Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2014 - VI-U (Kart) 15/13
Tenor
- I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 7. Mai 2013 verkündete Teilurteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen.
- II. Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Teilurteil abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
- III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- V. Die Revision wird nicht zugelassen.
- VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 617.341,71 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten - u.a. unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten - um Ansprüche auf zukünftige bzw. rückwirkende Entgeltzahlungen für die Einspeisung von Fernsehprogrammsignalen in Breitbandkabelnetze (Einspeiseentgelte bzw. Transportentgelte).
4Die Klägerin ist eine Anbieterin von Telefonie- und Internetdiensten und ferner eine regionale Kabelnetzbetreiberin im Wirtschaftsraum K./B.. Sie unterhält seit dem Jahr 1998 ein eigenes Breitbandkabelnetz auf der so genannten Netzebene (NE) 3 (Verteilung von Programmsignalen in die Kabelnetze, so genanntes Straßen-verteilnetz). Ihr Netz, über das sie derzeit etwa 214.000 Kunden versorgt, betreibt sie teilweise als integriertes Netz der NE 3 sowie der NE 4 (Weiterleitung der Signale zu Kabelanschlussdosen der Empfängerhaushalte, so genannte Hausverteilung); teilweise dient ihr Netz aber auch der Signallieferung an dritte Betreiber von Haus-verteilanlagen (so genannte NE 4-Betreiber). Zum Aufbau sowie zur Abgrenzung der einzelnen vier Netzebenen wird auf das Schaubild auf S. 8 der Klageschrift vom 21.12.2011 (GA 8) Bezug genommen. Gegenwärtig speist die Klägerin die Signale von 324, teilweise analogen und vorwiegend digitalen, Fernsehprogrammen in ihr Kabelnetz ein (vgl. Anl. BBK 3 zur Berufungsbegründungsschrift der Klägerin v. 8.8.2013).
5Die Beklagte ist die Veranstalterin des Z. (Z.), namentlich des Vollprogramms „Z.“ sowie der Zusatzprogramme „Z.-I.“, „Z.-K.“ und „Z.-F.“. Ferner ist sie an den Gemeinschaftsprogrammen „…“, „…“, „…“ und „…“ beteiligt.
6Die Veranstalter von Fernsehprogrammen stellen ihre Programmsignale den Betreibern von Kabelnetzen in Deutschland zur Verfügung, wobei die Übertragung terrestrisch, über Satellit oder leitungsgebunden (insbesondere über Glasfaserverbindungen) erfolgt. Die auf den genannten Wegen ausgestrahlten Signale werden von den Kabelnetzbetreibern empfangen und in die jeweilige Netzinfrastruktur zum Zwecke der Weitersendung an eigene Kabelanschlusskunden (Zuschauerhaushalte) bzw. dritte NE 4-Betreiber eingespeist. Für die ihnen eingeräumten Rechte zur Kabelweitersendung zahlen die Kabelnetzbetreiber an die Programmveranstalter eine urheberrechtliche Vergütung (§ 20 b UrhG). Im Verhältnis der Parteien des Streitfalls richten sich die Einräumung von Kabelweitersenderechten sowie deren Vergütung in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Januar 2007 nach einem im Mai/Juni 2009 zwischen der Klägerin und der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) geschlossenen Vertrag (von den Parteien „ANGA-Vertrag (2009)“ genannt, Anl. K 7 zur Klageschrift = AH I, 12 ff.). Der formularmäßige Vertrag basiert auf einem im März 2009 zwischen u.a. dem A. V. D. K. e.V. (ANGA), der GEMA sowie der V. mbH (V.) geschlossenen Gesamtvertrag („ANGA-Gesamtvertrag“). Die Klägerin ist Mitglied des ANGA-Verbandes. Die Beklagte ist in der V. organisiert, der sie ihre Kabelweitersenderechte und ihre hierauf bezogenen Vergütungsansprüche zur Wahrnehmung übertragen hat. Die V. hat diese Rechte zur Wahrnehmung auf die GEMA weiterübertragen.
7§ 5 Absätze 1 und 2 desANGA-Vertrags von Mai/Juni 2009 enthalten Regelungen zur Höhe der Vergütung und über einen vom Fortbestand der Mitgliedschaft des Kabelnetzbetreibers im ANGA abhängigen Rabatt von 20 % auf die Vergütung. Über einen weiteren Rabatt verhält sich § 5 Abs. 3 desselben Vertrags wie folgt:
8„Ein weiterer Abzug auf die nach § 5 Absatz 2 gekürzte Vergütung in Höhe von 6 % wird gewährt, wenn und solange der Lizenznehmer seinerseits gegenüber den in Anlage 1 Ziffer 1 und 2 genannten öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen während der Vertragslaufzeit keine Transportentgelte erhebt.“.
9Transportentgelte für die Signaleinspeisung in ihre Netzinfrastruktur (Einspeiseentgelte) erhob die Klägerin gegenüber der Beklagten (wie auch gegenüber dem übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk) nicht. Die von der GEMA auf der Grundlage des ANGA-Vertrags 2009 gegenüber der Klägerin erfolgten Abrechnungen wiesen dementsprechend den in der Klausel erwähnten weiteren sechsprozentigen Abzug aus.
10Auch vor Abschluss des ANGA-Vertrags 2009 hatte die Klägerin Transportentgelte lediglich von einem Teil der privaten Sender, jedoch nicht von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erhalten. In Bezug auf die Einspeisung von Programmsignalen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hatte die Klägerin mit der Beklagten und den A.-Landesrundfunkanstalten am 22. Dezember 1998 eine Vereinbarung (Anl. B 7 zum Schriftsatz der Beklagten v. 29.3.2012 = AH I, 168 ff.) getroffen. Bei in der Vereinbarung zu Nr. II. aufgeführten „terrestrisch empfangbare[n] Programmen“, zu denen u.a. das Fernsehprogramm Z. gehörte (vgl. Nr. II.2. der Vereinbarung), war der Klägerin „übergangsweise“ die Einspeisung dieser Programme gegen Zahlung einer Urheberrechtsvergütung gestattet worden. Die Höhe dieser Vergütung sollte im Rahmen von Verhandlungen festgelegt werden, die seinerzeit zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und dem ANGA-Verband über die Konditionen einer Einspeisung der Programme in die Kabelnetze der Verbandsmitglieder geführt wurden. Zur Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit der von der Klägerin bewerkstelligten Signaltransporte für die Sendeanstalten enthält die Vereinbarung vom 22.12.1998 hinsichtlich der terrestrisch empfangbaren Programme keine Regelung. Nr. III. der Vereinbarung bestimmte in Bezug auf „sonstige Programme“, dass die Programmveranstalter ihre Signale der Klägerin unentgeltlich zur Verfügung stellen und die Klägerin ihrerseits die Signale ebenfalls unentgeltlich in ihre Netze einspeist. Die hiervon betroffenen Programme sind in der Anlage zu Nr. III.2. der Vereinbarung (vgl. S. 5 der Vereinbarung = AH I, 172) aufgelistet; zu ihnen gehören weder das Z.-Hauptprogramm noch die übrigen hier streitbefangenen, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht existenten Zusatzprogramme der Beklagten. Die Vereinbarung vom 22.12.1998 sieht eine Vertragslaufzeit von einem Jahr vor, die sich bei Ausbleiben einer Kündigung jeweils um ein Jahr verlängern sollte. Eine Kündigung ist bis heute nicht ausgesprochen worden.
11Einspeiseentgelte für den Signaltransport zahlten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in der Vergangenheit ausschließlich an die vier größten Kabelnetzbetreiber in Deutschland (im Rechtsstreit auch Regionalgesellschaften genannt), die zusammen fast sechzehn Millionen Zuschauerhaushalte mit Kabelfernsehen versorgen, namentlich die K. D. V. und S. GmbH & Co. KG (K. D.), die U. NRW GmbH (U. NRW), die U. H. GmbH & Co. KG (U. H.) und die K. B.-W. GmbH (K. BW). Im streitbefangenen Zeitraum (Jahre 2008 ff.) erfolgten die Entgeltzahlungen auf der Grundlage von im Jahre 2008 zwischen den gemeinsam auftretenden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten (A.-Landesrundfunkanstalten, Z. [Beklagte], D. und AR.) und den Regionalgesellschaften geschlossenen Kooperations- bzw. Einspeiseverträgen. Diese Verträge hatten jeweils eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2012, die sich im Falle des Ausbleibens einer Kündigung verlängern sollte.
12Bei Abschluss dieser Verträge brachten die Sendeanstalten allerdings zum Ausdruck, die Zahlung von Einspeiseentgelten werde voraussichtlich in Zukunft eingestellt werden. So heißt es zum Beispiel in Nr. 7 der Präambel zu dem mit U. NRW/H. geschlossenen Kooperationsvertrag (Anl. B 24 zum Schriftsatz der Beklagten v. 15.1.2013 = AH II, 414 f.) auszugsweise wie folgt:
13„Die Vertragsparteien sind unterschiedlicher Auffassung über die Entwicklungsperspektiven sowohl der analogen und digitalen Kabelverbreitung als auch der Einspeiseentgelte.
14Die Programmveranstalter sehen einen verstärkten Wettbewerb der digitalen Verbreitungsplattformen um Inhalte und Zuschauer, in dessen Folge die Rundfunkveranstalter als Anbieter von Inhalten auftreten, die die Vermarktungsfähigkeit der Plattformangebote überhaupt erst begründen und deren Werthaltigkeit den Aufwand für den Signaltransport mindestens kompensiert. Die Programmveranstalter gehen deshalb davon aus, dass sie für die digitale Kabelverbreitung künftig keine Einspeiseentgelte mehr zahlen werden. …“.
15Mit Schreiben vom 30. Juli 2009 (Anl. K 10 zur Klageschrift = AH I, 72 ff.) wandte sich die D. N. GmbH (DN.), zu deren Mitgliedern auch die Klägerin gehört, an die Beklagte und bat diese darum, (auch) zu Gunsten der bei ihr organisierten Kabelnetzbetreiber einen Einspeisevertrag zu schließen. Im Rahmen einer Besprechung zwischen Vertretern der DN. und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am 3. November 2009 lehnten die A.-Anstalten sowie die Beklagte den Abschluss von Einspeiseverträgen und die Zahlung von Einspeiseentgelten an die in der DN. organisierten Kabelnetzbetreiber ab. Ferner bezeichneten die Rundfunkvertreter die Zahlung von Einspeiseentgelten als eine „historische Altlast“ und als ein „Auslaufmodell in der digitalen Welt“, weshalb - so die Rundfunkvertreter weiter - man zukünftig auch den großen Kabelnetzbetreibern keine Einspeiseentgelte mehr zahlen wolle (vgl. Vermerk des Herrn O. B. [Juristische Direktion des M. R.] vom 8.12.2009 zur vorbezeichneten Besprechung, Bestandteil der Anl. K 11 zur Klageschrift = AH I, 79 f.).
16Unter Wahrung der vereinbarten Kündigungsfristen erklärten die Sendeanstalten im Juni 2012 die Kündigung der mit den Regionalgesellschaften geschlossenen Verträge zum 31. Dezember 2012. Seit Beginn des Jahres 2013 zahlen sowohl die Beklagte als auch die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keinem Kabelnetzbetreiber (mehr) ein Einspeiseentgelt. Ihre Programmsignale stellen die Sendeanstalten den Kabelnetzbetreibern indes unverändert über die bereits dargelegten Übertragungswege zur Verfügung.
17Erstinstanzlich hat die Klägerin mit gestaffelten Haupt- und Hilfsanträgen die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihr wegen der zukünftigen Einspeisung und Verteilung von Signalen der Fernsehprogramme Z., Z.-i., Z.-k. und Z.-F. in das von ihr betriebene Kabelnetz der NE 3 ein Transportentgelt zu zahlen hat. Darüber hinaus hat sie die Beklagte wegen in den zurückliegenden Jahren 2008 bis 2012 unterbliebener Zahlung eines Einspeiseentgelts auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von … € nebst Zinsen in Anspruch genommen; hilfsweise hierzu hat sie wegen desselben Sachverhalts ihr Schadensersatzverlangen im Wege der Stufenklage verfolgt und die Beklagte in erster Stufe verurteilt wissen wollen, ihr Auskunft zu erteilen über die in den Jahren 2008 ff. erfolgten und auf die Einspeisung der Signale der vorbezeichneten Programme bezogenen Entgeltzahlungen der Beklagten an die Regionalgesellschaften.
18Für den Fall der Begründetheit der Klage hat die Beklagte Hilfswiderklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass die Klägerin ihr alle auf Grund der Klage gezahlten Beträge für die Zeiträume zu erstatten hat, in denen die Klägerin entsprechende Forderungen nicht zumindest auch gegenüber den beiden Sendergruppen R. und P. geltend gemacht und durchgesetzt hat oder wegen Verjährung nicht mehr durchsetzen kann.
19Das Landgericht hat - im Wege des Teilurteils - festgestellt, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin für die (zukünftige) Einspeisung und Verteilung der analogen Signale des Fernsehprogramms Z. (Hauptprogramm) ein angemessenes Entgelt zu zahlen, wenn und solange die Beklagte Einspeiseentgelte an mindestens einen dritten Kabelnetzbetreiber zahlt. Ferner hat es die Beklagte zur Auskunft über die Höhe der Einspeiseentgelte verurteilt, die sie ab dem Jahr 2008 für die Einspeisung der analogen Programmsignale des Z.-Hauptprogramms an die Regionalgesellschaften gezahlt hat. Die weitergehenden Klageanträge, bei der hilfsweisen Stufenklage den weitergehenden Antrag erster Stufe, hat das Landgericht ebenso wie die Hilfswiderklage - diese als unzulässig - abgewiesen.
20Hiergegen richten sich die jeweils frist- und formgerecht eingelegten sowie begründeten Berufungen beider Parteien. Diese verfolgen jeweils ihre weitergehenden erstinstanzlichen Prozessziele unter Aufrechterhalten und Vertiefung ihrer vor dem Landgericht geäußerten Rechtsansichten sowie ihres dort gehaltenen Sachvortrags weiter.
21Die Klägerin beantragt,
22unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils
23I. festzustellen,
241. dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie für die Einspeisung und Verteilung der Signale (Video- und Audiosignale einschließlich Steuer- und Begleitsignale sowie Datensignale) für die Fernsehprogramme Z. (Z.), Z.-i., Z.-k. und Z.-F. in das von ihr betriebene Kabelnetz der Netzebene (NE) 3 pro Wohneinheit, die über ihr Kabelnetz versorgt wird, ein Entgelt von … € zuzüglich Umsatzsteuer pro Quartal jeweils im Voraus zu zahlen, wobei Basis für die Zahlung die von ihr jeweils zum Ende eines Quartals an die Beklagte zu meldende Zahl der zum Quartalsende versorgten Wohneinheiten (auf volle Tausender abgerundet) ist,
252. - hilfsweise zu I.1. -
26dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie für die Einspeisung und Verteilung der vorbezeichneten Programmsignale in ihr Kabelnetz der NE 3 pro hierüber versorgter Wohneinheit ein angemessenes Einspeiseentgelt zu zahlen, das dem Einspeiseentgelt entspricht, das die Beklagte in den Jahren 2008 bis 2012 der U. K. BW GmbH (bzw. der U. NRW/H. und der K. BW) für die Einspeisung und Verteilung der vorgenannten Programme in das Kabelnetz der Netzebene 3 gezahlt hat,
273. - hilfsweise zu I.1. und 2. -
28dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, an sie für die Einspeisung und Verteilung der vorbezeichneten Programmsignale in ihr Kabelnetz der NE 3 pro hierüber versorgter Wohneinheit ein angemessenes Einspeiseentgelt zu zahlen,
294. - hilfsweise zu I.1. bis 3. -
30dass die Beklagte, wenn und solange diese Einspeiseentgelte an mindestens einen dritten Kabelnetzbetreiber zahlt, verpflichtet ist, an sie für die Einspeisung und Verteilung der vorbezeichneten Programmsignale in ihr Kabelnetz der NE 3 pro hierüber versorgter Wohneinheit ein Entgelt von … € zuzüglich Umsatzsteuer pro Quartal jeweils im Voraus zu zahlen, wobei Basis für die Zahlung die von ihr jeweils zum Ende eines Quartals an die Beklagte zu meldende Zahl der zum Quartalsende versorgten Wohneinheiten (auf volle Tausender abgerundet) ist,
315. - hilfsweise zu I.1. bis 4. -
32dass die Beklagte, wenn und solange diese Einspeiseentgelte an mindestens einen dritten Kabelnetzbetreiber zahlt, verpflichtet ist, an sie für die Einspeisung und Verteilung der vorbezeichneten Programmsignale in ihr Kabelnetz der NE 3 pro hierüber versorgter Wohneinheit ein angemessenes Einspeiseentgelt zu zahlen, das dem Einspeiseentgelt entspricht, das die Beklagte in den Jahren 2008 bis 2012 der U. K. BW GmbH (bzw. der U. NRW/H. und der K. BW) für die Einspeisung und Verteilung der vorgenannten Programme in das Kabelnetz der Netzebene 3 gezahlt hat,
336. - hilfsweise zu I.1. bis 5. -
34dass die Beklagte, wenn und solange diese Einspeiseentgelte an mindestens einen dritten Kabelnetzbetreiber zahlt, dem Grunde nach verpflichtet ist, an sie für die digitale Einspeisung und Verteilung der vorbezeichneten Programmsignale in ihr Kabelnetz der NE 3 pro hierüber versorgter Wohneinheit ein angemessenes Einspeiseentgelt zu zahlen,
35II. die Beklagte zu verurteilen, an sie … € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, die Zinsen bezogen auf Beträge und Verzinsungszeiträume wie aus der tabellarischen Auflistung zu Antrag Ziff. 7., S. 5 der Berufungsbegründung der Klägerin vom 8.8.2013 (GA 428) ersichtlich,
36III. - hilfsweise zu II. -
37im Wege der Stufenklage auf erster Stufe die Beklagte zu verurteilen, ihr vollständige und richtige Auskunft zu erteilen über die Höhe der von dieser an die so genannten Regionalgesellschaften (K. D. und U. K. BW bzw. deren Rechtsvorgängerinnen) pro Kalenderjahr ab dem Jahr 2008 für die Einspeisung der Programme Z. (Z.), Z.-i-, Z.-k. und Z.-F. gezahlten Einspeiseentgelte, dies in einer geordneten Darstellung unter Angabe der jeweiligen die Zahlung empfangenden Regionalgesellschaft, des jeweiligen Betrages und des Zahlungszeitpunkts und der vertraglichen Bemessungsgrundlage für die jeweilige Zahlung.
38Die Beklagte beantragt,
39- 40
I. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
- 42
II. unter Abänderung des landgerichtlichen Teilurteils die Klage insgesamt abzuweisen,
- 43
III. - hilfsweise für den Fall der Begründetheit der Klage -
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihr sämtliche auf Grund der Klage gezahlten Beträge für die Zeiträume zu erstatten, in denen die Klägerin entsprechende Forderungen nicht zumindest auch gegenüber den beiden großen privaten Sendergruppen R. und P. geltend gemacht und durchgesetzt hat oder wegen Verjährung nicht mehr geltend machen oder durchsetzen kann.
45Die Klägerin beantragt,
46die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
48II.
49Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Dagegen ist das Rechtsmittel der Beklagten begründet. Ansprüche auf Zahlung von Einspeiseentgelten (Transportentgelten) stehen der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies gilt gleichermaßen für in der Vergangenheit liegende und hinsichtlich zukünftiger Zeiträume. Die Klage ist insgesamt abzuweisen.
50A. Feststellungsbegehren der Klägerin
51Soweit die Klägerin mit den dargelegten Haupt- und Hilfsanträgen (hier Anträge zu I.) festgestellt wissen will, dass die Beklagte ihr -noch über das Teilurteil des Landgerichts hinaus- für zukünftig erfolgende Signaltransporte ein Einspeiseentgelt zu zahlen habe, dringt sie nicht durch. Die Feststellungsanträge sind teilweise unzulässig und zudem, da die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach kein Einspeiseentgelt schuldet, durchweg unbegründet. Vor diesem Hintergrund greift die Beklagte mit Recht das Erkenntnis des Landgerichts an, soweit dieses eine Pflicht zur Zahlung eines Einspeiseentgelts an die Klägerin festgestellt hat.
521. Ebenso wie die drei hier zu I.4. bis 6. dargelegten Hilfsfeststellungsanträge ist auch der der vom Landgericht tenorierten Feststellung zu Grunde liegende Antrag der Klägerin bereits unzulässig, da diese insoweit kein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO hat. Schon deshalb kann die zum Nachteil der Beklagten getroffene Feststellung des Landgerichts keinen Bestand haben und können die vorbezeichneten (über die erstinstanzliche Feststellung noch hinausgehenden) Berufungsanträge der Klägerin nicht durchgreifen.
53Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festzustellende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien muss ein gegenwärtiges sein, wohingegen eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem erst künftig (womöglich) entstehenden Rechtsverhältnis unzulässig ist (vgl. nur Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 256 Rz. 3a m.N.z.Rsp.).
54Die hier zur Debatte stehenden Feststellungsanträge sind indes nicht auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis der Parteien des Streitfalls gerichtet. Vielmehr sollen die von der Klägerin reklamierten Rechtsfolgen -anders als bei den oben zu I.1. bis 3. dargelegten Feststellungsanträgen- erst dann ausgelöst werden, „wenn und solange“ die Beklagte zumindest einem dritten Kabelnetzbetreiber ein Einspeiseentgelt zahlt. An dieser Voraussetzung fehlt es aber. Die Beklagte zahlt ein solches Entgelt seit dem 1. Januar 2013 keinem Kabelnetzbetreiber mehr. Dies gilt unstreitig auch in Bezug auf die Regionalgesellschaften, da die zwischen diesen und den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vormals geschlossenen Kooperations- bzw. Einspeise-verträge durch Kündigungserklärungen der Programmveranstalter mit Ablauf des Jahres 2012 beendet worden sind. Die Beklagte beabsichtigt solche Zahlungen auch nicht mehr, sondern lehnt die Entrichtung eines Einspeiseentgelts definitiv und flächendeckend ab. Ferner ist sie auch nicht (rechtskräftig) in einem Prozess zur Entrichtung eines Einspeiseentgelts verurteilt worden. Dass die Beklagte zur Zeit der Erhebung der Klage den Regionalgesellschaften noch Einspeiseentgelte zahlte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Als Prozessvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen, anderenfalls wird die Klage auf Grund des Wegfalls des Interesses ex nunc unzulässig (vgl. Zöller/Greger, § 256 Rz. 7c m.N.z.Rsp.). So verhält es sich hier.
55Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine etwaige rechtskräftige Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Einspeiseentgelts ohnehin keine kartellrechtliche Pflicht zur Gleichbehandlung begründen würde, weil in der Befolgung eines solchen Urteils kein unternehmerisches Verhalten der Beklagten zu erblicken wäre (vgl. hierzu BGH, (Versäumnis-)Urteil v. 4.11.2003 - KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203 ff., Rz. 19 ff. bei juris -Depotkosmetik im Internet).
562. Über das Vorstehende hinaus sind alle Feststellungsanträge der Klägerin unbegründet, da eine materiellrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Einspeiseentgelts nicht besteht.
57a. Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Einspeiseentgelts ist nicht gegeben. Dies gilt sowohl für die zwischen den Parteien (sowie den A.-Anstalten) am 22.12.1998 geschlossene Vereinbarung (Anl. B 7) als auch für den ANGA-Vertrag vom 25.5./2.6.2009 (Anl. K 7). Zahlungsansprüche der Klägerin sind dort in Bezug auf die streitbefangenen Programme ganz offensichtlich nicht vereinbart worden.
58aa. Die Vereinbarung vom 22.12.1998 ist auf die drei streitbefangenen Z.-Zusatzprogramme (i., k. und F.) schon deshalb nicht anzuwenden, weil diese damals noch nicht existierten. Das Z.-Hauptprogramm unterfällt gemäß Nr. II.2. der Vereinbarung den dort zu Abschnitt II. behandelten terrestrisch empfangbaren Programmen. In Bezug auf diese ordnet die Vereinbarung zwar eine die Klägerin treffende Vergütungspflicht zur Abgeltung der Urheber- und Leistungsschutzrechte der Programmveranstalter an. Indes kommt in der Vereinbarung ein Wille der Vertragsschließenden zur Begründung eines Transportentgeltanspruchs zu Gunsten der Klägerin nicht im Ansatz zum Ausdruck. Daran ändert auch nichts, dass die an der Vereinbarung vom 22.12.1998 Beteiligten bei den sonstigen Programmen im Sinne des Abschnitts III. ausdrücklich von einem von der Klägerin unentgeltlich zu besorgenden Signaltransport ausgegangen sind (vgl. Nr. III.1. der Vereinbarung). Aus jener Regelung ist für sich genommen kein belastbarer Anhalt dafür zu gewinnen, dass die Beteiligten der Klägerin bei den terrestrisch empfangbaren Programmen ein Transportentgelt zugestehen wollten.
59Dahinstehen kann zudem, ob nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden (auch) ein etwaiges Transportentgelt zu Gunsten der Klägerin zu den „Konditionen“ einer Einspeisung der terrestrisch empfangbaren Programme zählte, über die die Beteiligten ausweislich Nr. II.1. der Vereinbarung seinerzeit noch verhandelten. Dass die dort angesprochenen Verhandlungen ihrerseits zur Vereinbarung eines Einspeiseentgelts zu Gunsten der Klägerin führten, kann nicht festgestellt werden. Eine dahingehende Vereinbarung ist insbesondere auch nicht dem ANGA-Vertrag (2009) zu entnehmen, wie sogleich noch ausgeführt wird. Schließlich kann nach der Vereinbarung vom 22.12.1998 auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin im Falle des Scheiterns der Verhandlungen über die Einspeisekonditionen rückwirkend ein Transportentgelt zustehen sollte. Anders als in Bezug auf die Urheberrechtsvergütung zu Gunsten der Programmveranstalter (s. insoweit Nr. II.3. der Vereinbarung) fehlt es an einer entsprechenden Vertragsbestimmung.
60bb. Auch aus dem ANGA-Vertrag (2009) folgt kein Einspeiseentgeltanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Der Vertrag regelt allein die urheberrechtsbezogene Vergütung (vgl. § 20 b UrhG) der Programmveranstalter für die Einräumung von Kabelweitersenderechten (vgl. §§1 Nr. 6, 2 Nrn. 1 und 5, 5 Nrn. 1 und 2 des Vertrags). Dies gilt auch im Hinblick auf § 5 Nr. 3 des Vertrags. Diese Bestimmung regelt lediglich einen weiteren Rabatt auf die Urheberrechtsvergütung für den etwaigen Fall („wenn und solange“), dass der betreffende Kabelnetzbetreiber keine Transportentgelte (Einspeiseentgelte) gegen öffentlich-rechtliche Sendeunternehmen erhebt. Ob solche Entgelte erhoben werden oder beansprucht werden können, regelt der ANGA-Vertrag selbst nicht. Das verdeutlicht auch dessen § 1 Nr. 6, der als Vertragsgegenstand lediglich die Einräumung von Kabelweitersenderechten und deren Vergütung (bzw. die Abgeltung von entsprechenden gesetzlichen Ansprüchen) nennt. Die in § 5 Nr. 3 des Vertrags gewählte (Alternativ-) Formulierung„wenn und solange“ trägt im Übrigen ganz offensichtlich dem Umstand Rechnung, dass der vorformulierte Vertrag sowohl gegenüber den Regionalgesellschaften, die seinerzeit Einspeiseentgelte erhielten, als auch gegenüber den übrigen im ANGA-Verband organisierten Kabelnetzbetreibern, die solche Entgelte nie vereinnahmten, praktiziert wird.
61b. Auch das Rundfunkrecht sieht keinen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Einspeiseentgelts vor.
62aa. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für einen etwaigen Entgeltanspruch ist im Ausgangspunkt die Richtlinie 2002/22/EG -Universaldienstrichtlinie (UDRL)- in den Blick zu nehmen.
63Art. 31 Abs. 1 UDRL eröffnet den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) die Möglichkeit, Kabelnetzbetreibern Übertragungspflichten aufzuerlegen. Hiervon haben die Bundesländer Gebrauch gemacht. In Nordrhein-Westfalen haben die Betreiber analoger Kabelanlagen gemäß § 18 Landesmediengesetz (LMG) ihre Kapazitäten mit u.a. dem von der Beklagten ausgestrahlten Z.-Programm zu belegen. In Bezug auf die digitale Rundfunkverbreitung ordnen § 21 LMG, § 52 b des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) in entsprechender Weise(„Must-Carry“) zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Zurverfügungstellen der Kabelbelegungskapazitäten der Kabelnetzbetreiber an.
64Art. 31 Abs. 2 UDRL gestattet den Mitgliedstaaten, im Falle der Überwälzung von Verpflichtungen im Sinne des Absatzes 1 desselben Artikels einangemessenes Entgelt festzulegen, das den Kriterien der Diskriminierungsfreiheit, der Wahrung der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz zu genügen hat. Gesetzliche Regelungen über ein konkretes Entgelt im Sinne der UDRL gibt es indes nicht. Nach Auffassung des Privatgutachters der Beklagten hat allein schon deshalb die Einspeisung der Signale durch die Kabelnetzbetreiber zwingend unentgeltlich zu erfolgen, da es allein Aufgabe des Gesetzgebers sei, durch konkrete Regelungen die Einhaltung der Angemessenheitskriterien des Art. 31 Abs. 2 UDRL zu gewährleisten (vgl. das von der Beklagten vorgelegte Privatgutachten, Anl. B 20 = AH II, 342 ff., insbesondere S. 12 f.). Ob dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn vertragliche (vgl. insoweit die vorstehenden Ausführungen) oder gesetzliche Ansprüche auf ein Einspeiseentgelt sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.
65bb. Ein Entgeltanspruch kann nicht, auch nicht dem Grunde nach, aus § 52 d RStV hergeleitet werden. Diese Vorschrift bezieht sich zwar u.a. auf Entgelte, die Kabelnetzbetreiber in Zusammenhang mit der Bereitstellung von Kabelbelegungskapazitäten (§ 52 b RStV) von Programmanbietern einnehmen. Verpflichtete Normadressaten dieser Vorschrift sind indes ausschließlich die Kabelnetzbetreiber selbst. Allein diese trifft die Verbote, Entgelte zu nicht angemessenen Bedingungen zu verlangen bzw. Programmanbieter unbillig zu behindern oder gegenüber gleichartigen Anbietern zu diskriminieren. Nichts rechtfertigt die Annahme, die Norm setze das Bestehen eines gesetzlichen Entgeltanspruchs voraus. Art. 31 Abs. 2 UDRL stellt den Mitgliedstaaten ausdrücklich frei, ob sie den von ihnen gemäß Absatz 1 desselben Artikels Verpflichteten ein Entgelt zuerkennen oder nicht. Solche Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber aber gerade nicht verabschiedet. Davon, dass er eine Entgeltlichkeit der Signaleinspeisung gleichwohl -durch die Fassung des § 52 d RStV oder in sonstiger Weise- rechtsverbindlich beschlossen hat, kann schlechterdings nicht ausgegangen werden. Da § 52 d RStV ganz offensichtlich ausschließlich denSchutz von u.a. Rundfunkanbietern bezweckt, ist aus dieser Bestimmung nichts für eine die Sendeunternehmen belastende Zahlungspflicht zu gewinnen (so zutreffend Holznagel/Salwitzek, K&R 2013, 454 [455] = Anl. BK 4 zum Schriftsatz der Beklagten v. 12.8.2013). Hinzu kommt, dass -wie oben erwähnt- Art. 31 Abs. 2 UDRL gewisse Kriterien für einangemessenes Entgelt aufstellt. Angesichts dessen wäre zu erwarten, dass der Gesetzgeber bestimmte Vorgaben für ein solches Entgelt aufstellt, wenn er eine Entgeltlichkeit von Einspeiseleistungen der Kabelnetzbetreiber anordnen will (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 21.11.2013 -2 U 46/13, Umdruck S. 25 [1. Absatz] = Anl. BK 18 zum Schriftsatz der Beklagten v. 2.12.2013). Eben dies ist aber nicht erfolgt.
66cc. Einen Einspeiseentgeltanspruch kann die Klägerin auch nicht aus einer Analogie zu § 5 Abs. 7 RStV ableiten. Insoweit fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.
67Bei der Kurzberichterstattung über berufsmäßig durchgeführte Veranstaltungen sieht § 5 Abs. 7 RStV zu Gunsten des Veranstalters, der ein Recht von Sendeunternehmen auf Kurzberichterstattung zu dulden hat, einen Anspruch auf einbilliges Entgelt vor. Mit dieser Regelung haben die Länder einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.2.1998 (BvF 1/91, BVerfGE 97, 228 ff.) Rechnung getragen. Dieser zufolge ist das Anfang der 1990er Jahre durch Änderung des RStV geschaffene Kurzberichterstattungsrecht bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen vor dem Hintergrund der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit nur dann verfassungsgemäß, sofern dem Veranstalter ein Entgelt zugestanden wird. Eine vergleichbare Entgeltanordnung enthält der RStV bei der den Kabelnetzbetreibern auferlegten Einspeisung von Programmsignalen indes bis heute nicht, dies obwohl dem Rundfunkgesetzgeber die Problematik der Einspeiseentgelte bekannt gewesen ist. Der Gesetzgeber hat mithin bewusst keine Veranlassung gesehen, die Entgeltkontrolle über den in § 52 d RStV bestimmten Umfang hinaus auszudehnen oder gar eine Pflicht der Programmanbieter zur Zahlung eines Einspeiseentgelts einzuführen (vgl. zu Allem Holznagel/Salwitzek, K&R 2013, 454 [455f.]).
68c. Entgeltansprüche für die Signaleinspeisung sind auch nicht mit einem aus den Rechtsgedanken der §§ 138, 242 bzw. 826 BGB abzuleitenden Kontrahierungszwang zu begründen, dem die Beklagte als öffentlich-rechtliches Sendeunternehmen unterliegt. Voraussetzung einer solchen Vertragsabschlusspflicht wäre jedenfalls, dass das Sendeunternehmen bei der vom Kabelnetzbetreiber durchgeführten Einspeisung von Programmsignalen eine Leistung entgegennimmt, die billigerweise zu vergüten ist. Schon hieran fehlt es indes unter Berücksichtigung der rundfunkrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Einspeisung von Signalen öffentlich-rechtlicher Programmveranstalter erfolgt.
69aa. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten obliegt (die Herstellung und) Verbreitung ihrer Angebote, § 11 RStV. Bei der Wahl der geeigneten Übertragungswege kommt ihnen ein Ermessen zu, wobei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind, § 19 RStV. Dieses Ermessen kann freilich nicht dahin ausgeübt werden, dass Kabelnetze bei der Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht berücksichtigt werden. Der die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten treffende Grundversorgungsauftrag und die der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Funktion des Rundfunkfreiheitsrechts gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zielen vornehmlich darauf ab, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet (vgl. BVerfG, Urteil v. 11.9.2007 - 1 BvR 2270/05 u.a., BVerfGE 119, 181 ff., Rz. 122 bei juris -Rundfunkgebühren). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliegt dabei besonderen normativen Erwartungen an sein Programmangebot, dies in Bezug auf seine Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, aber auch für Unterhaltung, Information und kulturelle Verantwortung (BVerfG, a.a.O., Rz. 128 f. bei juris). Angesichts dessen muss das öffentlich-rechtliche Programmangebot für neue Inhalte, Formate und Genres, aber auch für neue Verbreitungsformen offen bleiben (BVerfG, a.a.O., Rz. 130; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 21.11.2013 - 2 U 46/13, Umdruck S. 31 [1. Absatz] = Anl. BK 18 zum Schriftsatz der Beklagten v. 2.12.2013). Da heute etwa die Hälfte der Fernsehzuschauer in Deutschland Rundfunkprogramme über Kabelnetze empfängt, ist es im Hinblick auf die dargelegte Funktion und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ganz offensichtlich die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, ihre Programme auch zu Gunsten dieser großen Zuschauergruppe zu verbreiten.
70bb. Wie die öffentlich-rechtlichen Programme zu Gunsten der Kabelnetzkunden -im Sinne des § 11 RStV- verbreitet werden, steht allerdings im an den genannten Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgrundsätzen gebundenen Ermessen der betroffenen Sendeanstalten.
71Zwar stellt es eine Möglichkeit dar, durch vertragliche Beziehungen die Betreiber von Kabelnetzen schuldrechtlich zur Einspeisung von Programmsignalen in diese Netze zu verpflichten. Eine vertragliche Inpflichtnahme der Kabelnetzbetreiber würde freilich damit einhergehen, dass -wie es bis Ende 2012 bei den „Regionalgesellschaften“ auch tatsächlich der Fall gewesen ist- die Sendeanstalten als Gegenleistung ein Entgelt zu entrichten hätten. Die auf vertraglicher Verpflichtung gegenüber den Programmveranstaltern beruhende Einspeisung von Programmsignalen ist nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten (§ 632 Abs. 1 BGB), schon weil die Errichtung und Unterhaltung der Kabelnetzinfrastruktur mit erheblichen Kosten verbunden ist. Dass die Kabelnetzbetreiber die Programme auf Grund anderweitiger vertraglicher Beziehungen mit ihren (End-) Kunden (Fernsehzuschauer) entgeltlich weitersenden, ändert hieran nichts. Unbeschadet dessen liegt es im vernünftigen Interesse eines Kabelnetzbetreibers, die Kosten seiner Infrastruktur (zumindest zum Teil) auf die Sendeanstalten umzuwälzen, weil er hiermit seine Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weitersendemarkt durch entsprechend geringere Endkundenpreise verbessern kann.
72Eine andere Möglichkeit besteht indes darin, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre Programmsignale ohne vertraglich ausgehandelte Einspeise-verpflichtung der Kabelnetzbetreiber so zur Verfügung stellen, dass ihre Programmangebote auch den Kabelnetzkunden zugänglich sind. So geschieht es seit Beginn des Jahres 2013 durchgängig gegenüber allen Kabelnetzbetreibern, auch den Regionalgesellschaften. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten strahlen ihre Programmsignale terrestrisch und insbesondere mittels Satellitenübertragung aus und geben die Signale leitungsgebunden ab, und die Kabelnetzbetreiber nehmen die Signale auf und speisen sie in ihre Netze zur Weitersendung (NE 3/NE 4) ein. Bereits mit dieser Verfahrensweise kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Grundversorgungsauftrag nach. Durch die im Bundesgebiet vorhandene Kabelnetzinfrastruktur einerseits und die Bestimmungen des Rundfunkrechts andererseits ist nämlich auch ohne den Abschluss von Einspeiseverträgen gewährleistet, dass die mit einem Kabelanschluss ausgestatteten Zuschauerhaushalte die von den Sendeanstalten ausgestrahlten Programme empfangen und somit von den ihnen grundrechtlich garantierten Informationsrechten effektiv Gebrauch machen können. Zum einen liegt die Weitersendung der Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ganz erheblichem wirtschaftlichen Interesse der Kabelnetzbetreiber selbst. Diese erzielen ihre Umsätze in erster Linie aus den Entgelten ihrer Kunden für die auf den Netzebenen 3 und 4 betriebene Weitersendung von Rundfunkprogrammen und nicht aus Rundfunkveranstaltern abverlangten Transportentgelten für die Einspeisung von Programmsignalen in ihre Kabelnetze. Auch die Klägerin selbst meint, im Falle der von ihr reklamierten „angemessene[n] Vergütung ihrer Einspeiseleistungen“ würden die Einspeiseentgelte -lediglich- bis zu 10 % ihres Umsatzes ausmachen (vgl. etwa Berufungsbegründung v. 8.8.2013, S. 18 = GA 441). Die herausragende Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten beim Rundfunkkonsumverhalten der breiten Bevölkerung, die sich auch in den Zuschauermarktanteilen der von diesen Anstalten ausgestrahlten Programme äußert, ist sowohl der Allgemeinheit als auch den Mitgliedern des Senats bekannt. Ganz offensichtlich und hier auch unstreitig kann ein Kabelnetzbetreiber (auf den Netzebenen 3 bzw. 4) ohne die Durchleitung von Programmsignalen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kein wettbewerbsfähiges Produktangebot auf dem Markt abgeben. Vor allem aber ist den Infrastrukturinhabern - in Nordrhein-Westfalen durch § 18 LMG bzw. §§ 21 LMG, 52 b RStV - eine gesetzliche Pflicht auferlegt, ihre Kabelnetzkapazitäten im Rahmen des technisch Möglichen vorrangig u.a. dem Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Programme in ihr Netz einzuspeisen („must-carry“). Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Grundversorgung der Bevölkerung die Kabelnetzbetreiber neben den Sendeanstalten in die Pflicht genommen hat. Das die Infrastrukturinhaber treffende „Kabelbelegungsregime“ beinhaltet zugleich eine Begrenzung der Verbreitungslast der Sendeanstalten (vgl. hierzu auch LG Berlin, Urteil v. 30.4.2013 -16 O 389/12 Kart, ZUM 2013, 954 ff., Rz. 84 bei juris). Dieser genügen die Sender, sofern sie -wie unstreitig der Fall- ihre Programmsignale den Kabelnetzbetreibern dergestalt zur Verfügung stellen, dass diese die Signale in ihre Netze einspeisen können (so auch OLG Stuttgart, Urteil v. 21.11.2013 - 2 U 46/13, Umdruck S. 31 f. [zu 4.c)bb)] und OLG München, Urteil v. 28.11.2013 - U 2094/13 Kart, Rz. 45 ff. -Einspeiseentgelt).
73Vor dem genannten Hintergrund scheidet ein die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zur Zahlung eines Einspeiseentgelts verpflichtender Kontrahierungszwang aus. Die Einspeisung der Programmsignale dieser Anstalten obliegt den Kabelnetzbetreibern als eigene rundfunkrechtliche Pflicht, die -wie dargelegt- nach dem Willen des Gesetzgebers im Interesse einer flächendeckenden Grundversorgung gerade nicht von der Zahlung eines Einspeiseentgelts abhängig gemacht ist (so auch Holznagel/Salwitzek, K&R 2013, 454 [458]). Es ist daher keinesfalls im Sinne des § 19 RStV ermessensfehlerhaft, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Verbreitungsauftrag in der seit Beginn des Jahres 2013 durchweg an den Tag gelegten Weise, namentlich ohne vertraglich gesicherte und als Gegenleistung von ihnen zu vergütende Einspeiseleistungen, erfüllen. Keiner Entscheidung bedarf es, ob die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Hinblick auf die gesetzlichen Must-carry-Regelungen wegen des ihnen auferlegten Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebots zu dieser Vorgehensweise sogar (im Sinne einer „Ermessensreduzierung auf Null“) verpflichtet sind.
74Ein Kontrahierungszwang trifft die Beklagte schließlich auch nicht unter sonstigen Gesichtspunkten. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorhalten einer flächendeckenden Kabelnetzinfrastruktur (bis hin zur Bereitstellung von Kabelanschlüssen für Zuschauerhaushalte) zu einem originären Pflichtenkreis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehört und die privaten Kabelnetzbetreiber deshalb mit der Signaleinspeisung im Sinne einer als infrastrukturbezogen zu verstehenden Maßnahme eine Aufgabe der Sendeanstalten wahrnehmen. Zwar obliegt es dem Gesetzgeber, die Grundversorgung der Bevölkerung durch die Gewährleistung der erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern; der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf daher nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht beschränkt werden (BVerfG, Urteil v. 5.2.1991 -1 BvF 1/85 u.a., BVerfGE 83, 238 ff., Rz. 406 bei juris -6. Rundfunkurteil; BVerfG, Urteil v. 11.9.2007 -1 BvR 2270/05 u.a., Rz. 130 bei juris -Rundfunkgebühren). Insoweit ist dem Gesetzgeber indes ein Ausgestaltungsermessen eingeräumt und mit dem von ihm zwecks Erfüllung des Grundversorgungsauftrags aufgestellten Kabelbelegungsregime („must carry“) hat er sich -wie ausgeführt- gerade gegen eine die Anstalten verpflichtende Entgeltlichkeit der von den Kabelnetzbetreibern durchgeführten Signaleinspeisungen entschieden. Diese gesetzgeberische Entscheidung steht auch der Annahme eines unter dem Gesichtspunkt eines „Infrastrukturbeitrags“ begründeten Kontrahierungszwangs der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten entgegen (vgl. hierzu auch Holznagel/Salwitzek, K&R 2013, 454 [458]).
75d. Da nach dem Vorstehenden die Kabelnetzbetreiber mit der Signaleinspeisung im Rahmen der Grundversorgung eine originär eigene und zudem vom Aufgabenkreis der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten abgegrenzte Pflicht erfüllen, kann die Klägerin von der Beklagten eine Vergütung ebenso wenig aus den Rechtsinstituten der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.
76e. Die Klägerin kann ihr Entgeltverlangen auch nicht auf einen kartellrechtlichen Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruch gemäß §§ 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 3 S. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 S. 1 GWB (2013) stützen. Dies scheidet in Bezug auf die Zeit ab dem Jahr 2013 schon deshalb aus, weil die Beklagte zu keinem Kabelnetzbetreiber (mehr) eine vertragliche Beziehung unterhält, die die Erbringung von vergütungspflichtigen Einspeiseleistungen durch Infrastrukturinhaber zum Gegenstand hat und jedenfalls deshalb keine Nachfrage nach solchen Leistungen betreibt (vgl. auch LG Berlin, Urteil v. 30.4.2013 - 16 O 389/12 Kart, ZUM 2013, 954 ff., Rz. 91 bei juris). Vielmehr lehnt sie es ausdrücklich ab, sich die Einspeisung ihrer Programmsignale zu erkaufen. Diese erfolgt tatsächlich, wie bereits ausgeführt, im eigenen wirtschaftlichen Interesse der Kabelnetzbetreiber, die hiermit ihre „Must-carry-Verpflichtung“ erfüllen. Ohne marktteilnehmendes Unternehmen zu sein bzw. im geschäftlichen Verkehr zu handeln, kommt bei der Beklagten ein wie auch immer beschaffener Marktmachtmissbrauch von vornherein nicht in Betracht.
77B. Leistungsbegehren der Klägerin
78Soweit die Klägerin mit ihrem Leistungsantrag (Antrag zu II.) bzw. hilfsweise im Wege der Stufenklage bei der Beklagten Schadensersatz wegen in den zurückliegenden Jahren 2008 bis 2012 unterbliebener Zahlung von Einspeiseentgelten geltend macht, hat auch dies keinen Erfolg. Die Voraussetzungen eines in diesem Zusammenhang als Grundlage des Zahlungsbegehrens einzig in Betracht kommenden kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs liegen nicht vor (nachstehend zu 1.). Deshalb sind sowohl das bezifferte Leistungsverlangen als auch die Hilfsstufenklage abzuweisen (nachstehend zu 2.).
791. Ein Anspruch aus §§ 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 3 S. 1, 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB (2005) in Verbindung mit § 20 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GWB (2005) besteht nicht. Soweit die Beklagte in dem Zeitraum 2008 bis 2012 den Regionalgesellschaften ein vertragliches Einspeiseentgelt gezahlt hat, hat sie zwar auf dem Signaleinspeise-markt als Nachfragerin teilgenommen; dabei bezog sich ihre Nachfrage auf Signaltransporte durch die mit ihr vertraglich verbundenen Regionalgesellschaften. Dass sie die Zahlung eines Einspeiseentgelts gegenüber den übrigen Kabelnetzbetreibern, so auch der Klägerin, ablehnte, stellt indes keinen kartellrechtswidrigen Marktmachtmissbrauch dar.
80a. In zeitlicher Hinsicht kommt ein etwaiger Kartellrechtsverstoß zum Nachteil der Klägerin frühestens mit der am 3. November 2009 von der Beklagten (und den A.-Anstalten) ausgesprochenen Weigerung, mit der DN. zu Gunsten der bei dieser organisierten Kabelnetzbetreiber einen Einspeisevertrag zu schließen, in Betracht. In Bezug auf die davor liegende Zeit fehlt es sowohl nach dem Sachvortrag der Klägerin als auch nach dem übrigen Akteninhalt schon an jeglichem Anhalt für ein die Klägerin diskriminierendes Verhalten der Beklagten. Nach der bereits erörterten Vereinbarung vom 22.12.1998 (Anl. B 7) hatte sich die Klägerin damit einverstanden erklärt, dass sie bis auf Weiteres - namentlich bis zum Abschluss eines Vertrages zwischen den Programmveranstaltern mit dem ANGA-Verband - zur Abgeltung der Urheber- und Leistungsschutzrechte eine Vergütung zahlt, indes umgekehrt für die Signaleinspeisung kein Transportentgelt erhält. Und mit dem ANGA-Vertrag aus Mai/Juni 2009 erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, dass sie auf die von ihr zu entrichtende Vergütung für Kabelweitersenderechte einen zusätzlichen Rabatt in Höhe von sechs Prozent erhält, weil sie bei der Beklagten kein Einspeiseentgelt erhebt. Angesichts dessen könnte allenfalls - wie tatsächlich allerdings nicht - die vorerwähnte Zurückweisung des (am 30. Juli 2009 formulierten) Begehrens der DN., entgeltliche Signaleinspeisungen mit den dort organisierten Kabelnetzbetreibern zu vereinbaren, einen Marktmachtmissbrauch der Beklagten darstellen.
81b. Auch das ist indes nicht der Fall. Schadensersatzansprüche scheiden (zumindest) deshalb aus, weil die Beklagte schon nicht Normadressatin des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots ist (nachfolgend zu aa.) und darüber hinaus die Zurückweisung des Begehrens der DN. auch nicht als ein Missbrauch von Marktmacht anzusehen ist, der für den von der Klägerin behaupteten Schaden ursächlich geworden ist (nachfolgend zu bb.).
82aa. Die Prüfung der Normadressateneigenschaft im Sinne des § 20 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GWB (2005) ist im Streitfall an der Frage auszurichten, ob die Beklagte eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung als Nachfragerin von Signaleinspeisedienstleistungen hat. Denn die Klägerin macht eine wettbewerbliche Beeinträchtigung geltend, die der Sache nach daraus folgen soll, dass von ihr angebotene Einspeiseleistungen von der Beklagten nicht nachgefragt und in Anspruch genommen worden seien.
83(1) Nachfragemacht ist grundsätzlich davon abhängig, inwieweit Waren oder gewerbliche Dienstleistungen anbietende Unternehmen auf die Nachfrage anderer Unternehmen ausweichen können. Bei der Nachfragemacht bestimmt sich der relevante Markt mithin grundsätzlich nach der Austauschbarkeit der einzelnen Umsatzvorgänge für die Anbieter (BGH, Urteil v. 23.2.1988 - KZR 17/86, WuW/E BGH 2483 ff., Rz. 35 bei juris – Sonderungsverfahren; BGH, Urteil v. 12.11.2002 - KZR 11/01, WuW/E DE-R 1087 ff., Rz. 22 bei juris – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge; BGH, Urteil v. 24.6.2003 - KZR 18/01, WuW/E DE-R 1139 ff., Rzn. 23 f. bei juris – Wiederverwendbare Hilfsmittel; vgl. auch Möschel in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl. [2007], § 19 Rz. 40 m.w.N.). Sofern bei den Nachfragern untereinander ein nur eingeschränkter Wettbewerb herrscht, begründet dies für sich genommen noch keine Abhängigkeit der Anbieter (BGH, WuW/E DE-R 1139 ff., Rz. 23 bei juris – Wiederverwendbare Hilfsmittel). Im Ausgangspunkt bestimmt sich Nachfragemacht vielmehr nach der Höhe des Nachfragepotentials (BGH, Urteil v. 24.9.2002 - KZR 34/01, WuW/E DE-R 1011 ff., Rz. 14 bei juris – Wertgutscheine für Asylbewerber; BGH, WuW/E DE-R 1139 ff., Rz. 18 bei juris – Wiederverwendbare Hilfsmittel).
84(2) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sind sowohl eine marktbeherrschende Stellung (§ 20 Abs. 1 GWB 2005) als auch eine relative Marktmacht (§ 20 Abs. 2 GWB 2005) der Beklagten zu verneinen.
85(2.1) Der sachlich relevante Markt ist vorliegend derjenige für die Nachfrage der Sendeanstalten nach der Einspeisung ihrer Programmsignale in Breitbandkabelnetze als eine isolierte technische Dienstleistung. Hiervon abzugrenzen ist der Markt für die Einräumung von Kabelweitersenderechten, auf dem sich - in umgekehrten Rollen - die Sendeanstalten und Programmveranstalter als Anbieter und die Kabelnetzbetreiber als Nachfrager, die Entgelte im Sinne des § 20 b UrhG entrichten, gegenüberstehen (zur grundsätzlichen Unterscheidung zwischen der Signaleinspeisung als eine isolierte technische Dienstleistung der Kabelnetzbetreiber und der Einräumung von Kabelweitersenderechten zu Gunsten der Kabelnetzbetreiber vgl. auch BKartA, Beschluss v. 15.12.2011 - B 7-66-11, Rz. 185 Fn. 183). Um den letztgenannten Markt geht es vorliegend nicht, zumal die Klägerin selbst in Bezug auf diesen Markt keine unbillige Behinderung oder Diskriminierung durch die Beklagte geltend macht. Daher kommt es bei der Frage nach Marktbeherrschung und Marktmacht im Streitfall von vornherein nicht auf Parameter wie Zuschauermarktanteile der Z.-Programme und/oder darauf an, dass - wie für sich genommen unstreitig - ein Kabelnetzbetreiber ohne die Programme der Beklagten kein wettbewerbsfähiges Angebot auf den nachgelagerten Weitersendemärkten (NE 3/NE 4) abgeben kann.
86(2.2) Bei der räumlichen Marktabgrenzung ist auf die Sicht der Anbieter abzustellen; maßgebend ist die Frage, welche alternativen Nachfrager aus ihrer Sicht vorhanden sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 16.1.2008 - KVR 26/07, BGHZ 175, 333 ff., Rz. 69 bei juris - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Hiernach ist der vorstehend dargelegte Nachfragemarkt zumindest bundesweit abzugrenzen.
87Der Nachfragemarkt ist nicht auf das einzelne Kabelnetz begrenzt.
88(a) Insoweit liegen die Verhältnisse anders als bei der umgekehrten Prüfung von Angebotsmacht auf dem Einspeisemarkt. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht der die Signaleinspeisung nachfragenden Sender (Marktgegenseite) ist von einer Komplementarität der Kabelnetze, die untereinander nicht austauschbar sind, auszugehen. Dies ist den folgenden Umständen geschuldet: Die so genannten Free-TV-Anbieter sind auf eine permanente Reichweite von zumindest 95 % der Zuschauerhaushalte angewiesen, was bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schon mit Rücksicht auf ihren Grundversorgungsauftrag gilt. Auch die Pay-TV-Anbieter sind auf eine durchgängige Erreichbarkeit für alle Kabelkunden angewiesen, weil die Einspeisung ihrer Programme ihnen das Angebot dieser Programme erst ermöglicht. Angesichts dessen, dass die an ein bestimmtes Kabelnetz angeschlossenen Kunden aktuell jeweils nur über ihr eigenes Netz erreicht werden können, bilden die einzelnen Breitbandkabelnetze der Kabelnetzbetreiber jeweils einen eigenen räumlich relevanten Angebotsmarkt für die Einspeisung von Programmsignalen (zu Allem BKartA, Beschluss v. 15.12.2011 - B 7-66-11, Rz. 205 ff.; vgl. auch BGH, Urteil v. 19.3.1996 - KZR 1/95, WuW/E BGH 3058 ff., Rz. 24/25 bei juris -Pay-TV-Durchleitung).
89(b) Die vorstehende Beurteilung ist indes nicht auf den hier interessierenden Nachfragemarkt zu übertragen. Als Nachfrager der Einspeisung von Programmsignalen im Sinne einer isolierten technischen Dienstleistung kommen vielmehr alternativ (zumindest) alle Sender in Betracht, die bereits aktuell in das Netz der Klägerin eingespeist werden. Das sind gegenwärtig 324 Fernsehsender, darunter zum Beispiel alle im Bundesgebiet tätigen regionalen A.-Anstalten. Ob im Umfang etwaig vorhandener freier Kapazitäten der Klägerin darüber hinaus zum Markt diejenigen Sender gehören, die dort eingespeist werden können, kann auf sich beruhen.
90(2.3) Eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung der Beklagten auf dem so abgegrenzten Nachfragemarkt für die Einspeisung von Programmsignalen ist nicht festzustellen. Umstände, die eine solche Feststellung rechtfertigen könnten, werden von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht ansatzweise aufgezeigt und sind auch nach dem Sach- und Streitstand im Übrigen nicht ersichtlich.
91Wie bereits vorstehend zu (1) ausgeführt, begründet ein nur eingeschränkter Wettbewerb der Nachfrager untereinander für sich genommen keine Abhängigkeit der Anbieter, weshalb auch der fehlende Nachfragewettbewerb zwischen den Sendern, die unter die Must-carry-Verpflichtung fallen, für sich genommen kein stichhaltiges Argument für eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung der Beklagten als Nachfragerin liefert.
92Ein Marktbeherrschung oder Marktstärke indizierendes hohes Nachfragepotential in Bezug auf die technische Dienstleistung der Signaleinspeisung ist bei der Beklagten hinsichtlich des hier interessierenden Zeitraums (3. November 2009 bis 31. Dezember 2012) nicht festzustellen. In diesem Zusammenhang maßgeblich sind die Gesamtmasse der in das Netz der Klägerin eingespeisten Programmsignale sowie die auf die Beklagte entfallende Signalmasse. Hierzu hat die Klägerin keinen Vortrag gehalten, was zu ihren Lasten geht. Soweit sie stattdessen zur Zahl der insgesamt von ihr eingespeisten Sender vorgetragen und diese Sender benannt hat (vgl. Anl. BBK 3 zur Berufungsbegründung v. 8.8.2013), kann dies einen Anhalt für das Nachfragevolumen des Gesamtnachfragemarkts und den Nachfrageanteil der Beklagten bieten. Freilich liegt angesichts der insoweit dargelegten - und von der Beklagten nicht bestrittenen - Zahlen eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung der Beklagten völlig fern: Die Klägerin verbreitet gegenwärtig (analog und digital) insgesamt 324 Fernsehprogramme. Hierzu zählen 9 „reine“ Z.-Programme, was einem Anteil von .. % entspricht. In Gemeinschaft mit der A. sowie mit A. ist das Z. an 21 Programmen beteiligt (Anteil .. %). Rechnet man die „reinen“ A.-Programme - im Hinblick auf die von A. und Z. gemeinsam mit den Regionalgesellschaften ehemals geschlossenen Kooperations- bzw. Einspeiseverträge - hinzu, führt dies zu 54 Programmen, mithin einem Anteil von .. %. Selbst bei Zugrundelegung der letztgenannten Prozentzahl ist nicht von einem Marktbeherrschung bzw. Marktstärke indizierenden Nachfragevolumen der Beklagten auszugehen.
93Auch im Übrigen ist bezogen auf den relevanten Zeitraum für eine Abhängigkeit der Klägerin davon, dass (gerade) die Beklagte bei ihr die technische Dienstleistung der Signaleinspeisung einkauft, nichts ersichtlich. Vielmehr spricht gegen eine solche Abhängigkeit, dass die Klägerin seit dem Aufbau ihres Breitbandkabelnetzes im Jahr 1998 über viele Jahre der Beklagten ihre Einspeisedienstleistung nicht verkauft und sich auch gemäß dem ANGA-Vertrag 2009 mit einem weiteren sechsprozentigen Rabatt auf die von ihr zu entrichtende Urheber- und Leistungsschutzrechtsvergütung zufrieden gegeben hat. Wie aus den vorstehenden Darlegungen zu den von der Klägerin eingespeisten Sendern ferner folgt, bestehen hinsichtlich zumindest .. % ihrer Kabelbelegungskapazitäten (nach Senderanzahl gerechnet) zumutbare und auch ausreichende Absatzalternativen.
94Schon allein wegen dieses hohen Ausweichpotentials ist es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - unerheblich, dass die Beklagte auf Grund der rundfunkrechtlichen „Must-carry-Regelungen“ in Bezug auf die unter ihrer Beteiligung ausgestrahlten Programme einen gesicherten Zugang zu den Kabelbelegungskapazitäten der Klägerin hat. Aus diesem Gesichtspunkt kann unabhängig von den bereits dargelegten Absatzalternativen ohnehin keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung der Beklagten abgeleitet werden. Das gesetzliche „Kabelbelegungsregime“ bedeutet nichts anderes, als dass die Kapazitäten der Klägerin den „Must-carry-Programmen“ vorbehalten sind, ohne dass die Beklagte sich um diese Kapazitäten mit wettbewerblichen Mitteln zu bemühen und diese auf dem Markt nachzufragen hat (vgl. auch Holznagel/Salwitzek, K&R 2013, 454 [456], die zutreffend ausführen, dass die Kapazitäten für die „Must-carry-Programme“ von vornherein dem Wettbewerb entzogen seien). Gerade weil diese Kapazitäten auch ohne eine Teilnahme der Beklagten auf dem Nachfragemarkt für Einspeisedienstleistungen für deren Programme sicher zur Verfügung stehen, kann die „Must-carry-Verpflichtung“ der Kabelnetzbetreiber nicht zur Begründung einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung der Beklagten auf diesem Nachfragemarkt herangezogen werden. An dieser Beurteilung kann auch nichts ändern, dass die Beklagte in der hier interessierenden Zeit, obwohl hierzu wegen der must-carry-Regeln an sich nicht genötigt, insoweit Nachfrage nach Signaleinspeisungen betrieb, als sie sich diese von den Regionalgesellschaften gegen Zahlung eines Transportentgelts vertraglich zusichern ließ. Denn unbeschadet dessen gilt für das Verhältnis der Parteien des Streitfalls zueinander, dass die Beklagte bei der Klägerin die Einspeisung von Programmsignalen mangels vergleichbarer Vereinbarungen nicht wettbewerblich nachfragte, die Signaleinspeisung daher allein auf der Grundlage der gesetzlichen „Must-carry-Regeln“ (und im wirtschaftlichen Eigeninteresse der Klägerin) erfolgte.
95(3) Nach den vorstehenden Ausführungen kann im Hinblick auf einen zu prüfenden Missbrauch von Marktmacht im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB 2005 die - vom Landgericht verneinte - Frage dahinstehen, ob die Klägerin ein kleines oder mittleres Unternehmen ist und somit überhaupt in den Schutzbereich der Norm fällt.
96bb. Selbst wenn die Beklagte im hier relevanten Zeitraum Normadressatin des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots gewesen ist, läge jedenfalls kein für die Schäden der Klägerin ursächlicher Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung vor. Dies ist Ergebnis einer nach ständiger Rechtsprechung maßgeblichen umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, einen freien und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil v. 31.1.2012 - KZR 65/10, WuW/E DE-R 3549 ff. = NJW 2012, 2110 ff., Rz. 29 - Werbeanzeigen).
97Zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte im Jahr 2008 die Kooperations- bzw. Einspeiseverträge mit den Regionalgesellschaften vor dem Hintergrund schloss, dass damals unterschiedliche Auffassungen über die etwaige Pflicht der Fernsehsender zur Zahlung eines Einspeiseentgelts herrschten. Bereits damals kündigten die beteiligten Programmveranstalter, so auch die Beklagte, an, für die digitale Kabelverbreitung künftig keine Einspeiseentgelte zahlen zu wollen, während die Regionalgesellschaften den gegenteiligen Standpunkt vertraten (vgl. hierzu die in den hiesigen Gründen zu I. auszugsweise zitierte Präambel des mit U. geschlossenen Kooperationsvertrags). Bei dieser Ausgangslage verabredeten die Vertragsparteien eine umfassende Kooperation bei der analogen und digitalen Programmverbreitung, wobei die Beklagte in diesem Kontext ein Einspeiseentgelt versprach. Am 3. November 2009 hat die Beklagte ihren Standpunkt, Einspeiseentgelte zu zahlen, geändert und angekündigt, fortan keinem Kabelnetzbetreiber mehr Einspeiseentgelte zu zahlen. Diesen Standpunkt hat sie konsequent umgesetzt, indem sie die Kooperations- und Einspeiseverträge mit den Regionalgesellschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt gekündigt und seit November 2009 jenseits der bestehenden Verpflichtungen aus den genannten Verträgen keinem Kabelnetzbetreiber ein Einspeiseentgelt gezahlt hat.
98Bei dieser Sachlage trifft die Beklagte nicht der Vorwurf eines Marktmachtmissbrauchs. Sie (die Beklagte) war - wie ausgeführt - von vornherein in der Entscheidung frei, ob sie die Signaleinspeisung bei den Kabelnetzbetreibern nachfragt und vergütet oder sie dies - wie seit dem 1. Januar 2013 ohne Ausnahme der Fall - unterlässt. In den Verträgen mit den Regionalgesellschaften aus dem Jahr 2008 hat sie zwar ein Einspeiseentgelt versprochen, jedoch bereits verbunden mit der ausdrücklichen Ankündigung, dass dies nur übergangsweise geschehe und für die Einspeisung digitaler Signale zukünftig keine Entgeltzahlung mehr beabsichtigt sei. Nachdem die DN. sodann im Sommer 2009 die Forderung nach einem Einspeiseentgelt erhoben hatte, durfte die Beklagte ihren Standpunkt überdenken. Dies gilt umso mehr, als sie gemäß § 19 RStV dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit unterliegt. Wenn sie bei dieser erneuten Überprüfung - mehr als eineinhalb Jahre nach Abschluss der Verträge mit den Regionalgesellschaften - nunmehr mit Recht zu dem Ergebnis kam, dass eine Pflicht zur Zahlung von Einspeiseentgelten nicht besteht und deshalb fortan solche Entgelte nicht gezahlt werden, liegt darin kein Missbrauch von Marktmacht. Auch einem Marktbeherrscher ist es nicht verwehrt, zu der richtigen Rechtsauffassung zu gelangen und diese sodann in die Tat umzusetzen.
99In einem solchen Fall wird überdies keine Marktmacht ausgenutzt, sondern lediglich die zutreffend gewonnene Rechtsansicht praktiziert. Die Weigerung der Beklagten, an die in der DN. organisierten Kabelnetzbetreiber ein Einspeiseentgelt zu zahlen, ist bei verständiger Würdigung aller Umstände ebenso wenig ursächlich auf Marktmacht der Beklagten zurückzuführen wie es (vor dem Hintergrund des gesetzlichen Kabelbelegungsregimes) die ursprüngliche Entscheidung der Beklagten war, eines solchen Entgelts an die Regionalgesellschaften zu zahlen.
1002. Da dem Grunde nach ein Anspruch der Klägerin auf rückwirkende Zahlung eines Einspeiseentgelts bzw. Schadensersatz wegen in der Vergangenheit unterbliebener Zahlung eines solchen Entgelts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen ist, ist das Leistungsbegehren der Klägerin in vollem Umfang abzuweisen. Dies gilt für den bezifferten Hauptantrag (hier Antrag zu II.) und - insoweit über den Auskunftsantrag (hier Antrag zu III.) hinaus - für die gesamte hilfsweise erhobene Stufenklage. Ist den weiteren mit der Stufenklage verfolgten Ansprüchen jegliche Grundlage entzogen, kann das Berufungsgericht nach ständiger Rechtsprechung die Stufenklage auch dann insgesamt abweisen, wenn erstinstanzlich bislang lediglich über den Auskunftsantrag (1. Stufe) entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil v. 8.5.1985 - IVa ZR 138/83, NJW 1985, 2405 [2407]; Zöller/Greger, § 254 Rz. 14).
101C. Hilfswiderklage
102Über die Hilfswiderklage ist nicht zu entscheiden, da die von der Beklagten insoweit genannte Bedingung der (zumindest teilweisen) Begründetheit der Klage nicht erfüllt ist. Dahinstehen kann deshalb, ob die Hilfswiderklage -wie die Klägerin in Abrede stellt- überhaupt wirksam in die zweite Instanz gelangt ist.
103III.
104Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
105Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
106IV.
107Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Streitfall keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft und eine höchstrichterliche Entscheidung auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO) ist.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2014 - VI-U (Kart) 15/13
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2014 - VI-U (Kart) 15/13
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2014 - VI-U (Kart) 15/13 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte stellt bekannte Markenparfums her, die sie ausschließlich über ein Netz ausgesuchter Depositäre des Parfumeinzelhandels vertreibt. Die Depositäre müssen nach den Depotverträgen, die die Beklagte mit ihnen schließt, ein bestimmten Anforderungen genügendes Ladengeschäft unterhalten. Die Beklagte gestattet ihren Depositären den Vertrieb ihrer Produkte auch über das Internet, wobei sie sich eine Kündigung für den Fall vorbehalten hat, daß bei dem Depositär der Internet-Umsatz den Umsatz im stationären Handel übersteigt. Mit Unterneh-
men, die die Vertriebsanforderungen der Beklagten nicht erfüllen, die insbesondere nicht über ein stationäres Fachgeschäft verfügen, schließt die Beklagte keine Depotverträge ab und verweigert ihnen die Belieferung. Die Beklagte führt mit den Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! den deutschen Markt für Markenparfums mit einem Anteil von 18 % an. Es ist unstreitig, daß der stationäre Kosmetikfachhandel in Deutschland jedenfalls dann darauf angewiesen ist, durch die Beklagte beliefert zu werden, wenn er von keinen anderen Herstellern bekannter Markenparfums beliefert wird.
Die Klägerin ist ein kleineres Unternehmen, das kosmetische Produkte ausschließlich über das Internet vertreibt. Da sie kein Ladengeschäft betreibt, wird sie weder von der Beklagten noch von anderen namhaften Herstellern von Markenparfums direkt beliefert. Daher ist die Klägerin darauf angewiesen, ihren Bedarf an Markenparfums bei Depositären der Beklagten und anderen Fachhändlern zu decken.
Mit der vorliegenden Klage möchte die Klägerin eine Belieferung durch die Beklagte erreichen. Sie hat diese Klage als Widerklage im Berufungsrechtszug eines Rechtsstreits umgekehrten Rubrums erhoben, in dem sie auf Unterlassung eines behaupteten „Schleichbezugs“ in Anspruch genommen worden war. Nach der Trennung der beiden Verfahrensteile ist diese (Wider-)Klage alleiniger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Nachdem die Klägerin zunächst einen auf Belieferung gerichteten Leistungsantrag gestellt hatte, hat sie zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend ihren Bestellungen mit den Produkten der Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! zu den Konditionen der mit den anderen Kunden der Beklagten abgeschlossenen Depotverträge zu beliefern.
Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben (OLG München GRUR-RR 2002, 207). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Während des Revisionsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden. Die Insolvenzverwalterin hat die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt; daraufhin hat die Beklagte den Rechtsstreit aufgenommen. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten.
Entscheidungsgründe:
I. Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§ 555 Abs. 1, § 331 ZPO). Das Urteil beruht allerdings nicht auf der Säumnis. Es wäre nach dem der Revisionsentscheidung gemäß § 559 ZPO zugrundezulegenden Sach- und Streitstand inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Klägerin nicht säumig gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
II. Das Berufungsgericht hat einen Belieferungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bejaht. Es hat in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin mit Parfums der Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! zum Vertrieb über das Internet zu beliefern, eine unbillige Behinderung und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 GWB gesehen. Hierzu hat es ausgeführt:
Bei der Klägerin handele es sich um ein kleines Unternehmen i.S. von § 20 Abs. 2 GWB. Die Klägerin sei auch abhängig von der Belieferung durch die Beklagte. Es sei nicht ersichtlich, daß die Verbraucher von einem Unternehmen, das Luxus-Kosmetika im Internet anbiete, eine geringere Sortimentsbreite erwarteten
als vom stationären Fachhandel. Die Klägerin habe auch keine Möglichkeiten, auf andere Hersteller auszuweichen, da auch diese eine Belieferung ablehnten. Es handele sich um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen – wozu der stationäre Fachhandel zu zählen sei – zugänglich sei.
Eine Abwägung der Interessen der Parteien ergebe, daß die in der Nichtbelieferung der Klägerin liegende Ungleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen und die darin ebenfalls liegende Behinderung unbillig sei. Zwar sei es der Beklagten nicht verwehrt, im Rahmen ihres selektiven Vertriebssystems strenge Selektionskriterien aufzustellen. Es könne auch unterstellt werden, daß die Maßstäbe, die sie für den stationären Fachhandel aufstelle, angemessen seien. Es sei auch nicht darüber zu entscheiden, ob es gerechtfertigt sei, den Internetvertrieb als eine den qualitativen Anforderungen nicht genügende Vertriebsform generell von einer Belieferung auszuschließen. Denn die Beklagte habe ihren Depositären die Möglichkeit eröffnet, die in Rede stehenden Produkte auch über das Internet zu bewerben , anzubieten und zu vertreiben. Das von der Beklagten aufgestellte Erfordernis , daß neben dem Internetvertrieb auch noch ein stationäres Geschäftslokal unterhalten werden müsse, sei nicht sachgerecht und nicht angemessen. Es sei nicht ersichtlich, wie ein stationäres Ladengeschäft zur Aufrechterhaltung des „Luxus -Image“ beitragen solle.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht die Beklagte als Normadressatin des kartellrechtlichen Diskriminierungs - und Behinderungsverbots (§ 20 Abs. 1 und 2 GWB) angesehen hat. Zwar handelt es sich bei der Beklagten erkennbar nicht um ein marktbeherrschendes
Unternehmen. Die Beklagte verfügt jedoch gegenüber einem kleinen Unternehmen wie der Klägerin über eine relative Marktmacht i.S. von § 20 Abs. 2 GWB.
Es ist unstreitig, daß jedenfalls der stationäre Einzelhandel auf die Produkte der Beklagten nicht verzichten kann, zumal ein breites Sortiment durchweg Voraussetzung für die Belieferung mit Exklusivmarken ist. Die Geschäfte des stationären Fachhandels zeichnen sich durchweg durch eine besondere Sortimentstiefe aus. Auch die Beklagte verlangt von ihren Depositären, daß sie auch zahlreiche andere bekannte Parfums führen. Damit ist freilich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht gesagt, daß für den Internethandel entsprechende Verhältnisse gelten. In manchen Branchen mag das Publikum von einem Internethandel eine ebenso große oder sogar eine noch größere Sortimentstiefe erwarten. Es ist aber ebenso denkbar, daß – wie die Revision geltend macht – im Internet Spezialanbieter tätig sind, von denen das Publikum nicht die gleiche Sortimentsbreite und -tiefe erwartet wie vom stationären Fachhandel. Feststellungen hat das Berufungsgericht hierzu nicht getroffen.
Die Normadressateneigenschaft der Beklagten hängt indessen nicht davon ab, daß die Klägerin gerade auf die Produkte der Beklagten angewiesen ist. Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit der Klägerin besteht auch dann, wenn die Beklagte zu einer Spitzengruppe gehört und die Klägerin von keinem Hersteller aus dieser Gruppe beliefert wird, obwohl sie zumindest die Produkte eines Herstellers benötigt (vgl. zur sog. Spitzengruppenabhängigkeit BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WuW/E DE-R 206 – Depotkosmetik; Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, WuW/E DE-R 481, 482 ff. – Designer-Polstermöbel, m.w.N.). Jedenfalls von einer solchen Konstellation ist im Streitfall auszugehen. Auch wenn die Verbraucher vom Internethandel mit Markenparfums nicht dieselbe Sortimentstiefe erwarten sollten wie von dem – üblicherweise besonders gut sortierten – stationären Fachhandel , benötigt die Klägerin doch zumindest die Produkte eines Herstellers. Da
sie von keinem Hersteller aus dieser Gruppe beliefert wird, besteht gegenüber jedem dieser Hersteller – so auch gegenüber der Beklagten – eine sortimentsbedingte Abhängigkeit i.S. von § 20 Abs. 2 GWB.
2. Auch die Gleichartigkeit des in Rede stehenden Geschäftsverkehrs zieht die Revision zu Unrecht in Zweifel. In der Vergangenheit hat der Senat dieses „nur der groben Sichtung“ dienende Merkmal großzügig bejaht, wenn die zu vergleichenden Unternehmen nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zur Marktgegenseite dieselben Anforderungen erfüllen (BGHZ 101, 72, 79 – Krankentransporte; BGH, Urt. v. 23.10.1979 – KZR 19/78, WuW/E 1635, 1637 – Plaza SB-Warenhaus; Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 – Zuckerrübenanlieferungsrecht; Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 f. – Bahnhofsbuchhandel). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor (vgl. für das Verhältnis von Versandhandel und stationärem Handel BGH, Urt. v. 24.9.1979 – KZR 20/78, WuW/E 1629, 1631 – Modellbauartikel
II).
3. Ist die Gleichartigkeit zwischen Internet- und stationärem Handel zu bejahen , fehlt es – entgegen der Ansicht der Revision – auch nicht an dem Merkmal, daß der fragliche Geschäftsverkehr „allgemein zugänglich“ sein muß.
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte könne sich für den Ausschluß von Händlern, die nicht zumindest die Hälfte des Umsatzes mit den fraglichen Produkten im stationären Handel erzielten, auf keine schützenswerten Interessen berufen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, Händler, die – wie die Klägerin – ausschließlich über das Internet vertreiben, von der Belieferung auszuschließen.
a) Der Internethandel entspricht in vielen Punkten strukturell dem her- kömmlichen Versandhandel. Hinsichtlich dieser Vertriebsform ist aber anerkannt, daß die Betreiber eines selektiven Vertriebssystems für hochwertige Markenparfums ein berechtigtes Interesse haben, diese Vertriebsform auszuschließen.
Die Beklagte legt Wert darauf, daß ihre Produkte dem Verbraucher in einem anspruchsvollen, die Aura des Exklusiven vermittelnden Umfeld präsentiert werden. Hierauf zielen zahlreiche Anforderungen ab, die sie ihren Depositären stellt. Darüber hinaus geht es ihr darum, den Kunden die Gelegenheit zu bieten, das jeweilige Parfum oder sonstige Duftwasser auszuprobieren und sich von kundigem Fachpersonal eingehend beraten zu lassen. Diese qualitätsbezogenen Anforderungen kann der Internethandel ebenso wie der klassische Versandhandel nicht erfüllen. In der Vergangenheit hat daher der Senat ebenso wie die Europäische Kommission den Ausschluß des Versandhandels in den Vertriebssystemen der Parfumhersteller durchweg als berechtigt anerkannt (vgl. BGH WuW/E DE-R 206, 210 – Depotkosmetik; EG-Kommission, GRUR Int. 1992, 915, 918 – Yves Saint Laurent Parfums).
b) Die Beklagte ist auch nicht deswegen zur Belieferung der Klägerin als einer ausschließlichen Internethändlerin verpflichtet, weil sie ihren Depositären in einem gewissen Rahmen den Internethandel gestattet. Denn für die darin liegende Ungleichbehandlung der Klägerin auf der einen und der Depositäre auf der anderen Seite bestehen sachliche Gründe, die gleichzeitig die in der Nichtbelieferung liegende Behinderung nicht als unbillig erscheinen lassen. Die Beklagte hat sich durch die Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalverträge Nr. 2790/99 vom 22. Dezember 1999 (sog. Schirm-VO) veranlaßt gesehen, ihren Depositären, die sämtlich auch stationäre Fachgeschäfte betreiben, in gewissem Umfang auch den Vertrieb über das Internet zu gestatten. Die Verordnung Nr. 2790/99 gebietet es dagegen nicht, auch den reinen Internethandel zu beliefern.
Art. 4 lit. b der Verordnung Nr. 2790/99 nimmt u.a. Vereinbarungen von der (Gruppen-)Freistellung aus, die den Kundenkreis beschränken, an den der Händ- ler Vertragswaren verkaufen darf. Die Leitlinien für vertikale Beschränkungen, die die Kommission hierzu herausgegeben hat (ABl. EG 2000/C 291/01), machen deutlich, daß die Kommission darunter gerade auch den Internethandel versteht (vgl. Tz. 51 der Leitlinien; ferner Pautke/Schultze, BB 2001, 317, 318); denn der Internethandel wird im allgemeinen als ein passiver Verkauf im Sinne der in den Leitlinien vorgenommenen Definition (Leitlinien aaO Tz. 50 a.E.) verstanden. Das Begriffspaar „aktiv/passiv“ wird dabei in der Weise verwendet, daß als „aktiver“ Verkauf die aktive Ansprache individueller Kunden, als „passiver“ Verkauf die Erfüllung unaufgeforderter Bestellungen individueller Kunden verstanden wird. Der Internethandel, der sich daraus ergibt, daß Kunden die Website eines Händlers aufsuchen und über sie Ware bestellen, wird dabei ausdrücklich als passiver Verkauf verstanden (Leitlinien aaO Tz. 51). In welchem Umfang danach der Internethandel zugelassen werden muß, mag im einzelnen noch offen sein. Fest steht indessen , daß es die Verordnung einerseits nicht gebietet, auf das Erfordernis eines stationären Ladenlokals als regelmäßigen Absatzweg zu verzichten, daß sie andererseits den vollständigen Ausschluß des Internethandels nicht zuläßt, vielmehr in einem generellen Ausschluß des Internetvertriebs eine sog. Schwarze Klausel sieht (Art. 4 lit. c Verordnung Nr. 2790/99; vgl. auch Leitlinie aaO Tz. 53; ferner M. Bauer, WRP 2003, 243, 247).
Unter diesen Umständen kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden , sie habe selbst den Handel über das Internet eröffnet und müsse nunmehr auch diejenigen Händler beliefern, die ihre Ware ausschließlich über das Internet vertreiben. Vielmehr hat die Beklagte lediglich ihren Depositären in dem Umfang den Internethandel gestattet, der nach ihrer Auffassung durch die Verordnung Nr. 2790/99 geboten war. Ein solches Verhalten ist nach § 20 Abs. 1 GWB ge-
rechtfertigt, ohne daß es eines Rückgriffs auf den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts bedarf (dazu M. Bauer, WRP 2003, 243, 248).
IV. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Klägerin sind die Kosten des abgetrennten Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Insoweit beruht die Entscheidung auf § 91 Abs. 1 ZPO und – soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ihre angekündigten Anträge nicht verlesen hat – auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck
Tenor
1. a) Der Rechtsstreit wird im Umfang des Hilfsantrags 1 f, nämlich
festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1. a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange zwischen der Klägerin und der Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht,
zur gesonderten Entscheidung
a b g e t r e n n t.
b) In diesem Umfang wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige
V e r w a l t u n g s g e r i c h t S t u t t g a r t
v e r w i e s e n.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20.03.2013
z u r ü c k g e w i e s e n .
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.900.000,00 EUR
Gründe
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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
1. a) Der Rechtsstreit wird im Umfang des Hilfsantrags 1 f, nämlich
festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1. a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange zwischen der Klägerin und der Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht,
zur gesonderten Entscheidung
a b g e t r e n n t.
b) In diesem Umfang wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige
V e r w a l t u n g s g e r i c h t S t u t t g a r t
v e r w i e s e n.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20.03.2013
z u r ü c k g e w i e s e n .
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.900.000,00 EUR
Gründe
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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.
Tenor
1. a) Der Rechtsstreit wird im Umfang des Hilfsantrags 1 f, nämlich
festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1. a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange zwischen der Klägerin und der Beklagten kein wirksamer Vertrag über die Einspeisung besteht,
zur gesonderten Entscheidung
a b g e t r e n n t.
b) In diesem Umfang wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige
V e r w a l t u n g s g e r i c h t S t u t t g a r t
v e r w i e s e n.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20.03.2013
z u r ü c k g e w i e s e n .
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.900.000,00 EUR
Gründe
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind Handelsunternehmen, die in unterschiedlichem Umfang niedersächsische Kommunen mit Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge beliefern. Die 1995 gegründete Beklagte ist eine 100%ige Tochter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V., in dem 80 % der niedersächsischen Kommunen organisiert sind. Die Beklagte wurde errichtet, um den Einkauf der Kommunen zu koordinieren. In den Jahren 1995 und 1996 informierte der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund e.V. seine Mitgliedsgemeinden , daß der Einkauf von Feuerwehrfahrzeugen und dazu gehörigen Ausrüstungsgegenständen über die Beklagte im Wege einer Sammelbestellung erfolgen solle. Er bezog sich dabei auf eine Initiative, die er gemeinsam
mit dem Niedersächsischen Innenministerium ergriffen hatte, um künftig Feuerwehrbedarf durch Sammelbestellungen zu befriedigen. Im November 1996 forderte der kommunale Spitzenverband seine Mitgliedsgemeinden auf, entsprechende Bedarfsmeldungen an die Beklagte zu richten und die Beschaffung von Preßluftatmern und Tragkraftspritzen über diese zu veranlassen. Nachdem im Oktober 1996 bereits eine erste Ausschreibung stattgefunden hatte, schrieb die Beklagte am 16. Juli 1997 insgesamt 27 Tragkraftspritzen und 241 Preßluftatmer europaweit aus. Auf diese Ausschreibung hin gaben unter anderem auch Hersteller dieser Produkte direkt an die Beklagte Angebote ab.
Die Klägerinnen wenden sich gegen diese Ausschreibungspraxis der Beklagten. Sie begehren mit ihrer Klage die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung von Nachfragebündelungen und gemeinsamen Ausschreibungen. Nach ihrer Auffassung begründet die Bündelung von Nachfragemacht ein verbotenes Kartell im Sinne des § 1 GWB; die Freistellungsklausel nach § 4 Abs. 2 GWB sei auf Kommunen nicht anwendbar, weil diese nicht miteinander im Wettbewerb stünden und mithin ihre Wettbewerbssituation auch nicht verbessert werden könne.
Die Klägerinnen hatten vor dem Landgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen (OLG Celle NJW-RR 2002, 476). Mit ihrer Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerinnen bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 33 i.V. mit § 1 GWB verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob die durch die Beklagte vorgenommene Zusammenführung der Nachfrage der einzelnen Kommunen überhaupt dem Kartellverbot nach § 1 GWB unterfalle. Ebenso könne offenbleiben, inwieweit diese Nachfragebündelung die Spürbarkeitsschwelle nach § 1 GWB überschreite. Das Verhalten der Beklagten erfülle jedenfalls den Privilegierungstatbestand des § 4 Abs. 2 GWB. Diese Regelung sei auf das Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand anwendbar. Für kleinere und mittlere Gemeinden gelte insofern gleichermaßen der Grundgedanke, strukturelle Nachteile, die auf der geringen Größe der Kommunen beruhten, durch die Bildung von Einkaufskooperationen auszugleichen. Bei der hier gewählten Form der Beschaffung werde für die einzelne Gemeinde auch kein über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang begründet.
Der Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB liege nicht vor, weil der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes sei dabei sowohl auf die Anbieterseite als auch auf die Nachfragerseite abzustellen. Der räumlich relevante Markt erstrecke sich auf das Gebiet der gesamten Bundesrepublik; dies belege auch die Marktstruktur, die durch mehrere überregional tätige Händler geprägt sei. Das Nachfragepotential des gesamten Bedarfs für Freiwillige Feuerwehren in Niedersachsen betrage bei Tragkraftspritzen etwa 13 % und bei
Preßluftatmern etwa 10 %. Selbst wenn es der Beklagten gelänge, 75 % dieses Nachfragepotentials zu bündeln, ergäbe sich damit ein Nachfragepotential der Beklagten, das insgesamt unter 10 % läge. Damit könne aber von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht ausgegangen werden. Selbst soweit sich gelegentlich größere Kommunen an einer gemeinsamen Beschaffung durch die Beklagte beteiligten, lasse dies den Erlaubnistatbestand nicht entfallen, weil auch dann der Zweck der Beseitigung von Nachteilen für kleine und mittlere Unternehmen gewahrt bleibe.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vorliegt, weil die Beklagte das Nachfrageverhalten der Kommunen bündelt.
a) Die Beklagte koordiniert das Nachfrageverhalten der sie beauftragenden Kommunen, die im Hinblick auf die Ausrüstungsgegenstände miteinander im Nachfragewettbewerb stehen. Sie übt diese Koordinierungstätigkeit als 100%ige Tochter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V. aus. Dieser Spitzenverband hat die Beklagte gegründet, um durch sie das Nachfrageverhalten der Kommunen zu bündeln. Insoweit hat er die Steuerung des Nachfrageverhaltens der Gemeinden auf die Beklagte verlagert. Die Beklagte nimmt in erheblichem Umfang die Nachfrage für die Gemeinden wahr. Die Funktion der Beklagten besteht darin, den Bedarf hinsichtlich der einzelnen Feuerwehrausrüstungsgegenstände zusammenzuführen und dadurch günstigere Preise und Bedingungen im Einkauf zu erzielen. Die Beklagte bewirkt hierdurch aber zugleich eine Abstimmung der Gemeinden im Nachfrageverhalten.
Da die Gemeinden als Nachfrager jeweils auf derselben Ebene stehen, liegt eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vor. Ein solches Verhalten unterfällt dem Kartellverbot des § 1 GWB (vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.1999 - KVR 20/97, WuW/E DE-R 289, 294 - Lottospielgemeinschaft).
b) Die Beklagte tritt dabei nicht als selbständiger Zwischenhändler auf. Sie nimmt nur die Funktion eines Vermittlers der von dem Spitzenverband bezweckten Nachfragekoordination wahr. Die Beklagte trägt kein eigenes Risiko, weil die Gemeinden, die sie hinsichtlich einer jeweils konkreten Beschaffungsmaßnahme beauftragen, dann zur Abnahme der Ware und zur Zahlung eines Fixums in Höhe von 3 % des Einkaufspreises verpflichtet sind. Da die Beklagte ihrer Zweckbestimmung nach für den kommunalen Spitzenverband das Nachfrageverhalten der einzelnen Gemeinden abstimmt, hat das Berufungsgericht zu Recht in den jeweiligen Einzelaufträgen der Kommunen auch keine Vertikalvereinbarungen im Sinne der §§ 14 ff. GWB gesehen. Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt nämlich nicht im Verhältnis der einzelnen Gemeinden zur Beklagten , sondern in den Beziehungen zwischen den Gemeinden, die ihr Wettbewerbsverhältnis als Nachfrager untereinander faktisch dadurch aufheben, daß sie jeweils die Beklagte beauftragen.
c) Zwar haben die Gemeinden selbst als Nachfrager keine entsprechende Absprache oder Abstimmung vorgenommen. Eine Koordination ihres Nachfrageverhaltens kann aber auch über sogenannte "Sternverträge" erfolgen (vgl. Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 1 Rdn. 186). In diesen Fällen wird die Verhaltensabstimmung über die Vielzahl gleichartiger Beauftragungen eines Dritten bewirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.1975 - KVR 2/74, WuW/E 1367, 1369 - Zementverkaufsstelle Niedersachsen). Entscheidend ist insoweit, daß die jeweiligen Gemeinden über die Beklagte eine Nachfragebündelung be-
absichtigt und erreicht haben. Dabei geht die Tätigkeit der Beklagten über die bloße Vermittlung jeweils zugunsten der einzelnen Gemeinde hinaus. Sie liegt in der Zusammenführung mehrerer gleichgerichteter Beschaffungsvorhaben verschiedener Gemeinden, um so in einer Hand ein größeres Marktnachfragepotential zu erreichen. Insoweit vermittelt die Beklagte die Abstimmung der sich an dem Beschaffungsvorgang beteiligenden Gemeinden, die dann ihrerseits - jedenfalls hinsichtlich des konkreten Nachfragevorgangs - als eigene Nachfrager am Markt ausscheiden. Unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB ist es dabei unschädlich, daß die Verhaltensabstimmung über einen Dritten bewirkt wird (Zimmer in Immenga/Mestmäcker aaO § 1 Rdn. 111). Die Beauftragung der Beklagten dient nämlich dazu, die (für sich betrachtet) jeweils geringere Nachfragemacht der Gemeinden zu bündeln und hierdurch niedrigere Preise und günstigere Einkaufskonditionen für die beteiligten Gemeinden zu erzielen.
d) Die Gemeinden stehen als Nachfrager untereinander im Wettbewerb. Als Träger hoheitlicher Gewalt unterfallen sie nach dem funktionellen Unternehmensbegriff dann dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen (§ 130 Abs. 1 GWB). Die wirtschaftliche Betätigung liegt hier in der Nachfrage der Gemeinden, die sich auf dem Markt mit Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge eindecken. Dabei spielt es weder eine Rolle, ob sich die Nachfrage auf Gegenstände richtet, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit stehen, noch ob die Gemeinde im Hinblick auf den nachgefragten Gegenstand Endverbraucher ist. Greift ein Hoheitsträger im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln, unterliegt er in diesem Bereich den gleichen Beschränkungen wie jeder andere Teilnehmer und hat dabei insbesondere die durch das Wettbewerbsrecht gezogenen Grenzen
einer solchen Tätigkeit zu beachten (BGHZ 107, 40, 43 ff. - Krankentransportbestellung ; BGH WuW/E DE-R 289, 293 - Lottospielgemeinschaft).
e) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch unberücksichtigt gelassen, daß eine entsprechende Nachfragebündelung geeignet ist, dem Sparsamkeitsgebot in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Dieser Grundsatz, der den Trägern hoheitlicher Gewalt die Pflicht zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung überbürdet (§ 6 Abs. 1 HGrG; § 82 Abs. 2 NGO), vermag das Kartellverbot nach § 1 GWB nicht einzuschränken oder zu modifizieren. Insoweit findet eine Rechtsgüterabwägung nicht statt (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037, 1042 f.; derselbe in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 1 GWB Rdn. 214). Eine Berücksichtigung des Sparsamkeitsgebotes liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß die sich am Wettbewerb beteiligenden Träger hoheitlicher Gewalt letztlich zu Lasten anderer Marktteilnehmer Vorteile erlangen könnten (vgl. zu einer ähnlichen Problemlage bei der Berücksichtigung sportpolitischer Ziele BGHZ 137, 297, 311 f. - Europapokalheimspiele ). Die jeweilige Kommune hat vielmehr ihre Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit innerhalb der allgemein geltenden kartellund wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu erfüllen (vgl. zu dem ebenfalls als Rechtfertigung eines Kartells angeführten Abwehreinwand BGH, Beschl. v. 13.1.1998 - KVR 40/96, WuW/E DE-R 115, 121 - Carpartner). In diesem Sinne ist das Sparsamkeitsgebot dem Kartellverbot nachgelagert.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des Freistellungstatbestandes nach § 4 Abs. 2 GWB bejaht.
a) Die Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 GWB ist auf Gemeinden und die von ihnen gebildeten Einkaufskartelle anwendbar. Zwar wird dies aus dem
Wortlaut der Bestimmung nicht ohne weiteres deutlich, weil nach der gesetzli- chen Überschrift "Mittelstandskartelle" geregelt werden sollen und es um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen geht. Aus dem Regelungszusammenhang sowie dem Normzweck der Vorschrift erschließt sich jedoch ihre Anwendbarkeit auch auf kommunale Einkaufskartelle. Wenn Gemeinden im Blick auf ihre wirtschaftliche Betätigung als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB anzusehen sind, kommt auf der Privilegierungsebene des § 4 Abs. 2 GWB keine andere Auslegung des Unternehmensbegriffes in Betracht. Entgegen der Auffassung der Revision besteht hinsichtlich der Beschaffung von Gütern zwischen den Kommunen - wie oben ausgeführt - ein Wettbewerbsverhältnis. Insoweit wird die Nachfragetätigkeit der Kommunen auch vom Normzweck des § 4 Abs. 2 GWB umfaßt (vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 f.). Maßgebliches Ziel des Gesetzgebers war es, strukturelle Nachteile zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunternehmen auszugleichen, die schon allein aufgrund ihrer Größe am Markt privilegiert sind. Dieses strukturelle Defizit, das sich darin ausdrückt, daß günstige Beschaffungskonditionen schwieriger zu erzielen sind, besteht aber im Verhältnis von kleinen zu großen Gemeinden in gleicher Weise wie im Verhältnis von kleinen zu großen Wirtschaftsbetrieben (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037, 1046). Eine Differenzierung zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlich strukturierten Unternehmen verbietet sich deshalb unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten.
b) Die über die Beklagte bewirkte Bündelung der Nachfrage dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 2 GWB zu verbessern. Insoweit ist nach dem Schutzzweck dieser Vorschrift allein auf den Nachfragemarkt abzustellen, weil sie strukturelle Defizite in der Nachfragemacht , die sich allein aufgrund der geringeren Größe ergeben, ausgleichen soll
(vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 f.). Durch eine Nachfragebündelung werden auf seiten der Kommunen bessere Einkaufsbedingungen erreicht. Damit ist diese Voraussetzung erfüllt.
Dabei ist unerheblich, ob die Dienstleistungen der Beklagten bei der Beschaffung auch großen Kommunen offenstehen. Maßgeblich ist nämlich nicht der Ausschluß großer Unternehmen bzw. Kommunen, sondern daß die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Kommunen hierdurch verbessert wird. Dies läßt sich "erst recht" erreichen, wenn sich große Kommunen beteiligen, weil von deren Nachfragepotential die kleinen und mittleren Gemeinden regelmäßig profitieren werden (Bunte, WuW 1998, 1037, 1046). Eine andere - und hiervon zu trennende - Frage ist, ob durch die Beteiligung von großen Kommunen ebenso wie von Großunternehmen die Nachfragemacht in einem Maße verstärkt wird, daß hierdurch der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird. Diese (negative) Voraussetzung ist jedoch im Rahmen des Ausschlußtatbestandes des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu prüfen, der auch für Einkaufskooperationen nach § 4 Abs. 2 GWB gilt (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 71 f.).
c) Entgegen der Auffassung der Revision besteht auch kein über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang für die Gemeinden. Die Gemeinden verpflichten sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar gegenüber der Beklagten, das ausgeschriebene und für die jeweilige Kommune erworbene Gerät abzunehmen, wenn sie dort ihren Bedarf zum Zwecke der Ausschreibung anmelden. Sie sind jedoch generell frei, sich überhaupt an den über die Beklagte veranlaßten Ausschreibungen zu beteiligen. Insoweit können die jeweiligen Gemeinden von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die Beklagte mit der Beschaffung beauftragen. Allein der Umstand, daß sich Gemeinden aus dem
Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit möglicherweise gedrängt sehen könnten, die Beklagte praktisch immer einzuschalten, begründet ebensowenig einen allgemeinen Beschaffungszwang über die Beklagte wie der Umstand, daß Alleingesellschafter der Beklagten ein kommunaler Spitzenverband ist. Die bloße Möglichkeit zu einem häufig günstigeren Einkauf ist der Zweck sämtlicher Einkaufskooperationen und in diesem Institut regelmäßig angelegt. Diese wirtschaftliche Sogwirkung ist systemimmanent und wird vom Gesetz hingenommen. Einen generellen Bezugszwang begründet dieser regelmäßig für eine Nachfragebündelung sprechende wirtschaftliche Vorteil nicht (vgl. die Begründung des RegE zur 5. GWB-Novelle - § 5c GWB a.F. - BT-Drs. 11/4610, S. 15). Der Umstand, daß die Kommunen gesetzlich zu sparsamer Wirtschaftsführung angehalten sind, ändert hieran nichts. Das Sparsamkeitsgebot verpflichtet sie nicht unmittelbar zum Bezug über die Beklagte. Es kann allenfalls mittelbar die einzelne Gemeinde veranlassen, über die Beklagte zu beziehen. Dies reicht aber für die Annahme eines allgemeinen Bezugszwanges nicht aus. Zudem bleiben Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen der Bezug über einen lokalen Händler (etwa verbunden mit einem Service- und Wartungspaket) die wirtschaftlich insgesamt günstigste Lösung darstellen kann. Darüber hinausgehende tatsächliche oder rechtliche Druckmittel, welche die einzelnen Gemeinden zu einer Beschaffung über die Beklagte nötigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen.
aa) Mit der Einfügung dieser einschränkenden Voraussetzung wollte der Gesetzgeber die Erlangung einer allzu großen Marktstärke der Einkaufsge-
meinschaften verhindern (vgl. Begründung aaO S. 16). Erreicht die Einkaufskooperation ihrerseits als Nachfrager auf dem Beschaffungsmarkt eine erhebliche Stärke, ist dies für die dort herrschenden Wettbewerbsbedingungen im Ergebnis schädlich (so ausdrücklich nochmals die Begründung des RegE zur 6. GWB-Novelle BR-Drs. 852/97, S. 34). Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB bedeutet daher nicht, daß - wie die Revision meint - die Marktverhältnisse so fortbestehen müßten, wie sie sich bislang ohne die Einkaufskooperation entwickelt hatten. Es kommt weder auf die Erhaltung der bisherigen Strukturen noch darauf an, ob die Bildung einer solchen Einkaufskooperation das Beschaffungsverhalten von deren Mitgliedern wesentlich verändert. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Einkaufskooperation selbst eine zu hohe Nachfragemacht erreicht. Die Grenze der Zulässigkeit liegt dabei unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung (vgl. Begründung, BT-Drs. 11/4610, S. 16). Sie ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtabwägung von quantitativen und qualitativen Kriterien zu bestimmen. Qualitativ spielen dabei Art und Intensität der Wettbewerbsbeschränkung eine entscheidende Rolle (vgl. Immenga in Immenga /Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 60). Quantitativ bildet der auf die Kooperative entfallende Umsatzanteil im Vergleich zu dem am Markt insgesamt bestehenden Nachfragevolumen das insoweit maßgebende Entscheidungskriterium.
bb) Zur Prüfung einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ist deshalb zunächst die Bestimmung des relevanten Marktes erforderlich. Für die Abgrenzung des relevanten Marktes kommt es auf die Sicht der Marktgegenseite (hier: der Anbieter der Feuerwehrartikel) an (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1990 - KZR 25/89, WuW/E 2683, 2685 - Zuckerrübenanlieferungsrecht; Urt. v. 23.2.1988 - KZR 17/86, WuW/E 2483, 2487 f. - Sonderungsverfahren). Maßgeblich ist also , wie sich die Nachfragebündelung auf diese auswirkt und über welche Aus-
weichmöglichkeiten die Anbieter bzw. Lieferanten verfügen. Dies ergibt sich schon aus dem Schutzzweck der Vorschrift, lediglich Größennachteile kleinerer Unternehmen auszugleichen, ohne dadurch den Wettbewerb insgesamt zu beeinträchtigen. Diese potentiell negativen Auswirkungen, die hierdurch begrenzt werden sollen, können sich nur auf die Marktgegenseite beziehen, weil nur diese durch eine Kartellierung der Nachfrage beeinträchtigt sein kann (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 131 ff.).
Im vorliegenden Fall hat allerdings das Berufungsgericht eine Marktabgrenzung sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite vorgenommen. Dies wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, weil das Berufungsgericht die Prüfung kumulativ durchgeführt und weder im Blick auf die Nachfragenoch auf die Angebotsseite eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs festgestellt hat.
cc) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf der Seite der Anbieter verneint hat, lassen jedenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Markt für Ausrüstungsgegenstände von Feuerwehrfahrzeugen als eigenständigen und nicht regional begrenzten Markt angesehen. Dies hat es zu Recht daraus gefolgert, daß Anbieter bundesweit tätig sind und die Versorgung von Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge in Niedersachsen zu etwa 50 % durch ein in Süddeutschland ansässiges Unternehmen erfolgt. Weiterhin sind noch zwei größere Unternehmen bundesweit tätig; im übrigen verkauft auch die Klägerin zu 6 überregional vorwiegend in den süddeutschen Raum. Weder regionale Eigentümlichkeiten noch höhere Transportkosten legen eine räumliche Einschränkung nahe. Gerade die Existenz überregional tätiger
Händler zeigt, daß die Marktgegebenheiten eine entsprechende räumliche Begrenzung nicht erfordern.
Soweit die Revision auf die vor allem im niedersächsischen Raum regional tätigen kleineren Händler abhebt, vermag sie nicht zu belegen, daß deren begrenztes Einzugsgebiet mit den Besonderheiten des Marktes in Zusammenhang steht. Die Existenz etlicher kleiner Händler zwingt nicht dazu, die Marktabgrenzung ausschließlich an deren jetzigen, auf die Erhaltung des status quo gerichteten Bedürfnissen vorzunehmen. Vielmehr ist auch hier zu prüfen, ob diese Händler räumlich weiter entfernte Nachfragekreise bedienen können und ihnen das auch wirtschaftlich zumutbar ist. Eine Ausweitung des räumlichen Bezirks, innerhalb dessen Absatzbemühungen stattfinden, wird auch kleineren Händlern ohne größeren Aufwand möglich sein, zumal das Feuerlöschzubehör häufig im Wege von allgemeinen Ausschreibungen nachgefragt wird. Deshalb wird sich die Notwendigkeit einer Kundenpflege, die über große Distanzen durch kleinere Händler ohne Zweigstellen nur schwierig zu bewerkstelligen wäre , hier in geringerem Umfang ergeben. Eine räumliche Ausdehnung der Angebotspraxis läßt sich ohne erhebliche betriebliche Umstrukturierung erreichen.
Der Einwand der Revision, die Gewohnheiten der Nachfrager seien durch starke traditionelle Bindungen bestimmt und erschwerten so wesentlich das Ausweichen auf andere Nachfrager, überzeugt nicht. Die übrigens nicht nur in Niedersachsen, sondern im gesamten Bundesgebiet im Vordringen befindliche Tendenz zur Bündelung der Nachfrage und die damit verbundene wesentliche Erweiterung von europaweiten Ausschreibungen bedingen insgesamt eine Objektivierung des Wettbewerbs. Durch die Notwendigkeit, das wirtschaftlich günstigste Angebot abgeben zu müssen, werden sich - bislang ohne Ausschreibung bestehende - traditionelle Absatzbeziehungen einem Preiswettbe-
werb stellen müssen. Eine insgesamt durch eine zunehmende Anzahl von Ausschreibungen geprägte Entwicklung des bundesweiten Markts für Ausrüstungsgegenstände von Feuerlöschfahrzeugen mag zwar für kleinere Händler die Absatzchancen im Hinblick auf ihre angestammten kommunalen Abnehmer beeinträchtigen. Eine solche Entwicklung erhöht jedoch auch die Möglichkeit kleinerer Händler, neue Abnehmer zu gewinnen. Sie eröffnet ihnen gleichzeitig die Chance, bei den regelmäßig umfangreichen Ausschreibungen im Falle eines Zuschlages dann höhere Umsätze zu erzielen.
Der Schutzzweck des Kartellgesetzes gebietet es nicht, solchen häufig ohne Ausschreibung begründeten Lieferverhältnissen quasi Bestandsschutz zuzugestehen. Dies wäre aber die Folge einer - von der Revision erstrebten - sich auf traditionelle Bindungen stützenden Marktabgrenzung. Eine solche Abgrenzung entspricht nicht den gegebenen Marktstrukturen. Vielmehr ist es den kleineren Händlern jedenfalls möglich und zumutbar, ihre Vertriebskonzepte den dann veränderten Marktverhältnissen anzupassen und ihre Absatzaktivitäten auch auf potentielle Abnehmer auszudehnen, die in größerer räumlicher Entfernung angesiedelt sind.
dd) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Marktabgrenzung in sachlicher Hinsicht ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die hier von der Revision angestrebte Einbeziehung von Beratungs-, Service- und Reparaturleistungen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß abgelehnt. Danach sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die eine zwingende Verbindung zwischen diesen Serviceleistungen einerseits und dem Verkauf der Ausrüstungsgegenstände andererseits herstellen könnten. Nach den getroffenen Feststellungen sind diese Produkte weder so beschaffen, daß die Wartungsarbeiten nur von speziell geschultem Personal hochspezialisierter Betriebe auszuführen wären noch daß
wegen der Art der Aufgabe eine besondere Form der Ersatzteilvorratshaltung erforderlich wäre, die nur durch in der Nähe ansässige lokale Unternehmen erbracht werden könnte. Wenn die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß bei einer solchen Beschränkung des Marktes für die kleineren Händler nur noch Kleinteile übrig blieben und das Wegbrechen des Handels mit Ausrüstungsgegenständen zu einer Existenzbedrohung dieser Händler führen würde, dann zeigt dieser Gesichtspunkt nicht ohne weiteres eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf. Maßgeblich ist nämlich auch insoweit die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Nachfrager und auch die räumliche Ausdehnung der Verkaufsanstrengungen, um möglicherweise neue Kunden zu erreichen. Hierzu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der betreffende Markt es ohne weiteres erlaubt, den Vertriebskreis auszuweiten und so Umsatzeinbrüche im lokalen Geschäft zu kompensieren. Wenn die kleineren Händler dies bislang unterlassen haben, dann beruht die lokale Beschränkung ihrer Betätigung auf ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung. Solche unternehmensstrategischen Gesichtspunkte , die sich nicht notwendig aus den Bedingungen des Marktes ergeben, sind aber für die Bestimmung des relevanten Marktes ohne Belang (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1993 - KZR 1/92, WuW/E 2855, 2857 - Flaschenkästen).
ee) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm zutreffend vorgenommenen Marktabgrenzung das Merkmal der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs" ohne Rechtsfehler bejaht. Es hat die auf die gebündelte Nachfrage entfallenden Umsatzanteile rechtsfehlerfrei bestimmt. Bezogen auf den gesamten Bedarf in Deutschland hat es zunächst die auf Niedersachsen entfallende Quote für die von den Kommunen getragenen Freiwilligen Feuerwehren errechnet und dabei einen Umsatzanteil von 13,06 % bezüglich des Artikels "Tragkraftspritze" und von 10,3 % bezüglich des Artikels
"Preßluftatmer" festgestellt. Soweit der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch andere Ausrüstungsgegenstände für Feuerwehren erfassen soll, lassen sich auch insoweit keine höheren Quoten feststellen.
Das Berufungsgericht ist weiterhin lebensnah davon ausgegangen, daß höchstens 75 % des gesamten Beschaffungsbedarfs der Kommunen über die Beklagte geleitet wird. Schon bei Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich, daß die betroffenen Umsatzanteile unter 10 % liegen. Zusätzlich muß aber noch der Bedarf berücksichtigt werden, der bei betrieblichen Feuerwehren, Berufsfeuerwehren , Flughafenfeuerwehren und sonstigen privaten Feuerwehren entsteht. Die Hinzurechnung dieses auf dieselben Waren gerichteten Nachfragepotentials würde nochmals zu einer niedrigeren Quote führen. Jedenfalls auf diesen Märkten ist damit die Grenze der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung" nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erreicht. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.
In Anbetracht dieser Zahlenverhältnisse kann - entgegen der Auffassung der Revision - dahinstehen, ob die Nachfragebündelung im Ergebnis dazu führt, daß die Hersteller sich unmittelbar an den Ausschreibungen beteiligen. Selbst wenn auf diese Weise in dem festgestellten Umfang die Handelsebene insgesamt ausgeschaltet würde, wäre aufgrund der Größenordnungen des Nachfragepotentials dieser Umstand nicht geeignet, eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung zu begründen.
3. Eine Verletzung von § 1 UWG ist gleichfalls nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen, daß die Klägerinnen zu den spezifisch wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen in den Tatsacheninstanzen bislang nicht vorgetragen haben,
scheidet ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 1 UWG deshalb aus, weil die Vorgehensweise der Beklagten jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne dieser Bestimmung ist. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein Verstoß gegen die landesrechtliche Vorschrift des § 108 NGO vor, die gegenüber den Gemeinden die Befugnis zur Errichtung eigener wirtschaftlicher Unternehmen begrenzt. Damit soll aber nur eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unterbunden werden. Die bloße Beschaffungstätigkeit der Gemeinden - auch wenn sie über eine ausgegliederte Person des Privatrechts erfolgt - erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Im übrigen führt allein der Verstoß gegen eine entsprechende öffentlich-rechtliche Vorschrift nicht zu einem Anspruch anderer Marktteilnehmer nach § 1 UWG (vgl. BGHZ 150, 343 ff. - Elektroarbeiten
).
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Handwerksinnung, deren Bezirk sich auf das Gebiet des gesamten Freistaates Sachsen erstreckt. Sie verfügt über 68 Mitglieder und vertritt die Interessen der Handwerksbereiche Bandagisten, Orthopädie- und
Chirurgiemechaniker. Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse, die im Bergbau Beschäftigte versichert (§ 177 SGB V). Bundesweit hat die Beklagte über 1,4 Millionen Mitglieder, von denen etwa 144.000 in Sachsen ansässig sind.
Die Klägerin schloß im Januar 1991 mit etlichen gesetzlichen Krankenkassen , u. a. der AOK und dem Landesverband der Betriebskrankenkassen, einen Rahmenvertrag gemäß § 127 SGB V, der sowohl Regelungen über die Zulassung als auch über die Vergütung von Leistungserbringern für orthetische und orthopädische Heil- und Hilfsmittel enthielt. Die Beklagte stimmte diesem Vertrag zu und berücksichtigte zunächst die dort getroffenen Regelungen. Diesen Vertrag kündigte sie zum 31. Juli 2000.
Im Februar 1998 führte die Beklagte über ihre Hauptverwaltung eine öffentliche Ausschreibung zur Versorgung knappschaftlich Berechtigter mit Krankenfahrzeugen sowie sonstigen wiederverwendbaren Hilfsmitteln mit einem Kaufpreis von jeweils mehr als 300 DM durch, soweit diese Hilfsmittel keiner Preisvereinbarung unterlagen. Als Teilnehmer waren die Leistungserbringer zugelassen, ihre Verbände wurden nicht beteiligt.
Ausgeschrieben hat die Beklagte Gebiets- und Fachlose. Pro Gebietsund Fachlos erhielten zwei Bieter den Zuschlag. Im Jahre 2000 führte sie für Sachsen wiederum eine öffentliche Ausschreibung durch. Im Ergebnis dieser Ausschreibung schloß sie mit elf Anbietern (den Ausschreibungsgewinnern) Sonderverträge ab. Diese Ausschreibungsgewinner wurden verpflichtet, die Hilfsmittel an die Versicherten zu bestimmten Bedingungen abzugeben und ggf. Instandsetzungen und Umrüstungen zu gewährleisten.
Die Beklagte verfährt jetzt folgendermaßen: Sie beauftragt nur Ausschreibungsgewinner mit der Versorgung ihrer Versicherten, soweit es sich um wiederverwendbare Hilfsmittel nach § 33 Abs. 5 SGB V handelt, die keiner landesweit geltenden Preisliste unterfallen. Legt der Versicherte eine entsprechende ärztliche Verordnung vor, wird er an die Ausschreibungsgewinner verwiesen, die den Versicherten aus ihren Beständen mit vorhandenen oder mit neu angefertigten Hilfsmitteln versorgen. Anderen Leistungserbringern, die im Auftrag von Versicherten unter Vorlage der ärztlichen Verordnungen Kostenvoranschläge einreichen, wird mitgeteilt - und zwar auch dann, wenn die Preise jenen der Ausschreibungsgewinner entsprechen -, daß eine Versorgung über einen Vertragslieferanten veranlaßt worden sei. Die ärztlichen Verordnungen behält die Beklagte dabei ein. Zugleich informiert sie ihren Versicherten, über welche Leistungserbringer das wiederverwendbare Hilfsmittel bezogen werden kann.
Die Klägerin hält diese Praxis nach § 19 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 1 GWB für kartellrechtswidrig, weil ihre Mitglieder von der Beklagten durch die zusätzlichen und gesetzlich nicht vorgesehenen Ausschreibungen behindert würden. Sie erstrebt mit ihrer Klage ein Verbot, durch das der Beklagten untersagt werden soll, derartige Ausschreibungen in Zukunft durchzuführen. Weiterhin soll die Beklagte bisherige und zukünftige Ausschreibungsergebnisse nicht dergestalt verwenden, daß nur noch die Ausschreibungsgewinner unter Ausschluß der übrigen allgemein zugelassenen Leistungserbringer an der Versorgung der Versicherten mit wiederverwendbaren Hilfsmitteln beteiligt werden. Zugleich soll der Beklagten verboten werden, bei Einreichung von Kostenvoranschlägen durch Leistungserbringer, die keine Ausschreibungsgewinner sind, die Versorgung durch andere Leistungserbringer zu veranlassen und die eingereichten Kostenvoranschläge unter Einbehalt der beigefügten ärztlichen Verordnungen an das jeweilige Mitglied der Klägerin zurückzusenden.
Das Landgericht, das gemäß § 17a Abs. 3 GVG den zu den Zivilgerichten beschrittenen Rechtsweg durch Beschluß vom 28. April 2000 für zulässig erklärt hatte, hat die Klage im wesentlichen - wegen Unbestimmtheit der Klageanträge - als unzulässig abgewiesen. Im übrigen hat es einen Anspruch der Klägerin verneint, weil die Beklagte aufgrund ihres Marktanteils keine Normadressatin im Sinne der §§ 19, 20 GWB sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die landgerichtliche Entscheidung teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, solche Leistungserbringer, die nicht aufgrund einer Ausschreibung zugelassen worden sind, bei der Versorgung ihrer Mitglieder nicht mehr zu berücksichtigen und die Versorgung der Versicherten durch andere Leistungserbringer zu veranlassen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen, auch soweit die Klägerin die Untersagung der Durchführung künftiger Ausschreibungen beantragt hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, mit der sie weiterhin eine vollumfängliche Klageabweisung erreichen will. Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verfolgt mit ihrer (unselbständigen) Anschlußrevision das Ziel, der Beklagten schon die Durchführung entsprechender Ausschreibungen hinsichtlich wiederverwendbarer Hilfsmittel zu untersagen. Die Beklagte beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung der Klägerin mit der Maßgabe, daß die Kla-
ge nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird. Die Anschlußrevision bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die auf § 33 Satz 2, § 20 Abs. 1 GWB gestützten Unterlassungsanträge als ausreichend bestimmt und in der Sache auch teilweise für begründet erachtet. Die Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften sei nicht durch die Novellierung des § 69 SGB V ausgeschlossen, weil diese Vorschrift keinen materiellen Ausschluß kartellrechtlicher Regelungen begründen solle, sondern lediglich im Sinne einer Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten verstanden werden könne. Auch die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift gebiete ein solches Ergebnis, da ein im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigender sachlicher Grund nicht ersichtlich sei, den Leistungserbringern gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen - anders als gegenüber den privaten Krankenversicherern - den Schutz des Wettbewerbsund Kartellrechts zu versagen.
Das Berufungsgericht führt weiter aus, daß die Beklagte ein Unternehmen sei, das zusammen mit anderen Unternehmen ein Oligopol im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB bilde. Zwischen den gesetzlichen Krankenkassen bestehe auf der Nachfrageseite kein Wettbewerb, weil nach dem gesetzlichen Leitbild (§ 125 Abs. 1, § 128 SGB V) diese gegenüber den Leistungserbringern gemeinsam und einheitlich handeln müßten. Insgesamt seien 88,46 % der Gesamtbevölkerung bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert. Der Umstand , daß allein die Beklagte Sonderausschreibungen für wiederverwendbare Hilfsmittel durchführe, könne nicht zu einer anderen Betrachtung führen. Erst ihre Stellung als gesetzliche Krankenkasse ermögliche der Beklagten im Rahmen eines Oligopols diese Vorgehensweise, weil sie nicht befürchten müsse, daß sie Anbieter verliere. Außerdem bestehe eine Nachahmungsgefahr. Im üb-
rigen seien die Mitgliedsunternehmen der Klägerin als kleine Unternehmen auch von der Beklagten im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB abhängig. Die Beschränkung der Versorgung auf die Ausschreibungsgewinner stelle einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, weil sie wesentlichen Grundsätzen des SGB V widerspreche. Dieses Vorgehen schränke nämlich die Freiheit der Versicherten, unter den zugelassenen Leistungserbringern zu wählen, in unzulässiger Weise ein. Diese Wahlfreiheit gelte auch für wiederverwendbare Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 5 SGB V; auch insoweit müsse nach den Strukturprinzipien des SGB V die Vielfalt der Leistungserbringer berücksichtigt werden.
Das Berufungsgericht hat deshalb das praktizierte Ausschreibungssystem als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB angesehen. Dieser Verstoß betreffe aber nur die Umsetzung der Ausschreibungsergebnisse , nicht aber die Durchführung der Ausschreibung an sich. Da die Ausschreibung selbst noch keinen Eingriff in den Wettbewerb darstelle , sei die Klage insoweit abzuweisen.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision bestehen gegen die Bestimmtheit der Klageanträge gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keine Bedenken. Der mit einem Klageantrag erstrebte Erfolg muß so bestimmt bezeichnet werden, daß Zweifel ausgeschlossen sind und sich der Beklagte umfassend verteidigen kann (BGHZ 140, 1, 3; BGH, Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, NJW 2000, 2195, 2196 - Marlene Dietrich [insoweit in BGHZ 143, 214 ff. nicht abgedruckt]). Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen.
2. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen kartellrechtlichen An- spruch gemäß § 20 Abs. 1 GWB bejaht.
a) Durch die Neufassung des § 69 SGB V aufgrund des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V (§§ 69 - 140h) sowie die §§ 63 und 64 SGB V geregelt. Das Berufungsgericht versteht die Regelung des § 69 SGB V nur im Sinne einer Rechtswegzuweisung (so auch BSGE 86, 223, 229 [6. Senat]; Engelmann NZS 2000, 213 ff.), nicht aber als generellen Ausschlußtatbestand für die Anwendung kartellrechtlicher Normen, was faktisch einer Bereichsausnahme gleichkäme (in diesem Sinne BSGE 87, 95, 99; 89, 24, 33 [3. Senat]; Meyer-Lindemann in GK, Kartellrecht , 45. Lfg., § 87 GWB Rdn. 17 ff.; Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 9. Aufl., § 87 Rdn. 6a ff.).
b) Diese Frage bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Ein kartellrechtlicher Anspruch gemäß § 20 Abs. 1 und 2 GWB besteht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts deshalb nicht, weil die Beklagte nicht Normadressatin dieser Bestimmung ist.
aa) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Beklagte für sich genommen über keine entsprechende Marktstellung verfügt. Dabei bestimmt es das Gebiet des Freistaates Sachsen rechtsfehlerfrei als den räumlich relevanten Markt. Lokale Teilmärkte hat das Berufungsgericht nicht feststellen
können. Dies wird von den Parteien im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffen und läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Der insoweit vom Berufungsgericht zugrundegelegte Versichertenanteil der Beklagten, der bei etwa 3 % der Gesamtbevölkerung liegt, kann keine erhebliche Nachfragemacht im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB begründen. Da auch im übrigen keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die auf ein insoweit überproportionales Nachfragepotential gerade der Beklagten hindeuten, hat das Berufungsgericht zutreffend bei der Beklagten allein keine entsprechende Marktmacht angenommen.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Normadressatenstellung der Beklagten auch nicht daraus abgeleitet werden, daß sie mit anderen gesetzlichen Krankenkassen ein Oligopol (§ 19 Abs. 2 Satz 2 GWB) bildet. Allerdings sind in Sachsen knapp 90 % der Bevölkerung Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind gerade aufgrund der gesetzlichen Regelung zudem in ihrer Funktion als Nachfrager zur Zusammenarbeit verpflichtet und gehalten, gegenüber den Leistungserbringern einheitlich vorzugehen (§§ 125, 128 SGB V).
Diese Umstände reichen jedoch für die Annahme eines Oligopols nicht aus. Es kommt nämlich nicht darauf an, daß zwischen den gesetzlichen Krankenkassen als Nachfragern der Wettbewerb allgemein eingeschränkt ist. Zwei oder mehrere Unternehmen sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB als Oligopol vielmehr dann marktbeherrschend, wenn zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen kein wesentlicher Wettbewerb besteht. Die Annahme eines Oligopols setzt im Hinblick auf die zu beurteilende Maßnahme deshalb voraus, daß die Beklagte insoweit konkret auf einem bestimmten Markt als Teil einer Gesamtheit von Unternehmen handelt. Insoweit ist eine über die strukturellen Wettbewerbsbedingungen hinausgehende Ge-
samtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere der auf dem relevanten Markt herrschenden Wettbewerbsverhältnisse, vorzunehmen (BGHZ 96, 337, 344 f. - Abwehrblatt II; BGH, Beschl. v. 4.10.1983 - KVR 3/82, WuW/E 2025, 2027 - Texaco-Zerssen).
Der Nachfragewettbewerb auf dem Markt für wiederverwendbare Hilfsmittel wird durch das Verhalten der Beklagten nicht beschränkt. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte mit der Durchführung von Ausschreibungen in ihrem Nachfrageverhalten einen Sonderweg beschreitet. Damit läßt sich auf der Nachfrageseite kein einheitliches Vorgehen der Krankenversicherer feststellen, das auf das Fehlen von Wettbewerb hindeuten könnte. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Vorgehensweise der Beklagten durch die Marktmacht der anderen gesetzlichen Krankenkassen abgesichert würde. Entsprechende Ausschreibungen führt lediglich die Beklagte durch. Ihr Verhalten berührt nicht die Beziehungen der Mitglieder der Klägerin zu anderen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Gegenüber den dort Versicherten können diese Leistungserbringer grundsätzlich die wiederverwendbaren Hilfsmittel auch dann anbieten, wenn sie bei der von der Beklagten durchgeführten Ausschreibung unterlegen sind.
Soweit das Berufungsgericht die Gefahr eines möglicherweise gleichartigen Verhaltens anderer gesetzlicher Krankenkassen für die Begründung eines Oligopols heranzieht, begegnet auch dieser Gesichtspunkt durchgreifenden Bedenken. Abgesehen davon, daß ein drohendes gleichartiges Verhalten durch andere gesetzliche Krankenversicherungen nicht näher belegt ist, kommt diesem Gesichtspunkt auch keine Relevanz bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB zu. Maßgeblich ist nämlich für die Frage einer Normadressatenstellung der Beklagten, über welche Nachfragemacht sie auf
dem konkreten Markt verfügt. Da sich andere Krankenkassen nicht in gleicher Weise verhalten, kann deren Nachfragemacht allein aus diesem Grunde der Beklagten nicht zugerechnet werden.
cc) Gleichfalls begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, das eine Normadressatenstellung weiterhin aus § 20 Abs. 2 GWB hergeleitet hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine solche relative Marktmacht (Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 39) setzt voraus, daß die Mitglieder der Klägerin als Anbieter von der Beklagten abhängig sind. Das Berufungsgericht sieht diese Abhängigkeit darin, daß die Mitglieder der Klägerin nicht auf andere Betriebe ausweichen könnten. Es meint, auf dem Nachfragemarkt für wiederverwendbare Hilfsmittel bestehe wegen des nur eingeschränkten Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen als Nachfrager für die Mitglieder der Klägerin eine gesteigerte Abhängigkeit.
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, warum die Mitglieder der Klägerin nicht auf andere Nachfrager ausweichen könnten. Soweit das Berufungsgericht hierbei auf eine Entscheidung des Senats Bezug nimmt (Urt. v. 22.3.1994 - KZR 9/93, WuW/E 2919 - Orthopädisches Schuhwerk), sind die jeweils zugrundeliegenden Fallkonstellationen nicht vergleichbar. In der genannten Entscheidung wurde die fehlende Ausweichmöglichkeit auf andere Sozialversicherungsträger damit begründet, daß die wesentlichen Krankenkassen gemeinsam in einen Rahmenvertrag eingebunden waren, der auch die übliche Vergütung für die Leistungserbringer regelte. Hinzu kam, daß die dort im Streit befindlichen Vorstellungskosten nach der einhelligen damaligen Praxis der Krankenkassen nicht vergütet wurden (BGH WuW/E 2919, 2922 - Orthopädisches Schuhwerk). In diesen Punkten weicht die hier vorliegende Fallgestaltung von der zitierten Senatsentscheidung ab. Für die in Rede stehenden wiederverwendbaren Hilfs-
mittel gibt es weder einen Rahmenvertrag, an dem die Beklagte beteiligt wäre, noch besteht eine einhellige Praxis unter den gesetzlichen Krankenkassen. Vielmehr geht die Beklagte hier einen Sonderweg, wobei nicht ersichtlich ist, daß die von der Beklagten nicht berücksichtigten Leistungserbringer nicht bei anderen Sozialversicherungsträgern oder Krankenversicherungen als Anbieter berücksichtigt werden könnten. Demnach können die Mitglieder der Klägerin, auch wenn sie nicht zu den Ausschreibungsgewinnern gehören, knapp 96 % der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit den hier im Streit stehenden Hilfsmitteln versorgen.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO a. F.).
a) Das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 hat eine Zuweisung kartellrechtlicher Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung an die Sozialgerichte (§ 51 Abs. 2 SGG; § 87 Abs. 1 Satz 3 GWB) vorgenommen. In dem zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits anhängigen Verfahren hat das Landgericht mit Beschluß vom 28. April 2000 den zu den Zivilgerichten beschrittenen Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 3 GVG für zulässig erklärt; dies bindet auch die Rechtsmittelgerichte (§ 17a Abs. 5 GVG). Mit der rechtskräftigen Feststellung ihrer Zuständigkeit haben die Zivilgerichte nach § 17 Abs. 2 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, jedenfalls soweit es sich um einen einheitlichen prozessualen Anspruch handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 5.6.1997 - I ZB 42/96, NJW 1998, 826, 828; Gummer in Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 17 GVG Rdn. 6). Dies hat zur Folge, daß auch zu überprüfen ist, ob die in Haupt- und Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche eine Grundlage im Sozialversicherungsrecht haben können.
b) Dabei kann dahinstehen, inwieweit der Klägerin als Landesinnung sol- che Unterlassungsansprüche zustehen können, die sich auf ihre Mitgliedsbetriebe beziehen und diesen eine Beteiligung an der Krankenversorgung durch die Beklagte sichern sollen. Eine entsprechende Aktivlegitimation vermittelt zwar § 33 Satz 2 GWB, der den dort genannten Verbänden eigene Ansprüche einräumt (Bornkamm in Langen/Bunte aaO § 33 Rdn. 38). Ob die kartellrechtliche Vorschrift des § 33 Satz 2 GWB der Klägerin jedoch einen solchen Anspruch gewähren könnte oder die Bestimmung des § 69 SGB V die Anwendung des § 33 Satz 2 GWB ausschließt, kann der Senat offenlassen. Ebensowenig bedarf es der Entscheidung, ob die Klägerin jedenfalls dann, wenn sie in ihrer eigenen Vertragskompetenz nach § 127 SGB V beschränkt ist (vgl. BSGE 89, 24, 27), sich auf die Verletzung eigener Rechte berufen könnte.
c) Jedenfalls verstößt das von der Beklagten durchgeführte Ausschreibungssystem bei wiederverwendbaren Hilfsmitteln gemäß § 33 Abs. 5 SGB V nicht gegen sozialversicherungsrechtliche Grundsätze, wozu die Sicherung der Wahlfreiheit der Versicherten zählt (vgl. BSG SozR 3-1200 § 33 Nr. 1; BSG, Urt. v. 23.1.2003 - B 3 KR 7/02 R). Das Ausschreibungssystem verletzt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht das Pluralitätsgebot nach § 2 Abs. 3 SGB V.
aa) Wiederverwendbare Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 5 SGB V können von der gesetzlichen Krankenkasse nach § 33 Abs. 5 SGB V auch leihweise überlassen werden. Mit einer leihweisen Überlassung erfüllt die gesetzliche Krankenversicherung den gemäß § 33 Abs. 1 SGB V bestehenden Anspruch des Versicherten auf die erforderlichen Körperersatzstücke und orthopädischen Hilfsmittel (zum Begriff des Hilfsmittels vgl. BSGE 88, 204 ff.). Bei einer leihwei-
sen Überlassung der Hilfsmittel obliegt es der Krankenkasse, dem Versicherten das entsprechende von ihm benötigte Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Insoweit ist § 33 Abs. 5 SGB V als Ausnahmetatbestand ausgestaltet. Im Blick auf den Versicherten besteht hierin auch der wesentliche Unterschied zu der Leistungsgewährung im übrigen. Während ansonsten der Versicherte pharmazeutische Produkte oder andere Hilfsmittel für sich verbrauchen kann, sind wiederverwendbare Hilfsmittel grundsätzlich für mehrere Versicherte nacheinander und jeweils nur für einen bestimmten Zeitraum im Gebrauch. Wenn die Krankenkasse dem Versicherten einen nicht nur von ihm allein zu nutzenden Gegenstand in Erfüllung ihrer Leistungspflicht zur Verfügung stellen kann, dann spielt auch der Gedanke der Pluralität der Leistungserbringer eine untergeordnete Rolle. Der Versicherte muß ein vorhandenes, von einem anderen Versicherten in Auftrag gegebenes und vorbenutztes Hilfsmittel akzeptieren. Allein dieser Umstand schränkt seine Wahlfreiheit ein. Sie kann sich allenfalls noch auf Beratungsleistungen, insbesondere auf eine etwaige Anpassung des Hilfsmittels oder eine Einweisung in seinen Gebrauch, beschränken. Insoweit ist aber auch der Pluralitätsgrundsatz noch ausreichend gewahrt, weil die Beklagte die Versorgung mit wiederverwendbaren Hilfsmitteln mehr als einem Anbieter übertragen hat. Dies läßt für den Versicherten jedenfalls noch eine gewisse Wahlmöglichkeit offen. Sie durch Zulassung weiterer Mitgliedsbetriebe der Klägerin in erheblichem Maße auszudehnen, würde im übrigen den Normzweck des § 33 Abs. 5 SGB V aushöhlen, mit dem eine möglichst effiziente Nutzung der wiederverwendbaren Hilfsmittel gewährleistet werden sollte. Bei einer Zulassung vieler Leistungserbringer bestünde nämlich die Gefahr, daß sich die Versicherten nur für denjenigen Leistungserbringer entscheiden, der ihnen neu hergestellte Hilfsmittel überlassen kann.
Ein wesentlicher Unterschied besteht aber auch bei der Form der Lei- stungsgewährung. Im Gegensatz zu den anderen Formen, in denen der von der gesetzlichen Krankenkasse zugelassene Leistungserbringer deren Sachleistungspflicht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) gegenüber dem Versicherten wahrnimmt , erlangt der Versicherte an den ihm nur leihweise überlassenen Hilfsmitteln kein Eigentum. Da die gesetzliche Krankenkasse mit der Beauftragung eine eigene Beschaffungstätigkeit vornimmt, muß sie hieran auch nicht jeden nach § 126 Abs. 1 SGB V zugelassenen Leistungserbringer beteiligen (vgl. BSG NJW 1989, 2773, 2774). Ebensowenig bestehen dagegen Bedenken, daß sie im Interesse einer Kostenminimierung diese Leistungen ausgeschrieben und insoweit keinen Rahmenvertrag mit der Klägerin abgeschlossen hat. Im übrigen läßt die Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 SGB V Verträge auch zwischen der einzelnen gesetzlichen Krankenkasse und dem einzelnen Leistungserbringer ausdrücklich zu (vgl. hierzu Kranig in Hauck/Haines, SGB V K, 59. Lief., § 127 Rdn. 4). Wenn diesen Preisvereinbarungen eine Ausschreibung vorangeht, wahrt die Krankenkasse damit das wirtschaftliche Effizienzgebot (§ 1 Abs. 1 und 4, § 12 SGB V). Diese Form der Preisfindung ist in einem besonderen Maße geeignet, eine leistungs- und wettbewerbsgerechte Vergütung zu erreichen.
Die auf zwei Jahre beschränkten Ausschreibungsintervalle ermöglichen in angemessenen Abständen eine Kontrolle des Ausschreibungsergebnisses. Dieser relativ überschaubare Zeitraum eröffnet zudem auch den nicht berücksichtigten Leistungserbringern eine Beteiligung an der Versorgung mit wiederverwendbaren Hilfsmitteln.
bb) Das Verhalten der Beklagten stellt keine rechtswidrige Eigeneinrichtung nach § 140 SGB V dar. Daß die Beklagte die Hilfsmittel in der Rechtsform der Leihe überläßt, ist durch § 33 Abs. 5 SGB V ausdrücklich erlaubt (vgl. BSG
NJW 1989, 2773, 2774). Die bloße Begründung von Leihverhältnissen hinsicht- lich der wiederverwendbaren Hilfsmittel reicht deshalb für die Annahme einer Eigeneinrichtung nach § 140 SGB V nicht aus. Insoweit müßte die Beklagte durch eigene Selbstabgabestellen in organisatorisch verfestigter Form die Ausleihe steuern und auf dem Markt wie ein entsprechender Handwerksbetrieb tätig werden. Hinsichtlich der Umsetzung bedient sich die Beklagte jedoch nicht eines eigenen Betriebes. Vielmehr werden auch die wiederverwendbaren Hilfsmittel über Leistungserbringer erworben, wiederhergestellt und verteilt. Schon aus diesem Grunde läßt sich ausschließen, daß die Beklagte selbst in diesem beschränkten Leistungssegment als Wettbewerberin auftritt (vgl. BGHZ 82, 375, 394 f. - Brillen-Selbstabgabestellen).
III. Der Senat kann in der Sache entscheiden, weil der Rechtsstreit im Sinne einer umfassenden Klageabweisung entscheidungsreif ist. Da die Durchführung von entsprechenden Ausschreibungen gleichfalls nicht beanstandet werden kann, ist die (unselbständige) Anschlußrevision zurückzuweisen.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Handelsunternehmen, das Bekleidungsartikel vertreibt. Sie schloß mit der A. Dienstleistungs GmbH (im folgenden: A. ) einen Servicevertrag über die Annahme und Abrechnung von Wertgutscheinen für Asylbewerber ab. Der beklagte Landkreis bezieht von der A. solche Wertgutscheine und bezahlt hierfür an diese den vollen Nennbetrag. Als die für die Ausstattung der Asylbewerber zuständige Behörde gibt der Beklagte die Wertgutscheine an die Asylbewerber aus, die seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich zugewiesen sind. Mit der Ausgabe der Wertgutscheine, die von den Asyl-
bewerbern in den Geschäften eingelöst werden können, die diese Wertgutscheine akzeptieren (sogenannte Einlösestellen), erfüllt er die ihm obliegende Pflicht zur Ausstattung der Asylbewerber. Die Abrechnung der Wertgutscheine erfolgt zwischen der A. und den Einzelhändlern, wie etwa der Klägerin. Die A. zahlt an die einzelnen Einlösestellen nicht den vollen Betrag aus, wobei die Höhe des Auszahlungsbetrages zwischen den einzelnen Händlern differiert. Auf der Grundlage des Servicevertrages mit der Klägerin behält A. 1 % des Gutscheinwertes ein. Gegenüber Händlern, mit denen A. keinen Servicevertrag eingegangen ist, nimmt sie bei Einlösung der Wertgutscheine Abzüge bis zu 3,5 % vor.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, daß der Beklagte – soweit er Pflichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfülle – die Ausstattung von Asylbewerbern durch die Klägerin nicht von ihrer Teilnahme an dem Wertgutscheinsystem abhängig machen dürfe. Jedenfalls sei aber – was die Klägerin mit ihrem ersten Hilfsantrag geltend macht – dieses Abrechnungssystem unzulässig, weil die mit der Abrechnung entstehenden Kosten auf das jeweilige Handelsunternehmen überbürdet würden. Zumindest müsse – was sie weiter hilfsweise erstrebt – der Beklagte sicherstellen, daß das von ihm beauftragte Unternehmen die Wertgutscheine ohne Abzüge einlöse.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der (zugelassenen ) Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Ausgabe der Wertgutscheine stelle ein Angebot zum Abschluß eines Garantievertrages dar. Indem die Klägerin einen solchen Wertgutschein annehme , komme es zum Abschluß dieses Vertrages. Sie erwerbe dann einen Anspruch aus dem Garantievertrag in Höhe des Wertbetrages abzüglich der Servicepauschale von 1 %. Diese Servicepauschale habe die Klägerin durch Abschluß des Rahmenvertrages akzeptiert. Öffentlich-rechtliche Pflichten des Beklagten , die diese Vertragsgestaltung überlagern könnten, bestünden dabei nicht. Weder werde die Klägerin zum Abschluß solcher Geschäfte gezwungen, noch ergebe sich hierbei eine Schmälerung der gesetzlichen Ansprüche der Asylbewerber. Diese erhielten weiterhin von dem Beklagten eine kostenfreie Leistung.
Wettbewerbsrechtlich sei schon deshalb kein Verstoß gegeben, weil der Beklagte nicht als Mitbewerber in ein Wettbewerbsverhältnis eingreife. Da hier kein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliege, scheide auch ein kartellrechtlicher Verstoß des Beklagten aus. Es sei nämlich nicht zu erkennen, daß der Wettbewerb beeinträchtigt werde.
Ebensowenig lasse sich – wie mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemacht – ein Verbot der Servicegebühr auf wettbewerbsrechtliche Gründe stützen. Zwar bestehe ein Zusammenhang zwischen der von A. und dem Beklagten vereinbarten Vergütung und der Höhe der Servicepauschale. Hierbei trage dann aber A. das wirtschaftliche Risiko, eine solche Servicepauschale gegenüber den Händlern nicht durchsetzen zu können. Aus den angeführten Gründen könne die Klägerin nicht die ungeschmälerte Auszahlung der Nennbeträge aus den Wertgutscheinen verlangen, weshalb auch der weitere Hilfsantrag unbegründet sei.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Ansprüche der Klägerin nach § 33 i.V. mit § 19 Abs. 4 Nr. 1 und 2, § 20 Abs. 1 und 3 GWB bestehen nicht. Der Beklagte hat insoweit gegenüber der Klägerin keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung im Sinne der genannten Bestimmungen inne.
a) Eine Marktmacht des Beklagten läßt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht aus seiner ausschließlichen gesetzlichen Verantwortung für die Ausstattung der Asylbewerber herleiten. Ob der Beklagte gegenüber der Klägerin über eine entsprechende Machtstellung im Sinne der §§ 19, 20 GWB verfügt, ist vielmehr im Hinblick auf einen konkret abzugrenzenden Markt festzustellen. Dabei hat die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes aus der Sicht der jeweiligen Marktgegenseite zu erfolgen (BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2685 – Zuckerrübenanlieferungsrecht; Urt. v.
23.2.1988 – KZR 17/86, WuW/E 2483, 2487 f. – Sonderungsverfahren; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 40 ff.; Ruppelt in Langen/ Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 GWB Rdn. 23 ff.). Demnach ist hier die Marktabgrenzung aus der Sicht des anbietenden Einzelhandels vorzunehmen. Aus der Perspektive der Klägerin, die als Einzelhändlerin Einlösestelle ist, steht der Beklagte nicht auf der Marktgegenseite. Zwischen den Parteien bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Die Auswahl der Produkte nimmt der jeweilige Asylbewerber vor, der bei den als Einlösestellen zugelassenen Händlern den Wertgutschein an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 2 BGB) hingibt. Die Abrechnung dieses Kaufvorgangs erfolgt wiederum zwischen der A. und dem jeweiligen Einzelhändler. Ein Markt, auf dem sich die Klägerin und der Beklagte unmittelbar begegnen, existiert mithin nicht.
b) Ein Markt, in dem die Klägerin Waren anbietet, die der Beklagte nachfragt , könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn das Verhalten der Asylbewerber dem Beklagten als Nachfragedisponenten zugerechnet werden könnte. Dann wäre zwar der Beklagte als die für Leistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zuständige Behörde insgesamt als Nachfrager für die Asylbewerber anzusehen und würde für die Klägerin insoweit auch die Marktgegenseite bilden. Selbst bei dieser Annahme ergäbe sich jedoch keine relevante Marktmacht im Sinne der §§ 19, 20 GWB.
Der Markt für den Erwerb von Bekleidungsgegenständen läßt sich nämlich nicht mehr weiter nach bestimmten Kundenkreisen aufspalten. Als Nachfrager unterscheiden sich die Asylbewerber hinsichtlich ihres Bedarfs nicht in erheblicher Weise von sonstigen Kunden. Der Einzelhandel verkauft an sie die gleichen Produkte. Das Warensortiment bleibt im wesentlichen unverändert, unabhängig davon, ob die einzelnen Nachfrager Asylbewerber oder sonstige
Kunden sind. Da die Nachfrage sich auf dieselben Produkte bezieht, sind aus der Sicht des Einzelhandels die einzelnen Kunden austauschbar.
Eine im Sinne der §§ 19, 20 GWB relevante Nachfragemacht des Beklagten auf dem Bekleidungsmarkt liegt allerdings fern, selbst wenn das gesamte Nachfragepotential der Asylbewerber ihm zuzurechnen wäre. Schon aufgrund des eigenen Sachvortrages der Klägerin, wonach das Gesamtvolumen der Gutscheine nur ca. 5 Mio. DM im Jahr betrage, läßt sich dies hier ausschließen. Daß ein Umsatz in dieser Größenordnung – bezogen auf den in Rede stehenden Markt – keine relevante Nachfragemacht begründet, bedarf keiner weiteren Darlegung.
c) Schließlich kann die Klägerin auch aus einer etwaigen beherrschenden Stellung des Beklagten auf einem Drittmarkt keinen auf dessen Normadressatenstellung gestützten Unterlassungsanspruch ableiten. Es kann offenbleiben , ob der Beklagte als Nachfrager auf einem Markt für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Asylbewerberleistungsgesetz marktbeherrschend ist. Erforderlich für einen Unterlassungsanspruch nach § 20 GWB ist nämlich zusätzlich , daß beide Parteien auf dem beherrschten Markt tätig sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Klägerin auf einem solchen Markt für Serviceleistungen weder auf Anbieter- noch auf Nachfragerseite auftritt. Im übrigen könnte sich eine etwaige Marktstärke des Beklagten als Nachfrager gegenüber dem Serviceunternehmen auch nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (BGHZ 83, 238, 243 = WuW/E 1911, 1914 – Meiereizentrale). Hier steht der Klägerin auf der Nachfragerseite nur die wirtschaftliche Macht gegenüber, die auf dem Nachfragepotential der Asylbewerber beruht. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte jenseits der über die Wertgutscheine vermittelten Nachfragemacht wirtschaftlichen Druck auf die Klägerin ausüben könnte, sind nicht vorhanden. Das
gebündelte Nachfragepotential der Asylbewerber erreicht jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht die Erheblichkeitsschwelle der §§ 19, 20 GWB.
Damit kommt auch der Frage, welche weiteren Serviceunternehmen der Beklagte beauftragt hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Wenn schon die Bündelung der Nachfragemacht in einem Serviceunternehmen aufgrund eines nicht ausreichenden Machtpotentials kartellrechtlich unschädlich ist, gilt dies erst recht, wenn sich das Nachfragepotential auf zwei Serviceunternehmen verteilt. Ebensowenig brauchte – entgegen der Auffassung der Revision – das Berufungsgericht die Frage zu untersuchen, ob sich die Klägerin im Verhältnis zu einem weiteren Serviceunternehmen S. zur Zahlung einer Servicepauschale verpflichtet hat. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnte dies nur die wirtschaftliche Selbständigkeit sowie den vorhandenen Verhandlungsspielraum der jeweiligen Serviceunternehmen belegen und widerspräche damit der Behauptung der Klägerin, die Serviceunternehmen seien von dem Beklagten als Monopolunternehmen wirtschaftlich abhängig und dienten diesem lediglich zur Abwälzung eigener Kosten.
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht einen Anspruch aus § 1 UWG verneint.
Das Verhalten des Beklagten erfüllt im Verhältnis zur Klägerin nicht das Merkmal eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs. Dieses Merkmal setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß das Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, und daß der Handelnde zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (BGH, Urt. v. 1.6.1989 – I ZR 81/87, GRUR
1989, 773, 774 – Mitarbeitervertretung; Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 915 – Die Besten II).
Das Verhalten des Beklagten mag – wie die Revision geltend macht – objektiv geeignet sein, die mit größeren Margen kalkulierenden Mitbewerber der Klägerin zu deren Lasten zu begünstigen. Es ist indessen schon zweifelhaft, ob dem Beklagten diese Wirkung bewußt war. Denn nach den getroffenen Feststellungen blieb das Aushandeln der Servicegebühr nach Art und Umfang allein A. überlassen. Daher hing es auch allein von deren kaufmännischem Geschick ab, ob und in welchem Umfang ihr die Händler, die sich an der Warenabgabe an Asylbewerber beteiligten, einen finanziellen Vorteil einräumten. Unabhängig davon könnte nicht ohne weiteres von einer entsprechenden Absicht des Beklagten ausgegangen werden. Auch wenn das Bewußtsein solcher wettbewerbsbeeinflussenden Folgen ein Beweisanzeichen für ein Handeln in Wettbewerbsabsicht darstellen kann, so läge doch im Streitfall eine solche Absicht fern, weil der Beklagte jedenfalls vorrangig aus anderen Gründen gehandelt hat und die Wettbewerbsförderung lediglich notwendige Folge eines anders motivierten Handelns war (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1987 – I ZR 167/85, GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung; GRUR 1989, 773, 774 – Mitarbeitervertretung). Dem Beklagten ging es darum, den eigenen Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten. Die Erwägung, daß die von A. auszuhandelnden Servicegebühren die einzelnen Händler wegen der unterschiedlichen Margen nicht in gleicher Weise treffen würden, spielte dabei erkennbar keine Rolle.
Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung, ob das Verhalten des Beklagten bei gegebener Wettbewerbsabsicht als unlauter anzusehen wäre.
3. Soweit die Klägerin weiterhin die Unzulässigkeit des Abrechnungssystems aus einer Verletzung öffentlich-rechtlicher Bindungen herleitet, benennt sie nicht einmal eine hierfür in Betracht kommende Anspruchsgrundlage. Eine solche ist auch nicht ersichtlich. Öffentlich-rechtliche Beziehungen bestehen allein zwischen dem Beklagten und dem einzelnen Asylbewerber. Die Klägerin und den Beklagten verbindet hingegen keine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung. Ihr gegenüber ist der Beklagte nur an die allgemeinen Regeln gebunden, die für das Nachfrageverhalten der öffentlichen Hand im Privatrechtsverkehr gelten. Schon aus diesem Grunde scheidet hier ein auf eine besondere öffentlich -rechtliche Pflichtenbindung gegründeter Unterlassungsanspruch aus. Dies gilt in gleicher Weise dann, wenn – wie hier durch A. – der Beschaffungsvorgang durch eine zwischengeschaltete Person des Privatrechts bewirkt wird.
4. Da das Verhalten des Beklagten – jedenfalls soweit der Rechtskreis der Klägerin betroffen ist – aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, bleibt die Klage – auch mit den Hilfsanträgen – ohne Erfolg.
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(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die insbesondere auch in Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen Werbetexte platziert. Die Beklagte verlegt Telefonbücher ("Das Örtliche", "Das Telefonbuch") und Branchenverzeichnisse ("Gelbe Seiten") für den norddeutschen Raum. Die Werbekunden können ihre Werbeanzeigen direkt bei der Beklagten oder über deren Handelsvertreter schalten. Außerdem konnten die Werbeanzeigen traditionell auch über externe Werbeagenturen in Auftrag gegeben werden.
- 2
- Im Jahr 2003 begann die Beklagte mit der Umstellung ihres Vertriebssystems , weil sie Werbeanzeigen nur noch direkt oder durch ihre Handelsvertreter akquirieren wollte. Es wurden aber weiterhin auch von bestimmten Werbeagenturen , zu denen die Klägerin gehörte, Anzeigenaufträge angenommen. Die Beklagte überließ ihren Handelsvertretern nunmehr allerdings Anzeigenpreislisten ("Grundpreislisten") deutlich früher als der Klägerin die für sie bestimmten "Agenturpreislisten". Auch die Werbeagentur T. , die zum Unternehmensverbund der Beklagten gehört, konnte Anzeigenaufträge für mindestens einen Anzeigenkunden schon vermitteln, bevor die Klägerin die entsprechende Preisliste erhalten hatte. Mit Schreiben vom 16. September 2005 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass sie nur noch ausnahmsweise und nur im Rahmen einer Übergangsfrist mit Werbeagenturen zusammenarbeite. Daher werde auch die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit" heruntergefahren. Unter dem 27. März 2007 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten der Klägerin mit, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "bezüglich des Zeitpunktes der Herausgabe der Agenturpreislisten … mit direkt schaltenden Kunden gleichbehandelt zu wer- den"; die Beklagte bitte darum, "von Agenturpreislistenanforderungen abzusehen , die früher als zwei Monate - in Hamburg: drei Monate - vor dem Anzeigenannahmeschluss des jeweiligen Telefonbuchs versandt werden".
- 3
- Die Klägerin sieht in der späteren Übermittlung der Anzeigenpreise einen Wettbewerbsnachteil bei der Anzeigenakquisition. Sie möchte erreichen, dass ihr die Agenturpreislisten unverzüglich zur Verfügung gestellt werden, nachdem die Beklagte mit dem Anzeigenvertrieb für die jeweilige Telefonbuchauflage begonnen hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, GRUR-RR 2011, 148) hat die Beklagte nach Maßgabe der von der Klägerin in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge dazu verurteilt, der Klägerin die Agenturpreislisten für jedes der von ihr verlegten Telefon - und Branchenbücher auszuhändigen, nachdem sie die Beklagte hierzu für die Bücher einer jeden Auflage (nach Erscheinen der Vorauflage ) aufgefordert hat und nachdem die Beklagte mit dem Vertrieb von Anzeigen zum Abdruck in dem jeweiligen von ihr verlegten Telefon- und Branchenbuch begonnen hat, und zwar entweder durch
a) Direktvertrieb oder
b) Vertrieb durch ihre Handelsvertreter oder
c) Vertrieb durch die Werbeagentur T. ; werden von einer Agenturpreisliste mehrere Telefon- und Branchenbücher erfasst, so ist auf den Vertriebsbeginn ... für das erste Verzeichnis aus der gemeinsamen Agenturpreisliste abzustellen.
- 4
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
- 6
- Die Beklagte sei auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen marktbeherrschend und deshalb Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB. Die Werbeagentur T. , die mit der Beklagten eine unternehmerische Einheit bilde, und die Handelsvertreter der Beklagten seien zwar mit der Klägerin nicht gleichartig. Gleichartige Unternehmen seien jedoch die Anzeigenkunden, die von der Werbeagentur T. oder den Handelsvertretern akquiriert würden oder Anzeigen direkt bei der Beklagten schalteten. Gegenüber diesen Kunden behindere die Klägerin die Beklagte unbillig , indem sie ihr wesentliche Preisinformationen deutlich später zur Verfügung stelle. Zwar sei auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht grund- sätzlich gehindert, sein Absatzsystem so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich richtig und sinnvoll halte. Eine Umstellung des Vertriebssystems, die zum Abbruch der bestehenden Lieferbeziehungen mit einer Gruppe von Nachfragern führe, könne jedoch unbillig sein, wenn den bisher belieferten Händlern keine angemessene Umstellungsfrist eingeräumt werde. Eine entsprechende Umstellungsfrist für die Klägerin habe die Beklagte nicht in Gang gesetzt. Zudem sei es einem Normadressaten verwehrt, die Lieferbeziehungen zu einer Nachfragergruppe schon während der Umstellungsfrist auf eine Weise zu reduzieren , die nicht den Anforderungen an ein behinderungs- und diskriminierungsfreies Vertriebssystem Rechnung trage.
- 7
- Darüber hinaus behandele die Klägerin die Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 2. Altern. GWB durch spätere Übermittlung von Preisinformationen gegenüber denjenigen Kunden ungleich, die ihre Anzeigen direkt bei der Beklagten schalteten oder ihr über Handelsvertreter oder die Werbeagentur T. vermittelt würden. Zwar übermittelte die Beklagte diesen Kunden überhaupt keine Preislisten. Sie erhielten jedoch die für sie jeweils relevanten Preisinformationen, sobald die Beklagte den Direktvertrieb aufnehme. Für die Klägerin seien hingegen nicht nur einzelne, sondern die Preise aller verfügbaren Leistungen, mithin die Agenturpreislisten, relevant, da ihre Kunden potentielle Abnehmer jeder Anzeigenart und -größe seien; diese für sie entscheidenden Preisinformationen erhalte die Klägerin ohne sachlichen Grund später als die übrigen Anzeigenkunden.
- 8
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 2. Altern. GWB liegt nicht vor. Auch eine unbillige Behinderung (§ 20 Abs. 1 1. Altern. GWB) kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bejaht werden. Nach den bisherigen Feststellungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auf der Grundlage der gebotenen umfassenden Interessenabwägung eine unbillige Behinderung mit anderer Begründung anzunehmen ist.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Hinblick auf ihre marktbeherrschende Stellung auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen als Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB angesehen. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. das zwischen den Parteien ergangene Urteil des Senats vom 24. September 2002 - KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht) und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
- 10
- 2. Maßgeblicher Geschäftsverkehr ist die Vermittlung von Werbeanzeigen für die Telefonbücher der Beklagten. Dieser Geschäftsverkehr ist mit der Klägerin gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich, da die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach wie vor Anzeigenaufträge auch noch von anderen, mit ihr nicht verbundenen Werbeagenturen annimmt.
- 11
- 3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird die Klägerin gegenüber gleichartigen Unternehmen aber nicht unterschiedlich behandelt.
- 12
- a) An das Erfordernis der Gleichartigkeit dürfen zwar keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist erfüllt, wenn die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen im Verhältnis zum Normadressaten oder zu Unternehmen auf der Marktgegenseite, die dem Normadressaten vergleichbar sind, im Wesentlichen die gleichen Aufgaben erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2003 - KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203, 1204 - Depotkosmetik im Internet; BGH, WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht, st. Rspr.).
- 13
- b) Auch bei Anwendung dieses großzügigen Maßstabs sind aber, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, weder die Werbeagentur T. noch die für die Beklagte tätigen Handelsvertreter mit der Klägerin gleichartig.
- 14
- aa) Die Werbeagentur T. ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin und bildet mit dieser eine wirtschaftliche Einheit. Sie kann deshalb gegenüber der Klägerin nicht als gleichartiges Unternehmen angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1987 - KZR 6/86, WuW/E BGH 2360, 2365 - Freundschaftswerbung ; Urteil vom 24. September 2002 - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003, 1004 - Kommunaler Schilderprägebetrieb; Urteil vom 24. Oktober 2011 - KZR 7/10, WuW/E DE-R 3446 - Grossistenkündigung).
- 15
- bb) Auch die für die Beklagte tätigen Handelsvertreter, die im Namen und auf Rechnung der Beklagten Anzeigenaufträge vermitteln, sind nicht mit der Klägerin gleichartig, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigenaufträge für ihre Kunden schaltet. Im Hinblick auf die von ihnen vermittelten Geschäfte sind (typische) Handelsvertreter ein in die Betriebsorganisation ihres Prinzipals eingegliedertes Hilfsorgan. Sie bilden insoweit mit ihm eine wirtschaftliche Einheit (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C 217/05, Slg. 2006, I-11987 Rn. 40 ff. = WuW/E EuR 1215 - Cepsa; EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - T 325/01, Slg. 2005, II-3319 Rn. 85 f. = WuW/E EuR 933 - DaimlerChrysler; Kirchhoff in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 10 Rn. 13). Da alle Risiken aus dem vermittelten Absatzgeschäft den Geschäftsherrn treffen, entspricht der Vertrieb über Handelsvertreter wirtschaftlich und funktional dem Direktvertrieb über Tochtergesellschaften.
- 16
- c) Das Berufungsgericht hat die Klägerin jedoch als gleichartig mit den Kunden angesehen, die von der Werbeagentur T. oder den Handelsvertretern der Beklagten akquiriert werden oder die direkt bei der Beklagten Anzeigen schalten. Die Klägerin werde ungerechtfertigt ungleich behandelt, indem diesen Kunden die für sie relevanten Preisinformationen früher als der Klägerin zur Verfügung gestellt würden und sie deshalb auch früher als die Klägerin Anzeigen schalten könnten. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
- 17
- Die Klägerin begehrt eine frühere Aushändigung der Agenturpreislisten nicht als Vertragspartner der Beklagten für Werbeanzeigen, sondern um ihr als Absatzmittler Anzeigenaufträge zu vermitteln. Die Klägerin hat sich der Beklagten gegenüber also nicht als Anzeigenkunde auf die Ebene des Endkunden begeben , sondern tritt ihr in ihrer Eigenschaft als Werbeagentur gegenüber. Insoweit befindet sich die Klägerin auf derselben Handelsstufe wie die anderen Absatzmittler der Beklagten, so dass diese - und nicht die Endkunden der Beklagten - die relevante Bezugsgruppe bei der Prüfung des Diskriminierungstatbestands bilden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht). Für diese Bezugsgruppe gilt indessen, dass die anderen Absatzmittler entweder als zu vergleichende Unternehmen nicht in Betracht kommen, weil sie mit der Beklagten wie ausgeführt eine wirtschaftliche Einheit bilden, oder - wie die übrigen Werbeagenturen - nicht besser behandelt werden als die Klägerin.
- 18
- d) Dass die Klägerin, wenn sie wie ein unmittelbarer Anzeigenkunde der Beklagten eine konkrete Werbeanzeige für einen Kunden bei der Beklagten schalten will, keine Preisauskunft erhält, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt , und von der Revisionsbeklagten wird auch kein diesbezüglicher Vortrag als übergangen gerügt. Soweit das Berufungsgericht auf unterschiedliche Zeitpunkte abstellt, zu denen die Klägerin und Anzeigenendkunden die "für sie relevanten Preisinformationen" erhielten, vergleicht es die insoweit in der Funktion des Absatzmittlers tätige Klägerin mit den Anzeigenkunden der Beklagten, die dieser gegenüber eine andere wirtschaftliche Funktion ausüben. Damit kann keine Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB begründet werden.
- 19
- 4. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage auch nicht auf eine unbillige Behinderung (§ 20 Abs. 1 1. Altern. GWB) gestützt werden.
- 20
- a) Die Klägerin wird zwar dadurch im Wettbewerb behindert, dass die Beklagte ihr die Agenturpreislisten erst deutlich später zur Verfügung stellt, als der Werbeagentur T. und ihren Handelsvertretern die für diese relevanten Preisinformationen.
- 21
- b) Diese Behinderung ist aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon deshalb unbillig, weil die Beklagte mit dieser Praxis begonnen hat, ohne der Klägerin eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen.
- 22
- aa) Allerdings kann es, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, grundsätzlich eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB darstellen, wenn ein Normadressat dazu übergeht, seine Waren oder Dienstleistungen ausschließlich im Direktvertrieb abzusetzen, ohne den bisher für ihn tätigen unabhängigen Absatzmittlern eine angemessene Umstellungsfrist zu gewähren (vgl. BGH, WuW/E BGH 2360, 2366 - Freundschaftswerbung; BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 - KZR 33/93, WuW/E BGH 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler ). Auch in einem Fall, in dem ein Normadressat die Bezugskonditionen für einen Händler von Presseerzeugnissen auf S- und U-Bahnhöfen deutlich verschlechtert hatte, ohne dies im gesamten Bahnhofsbuchhandel zu tun, ist vom Senat eine Umstellungsfrist für erforderlich gehalten worden (vgl. BGH, WuW/E BGH DE-R 134, 138 - Bahnhofsbuchhandel, zum Übergang von Direktbelieferung auf Bezug beim Großhandel).
- 23
- bb) Im Streitfall ist jedoch bereits fraglich, ob der Klägerin nach diesen Grundsätzen eine Umstellungsfrist vor Änderung der Übersendungspraxis für die Agenturpreislisten einzuräumen war. Feststellungen zu einer Abhängigkeit der Klägerin von der Anzeigenvermittlung für die Beklagte hat das Berufungsgericht nicht getroffen. In den letzten Jahren betrug das Umsatzvolumen der Klägerin mit Anzeigen bei der Beklagten 11.800 €, mit dem ein Erlös in Höhe von 1.770 € erzielt wurde. Außerdem hat die Beklagte die Geschäftsverbindung mit der Klägerin bisher nicht vollständig abgebrochen, sondern nur ihre Bedingungen verschlechtert.
- 24
- cc) Jedenfalls war aber eine etwa erforderliche Umstellungsfrist schon vor dem - für die Begründetheit des von der Klägerin allein geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Leistungsanspruchs maßgeblichen - Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 18. Februar 2010 abgelaufen.
- 25
- Bereits mit Schreiben vom 16. September 2005 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, nur noch im Rahmen einer Übergangsfrist mit Werbeagenturen zusammenzuarbeiten und daher die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit" herunterzufahren. Zwar war in diesem Schreiben kein Ende der Übergangsfrist genannt. Der Klägerin musste aber klar sein, dass die Beklagte die bisherige Zusammenarbeit nur noch für begrenzte Zeit fortsetzen werde. Unter dem 27. März 2007 ließ die Beklagte der Klägerin mitteilen, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "be- züglich des Zeitpunktes der Herausgabe der Agenturpreislisten … mit direkt schaltenden Kunden gleichbehandelt zu werden", und darum bitte, "von Agenturpreislistenanforderungen abzusehen, die früher als zwei Monate - in Hamburg : drei Monate - vor dem Anzeigenannahmeschluss des jeweiligen Telefonbuchs versandt werden". Damit hatte die Beklagte eindeutig erklärt, die von ihr bereits zuvor begonnene und von der Klägerin beanstandete Praxis der späte- ren Versendung der Agenturpreislisten dauerhaft beizubehalten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann insoweit auch die - etwa erforderliche - Übergangsfrist zu laufen.
- 26
- Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Februar 2010, also fast drei Jahre später, war sie dann jedenfalls lange abgelaufen. Der Senat hat bei Kraftfahrzeugvertragshändlern, die ausschließlich an einen Automobilhersteller gebunden sind, eine Frist von zwölf Monaten für die vollständige Einstellung der Geschäftsverbindung als ausreichend angesehen (BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2989 - Kfz-Vertragshändler ). Die Einräumung einer längeren Frist war im vorliegenden Fall, in dem die Geschäftsverbindung - wenn auch unter schlechteren Bedingungen - fortgesetzt wird, und eine einem exklusiv gebundenen Kraftfahrzeugvertragshändler vergleichbare Abhängigkeit der Klägerin nicht ersichtlich ist, nicht geboten (vgl. auch BGH, WuW/E BGH DE-R 134, 137 - Bahnhofsbuchhandel).
- 27
- Im Hinblick auf den von der Klägerin ausschließlich verfolgten Leistungsanspruch ist es im Streitfall unerheblich, dass gegen einen Normadressaten Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, wenn er vor Ablauf der angemessenen Übergangsfrist sein Vertriebssystem umstellt.
- 28
- 5. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat nicht in der Sache selbst zu entscheiden vermag. Das Berufungsgericht hat die für die Beurteilung des Behinderungstatbestands des § 20 Abs. 1 GWB erforderliche umfassende Interessenabwägung bisher nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden. Somit ist derzeit nicht auszuschließen , dass sich die Klage im Ergebnis der Interessenabwägung als begründet erweisen könnte.
- 29
- a) Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Mai 2007 - KZR 9/06, WuW/E DE-R 1984 Rn. 13 - Autoruf-Genossenschaft, mwN). Ausgangspunkt dieser Abwägung ist bei vertriebsbezogenen Sachverhalten der aus der unternehmerischen Handlungsfreiheit abzuleitende Grundsatz, dass das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB den Normadressaten grundsätzlich nicht daran hindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet. Das umfasst das Recht des Normadressaten, seine Waren statt wie bisher über unabhängige Absatzmittler künftig über Tochtergesellschaften zu vertreiben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 17/03, WuW DE-R 1377, 1378 f. - Sparberaterin I).
- 30
- Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich aufgrund besonderer Umstände das Interesse eines Geschäftspartners auf Weiterbelieferung zu angemessenen Konditionen im Einzelfall als vorrangig gegenüber der Vertriebsgestaltungsfreiheit des Normadressaten erweist, so dass eine unbillige Behinderung zu bejahen ist (vgl. BGH, WuW/E DE-R 3446 Rn. 40 - Grossistenkündigung ). Denn die Freiheit des Normadressaten zur Gestaltung seines Absatzsystems besteht nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen. Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist. Je stärker die Stellung des Normadressaten auf dem relevanten Markt und je größer die Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot ist, desto höhere Anforderungen sind an die Schutzwürdigkeit der von einem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen verfolgten Belange zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuerwehrgeräte).
- 31
- b) Nach diesen Grundsätzen tritt die Vertriebsgestaltungsfreiheit zwar regelmäßig nicht schon dann hinter dem Belieferungsinteresse eines Abnehmers zurück, wenn dieser seine Tätigkeit als Absatzmittler für den Normadressaten nicht mehr oder nur noch unter nicht mehr wettbewerbsfähigen Bedingungen ausüben kann. Denn insoweit wird den berechtigten Interessen des Abnehmers gegebenenfalls durch Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist ausreichend Rechnung getragen. Anders kann es aber liegen, wenn die vom Normadressaten beabsichtigte Vertriebsumstellung ihm ein Monopol auf einem nachgelagerten Markt verschafft, auf dem bisher von ihm unabhängige Unternehmen aufgrund eigener, erheblicher Wertschöpfung ein eigenes Leistungsergebnis anbieten, für das die bisher vom Normadressaten bezogene Ware oder Dienstleistung Voraussetzung ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Hersteller den gesamten Ersatzteilvertrieb und alle Reparaturleistungen für seine Produkte selbst übernehmen will und deshalb freie Werkstätten nicht (mehr) mit Ersatzteilen beliefert. Eine derartige Vertriebsbeschränkung, die auf die Begründung eines Monopols auch auf dem Markt für Wartungs- und Reparaturleistungen hinausläuft, ist mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar (BGH, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuerwehrgeräte; vgl. auch BGH, WuW DE-R 1377, 1379 - Sparberaterin I).
- 32
- c) Das Berufungsgericht hat, worauf das Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, den Streitfall nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass die Klägerin darin behindert werde, entsprechend einem Handelsvertreter Anzeigenaufträge entgegenzunehmen und diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bei der Beklagten - gegebenenfalls unter Verwendung von dieser bereitgestellter Formulare - aufzugeben. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich die Tätigkeit der Klägerin hierin erschöpft. Davon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Anzeigenkunden müssen einen um 15% höheren Preis zahlen, wenn sie ihre Anzeigen bei der Klägerin und nicht direkt bei der Beklagten oder deren Handelsvertretern aufgeben. Es liegt nicht fern anzunehmen, dass Anzeigenkunden zur Zahlung dieses Mehrpreises nur bereit sein werden, wenn sie dafür zusätzliche, eigenständige Leistungen der Klägerin erhalten, etwa eine Beratung zur Anzeigengestaltung, zur Minderung der Anzeigenkosten oder zur Auswahl der geeigneten Werbeträger. Da dem Senat mithin eine umfassende Abwägung der wettbewerblichen Interessen der Parteien nicht möglich ist, bedarf es der Zurückverweisung der Sache.
- 33
- 6. Das Berufungsgericht wird bei seiner neuen Entscheidung Folgendes zu berücksichtigen haben:
- 34
- a) Gegen die Bestimmtheit des Klageantrags bestehen, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, keine Bedenken. Da die Klägerin am Ende eines Jahres pauschal für alle Branchen- und Telefonverzeichnisse des kommenden Jahres die Preislisten anfordern kann, ist unerheblich, dass es für diese keinen einheitlichen Erscheinungszeitpunkt gibt.
- 35
- b) Sollte sich die Tätigkeit der Klägerin nicht auf den typischen Anzeigenvertrieb beschränken, sondern (auch) einem eigenständigen, nachgelagerten Beratungsmarkt zuzuordnen sein, wird insbesondere zu prüfen sein, ob die Klägerin und die anderen unabhängigen Werbeagenturen durch die späte Erhältlichkeit der Agenturpreislisten ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Werbeberatungsmarkt gegenüber der Werbeagentur T. verlieren oder in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zumindest wesentlich beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang wird den Parteien auch Gelegenheit zu geben sein, dazu vorzutragen , ob und gegebenenfalls inwieweit die Werbeagenturen Nachteile, die ihnen aus der späten Übermittlung der Agenturpreisliste erwachsen, in zumutbarer Weise kompensieren können, etwa dadurch, dass sie für von ihren Kunden beabsichtigte konkrete Anzeigen kurzfristig eine Preisauskunft der Beklag- ten erhalten und den Kunden in der Zwischenzeit den Vorjahrespreis zur Orientierung nennen können.
- 36
- Gegebenenfalls wird in diesem Zusammenhang bei der Abwägung auch zu berücksichtigen sein, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der Beklagten unabhängigen Werbeagenturen Wettbewerbsnachteile gegenüber T. dadurch ausgleichen können, dass sie - für die Nachfrager erkennbar anders als die Agentur T. - eine Werbeberatung bei der Schaltung von Anzeigen in Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen anbieten, die von geschäftlichen Interessen der Beklagten unabhängig ist und daher einen Anreiz für Anzeigenkunden bilden kann, wegen der hierdurch erzielbaren Einsparungen mit ihrem Auftrag zu warten, bis die Werbeagentur über vollständige Preisinformationen verfügt.
- 37
- c) Sollte das Berufungsgericht eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB verneinen, käme auch keine gezielte Behinderung der Klägerin gemäß § 4 Nr. 10 UWG in Betracht. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung sind insoweit die gleichen Kriterien wie bei § 20 GWB maßgebend (vgl.
Meier-Beck Strohn Kirchhoff
Bacher Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.07.2008 - 407 O 138/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.05.2010 - 3 U 140/08 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.