und nicht an das Erreichen einer bestimmten Schwelle oder an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Vor Manipulationsmöglichkeiten durch Auswahl eines besonders günstigen Zeitpunktes sind die Minderheitsaktionäre ohnehin dadurch geschützt, dass die Barabfindung nach § 327b AktG nie geringer sein kann als der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert. Außerdem wirken die sanktionsbewehrten kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten (§ 15 WpHG) einer Manipulation des Bekanntgabezeitpunkts entgegen. Im Übrigen bleibt den Antragstellern im Spruchverfahren unbenommen, konkrete Anhaltspunkte für eine Einflussnahme auf den Aktienkurs im Referenzzeitraum darzulegen.
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- Der Verlegung des Referenzzeitraums auf die Zeit vor der Bekanntmachung der Maßnahme steht auch nicht entgegen, dass sich der Stichtag und der Referenzzeitraum vom Bezugspunkt, dem Tag der Hauptversammlung, entfernen. Das ist keine Besonderheit der Ermittlung des Börsenwerts. Auch der Bezugspunkt für die Ermittlung des Werts der quotalen Unternehmensbeteiligung nach fundamentalanalytischen Methoden und die Aktualität der zugrunde liegenden Daten fallen auseinander.
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- Die Minderheitsaktionäre müssen allerdings davor geschützt werden, dass der mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ermittelte Börsenwert zugunsten des Hauptaktionärs fixiert wird, ohne dass die angekündigte Maßnahme umgesetzt wird, und sie von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden. Das kann dadurch verhindert werden, dass der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochgerechnet wird (vgl. Weber, ZGR 2004, 280, 287), wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme als dem Ende des Referenzzeitraums und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt.
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- c) Die Sache ist dem Oberlandesgericht zur Ermittlung des maßgebenden Börsenwertes zurückzugeben. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der gewichtete Durchschnittskurs drei Monate vor Bekanntgabe der Absicht, die Übertragung zu verlangen, maßgebend ist, und hat mit dem zum Sachverständigen bestellten sachverständigen Prüfer eine Marktenge zutreffend verneint. Der Sachverständige hat nach dem umsatzgewichteten Durchschnittskurs innerhalb von drei Monaten vor Bekanntgabe der Squeezeout -Absicht einen Börsenwert der Aktie von 275,09 € ermittelt, der unter der von der Antragsgegnerin angebotenen Abfindung von 295 € je Aktie liegt. Das Oberlandesgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass zwischen der Ankündigung des Squeeze-out und dem Tag der Hauptversammlung mit neun Monaten bereits ein längerer Zeitraum liegt. Die Entwicklung der allgemeinen oder branchentypischen Aktienkurse in dieser Zeit ist nicht festgestellt, so dass der Senat nicht abschließend entscheiden kann, ob der ermittelte Börsenwert von 275,09 € zugrunde zu legen oder eine Anpassung notwendig ist.
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- 4. Die Abfindung ist nicht, wie das Oberlandesgericht erwogen hat, aus Rechtsgründen auf den mit dem Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG angebotenen Betrag festzusetzen. Das Pflichtangebot errechnet sich nicht ausschließlich nach dem gewichteten inländischen Durchschnittskurs drei Monate vor der Bekanntgabe der Kontrollerlangung (§ 5 Abs. 1 WpÜG-AngVO), sondern hat auch die höchsten Preise zu berücksichtigen, die der Bieter sechs Monate vor Abgabe des Pflichtangebots gezahlt hat (§ 4 Satz 1 WpÜG-AngVO). Die angemessene Abfindung muss sich nicht an den Preisen orientieren, die vom Antragsgegner anderen Aktionären gezahlt werden oder wurden (BVerfGE 100, 289, 306).
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- 5. Das von der Antragsgegnerin im Zuge der Beendigung des Beschlussmängelstreits unterbreitete Vergleichsangebot hat keine Auswirkungen auf die im Spruchverfahren zuzumessende Barabfindung. Zwar kann ein nachträgliches , höheres und allen außenstehenden Aktionären oder Minderheitsaktionären im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter unterbreitetes Angebot im Spruchverfahren - unter Zurückweisung der Anträge - als angemessene Abfindung berücksichtigt werden, wenn keine höhere angemessene Abfindung ermittelt wird (vgl. OLG München, NZG 2007, 635). Das Angebot der Hauptaktionärin , 395 € zu bezahlen, stand aber unter der Bedingung, kein Spruchverfahren einzuleiten, und betraf die Antragsteller damit nicht. Darauf, ob mit dem Vergleichsangebot einzelnen Aktionären ein ungerechtfertigter Sondervorteil ver- sprochen wurde, kommt es nicht an. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätten die anderen Aktionäre keinen Anspruch darauf, ebenfalls diese ungerechtfertigten Sondervorteile zu erhalten (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2007 - II ZR 184/06, ZIP 2008, 218 Rn. 3).
Goette Reichart Drescher
Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.03.2006 - 82 O 126/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2009 - I-26 W 13/06 AktE -
(1) Die Gerichtskosten können ganz oder zum Teil den Antragstellern auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
(2) Das Gericht ordnet an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht.