Bundesgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2012 - KZR 65/10

bei uns veröffentlicht am31.01.2012
vorgehend
Landgericht Hamburg, 407 O 138/07, 15.07.2008
Hanseatisches Oberlandesgericht, 3 U 140/08, 06.05.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 65/10 Verkündet am:
31. Januar 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck
, die Richter Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 6. Mai 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die insbesondere auch in Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen Werbetexte platziert. Die Beklagte verlegt Telefonbücher ("Das Örtliche", "Das Telefonbuch") und Branchenverzeichnisse ("Gelbe Seiten") für den norddeutschen Raum. Die Werbekunden können ihre Werbeanzeigen direkt bei der Beklagten oder über deren Handelsvertreter schalten. Außerdem konnten die Werbeanzeigen traditionell auch über externe Werbeagenturen in Auftrag gegeben werden.
2
Im Jahr 2003 begann die Beklagte mit der Umstellung ihres Vertriebssystems , weil sie Werbeanzeigen nur noch direkt oder durch ihre Handelsvertreter akquirieren wollte. Es wurden aber weiterhin auch von bestimmten Werbeagenturen , zu denen die Klägerin gehörte, Anzeigenaufträge angenommen. Die Beklagte überließ ihren Handelsvertretern nunmehr allerdings Anzeigenpreislisten ("Grundpreislisten") deutlich früher als der Klägerin die für sie bestimmten "Agenturpreislisten". Auch die Werbeagentur T. , die zum Unternehmensverbund der Beklagten gehört, konnte Anzeigenaufträge für mindestens einen Anzeigenkunden schon vermitteln, bevor die Klägerin die entsprechende Preisliste erhalten hatte. Mit Schreiben vom 16. September 2005 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass sie nur noch ausnahmsweise und nur im Rahmen einer Übergangsfrist mit Werbeagenturen zusammenarbeite. Daher werde auch die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit" heruntergefahren. Unter dem 27. März 2007 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten der Klägerin mit, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "bezüglich des Zeitpunktes der Herausgabe der Agenturpreislisten … mit direkt schaltenden Kunden gleichbehandelt zu wer- den"; die Beklagte bitte darum, "von Agenturpreislistenanforderungen abzusehen , die früher als zwei Monate - in Hamburg: drei Monate - vor dem Anzeigenannahmeschluss des jeweiligen Telefonbuchs versandt werden".
3
Die Klägerin sieht in der späteren Übermittlung der Anzeigenpreise einen Wettbewerbsnachteil bei der Anzeigenakquisition. Sie möchte erreichen, dass ihr die Agenturpreislisten unverzüglich zur Verfügung gestellt werden, nachdem die Beklagte mit dem Anzeigenvertrieb für die jeweilige Telefonbuchauflage begonnen hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, GRUR-RR 2011, 148) hat die Beklagte nach Maßgabe der von der Klägerin in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge dazu verurteilt, der Klägerin die Agenturpreislisten für jedes der von ihr verlegten Telefon - und Branchenbücher auszuhändigen, nachdem sie die Beklagte hierzu für die Bücher einer jeden Auflage (nach Erscheinen der Vorauflage ) aufgefordert hat und nachdem die Beklagte mit dem Vertrieb von Anzeigen zum Abdruck in dem jeweiligen von ihr verlegten Telefon- und Branchenbuch begonnen hat, und zwar entweder durch
a) Direktvertrieb oder
b) Vertrieb durch ihre Handelsvertreter oder
c) Vertrieb durch die Werbeagentur T. ; werden von einer Agenturpreisliste mehrere Telefon- und Branchenbücher erfasst, so ist auf den Vertriebsbeginn ... für das erste Verzeichnis aus der gemeinsamen Agenturpreisliste abzustellen.
4
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Die Beklagte sei auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen marktbeherrschend und deshalb Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB. Die Werbeagentur T. , die mit der Beklagten eine unternehmerische Einheit bilde, und die Handelsvertreter der Beklagten seien zwar mit der Klägerin nicht gleichartig. Gleichartige Unternehmen seien jedoch die Anzeigenkunden, die von der Werbeagentur T. oder den Handelsvertretern akquiriert würden oder Anzeigen direkt bei der Beklagten schalteten. Gegenüber diesen Kunden behindere die Klägerin die Beklagte unbillig , indem sie ihr wesentliche Preisinformationen deutlich später zur Verfügung stelle. Zwar sei auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht grund- sätzlich gehindert, sein Absatzsystem so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich richtig und sinnvoll halte. Eine Umstellung des Vertriebssystems, die zum Abbruch der bestehenden Lieferbeziehungen mit einer Gruppe von Nachfragern führe, könne jedoch unbillig sein, wenn den bisher belieferten Händlern keine angemessene Umstellungsfrist eingeräumt werde. Eine entsprechende Umstellungsfrist für die Klägerin habe die Beklagte nicht in Gang gesetzt. Zudem sei es einem Normadressaten verwehrt, die Lieferbeziehungen zu einer Nachfragergruppe schon während der Umstellungsfrist auf eine Weise zu reduzieren , die nicht den Anforderungen an ein behinderungs- und diskriminierungsfreies Vertriebssystem Rechnung trage.
7
Darüber hinaus behandele die Klägerin die Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 2. Altern. GWB durch spätere Übermittlung von Preisinformationen gegenüber denjenigen Kunden ungleich, die ihre Anzeigen direkt bei der Beklagten schalteten oder ihr über Handelsvertreter oder die Werbeagentur T. vermittelt würden. Zwar übermittelte die Beklagte diesen Kunden überhaupt keine Preislisten. Sie erhielten jedoch die für sie jeweils relevanten Preisinformationen, sobald die Beklagte den Direktvertrieb aufnehme. Für die Klägerin seien hingegen nicht nur einzelne, sondern die Preise aller verfügbaren Leistungen, mithin die Agenturpreislisten, relevant, da ihre Kunden potentielle Abnehmer jeder Anzeigenart und -größe seien; diese für sie entscheidenden Preisinformationen erhalte die Klägerin ohne sachlichen Grund später als die übrigen Anzeigenkunden.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 2. Altern. GWB liegt nicht vor. Auch eine unbillige Behinderung (§ 20 Abs. 1 1. Altern. GWB) kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bejaht werden. Nach den bisherigen Feststellungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auf der Grundlage der gebotenen umfassenden Interessenabwägung eine unbillige Behinderung mit anderer Begründung anzunehmen ist.
9
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Hinblick auf ihre marktbeherrschende Stellung auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen als Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB angesehen. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. das zwischen den Parteien ergangene Urteil des Senats vom 24. September 2002 - KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht) und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
10
2. Maßgeblicher Geschäftsverkehr ist die Vermittlung von Werbeanzeigen für die Telefonbücher der Beklagten. Dieser Geschäftsverkehr ist mit der Klägerin gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich, da die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach wie vor Anzeigenaufträge auch noch von anderen, mit ihr nicht verbundenen Werbeagenturen annimmt.
11
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird die Klägerin gegenüber gleichartigen Unternehmen aber nicht unterschiedlich behandelt.
12
a) An das Erfordernis der Gleichartigkeit dürfen zwar keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist erfüllt, wenn die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen im Verhältnis zum Normadressaten oder zu Unternehmen auf der Marktgegenseite, die dem Normadressaten vergleichbar sind, im Wesentlichen die gleichen Aufgaben erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2003 - KZR 2/02, WuW/E DE-R 1203, 1204 - Depotkosmetik im Internet; BGH, WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht, st. Rspr.).
13
b) Auch bei Anwendung dieses großzügigen Maßstabs sind aber, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, weder die Werbeagentur T. noch die für die Beklagte tätigen Handelsvertreter mit der Klägerin gleichartig.
14
aa) Die Werbeagentur T. ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin und bildet mit dieser eine wirtschaftliche Einheit. Sie kann deshalb gegenüber der Klägerin nicht als gleichartiges Unternehmen angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1987 - KZR 6/86, WuW/E BGH 2360, 2365 - Freundschaftswerbung ; Urteil vom 24. September 2002 - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003, 1004 - Kommunaler Schilderprägebetrieb; Urteil vom 24. Oktober 2011 - KZR 7/10, WuW/E DE-R 3446 - Grossistenkündigung).
15
bb) Auch die für die Beklagte tätigen Handelsvertreter, die im Namen und auf Rechnung der Beklagten Anzeigenaufträge vermitteln, sind nicht mit der Klägerin gleichartig, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Anzeigenaufträge für ihre Kunden schaltet. Im Hinblick auf die von ihnen vermittelten Geschäfte sind (typische) Handelsvertreter ein in die Betriebsorganisation ihres Prinzipals eingegliedertes Hilfsorgan. Sie bilden insoweit mit ihm eine wirtschaftliche Einheit (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C 217/05, Slg. 2006, I-11987 Rn. 40 ff. = WuW/E EuR 1215 - Cepsa; EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - T 325/01, Slg. 2005, II-3319 Rn. 85 f. = WuW/E EuR 933 - DaimlerChrysler; Kirchhoff in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 10 Rn. 13). Da alle Risiken aus dem vermittelten Absatzgeschäft den Geschäftsherrn treffen, entspricht der Vertrieb über Handelsvertreter wirtschaftlich und funktional dem Direktvertrieb über Tochtergesellschaften.
16
c) Das Berufungsgericht hat die Klägerin jedoch als gleichartig mit den Kunden angesehen, die von der Werbeagentur T. oder den Handelsvertretern der Beklagten akquiriert werden oder die direkt bei der Beklagten Anzeigen schalten. Die Klägerin werde ungerechtfertigt ungleich behandelt, indem diesen Kunden die für sie relevanten Preisinformationen früher als der Klägerin zur Verfügung gestellt würden und sie deshalb auch früher als die Klägerin Anzeigen schalten könnten. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
17
Die Klägerin begehrt eine frühere Aushändigung der Agenturpreislisten nicht als Vertragspartner der Beklagten für Werbeanzeigen, sondern um ihr als Absatzmittler Anzeigenaufträge zu vermitteln. Die Klägerin hat sich der Beklagten gegenüber also nicht als Anzeigenkunde auf die Ebene des Endkunden begeben , sondern tritt ihr in ihrer Eigenschaft als Werbeagentur gegenüber. Insoweit befindet sich die Klägerin auf derselben Handelsstufe wie die anderen Absatzmittler der Beklagten, so dass diese - und nicht die Endkunden der Beklagten - die relevante Bezugsgruppe bei der Prüfung des Diskriminierungstatbestands bilden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht). Für diese Bezugsgruppe gilt indessen, dass die anderen Absatzmittler entweder als zu vergleichende Unternehmen nicht in Betracht kommen, weil sie mit der Beklagten wie ausgeführt eine wirtschaftliche Einheit bilden, oder - wie die übrigen Werbeagenturen - nicht besser behandelt werden als die Klägerin.
18
d) Dass die Klägerin, wenn sie wie ein unmittelbarer Anzeigenkunde der Beklagten eine konkrete Werbeanzeige für einen Kunden bei der Beklagten schalten will, keine Preisauskunft erhält, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt , und von der Revisionsbeklagten wird auch kein diesbezüglicher Vortrag als übergangen gerügt. Soweit das Berufungsgericht auf unterschiedliche Zeitpunkte abstellt, zu denen die Klägerin und Anzeigenendkunden die "für sie relevanten Preisinformationen" erhielten, vergleicht es die insoweit in der Funktion des Absatzmittlers tätige Klägerin mit den Anzeigenkunden der Beklagten, die dieser gegenüber eine andere wirtschaftliche Funktion ausüben. Damit kann keine Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB begründet werden.
19
4. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage auch nicht auf eine unbillige Behinderung (§ 20 Abs. 1 1. Altern. GWB) gestützt werden.
20
a) Die Klägerin wird zwar dadurch im Wettbewerb behindert, dass die Beklagte ihr die Agenturpreislisten erst deutlich später zur Verfügung stellt, als der Werbeagentur T. und ihren Handelsvertretern die für diese relevanten Preisinformationen.
21
b) Diese Behinderung ist aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon deshalb unbillig, weil die Beklagte mit dieser Praxis begonnen hat, ohne der Klägerin eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen.
22
aa) Allerdings kann es, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, grundsätzlich eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB darstellen, wenn ein Normadressat dazu übergeht, seine Waren oder Dienstleistungen ausschließlich im Direktvertrieb abzusetzen, ohne den bisher für ihn tätigen unabhängigen Absatzmittlern eine angemessene Umstellungsfrist zu gewähren (vgl. BGH, WuW/E BGH 2360, 2366 - Freundschaftswerbung; BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 - KZR 33/93, WuW/E BGH 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler ). Auch in einem Fall, in dem ein Normadressat die Bezugskonditionen für einen Händler von Presseerzeugnissen auf S- und U-Bahnhöfen deutlich verschlechtert hatte, ohne dies im gesamten Bahnhofsbuchhandel zu tun, ist vom Senat eine Umstellungsfrist für erforderlich gehalten worden (vgl. BGH, WuW/E BGH DE-R 134, 138 - Bahnhofsbuchhandel, zum Übergang von Direktbelieferung auf Bezug beim Großhandel).
23
bb) Im Streitfall ist jedoch bereits fraglich, ob der Klägerin nach diesen Grundsätzen eine Umstellungsfrist vor Änderung der Übersendungspraxis für die Agenturpreislisten einzuräumen war. Feststellungen zu einer Abhängigkeit der Klägerin von der Anzeigenvermittlung für die Beklagte hat das Berufungsgericht nicht getroffen. In den letzten Jahren betrug das Umsatzvolumen der Klägerin mit Anzeigen bei der Beklagten 11.800 €, mit dem ein Erlös in Höhe von 1.770 € erzielt wurde. Außerdem hat die Beklagte die Geschäftsverbindung mit der Klägerin bisher nicht vollständig abgebrochen, sondern nur ihre Bedingungen verschlechtert.
24
cc) Jedenfalls war aber eine etwa erforderliche Umstellungsfrist schon vor dem - für die Begründetheit des von der Klägerin allein geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Leistungsanspruchs maßgeblichen - Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 18. Februar 2010 abgelaufen.
25
Bereits mit Schreiben vom 16. September 2005 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, nur noch im Rahmen einer Übergangsfrist mit Werbeagenturen zusammenzuarbeiten und daher die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit" herunterzufahren. Zwar war in diesem Schreiben kein Ende der Übergangsfrist genannt. Der Klägerin musste aber klar sein, dass die Beklagte die bisherige Zusammenarbeit nur noch für begrenzte Zeit fortsetzen werde. Unter dem 27. März 2007 ließ die Beklagte der Klägerin mitteilen, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "be- züglich des Zeitpunktes der Herausgabe der Agenturpreislisten … mit direkt schaltenden Kunden gleichbehandelt zu werden", und darum bitte, "von Agenturpreislistenanforderungen abzusehen, die früher als zwei Monate - in Hamburg : drei Monate - vor dem Anzeigenannahmeschluss des jeweiligen Telefonbuchs versandt werden". Damit hatte die Beklagte eindeutig erklärt, die von ihr bereits zuvor begonnene und von der Klägerin beanstandete Praxis der späte- ren Versendung der Agenturpreislisten dauerhaft beizubehalten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann insoweit auch die - etwa erforderliche - Übergangsfrist zu laufen.
26
Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Februar 2010, also fast drei Jahre später, war sie dann jedenfalls lange abgelaufen. Der Senat hat bei Kraftfahrzeugvertragshändlern, die ausschließlich an einen Automobilhersteller gebunden sind, eine Frist von zwölf Monaten für die vollständige Einstellung der Geschäftsverbindung als ausreichend angesehen (BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2989 - Kfz-Vertragshändler ). Die Einräumung einer längeren Frist war im vorliegenden Fall, in dem die Geschäftsverbindung - wenn auch unter schlechteren Bedingungen - fortgesetzt wird, und eine einem exklusiv gebundenen Kraftfahrzeugvertragshändler vergleichbare Abhängigkeit der Klägerin nicht ersichtlich ist, nicht geboten (vgl. auch BGH, WuW/E BGH DE-R 134, 137 - Bahnhofsbuchhandel).
27
Im Hinblick auf den von der Klägerin ausschließlich verfolgten Leistungsanspruch ist es im Streitfall unerheblich, dass gegen einen Normadressaten Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, wenn er vor Ablauf der angemessenen Übergangsfrist sein Vertriebssystem umstellt.
28
5. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat nicht in der Sache selbst zu entscheiden vermag. Das Berufungsgericht hat die für die Beurteilung des Behinderungstatbestands des § 20 Abs. 1 GWB erforderliche umfassende Interessenabwägung bisher nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden. Somit ist derzeit nicht auszuschließen , dass sich die Klage im Ergebnis der Interessenabwägung als begründet erweisen könnte.
29
a) Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Mai 2007 - KZR 9/06, WuW/E DE-R 1984 Rn. 13 - Autoruf-Genossenschaft, mwN). Ausgangspunkt dieser Abwägung ist bei vertriebsbezogenen Sachverhalten der aus der unternehmerischen Handlungsfreiheit abzuleitende Grundsatz, dass das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB den Normadressaten grundsätzlich nicht daran hindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet. Das umfasst das Recht des Normadressaten, seine Waren statt wie bisher über unabhängige Absatzmittler künftig über Tochtergesellschaften zu vertreiben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 17/03, WuW DE-R 1377, 1378 f. - Sparberaterin I).
30
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich aufgrund besonderer Umstände das Interesse eines Geschäftspartners auf Weiterbelieferung zu angemessenen Konditionen im Einzelfall als vorrangig gegenüber der Vertriebsgestaltungsfreiheit des Normadressaten erweist, so dass eine unbillige Behinderung zu bejahen ist (vgl. BGH, WuW/E DE-R 3446 Rn. 40 - Grossistenkündigung ). Denn die Freiheit des Normadressaten zur Gestaltung seines Absatzsystems besteht nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen. Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist. Je stärker die Stellung des Normadressaten auf dem relevanten Markt und je größer die Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot ist, desto höhere Anforderungen sind an die Schutzwürdigkeit der von einem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen verfolgten Belange zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuerwehrgeräte).
31
b) Nach diesen Grundsätzen tritt die Vertriebsgestaltungsfreiheit zwar regelmäßig nicht schon dann hinter dem Belieferungsinteresse eines Abnehmers zurück, wenn dieser seine Tätigkeit als Absatzmittler für den Normadressaten nicht mehr oder nur noch unter nicht mehr wettbewerbsfähigen Bedingungen ausüben kann. Denn insoweit wird den berechtigten Interessen des Abnehmers gegebenenfalls durch Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist ausreichend Rechnung getragen. Anders kann es aber liegen, wenn die vom Normadressaten beabsichtigte Vertriebsumstellung ihm ein Monopol auf einem nachgelagerten Markt verschafft, auf dem bisher von ihm unabhängige Unternehmen aufgrund eigener, erheblicher Wertschöpfung ein eigenes Leistungsergebnis anbieten, für das die bisher vom Normadressaten bezogene Ware oder Dienstleistung Voraussetzung ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Hersteller den gesamten Ersatzteilvertrieb und alle Reparaturleistungen für seine Produkte selbst übernehmen will und deshalb freie Werkstätten nicht (mehr) mit Ersatzteilen beliefert. Eine derartige Vertriebsbeschränkung, die auf die Begründung eines Monopols auch auf dem Markt für Wartungs- und Reparaturleistungen hinausläuft, ist mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar (BGH, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuerwehrgeräte; vgl. auch BGH, WuW DE-R 1377, 1379 - Sparberaterin I).
32
c) Das Berufungsgericht hat, worauf das Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, den Streitfall nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass die Klägerin darin behindert werde, entsprechend einem Handelsvertreter Anzeigenaufträge entgegenzunehmen und diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bei der Beklagten - gegebenenfalls unter Verwendung von dieser bereitgestellter Formulare - aufzugeben. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich die Tätigkeit der Klägerin hierin erschöpft. Davon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Anzeigenkunden müssen einen um 15% höheren Preis zahlen, wenn sie ihre Anzeigen bei der Klägerin und nicht direkt bei der Beklagten oder deren Handelsvertretern aufgeben. Es liegt nicht fern anzunehmen, dass Anzeigenkunden zur Zahlung dieses Mehrpreises nur bereit sein werden, wenn sie dafür zusätzliche, eigenständige Leistungen der Klägerin erhalten, etwa eine Beratung zur Anzeigengestaltung, zur Minderung der Anzeigenkosten oder zur Auswahl der geeigneten Werbeträger. Da dem Senat mithin eine umfassende Abwägung der wettbewerblichen Interessen der Parteien nicht möglich ist, bedarf es der Zurückverweisung der Sache.
33
6. Das Berufungsgericht wird bei seiner neuen Entscheidung Folgendes zu berücksichtigen haben:
34
a) Gegen die Bestimmtheit des Klageantrags bestehen, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, keine Bedenken. Da die Klägerin am Ende eines Jahres pauschal für alle Branchen- und Telefonverzeichnisse des kommenden Jahres die Preislisten anfordern kann, ist unerheblich, dass es für diese keinen einheitlichen Erscheinungszeitpunkt gibt.
35
b) Sollte sich die Tätigkeit der Klägerin nicht auf den typischen Anzeigenvertrieb beschränken, sondern (auch) einem eigenständigen, nachgelagerten Beratungsmarkt zuzuordnen sein, wird insbesondere zu prüfen sein, ob die Klägerin und die anderen unabhängigen Werbeagenturen durch die späte Erhältlichkeit der Agenturpreislisten ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Werbeberatungsmarkt gegenüber der Werbeagentur T. verlieren oder in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zumindest wesentlich beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang wird den Parteien auch Gelegenheit zu geben sein, dazu vorzutragen , ob und gegebenenfalls inwieweit die Werbeagenturen Nachteile, die ihnen aus der späten Übermittlung der Agenturpreisliste erwachsen, in zumutbarer Weise kompensieren können, etwa dadurch, dass sie für von ihren Kunden beabsichtigte konkrete Anzeigen kurzfristig eine Preisauskunft der Beklag- ten erhalten und den Kunden in der Zwischenzeit den Vorjahrespreis zur Orientierung nennen können.
36
Gegebenenfalls wird in diesem Zusammenhang bei der Abwägung auch zu berücksichtigen sein, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der Beklagten unabhängigen Werbeagenturen Wettbewerbsnachteile gegenüber T. dadurch ausgleichen können, dass sie - für die Nachfrager erkennbar anders als die Agentur T. - eine Werbeberatung bei der Schaltung von Anzeigen in Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen anbieten, die von geschäftlichen Interessen der Beklagten unabhängig ist und daher einen Anreiz für Anzeigenkunden bilden kann, wegen der hierdurch erzielbaren Einsparungen mit ihrem Auftrag zu warten, bis die Werbeagentur über vollständige Preisinformationen verfügt.
37
c) Sollte das Berufungsgericht eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB verneinen, käme auch keine gezielte Behinderung der Klägerin gemäß § 4 Nr. 10 UWG in Betracht. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung sind insoweit die gleichen Kriterien wie bei § 20 GWB maßgebend (vgl.
BGH, Urteil vom 14. Juli 1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 205 - Schilderpräger im Landratsamt; Urteil vom 21. Februar 1989 - KZR 7/88, BGHZ 107, 40, 41 - Krankentransportbestellung; Urteil vom 10. Dezember 1985 - KZR 22/85, BGHZ 337, 346 f. - Abwehrblatt II).
Meier-Beck Strohn Kirchhoff
Bacher Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.07.2008 - 407 O 138/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.05.2010 - 3 U 140/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2012 - KZR 65/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2012 - KZR 65/10

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Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht


(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Wei
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Tenor I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Bonn vom 5. September 2016 - 20 O 323/16 - wird zurückgewiesen. II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeve

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(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 38/99 Verkündet am:
24. September 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vorleistungspflicht
GWB § 20 Abs. 1; AGBG § 9; BGB n.F. § 307

a) Ein Normadressat, der seine Leistungen nicht ausschließlich durch Tochterunternehmen
anbietet, darf die über sein Tochterunternehmen geworbenen
Kunden im Verhältnis zu anderen Kunden grundsätzlich nicht ungleich
behandeln.

b) Eine in AGB festgelegte Vorleistungspflicht benachteiligt dann unangemessen
, wenn mit ihr nicht lediglich sichergestellt werden soll, daß der Unternehmer
sein Entgelt erhält, ehe er unwiederbringlich seine Leistung erbracht
und jedes Druckmittel verloren hat.
BGH, Urteil vom 24. September 2002 - KZR 38/99 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 18. November 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an den 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts als Kartellsenat zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die insbesondere auch in Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen Werbetexte plaziert. Die Beklagte verlegt Telefonbücher für den norddeutschen Raum und vertreibt dort auch die "Gelben Seiten", ein nach Branchen geordnetes Telefonbuch. Wenn die Klägerin für ihre Kunden Anzeigen schaltet, schließt sie mit der Beklagten im eigenen Namen Verträge ab. Diesen Verträgen liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten zugrunde. Ziffer 16 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet unter anderem wie folgt:
Zahlungsbedingungen: Der Rechnungsbetrag ist vor Erscheinen innerhalb 30 Tagen nach Rechnungserhalt ohne Abzug fällig, zahlbar unter Angabe der Auftragsnummer. ...
Die Beklagte, die zunächst - wie andere Telefonbuchverlage auch - jedenfalls bei Werbeagenturen ihre Rechnungen erst bei Erscheinen des Telefonbuches fällig gestellt hatte, änderte ihre Praxis im Laufe des Rechtsstreits dergestalt, daß sie nunmehr gegenüber sämtlichen Kunden entsprechend der Regelung in Ziffer 16 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfährt. Zwischen der frühestmöglichen Bestellung einer Anzeige und dem Redaktionsschluß liegen 5 ½ bis 6 ½ Monate; das jeweilige Telefonbuch erscheint 2 ½ bis 4 ½ Monate später. Die Tochtergesellschaft der Beklagten, die Werbeagentur T., wirbt damit und praktiziert dies auch so, daß ihre Kunden erst nach Erscheinen der Telefonbücher eine Rechnung erhalten.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, daß sie berechtigt sei, die Vergütung erst bei Erscheinen der Telefonbücher, hilfsweise einen Monat nach dem von der Klägerin angegebenen Redaktionsschluß zu bezahlen. Sie hält die ihr von der Beklagten abverlangte Vorleistungspflicht für unzulässig. Eine Vorleistungspflicht verstoße gegen § 9 AGBG, weil diese mit dem Werkvertragsrecht nicht vereinbar sei. Die Praxis der Beklagten bedeute auch eine kartellrechtswidrige Behinderung, da die Tochtergesellschaft der Beklagten ihren Kunden erst nach Erscheinen der Telefonbücher eine Rechnung stelle. Dieses Verhalten verstoße gegen § 20 Abs. 1 GWB.
Das Landgericht hat die Klage - mit Ausnahme mittlerweile erledigter Teilanträge - abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg WuW/E DE-R 424). Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihre Feststellungsanträge weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Fälligkeitsregelung in Ziffer 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nach § 9 AGBG als unwirksam angesehen und gleichfalls kartellrechtliche Ansprüche nach § 20 Abs. 1 GWB verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an einer Vorleistungsverpflichtung. Allein der Umstand, daß die Klausel bei frühzeitiger Auftragserteilung zu einer ganz erheblichen zeitlichen Vorleistung, nämlich bis zu acht Monaten vor Erscheinen des Telefonbuchs, führen könne, rechtfertige keine andere Betrachtung. In diesen Fällen habe es nämlich der Auftraggeber in der Hand, den Auftrag möglichst spät zu erteilen. Soweit die Beklagte in Schreiben um eine möglichst frühe Auftragserteilung unter Hinweis auf eine einwandfreie Abwicklung werbe, sei damit keine Verpflichtung für die Kunden verbunden. Vielmehr diene dies dazu, den Risiken und den fehlenden Korrekturmöglichkeiten bei einer späten Auftragserteilung entgegenzutreten. Die Klägerin behaupte demgegenüber selber nicht, daß spät erteilte Aufträge nicht mehr angenommen würden.

Eine kartellrechtswidrige Diskriminierung nach § 20 Abs. 1 GWB bestehe nicht. Die Klägerin habe nicht einmal substantiiert vorgetragen, wie sich die Beklagte im Hinblick auf ihr Tochterunternehmen selbst verhalte. So könne dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden, daß gerade die Beklagte den späten Zahlungszeitpunkt ermögliche und dies nicht nur eine Serviceleistung der Werbeagentur T. darstelle. Im übrigen sei es nicht unbillig, wenn ein Konzernunternehmen von der Konzernmutter gegenüber anderen Wettbewerbern bevorzugt werde. Sähe man die Beklagte und die Werbeagentur T. als unternehmerische Einheit an, dann handele die Werbeagentur T. in mittelbarer Stellvertretung für die Beklagte. Da die Kunden an die Werbeagentur T. direkt heranträten, stünden ihre Kunden nicht den Kunden der Klägerin gleich, weil diese sich durch die Klägerin mittelbar vertreten ließen. Es fehle dann an der Gleichartigkeit. Es sei nämlich ein grundlegender Unterschied, ob die unternehmerische Einheit in direkter Kundenbeziehung stehe oder ob die Kunden verdeckt über die Klägerin an die Beklagte heranträten. Zu berücksichtigen sei aber vor allem, daß, wenn man bei den von der Werbeagentur T. vermittelten Kunden mit der Fälligstellung warte, die Beklagte ein wirtschaftliches Risiko trage. Für sie bestehe dann die Gefahr, den Telefonbucheintrag zu bewirken, andererseits aber den Vergütungsanspruch nicht realisieren zu können. Es sei im Wettbewerb ein legitimes Mittel, durch günstige Fälligkeitsbedingungen um Kunden zu werben. Im Verhältnis zu ihren Kunden könne die Klägerin in gleicher Weise vorgehen.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat einen kartellrechtlichen Anspruch nach § 20 Abs. 1 GWB nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

a) Zutreffend und auch von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen, geht das Berufungsgericht von einer Normadressatenstellung der Beklagten im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB aus. Die Beklagte ist dieser Bewertung des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz mit Recht nicht entgegengetreten. Die Beklagte verlegt für einen umgrenzten räumlichen Bereich ausschließlich die sogenannten amtlichen Telefonbücher, wozu die "Gelben Seiten" zählen. Dieses Medium ist durch andere Werbemittel nicht zu ersetzen, weil es eine umfassende Gliederung nach Branchen enthält und praktisch in jedem Haushalt vorhanden ist. Es dient für den von ihm erfaßten Bereich einer vollständigen Gesamtübersicht über die Branchenmitglieder und stellt eine umfassende Auflistung der entsprechenden Fax- und Telefonnummern der Branchenangehörigen dar. Für die Sicherstellung der Ansprechbarkeit durch potentielle Kunden sind Telefonbücher von besonderer Bedeutung, weil sie in den einzelnen Haushalten - im Gegensatz zu anderen Werbemitteln - aufbewahrt und für den Bedarfsfall griffbereit gehalten werden. Auf diesem Markt für Werbeeinträge in Telefonbücher stehen sich die Beklagte als Anbieterin und die Klägerin als Nachfragerin gegenüber.

b) Durchgreifenden Bedenken begegnen jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den - häufig nebeneinander vorliegenden (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 203 - Schilderpräger im Landratsamt ) - Tatbestandsvarianten der Diskriminierung und der unbilligen Behinderungen. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang offengelassen, ob die Beklagte und die Werbeagentur T. als unternehmerische Einheit anzusehen sind. Die Klägerin hat schon im landgerichtli-
chen Verfahren unwidersprochen vorgetragen, daß die Werbeagentur T. - mit der Gelbe Seiten S. D. & Co. GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin - eine Tochtergesellschaft der Beklagten ist. Die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat auf Nachfrage des Senats in der Revisionsverhandlung ausdrücklich bestätigt, daß die Beklagte Komplementärin der Werbeagentur T. ist. Allein die mit dieser Stellung der Beklagten verbundene Einflußmöglichkeit auf die Werbeagentur T. rechtfertigt die Annahme einer unternehmerischen Einheit zwischen der Beklagten und ihrem Tochterunternehmen.
aa) Diese aus der Beklagten und der Werbeagentur T. bestehende unternehmerische Einheit behandelt die Klägerin unterschiedlich im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es dabei nicht auf einen Vergleich zwischen den Kunden der Klägerin und solchen der Werbeagentur T. an. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Klägerin selbst gegenüber den über die Werbeagentur T. akquirierten Kunden ungleich behandelt wird. Die Klägerin beauftragt nämlich die Telefonbucheinträge nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im eigenen Namen ; ihr gegenüber wird Rechnung erteilt. Insoweit befindet sich die Klägerin auf derselben Handelsstufe wie andere Kunden der Beklagten auch, selbst wenn diese über die Werbeagentur T. als unselbständigen Unternehmensbestandteil der Beklagten die Telefonbucheinträge in Auftrag gegeben haben sollten. Deshalb bilden diese auf derselben Nachfragerebene angesiedelten Kunden der Werbeagentur T. im Verhältnis zur Klägerin die relevante Bezugsgruppe bei der Prüfung des Diskriminierungstatbestandes. Vergleicht man diese Kunden mit der Klägerin, zeigt sich die Ungleichbehandlung. Während die Beklagte gegenüber der Klägerin nämlich entsprechend der Regelung in Ziffer 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Rechnung
fällig stellt, erhalten die über die Werbeagentur T. gebundenen Inserenten überhaupt erst nach Erscheinen des Telefonbuches eine Rechnung. Die aus der Beklagten und ihrem Tochterunternehmen bestehende unternehmerische Einheit bevorzugt diese Kunden im Hinblick auf die Fälligstellung der Vergütung im Verhältnis zur Klägerin. Hierin liegt eine Diskriminierung der Klägerin im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann hier auch nicht das Merkmal der fehlenden Gleichartigkeit im Geschäftsverkehr ausgeschlossen werden. An dieses Erfordernis, wonach es sich um einen gleichartigen Unternehmen zugänglichen Geschäftsverkehr handeln muß, dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. v. 13.11.1990 - KZR 25/89, WUW/E 2683, 2686 - Zuckerrübenanlieferungsrecht). Es ist erfüllt, wenn die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen im wesentlichen gleiche Funktionen ausüben (BGH, Urt. v. 19.3.1996 - KZR 1/95, WUW/E 3058, 3063 - PayTV -Durchleitung). Die Aufträge für die Telefonbucheintragungen werden von verschiedenen Unternehmen erteilt. Dies reicht aus, um die Gleichartigkeit im Sinne dieses Merkmals zu bejahen. Die Vielzahl von nachfragenden Unternehmen belegt, daß es sich hier um einen gleichartigen Unternehmen zugänglichen Geschäftsverkehr handelt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Teil der Nachfrager über das Tochterunternehmen der Beklagten vermittelt wurde. Die Beklagte schließt daneben nämlich mit anderen Unternehmen - wie im übrigen auch mit der Klägerin - unmittelbar Verträge über Telefonbucheintragungen ab.
cc) Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Soweit das Berufungsgericht sich auf den Gesichtspunkt stützt, die Bevorzugung des eigenen
Tochterunternehmens stelle einen solchen Rechtfertigungsgrund dar, erweist sich diese Begründung nicht als tragfähig.
Allerdings hindert das Diskriminierungsverbot den Normadressaten grundsätzlich nicht daran, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet (BGH, Urt. v. 17.3.1998 - KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 - Bahnhofsbuchhandel; Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2539 f. - Lüsterbehangsteine; Urt. v. 10.2.1987 - KZR 6/86, WuW/E 2360, 2366 - Freundschaftswerbung). Dies umfaßt grundsätzlich das Recht des Normadressaten , seinen Vertrieb auch über unternehmenseigene Tochtergesellschaften zu organisieren. Entschließt sich der Normadressat jedoch prinzipiell, seine Leistungen nicht nur durch von ihm beherrschte Tochterunternehmen anzubieten , trifft ihn die grundsätzliche Pflicht zur Gleichbehandlung gleichartiger Unternehmen. Eine Benachteiligung einzelner Abnehmer ist dann nur bei dem Vorliegen besonderer rechtfertigender Umstände möglich (vgl. Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 153).
Hier bietet die Beklagte Telefonbuchinserate sowohl selbst als auch - verbunden mit einer werblichen Beratung - über ihre Tochtergesellschaft, die Werbeagentur T., an. Maßgeblich ist mithin, ob ein sachlicher Grund dafür besteht, die Kunden, die über diese - mit der Beklagten zu einer unternehmerischen Einheit verbundenen Werbeagentur - inserieren, gegenüber der Klägerin besser zu stellen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung anhand einer umfassenden Interessenabwägung der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzungen des Kartellgesetzes zu bestimmen (BGH WuW/E DE-R 134, 135 - Bahnhofsbuchhandel).
Die hierfür angeführten Gründe des Berufungsgerichts überzeugen schon deshalb nicht, weil das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang allein darauf abgestellt hat, daß die Klägerin als Werbeagentur tätig ist. Dieser Gesichtspunkt ist nicht tragfähig, weil - wie ausgeführt - die Klägerin selbst Vertragspartei geworden ist. Es geht deshalb nicht um die Frage, inwieweit die Beklagte ihre eigene Werbeagentur gegenüber anderen Werbeagenturen - zu denen die Klägerin zählt - bevorzugen darf. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Klägerin als Beteiligte eines auf Telefonbuchinserate gerichteten Vertrages im Verhältnis zu anderen Kunden deshalb schlechter gestellt werden darf, weil sie eine Werbeagentur ist und hinter ihr die von den Telefonbucheinträgen tatsächlich Betroffenen stehen. Eine solche Diskriminierung wäre mit den Zielsetzungen des Kartellrechts nicht vereinbar. Sie würde darauf hinauslaufen, daß der Normadressat in seiner Konditionengestaltung danach unterscheidet, mit welchen Personen seine Vertragspartner wiederum kontrahieren bzw. welche Leistungen sie diesem gegenüber erbringen. Für einen derartigen Durchgriff auf die in den nachgelagerten Märkten tätigen Unternehmen ist ein sachlich gerechtfertigter Grund nicht ersichtlich.
Aus diesen Gründen kann der weitere vom Berufungsgericht angeführte Gesichtspunkt gleichfalls keine Rechtfertigung bilden, wonach die Beklagte ein legitimes Interesse daran habe, in Kontakt zu den hinter der Klägerin stehenden Unternehmen zu kommen, um so deren Bonität einschätzen und daran individuelle Fälligkeitsregelungen knüpfen zu können. Maßgeblich kann für die Beklagte nur die Bonität ihres Vertragspartners sein. Dies ist aber die Klägerin. Nur wenn hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der Klägerin selbst Zweifel bestünden , könnte die Beklagte zur Sicherung des Erhalts der Gegenleistung den Fälligkeitszeitpunkt vorverlagern. Solche Sicherungsmaßnahmen bildeten dann auch einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gegenüber solchen
Kunden, bei denen entsprechende Bonitätsprobleme nicht bestehen. Ob hier Anhaltspunkte bei der Klägerin vorhanden sind, war zwar Gegenstand von streitigen Erörterungen im landgerichtlichen Verfahren, wurde dann aber wegen des anderen rechtlichen Ausgangspunktes im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt. Der Beklagten, die als Normadressatin die Voraussetzungen eines sachlich gerechtfertigten Grundes darlegen muß und hierfür auch die Beweislast trägt (BGH WuW/E 2683, 2687 - Zuckerrübenanlieferungsrecht), ist insoweit Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 9 AGBG - jetzt ohne inhaltliche Änderung § 307 BGB n.F. - begegnen gleichfalls durchgreifenden Bedenken. Auch insoweit bedarf der Rechtsstreit weiterer Aufklärung.

a) Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, daß solche Vorleistungsklauseln nicht schlechthin unzulässig sind. Die hier zu beurteilenden Vereinbarungen über die Aufnahme einer Werbeanzeige in ein Telefonbuch hat es dabei zutreffend als Werkvertrag qualifiziert (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1991 - X ZR 91/90, NJW 1992, 1450, 1451). Bei Werkverträgen besteht allerdings nach der gesetzlichen Regelung (§ 641 Abs. 1, § 646 BGB) eine Vorleistungspflicht des Unternehmers. Damit liegt zwar eine Abweichung von einer gesetzlichen Leitbestimmung vor. Nicht jede Abweichung von einer gesetzlichen Leitbestimmung führt aber zur Unwirksamkeit der Klausel. Diese kann durch höherrangige Interessen des Verwenders, die in der Natur des konkreten Schuldverhältnisses liegen, gerechtfertigt sein (vgl. BGH, Urt. v. 9.7.1992 - VII ZR 7/92, NJW 1992, 3158, 3161 m.w.N.). So hat die Rechtsprechung die Festlegung einer Vorleistungspflicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sogar gegenüber einem Verbraucher dann als zulässig angesehen, wenn für sie
ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht (BGHZ 141, 108, 114 f.) und die Erbringung der Gegenleistung gesichert ist.
Ob es bei der Verwendung von solchen Klauseln gegenüber einem Unternehmen auch eines sachlich gerechtfertigten Grundes bedarf, kann der Senat hier offenlassen. Ein solcher besteht nämlich in den Besonderheiten des Vertragsverhältnisses, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Mit ihrer Aufnahme in das Telefonbuch entfaltet die Anzeige ihre Werbewirkung bis zur Auflage eines neuen Telefonbuches. Damit erreicht der Besteller wirtschaftlich sein Ziel, das er mit der Aufgabe des Inserates verfolgt hat. Im Falle seiner späteren Nichtzahlung verfügt der Verlag über kein Druckmittel mehr. Während ansonsten bei einem Werkvertrag im Falle der Nichtzahlung dem Werkunternehmer verschiedene Möglichkeiten zur Sicherung seines Vermögensanspruchs eingeräumt sind und er im Verzugsfalle in die Lage versetzt wird, die erbrachte Werkleistung rückgängig zu machen (§ 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1 BGB n.F.), ist dem Telefonbuchverleger diese Möglichkeit aus tatsächlichen Gründen verschlossen. Ihm verbleibt letztlich nur die mühevolle, zudem kostenintensive und häufig erfolglose Beitreibung der Inseratskosten. Das in der Praxis wesentlich effektivere Mittel der Drohung mit dem Entzug des für kleinere Betriebe häufig wichtigen Werbeträgers kann der Telefonbuchverlag nicht einsetzen. Andererseits muß er seine Leistung vollumfänglich erbringen, also den Druckbzw. Fotosatz der Anzeige erstellen.
Entgegen der Auffassung der Revision reicht die in § 321 BGB n.F. vorgesehene Unsicherheitseinrede nicht aus, um in der Praxis die Rechtsstellung des Telefonbuchverlegers durchgreifend zu verbessern. Er wird nämlich faktisch nicht über die Möglichkeit verfügen, jeweils die finanzielle Situation bei der großen Menge seiner Anzeigenkunden zu beobachten, um gegebenenfalls
Maßnahmen nach § 321 BGB n.F. ergreifen zu können. Da dem Telefonbuchverleger auch keine anderen gleichwertigen Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, rechtfertigen die aufgezeigten, von der Typik eines Werkvertrages abweichenden Besonderheiten bei einem Inseratsauftrag für ein Telefonbuch grundsätzlich eine Vorleistungspflicht des Auftraggebers.

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen läßt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, ob die Klausel in Ziffer 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die an sich sachlich gerechtfertigte Vorleistungspflicht angemessen regelt. Bei der Überprüfung solcher Klauseln gilt auch im Individualprozeß ein überindividuell generalisierender Maßstab (BGH, Urt. v. 23.6.1988 - VII ZR 117/87, NJW 1988, 2536, 2537). Bei dieser Betrachtung kommt es auf die Verhältnisse des Einzelfalls nicht an; maßgeblich ist vielmehr, daß eine unangemessene Benachteiligung des Geschäftspartners von vornherein ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 7.7.1992 - XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626).
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen läßt sich allerdings nicht abschließend klären, ob eine gegebenenfalls bis zu acht Monaten vor Erscheinen des Telefonbuches liegende Fälligkeit noch angemessen ist. Eine solche nach vorn geschobene Fälligkeitsregelung kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - grundsätzlich nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, daß der Kunde ja entsprechend lange mit der Anzeigenaufgabe zuwarten könne. Vielmehr wird - was bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Regel ist - der Kunde die Geschäftsbedingung nicht kennen; deshalb wird er seine Auftragserteilung auch nicht daran ausrichten. Maßgebend für die Beurteilung der Zeitspanne bis zum Erscheinen des Telefonbuchs unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG ist daher, in welchem Maße das Sicherungsbedürfnis der Beklagten als Verwenderin der Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen berücksichtigt werden durfte, und ob umgekehrt die jeweilige Klausel die Interessen der Auftraggeber schon unangemessen beeinträchtigt.
Die besondere Interessenlage bei Telefonbucheinträgen bedingt, daß die Beklagte bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Leistung nicht mehr rückgängig machen kann, die Vergütung vereinnahmt haben will. Der insoweit relevante Stichtag wird regelmäßig der Redaktionsschluß sein, bis zu dem die Beklagte in die Struktur des Telefonbuches redaktionell eingreifen und nicht bezahlte Inserate auch wieder herausnehmen kann. Nach dem Redaktionsschluß verliert sie jegliches Druckmittel gegenüber den Inseratskunden. Vom zeitlichen Ablauf her betrachtet, muß es der Beklagten deshalb möglich sein, die Fälligkeit schon erheblich vor diesem Zeitpunkt festzulegen. Dabei ist zugunsten der Beklagten folgender Zeitbedarf zu berücksichtigen: Nach Eintritt der Fälligkeit muß ihr zugebilligt werden, zunächst den Zahlungseingang zu überprüfen und im Falle der Nichtzahlung die Rücktrittsmöglichkeit nach § 323 Abs. 1 BGB n.F. zu ergreifen, die wiederum grundsätzlich eine angemessene Fristsetzung verlangt. Auch nach Ablauf dieser Frist ist der Beklagten eine weitere Überlegungsfrist einzuräumen , innerhalb deren sie einen Rücktritt gegebenenfalls prüfen kann.
Welche Fristen hier im einzelnen anzunehmen sein werden, hängt von noch tatrichterlich zu klärenden Vorfragen ab. So fehlen bislang Feststellungen zu der - die Länge der Fristen beeinflussenden - Größenordnung der im Raum stehenden Inseratskosten ebenso wie zu abrechnungstechnischen oder buchhalterischen Gesichtspunkten. Diese letztgenannten Umstände spielen nicht nur eine Rolle für die Bemessung der Überprüfungsfristen. Kann nur mit erheblichem abrechnungstechnischem Zusatzaufwand bei solchen Auftraggebern, die sehr frühzeitig den Inseratsauftrag erteilen, die Werklohnforderung zu einem
bestimmten Zeitpunkt fällig gestellt werden, kann dies dazu führen, die Fälligkeitsregelung in Ziffer 16 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen insgesamt als angemessen anzusehen, selbst wenn ein wenige Wochen später liegender Fälligkeitszeitpunkt an sich die Interessen der Beklagten noch ausreichend wahren könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorfinanzierten Gelder ausreichend gesichert sind und für den Vorleistenden kein Insolvenzrisiko besteht (vgl. BGH NJW 1992, 3158, 3163).
III. Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Es ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit im Hinblick auf die vorgenannten Gesichtspunkte zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit besteht für die Parteien auch Gelegenheit, noch zu dem erstmals in der Revisionsinstanz von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB vorzutragen, für dessen Prüfung bislang eine ausreichende tatsächliche Grundlage fehlt.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
KZR 2/02 Verkündet am:
4. November 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:ja
BGHZ: nein
BGHR: ____ ja
Depotkosmetik im Internet
GWB §§ 33, 20 Abs. 1 und 2; GVO 2790/99 Art. 4 lit. b
Es stellt eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, wenn ein
Hersteller eines Markenparfums, der seine Ware über ein selektives Vertriebssystem
vertreibt, einerseits seinen Depositären den Verkauf über das
Internet unter der Bedingung gestattet, daß die Internetumsätze nicht mehr
als die Hälfte der im stationären Handel erzielten Umsätze ausmachen, und
andererseits Händler von der Belieferung ausschließt, die ausschließlich
über das Internet verkaufen.
BGH, Vers.-Urteil vom 4. November 2003 – KZR 2/02 – OLG München
LG München I
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. September 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum
und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Dezember 2001 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte stellt bekannte Markenparfums her, die sie ausschließlich über ein Netz ausgesuchter Depositäre des Parfumeinzelhandels vertreibt. Die Depositäre müssen nach den Depotverträgen, die die Beklagte mit ihnen schließt, ein bestimmten Anforderungen genügendes Ladengeschäft unterhalten. Die Beklagte gestattet ihren Depositären den Vertrieb ihrer Produkte auch über das Internet, wobei sie sich eine Kündigung für den Fall vorbehalten hat, daß bei dem Depositär der Internet-Umsatz den Umsatz im stationären Handel übersteigt. Mit Unterneh-
men, die die Vertriebsanforderungen der Beklagten nicht erfüllen, die insbesondere nicht über ein stationäres Fachgeschäft verfügen, schließt die Beklagte keine Depotverträge ab und verweigert ihnen die Belieferung. Die Beklagte führt mit den Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! den deutschen Markt für Markenparfums mit einem Anteil von 18 % an. Es ist unstreitig, daß der stationäre Kosmetikfachhandel in Deutschland jedenfalls dann darauf angewiesen ist, durch die Beklagte beliefert zu werden, wenn er von keinen anderen Herstellern bekannter Markenparfums beliefert wird.
Die Klägerin ist ein kleineres Unternehmen, das kosmetische Produkte ausschließlich über das Internet vertreibt. Da sie kein Ladengeschäft betreibt, wird sie weder von der Beklagten noch von anderen namhaften Herstellern von Markenparfums direkt beliefert. Daher ist die Klägerin darauf angewiesen, ihren Bedarf an Markenparfums bei Depositären der Beklagten und anderen Fachhändlern zu decken.
Mit der vorliegenden Klage möchte die Klägerin eine Belieferung durch die Beklagte erreichen. Sie hat diese Klage als Widerklage im Berufungsrechtszug eines Rechtsstreits umgekehrten Rubrums erhoben, in dem sie auf Unterlassung eines behaupteten „Schleichbezugs“ in Anspruch genommen worden war. Nach der Trennung der beiden Verfahrensteile ist diese (Wider-)Klage alleiniger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Nachdem die Klägerin zunächst einen auf Belieferung gerichteten Leistungsantrag gestellt hatte, hat sie zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend ihren Bestellungen mit den Produkten der Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! zu den Konditionen der mit den anderen Kunden der Beklagten abgeschlossenen Depotverträge zu beliefern.
Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben (OLG München GRUR-RR 2002, 207). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Während des Revisionsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden. Die Insolvenzverwalterin hat die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt; daraufhin hat die Beklagte den Rechtsstreit aufgenommen. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:


I. Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§ 555 Abs. 1, § 331 ZPO). Das Urteil beruht allerdings nicht auf der Säumnis. Es wäre nach dem der Revisionsentscheidung gemäß § 559 ZPO zugrundezulegenden Sach- und Streitstand inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Klägerin nicht säumig gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
II. Das Berufungsgericht hat einen Belieferungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bejaht. Es hat in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin mit Parfums der Marken Lancaster, Jil Sander, Davidoff und JOOP! zum Vertrieb über das Internet zu beliefern, eine unbillige Behinderung und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen nach § 20 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 GWB gesehen. Hierzu hat es ausgeführt:
Bei der Klägerin handele es sich um ein kleines Unternehmen i.S. von § 20 Abs. 2 GWB. Die Klägerin sei auch abhängig von der Belieferung durch die Beklagte. Es sei nicht ersichtlich, daß die Verbraucher von einem Unternehmen, das Luxus-Kosmetika im Internet anbiete, eine geringere Sortimentsbreite erwarteten
als vom stationären Fachhandel. Die Klägerin habe auch keine Möglichkeiten, auf andere Hersteller auszuweichen, da auch diese eine Belieferung ablehnten. Es handele sich um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen – wozu der stationäre Fachhandel zu zählen sei – zugänglich sei.
Eine Abwägung der Interessen der Parteien ergebe, daß die in der Nichtbelieferung der Klägerin liegende Ungleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen und die darin ebenfalls liegende Behinderung unbillig sei. Zwar sei es der Beklagten nicht verwehrt, im Rahmen ihres selektiven Vertriebssystems strenge Selektionskriterien aufzustellen. Es könne auch unterstellt werden, daß die Maßstäbe, die sie für den stationären Fachhandel aufstelle, angemessen seien. Es sei auch nicht darüber zu entscheiden, ob es gerechtfertigt sei, den Internetvertrieb als eine den qualitativen Anforderungen nicht genügende Vertriebsform generell von einer Belieferung auszuschließen. Denn die Beklagte habe ihren Depositären die Möglichkeit eröffnet, die in Rede stehenden Produkte auch über das Internet zu bewerben , anzubieten und zu vertreiben. Das von der Beklagten aufgestellte Erfordernis , daß neben dem Internetvertrieb auch noch ein stationäres Geschäftslokal unterhalten werden müsse, sei nicht sachgerecht und nicht angemessen. Es sei nicht ersichtlich, wie ein stationäres Ladengeschäft zur Aufrechterhaltung des „Luxus -Image“ beitragen solle.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht die Beklagte als Normadressatin des kartellrechtlichen Diskriminierungs - und Behinderungsverbots (§ 20 Abs. 1 und 2 GWB) angesehen hat. Zwar handelt es sich bei der Beklagten erkennbar nicht um ein marktbeherrschendes
Unternehmen. Die Beklagte verfügt jedoch gegenüber einem kleinen Unternehmen wie der Klägerin über eine relative Marktmacht i.S. von § 20 Abs. 2 GWB.
Es ist unstreitig, daß jedenfalls der stationäre Einzelhandel auf die Produkte der Beklagten nicht verzichten kann, zumal ein breites Sortiment durchweg Voraussetzung für die Belieferung mit Exklusivmarken ist. Die Geschäfte des stationären Fachhandels zeichnen sich durchweg durch eine besondere Sortimentstiefe aus. Auch die Beklagte verlangt von ihren Depositären, daß sie auch zahlreiche andere bekannte Parfums führen. Damit ist freilich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht gesagt, daß für den Internethandel entsprechende Verhältnisse gelten. In manchen Branchen mag das Publikum von einem Internethandel eine ebenso große oder sogar eine noch größere Sortimentstiefe erwarten. Es ist aber ebenso denkbar, daß – wie die Revision geltend macht – im Internet Spezialanbieter tätig sind, von denen das Publikum nicht die gleiche Sortimentsbreite und -tiefe erwartet wie vom stationären Fachhandel. Feststellungen hat das Berufungsgericht hierzu nicht getroffen.
Die Normadressateneigenschaft der Beklagten hängt indessen nicht davon ab, daß die Klägerin gerade auf die Produkte der Beklagten angewiesen ist. Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit der Klägerin besteht auch dann, wenn die Beklagte zu einer Spitzengruppe gehört und die Klägerin von keinem Hersteller aus dieser Gruppe beliefert wird, obwohl sie zumindest die Produkte eines Herstellers benötigt (vgl. zur sog. Spitzengruppenabhängigkeit BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 23/96, WuW/E DE-R 206 – Depotkosmetik; Urt. v. 9.5.2000 – KZR 28/98, WuW/E DE-R 481, 482 ff. – Designer-Polstermöbel, m.w.N.). Jedenfalls von einer solchen Konstellation ist im Streitfall auszugehen. Auch wenn die Verbraucher vom Internethandel mit Markenparfums nicht dieselbe Sortimentstiefe erwarten sollten wie von dem – üblicherweise besonders gut sortierten – stationären Fachhandel , benötigt die Klägerin doch zumindest die Produkte eines Herstellers. Da
sie von keinem Hersteller aus dieser Gruppe beliefert wird, besteht gegenüber jedem dieser Hersteller – so auch gegenüber der Beklagten – eine sortimentsbedingte Abhängigkeit i.S. von § 20 Abs. 2 GWB.
2. Auch die Gleichartigkeit des in Rede stehenden Geschäftsverkehrs zieht die Revision zu Unrecht in Zweifel. In der Vergangenheit hat der Senat dieses „nur der groben Sichtung“ dienende Merkmal großzügig bejaht, wenn die zu vergleichenden Unternehmen nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zur Marktgegenseite dieselben Anforderungen erfüllen (BGHZ 101, 72, 79 – Krankentransporte; BGH, Urt. v. 23.10.1979 – KZR 19/78, WuW/E 1635, 1637 – Plaza SB-Warenhaus; Urt. v. 13.11.1990 – KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 – Zuckerrübenanlieferungsrecht; Urt. v. 17.3.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 f. – Bahnhofsbuchhandel). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor (vgl. für das Verhältnis von Versandhandel und stationärem Handel BGH, Urt. v. 24.9.1979 – KZR 20/78, WuW/E 1629, 1631 – Modellbauartikel

II).


3. Ist die Gleichartigkeit zwischen Internet- und stationärem Handel zu bejahen , fehlt es – entgegen der Ansicht der Revision – auch nicht an dem Merkmal, daß der fragliche Geschäftsverkehr „allgemein zugänglich“ sein muß.
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte könne sich für den Ausschluß von Händlern, die nicht zumindest die Hälfte des Umsatzes mit den fraglichen Produkten im stationären Handel erzielten, auf keine schützenswerten Interessen berufen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, Händler, die – wie die Klägerin – ausschließlich über das Internet vertreiben, von der Belieferung auszuschließen.

a) Der Internethandel entspricht in vielen Punkten strukturell dem her- kömmlichen Versandhandel. Hinsichtlich dieser Vertriebsform ist aber anerkannt, daß die Betreiber eines selektiven Vertriebssystems für hochwertige Markenparfums ein berechtigtes Interesse haben, diese Vertriebsform auszuschließen.
Die Beklagte legt Wert darauf, daß ihre Produkte dem Verbraucher in einem anspruchsvollen, die Aura des Exklusiven vermittelnden Umfeld präsentiert werden. Hierauf zielen zahlreiche Anforderungen ab, die sie ihren Depositären stellt. Darüber hinaus geht es ihr darum, den Kunden die Gelegenheit zu bieten, das jeweilige Parfum oder sonstige Duftwasser auszuprobieren und sich von kundigem Fachpersonal eingehend beraten zu lassen. Diese qualitätsbezogenen Anforderungen kann der Internethandel ebenso wie der klassische Versandhandel nicht erfüllen. In der Vergangenheit hat daher der Senat ebenso wie die Europäische Kommission den Ausschluß des Versandhandels in den Vertriebssystemen der Parfumhersteller durchweg als berechtigt anerkannt (vgl. BGH WuW/E DE-R 206, 210 – Depotkosmetik; EG-Kommission, GRUR Int. 1992, 915, 918 – Yves Saint Laurent Parfums).

b) Die Beklagte ist auch nicht deswegen zur Belieferung der Klägerin als einer ausschließlichen Internethändlerin verpflichtet, weil sie ihren Depositären in einem gewissen Rahmen den Internethandel gestattet. Denn für die darin liegende Ungleichbehandlung der Klägerin auf der einen und der Depositäre auf der anderen Seite bestehen sachliche Gründe, die gleichzeitig die in der Nichtbelieferung liegende Behinderung nicht als unbillig erscheinen lassen. Die Beklagte hat sich durch die Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalverträge Nr. 2790/99 vom 22. Dezember 1999 (sog. Schirm-VO) veranlaßt gesehen, ihren Depositären, die sämtlich auch stationäre Fachgeschäfte betreiben, in gewissem Umfang auch den Vertrieb über das Internet zu gestatten. Die Verordnung Nr. 2790/99 gebietet es dagegen nicht, auch den reinen Internethandel zu beliefern.
Art. 4 lit. b der Verordnung Nr. 2790/99 nimmt u.a. Vereinbarungen von der (Gruppen-)Freistellung aus, die den Kundenkreis beschränken, an den der Händ- ler Vertragswaren verkaufen darf. Die Leitlinien für vertikale Beschränkungen, die die Kommission hierzu herausgegeben hat (ABl. EG 2000/C 291/01), machen deutlich, daß die Kommission darunter gerade auch den Internethandel versteht (vgl. Tz. 51 der Leitlinien; ferner Pautke/Schultze, BB 2001, 317, 318); denn der Internethandel wird im allgemeinen als ein passiver Verkauf im Sinne der in den Leitlinien vorgenommenen Definition (Leitlinien aaO Tz. 50 a.E.) verstanden. Das Begriffspaar „aktiv/passiv“ wird dabei in der Weise verwendet, daß als „aktiver“ Verkauf die aktive Ansprache individueller Kunden, als „passiver“ Verkauf die Erfüllung unaufgeforderter Bestellungen individueller Kunden verstanden wird. Der Internethandel, der sich daraus ergibt, daß Kunden die Website eines Händlers aufsuchen und über sie Ware bestellen, wird dabei ausdrücklich als passiver Verkauf verstanden (Leitlinien aaO Tz. 51). In welchem Umfang danach der Internethandel zugelassen werden muß, mag im einzelnen noch offen sein. Fest steht indessen , daß es die Verordnung einerseits nicht gebietet, auf das Erfordernis eines stationären Ladenlokals als regelmäßigen Absatzweg zu verzichten, daß sie andererseits den vollständigen Ausschluß des Internethandels nicht zuläßt, vielmehr in einem generellen Ausschluß des Internetvertriebs eine sog. Schwarze Klausel sieht (Art. 4 lit. c Verordnung Nr. 2790/99; vgl. auch Leitlinie aaO Tz. 53; ferner M. Bauer, WRP 2003, 243, 247).
Unter diesen Umständen kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden , sie habe selbst den Handel über das Internet eröffnet und müsse nunmehr auch diejenigen Händler beliefern, die ihre Ware ausschließlich über das Internet vertreiben. Vielmehr hat die Beklagte lediglich ihren Depositären in dem Umfang den Internethandel gestattet, der nach ihrer Auffassung durch die Verordnung Nr. 2790/99 geboten war. Ein solches Verhalten ist nach § 20 Abs. 1 GWB ge-
rechtfertigt, ohne daß es eines Rückgriffs auf den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts bedarf (dazu M. Bauer, WRP 2003, 243, 248).
IV. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Klägerin sind die Kosten des abgetrennten Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Insoweit beruht die Entscheidung auf § 91 Abs. 1 ZPO und – soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ihre angekündigten Anträge nicht verlesen hat – auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 4/01 Verkündet am:
24. September 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kommunaler Schilderprägebetrieb

a) Nutzt eine Gemeinde die durch die Hoheitsverwaltung bewirkte marktbeherrschende
Stellung dadurch aus, daß sie die durch die Verwaltungstätigkeit erzeugte
Nachfrage nach Gütern unter Verdrängung leistungsbereiter privater
Wettbewerber befriedigt, um auf diese Weise für sich den größten wirtschaftlichen
Vorteil zu erzielen, kann darin eine unzulässige Verquickung der öffentlich
-rechtlichen Aufgabe mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit liegen.

b) Es stellt eine unbillige Behinderung dar, wenn eine Gemeinde im selben Gebäude
, in dem sie die Kfz-Zulassungsstelle eingerichtet hat, mehrere Räume an
Schilderpräger vermietet und dabei einen der Räume an ein eigenes Schilderprägeunternehmen
vergibt, das sich nicht an dem für die anderen Räume
durchgeführten Ausschreibungsverfahren beteiligen muß.
BGH, Urt. v. 24. September 2002 – KZR 4/01 – OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof.
Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 2/7, die Beklagte 5/7 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die beklagte Stadt hat in dem Gebäude Ludwig-Krohne-Straße 6 in Duisburg ihr Straßenverkehrsamt eingerichtet. Im zweiten Obergeschoß des im Eigentum der Beklagten und des Rheinisch-Westfälischen TÜV stehenden Gebäudes befindet sich die Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge.
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägebranche. Sie unterhält seit etwa 1985 in einem Bürocontainer unmittelbar an der Einfahrt zum Straßenverkehrsamt der Beklagten auf demselben Grundstück eine Schilderpräge- und -verkaufsstelle. Den Standplatz hat sie vom TÜV gemietet (monatlicher Mietzins: 4.500 DM zzgl. MwSt.). Vor den Räumen der Zulassungsstelle weisen Tafeln auf ihr Angebot und auf das anderer Schilderpräger hin. Außer der Klägerin bieten noch vier weitere Betriebe Kfz-Schilder an. Zum einen befindet sich auf der anderen Seite der Ludwig-Krohne-Straße eine Verkaufsstelle des Schilderprägers M. . Zum anderen hat die Beklagte in dem Gebäude des Straßenverkehrsamts im ersten Obergeschoß, in dem sich auch ein Parkdeck befindet , drei Räume an Schilderpräger vermietet. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage dagegen, daß sie bei der Vergabe dieser Räume Anfang 1999 nicht berücksichtigt worden ist.
Bei der Vermietung der drei Räume ging die Beklagte wie folgt vor: Raum 1 überließ sie vorab der Duisburg Agentur GmbH, an der sie selbst sämtliche Geschäftsanteile hält. Für die Räume 2 und 3 führte sie im Februar 1999 ein Bewerbungsverfahren durch, an dem sich neben 33 weiteren Schilderprägeunternehmen auch die Klägerin beteiligte. Unter den von ihr als geeignet ausgewählten Bewerbern ließ die Beklagte das Los entscheiden. Die Klägerin wurde abschlägig beschieden ; im Laufe des Rechtsstreits stellte sich jedoch heraus, daß es sich bei
dem einen der beiden erfolgreichen Bewerber um ein Tochterunternehmen der Klägerin handelt. Die Mietverträge für die Räume 1 bis 3 sind bis 30. Juni 2003 befristet; sie sehen jeweils eine Festmiete von 3.000 DM (zzgl. Nebenkosten) sowie eine Umsatzbeteiligung von 20 % (für Raum 1) bzw. 18 % (Räume 2 und 3) vor.
Die Klägerin beanstandet mit ihrer Klage, daß für die Vermietung des Raumes 1 unter Ausschaltung des Wettbewerbs keine Ausschreibung stattgefunden habe und daß dieser Raum an ein der beklagten Stadt gehörendes Unternehmen vermietet worden sei. Hinsichtlich der Räume 2 und 3 hat sie bemängelt, daß die Mieter durch Los und nicht durch ein Höchstgebot ermittelt worden seien. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte verfüge über eine marktbeherrschende Stellung ; in ihrem Verhalten liege eine unbillige Behinderung der Klägerin.
Soweit sich die Klage mit den Anträgen zu 2 und 3 gegen die Art und Weise der Vermietung der Räume 2 und 3 richtet, ist sie vom Landgericht abgewiesen worden; das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt. Die Revision der Klägerin, die sich hiergegen wendet, hat der Senat nicht angenommen.
Was die Vermietung des Raumes 1 angeht (Klageantrag zu 1), hat die Klägerin zuletzt beantragt,

a) der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen , die in dem – näher bezeichneten – Grundriß mit „Raum 1“ gekennzeichneten Räumlichkeiten im Gebäude des Straßenverkehrsamtes , Ludwig-Krohne-Straße 6, Duisburg, ohne Ausschreibung der Duisburg Agentur GmbH zu überlassen;
b) hilfsweise: festzustellen, daß die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Vermietung dieser Räumlichkeiten an die Duisburg Agentur GmbH entstehen wird.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage insoweit mit dem Hauptantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten (im folgenden: Revision), mit der sie ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB bejaht und zur Begründung ausgeführt:
Die Beklagte sei in ihrer hier angesprochenen Eigenschaft als Vermieterin von Räumen, die sich zur Vermietung an Schilderprägebetriebe eigneten, Normadressatin des kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbots, da sie auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfüge. Es handele sich auch um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen wie der Klägerin üblicherweise zugänglich sei. Die Klägerin sei dadurch objektiv behindert und ungleich behandelt worden, daß die Beklagte den fraglichen Raum nicht an die Klägerin, sondern an ein anderes Unternehmen, die Duisburg Agentur GmbH, vermietet habe. Anders als die Klägerin habe die Duisburg Agentur GmbH kein Losverfahren durchlaufen müssen.
Diese Behinderung sei unbillig, für die Ungleichbehandlung gebe es keinen sachlichen Grund. Die Privilegierung, die die Beklagte ihrem eigenen Tochterun-
ternehmen zukommen lasse, sei mit § 107 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (GO NW) nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung regele die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden und unterwerfe sie gewissen Schranken. Die Vorschrift diene unter anderem dem Zweck, die Angehörigen der privaten Wirtschaft vor einer drohenden Beeinträchtigung durch den Wettbewerb gemeindlicher Unternehmen zu schützen. Es handele sich daher um eine wettbewerbsbezogene Norm mit der Folge, daß ein gegen dieses Verbot verstoßendes Verhalten nicht nur nach § 1 UWG wettbewerbswidrig, sondern stets auch unbillig und sachlich nicht gerechtfertigt sei. Die Bevorzugung der Duisburg Agentur GmbH verstoße schon deshalb gegen § 107 GO NW, weil ein öffentlicher Zweck, der nach dieser Bestimmung für die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Beklagten oder ihres Tochterunternehmens erforderlich sei, nicht vorliege. Es gebe genügend private Unternehmen, die den Bedarf an Kfz-Schildern befriedigen könnten.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hänge schließlich nicht davon ab, ob der geschlossene Mietvertrag nichtig sei. Da die Beklagte ihren Vertragspartner beherrsche, könne sie ihm gegenüber eine einvernehmliche Aufhebung des Mietvertrages durch einen entsprechenden Antrag und einen Gesellschafterbeschluß durchsetzen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB bejaht.
1. Entgegen der Auffassung der Revision kann das rechtliche Interesse der Klägerin an der Untersagung des beanstandeten Verhaltens nicht verneint werden. Die Revision meint, es fehle an einem berechtigten Interesse der Klägerin an dem Verbot, weil bei der letzten Vergabe bereits ein mit der Klägerin konzernmäßig verbundenes Unternehmen zum Zuge gekommen sei; wirtschaftlich seien die-
ses Unternehmen und die Klägerin als eine Einheit zu betrachten. Nach den – nicht beanstandeten – Ausschreibungsbedingungen der Beklagten könne an ein Unternehmen nur einer der Räume vergeben werden; da ein einmal ausgewähltes Unternehmen nach Ablauf der vierjährigen Mietzeit nicht erneut zum Zuge kommen könne, sei die Klägerin auch bei der nächsten Ausschreibung ausgeschlossen. Dem kann nicht beigetreten werden. Stellt die Bevorzugung des stadteigenen Schilderprägebetriebs einen Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot dar, kann das rechtliche Interesse der Klägerin an der Untersagung nicht verneint werden. Ob die Klägerin – wie die Revision meint – bei der nächsten Ausschreibung ausgeschlossen ist, bedarf dabei keiner Klärung; denn ein berechtigtes Interesse an der beantragten Untersagung bestünde auch, wenn die Klägerin sich erst an späteren Ausschreibungen wieder beteiligen dürfte.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Normadressateneigenschaft der Beklagten bejaht. Die Beklagte verfügt auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung. Der Markt, auf den hier abzustellen ist, umfaßt das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, der den bei den Besuchern der Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an Kfz-Schildern decken möchte (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1998 – KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 202 – Schilderpräger im Landratsamt; Urt. v. 3.7.2001 – KZR 11/00, BGH-Rep. 2001, 972 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger II). Auch wenn hierzu Gewerbeflächen außerhalb des Gebäudes des Straßenverkehrsamts zählen, steht doch – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – die überragende Stellung der Beklagten auf dem relevanten Markt nicht in Zweifel.
Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte mit der Vermietung der Räume für Schilderpräger einen Geschäftsver-
kehr eröffnet hat, der Unternehmen wie dem der Klägerin üblicherweise zugänglich ist.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht das Verhalten der beklagten Stadt als unbillige Behinderung der Klägerin angesehen hat.

a) In der Nichtberücksichtigung der Klägerin liegt eine objektive Behinderung. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, daß auch eine Ungleichbehandlung vorliege. Bei der bevorzugten Duisburg Agentur GmbH handelt es sich nicht um ein gegenüber der Klägerin gleichartiges Unternehmen. Denn Konzernunternehmen – die Beklagte hält sämtliche Geschäftsanteile der Duisburg Agentur GmbH – können im Hinblick auf die wirtschaftliche Einheit nicht als gleichartige Unternehmen angesehen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.1982 – KVR 5/81, WuW/E 1947, 1949 – Stuttgarter Wochenblatt; Urt. v. 10.2.1987 – KZR 6/86, WuW/E 2360, 2365 – Freundschaftswerbung; Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 20 GWB Rdn. 112; Rixen in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 20 GWB 1999 Rdn. 144).

b) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, die Behinderung sei unbillig, entscheidend darauf gestützt, daß sich das Verhalten der Beklagten zugleich als ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG darstelle. Die Erwägung, ob das beanstandete Verhalten schon lauterkeitsrechtlich Bedenken begegnet, ist im Grundsatz berechtigt; denn ein lauterkeitsrechtlich unzulässiges Verhalten verdient auch im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB keinen Schutz (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.1988 – KVR 1/87, WuW/E 2535, 2541 – Lüsterbehangsteine). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch zweifelhaft, ob allein der vom Berufungsgericht festgestellte Verstoß gegen eine Bestimmung der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung den Vorwurf der Unlauterkeit begründen kann.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer neueren Entscheidung einen Verstoß gegen die entsprechende Bestimmung der bayerischen Gemeindeordnung (Art. 87 BayGO) nicht als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG gewertet (BGH, Urt. v. 25.4.2002 – I ZR 250/00, GRUR 2002, 825, 826 f. = WRP 2002, 943 – Elektroarbeiten, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Ob für einen Verstoß gegen § 107 GO NW dasselbe gilt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ebenfalls kann offenbleiben, ob ein Verstoß gegen das kommunalrechtliche Verbot der erwerbswirtschaftlichen Betätigung die kartellrechtliche Interessenabwägung unmittelbar in der Weise beeinflußt, daß ein entsprechendes Verhalten stets als unbillig anzusehen ist. Denn der geltend gemachte Anspruch besteht auch unabhängig von dem vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt gestellten Verstoß gegen kommunalrechtliche Bestimmungen.

c) Die Behinderung, die darin liegt, daß die Beklagte als marktbeherrschende Vermieterin von Gewerbeflächen für Schilderpräger ihr Tochterunternehmen bevorzugt hat, ist allerdings für sich genommen nicht unbillig. Denn das mit dem Normadressaten konzernmäßig verbundene Unternehmen ist im Hinblick auf die bestehende wirtschaftliche Einheit nicht als gleichartiges Unternehmen anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 2/90, WuW/E 2755, 2759 – Aktionsbeträge; Schultz in Langen/Bunte aaO § 20 GWB Rdn. 153). Auch dem marktbeherrschenden Vermieter von Gewerberäumen, die sich für Schilderpräger eignen, steht es grundsätzlich frei, alle vorhandenen Räume zu vermieten oder aber einen oder mehrere Räume selbst zu nutzen, um dort ein eigenes Schilderprägegeschäft zu betreiben. Überträgt er dieses Geschäft einem Tochterunternehmen, bleibt es ihm unbenommen, diesem günstigere Konditionen als den konzernfremden Mietern zu gewähren.

d) Der Streitfall zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß es sich bei der Beklagten nicht allein um eine marktbeherrschende Vermieterin handelt; vielmehr
leitet sich die überragende Stellung, über die die Beklagte auf dem fraglichen Markt verfügt, unmittelbar aus ihrer öffentlichen Aufgabe ab. Die öffentliche Hand, die sich privatwirtschaftlich betätigt, darf sich bei der Wahrnehmung ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung nicht dadurch einen unsachlichen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern verschaffen, daß sie ihre hoheitlichen Befugnisse zur Durchsetzung ihrer privatwirtschaftlichen Interessen und zur Förderung ihres Wettbewerbs einsetzt oder die privaten Mitbewerber mit Mitteln verdrängt, die diesen nicht zugänglich sind, ihr dagegen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, etwa indem sie eine öffentlich-rechtliche Monopolstellung ausnutzt (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.1986 – I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 = WRP 1987, 22 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 222/95, GRUR 1999, 256, 257 = WRP 1998, 857 – 1.000 DM Umwelt -Bonus; Urt. v. 9.7.2002 – KZR 30/00, Umdr. S. 8 – Fernwärme für Börnsen).
Die gebündelte Nachfrage nach Kfz-Schildern ist allein darauf zurückzuführen , daß die Beklagte in dem fraglichen Gebäude in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ihre Kraftfahrzeugzulassungsstelle betreibt. Es stellt eine unzulässige Verquickung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit dar, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die beherrschende Stellung, über die er in dem durch die Hoheitsverwaltung eröffneten Markt verfügt, in der Weise ausnutzt, daß er die durch die Verwaltungstätigkeit erzeugte Nachfrage nach Gütern unter Verdrängung leistungsbereiter privater Wettbewerber nur deswegen selbst befriedigt, um auf diese Weise für sich den größten wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Unbedenklich ist eine solche, private Anbieter verdrängende Erwerbstätigkeit dann, wenn es sich um eine bloße Hilfstätigkeit zur öffentlichrechtlichen Aufgabe handelt und die Versorgung der Bürger durch private Anbieter auf längere Sicht nicht zuverlässig gewährleistet erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1974 – I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 735 = WRP 1974, 397 – Schilderverkauf;
OLG Karlsruhe WRP 1995, 857, 859 – Schilderverkauf im Bürgeramt). Dabei kann offenbleiben, ob es der Beklagten lediglich untersagt ist, das eigene Tochterunternehmen gegenüber Mitbewerbern zu bevorzugen, oder ob sie sich – weitergehend – in der gegebenen Konstellation der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit vollständig enthalten muß. Denn nach dem Klageantrag soll der Beklagten lediglich verboten werden, die fraglichen Räumlichkeiten dem eigenen Tochterunternehmen ohne Ausschreibung zu überlassen.
Diese Beurteilung steht mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einklang. In dem der Entscheidung „Schilderpräger im Landratsamt“ zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin generell die in der Vermietung von Gewerbeflächen an Schilderpräger liegende erwerbswirtschaftliche Betätigung einer Gebietskörperschaft beanstandet. Eine solche Vermietung hat der Senat für kartellrechtlich unbedenklich gehalten; der dort beklagte Landkreis hatte nicht allein das fiskalische Interesse verfolgt, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, sondern versucht, den Kunden der Zulassungsstelle die Möglichkeit einzuräumen, einen Schilderpräger im selben Gebäude aufzusuchen (BGH WuW/E DE-R 201, 204 – Schilderpräger im Landratsamt). In der Entscheidung „Schilderverkauf“ stand ebenfalls die Versorgung der Kunden mit Kfz-Schildern im Vordergrund; im übrigen ging es dort allein um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung (BGH GRUR 1974, 733, 735 – Schilderverkauf).
III. Die Revision der Beklagten ist nach alldem zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erweist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Raum

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

13
Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes (BGHZ 38, 90, 102 – Treuhandbüro; BGHZ 52, 65, 71 – Sportartikelmesse; BGHZ 107, 273, 280 – Staatslotterie; BGHZ 160, 67, 77 – Standard-Spundfass). Die Interessenabwägung kann nur einzelfallbezogen vorgenommen werden (BGH, Beschl. v. 3.5.1988 – KVZ 1 bis 3/87, WuW/E 2513, 2514 – Sportartikelfachgeschäft).

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 17/03 Verkündet am:
13. Juli 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sparberaterin
Eine unterschiedliche Behandlung von Nachfragern durch einen Normadressaten
ist dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie zugunsten der Gewinninteressen
des Normadressaten darauf abzielt, die Nachfrager zu einer Verletzung
ihrer vertraglichen Verpflichtungen den eigenen Kunden gegenüber zu veranlassen.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 17/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2004 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens; die Streithelferinnen haben die durch ihre Streithilfe verursachten Kosten zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, gibt zusammen mit regionalen Telefonbuchverlagen Telefonverzeichnisse heraus. Mit diesen Verlagen, zu denen auch die Streithelferinnen zählen, hat die Beklagte zum Zwecke der Herausgabe der einzelnen Telefonbücher jeweils sogenannte Objektgesellschaften (im folgenden: Herausgeber) in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildet. Bei den von den Herausgebern verlegten Telefonverzeichnissen handelt es sich um "Das Telefonbuch", ein mit 124 Bänden deutschlandweit flächendeckendes und überregionales Telefonverzeichnis, "Das Örtliche", das den jeweiligen Regionalbereich abdeckt
und in einheitlicher Aufmachung erscheint, sowie die "Gelben Seiten", ein nach Branchen gegliedertes überregionales Telefonbuch. Nach dem Vertriebskonzept der Herausgeber bestehen drei Möglichkeiten , um Inserate in den Telefonbüchern zu schalten. Neben dem direkten Weg über die Herausgeber kann der Werbekunde seine Anzeigen auch über deren Handelsvertreter in Auftrag geben. In beiden Fällen hat er hierfür den Grundpreis zu entrichten, wobei die Handelsvertreter, soweit sie die Inserate akquiriert haben, eine vom Verlag getragene Provision in Höhe von 10 bis 12 % des Anzeigenumsatzes erhalten. Beauftragt der Kunde eine externe Werbeagentur, erhöht sich der Grundpreis für die Inserate um 15 %. Diesen Aufschlag zahlen die Herausgeber an die Werbeagentur als Vergütung aus. Die Klägerin ist eine auf die Betreuung von Anzeigenkunden spezialisierte Werbeagentur. Sie berät diese und gibt für ihre Kunden Inserate in den Telefonverzeichnissen der Beklagten auf. Die Klägerin arbeitet dabei mit einer Werbe - und Sparberatungsgesellschaft mbH (im folgenden: WSG) zusammen, mit der auch personelle Verflechtungen bestehen. Die WSG berät als sogenannte Sparberaterin Inserenten, die bereits aufwendige Anzeigen in den Telefonbüchern geschaltet haben. Ziel der Beratungstätigkeit der WSG ist nach ihren eigenen Werbeaussagen, eine "signifikante Kosteneinsparung und eine erhebliche Verbesserung des Werbeeffekts" vornehmlich bei Altkunden zu erreichen. Hierfür verlangt die WSG ein vom Kunden zu leistendes einmaliges Erfolgshonorar in Höhe von zwei Drittel der erreichten Einsparung. Die Werbeanzeigen werden dann von der Klägerin auf eigene Rechnung und im eigenen Namen bei den Verlagsgesellschaften in Auftrag gegeben, wobei die Klägerin auch für die Abwicklung des Auftrags (etwa Korrekturen, Datentransfer) verantwortlich ist. Hierfür beansprucht die Klägerin die von den Herausgebern ande-
ren externen Werbeagenturen eingeräumte Vermittlungsprovision in Höhe von 15 %. In mehreren Schreiben im Jahr 2000 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt , daß sie im Hinblick auf deren Zusammenarbeit mit der "Sparberaterin" keine weiteren Anzeigen mehr entgegennehmen werde. Die "Sparberaterin" werbe keine Kunden, sondern nutze nur die von ihren Handelsvertretern geschaffenen Kundenkontakte aus. Hiergegen wendet sich die Klägerin und begehrt die Feststellung , daß die Beklagte verpflichtet sei, die in eigenem Namen und auf eigene Rechnung der Klägerin aufgegebenen Insertionsbestellungen hinsichtlich bestimmter konkret bezeichneter Telefonbücher zu den jeweils geltenden Bestimmungen anzunehmen und der Klägerin den durch die Ablehnung der Anträge entstandenen Schaden zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil keine Pflicht der Beklagten zur Annahme solcher Inserate bestehe und deshalb eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB ausscheide. Das Oberlandesgericht hat zunächst die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (Urt. v. 9.7.2002 - KZR 13/01). Nunmehr hat das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten zur Annahme der Insertionsbestellungen festgestellt. Es hat weiterhin die im Berufungsrechtszug von der Beklagten erhobene Widerklage abgewiesen, wonach sie auch hinsichtlich der übrigen - nicht vom Klageantrag und auch nicht von anderweitigen Prozessen erfaßten - Telefonbücher "Das Telefonbuch", die "Gelben Seiten" und den "Örtlichen Telefonbüchern" nicht verpflichtet sei, Insertionsbestellungen der Klägerin anzunehmen (OLG Stuttgart WuW/E DE-R 1191). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Streithelferinnen der Beklagten haben sich deren Anträgen angeschlossen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. I. Das Berufungsgericht hat eine Pflicht der Beklagten angenommen, die von der Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eingereichten Anzeigenaufträge anzunehmen. Der Klägerin stehe gemäß §§ 33, 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB i.V. mit § 1004 BGB analog ein kartellrechtlicher Anspruch auf Vertragsschluß zu. Die Beklagte sei als jedenfalls marktstarkes Unternehmen Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB. Selbst wenn in einigen Regionalbereichen weitere Telefonverzeichnisse herausgegeben würden, komme den Telefonverzeichnissen der Beklagten eine Sonderstellung zu, weil sie - als Nachfolger der amtlichen Telefonbücher - deutschlandweit in der gleichen Aufmachung kostenlos vertrieben würden. Der werbetreibende Kunde erwarte deshalb von einer Werbeagentur, daß sie gerade dort Anzeigen schalten könne. Die Beklagte behandle die Klägerin im Vergleich zu anderen externen Werbeagenturen unterschiedlich. Hierfür bestehe keine sachliche Rechtfertigung, weil das Verhalten der Klägerin, als Werbeagentur für ihre Kunden eine möglichst kostengünstige Telefonbuchwerbung zu erzielen, nicht wettbewerbswidrig sei. Angesichts ihrer Marktmacht könne deshalb die Beklagte, auch wenn dadurch ihre eigenen Gewinnchancen beeinträchtigt würden, die Zusammenarbeit der Klägerin mit der Sparberaterin nicht zum Anlaß nehmen, gegenüber der Klägerin die Annahme von Inseraten zu verweigern. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. 1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Herausgeber als Normadressaten des § 20 Abs. 2 GWB angesehen. Es ist dabei mit Recht und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte als Ge-
sellschafterin sämtlicher Herausgebergesellschaften analog § 128 HGB die Annahme und Ausführung der Anzeigenaufträge schuldet. Den von der Beklagten durch ihre Objektgesellschaften herausgegebenen Telefonbüchern, die über die Postfilialen kostenlos verteilt werden, kommt am Markt eine besondere Stellung zu (BGH, Urt. v. 24.9.2002 - KZR 38/99, WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht). Die aus den sogenannten amtlichen Telefonbüchern hervorgegangenen Verzeichnisse werden in den einzelnen Haushalten aufbewahrt und für den Bedarfsfall griffbereit gehalten und dienen damit für potentielle Interessenten als erstes wichtiges Orientierungsmittel. Unabhängig davon, ob mittlerweile in einigen regionalen Märkten andere Telefonverzeichnisse verlegt werden, kommt den klassischen Telefonbüchern aus Sicht der Werbewirtschaft eine herausragende Bedeutung zu. Deshalb hat das Berufungsgericht zutreffend jedenfalls eine relative Marktmacht der Herausgeber im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB angenommen, weil die Klägerin als Werbeagentur ihren Kunden auch den Zugang zu den von der Beklagten mitherausgegebenen Telefonbüchern ermöglichen muß. Wegen ihrer überragenden Bedeutung als Werbemedium ist die Anzeigenschaltung in diesen Telefonbüchern für Werbekunden von erheblicher Relevanz. Dies wirkt sich auch auf die Klägerin aus, die Kunden nur gewinnen wird, wenn sie für diese dort auch Inserate schalten kann. Für die Klägerin ist deshalb keine Ausweichmöglichkeit gegeben, so daß sie von den Herausgebern im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB abhängig ist. 2. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht darin erblickt, daß die Herausgeber Inserate anderer Werbeagenturen annehmen. Jedenfalls die anderen externen Werbeagenturen, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Inserate schalten, bilden insoweit die maß-
gebliche Vergleichsgruppe. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob auch eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den über die eigenen Handelsvertreter geworbenen Kunden in Betracht kommt. 3. Entgegen der Auffassung der Beklagten und ihrer Streithelferinnen besteht kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Klägerin nach § 20 Abs. 1, 2 GWB. Die vom Berufungsgericht hierzu vorgenommene umfassende Interessenabwägung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hindert das Diskriminierungsverbot den Normadressaten grundsätzlich allerdings nicht daran , seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet (BGH WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 - Bahnhofsbuchhandel; Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2539 f. - Lüsterbehangsteine). Dies umfaßt grundsätzlich das Recht des Normadressaten, seinen Vertrieb auch über unternehmenseigene Tochtergesellschaften zu organisieren. Entschließt sich der Normadressat jedoch prinzipiell, seine Leistungen nicht nur durch von ihm beherrschte Tochterunternehmen anzubieten, trifft ihn grundsätzlich die Pflicht zur Gleichbehandlung gleichartiger Unternehmen. Eine Benachteiligung einzelner Abnehmer ist dann nur bei Vorliegen besonderer rechtfertigender Umstände möglich (BGH WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht). Dabei sind im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung an den Normadressaten verschärfte Anforderungen zu stellen, wenn er als Anbieter von Waren oder gewerblichen Leistungen den Vertragsabschluß mit potentiellen Abnehmern - im Sinne einer Liefersperre - gänzlich verweigert und den betreffenden Unternehmen hierdurch den Zutritt zum Markt praktisch verwehrt (vgl. Markert in
Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 151; vgl. auch BGHZ 49, 90, 99 - Jägermeister).
b) Eine Rechtfertigung für den vollständigen Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin kann insbesondere nicht darin erblickt werden, daß diese mit der "Sparberaterin" zusammenarbeitet und damit bei der Schaltung der Inserate auf eine Kostensenkung für ihre Kunden besonderen Wert legt. Eine solche Zielrichtung ihrer Beratungstätigkeit verlangt schon das Vertragsverhältnis , in dem die Klägerin zu ihren jeweiligen Werbekunden steht. Diesen gegenüber ist sie nämlich verpflichtet, sie im Sinne einer größtmöglichen Werbeeffizienz bei möglichst geringen Kosten zu beraten (BGHSt 23, 246, 250 f. = GRUR 1970, 572, 573 - context). Dabei ist es unerheblich, ob sich die Klägerin und die mit ihr verbundene WSG ihre Beratungstätigkeit durch ein Zeit- oder ein Erfolgshonorar vergüten lassen. Schon diese Pflichtenstellung, die aus dem Vertragsverhältnis herrührt, kollidiert zwangsläufig mit kaufmännischen Gewinninteressen der Beklagten. Insoweit geht es auch nicht mehr darum, daß die Beklagte ihr eigenes Absatzsystem wirtschaftlich sinnvoll gestaltet. Die Wirkung der Beeinflussung, welche die Beklagte durch ihre Annahmeverweigerung zu erzielen versucht, strahlt in die Vertragsverhältnisse der vorgelagerten Marktstufe aus. Letztlich will sie nämlich ein bestimmtes Beratungsverhalten unterbinden , das ihren eigenen Geschäftsinteressen abträglich ist. Dieses Vorgehen der Herausgeber ist unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen , die im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten ist (BGH, Urt. v. 27.4.1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuerwehrgeräte ), nicht schützenswert. Ein solches Verhalten berührt die ordnungsgemäße Vertragserfüllung der Werbeagentur ihrem Kunden gegenüber. Durch seine Marktmacht könnte der Normadressat zugleich die wettbewerbliche Betä-
tigung auf einer vorgelagerten Marktstufe dergestalt bestimmen oder beeinflussen , daß dort nicht mehr das an einer optimalen Kosten/Nutzen-Relation orientierte Beratungsergebnis, sondern die Gewinninteressen der Beklagten im Vordergrund stehen. Dies beeinträchtigt nicht nur die berechtigte Erwartung des Kunden an einer auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Beratung, sondern ist zugleich geeignet, den Marktzutritt weiterer werblicher Berater insgesamt zu erschweren (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, WuW/E 2707, 2716 - Krankentransportunternehmen II); denn die Beeinträchtigung einer interessengerechten Beratung macht die Betätigung auf diesem Markt unattraktiv.
c) Ohne Erfolg berufen sich die Beklagte und ihre Streithelferinnen als Rechtfertigung für ihre Abschlußverweigerung darauf, daß eine weitere Tätigkeit der mit der Klägerin verbundenen "Sparberaterin" die Funktionsfähigkeit ihres Handelsvertretersystems beeinträchtige. Sie verweist darauf, daß ihre Handelsvertreter erhebliche Anstrengungen unternähmen, um Neukunden zu gewinnen, ihnen aber das lukrative Folgegeschäft mit Altkunden verloren gehe. Daß die Handelsvertreter der Herausgeber anders als die Klägerin auch Neukunden akquirieren, ist für die Interessenbewertung - wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt - schon deshalb ohne Belang, weil die Herausgeber bei anderen Werbeagenturen auch nicht danach differenzieren, ob diese nur Alt- oder auch Neukunden betreuen. In der unterschiedlichen Behandlung gegenüber anderen freien Werbeagenturen liegt aber die Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB. Diese bildet auch im Rahmen der Prüfung eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes den maßgeblichen Bezugspunkt. Entgegen der Auffassung der Revision kann eine sachliche Rechtfertigung für die Ablehnung der über die Klägerin eingereichten Inserate auch nicht in der Stützung des von den Herausgebern eingerichteten Handelsvertretersystems gesehen werden. Die Beklagte hat insoweit behauptet, es bestehe die
Gefahr, daß die Handelsvertreter ihre Tätigkeit für die Herausgeber aufgrund eines Rückgangs des lukrativen Geschäfts mit den Altkunden einstellen könnten. Das Berufungsgericht hat eine solche Auswirkung auf das Handelsvertretersystem auch festgestellt. Gleichwohl vermag dieser Gesichtspunkt das Ergebnis der Interessenabwägung nicht zu beeinflussen. Eine an sich legitime Stärkung der eigenen Vertriebsstruktur darf nämlich nicht dazu führen, daß in die Beratungsverhältnisse auf dem vorgelagerten Markt eingegriffen wird. Dies bewirkt aber die Praxis der Herausgeber, zwar generell die über externe Werbeagenturen eingereichten Anzeigen entgegenzunehmen, nicht jedoch solche, die über die Klägerin geschaltet werden sollen. Damit differenzieren die Herausgeber nach dem Inhalt der Beratung durch die Werbeagenturen und danach , ob diese ihren kaufmännischen Interessen entspricht. Letztlich zielt der von der Beklagten angeführte Gesichtspunkt des Erhalts des eigenen Handelsvertretersystems nur darauf ab, daß durch die "Sparberatung" Umsatzrückgänge zu verzeichnen sind, die sich zwangsläufig auch auf die mit den Herausgebern zusammenarbeitenden Handelsvertreter auswirken müssen. Abgesehen davon, daß die Beklagte und ihre Streithelferinnen nicht aufgezeigt haben, inwieweit eine Beeinträchtigung des Handelsvertretersystems unumgänglich wäre und nicht durch andere Maßnahmen aufgefangen werden könnte, vermögen deshalb auch mögliche Provisionseinbußen bei ihren Handelsvertretern keine so weitreichende Maßnahme wie die generelle Ablehnung der von der Klägerin akquirierten Inserate zu rechtfertigen.
d) Schließlich beanstandet die Revision ohne Erfolg, daß die Interessenbewertung schon deshalb zu einem ihnen günstigen Ergebnis hätte führen müssen, weil die Klägerin lukrative Altkunden "abwerbe". Eine solche Abwerbung von Kunden ist aber nach den Urteilsfeststellungen nicht ersichtlich. Vielmehr inserieren die von der Klägerin betreuten Werbekunden weiter in den von
den Verlagsgesellschaften herausgegebenen Telefonbüchern; verringert hat sich lediglich der mit den einzelnen Inseraten erzielte Umsatz. Entgegen der Auffassung der Revision nutzt die Klägerin dabei auch keine geschäftliche Leistung der Handelsvertreter der Herausgeber in unerlaubter Weise (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG) aus (zum unlauteren Ausnutzen fremder Werbung vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 3. Aufl., § 4 Rdn. 9.22 und 10.74 m.w.N.). Die Betreiber von Telefonnetzen sind zu einer Veröffentlichung der wesentlichen Daten der Anschlußnehmer - jedenfalls soweit diese nicht widersprechen - gesetzlich verpflichtet (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 104 Telekommunikationsgesetz - TKG). Insofern handelt es sich um frei zugängliche Daten, auf deren Grundlage die Klägerin dann ihre Beratung durchführt. Ein solches Verhalten ist lauterkeitsrechtlich unbedenklich. Hirsch Goette Ball Bornkamm Raum

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.