Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 05. Nov. 2014 - VII-Verg 21/14
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 13. Juni 2014, VK 1 – 34/14 mit der Maßgabe aufgehoben, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, der Beigeladenen im Vergabeverfahren „Schleusendecksdienstleistungen; Festmachen und Lösen von Schiffen im Bereich der Kleinen und großen Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel, Herstellen von sicheren Landgängen“ einen Zuschlag zu erteilen, und dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Wertung der Angebote zurückzuversetzen ist.
2. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen die Antragstellerin einerseits und die Antragsgegnerin und die Beigeladene als Gesamtschuldner andererseits jeweils zur Hälfte. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin jeweils zur Hälfte. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zu einem Viertel.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Beigeladene war im Verfahren vor der Vergabekammer jeweils notwendig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
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G r ü n d e :
2A. Die Antragsgegnerin schrieb am 14.02.2014 den Abschluss eines Dienstleistungsauftrags „Schleusendecksdienstleistungen; Festmachen und Lösen von Schiffen im Bereich der Kleinen und großen Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel, Herstellen von sicheren Landgängen“ als eines von zwei Losen im offen Verfahren europaweit aus. Zum Nachweis der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit forderte sie unter Ziffern III.1.2) („Wesentliche Finanzierungs- und Zahlungsbedingungen und/oder Verweis auf die maßgeblichen Vorschriften) eine „Eigenerklärung Eignung“ nach Formblatt 333-L, das Bestandteil der nach Ziffern VI.3) der Bekanntmachung auf der elektronischen Vergabeplattform des Bundes unter www.evergabeonline.de abrufbaren Vergabeunterlagen war. Gemäß Ziffern 9.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hatten nicht präqualifizierte Unternehmen zum Nachweis der Eignung das ausgefüllte Formblatt 333-L mit dem Angebot vorzulegen.
3Unter den Ziffern III.2.2) („Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“) und III.2.3) („Technische Leistungsfähigkeit“) finden sich keine Eintragungen. Unter Ziffern IV.2.1) („Zuschlagskriterien“) heißt es:
4„das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien
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1. Preis. Gewichtung 80 %
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2. Bewertung bereits erbrachter Leistungen. 20 %“
Die Antragstellerin und die Beigeladene, beide nicht präqualifizierte Unternehmen, beteiligten sich an der Ausschreibung durch Einreichung eines Angebots, dem unter anderem das Formblatt 333-L jeweils ausgefüllt beigefügt war. Mit Schreiben vom 17.04.2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.04.2014 erhob die Antragstellerin mehrere Rügen. Das Angebot der Beigeladenen sei von der Vergabe auszuschließen, weil sie wegen fehlender technischer Leistungsfähigkeit und Unzuverlässigkeit ihres Geschäftsführers ungeeignet sei. Die Bewertung der Angebote sei zudem intransparent. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab.
9Am 25.04.2014 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag eingereicht, mit dem sie einen Zuschlag auf ihr, der Antragstellerin, Angebot, hilfsweise die Untersagung einer Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen begehrt hat. Zur Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, die Antragsgegnerin habe den nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VgV eingeräumten Beurteilungsspielraum im Hinblick auf das Angebot der Beigeladenen fehlerhaft ausgeübt. Sie habe vergaberechtswidrig auf das Organisationstalent des Geschäftsführers der Beigeladenen und nicht auf den tatsächlich geführten Geschäftsbetrieb abgestellt. Eine Einbeziehung ihres, der Antragstellerin, Personals in die Bewertung des Angebots der Beigeladenen sei unzulässig, weil dieses ausschließlich für sie, die Antragstellerin, tätig und keine „handelbare Ware“ sei.
10Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind dem Nachprüfungsantrag entgegen getreten.
11Die Vergabekammer des Bundes hat der Antragsgegnerin auf den Hilfsantrag der Antragstellerin eine Zuschlagserteilung untersagt und den im Übrigen auf Zuschlagserteilung an die Antragstellerin gerichteten Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Das Angebot der Beigeladenen sei nicht wegen fehlender Eignung von der Vergabe auszuschließen. Das Vergabeverfahren leide jedoch wegen einer unzulässigen Vermengung von Zuschlags- und Eignungskriterien an einem wesentlichen Mangel, der eine Überarbeitung der Vergabeunterlagen erfordere. Auf das Kriterium „Bewertung bereits erbrachter Leistungen. 20 %“ sei § 4 Abs. 2 Satz 2 VgV nicht anwendbar, weil diese Vorschrift bereits erbrachte Leistungen des zum Einsatz vorgesehenen Personals in Bezug nehme, nicht aber solche des Bieters (des Unternehmens) allgemein. In der Bewertung des Angebots der Beigeladenen habe die Antragsgegnerin auf Leistungen der Beigeladenen im Allgemeinen ohne Konkretisierung des zum Einsatz vorgesehenen Personals abgestellt.
12Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen nach wie vor den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen fordert. Das erstinstanzlich verfolgte Ziel auf Zuschlagserteilung auf ihr, der Antragstellerin, Angebot, hat sie im Termin vor dem Senat fallen gelassen.
13Die Antragstellerin beantragt,
14die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses der 1. Vergabekammer des Bundes vom 13.06.2014, VK 1-34/14, zu verpflichten, die Zuschlagsentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu treffen.
15Die Antragsgegnerin beantragt,
16die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
17Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und begründet dies näher. Im Wege der Anschlussbeschwerde wendet sie sich gegen die Zuschlagsuntersagung durch die Vergabekammer. Das Zuschlagskriterium „Bewertung bereits erbrachter Leistungen. 20 %“ sei nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VgV zulässig und im Streitfall nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin sei mit dieser Rüge zudem nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. Die behauptete vergaberechtswidrige Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei bereits aus der Bekanntmachung ersichtlich und sofort zu rügen gewesen.
18Sie beantragt mit der Anschlussbeschwerde,
19den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 13.06.2014, VK 1-34/14, aufzuheben und den Nachprüfungsantrag insgesamt zurückzuweisen.
20Die Antragstellerin beantragt,
21die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.
22Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss im Umfang des mit der Anschlussbeschwerde verfolgten Angriffs.
23Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und Anlegen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
24B. Das Rechtsmittel der Beschwerde hat Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist in dem Umfang, in dem die Antragstellerin ihn im Beschwerdeverfahren aufrecht erhalten hat, zulässig und begründet.
25I. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
261. Bei den ausgeschriebenen Dienstleistungen handelt es sich um nachrangige Dienstleistungen nach Anlage 1, Teil B zu § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VgV (Kategorie 20 – Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs). Nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV finden bei der Vergabe von Aufträgen, deren Gegenstand nachrangige Dienstleistungen im Sinne der Anlage 1, Teil B sind, § 8 (Leistungsbeschreibung/technische Spezifikationen), § 15 Abs. 10 (Hinweis auf die zuständige Nachprüfungsinstanz), § 23 EG-VOL/A (Ex- post- Bekanntmachung) sowie die Regelungen des Abschnitts 1 der VOL/A (mit Ausnahme des § 7 VOL/A - Leistungsbeschreibung) Anwendung. Die von der Antragsgegnerin gewählte Verfahrensart des offenen Verfahrens, das nach der Definition des § 101 Abs. 2 GWB einer öffentlichen Ausschreibung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VOL/A) entspricht, ist statthaft. Die Verwendung verschiedener Begriffe für die Ausschreibung, nämlich „offenes Verfahren“ einerseits und „öffentliche Ausschreibung“ andererseits ist wegen der gesetzlichen Gleichstellung beider Verfahren in §§ 101 Abs. 2 GWB, § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VOL/A ohne Belang.
27Die Vergabe nachrangiger Dienstleistungen nach Anlage 1, Teil B (Kategorie 20 – Neben- und Hilfsdienste) fällt in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Der Anwendungsbereich des GWB ist in §§ 100 ff. GWB nach Vertragsarten und -gegenständen prinzipiell umfassend bestimmt (BGH, Beschl. v. 08.02.2011, X ZB 4/190, juris Rn. 15 ff. – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr; BGH, Beschl. v. 01.12.2008, X ZB 31/08 - Rettungsdienstleistungen). Von ihm sind - unter der im Streitfall nicht umstrittenen Voraussetzung, dass der jeweils einschlägige Schwellenwert erreicht ist - lediglich Arbeitsverträge und die Aufträge ausgenommen, die in § 100 Abs. 2 , Abs. 3 bis 6, Abs. 8 und §§ 100a bis 100c GWB bezeichnet sind. Dieser Ausnahmekatalog ist abschließend (vgl. BGH, Beschl. v. 08.02.2011, X ZB 4/190, juris Rn. 16 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr). Keiner der Ausnahmetatbestände ist im Streitfall erfüllt.
282. Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag und eine Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften vorgetragen. Das reicht zur Darlegung der Antragsbefugnis aus.
293. Die Antragstellerin hat auch ihrer Rügeobliegenheit genügt, soweit sie mit dem Nachprüfungsantrag die Wertung der Angebote angreift (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB). Gegen das mit Schreiben vom 17.04.2014 mitgeteilte Wertungsergebnis, nach dem die Beigeladene für den Zuschlag vorgesehen ist, hat sich die Antragstellerin unverzüglich, nämlich binnen weniger Tage mit anwaltlichem Schreiben vom 22.04.2013 gewehrt. Fragen einer Rügepräklusion auf der Grundlage des Beschlusses des OLG München vom 25.07.2014, Verg 7/13, stellen sich nicht, weil sich die Antragstellerin weder im Rügeschreiben vom 17.04.2014 noch im Nachprüfungsverfahren auf eine unzulässige Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien berufen hat. Die Vergabekammer hat diesen rechtlichen Gesichtspunkt vielmehr in der angefochtenen Entscheidung von Amts wegen aufgegriffen.
30II. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
31Die Beigeladene ist nach § 16 Abs. 5 VOL/A wegen nicht dargelegter Eignung von der Vergabe auszuschließen.
321. Die Eignung der Beigeladenen ist allerdings nicht deshalb zu verneinen, weil sie gestellte Mindestanforderungen an die Eignung nicht erfüllt hat. Zutreffend geht die Antragstellerin davon aus, dass die Vorgabe einer mehrjährigen Geschäftstätigkeit von Bietern die Erfahrung, Fachkunde und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und damit seine Eignung für den ausgeschriebenen Auftrag betrifft. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin an Bieter jedoch keine dahingehende Mindestanforderung gestellt.
33a) Mindestanforderungen an die Eignung konkretisieren die allgemeinen Eignungsmerkmale der Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Gesetzestreue und Zuverlässigkeit (§ 97 Abs. 4 Satz 1 GWB) und können vom öffentlichen Auftraggeber in Ausübung der ihm eingeräumten Bestimmungsfreiheit in der Bekanntmachung festgelegt werden. Die Bestimmungsfreiheit öffentlicher Auftraggeber unterliegt allerdings vergaberechtlichen Grenzen, aus denen folgt, dass vom öffentlichen Auftraggeber aufgestellte Eignungsanforderungen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein müssen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2014, VII-Verg 38/13, BA 6; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.02.2014, VII-Verg 29/13, juris Rn. 21 m.w.N.). Sie sind auch bei Ausschreibungen über nachrangige Dienstleistungen zulässig und in der Bekanntmachung anzugeben. Dies folgt aus §§ 12 Abs. 2 Satz 1 VOL/A in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VgV, wonach aus der Bekanntmachung alle Angaben ersichtlich sein müssen, die für Bieter für eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren oder zur Angebotsabgabe von Bedeutung sind. Hierunter fallen auch Mindestanforderungen an die Eignung, bei deren Nichtvorliegen ein Bieter von einer Teilnahme am Wettbewerb von vornherein absehen wird, weil er in einem solchen Fall keine Chance auf einen Zuschlag haben wird. Von Mindestanforderungen an die Eignung sind für die Prüfung der Eignung verlangte Nachweise zu unterscheiden, die unabhängig davon gefordert werden können, ob der öffentliche Auftraggeber bestimmte Mindestanforderungen an die Eignung festgelegt hat oder nicht. Dies verkennt die Vergabekammer, soweit sie die Bekanntmachungspflicht für Eignungsanforderungen aus § 12 Abs. 2 Satz 2 lit. l) VOL/A ableitet, der sich mit Bekanntmachungspflichten für geforderte Eignungsnachweise, nicht aber für gestellte Eignungsanforderungen befasst. Die erforderliche Unterscheidung zwischen im Vorhinein festgelegten Eignungsanforderungen und verlangten Eignungsnachweisen verhindert freilich nicht, dass sich aus dem Verlangen bestimmter Eignungsnachweise zugleich eine Festlegung von Eignungsanforderungen ergeben kann. Dies betrifft Fragen der Auslegung der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen im Einzelfall und berührt unter Umständen das Gebot hinreichender Transparenz aufgestellter Ausschreibungsbedingungen.
34b) Ausgehend von diesen Vorgaben, kann die Festlegung einer mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit der Bieter im Bereich der Erbringung von Schleusendienstleistungen als Eignungsanforderung nicht festgestellt werden.
35aa) Eine ausdrückliche Festlegung von Mindestanforderungen enthält die Bekanntmachung vom 24.01.2014 nicht. Weder unter Ziffern III.1) (Bedingungen für den Auftrag) noch aus Ziffern III.2) (Teilnahmebedingungen) noch unter Ziffern III.3) (besondere Bedingungen für Dienstleistungen) der Bekanntmachung finden sich Eintragungen über gestellte Mindestanforderungen an die Bietereignung. Unter Ziffern III.1.2) (Wesentliche Finanzierungs- und Zahlungsbedingungen und/oder Verweis auf die maßgeblichen Vorschriften) wird vom Bieter lediglich verlangt, mit dem Angebot den Nachweis seiner Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit durch Eigenerklärung gemäß der „Eigenerklärung Eignung“ mit dem den Vergabeunterlagen beigefügten Formblatt 333-L zu erbringen. Unter Ziffern VI.3) der Bekanntmachung findet sich ein link zur e-Vergabeplattform des Bundes, unter dem das Formblatt 333-L abgerufen werden kann. In diesem Formblatt wird unter anderem der Umsatz des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren über mit dem Auftrag vergleichbare Leistungen abgefragt, eine Erklärung über die Erbringung vergleichbarer Leistungen in den letzten drei Geschäftsjahren, ggfl. unter Angabe dreier Referenzen verlangt sowie Angaben über die in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte gefordert.
36bb) Der Nachweis „Eigenerklärung Eignung“ ist entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorschriftsmäßig in der Bekanntmachung verlangt worden. Es schadet nicht, dass die Antragsgegnerin einen solchen Nachweis unter der Rubrik der Bedingungen für den Auftrag nach Ziffern III.1) der Bekanntmachung gefordert hat, statt unter der Rubrik Teilnahmebedingungen nach Ziffern III.2), denen Eignungsnachweise richtigerweise zuzuordnen gewesen wären (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.2014, X ZB 15/13, juris Rn. 31). Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass in der Bekanntmachung auf das Formblatt 333-L lediglich verwiesen wird, dessen Inhalt aber nicht wiedergegeben worden ist. Denn nach Ziffern VI.3) der Bekanntmachung war das Formblatt über den vom Auftraggeber autorisierten link www.evergabeonline.de für interessierte Bieter sofort abrufbar, so dass sie sich über die darin enthaltenen Ausschreibungsbedingungen umgehend unterrichten konnten. Für eine transparente Bekanntmachung reichte dies aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2011, VII-Verg 60/11, BA 7).
37cc) Allein die Forderung eines Nachweises gemäß Formblatt 333-L lässt indes noch keinen Rückschluss darauf zu, dass über eine bloße Erklärung über Vorerfahrungen und Geschäftstätigkeiten hinaus eine mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Mindesteignungsanforderung festgelegte werden sollte. Für eine dahin gehende Auslegung der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen gibt der Sachverhalt nichts her.
38Welcher Erklärungswert Angebotsunterlagen zukommt, ist anhand der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) zu ermitteln (ständige Rspr: vgl. nur BGH, Urt. v. 10.06.2008, X ZR 78/07, juris Rn. 10 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.05.2005, VII-Verg 19/05, juris Rn. 20 f.). Bieter müssen den Angebotsunterlagen wegen gebotener Transparenz und der bei Nichtbeachtung von Ausschreibungsbedingungen drohenden Gefahr eines Ausschlusses von der Vergabe klar entnehmen können, welche Erklärungen im Sinn des § 16 Abs. 3 lit. a) VOL/A von ihnen im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe verlangt werden. Bedürfen die Vergabeunterlagen – wie hier - der Auslegung, ist dafür der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, Urt. v. 10.06.2008, X ZR 78/07, juris Rn. 10).
39Aus der für die Auslegung der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen maßgebenden Sicht eines verständigen und mit Leistungen der ausgeschriebenen Art vertrauten Bieters war das Formblatt 333-L nicht dahin zu verstehen, dass nur Bieterunternehmen für den ausgeschriebenen Auftrag in Frage kommen sollten, die über eine einschlägige mindestens dreijährige Geschäftstätigkeit verfügen. Bereits der Wortlaut des Formblatts 333-L, nach dem lediglich Angaben zum Umsatz des Unternehmens untergliedert in Gesamt- und Eigenleistungen, zu vergleichbaren Leistungen und zur Mitarbeiterzahl in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren verlangt wurden, ließ eine Festlegung dahingehender Mindestanforderungen nicht zu. Der Wortlaut ermöglichte vielmehr zur Beantwortung der begehrten Auskünfte auch die Eintragung „0“ durch den Bieter, weil weder die Bekanntmachung noch das Formblatt 333-L einen Hinweis darauf enthielten, dass das Angebot eines Bieters, der das Formblatt insoweit mit einer „0“ ausfüllt, aus der Wertung genommen werde. Dies entsprach auch dem Verständnis der Antragsgegnerin, die auf die Frage der Beigeladenen mit Schreiben vom 07.03.2014, ob die im Formblatt 333-L verlangten Angaben zu Umsatz, vergleichbaren Leistungen und der Mitarbeiterzahl für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre dahin zu verstehen seien, dass darin keine Mindestanforderungen enthalten seien, mit Schreiben vom 10.03.2014 dahingehend beantwortet wurde, dass derartige Mindestanforderungen mit dem Formblatt 333-L nicht festgelegt würden.
402. Im Zeitpunkt der Angebotswertung durfte die Antragsgegnerin jedoch nicht davon ausgehen, die Beigeladene verfüge über die für die Auftragsausführung erforderliche Leistungsfähigkeit. Sie war vielmehr zwingend nach § 16 Abs. 5 VOL/A wegen nicht dargelegter Eignung von der Vergabe auszuschließen.
41a) In dem zusammen mit dem Angebot eingereichten Formblatt 333-L führte die Beigeladene aus, sich für die Auftragsausführung im Wege der Eignungsleihe auf die Kapazitäten der Muttergesellschaft, der I… GmbH, zu berufen. Diese verfüge über fünf Festmacher. Den eigenen Personalstamm gab die Beigeladene mit „0“ an. Mit einem solchen Personalstamm konnte die Beigeladene auch unter Berücksichtung im Wege der Eignungsleihe verfügbaren Personals die ausgeschriebenen Leistungen, mehrere Wachen im Schichtdienst mit jeweils 11-13 Mitarbeitern, nicht sicherstellen. In der Anlage V zum Angebot führte die Antragstellerin sodann zum Zuschlagskriterium „Qualifikation und Erfahrung des Personals“ unter Ziffern II.2. aus, im Fall der Auftragserteilung Personal einzusetzen, das zum großen Teil über einschlägige und langjährige Erfahrungen als Festmacher auf den Schleusen in Brunsbüttel verfüge. Dadurch seien die Mitarbeiter mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut und könnten aufgrund dieser Erfahrung auf die spezifischen Anforderungen vor Ort besonders schnell und präzise reagieren. Allein eine solche Erklärung reichte nicht aus, die im Formblatt 333-L dargelegte Personalstärke, die unzureichend war, aufzubessern. Den schriftlichen Ausführungen der Beigeladenen zum Angebot war nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Tatsachen sie davon ausging, im Zeitpunkt der Auftragsausführung über das behauptete und erforderliche Personal zu verfügen. Die Beigeladene führte weder aus, davon auszugehen, die derzeitigen Mitarbeiter der Antragstellerin nach Beendigung des noch laufenden Vertrags mit der Antragsgegnerin übernehmen zu wollen und zu können, noch führte sie aus, durch welche konkreten Tatsachen diese Annahme gestützt werde.
42b) Ein Bieter muss grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Auftragsausführung und nicht bereits im Zeitpunkt des Zuschlags oder der Angebotsabgabe über das zur Auftragsausführung einzusetzende Personal verfügen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013, VII-Verg 4/13, juris Rn. 40). Die Eignung eines Bieters, insbesondere seine Leistungsfähigkeit muss im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung aber geklärt sein und muss in diesem Zeitpunkt bejaht werden können (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.2002 - Verg 41/02). Der Auftraggeber darf keinen Auftrag an einen Bieter vergeben, der nicht aufgrund gesicherter Erkenntnisse fachkundig und/oder leistungsfähig ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.07.2006 – VII-Verg 25/06, Verg 25Verg 25/06 –, juris Rn. 21). Die Bejahung der Leistungsfähigkeit erfordert deshalb das Vorliegen der zur Erbringung der Leistung notwendigen Kapazitäten in fachlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht (Kulartz in: Kulatz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 97 Rn. 103 ff.). Beruft sich ein Bieter – wie hier die Beigeladene – für die Auftragsausführung auf bisher nicht verfügbares Personal, muss er darlegen und gegebenenfalls nachweisen, dass ihm dieses Personal später auch tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Auf der Grundlage der von der Beigeladenen in ihrem Angebot gemachten Angaben konnte und durfte die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen, die Beigeladene verfüge zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns über das erforderliche, bisher aber nicht verfügbare Personal. Erst Recht durfte sie nicht davon ausgehen, dass das derzeit an der Schleuse eingesetzte und durch die Antragstellerin beschäftigte Personal im Fall einer Beauftragung der Beigeladenen dieser bedingungslos folgen und zur Verfügung stehen werde (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.02.2012, VII-Verg 52/12). Dies ergab sich weder aus dem Angebot der Beigeladenen noch aus einer - von der Antragstellerin zudem bestrittenen – üblichen Geschäftspraxis zwischen Wettbewerbern. Da weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen die Vorlage von Nachweisen für die technische Leistungsfähigkeit von Bietern verlangt worden waren, kam ein Nachfordern entsprechender Erklärungen oder Nachweise der Beigeladenen im Zuge der Angebotsprüfung nicht in Betracht, § 16 Abs. 2 Satz 2 VOL/A.
43c) Nicht zu berücksichtigen ist, dass die Beigeladene nach eigenem Vortrag inzwischen aufschiebend bedingte Arbeitsverträge mit Mitarbeitern der Antragstellerin geschlossen hat. Entgegen der von der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 22.10.2014 vertretenen Rechtsauffassung verstieße eine Berücksichtigung dieses Umstands gegen das Nachverhandlungsverbot des § 15 Satz 2 VOL/A, weil die behaupteten Arbeitsverträge mit bisherigen Mitarbeitern der Antragstellerin erst nach Ablauf der Angebotsfrist geschlossen worden sind. Im Rahmen einer Angebotsaufklärung dürfen Tatsachen, die erst nach Ablauf der Angebotsfrist eingetreten sind, nicht berücksichtigt werden, § 15 VOL/A.
443. Die Beigeladene hat keine zweite Chance, sich unter Verwendung der behaupteten aufschiebend bedingten Arbeitsverträge mit Mitarbeitern der Antragstellerin erneut und möglicherweise erfolgreich am Wettbewerb zu beteiligen. Denn entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammer kommt eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Übersendung der Vergabeunterlagen wegen einer unzulässigen Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien nicht in Betracht.
45Bei der Festlegung der für die Angebotswertung zugrunde zu legenden Unterkriterien „Organisation“ und „Qualifikation und Erfahrung des Personals“ hat die Antragsgegnerin nicht gegen Vergaberecht verstoßen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VgV, der auf nachrangige Dienstleistungen Anwendung findet und mit Wirkung ab dem 25.10.2013 in die VgV aufgenommen wurde, wird das Verbot einer Vermengung von Zuschlags- und Eignungskriterien im Hinblick auf die Kriterien „Organisation“ und „Erfahrung des Personals“ und damit „bisher erbrachter Leistungen“ durchbrochen und eine Angebotswertung unter Verwendung dieser Unterkriterien für zulässig erachtet. Weder die Festlegung des Wertungskriteriums „bereits erbrachter Leistungen. 20%“ noch die Festlegung der beiden Unterkriterien „Organisation“ und „Qualifikation und Erfahrung des Personals“ sind danach in der strittigen Ausschreibung zu beanstanden. Mit dem Kriterium „Organisation“ hat die Antragsgegnerin ein Personal- und Schulungskonzept abgefragt, was zudem auch vor Einfügung von § 4 Abs. 2 Satz 2 in die VgV als Wertungskriterium als zulässig erachtet worden ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.2013, VII-Verg 35/12; OLG Celle Beschl. v. 12.01.2012, 13 Verg 9/11). Mit dem Kriterium „Qualifikation und Erfahrung des Personals“ hat die Antragsgegnerin neben der Qualifikation und Erfahrung des Leitungspersonals die Qualifikation des Personals als Festmacher und deren Erfahrungen an der Schleusenanlage Brunsbüttel bewerten wollen. Das begegnet keinen vergaberechtlichen Bedenken. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob die Antragsgegnerin bei der Auswertung des Angebots der Beigeladenen möglicherweise und in unzulässiger Weise die allgemeine Erfahrung des Geschäftsführers der Beigeladenen hat einfließen lassen und hierdurch Eignungsmerkmale auch im Rahmen der Zuschlagswertung berücksichtigt hat. Das wäre vergaberechtlich unzulässig (BGH, Urt. v. 15.04.2088, X ZR 129/06). Da das Angebot der Beigeladenen jedoch bereits wegen fehlender Eignung auszuschließen war, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob auch die auf der letzten Wertungsstufe durchzuführende Auswertung des Angebots der Beigeladenen rechtsfehlerhaft war.
46C. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
47I. Sie ist fristgerecht unter dem 25.07.2014 per Fax und damit innerhalb der am gleichen Tag ablaufenden Frist zur Beschwerdeerwiderung bei Gericht eingegangen, §§ 73 Nr. 2, 120 Abs. 2 GWB, 524 Abs. 2 ZPO.
48II. Die Anschlussbeschwerde ist jedoch im Ergebnis unbegründet, weil das Vergabeverfahren zwar nicht wegen einer unzulässigen Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien in den Stand vor Übersendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen ist, wegen einer unzulässigen Wertung des zwingend von der Vergabe auszuschließenden Angebots der Beigeladenen die Erteilung eines Zuschlags aber gleichwohl zu untersagen ist. Das Vergabeverfahren ist in den Stand vor Auswertung der Angebote auf der vierten Wertungsstufe zurückzuversetzen.
49D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 120 Abs. 2 GWB.
50Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 270.000,- € festgesetzt.
51Dicks Brackmann Rubel
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 05. Nov. 2014 - VII-Verg 21/14
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(1) Mehrere öffentliche Auftraggeber können vereinbaren, bestimmte öffentliche Aufträge gemeinsam zu vergeben. Dies gilt auch für die Auftragsvergabe gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Möglichkeiten zur Nutzung von zentralen Beschaffungsstellen bleiben unberührt.
(2) Soweit das Vergabeverfahren im Namen und im Auftrag aller öffentlichen Auftraggeber insgesamt gemeinsam durchgeführt wird, sind diese für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemeinsam verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren in seinem Namen und im Auftrag der anderen öffentlichen Auftraggeber allein ausführt. Bei nur teilweise gemeinsamer Durchführung sind die öffentlichen Auftraggeber nur für jene Teile gemeinsam verantwortlich, die gemeinsam durchgeführt wurden. Wird ein Auftrag durch öffentliche Auftraggeber aus verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam vergeben, legen diese die Zuständigkeiten und die anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts durch Vereinbarung fest und geben das in den Vergabeunterlagen an.
(3) Die Bundesregierung kann für Dienststellen des Bundes in geeigneten Bereichen allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Einrichtung und die Nutzung zentraler Beschaffungsstellen sowie die durch die zentralen Beschaffungsstellen bereitzustellenden Beschaffungsdienstleistungen erlassen.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Mehrere öffentliche Auftraggeber können vereinbaren, bestimmte öffentliche Aufträge gemeinsam zu vergeben. Dies gilt auch für die Auftragsvergabe gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Möglichkeiten zur Nutzung von zentralen Beschaffungsstellen bleiben unberührt.
(2) Soweit das Vergabeverfahren im Namen und im Auftrag aller öffentlichen Auftraggeber insgesamt gemeinsam durchgeführt wird, sind diese für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemeinsam verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren in seinem Namen und im Auftrag der anderen öffentlichen Auftraggeber allein ausführt. Bei nur teilweise gemeinsamer Durchführung sind die öffentlichen Auftraggeber nur für jene Teile gemeinsam verantwortlich, die gemeinsam durchgeführt wurden. Wird ein Auftrag durch öffentliche Auftraggeber aus verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam vergeben, legen diese die Zuständigkeiten und die anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts durch Vereinbarung fest und geben das in den Vergabeunterlagen an.
(3) Die Bundesregierung kann für Dienststellen des Bundes in geeigneten Bereichen allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Einrichtung und die Nutzung zentraler Beschaffungsstellen sowie die durch die zentralen Beschaffungsstellen bereitzustellenden Beschaffungsdienstleistungen erlassen.
(1) Konzessionsgeber sind
- 1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Konzession vergeben, - 2.
Sektorenauftraggeber gemäß § 100 Absatz 1 Nummer 1, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 Absatz 2 bis 6 ausüben und eine Konzession zum Zweck der Ausübung dieser Tätigkeit vergeben, - 3.
Sektorenauftraggeber gemäß § 100 Absatz 1 Nummer 2, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 Absatz 2 bis 6 ausüben und eine Konzession zum Zweck der Ausübung dieser Tätigkeit vergeben.
(2) § 100 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss des Oberlandesgerichts vorbehalten.
Gründe:
- 1
- A. Der Antragsgegner ist ein von mehreren sächsischen Kommunalkörperschaften gebildeter Zweckverband. Er hat als öffentliche Aufgabe den Rettungsdienst. Diese Aufgabe umfasst gemäß § 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des im Wesentlichen am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG) vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245) die Notfallrettung und den Krankentransport im Gebiet der angeschlossenen Körperschaften, daneben aber auch etwa noch die Unterhaltung von Leitstellen (§ 34 SächsBRKG).
- 2
- Dieses Gesetz sieht in seinem erst am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 31 vor, dass der Aufgabenträger des Rettungsdienstes die dazu nötigen Leistungen selbst durchführt (Abs. 7) oder dass er die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports nach einem Auswahlverfahren durch öffentlich -rechtlichen Vertrag auf private Hilfsorganisationen oder andere Unternehmer , die so genannten Leistungserbringer, überträgt (Abs. 1). Das Auswahlverfahren ist in § 31 und in der aufgrund dessen Absatz 3 erlassenen Landesrettungsdienstplanverordnung vom 24. Januar 2008 (SächsLRettDPVO, SächsGVBl. S. 79) näher geregelt. Diese Regeln sind nicht identisch mit denen der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A Ausgabe 2006) vom 6. April 2006. So heißt es in § 12 Abs. 6 SächsLRettDPVO nur, dass im Übrigen die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten. Im Übertragungsvertrag ist unter anderem die Höhe der Vergütung des Leistungserbringers zu regeln (§ 31 Abs. 4 SächsBRKG). Diese Vergütung ist gemäß § 32 SächsBRKG Teil der Benutzungsentgelte , die der Aufgabenträger mit Kostenträgern vereinbart und die für alle in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Benutzer verbindlich sind und für andere Benutzer durch Satzung als Gebühr festgelegt werden können.
- 3
- Der Antragsgegner gab am 17. Januar 2008 im Sächsischen Amtsblatt bekannt, ein Auswahlverfahren nach § 31 SächsBRKG zur Übertragung der Notfallrettung nebst Krankentransport ab 1. Januar 2009 durchzuführen.
- 4
- Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die Leistungen nach Maßgabe des Kartellvergaberechts und europaweit auszuschreiben seien. Sie hat deshalb von dem Antragsgegner Abhilfe verlangt und das Nachprüfungsverfahren eingeleitet, in dem sie u.a. auch die vom Antragsgegner beabsichtigte losweise Aufteilung der Leistungen beanstandet hat. Der Antragsgegner ist hingegen der Auffassung, nach § 12 Abs. 6 SächsLRettDPVO sei nur ein öffentlichrechtliches Auswahlverfahren nötig; eine Vergabe nach den Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Verdingungsordnung für Leistungen komme daher nicht in Betracht.
- 5
- Die Vergabekammer hat den Antragsgegner als zur Beachtung des aufgrund des Ersten Abschnitts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einzuhaltenden Vergabeverfahrens (zukünftig auch kurz: GWB-Vergaberegime) verpflichtet angesehen. Allerdings bedürfe es keines europaweiten Vergabeverfahrens, weil Rettungsdienstleistungen als anteilig überwiegend medizinischen Inhalts nur nach § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A 2006 zu vergeben seien.
- 6
- Gegen den teils stattgebenden, teils zurückweisenden Beschluss der Vergabekammer haben der Antragsgegner sofortige Beschwerde und die Antragstellerin Anschlussbeschwerde eingelegt.
- 7
- Das Oberlandesgericht hat (ausschließlich) die sofortige Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. abgedr. u.a. VergabeR 2008, 809). In Streit stehe ein Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 und 4 GWB, keine Dienstleistungskonzession, weil der Leistungserbringer die ihm zustehende Vergütung ausschließlich und unmittelbar vom öffentlichen Aufgabenträger erhalte. Die beabsichtigte Auftragserteilung sei auch nicht wegen Art. 45, 55 EG-Vertrag von den Vorschriften des GWB-Vergaberegimes ausgenommen. Rettungsdienstleistungen trügen aus der Natur der Sache heraus keinen hoheitlichen Charakter. An der deshalb gebotenen Zurückweisung der sofortigen Beschwerde sehe man sich jedoch durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. April 2006 (abgedr. u.a. VergabeR 2006, 787) gehindert; denn dem liege die Auffassung zugrunde, dass das Handeln am Rettungsdienst beteiligter Privater der hoheitlichen Betätigung des Staates zuzurechnen sei mit der Folge, dass die Vergabe derartiger Leistungen nicht dem GWB-Vergaberegime unterworfen sei.
- 8
- B. Die Vorlage ist zulässig.
- 9
- Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 GWB liegen vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (BGHZ 154, 32, 35 f. m.w.N.).
- 10
- Eine solche Divergenz ist hier gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht will die sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit der Begründung zurückweisen , Rettungsdienstleistungen, die an Private nicht im Wege eines Konzessionsmodells vertraglich übertragen werden sollen, seien nach Maßgabe des GWB-Vergaberegimes zu vergeben. Dieser Rechtssatz stimmt nicht mit der die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. April 2006 tragenden Begründung überein. Dieses Oberlandesgericht stützt seinen Beschluss auf den Rechtssatz, dass solche Rettungsdienstleistungen wegen Art. 45, 55 EG-Vertrag von dem GWB-Vergaberegime ausgenommen sind.
- 11
- C. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in rechter Frist und Form erhoben; sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat die Vergabekammer auf den zulässigen Nachprüfungsantrag hin festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, weil der Antragsgegner die im Januar 2008 angekündigte Übertragung der Notfallrettung nebst Krankentransport nicht in einem Vergabeverfahren vornehmen will, das die Regeln des Ersten Abschnitts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der wegen § 4 VgV ferner geltenden Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A einhält.
- 12
- I. Gegen das Erreichen des nach § 100 Abs. 1 GWB erforderlichen Schwellenwerts und gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) gibt es ebenso wenig Bedenken wie Anhaltspunkte dafür bestehen , dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert sein könnte. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im Vorlagebeschluss verwiesen werden.
- 13
- II. Näherer Ausführungen bedarf es hingegen im Hinblick darauf, dass sich der Regelungsgehalt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB beschränkt. Nach der dort gegebenen gesetzlichen Definition sind das entgeltliche Verträge zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen, die, soweit es hier interessiert, Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Auch die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
- 14
- 1. Der Antragsgegner ist als Verband im Sinne des § 98 Nr. 3 GWB öffentlicher Auftraggeber.
- 15
- 2. Er will mit einem Dritten einen Vertrag abschließen, damit dessen Unternehmen verpflichtet ist, Notfallrettung und Krankentransporte im Sinne des § 2 Abs. 2 SächsBRKG durchzuführen. Ein solcher Vertrag hat Leistungen des Unternehmens zum Gegenstand, die, da keine Waren zu liefern sind und keine Bauausführung oder -planung geschuldet sein soll, gem. § 99 Abs. 4 GWB als Dienstleistungen einzustufen sind.
- 16
- a) Der Feststellung, dass der Vertrag (Dienst)Leistungen zum Gegenstand hat, steht nicht entgegen, dass in Übereinstimmung mit § 31 Abs. 1 SächsBRKG nach dem Wortlaut des zu den Akten gereichten Entwurfs des abzuschließenden Vertrags (dort § 1) die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports übertragen werden soll, was möglicherweise als Übertragung jedenfalls eines Teils der öffentlichen Aufgabe selbst bzw. als Anvertrauen eines öffentlichen Amts verstanden werden könnte. Ein solcher Inhalt der Vereinbarung änderte nämlich nichts daran, dass der Vertrag sich über Leistungen verhält, zu denen ein Dritter aufgrund der vertraglichen Vereinbarung verpflichtet sein soll, was nach der Rechtsprechung des Senats bereits zur Anwendung von § 99 Abs. 1 GWB führt (BGHZ 162, 116, 128). Denn der Leistungserbringer soll - wie es in § 2 Abs. 2 Satz 2 SächsBRKG heißt - lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchführen, deren Transportfähigkeit herstellen, sie unter fachgerechter Betreuung in ein Krankenhaus befördern, anderen Kranken , Verletzten oder sonstigen Hilfsbedürftigen Hilfe leisten und auch diese Personen befördern. Dass es bei dem abzuschließenden Vertrag um die Pflicht zur Erbringung gerade auch dieser Dienstleistungen geht, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der Antragsgegner nach § 31 Abs. 7 SächsBRKG diese Tätigkeiten ansonsten mit eigenen Kräften durchführen müsste (vgl. auch hierzu BGHZ 162, 115, 126).
- 17
- b) Unerheblich ist auch, dass § 31 Abs. 1 SächsBRKG den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vorschreibt und auch der Vertragsentwurf eine Vereinbarung dieser rechtlichen Art vorsieht. Denn § 99 Abs. 1 GWB unterscheidet nicht nach der Rechtsnatur des abzuschließenden Vertrags. Er weist Rechtsgeschäfte allein deshalb dem GWB-Vergaberegime zu, weil der öffentliche Auftraggeber Leistungen durch einen Dritten für wünschenswert oder notwendig erachtet und dies zum Anlass nimmt, deren Erbringung auf vertraglichem Weg und nicht in anderer Weise, etwa durch einen Beleihungsakt (vgl. hierzu Burgi NVwZ 2007, 383), sicherzustellen (vgl. BGHZ 148, 55, 61), wobei angesichts des zu beurteilenden Sachverhalts dahinstehen kann, ob fallweise - etwa zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten - auch eine Beauftragung auf vertragsähnlichem Wege ausreichen kann.
- 18
- 3. Da in dem Vertragsentwurf vorgesehen ist (dort § 5), dass der Leistungserbringer vom Aufgabenträger für die Durchführung der übernommenen Tätigkeiten bzw. Aufgabe den im Angebot geforderten Eurobetrag als Vergütung erhält, soll schließlich auch ein entgeltlicher Vertrag abgeschlossen werden. Denn die erforderliche Entgeltlichkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der öffentliche Auftraggeber sich durch ein einheitliches Leistungsaustauschgeschäft zu einer geldwerten Gegenleistung für die Leistung des Unternehmens verpflichtet (vgl. BGHZ 162, 116, 129 m.w.N.).
- 19
- 4. Auf die von dem vorlegenden Oberlandesgericht einerseits und dem Oberlandesgericht Düsseldorf (aus der vergaberechtlichen Rspr. wie oder ähnlich wie dieses OLG Celle NZBau 2000, 299; OLG Naumburg VergabeR 2001, 134 u. Beschl. v. 11.07.2008 - 1 Verg 5/08; BayObLG VergabeR 2003, 563 f.; OLG Brandenburg NZBau 2005, 236 u. Beschl. v. 18.09.2008 - VergW 9/04) andererseits kontrovers diskutierte und den eigentlichen Grund für die Divergenzvorlage bildende Frage, ob von der Ankündigung des Antragsgegners betroffene Tätigkeiten dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, so dass durch sie nach der Vorgabe von Art. 45, 55 EG-Vertrag weder die Niederlassungsfreiheit noch die Dienstleistungsfreiheit in den Mitgliedstaaten berührt wird, kommt es nicht an.
- 20
- Die sich aus Art. 45, 55 EG-Vertrag ergebende so genannte Bereichsausnahme beschränkt sich nach dem Wortlaut von Art. 45 und dessen Zweck darauf, die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, Ausländer von den dort genannten Tätigkeiten im Inland fernzuhalten (EuGH, Urt. v. 21.06.1974 - 2/74, Slg. 1974, 631 Rdn. 44); ein Zwang für den nationalen Gesetzgeber ist damit nicht verbunden. Die Reichweite des durch den Ersten Abschnitt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eröffneten Vergaberegimes bestimmt sich mithin nach deutschem Recht. Nur wenn oder soweit das deutsche Gesetz einen bestimmten Dienstleistungsverkehr hiervon ausnähme, könnten der EG-Vertrag oder auf seiner Grundlage erlassene europäische Rechtsakte noch Bedeutung erlangen, nämlich dann, wenn das Gemeinschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland Derartiges untersagte (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 18.12.2007 - C-357/06, ZfBR 2008, 400, 403). Die Vergabe von Dienstleistungen der hier interessierenden Art ist nach nationalem Recht jedoch nicht von dem GWB-Vergaberegime ausgenommen, wie die Auslegung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen ergibt.
- 21
- a) Ausgangspunkt für diese Auslegung ist - wie stets - der Gesetzeswortlaut. Dieser weist die beabsichtigte Vergabe von Rettungsdienstleistungen aber eindeutig dem GWB-Vergaberegime zu, weil § 99 Abs. 1 GWB allein darauf abstellt, dass die Leistung in dem bereits erörterten Sinne Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags zwischen öffentlichem Auftraggeber und Unter- nehmen werden soll. Es kommt hinzu, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen selbst in § 100 Abs. 2 einen allgemein als abschließend angesehenen Katalog von Verträgen benennt, für die das GWBVergaberegime nicht gelten soll, ohne darin Aufträge der im Januar 2008 vom Antragsgegner angekündigten Art aufgenommen zu haben.
- 22
- b) Die Geltung des GWB-Vergaberegimes auch für die Vergabe dieser Verträge und das dabei einzuhaltende Verfahren kann auch nicht als mit dem Zweck des Gesetzes unvereinbar angesehen werden, der zur Auslegung ebenfalls herangezogen werden muss (BGHZ 162, 116, 126). Die hierzu ergangenen Vorschriften dienen dazu, unter Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung am Auftrag Interessierter der öffentlichen Hand zu ermöglichen und sie anzuhalten, möglichst unter Nutzung vorhandenen Wettbewerbs das wirtschaftlichste Angebot zu erhalten und wahrzunehmen. Dieser Zweck kann ohne weiteres auch für die im Streitfall interessierenden Verträge Geltung beanspruchen. Es erscheint geradezu sinnvoll, auch diese Nachfrage der öffentlichen Hand in der nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgesehenen Weise abzuwickeln, nicht zuletzt angesichts des auch vom vorlegenden Oberlandesgericht herangezogenen Umstands, dass es bekanntermaßen althergebrachter Praxis entspricht, die fraglichen Leistungen durch außerhalb des Staates stehende Organisationen oder Unternehmen, häufig sogar auf rein privatrechtlicher Grundlage, erbringen zu lassen. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu Verträgen, die nach der Rechtsprechung des Senats § 99 Abs. 1 GWB nicht unterfallen, obwohl auch sie in den Ausnahmekatalog des § 100 Abs. 2 GWB nicht aufgenommen sind (BGHZ 148, 155), nämlich zu Verträgen mit Unternehmen, deren alleiniger Anteilseigner der öffentliche Auftraggeber ist, über die er eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und die ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichten. Denn dann wird der Sache nach kein anderer beauftragt; die Tätigkeit wird vielmehr von einer Stelle erbracht, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist, so dass für einen geregelten Wettbewerb schon von vornherein kein Raum ist.
- 23
- c) Schließlich führt auch die historische Auslegungsmethode zu keinem anderen Ergebnis. Ein vom Wortlaut her gebotenes und vom Gesetzeszweck getragenes Auslegungsergebnis bedarf nicht des Nachweises entsprechenden gesetzgeberischen Willens. Es kann lediglich dann in Frage gestellt sein, wenn ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille feststeht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, wobei der Senat unterstellt, dass die bereits erwähnte Bereichsausnahme europarechtlich die Vergabe von Aufträgen über Rettungsdienstleistungen nach Maßgabe des § 31 SächsBRKG erfasst.
- 24
- Es kann nicht schon deshalb angenommen werden, das sich unter dieser Prämisse ergebende Hinausgehen über das nach dem Gemeinschaftsrecht Notwendige sei nicht vom Willen des deutschen Gesetzgebers gedeckt, weil Anlass für das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz - VgRÄG) vom 26. August 1998 (BGBl. I 2512) europarechtliche Vorgaben waren (vgl. EuGH, Urt. v. 11.08.1995 - C-433/93, Slg. 1995, 2317 Rdn. 18 f.; Urt. v. 02.05.1996 - C-253/95, Slg. 1996, 2430 Rdn. 15). Denn der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angemahnte Umsetzungsbedarf betraf nicht den Umfang der vom nationalen Vergaberecht erfassten Geschäfte, sondern ein Defizit an Rechtsschutz für die Bieter, weil die so genannte haushaltsrechtliche Lösung (2. Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes v. 26.11.1993, BGBl. 1993 I 1928) keine individuellen einklagbaren Rechtsansprüche der am Auftrag interessierten Unternehmen begründet hatte (vgl. BT-Drucks. 12/4636, S. 12). Ebenso wenig folgt ein der vorgenommenen Auslegung entgegenstehender gesetzgeberischer Wille daraus, dass im Gesetzgebungsverfahren wiederholt der Wunsch geäußert worden ist, ausschließlich europarechtliche Vorgaben, insbesondere diejenigen der Vergaberichtlinien, umzusetzen. Denn dieser Wunsch hat tatsächlich keine vollständige Erfüllung gefunden. Das zeigt sich schon daran, dass im Falle einer echten Chance auf den Zuschlag die Richtlinie 92/13/EWG vom 25. Februar 1992 (ABl. Nr. L 76 v. 23.02.1992, S. 14; dort Art. 2 Abs. 7) nur den Nachweis eines ursächlichen Schadens im Streit um die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren erleichtert wissen wollte, und dies auch nur bei Auftragsvergaben im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, während nach § 126 GWB die echte Chance auf den Zuschlag und deren Beeinträchtigung den Anspruch bereits auslösen, und zwar in allen Fällen, in denen ein Bieter Kostenerstattung verlangt, der sich durch eine erfolgte fehlerhafte Vergabe benachteiligt fühlt. Im Gesetzgebungsverfahren hätte demgemäß schon hervorgetreten sein müssen, dass vom GWB-Vergaberechtsregime trotz des entgegenstehenden allgemeinen Wortlauts von § 99 Abs. 1 GWB der sogenannten Bereichsausnahme unterfallende Verträge oder konkret solche der hier interessierenden Art ausgenommen sein sollen (a.A. z.B. Burgi, NVwZ 2007, 383, 385). Hieran fehlt es jedoch.
- 25
- 5. Diese Ausnahme ergibt sich schließlich auch nicht, wenn man die auch für das nationale Recht weitverbreitete Auffassung zu Grunde legt, Dienstleistungskonzessionen seien - sehe man davon ab, dass die sogenannten Grundfreiheiten des EG-Vertrags und der von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hieraus abgeleitete Transparenzgrundsatz zu beachten seien - "vergaberechtsfrei" (so wörtlich Dreher/Stockmann, Kartellvergaberecht, § 99 GWB Rdn. 121). Denn zu Recht hat das vorlegende Oberlandesgericht festgestellt, dass im Streitfall keine Dienstleistungskonzession betroffen ist. Als ein derartiges Rechtsgeschäft werden in Übereinstimmung mit der Definition in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG vom 31. März 2004 (ABl. Nr. L 134 S. 114) Verträge angesehen, bei denen die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Notwendig ist danach, dass der Auftragnehmer ein Nutzungsrecht an der Dienstleistung erhält, die erbracht werden soll. Die Einräumung eines solchen Rechts ist nach dem bereits mehrfach erwähnten Vertragsentwurf im Streitfall jedoch nicht vorgesehen. Der Leistungserbringer soll nicht hierdurch in die Lage versetzt werden, von dem Benutzer oder dessen Krankenkasse eine Vergütung zu verlangen, sondern die Vergütung ausschließlich durch Geldzahlung des Aufgabenträgers erhalten. Nach § 5 des Vertragsentwurfs soll die so zu erbringende jährliche Vergütung zudem für die gesamte Laufzeit des Vertrags mit der Möglichkeit einer Anpassung im Falle wesentlicher tatsächlicher Veränderungen festgelegt sein. Demgemäß kann auch keine Rede davon sein, dass der Leistungserbringer ein Betriebs- oder Vergütungsrisiko trage. Er hat ausschließlich die öffentliche Hand als Schuldner. Wie diese ihrerseits die für die im Vorhinein vereinbarte Vergütung erforderlichen Mittel beschafft, berührt das Verhältnis zum Leistungserbringer nicht.
- 26
- 6. Nach allem darf der Antragsgegner sich nicht darauf beschränken, die mit seiner Bekanntmachung vom 17. Januar 2008 nachgefragten Dienstleistungen nach Maßgabe des in der Sächsischen Landesrettungsdienstplanverord- nung näher geregelten Auswahlverfahrens zu vergeben. Angesichts der Feststellung der Vergabekammer, dass Leistungen der Kategorie 25 des Anhangs I B zur VOL/A 2006 betroffen sind und des mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffenen und daher hier auch nicht zur Überprüfung stehenden Ausspruchs, dass deshalb § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A 2006 eingreift, hat der Antragsgegner vielmehr - vorbehaltlich einer anderen Anschlussbeschwerdeentscheidung - jedenfalls nach Maßgabe der Basisparagraphen des Abschnitts 2 der VOL/A 2006 sowie der §§ 8a und 28a dieses Abschnitts im Rahmen des durch den Ersten Abschnitt des Vierten Teils des GWB geschaffenen Vergaberegimes zu verfahren.
- 27
- Der Umstand, dass der Landesgesetzgeber ein besonderes Auswahlverfahren geschaffen hat, entbindet hiervon (entgegen dem vom OLG Naumburg VergabeR 2008, 821 hieraus gezogenen Schluss) nicht, weil eine Kompetenz des Freistaates Sachsen zur Einschränkung des bundeseinheitlichen Vergaberechts nicht mehr bestand, nachdem der Bund den Vierten Teil des GWB geschaffen hatte (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 16, Art. 109 Abs. 3 GG).
- 28
- D. Entgegen der Meinung der Antragstellerin hat der Senat nicht über die Anschlussbeschwerde zu entscheiden. Wenn es in § 124 Abs. 2 GWB heißt, im Falle einer Divergenz lege das Oberlandesgericht die Sache dem Bundesgerichtshof vor, so bedeutet dies nicht, dass immer und ausnahmslos der gesamte noch anhängige Nachprüfungsstreit dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist. Die Vorlagepflicht besteht nur, soweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs anstelle des Oberlandesgerichts notwendig ist, um den abtrennbaren Teil des Streits zu erledigen, dessen Bescheidung nach Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts von der zum Anlass der Vorlage genom- menen Divergenz abhängt. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht die Vorlage zu Recht auf die sofortige Beschwerde beschränkt. Ob der Senat, etwa aus Gründen der Prozessökonomie, befugt wäre, die Anschlussbeschwerde an sich zu ziehen, kann dahinstehen, weil der Senat im Streitfall keine Gründe für eine solche Maßnahme zu erkennen vermag.
- 29
- E. In Anbetracht der Tatsache, dass nach allem das Oberlandesgericht über die Anschlussbeschwerde noch zu beschließen hat, bleibt die Kostenentscheidung insgesamt der Schlussentscheidung des Oberlandesgerichts überlassen.
- 30
- F. Von einer mündlichen Verhandlung sieht der Senat ab, weil die Sache eilbedürftig und angesichts des unstreitigen Sachverhalts von einem Termin vor dem Senat eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Hier kommt noch hinzu, dass der durch die Entscheidung des Senats allein beschwerte Antragsgegner vorgebracht hat, "eine mündliche Verhandlung dürfte entbehrlich sein".
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 04.07.2008 - WVerg 3/08 -
(1) Sektorenauftraggeber sind
- 1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, - 2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn - a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder - b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.
(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.
(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3
- 1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt, - 2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder - 3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
(1) Mehrere öffentliche Auftraggeber können vereinbaren, bestimmte öffentliche Aufträge gemeinsam zu vergeben. Dies gilt auch für die Auftragsvergabe gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Möglichkeiten zur Nutzung von zentralen Beschaffungsstellen bleiben unberührt.
(2) Soweit das Vergabeverfahren im Namen und im Auftrag aller öffentlichen Auftraggeber insgesamt gemeinsam durchgeführt wird, sind diese für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemeinsam verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren in seinem Namen und im Auftrag der anderen öffentlichen Auftraggeber allein ausführt. Bei nur teilweise gemeinsamer Durchführung sind die öffentlichen Auftraggeber nur für jene Teile gemeinsam verantwortlich, die gemeinsam durchgeführt wurden. Wird ein Auftrag durch öffentliche Auftraggeber aus verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam vergeben, legen diese die Zuständigkeiten und die anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts durch Vereinbarung fest und geben das in den Vergabeunterlagen an.
(3) Die Bundesregierung kann für Dienststellen des Bundes in geeigneten Bereichen allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Einrichtung und die Nutzung zentraler Beschaffungsstellen sowie die durch die zentralen Beschaffungsstellen bereitzustellenden Beschaffungsdienstleistungen erlassen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Rüge ist nach § 71a Abs. 1, § 120 Abs. 2 GWB statthaft, im Übrigen aber unzulässig. Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 71a Abs. 1 Nr. 1 GWB ist nur gegen Entscheidungen zulässig, gegen die ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Rüge wendet sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs ausdrücklich nur insoweit, als er bestimmte Hinweise für das weitere Verfahren vor dem Oberlandesgericht gibt, die dieses nicht binden und die erst recht keine direkt an die Vergabestelle gerichteten Anweisungen darstellen. Es ist der Antragstellerin auch grundsätzlich - gegebenenfalls vorbehaltlich Präklusionsgesichtspunkten (§ 107 Abs. 3 GWB) - unbenommen, vor dem Vergabesenat auf andere in ihrer Gehörsrüge als widersprüchlich bezeichnete Einzelheiten in den Eignungsanforderungen hinzuweisen, als diejenigen, zu denen sich der Beschluss der Vergabekammer vom 6. Juni 2013 verhält. Dort befasst die Vergabekammer sich lediglich mit den Erwägungen der Vergabestelle betreffend die als Referenzen bezeichneten jährlichen Umsätze der Antragstellerin von 2.500.000 € mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich, die nach den Hinweisen des Senats in Rn. 38 des Beschlusses vom 7. Januar 2014 in dieser Höhe nur für jedes der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre nachgewiesen werden müssen.
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Jena, Entscheidung vom 16.09.2013 - 9 Verg 3/13 -
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Mehrere öffentliche Auftraggeber können vereinbaren, bestimmte öffentliche Aufträge gemeinsam zu vergeben. Dies gilt auch für die Auftragsvergabe gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Möglichkeiten zur Nutzung von zentralen Beschaffungsstellen bleiben unberührt.
(2) Soweit das Vergabeverfahren im Namen und im Auftrag aller öffentlichen Auftraggeber insgesamt gemeinsam durchgeführt wird, sind diese für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemeinsam verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren in seinem Namen und im Auftrag der anderen öffentlichen Auftraggeber allein ausführt. Bei nur teilweise gemeinsamer Durchführung sind die öffentlichen Auftraggeber nur für jene Teile gemeinsam verantwortlich, die gemeinsam durchgeführt wurden. Wird ein Auftrag durch öffentliche Auftraggeber aus verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam vergeben, legen diese die Zuständigkeiten und die anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts durch Vereinbarung fest und geben das in den Vergabeunterlagen an.
(3) Die Bundesregierung kann für Dienststellen des Bundes in geeigneten Bereichen allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Einrichtung und die Nutzung zentraler Beschaffungsstellen sowie die durch die zentralen Beschaffungsstellen bereitzustellenden Beschaffungsdienstleistungen erlassen.
(1) Gegen Verfügungen der Kartellbehörde ist die Beschwerde zulässig. Sie kann auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden.
(2) Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten im Sinne des § 54 Absatz 2 und 3 zu. Gegen eine Verfügung, durch die eine Erlaubnis nach § 42 erteilt wird, steht die Beschwerde einem Dritten nur zu, wenn er geltend macht, durch die Verfügung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(3) Die Beschwerde ist auch gegen die Unterlassung einer beantragten Verfügung der Kartellbehörde zulässig, auf deren Vornahme der Antragsteller ein Recht zu haben behauptet. Als Unterlassung gilt es auch, wenn die Kartellbehörde den Antrag auf Vornahme der Verfügung ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht beschieden hat. Die Unterlassung ist dann einer Ablehnung gleichzuachten.
(4) Über die Beschwerde entscheidet das für den Sitz der Kartellbehörde zuständige Oberlandesgericht, in den Fällen der §§ 35 bis 42 das für den Sitz des Bundeskartellamts zuständige Oberlandesgericht, und zwar auch dann, wenn sich die Beschwerde gegen eine Verfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie richtet. § 36 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 158 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, gilt § 202 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes.
(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts
jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.
(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.
(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.
(1) Ein dynamisches Beschaffungssystem ist ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.
(2) Eine elektronische Auktion ist ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Jeder elektronischen Auktion geht eine vollständige erste Bewertung aller Angebote voraus.
(3) Ein elektronischer Katalog ist ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format. Er kann insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen eingesetzt werden und Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen.
(4) Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit). Öffentliche Auftraggeber können Liefer- und Dienstleistungen von zentralen Beschaffungsstellen erwerben oder Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge mittels zentraler Beschaffungsstellen vergeben. Öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten können an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften dieses Teils durchzuführen. Derartige Dienstleistungsaufträge können auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren umfassen. Die Teile 1 bis 3 bleiben unberührt.