Oberlandesgericht Hamm Urteil, 06. Feb. 2015 - 11 U 131/13
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 29.10.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz werden dem Kläger auferlegt. Die Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz tragen der Kläger und das beklagte Land zu jeweils 50 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Zahlung einer Geldentschädigung we-gen einer vollzogenen über 10 Jahre hinaus gehenden Sicherungsverwahrung in der Zeit vom 06.06.2005 bis zum 05.05.2009.
4Hinsichtlich des wechselseitigen Vortrags und der gestellten Anträge aus der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
5Das Landgericht hat dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 23.500 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2012 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
6Passivlegitimiert sei ausschließlich das beklagte Land und nicht der Bund. Zwar sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt, der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ergebe sich jedoch aus der gerichtlichen Anordnung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung, die durch die Vollstreckungsbehörden des beklagten Landes erfolgt seien.
7Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die Entschädigungssumme aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu, da in der gegen ihn vollzogenen Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren hinaus ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK zu sehen sei. Die Sicherungsverwahrung stelle eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. Die Rechtfertigungsgründe aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK seien nicht erfüllt.
8Unter Berücksichtigung der Art, Schwere und des Umfangs der Beeinträchtigung sei der ausgeurteilte Betrag angemessen. Dabei fielen insbesondere der Freiheitsentzug an sich und die nicht unbeträchtliche Länge des Freiheitsentzuges ins Gewicht. Der Entschädigungsbetrag entspreche etwa einem Betrag von 500 € pro Monat und sei damit vergleichbar mit denjenigen Beträgen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in ähnlichen Fällen zuspreche.
9Mit seiner Berufung begehrt das beklagte Land weiterhin die vollständige Klageabweisung.
10Das beklagte Land macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Passivlegitimation des Landes angenommen. Vielmehr müsse sich die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Tauglicher Anknüpfungspunkt für eine anspruchsbegründende Verletzung der Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 EMRK könne im vorliegenden Fall nämlich nur das Gesetz zur Einführung der verlängerten Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus sein, welches ein Bundesgesetz sei. Darüber hinaus sei in einem Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK unzweifelhaft die Bundesrepublik Deutschland Beschwerdegegnerin. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob der Kläger den Weg der Individualbeschwerde oder den Weg der innerstaatlichen Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK wähle.
11Für das beklagte Land habe demgegenüber gar nicht die Möglichkeit bestanden, die konventionswidrige Sicherungsverwahrung zu beenden, zumal das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 05.02.2004 (BVerfGE 109, 133) die Vorschriften des § 67 d Abs. 3 StGB und Art. 1 a Abs. 3 EGStGB für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt habe.
12Das beklagte Land erklärt darüber hinaus hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 24.949,20 €. Diese dem Grund und der Höhe nach unstreitige Justizkostenforderung des beklagten Landes resultiert aus dem inzwischen vor dem Landgericht Krefeld abgeschlossenen Strafverfahren 21 KLs 25 Js 298/11-39/11, in welchem der Kläger durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Krefeld vom 10.02.2012 wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden ist. Zugleich ist erneut die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Die Hilfsaufrechnung sei zulässig, weil die Gerichtskostenrechnung vom 02.10.2013 in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2013 vor dem Landgericht Dortmund nicht mehr habe eingeführt werden können. Diese sei der C erst mit Schreiben vom 12.11.2013 zur Kenntnis gebracht worden. Die Hilfsaufrechnung sei zudem sachdienlich, weil so ein Anschlussprozess verhindert werden könne. Zudem sei Sachdienlichkeit immer dann anzunehmen, wenn die Aufrechnung ohne weiteres als durchgreifend angesehen werden könne, was hier der Fall sei, weil das Bestehen der Justizkostenforderung unstreitig sei.
13In materiell-rechtlicher Sicht stehe der Aufrechnung insbesondere nicht das Urteil des BGH vom 01.10.2009 (III ZR 18/09) entgegen, mit welchem der BGH entschieden habe, dass es der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) grundsätzlich verwehrt sei, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des Strafverfahrens aufzurechnen. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um einen verschuldensabhängigen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB gegangen sei, wohingegen in dem hiesigen Verfahren eine verschuldensunabhängige Haftung aus Art. 5 Abs. 5 EMRK im Raume stehe. Der BGH begründe darüber hinaus die Unzulässigkeit der Aufrechnung ausdrücklich mit dem bestehenden Verschulden. Gleiches gelte im Übrigen auch für die weiteren Beschlüsse des BGH vom 05.05.2011 (VII ZB 25/10 und VII ZB 17/10) und das Urteil des BGH vom 24.03.2011 (IX ZR 180/10). In all diesen Fällen sei die Unzulässigkeit der Aufrechnung, bzw. Pfändung des Entschädigungsanspruchs mit der Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention der Entschädigung begründet worden. Diese Begründungen könnten jedoch in dem vorliegenden Fall nicht Platz greifen, weil die hier tätigen Amtsträger aufgrund der Gültigkeit der seinerzeit geltenden Bundesgesetze, die im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgesegnet worden seien, gezwungen gewesen seien, die Fortdauer der Sicherungsverwahrung anzuordnen und zu vollziehen. Da diesem Fall somit keine fehlerhafte Einzelfallbearbeitung zu Grunde gelegen habe, komme damit auch dem verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Klägers nicht die Funktion der Sanktion oder der Prävention zu. Dies gelte umso mehr, als die zur Aufrechnung gestellten Kosten durch ein Strafverfahren entstanden seien, an dessen Ende der Kläger im Jahre 2012 – somit weniger als 2 Jahre nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung – rechtskräftig ein weiteres Mal wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden sei, wobei zugleich erneut die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei.
14Das beklagte Land beantragt,
15unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
16Der Kläger beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen. Die Aufrechnung sei nicht zulässig, weil nach § 395 BGB eine Aufrechnung gegen Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften nur dann in Betracht komme, wenn die Leistungen an dieselbe Kasse zu erfolgen hätten, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen sei. Hier gehe es um Leistungen unterschiedlicher Kassen, so dass eine Aufrechnungslage nicht gegeben sei. Darüber hinaus würden auch die Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 01.10.2009 (III ZR 18/09) hier greifen, weil von einem Amtsverschulden auszugehen sei.
19II.
20Die zulässige Berufung ist begründet.
21Der Kläger hat gegen das beklagte Land allerdings einen Anspruch i.H.v. 23.500 € gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK. Dieser Anspruch ist jedoch durch die Aufrechnung des beklagten Landes mit einer unstreitigen Gegenforderung i.H.v. 24.949,20 € gemäß § 389 BGB vollumfänglich erloschen.
221. Dabei ist die Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.09.2013 (III ZR 405/12) nicht mehr ernstlich zweifelhaft. Das beklagte Land ist danach passivlegitimiert.
23Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist die Frage der Person des Verpflichteten - wie bei der Amtshaftung - durch Anwendung des Art. 34 GG zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde. Art. 5 Abs. 5 EMRK knüpft an eine konventionswidrige Freiheitsentziehung an. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ist durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt erfolgt, welche Behörden des beklagten Landes sind. Dass die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften beruhte und es im vorliegenden Fall auch nicht darum geht, dass den zuständigen Amtsträgern bei der Anwendung dieser Normen Fehler im Einzelfall unterlaufen sind, ändert im Verhältnis der Parteien zueinander nichts an der Passivlegitimation des beklagten Landes (BGH, III ZR 405/12, Rn. 24 f., juris).
24Der Verweis des beklagten Landes auf § 1 Abs. 1 Lastentragungsgesetz verfängt nicht. Auch nach dieser Vorschrift wird die Haftungsverteilung zwischen Bund und Ländern danach vorgenommen, in welchem Zuständigkeits- und Aufgabenbereich die lastenbegründende Pflichtverletzung erfolgt ist. Dies ist jedoch nach der vorstehenden Argumentation der Aufgabenbereich des beklagten Landes.
25Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 5 Abs. 5 EMRK ist im Übrigen von dem Landgericht zutreffend dargestellt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 04.05.2011 (BVerfGE 128, 326) ausgeführt, dass eine Rechtfertigung sowohl der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung, als auch der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung praktisch nur in den Fällen einer psychischen Erkrankung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK in Betracht kommt. Demgegenüber würde eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK oder Art. 5 Abs. 1 S. 2 c EMRK grundsätzlich ausscheiden. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK wird jedoch auch von dem beklagten Land nicht vorgebracht.
26Eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK liegt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht vor, weil die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung mangels eigener Schuldfeststellung keine Verurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK darstellt und ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung nicht besteht.
27Soweit das beklagte Land vorbringt, dass eine Entschädigungspflicht erst ab dem 10.05.2010 in Betracht komme, weil vorher die Konventionswidrigkeit der rückwirkenden Anwendung der Verlängerung der Zehnjahresfrist gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 noch nicht endgültig festgestellt worden sei, greift dieser Einwand nicht, weil Art. 5 Abs. 5 EMRK eine verschuldensunabhängige Haftung regelt und es deshalb nicht auf die Kenntnis der tätigen Amtsträger von der Konventionswidrigkeit ankommt.
282. Die Angemessenheit der vom Landgericht mit rund 500 € pro Monat angesetzten Entschädigungshöhe ist im vorliegenden Berufungsverfahren nicht im Streit. Sie steht im Übrigen mit der aktuellen Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. Urteile vom 14.11.2014 zu I-11 U 80/13 und I-11 U 16/14, veröffentlicht bei juris).
293. Der Entschädigungsanspruch des Klägers i.H.v. 23.500 € ist aufgrund der Hilfsaufrechnung des beklagten Landes gemäß § 389 BGB erloschen.
30a) Die Erklärung der Hilfsaufrechnung erst in der Berufungsinstanz ist gemäß § 533 ZPO zulässig.
31Eine Einwilligung des Klägers liegt zwar nicht vor, die Berücksichtigung ist jedoch sachdienlich gemäß § 533 Nr. 1 Fall 2 ZPO. Zur Beurteilung der Sachdienlichkeit sind die berechtigten Interessen an der Entscheidung über die Aufrechnungsforderung auf der einen Seite, aber auch am Abschluss eines ansonsten entscheidungsreifen Verfahrens auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage 2014, § 533, Rn. 26). Danach ist Sachdienlichkeit in der Regel zu bejahen, wenn die Aufrechnung ohne weiteres als durchgreifend oder als unbegründet erscheint, weil dann auch dieser Streitpunkt zwischen den Parteien ohne neuen Prozess bereinigt werden kann (Zöller/Heßler, aaO., § 533, Rn. 28). Da die in dem vorliegenden Fall in Rede stehende Gegenforderung unstreitig ist und somit lediglich die Rechtsfrage eines eventuell bestehenden Aufrechnungsverbots vom Senat entschieden werden muss, tritt durch die Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung keine Verzögerung des Rechtsstreits ein und der Streitpunkt kann zwischen den Parteien ohne weiteres bereinigt werden.
32Darüber hinaus ist auch die Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO gegeben. Der neue Tatsachenstoff, der hier zur Begründung der Aufrechnung vorgebracht wird, darf nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in den Prozess eingeführt werden. Bei dem Vortrag des beklagten Landes hinsichtlich der bestehenden Kostenforderung handelt es sich um neuen Vortrag. Dieser ist in 1. Instanz nicht vorgebracht worden. Die fehlende Geltendmachung im 1. Rechtszug beruht jedoch nicht auf einer Nachlässigkeit des beklagten Landes. Nachlässigkeit einer Partei liegt immer dann vor, wenn diese fahrlässig in der 1. Instanz nicht vorgetragen hat (Zöller/Heßler, aaO., § 531, Rn. 30). Ein solcher Vorwurf ist hier nicht gerechtfertigt. Zwar datiert die Kostenrechnung der Gerichtskasse Düsseldorf vom 02.10.2013. Allerdings ist die C, die das beklagte Land im vorliegenden Verfahren vertritt, nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Landes erstmals mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Krefeld vom 12.11.2013 und damit nach der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2013 vor dem Landgericht über die bestehende Forderung in Kenntnis gesetzt worden. Für die Annahme fahrlässiger Unkenntnis ist nichts ersichtlich.
33b) Die von dem beklagten Land zur Aufrechnung gestellte Kostenforderung i.H.v. 24.949,20 € ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.
34c) Die Aufrechnung ist darüber hinaus materiell-rechtlich zulässig. Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht.
35Das von dem Kläger geltend gemachte Aufrechnungsverbot nach § 395 BGB besteht dabei zweifelsfrei nicht. Danach kann gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbandes nur aufgerechnet werden, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Dieser Fall liegt hier offensichtlich nicht vor, weil nicht gegen die Forderung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aufgerechnet werden soll, sondern gegen die Forderung des Klägers.
36Des Weiteren ergibt sich hier auch kein Aufrechnungsverbot aus § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung. Eine Vergleichbarkeit dieses Falles mit den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftbedingungen, in welchen höchstrichterlich regelmäßig von einem Aufrechnungsverbot gegen den Entschädigungsanspruch ausgegangen wird, ist nicht gegeben. Ein Aufrechnungsverbot gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung kommt dann in Frage, wenn die Aufrechnung nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint (BGH, NJW-RR 2010, 167). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist von erheblicher Bedeutung, dass es bei den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung in der Regel zu einem nicht unerheblichen Verschulden der Amtsträger gekommen ist. Jedenfalls besteht ein Anspruch nur verschuldensabhängig. Demgegenüber ist in dem hier vorliegenden Fall ein Verschulden weder erforderlich, noch ersichtlich. Aufgrund der damaligen eindeutigen Rechtslage, die auch von dem Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist, kann nicht von einem Verschulden der tätigen Amtsträger ausgegangen werden. Danach ist jedenfalls eine Sanktionswirkung und eine Präventionswirkung der in diesem Fall geschuldeten Entschädigung anders als in den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung nicht vorhanden und auch nicht erforderlich. Die Amtsträger sind nicht für schuldhaftes Verhalten zu sanktionieren. Außerdem besteht mittlerweile auch keine Wiederholungsgefahr mehr, die eine Präventionswirkung der Entschädigungszahlung gebieten würde. Die Sanktions- und Präventionswirkung des immateriellen Schadensersatzes in den Fällen der menschenunwürdigen Haftunterbringung war jedoch in dem vorgenannten Urteil des BGH ein entscheidender Grund dafür, ein Aufrechnungsverbot anzunehmen.
37In dem hier vorliegenden Fall hat die Entschädigung lediglich Genugtuungsfunktion. Damit unterscheidet sich dieser Fall aber nicht von anderen Amtshaftungsfällen, in denen mangels erheblichen Verschuldens und Wiederholungsgefahr ebenfalls eine Sanktions- und Präventionsfunktion nicht angenommen wird und somit ein Aufrechnungsverbot wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht greift.
38Ergänzend kommt hier noch hinzu, dass die zur Aufrechnung gestellte Kostenforderung des beklagten Landes anders als in dem vorgenannten Fall des BGH nicht aus dem Strafverfahren herrührt, wegen dem der Kläger in die unrechtmäßige Sicherungsverwahrung genommen worden ist, sondern aus einem neuen weiteren Verfahren.
39Der Aufrechnung steht auch nicht § 394 BGB entgegen. Der Senat vermag eine Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 394 BGB wegen Unpfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs des Klägers auch unter Berücksichtigung der Erwägungen des BGH in dem Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10 – nicht anzunehmen. Der BGH hat in dem angeführten Urteil entschieden, dass ein von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugesprochener Anspruch nach Art. 41 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß §§ 851 Abs. 1 ZPO, 399 BGB nicht pfändbar sei, weil die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft sei, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde. Der hiesige Fall ist zwar mit dem von dem BGH entschiedenen Fall insoweit vergleichbar, weil es auch hier um eine Geldentschädigung für eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung geht. Die Eigenarten des vorliegenden Falles und insbesondere der Aufrechnungsforderung lassen jedoch gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben wegen unzulässiger Rechtsausübung ein Zurücktreten des Aufrechnungsverbots erforderlich erscheinen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 394, Rn. 2; MüKo/Schlüter, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 394, Rn. 13).
40Zu berücksichtigen ist hier, dass seitens des beklagten Landes mit einer Forderung aufgerechnet wird, die erst nach der entschädigungspflichtigen Menschenrechtsverletzung entstanden ist. Darüber hinaus beruht die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen erheblichen Straftat des Klägers. Letztlich würde die dem Kläger wegen der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung zustehende Kompensationsleistung hier bei Zulassung der Aufrechnung dazu eingesetzt, einen Schaden auszugleichen, dessen Entstehung befürchtet worden war und der (auch) durch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerade verhindert werden sollte. Dem beklagten Land die Möglichkeit zu versagen, dem Kläger die von ihm aufgrund des weiteren Strafverfahrens geschuldete Forderung entgegenhalten zu dürfen, würde – auch in Ansehung des Umstandes, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung konventionswidrig gewesen ist – gegen Treu und Glauben verstoßen, da es dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufen würde.
41d) Da die Gegenforderung des beklagten Landes i.H.v. 24.949,20 € die Hauptforderung des Klägers übersteigt, ist die Forderung des Klägers insgesamt gemäß § 389 BGB erloschen.
424. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Grundsätzlich hat der Kläger die Kosten des Rechtstreits gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen. Für die 2. Instanz gilt hier jedoch die Besonderheit, dass der Gebührenstreitwert aufgrund der Hilfsaufrechnung, die erst in der 2. Instanz erfolgt ist, gemäß § 45 Abs. 3 GKG um den Wert der Gegenforderung, über den eine rechtskraftfähige Entscheidung ergeht, erhöht wird. Da über die Aufrechnung i.H.v. 23.500 € rechtskraftfähig entschieden wird, beträgt der Streitwert für die 2. Instanz 47.000 €. Diesbezüglich unterliegen jedoch beide Parteien hälftig, weil das beklagte Land mit seinen gegen die Klageforderung gerichteten Einwänden nicht durchdringt und nur aufgrund der Hilfsaufrechnung obsiegt. Diese Kostenfolge ist auch aus Sicht des Klägers nicht unbillig, weil er ihr durch eine Erledigungserklärung nach der in der Berufung erklärten Hilfsaufrechnung hätte entgehen können.
43Der Erhöhung des Gebührenstreitwertes gemäß § 45 Abs. 3 GKG steht in diesem Fall auch nicht entgegen, dass die Gegenforderung des beklagten Landes dem Grunde und der Höhe nach unstreitig ist, weil für eine Erhöhung des Gebührenstreitwerts gemäß § 45 Abs. 3 GKG bereits ausreicht, dass die Frage der Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung zwischen den Parteien streitig ist (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014, § 45 GKG, Rn. 45).
44Eine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht. Dieser stellt im Hinblick auf das fehlende Vorbringen in der Vorinstanz auf ein Verschulden ab (BeckOK/Jaspersen/Wache, Beck‘scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.01.2015, § 97 ZPO, Rn. 26). Ein Verschulden kann dem beklagten Land jedoch hinsichtlich der Erhebung der Hilfsaufrechnung erst in der 2. Instanz wie oben bereits ausgeführt nicht vorgeworfen werden.
45Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
465. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung einer Gerichtskostenforderung gegen einen Entschädigungsanspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK und der Einschränkung des § 394 BGB gemäß § 242 BGB grundsätzliche Bedeutung hat.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 06. Feb. 2015 - 11 U 131/13
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 06. Feb. 2015 - 11 U 131/13
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Oberlandesgericht Hamm Urteil, 06. Feb. 2015 - 11 U 131/13 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung in Anspruch.
- 2
- Der Kläger befindet sich zur Verbüßung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren wegen schweren Raubes in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt B. . Dort war er in der Zeit vom 17. Januar bis 1. August 2006 (mit Ausnahme eines Krankenhausaufenthalts vom 2. bis zum 15. Februar 2006) in einer 9,09 m² großen Gemeinschaftszelle mit einem weiteren Strafgefangenen untergebracht. Die in dieser Zelle befindliche Toilette war lediglich durch einen Sichtschutzvorhang abgetrennt. Das beklagte Land ist dem Vorwurf der Amts- pflichtverletzung, des Verstoßes gegen die Menschenwürde und der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers entgegen getreten und hat hilfsweise die Aufrechnung mit einer - unstreitigen - Gegenforderung auf Erstattung der von dem Kläger zu tragenden Kosten des Strafverfahrens erklärt. Der Kläger hält diese Aufrechnung für unzulässig.
- 3
- Die Vorinstanzen haben dem Kläger aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung des Beklagten (§ 839 BGB, Art. 34 GG) übereinstimmend eine Entschädigung in Höhe von 3.000 € zugesprochen. Das Landgericht hat die Hilfsaufrechnung des Beklagten für begründet erachtet und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung verurteilt.
- 4
- Mit seiner - insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision wendet sich das beklagte Land gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Aufrechnung eine gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung darstelle.
Entscheidungsgründe
- 5
- Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht (VersR 2009, 360) hat ausgeführt, der Aufrechnung des beklagten Landes stehe § 394 Satz 1 BGB nicht entgegen, weil der Anspruch des Klägers der Pfändung unterworfen sei. Ob die Aufrechnung gemäß § 393 BGB ausgeschlossen sei, könne offen bleiben. Denn jedenfalls stelle sich die Aufrechnung des Beklagten als gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus einem Eingriff in seine durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde. Bereits die überragende Bedeutung dieses Grundrechts schließe eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung aus einer einfachgesetzlichen Regelung aus. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der Zubilligung einer Geldentschädigung bei Verletzung der Menschenwürde gerade der Gedanke der Genugtuung des Verletzten und der Sanktionierung des Grundrechtsverstoßes zu Grunde liege. Diesen Funktionen würde man nicht gerecht, wenn man eine Aufrechnung des beklagten Landes zuließe. Die Verletzung der Ehre und Würde des einzelnen Strafgefangenen bliebe dann nämlich letztlich ohne spürbare Sanktion. Bei der Gegenforderung des Beklagten handele es sich ihrerseits auch nicht um einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung - was im Rahmen der bei § 242 BGB anzustellenden "Gegenabwägung" bedeutsam sein könne -, da sie nicht aus einer unerlaubten Handlung des Klägers gegenüber dem Beklagten herrühre.
II.
- 7
- Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Aufrechnung des beklagten Landes beschränkt (siehe dazu Senat, Urteil vom 30. November 1995 - III ZR 240/94 - NJW 1996, 527 m.w.N.; Zöller/Heßler, ZPO 27. Aufl., § 543 Rn. 24). Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es dem Land, das auf Zahlung einer Geldentschädigung für immaterielle Schäden aufgrund unwürdiger Bedingungen der Haftunterbringung in Anspruch genommenen wird, gemäß § 242 BGB grundsätzlich verwehrt ist, gegenüber diesem Anspruch mit einer Gegenforderung auf Erstattung von offenen Strafverfahrenskosten aufzurechnen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 8
- Die Aufrechnung ist nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn sie nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint (Senatsurteil BGHZ 95, 103, 113 m.w.N.; BGHZ 113, 90, 93; BGH, Urteil vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - NJW 2002, 1130, 1132; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 387 Rn. 15; Erman/Wagner, BGB Band 1, 12. Aufl., § 387 Rn. 33 ff).
- 9
- So liegt es auch hier.
- 10
- 1. Das aus § 242 BGB (unzulässige Rechtsausübung) hergeleitete Aufrechnungshindernis folgt für die vorliegend zu entscheidende Fallgestaltung - unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtung der hierbei relevanten Umstände (insbesondere: Verschulden) - aus der Funktion und dem Zweck des Geldentschädigungsanspruchs wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses.
- 11
- Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 161, 33, 35 ff; Beschlüsse vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - NJW 2006, 1289 und vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 - NJW 2006, 3572) steht dem Betroffenen unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) ein Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden infolge menschenunwürdiger Haftbedingungen zu, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung ein Mindestmaß an Schwere erreicht hat und nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann, wobei - ebenso wie bei einem Geldentschädi- gungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen sind. Der Anspruch auf Geldentschädigung gründet auf dem Schutzauftrag der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dient vornehmlich der Genugtuung des Verletzten, aber auch den Zwecken der wirksamen Sanktion und Prävention (Senat aaO BGHZ 161, 33, 35 ff; allgemein: BGHZ 128, 1, 12, 15; 143, 214, 218 f; 160, 298, 302 f, 306; 165, 203, 204 f, 206 f, 210 f).
- 12
- a) Um seine Funktionen der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention - in dem Sinne, dass der verpflichtete Staat dazu angehalten wird, menschenunwürdige Haftbedingungen von vornherein zu vermeiden oder aber (zumindest ) alsbald zu beseitigen und nicht länger fortdauern zu lassen - wirksam wahrnehmen zu können, muss der Geldentschädigungsanspruch für den ersatzpflichtigen Staat spürbare Auswirkungen haben. Daran fehlte es vielfach, wenn die Erfüllung des Geldentschädigungsanspruchs im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Strafverfahrenskosten herbeigeführt werden könnte. Sehr viele Strafgefangene sind vermögenslos und - wie hier - bei der Verfolgung ihrer Entschädigungsansprüche auf Prozesskostenhilfe angewiesen. Die Ansprüche des Staates auf Erstattung von Kosten des Strafverfahrens sind in all diesen Fällen im Grunde uneinbringlich und bei wirtschaftlicher Betrachtung wertlos. Könnte sich der Staat hier seiner Entschädigungsverpflichtung durch Aufrechnung entledigen, so könnte von einem echten Vermögensopfer nicht gesprochen werden; auch enthielte der Geschädigte keinen wirklichen materiellen Ausgleich für den erlittenen Eingriff. Dass die Forderungen des Staates infolge der Aufrechnung ebenso verringert würden wie die Verbindlichkeiten des Betroffenen (§ 389 BGB), wirkte sich in dieser Situation gleichsam nur "buchhalterisch" aus, ohne dass dies von den Beteiligten wirt- schaftlich als Vor- oder Nachteil empfunden würde. Nehmen darüber hinaus die Forderungen des Staates gegen den Betroffenen auf Erstattung offener Strafverfahrenskosten - wie nicht selten und so auch hier (24.398,87 €) - einen beträchtlichen Umfang ein, so liegt die Besorgnis nicht fern, dass der ersatzpflichtige Staat aufgetretene menschenunwürdige Haftbedingungen nicht so zügig wie geboten beseitigt, sondern (aus fiskalischen Gründen) längere Zeit hinnimmt und hierdurch nicht nur die Genugtuungs- und Sanktionsfunktion, sondern auch die Präventivfunktion des Entschädigungsanspruchs beeinträchtigt wird.
- 13
- b) Hinzu treten folgende Erwägungen:
- 14
- Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen gründet auf einem besonderen Rechtsverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Staat, das einerseits von intensiven Eingriffs- und Anweisungsbefugnissen gekennzeichnet ist, die weit in die persönliche Lebensführung des Gefangenen hineinreichen, andererseits aber dem Staat besondere Fürsorgepflichten, insbesondere für Leben und Gesundheit des Gefangenen, auferlegt (vgl. Staudinger/Wurm, BGB, Neubearb. 2007, § 839 Rn. 665). Dabei gehört die Pflicht, den Häftling menschenwürdig unterzubringen, zu den Kardinalpflichten der Justizvollzugsorgane. Der aus der Verletzung dieser Pflicht sich ergebende Entschädigungsanspruch erfordert eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Betroffenen, die weit über die mit der Haft als solche verbundenen Belastungen hinausgeht.
- 15
- Bei der gebotenen wertenden Gesamtschau liegt diesem Anspruch im Allgemeinen auch ein erhebliches Verschulden der verantwortlichen Staatsorgane zugrunde, das durchaus als "vorsatznah" einzustufen ist, mit der Folge, dass die Frage des Verbots der Aufrechnung nach § 393 BGB im Raum steht. Den Justizvollzugsbeamten der betroffenen Vollzugsanstalt sind regelmäßig - wie auch hier, worauf der Revisionsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hingewiesen hat (Schreiben der Justizvollzugsanstalt B. vom 13. Juni 2006); auch das Berufungsgericht hat dies letztlich nicht anders gesehen - die tatsächlichen Umstände der Unterbringung bekannt und die Rechtswidrigkeit der Art und Weise dieser Unterbringung bewusst. Die Notlage , die darauf beruht, dass in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt nicht genügend Haftplätze zur Verfügung stehen, mag zwar dazu führen, dass die Beamten "vor Ort" nicht vorsätzlich im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln; dies kann aber den Staat - unter dem Aspekt des Organisationsverschuldens - nicht entscheidend entlasten (vgl. Senat BGHZ 161, 33, 35; Beschluss vom 21. Dezember 2005 aaO Rn. 4).
- 16
- 2. Da dem beklagten Land die Aufrechnung mit der Kostenforderung nach § 242 BGB versagt ist, kommt es nicht (mehr) darauf an, ob der Kläger den Nachweis führen könnte, dass einzelne Beamte der haftenden Anstellungskörperschaft vorsätzlich gehandelt haben, und somit dem beklagten Land die Aufrechnung nach § 393 BGB verboten wäre. Dabei trifft es entgegen der Auffassung der Revision nicht zu, dass die der Bestimmung des § 393 BGB zugrunde liegende gesetzgeberische Wertentscheidung unterlaufen wird, wenn in Fällen der vorliegenden Art ein grundsätzliches Aufrechnungshindernis aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) hergeleitet wird. Der Umstand, dass (noch) nicht von einer das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB auslösenden Vorsatztat ausgegangen werden kann, hindert nicht daran, bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs neben der Gewährleistung der Funktionen und des Zwecks des Geldentschädigungsanspruchs sowie den Besonderheiten des zwischen der Landesjustizverwaltung und dem Strafgefangenen bestehenden Rechtsverhältnisses auch die dem Gesamtgeschehen anhaftende "Vorsatznähe" in den Blick zu nehmen.
- 17
- 3. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist der aus § 242 BGB hergeleitete Einwand gegen die Aufrechnung des beklagten Landes hier - unter dem Aspekt einer "Gegenabwägung" - nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auf Zahlung offener Kosten des Strafverfahrens ihrerseits als eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (des Klägers) darstellte. Denn Forderungen des Staates auf Zahlung von Strafverfahrenskosten sind keine Ansprüche, die aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung gegenüber dem Staat hervorgegangen sind.
Hucke Tombrink
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 19.02.2008 - 2 O 559/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.12.2008 - 12 U 39/08 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. August 2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 344,82 € vorgerichtlicher Kosten zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 83 v.H., die Beklagte 17 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 24. Februar 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Zu diesem Zeitpunkt war eine Individualbeschwerde des Schuldners beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, mit welcher der Schuldner einen Verstoß gegen sein Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wegen der langen Dauer eines von ihm betriebenen Amtshaftungsprozesses geltend machte. Der Kläger teilte dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (fortan: Gerichtshof) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit und begehrte Rubrumsberichtigung. Der Gerichtshof teilte mit, auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren bleibe der Schuldner Antragsteller, der Abwickler (Insolvenzverwalter) trete in dem Verfahren vor dem Gerichtshof nicht an dessen Stelle.
- 2
- Mit Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006 wurde die Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt und der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland) aufgegeben, dem Schuldner eine angemessene Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden in Höhe von 45.000 € zu zahlen, außerdem 10.000 € Mehrkosten bezüglich der vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren zu erstatten sowie 4.000 € Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof, jeweils zuzüglich Zinsen und gegebenenfalls Umsatzsteuer.
- 3
- Der Aufforderung des Klägers, diese Beträge von insgesamt 59.000 € an der Masse auszubezahlen, kam die Beklagte nicht nach. Sie zahlte an den Schuldner persönlich und vertrat die Auffassung, die zugesprochenen Beträge seien zweckgebunden, deshalb nicht abtretbar, nicht pfändbar und fielen nicht in die Masse. Sie behauptet, der Anspruch sei vom Schuldner bereits am 27. März 2001 an Frau K. abgetreten worden.
- 4
- Der Kläger verlangt Auszahlung der streitigen 59.000 € an ihn, weil die Beklagte an den Schuldner nicht mit befreiender Wirkung habe leisten können, außerdem Erstattung von 2.028,36 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Verwalter sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 6
- Die Revision ist zulässig. In die versäumte Frist zur Einlegung der Revision hat der Senat Wiedereinsetzung gewährt. Mit Zustellung dieses Beschluss vom 23. November 2010 begann die Revisionsbegründungsfrist zu laufen (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, BGHZ 173, 14 Rn. 13; vom 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07, BGHZ 176, 379 Rn. 7 ff). Die Revisionsbegründung ist am 23. Dezember 2010 fristgerecht eingegangen. Der beantragten Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist bedarf es deshalb nicht.
B.
- 7
- Die Revision ist in Höhe von 10.344,82 € begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet (veröffentlicht unter anderem in ZIP 2009, 1873). Es hat gemeint, die Forderung des Schuldners sei, ihre vom Kläger behauptete Nichtabtretung an Frau K. unterstellt, durch die Zahlung der Beklagten erloschen. Die Beklagte habe zwar Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt. Die Verbindlichkeit sei jedoch nicht zur Masse zu erfüllen gewesen. Dies folge aus der in dem Urteil des Gerichtshofs festgestellten besonders schweren Verletzung des Art. 6 EMRK und der Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners. Der zuerkannte Entschädigungsbetrag sei nicht gemäß § 399 BGB übertragbar und gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar.
- 9
- Der Gerichtshof könne nach Art. 41 EMRK nur der verletzten Person eine Entschädigung zusprechen. Nach innerstaatlichem Recht seien zwar Staatshaftungsansprüche grundsätzlich auch dann übertragbar und pfändbar, wenn sie auf der Verletzung immaterieller Rechtsgüter beruhen und auf Ersatz immaterieller Schäden gerichtet seien. Die Entschädigung nach Art. 41 EMRK werde aber zum Ausgleich solcher Schäden zuerkannt, deren Wiedergutmachung die nationale (deutsche) Rechtsordnung nur unvollkommen gestatte. Dies spreche dafür, den Entschädigungsanspruch solchen Ansprüchen gleichzustellen , die nicht der Pfändung unterliegen, wie etwa - vom Schmerzensgeld zu unterscheidende - Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des nicht übertragbaren allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Die vom Gericht festgestellte Opfereigenschaft des Schuldners aufgrund konventionswidrig überlanger Verfahrensdauer sei wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht übertragbar. Beide dienten nicht nur und nicht in erster Linie der Wiedergutmachung, vielmehr vor allem der Prävention. Dies spreche dafür, auch hier eine Unpfändbarkeit anzunehmen, weil andernfalls die Zweckbindung des Entschädigungsanspruchs verfehlt werde. Hierfür spreche auch der Um- stand, dass die Beklagte andernfalls zwangsläufig selbst in Höhe der Insolvenzquote an ihrer Entschädigungsleistung teilhätte, weil sie Verfahrenskosten aus dem der Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegenden Vorverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet habe.
- 10
- Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte im Falle der Zahlung an den Insolvenzverwalter und anschließender Rückforderung des gezahlten Betrages vom Schuldner im Rahmen des Überwachungsverfahrens nach Art. 46 Abs. 2 EMRK Sanktionen ausgesetzt sein könnte.
- 11
- zuerkannten Die Ansprüche auf Ersatz von Kosten seien ebenfalls zweckgebundene Leistungen. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Gerichtshof sollten Aufwendungen ersetzt werden, die dem Insolvenzschuldner zum Zwecke der Durchsetzung seines Anspruchs wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention entstanden seien. Der zugesprochene Entschädigungsanspruch wegen der übrigen Verfahrenskosten sei zweckgebunden, weil er die Mehrkosten des Schuldners wegen der überlangen Verfahrensdauer im Ausgangsverfahren ausgleichen solle. Diesem Zweck werde er nicht gerecht, wenn die Entschädigung zur Erfüllung von Forderungen der Insolvenzgläubiger einschließlich derjenigen der Beklagten dienen müsste.
II.
- 12
- Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend für zulässig erachtet. Das wird von den Parteien des Revisionsverfahrens nicht in Zweifel gezogen.
- 13
- Der Klage steht insbesondere nicht die formelle Rechtskraft des Urteils des Gerichtshofs gemäß Art. 44 EMRK entgegen. Bei der vom Gerichtshof ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, an den Beschwerdeführer binnen drei Monaten, nachdem das Urteil nach Art. 44 Abs. 2 EMRK endgültig wird, 59.000 € nebst Steuern und Zinsen zu zahlen, handelt es sich um ein Leistungsurteil (Obresek, EuGRZ 2003, 168, 169; Matscher, EuGRZ 1982, 517, 525; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 23, 42). Die Beklagte ist gemäß Art. 41 EMRK verpflichtet, an den erfolgreichen Beschwerdeführer die angeordnete Zahlung zu leisten (BVerfGE 111, 307, 322).
- 14
- Der Kläger kann jedoch, seine Aktivlegitimation an Stelle des Schuldners unterstellt, ebenso wie der Schuldner selbst aus diesem Urteil nicht vollstrecken. In dem Urteil ist der Kläger schon nicht als Gläubiger bezeichnet. Eine Titelumschreibung kommt nicht in Betracht. Nach der Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004 tritt der Insolvenzverwalter nicht an Stelle des antragstellenden Schuldners in das Verfahren der Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK beim Gerichtshof ein.
- 15
- Zudem ist das Urteil des Gerichtshofs in Deutschland schon dem Grunde nach nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar. Den Leistungsanordnungen des Gerichtshofs fehlt eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung (Cremer in Grote/Marauhn, Konkordanzkommentar EMRK/GG Kap. 32 Rn. 83). Die Frage der Vollstreckung ist vielmehr dem jeweiligen staatlichen Recht überlassen (vgl. BVerfGE 111, 307, 318 f, 322 f; Papier, EuGRZ 2006, 1, 2 f; Wittinger, NJW 2001, 1238, 1239; Cremer in Grote/Marauhn, aaO Kap. 32 Rn. 83).
- 16
- Das nationale deutsche Recht sieht keine Möglichkeit vor, Urteile des Gerichtshofs für vollstreckbar zu erklären. Eine spezialgesetzliche Regelung, etwa im Zustimmungsgesetz, liegt nicht vor. §§ 704 ff bzw. §§ 722 ff ZPO gelten für inländische Urteile bzw. für Urteile ausländischer Gerichte, nicht aber für Urteile von Gerichten, die unter Beteiligung Deutschlands durch internationale Abkommen geschaffen wurden (Cremer in Grote/Marauhn, aaO). Selbst wenn der Gläubiger Vollstreckungsklage erheben könnte, kann er jedenfalls auch im Wege der Leistungsklage vorgehen (BGH, Urteil vom 20. März 1964 - V ZR 34/62, NJW 1964, 1626; Beschluss vom 16. Mai 1979 - VIII ZB 41/77, NJW 1979, 2477; Urteil vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85, NJW 1987, 1146; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. § 722 Rn. 41; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 722 Rn. 96; Hk-ZPO/Kindl, 4. Aufl. §§ 722, 723 Rn. 7).
- 17
- Die Pflicht der Beklagten, das Urteil des Gerichtshofs zu beachten, ergibt sich aus Art. 46 Abs. 1 EMRK. Kommt die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nach, hat der durch die Entscheidung Begünstigte jedoch innerstaatlich die Möglichkeit, die Leistungspflicht der Beklagten durchzusetzen. Dies ergibt sich aus der Geltungsanordnung des Zustimmungsgesetzes zur EMRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 f, 322 f). Der aus dem Urteil des Gerichtshofs Berechtigte hat aus dessen Leistungsausspruch einen innerstaatlich auf dem Zivilrechtsweg (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) durchsetzbaren Anspruch erworben (Cremer in Grote/Marauhn, aaO).
III.
- 18
- Das Berufungsgericht hält jedoch rechtlicher Prüfung hinsichtlich der Begründetheit der Klage nicht in vollem Umfang stand. Die Klage ist hinsichtlich der vom Gerichtshof zuerkannten Kosten in Höhe von 10.000 € sowie der anteilig hierauf entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.
- 19
- 1. Der Gerichtshof hat zwar in seinem Urteil ausgesprochen, dass die festgestellte Zahlung an den Schuldner zu erfolgen hat. Dabei sind jedoch die Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners aus verfahrensrechtlichen Gründen außer Betracht geblieben. Das Insolvenzverfahren hatte auf das Verfahren vor dem Gerichtshof keinen Einfluss (Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004).
- 20
- 2. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der vom Gerichtshof festgesetzten Entschädigung in Höhe von 10.000 € verlangen, weil der Anspruch auf Zahlung dieser Entschädigung in die Insolvenzmasse fiel und die Beklagte nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Schuldner geleistet hat.
- 21
- In die Insolvenzmasse fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, und was er im Laufe des Verfahrens erlangt. Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen.
- 22
- Soweit der zugesprochene Entschädigungsanspruch zur Insolvenzmasse gehörte, konnte die Beklagte gemäß § 82 InsO nicht mit befreiender Wirkung an den Schuldner persönlich leisten, weil ihr im Zeitpunkt der Zahlung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen bekannt war. Sie hätte, um der Ungewissheit über die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung an den Schuldner zu entgehen, den Entschädigungsbetrag zugunsten des Schuldners und der Masse unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegen können (§§ 378, 376 Abs. 2 Nr. 1, § 372 Satz 2 BGB).
- 23
- a) Die Frage, ob die dem Schuldner zugesprochenen Beträge zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehören oder in die Masse fallen, ergibt sich nicht aus der EMRK, sondern richtet sich nach dem nationalen deutschen Recht.
- 24
- aa) Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass die unter Anwendung von Art. 41 EMRK festgesetzte und aufgrund eines Urteils des Gerichtshofs geschuldete Entschädigung unpfändbar sein sollte. Gleichzeitig hat er aber klargestellt, dass die Entscheidung dieser Frage dem jeweiligen Konventionsstaat obliegt (EGMR, NJW 2001, 56 Rn. 133).
- 25
- Die Aussage betraf die konkrete Frage, ob der Konventionsstaat, der zur Zahlung einer Entschädigung an den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen Art. 3 EMRK (dort: Folter in Polizeihaft) verurteilt wird, diesen Anspruch des Beschwerdeführers aufgrund eigener Forderungen gegen den Beschwerdeführer aus einer Zollstrafe pfänden kann. Der Gerichtshof hat das mit der Begründung abgelehnt, dass in einem solchen Fall der Zweck der Entschädigung verfehlt und das System des Art. 41 EMRK pervertiert würde, wenn nämlich dadurch der Konventionsstaat Schuldner und Gläubiger der Entschädigung zugleich würde.
- 26
- Es liegt nahe, diese Sichtweise auf die Verletzung anderer Menschenrechte nach der EMRK zu übertragen. Mag der Verstoß gegen das Folterverbot (Art. 3 EMRK) auch schwerwiegender erscheinen als ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren durch überlange Verfahrensdauer (Art. 6 EMRK), so verbietet sich gleichwohl eine qualitative Unterscheidung von Verstößen gegen die unterschiedlichen von der Konvention geschützten Menschenrechte.
- 27
- Die vom Gerichtshof missbilligte Folge der Pfändung lag seinerzeit darin, dass die Entschädigung vollen Umfangs gerade dem schädigenden Staat zugeflossen wäre, der Beschwerdeführer durch das Urteil also keinen Ausgleich erhalten , der Konventionsstaat im Ergebnis keinen Nachteil erlitten hätte.
- 28
- Das entspricht Billigkeitserwägungen im deutschen Recht, wie sie etwa in § 393 BGB Ausdruck finden. Soll der zugesprochene Betrag jedoch - wie hier - anderen Gläubigern zugute kommen, die sich die Konventionsverletzungen nicht zurechnen lassen müssen, ist dieser Gedanke nicht ohne weiteres übertragbar. Es muss deshalb als völlig offen erscheinen, wie der Gerichtshof im vorliegenden Fall - wenn auch außerhalb seiner Entscheidungskompetenz - die Frage beurteilen würde, ob der Entschädigungsanspruch in die Masse fällt. Soweit die Beklagte selbst Insolvenzgläubigerin ist, ist ihre Forderung im Verhältnis zur Gesamtsumme der angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen jedenfalls so gering, dass allenfalls ein sehr kleiner Teil der Entschädigung an sie zurückfließen könnte. Selbst dies ließe sich dadurch verhindern, dass die Entschädigungssumme bei der Verteilung nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt würde.
- 29
- bb) Der Gerichtshof hat jedenfalls unmissverständlich klargestellt, dass die Entscheidung über die Frage der Pfändbarkeit den nationalen Behörden oder Gerichten des Konventionsstaats zusteht. Seine gleichwohl geäußerte Rechtsmeinung hat demzufolge nach eigener Auffassung keine Bindungswirkung. Eine Unpfändbarkeit der Forderung kann folglich nicht aus der innerstaatlichen Geltung der EMRK hergeleitet werden, weil der Gerichtshof selbst eine solche Folge aus ihr nicht abzuleiten vermag (Meyer-Ladewig, aaO Art. 41 Rn. 42).
- 30
- Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben allerdings besondere Bedeutung für das Konventionsrecht als Völkervertragsrecht , weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt (BVerfGE 111, 307, 319). Sie entfalten deshalb eine normative Leit- und Ordnungsfunktion. Die EMRK hat innerhalb des deutschen Rechts den Rang einfachen Bundesrechts. Sie steht unterhalb der Verfassung, entfaltet aber als geltendes Gesetzesrecht bindende Wirkung gegenüber den Staatsorganen , die durch das im Grundgesetz niedergelegte Gebot der Völkerrechtsoffenheit und Völkerrechtsfreundlichkeit verstärkt wird (Papier, EuGRZ 2006, 1).
- 31
- Die Rechtswirkungen der Entscheidungen des Gerichtshofs bemessen sich aber nach dem Inhalt der von ihm auszulegenden Konvention. Enthält diese für die hier zu entscheidende Frage nach den Feststellungen des Gerichtshofs keine Aussage, fehlt es insoweit auch an einer Ordnungs- und Leitfunktion (vgl. BVerfGE 111, 307, 319).
- 32
- b) Die dem Schuldner zugesprochene Entschädigung ist jedoch nach innerstaatlichem Recht in Höhe von 49.000 € unpfändbar und fällt deshalb nicht in die Masse. Dies betrifft die zuerkannten 45.000 € für den immateriellen Schaden sowie die 4.000 € für die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof. Die weiter zuerkannten 10.000 € für Mehrkosten bei dem vorangegangenen innerstaatlichen Verfahren sind dagegen pfändbar und fallen demzufolge in die Masse.
- 33
- aa) Nach deutschem Recht sind Ansprüche wegen immaterieller Schäden übertragbar und pfändbar. Das gilt auch für Staatshaftungsansprüche, soweit diese auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind.
- 34
- Durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1980 (BGBl. I S. 478) wurde § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB damaliger Fassung gestrichen und damit der Schmerzensgeldanspruch vererblich und frei übertragbar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, NJW 1995, 783) und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar. Daran hat sich durch die Neufassung und Erweiterung der gesetzlichen Grundlagen für Ansprüche wegen immaterieller Schäden durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) nichts geändert. § 253 Abs. 2 BGB enthält keine Einschränkung der Übertragbarkeit mehr. Die Übertragbarkeit ergibt sich damit in vollem Umfang aus der genannten Entstehungsgeschichte.
- 35
- ist Es deshalb allgemein anerkannt, dass Schmerzensgeldansprüche pfändbar sind und gegebenenfalls in die Insolvenzmasse fallen (Palandt/Grüneberg , BGB 70. Aufl. § 253 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Oetker, 5. Aufl. § 253 Rn. 66; Erman/Ebert, BGB 12. Aufl. § 253 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Lwowski/ Peters, 2. Aufl. § 35 Rn. 427; HK-InsO/Eickmann, 5. Aufl. § 36 Rn. 48).
- 36
- bb) Ob für die Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts etwas anderes gilt, wie das Berufungsgericht annimmt, erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen.
- 37
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein durch Art. 1 und 2 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes sonstiges Recht. Es dient in erster Linie dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit, das auch durch - allerdings subsidiäre - Schadensersatzansprüche gesichert wird, die auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet sind. Dieser Ausgleich ist kein Schmerzensgeldanspruch, sondern ein Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 GG zurückgeht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 218).
- 38
- Soweit die Persönlichkeitsrechte dem Schutz ideeller Interessen dienen, sind sie unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliches Recht unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererbbar. Dementsprechend sind sie auch nicht pfändbar. Dagegen sind die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht in derselben Weise unauflöslich an die Person des Trägers gebunden. Ob sie unter Lebenden übertragbar sind, hat der Bundesgerichtshof dahingestellt sein lassen; er hat jedoch die Vererblichkeit bejaht (BGH, aaO S. 220 f; Urteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 Rn. 12 f).
- 39
- Vergleichbar ist aber - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht die Frage nach der Übertragbarkeit essentieller Bestandteile des Persönlichkeitsrechts , aus dem sich künftig Ansprüche ergeben könnten. Vergleichbar ist allein die Frage, ob bereits entstandene Zahlungsansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts übertragbar sind.
- 40
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmerte. Es steht deshalb der Gesichtspunkt der Genugtuung im Vordergrund, zusätzlich der Gedanke der Prävention, während der Ausgleichsgedanke in den Hintergrund tritt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 aaO Rn. 13). Die Abtretung eines schon bestehenden Geldzahlungsanspruchs ändert nichts daran, dass das Persönlichkeitsrecht seinen Träger weiter in vollem Umfang schützt.
- 41
- cc) Der Pfändbarkeit des nach Art. 41 EMRK zuerkannten Anspruchs wegen immaterieller Schäden steht jedoch gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB entgegen, dass die Leistung an einen Dritten, hier den Insolvenzverwalter zur Masse, nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
- 42
- Eine Forderung ist dann nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die nur er selbst erheben kann, wenn - anders als bei höchstpersönlichen Ansprüchen - ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, NJW 1986, 713, 714; vom 4. Dezember 2009 - V ZR 9/09, NJW-RR 2010, 1235 Rn. 12 mwN). In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe. Hier liegt ein Fall der letzten Gruppe vor. Die geschuldete Leistung ist mit der Person des Gläubigers derart verknüpft , dass die Leistung an einen anderen Gläubiger, hier den Kläger als Insolvenzverwalter , sie als eine andere Leistung erscheinen lassen würde.
- 43
- Der Anspruch nach Art. 41 EMRK entsteht nicht von Gesetzes wegen, sondern durch eine konstitutive Ermessensentscheidung des Gerichtshofs. Diese knüpft an eine festgestellte Menschenrechtsverletzung zu Lasten des Indivi- dualbeschwerdeführers durch den Vertragsstaat an, für die das innerstaatliche Recht nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestattet, oder zumindest bis zum Urteil des Gerichtshofs nicht erbracht hat (Meyer-Ladewig, aaO Rn. 4; Urteil des Gerichtshofs Rn. 48 ff). Die Zuerkennung liegt im billigen Ermessen des Gerichtshofs und zielt auf eine gerechte Entschädigung, die einen Ausgleich im Hinblick auf die immateriellen Schäden wegen der erlittenen Menschenrechtsverletzung bewirken soll.
- 44
- Gerichtshof Der hat im vorliegenden Fall wegen eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen Art. 6 EMRK und des Umstands, dass der Beschwerdeführer fast während des gesamten Berufslebens das verschleppte Verfahren hat führen müssen, nach Billigkeit entschieden. Er hat die Feststellung der Menschenrechtswidrigkeit, die schon durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt war, nicht für ausreichend erachtet, um die Opfereigenschaft des Schuldners entfallen zu lassen (Rn. 48). Der von ihm bezweckte Ausgleich der persönlichen langjährigen Beeinträchtigungen und der dadurch bewirkten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung könnte nicht erreicht werden, wenn der Ausgleichsanspruch in die Masse fiele. Die Entschädigung sollte unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausdrücklich dem Schuldner zugute kommen. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gerichtshof diesen Anspruch zugebilligt hätte, wenn anstelle des Schuldners der Kläger das Beschwerdeverfahren für die Masse hätte aufnehmen und fortführen können. Die Insolvenzgläubiger haben allein dadurch, dass der Schuldner in seinen Menschenrechten verletzt wurde, weder materielle noch immaterielle Einbußen erlitten, die ausgeglichen werden sollten. Die Auszahlung des zuerkannten Betrages an einen Vollstreckungsgläubiger oder die Masse würde deshalb den Leistungsinhalt grundlegend verändern (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 41 Rn. 97; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, aaO Bd. 8 Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393).
- 45
- dd) § 399 Abs. 1 BGB steht dagegen der Abtretbarkeit nicht entgegen, soweit dem Schuldner 10.000 € als Ausgleich für Mehrkosten in dem vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren gewährt worden sind. Zweck dieser Zahlung ist es nicht, die Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners zu kompensieren ; sie dient vielmehr der Abdeckung höherer Kosten, ist also mittelbar auch zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners bestimmt. Sind diese bislang ganz oder teilweise nicht befriedigt, sind sie Insolvenzgläubiger, die ihre Ansprüche zur Tabelle anmelden müssen, um wenigstens die Insolvenzquote realisieren zu können. Ein Vorrang gegenüber anderen Gläubigern kommt ihnen nach der Insolvenzordnung nicht zu. Es läuft deshalb jedenfalls dem Zweck der angeordneten Zahlung nicht zuwider, dass der Betrag in die Masse fällt und auf diese Weise die Befriedigungschancen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger erhöht. Die Zahlung in die Masse lässt diese nicht als eine andere Leistung im Sinne des § 399 Abs. 1 BGB erscheinen.
- 46
- Sind die entsprechenden Gläubiger bereits in nicht anfechtbarer Weise befriedigt, bedarf der Schuldner des Betrags nicht mehr zur unmittelbaren Verwirklichung des ihm beigelegten Zweckes. Ihm werden dann lediglich entstandene Auslagen erstattet. Einen Ausgleich höchstpersönlicher Beeinträchtigungen verfolgt die Zahlung auch dann nicht. Wird der Betrag zur Masse gezahlt und an andere Gläubiger des Insolvenzschuldners ausgeschüttet, ändert sich an der Identität der Leistung nichts (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein /Peukert aaO; Gollwitzer aaO). Eine andere Behandlung als in sonstigen Fällen des Neuerwerbs durch Kostenerstattung ist nicht veranlasst.
- 47
- ee) Der zuerkannte Betrag von 4.000 € zum Ausgleich der Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof ist dagegen insgesamt als nicht pfändbar, weil nicht übertragbar anzusehen.
- 48
- Die dem Insolvenzschuldner für das Verfahren vor dem Gerichtshof zuerkannten Kostenerstattungsansprüche dienen nicht allein der begehrten Ausurteilung von Zahlungspflichten, sondern vorrangig und schwerpunktmäßig der erfolgten Feststellung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzung. Sie dienen zwar auch der Festsetzung der Erstattung von Mehrkosten in dem Vorverfahren ; eine entsprechende Quotelung dieses Entschädigungsanspruchs verbietet sich jedoch schon wegen der insoweit aufs Ganze betrachtet untergeordneten Bedeutung dieser Mehrkostenerstattung.
- 49
- Fielen die zu erstattenden Kosten anteilig in die Masse, müsste dem Schuldner ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kläger in der Form einer Masseverbindlichkeit zuerkannt werden, weil er insoweit - Erstattung der Mehrkosten in dem Vorverfahren -, die Geschäfte des Insolvenzverwalters geführt hat (§§ 670, 677, 681 BGB). Denn die Geltendmachung von Ansprüchen der Masse obliegt nach deutschem Recht dem Verwalter auf Kosten und Risiko der Masse.
- 50
- 3. Die von der Beklagten behauptete Abtretung des Anspruchs an Frau K. , die der Kläger bestritten hat, steht der Klageforderung nicht entgegen. Ausweislich der vorgelegten Abtretungsurkunde sollte der Schuldner unwiderruflich berechtigt bleiben, die Forderung gerichtlich geltend zu machen; ihm wurde Prozessführungsbefugnis erteilt. Er war ermächtigt, die Forderung weiterhin im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist, soweit die Forderung abtretbar ist, zulässig (Zöller/Vollkommer, aaO Vor § 50 Rn. 45 f mwN). Die Insolvenz des Schuldners hat die Einziehungsermächtigung nicht berührt (Zöller /Vollkommer, aaO). § 116 InsO findet nur Anwendung, wenn der Schuldner Geschäftsherr, nicht wenn er Geschäftsbesorger ist (MünchKomm-InsO/ Ott/Vuia, aaO § 116 Rn. 4). Die Geschäftsbesorgungsbefugnis ist als Teil der Verwaltungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger übergegangen. Die Beklagte behauptet nicht, der Kläger habe die Erfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 103 InsO abgelehnt (zur Anwendbarkeit vgl. MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO). Ebenfalls ist zu einer anderweitigen Beendigung der Einziehungsermächtigung nichts Substantiiertes vorgetragen. Ob die streitige Abtretungserklärung überhaupt in der behaupteten Weise abgegeben wurde, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
- 51
- 4. Hinsichtlich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten, die der Höhe nach nicht bestritten sind, ist aus Verzug gemäß § 280 Abs. 2, § 286 BGB der Anteil zu erstatten, der dem Obsiegen in der Hauptsache entspricht, also 17 v.H. von insgesamt 2.028,36 €, zusammen 344,82 €.
- 52
- Zinsen auf die Hauptsache sind gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB ab 16. August 2007 zu zahlen. Verzug ist infolge des Mahnschreibens des Klägervertreters vom 30. Juli 2007 mit Fristsetzung zum 15. August 2007 eingetreten.
- 53
- 5. Sanktionen des Ministerkomitees gegen die Beklagte nach Maßgabe des Art. 46 EMRK sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts selbst dann nicht zu befürchten, wenn diese im Umfang ihrer Verurteilung nach Auszahlung an den Kläger Rückforderungsansprüche gegen den Schuldner, die aus dessen insolvenzfreiem Vermögen zu erbringen wären, geltend machen und durchsetzen würde. Denn die Frage der Pfändbarkeit und damit der Massezugehörigkeit von Entschädigungen nach Art. 41 EMRK ist, auch nach der angeführten Auffassung des Gerichtshofs, nach nationalem Recht zu beurteilen.
IV.
- 54
- Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 27.02.2008 - 23 O 382/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.08.2009 - 22 U 81/08 -
Gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbands ist die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung in Anspruch.
- 2
- Der Kläger befindet sich zur Verbüßung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren wegen schweren Raubes in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt B. . Dort war er in der Zeit vom 17. Januar bis 1. August 2006 (mit Ausnahme eines Krankenhausaufenthalts vom 2. bis zum 15. Februar 2006) in einer 9,09 m² großen Gemeinschaftszelle mit einem weiteren Strafgefangenen untergebracht. Die in dieser Zelle befindliche Toilette war lediglich durch einen Sichtschutzvorhang abgetrennt. Das beklagte Land ist dem Vorwurf der Amts- pflichtverletzung, des Verstoßes gegen die Menschenwürde und der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers entgegen getreten und hat hilfsweise die Aufrechnung mit einer - unstreitigen - Gegenforderung auf Erstattung der von dem Kläger zu tragenden Kosten des Strafverfahrens erklärt. Der Kläger hält diese Aufrechnung für unzulässig.
- 3
- Die Vorinstanzen haben dem Kläger aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung des Beklagten (§ 839 BGB, Art. 34 GG) übereinstimmend eine Entschädigung in Höhe von 3.000 € zugesprochen. Das Landgericht hat die Hilfsaufrechnung des Beklagten für begründet erachtet und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung verurteilt.
- 4
- Mit seiner - insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision wendet sich das beklagte Land gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Aufrechnung eine gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung darstelle.
Entscheidungsgründe
- 5
- Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht (VersR 2009, 360) hat ausgeführt, der Aufrechnung des beklagten Landes stehe § 394 Satz 1 BGB nicht entgegen, weil der Anspruch des Klägers der Pfändung unterworfen sei. Ob die Aufrechnung gemäß § 393 BGB ausgeschlossen sei, könne offen bleiben. Denn jedenfalls stelle sich die Aufrechnung des Beklagten als gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus einem Eingriff in seine durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde. Bereits die überragende Bedeutung dieses Grundrechts schließe eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung aus einer einfachgesetzlichen Regelung aus. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der Zubilligung einer Geldentschädigung bei Verletzung der Menschenwürde gerade der Gedanke der Genugtuung des Verletzten und der Sanktionierung des Grundrechtsverstoßes zu Grunde liege. Diesen Funktionen würde man nicht gerecht, wenn man eine Aufrechnung des beklagten Landes zuließe. Die Verletzung der Ehre und Würde des einzelnen Strafgefangenen bliebe dann nämlich letztlich ohne spürbare Sanktion. Bei der Gegenforderung des Beklagten handele es sich ihrerseits auch nicht um einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung - was im Rahmen der bei § 242 BGB anzustellenden "Gegenabwägung" bedeutsam sein könne -, da sie nicht aus einer unerlaubten Handlung des Klägers gegenüber dem Beklagten herrühre.
II.
- 7
- Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Aufrechnung des beklagten Landes beschränkt (siehe dazu Senat, Urteil vom 30. November 1995 - III ZR 240/94 - NJW 1996, 527 m.w.N.; Zöller/Heßler, ZPO 27. Aufl., § 543 Rn. 24). Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es dem Land, das auf Zahlung einer Geldentschädigung für immaterielle Schäden aufgrund unwürdiger Bedingungen der Haftunterbringung in Anspruch genommenen wird, gemäß § 242 BGB grundsätzlich verwehrt ist, gegenüber diesem Anspruch mit einer Gegenforderung auf Erstattung von offenen Strafverfahrenskosten aufzurechnen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 8
- Die Aufrechnung ist nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn sie nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint (Senatsurteil BGHZ 95, 103, 113 m.w.N.; BGHZ 113, 90, 93; BGH, Urteil vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - NJW 2002, 1130, 1132; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 387 Rn. 15; Erman/Wagner, BGB Band 1, 12. Aufl., § 387 Rn. 33 ff).
- 9
- So liegt es auch hier.
- 10
- 1. Das aus § 242 BGB (unzulässige Rechtsausübung) hergeleitete Aufrechnungshindernis folgt für die vorliegend zu entscheidende Fallgestaltung - unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtung der hierbei relevanten Umstände (insbesondere: Verschulden) - aus der Funktion und dem Zweck des Geldentschädigungsanspruchs wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses.
- 11
- Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 161, 33, 35 ff; Beschlüsse vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - NJW 2006, 1289 und vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 - NJW 2006, 3572) steht dem Betroffenen unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) ein Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden infolge menschenunwürdiger Haftbedingungen zu, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung ein Mindestmaß an Schwere erreicht hat und nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann, wobei - ebenso wie bei einem Geldentschädi- gungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen sind. Der Anspruch auf Geldentschädigung gründet auf dem Schutzauftrag der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dient vornehmlich der Genugtuung des Verletzten, aber auch den Zwecken der wirksamen Sanktion und Prävention (Senat aaO BGHZ 161, 33, 35 ff; allgemein: BGHZ 128, 1, 12, 15; 143, 214, 218 f; 160, 298, 302 f, 306; 165, 203, 204 f, 206 f, 210 f).
- 12
- a) Um seine Funktionen der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention - in dem Sinne, dass der verpflichtete Staat dazu angehalten wird, menschenunwürdige Haftbedingungen von vornherein zu vermeiden oder aber (zumindest ) alsbald zu beseitigen und nicht länger fortdauern zu lassen - wirksam wahrnehmen zu können, muss der Geldentschädigungsanspruch für den ersatzpflichtigen Staat spürbare Auswirkungen haben. Daran fehlte es vielfach, wenn die Erfüllung des Geldentschädigungsanspruchs im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Strafverfahrenskosten herbeigeführt werden könnte. Sehr viele Strafgefangene sind vermögenslos und - wie hier - bei der Verfolgung ihrer Entschädigungsansprüche auf Prozesskostenhilfe angewiesen. Die Ansprüche des Staates auf Erstattung von Kosten des Strafverfahrens sind in all diesen Fällen im Grunde uneinbringlich und bei wirtschaftlicher Betrachtung wertlos. Könnte sich der Staat hier seiner Entschädigungsverpflichtung durch Aufrechnung entledigen, so könnte von einem echten Vermögensopfer nicht gesprochen werden; auch enthielte der Geschädigte keinen wirklichen materiellen Ausgleich für den erlittenen Eingriff. Dass die Forderungen des Staates infolge der Aufrechnung ebenso verringert würden wie die Verbindlichkeiten des Betroffenen (§ 389 BGB), wirkte sich in dieser Situation gleichsam nur "buchhalterisch" aus, ohne dass dies von den Beteiligten wirt- schaftlich als Vor- oder Nachteil empfunden würde. Nehmen darüber hinaus die Forderungen des Staates gegen den Betroffenen auf Erstattung offener Strafverfahrenskosten - wie nicht selten und so auch hier (24.398,87 €) - einen beträchtlichen Umfang ein, so liegt die Besorgnis nicht fern, dass der ersatzpflichtige Staat aufgetretene menschenunwürdige Haftbedingungen nicht so zügig wie geboten beseitigt, sondern (aus fiskalischen Gründen) längere Zeit hinnimmt und hierdurch nicht nur die Genugtuungs- und Sanktionsfunktion, sondern auch die Präventivfunktion des Entschädigungsanspruchs beeinträchtigt wird.
- 13
- b) Hinzu treten folgende Erwägungen:
- 14
- Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen gründet auf einem besonderen Rechtsverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Staat, das einerseits von intensiven Eingriffs- und Anweisungsbefugnissen gekennzeichnet ist, die weit in die persönliche Lebensführung des Gefangenen hineinreichen, andererseits aber dem Staat besondere Fürsorgepflichten, insbesondere für Leben und Gesundheit des Gefangenen, auferlegt (vgl. Staudinger/Wurm, BGB, Neubearb. 2007, § 839 Rn. 665). Dabei gehört die Pflicht, den Häftling menschenwürdig unterzubringen, zu den Kardinalpflichten der Justizvollzugsorgane. Der aus der Verletzung dieser Pflicht sich ergebende Entschädigungsanspruch erfordert eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Betroffenen, die weit über die mit der Haft als solche verbundenen Belastungen hinausgeht.
- 15
- Bei der gebotenen wertenden Gesamtschau liegt diesem Anspruch im Allgemeinen auch ein erhebliches Verschulden der verantwortlichen Staatsorgane zugrunde, das durchaus als "vorsatznah" einzustufen ist, mit der Folge, dass die Frage des Verbots der Aufrechnung nach § 393 BGB im Raum steht. Den Justizvollzugsbeamten der betroffenen Vollzugsanstalt sind regelmäßig - wie auch hier, worauf der Revisionsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hingewiesen hat (Schreiben der Justizvollzugsanstalt B. vom 13. Juni 2006); auch das Berufungsgericht hat dies letztlich nicht anders gesehen - die tatsächlichen Umstände der Unterbringung bekannt und die Rechtswidrigkeit der Art und Weise dieser Unterbringung bewusst. Die Notlage , die darauf beruht, dass in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt nicht genügend Haftplätze zur Verfügung stehen, mag zwar dazu führen, dass die Beamten "vor Ort" nicht vorsätzlich im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln; dies kann aber den Staat - unter dem Aspekt des Organisationsverschuldens - nicht entscheidend entlasten (vgl. Senat BGHZ 161, 33, 35; Beschluss vom 21. Dezember 2005 aaO Rn. 4).
- 16
- 2. Da dem beklagten Land die Aufrechnung mit der Kostenforderung nach § 242 BGB versagt ist, kommt es nicht (mehr) darauf an, ob der Kläger den Nachweis führen könnte, dass einzelne Beamte der haftenden Anstellungskörperschaft vorsätzlich gehandelt haben, und somit dem beklagten Land die Aufrechnung nach § 393 BGB verboten wäre. Dabei trifft es entgegen der Auffassung der Revision nicht zu, dass die der Bestimmung des § 393 BGB zugrunde liegende gesetzgeberische Wertentscheidung unterlaufen wird, wenn in Fällen der vorliegenden Art ein grundsätzliches Aufrechnungshindernis aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) hergeleitet wird. Der Umstand, dass (noch) nicht von einer das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB auslösenden Vorsatztat ausgegangen werden kann, hindert nicht daran, bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs neben der Gewährleistung der Funktionen und des Zwecks des Geldentschädigungsanspruchs sowie den Besonderheiten des zwischen der Landesjustizverwaltung und dem Strafgefangenen bestehenden Rechtsverhältnisses auch die dem Gesamtgeschehen anhaftende "Vorsatznähe" in den Blick zu nehmen.
- 17
- 3. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist der aus § 242 BGB hergeleitete Einwand gegen die Aufrechnung des beklagten Landes hier - unter dem Aspekt einer "Gegenabwägung" - nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auf Zahlung offener Kosten des Strafverfahrens ihrerseits als eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (des Klägers) darstellte. Denn Forderungen des Staates auf Zahlung von Strafverfahrenskosten sind keine Ansprüche, die aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung gegenüber dem Staat hervorgegangen sind.
Hucke Tombrink
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 19.02.2008 - 2 O 559/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.12.2008 - 12 U 39/08 -
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbands ist die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. August 2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 344,82 € vorgerichtlicher Kosten zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 83 v.H., die Beklagte 17 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 24. Februar 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Zu diesem Zeitpunkt war eine Individualbeschwerde des Schuldners beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, mit welcher der Schuldner einen Verstoß gegen sein Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wegen der langen Dauer eines von ihm betriebenen Amtshaftungsprozesses geltend machte. Der Kläger teilte dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (fortan: Gerichtshof) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit und begehrte Rubrumsberichtigung. Der Gerichtshof teilte mit, auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren bleibe der Schuldner Antragsteller, der Abwickler (Insolvenzverwalter) trete in dem Verfahren vor dem Gerichtshof nicht an dessen Stelle.
- 2
- Mit Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006 wurde die Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt und der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland) aufgegeben, dem Schuldner eine angemessene Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden in Höhe von 45.000 € zu zahlen, außerdem 10.000 € Mehrkosten bezüglich der vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren zu erstatten sowie 4.000 € Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof, jeweils zuzüglich Zinsen und gegebenenfalls Umsatzsteuer.
- 3
- Der Aufforderung des Klägers, diese Beträge von insgesamt 59.000 € an der Masse auszubezahlen, kam die Beklagte nicht nach. Sie zahlte an den Schuldner persönlich und vertrat die Auffassung, die zugesprochenen Beträge seien zweckgebunden, deshalb nicht abtretbar, nicht pfändbar und fielen nicht in die Masse. Sie behauptet, der Anspruch sei vom Schuldner bereits am 27. März 2001 an Frau K. abgetreten worden.
- 4
- Der Kläger verlangt Auszahlung der streitigen 59.000 € an ihn, weil die Beklagte an den Schuldner nicht mit befreiender Wirkung habe leisten können, außerdem Erstattung von 2.028,36 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Verwalter sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 6
- Die Revision ist zulässig. In die versäumte Frist zur Einlegung der Revision hat der Senat Wiedereinsetzung gewährt. Mit Zustellung dieses Beschluss vom 23. November 2010 begann die Revisionsbegründungsfrist zu laufen (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, BGHZ 173, 14 Rn. 13; vom 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07, BGHZ 176, 379 Rn. 7 ff). Die Revisionsbegründung ist am 23. Dezember 2010 fristgerecht eingegangen. Der beantragten Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist bedarf es deshalb nicht.
B.
- 7
- Die Revision ist in Höhe von 10.344,82 € begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet (veröffentlicht unter anderem in ZIP 2009, 1873). Es hat gemeint, die Forderung des Schuldners sei, ihre vom Kläger behauptete Nichtabtretung an Frau K. unterstellt, durch die Zahlung der Beklagten erloschen. Die Beklagte habe zwar Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt. Die Verbindlichkeit sei jedoch nicht zur Masse zu erfüllen gewesen. Dies folge aus der in dem Urteil des Gerichtshofs festgestellten besonders schweren Verletzung des Art. 6 EMRK und der Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners. Der zuerkannte Entschädigungsbetrag sei nicht gemäß § 399 BGB übertragbar und gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar.
- 9
- Der Gerichtshof könne nach Art. 41 EMRK nur der verletzten Person eine Entschädigung zusprechen. Nach innerstaatlichem Recht seien zwar Staatshaftungsansprüche grundsätzlich auch dann übertragbar und pfändbar, wenn sie auf der Verletzung immaterieller Rechtsgüter beruhen und auf Ersatz immaterieller Schäden gerichtet seien. Die Entschädigung nach Art. 41 EMRK werde aber zum Ausgleich solcher Schäden zuerkannt, deren Wiedergutmachung die nationale (deutsche) Rechtsordnung nur unvollkommen gestatte. Dies spreche dafür, den Entschädigungsanspruch solchen Ansprüchen gleichzustellen , die nicht der Pfändung unterliegen, wie etwa - vom Schmerzensgeld zu unterscheidende - Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des nicht übertragbaren allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Die vom Gericht festgestellte Opfereigenschaft des Schuldners aufgrund konventionswidrig überlanger Verfahrensdauer sei wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht übertragbar. Beide dienten nicht nur und nicht in erster Linie der Wiedergutmachung, vielmehr vor allem der Prävention. Dies spreche dafür, auch hier eine Unpfändbarkeit anzunehmen, weil andernfalls die Zweckbindung des Entschädigungsanspruchs verfehlt werde. Hierfür spreche auch der Um- stand, dass die Beklagte andernfalls zwangsläufig selbst in Höhe der Insolvenzquote an ihrer Entschädigungsleistung teilhätte, weil sie Verfahrenskosten aus dem der Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegenden Vorverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet habe.
- 10
- Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte im Falle der Zahlung an den Insolvenzverwalter und anschließender Rückforderung des gezahlten Betrages vom Schuldner im Rahmen des Überwachungsverfahrens nach Art. 46 Abs. 2 EMRK Sanktionen ausgesetzt sein könnte.
- 11
- zuerkannten Die Ansprüche auf Ersatz von Kosten seien ebenfalls zweckgebundene Leistungen. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Gerichtshof sollten Aufwendungen ersetzt werden, die dem Insolvenzschuldner zum Zwecke der Durchsetzung seines Anspruchs wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention entstanden seien. Der zugesprochene Entschädigungsanspruch wegen der übrigen Verfahrenskosten sei zweckgebunden, weil er die Mehrkosten des Schuldners wegen der überlangen Verfahrensdauer im Ausgangsverfahren ausgleichen solle. Diesem Zweck werde er nicht gerecht, wenn die Entschädigung zur Erfüllung von Forderungen der Insolvenzgläubiger einschließlich derjenigen der Beklagten dienen müsste.
II.
- 12
- Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend für zulässig erachtet. Das wird von den Parteien des Revisionsverfahrens nicht in Zweifel gezogen.
- 13
- Der Klage steht insbesondere nicht die formelle Rechtskraft des Urteils des Gerichtshofs gemäß Art. 44 EMRK entgegen. Bei der vom Gerichtshof ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, an den Beschwerdeführer binnen drei Monaten, nachdem das Urteil nach Art. 44 Abs. 2 EMRK endgültig wird, 59.000 € nebst Steuern und Zinsen zu zahlen, handelt es sich um ein Leistungsurteil (Obresek, EuGRZ 2003, 168, 169; Matscher, EuGRZ 1982, 517, 525; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 23, 42). Die Beklagte ist gemäß Art. 41 EMRK verpflichtet, an den erfolgreichen Beschwerdeführer die angeordnete Zahlung zu leisten (BVerfGE 111, 307, 322).
- 14
- Der Kläger kann jedoch, seine Aktivlegitimation an Stelle des Schuldners unterstellt, ebenso wie der Schuldner selbst aus diesem Urteil nicht vollstrecken. In dem Urteil ist der Kläger schon nicht als Gläubiger bezeichnet. Eine Titelumschreibung kommt nicht in Betracht. Nach der Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004 tritt der Insolvenzverwalter nicht an Stelle des antragstellenden Schuldners in das Verfahren der Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK beim Gerichtshof ein.
- 15
- Zudem ist das Urteil des Gerichtshofs in Deutschland schon dem Grunde nach nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar. Den Leistungsanordnungen des Gerichtshofs fehlt eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung (Cremer in Grote/Marauhn, Konkordanzkommentar EMRK/GG Kap. 32 Rn. 83). Die Frage der Vollstreckung ist vielmehr dem jeweiligen staatlichen Recht überlassen (vgl. BVerfGE 111, 307, 318 f, 322 f; Papier, EuGRZ 2006, 1, 2 f; Wittinger, NJW 2001, 1238, 1239; Cremer in Grote/Marauhn, aaO Kap. 32 Rn. 83).
- 16
- Das nationale deutsche Recht sieht keine Möglichkeit vor, Urteile des Gerichtshofs für vollstreckbar zu erklären. Eine spezialgesetzliche Regelung, etwa im Zustimmungsgesetz, liegt nicht vor. §§ 704 ff bzw. §§ 722 ff ZPO gelten für inländische Urteile bzw. für Urteile ausländischer Gerichte, nicht aber für Urteile von Gerichten, die unter Beteiligung Deutschlands durch internationale Abkommen geschaffen wurden (Cremer in Grote/Marauhn, aaO). Selbst wenn der Gläubiger Vollstreckungsklage erheben könnte, kann er jedenfalls auch im Wege der Leistungsklage vorgehen (BGH, Urteil vom 20. März 1964 - V ZR 34/62, NJW 1964, 1626; Beschluss vom 16. Mai 1979 - VIII ZB 41/77, NJW 1979, 2477; Urteil vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85, NJW 1987, 1146; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. § 722 Rn. 41; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 722 Rn. 96; Hk-ZPO/Kindl, 4. Aufl. §§ 722, 723 Rn. 7).
- 17
- Die Pflicht der Beklagten, das Urteil des Gerichtshofs zu beachten, ergibt sich aus Art. 46 Abs. 1 EMRK. Kommt die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nach, hat der durch die Entscheidung Begünstigte jedoch innerstaatlich die Möglichkeit, die Leistungspflicht der Beklagten durchzusetzen. Dies ergibt sich aus der Geltungsanordnung des Zustimmungsgesetzes zur EMRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 f, 322 f). Der aus dem Urteil des Gerichtshofs Berechtigte hat aus dessen Leistungsausspruch einen innerstaatlich auf dem Zivilrechtsweg (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) durchsetzbaren Anspruch erworben (Cremer in Grote/Marauhn, aaO).
III.
- 18
- Das Berufungsgericht hält jedoch rechtlicher Prüfung hinsichtlich der Begründetheit der Klage nicht in vollem Umfang stand. Die Klage ist hinsichtlich der vom Gerichtshof zuerkannten Kosten in Höhe von 10.000 € sowie der anteilig hierauf entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.
- 19
- 1. Der Gerichtshof hat zwar in seinem Urteil ausgesprochen, dass die festgestellte Zahlung an den Schuldner zu erfolgen hat. Dabei sind jedoch die Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners aus verfahrensrechtlichen Gründen außer Betracht geblieben. Das Insolvenzverfahren hatte auf das Verfahren vor dem Gerichtshof keinen Einfluss (Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004).
- 20
- 2. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der vom Gerichtshof festgesetzten Entschädigung in Höhe von 10.000 € verlangen, weil der Anspruch auf Zahlung dieser Entschädigung in die Insolvenzmasse fiel und die Beklagte nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Schuldner geleistet hat.
- 21
- In die Insolvenzmasse fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, und was er im Laufe des Verfahrens erlangt. Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen.
- 22
- Soweit der zugesprochene Entschädigungsanspruch zur Insolvenzmasse gehörte, konnte die Beklagte gemäß § 82 InsO nicht mit befreiender Wirkung an den Schuldner persönlich leisten, weil ihr im Zeitpunkt der Zahlung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen bekannt war. Sie hätte, um der Ungewissheit über die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung an den Schuldner zu entgehen, den Entschädigungsbetrag zugunsten des Schuldners und der Masse unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegen können (§§ 378, 376 Abs. 2 Nr. 1, § 372 Satz 2 BGB).
- 23
- a) Die Frage, ob die dem Schuldner zugesprochenen Beträge zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehören oder in die Masse fallen, ergibt sich nicht aus der EMRK, sondern richtet sich nach dem nationalen deutschen Recht.
- 24
- aa) Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass die unter Anwendung von Art. 41 EMRK festgesetzte und aufgrund eines Urteils des Gerichtshofs geschuldete Entschädigung unpfändbar sein sollte. Gleichzeitig hat er aber klargestellt, dass die Entscheidung dieser Frage dem jeweiligen Konventionsstaat obliegt (EGMR, NJW 2001, 56 Rn. 133).
- 25
- Die Aussage betraf die konkrete Frage, ob der Konventionsstaat, der zur Zahlung einer Entschädigung an den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen Art. 3 EMRK (dort: Folter in Polizeihaft) verurteilt wird, diesen Anspruch des Beschwerdeführers aufgrund eigener Forderungen gegen den Beschwerdeführer aus einer Zollstrafe pfänden kann. Der Gerichtshof hat das mit der Begründung abgelehnt, dass in einem solchen Fall der Zweck der Entschädigung verfehlt und das System des Art. 41 EMRK pervertiert würde, wenn nämlich dadurch der Konventionsstaat Schuldner und Gläubiger der Entschädigung zugleich würde.
- 26
- Es liegt nahe, diese Sichtweise auf die Verletzung anderer Menschenrechte nach der EMRK zu übertragen. Mag der Verstoß gegen das Folterverbot (Art. 3 EMRK) auch schwerwiegender erscheinen als ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren durch überlange Verfahrensdauer (Art. 6 EMRK), so verbietet sich gleichwohl eine qualitative Unterscheidung von Verstößen gegen die unterschiedlichen von der Konvention geschützten Menschenrechte.
- 27
- Die vom Gerichtshof missbilligte Folge der Pfändung lag seinerzeit darin, dass die Entschädigung vollen Umfangs gerade dem schädigenden Staat zugeflossen wäre, der Beschwerdeführer durch das Urteil also keinen Ausgleich erhalten , der Konventionsstaat im Ergebnis keinen Nachteil erlitten hätte.
- 28
- Das entspricht Billigkeitserwägungen im deutschen Recht, wie sie etwa in § 393 BGB Ausdruck finden. Soll der zugesprochene Betrag jedoch - wie hier - anderen Gläubigern zugute kommen, die sich die Konventionsverletzungen nicht zurechnen lassen müssen, ist dieser Gedanke nicht ohne weiteres übertragbar. Es muss deshalb als völlig offen erscheinen, wie der Gerichtshof im vorliegenden Fall - wenn auch außerhalb seiner Entscheidungskompetenz - die Frage beurteilen würde, ob der Entschädigungsanspruch in die Masse fällt. Soweit die Beklagte selbst Insolvenzgläubigerin ist, ist ihre Forderung im Verhältnis zur Gesamtsumme der angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen jedenfalls so gering, dass allenfalls ein sehr kleiner Teil der Entschädigung an sie zurückfließen könnte. Selbst dies ließe sich dadurch verhindern, dass die Entschädigungssumme bei der Verteilung nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt würde.
- 29
- bb) Der Gerichtshof hat jedenfalls unmissverständlich klargestellt, dass die Entscheidung über die Frage der Pfändbarkeit den nationalen Behörden oder Gerichten des Konventionsstaats zusteht. Seine gleichwohl geäußerte Rechtsmeinung hat demzufolge nach eigener Auffassung keine Bindungswirkung. Eine Unpfändbarkeit der Forderung kann folglich nicht aus der innerstaatlichen Geltung der EMRK hergeleitet werden, weil der Gerichtshof selbst eine solche Folge aus ihr nicht abzuleiten vermag (Meyer-Ladewig, aaO Art. 41 Rn. 42).
- 30
- Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben allerdings besondere Bedeutung für das Konventionsrecht als Völkervertragsrecht , weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt (BVerfGE 111, 307, 319). Sie entfalten deshalb eine normative Leit- und Ordnungsfunktion. Die EMRK hat innerhalb des deutschen Rechts den Rang einfachen Bundesrechts. Sie steht unterhalb der Verfassung, entfaltet aber als geltendes Gesetzesrecht bindende Wirkung gegenüber den Staatsorganen , die durch das im Grundgesetz niedergelegte Gebot der Völkerrechtsoffenheit und Völkerrechtsfreundlichkeit verstärkt wird (Papier, EuGRZ 2006, 1).
- 31
- Die Rechtswirkungen der Entscheidungen des Gerichtshofs bemessen sich aber nach dem Inhalt der von ihm auszulegenden Konvention. Enthält diese für die hier zu entscheidende Frage nach den Feststellungen des Gerichtshofs keine Aussage, fehlt es insoweit auch an einer Ordnungs- und Leitfunktion (vgl. BVerfGE 111, 307, 319).
- 32
- b) Die dem Schuldner zugesprochene Entschädigung ist jedoch nach innerstaatlichem Recht in Höhe von 49.000 € unpfändbar und fällt deshalb nicht in die Masse. Dies betrifft die zuerkannten 45.000 € für den immateriellen Schaden sowie die 4.000 € für die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof. Die weiter zuerkannten 10.000 € für Mehrkosten bei dem vorangegangenen innerstaatlichen Verfahren sind dagegen pfändbar und fallen demzufolge in die Masse.
- 33
- aa) Nach deutschem Recht sind Ansprüche wegen immaterieller Schäden übertragbar und pfändbar. Das gilt auch für Staatshaftungsansprüche, soweit diese auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind.
- 34
- Durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1980 (BGBl. I S. 478) wurde § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB damaliger Fassung gestrichen und damit der Schmerzensgeldanspruch vererblich und frei übertragbar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, NJW 1995, 783) und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar. Daran hat sich durch die Neufassung und Erweiterung der gesetzlichen Grundlagen für Ansprüche wegen immaterieller Schäden durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) nichts geändert. § 253 Abs. 2 BGB enthält keine Einschränkung der Übertragbarkeit mehr. Die Übertragbarkeit ergibt sich damit in vollem Umfang aus der genannten Entstehungsgeschichte.
- 35
- ist Es deshalb allgemein anerkannt, dass Schmerzensgeldansprüche pfändbar sind und gegebenenfalls in die Insolvenzmasse fallen (Palandt/Grüneberg , BGB 70. Aufl. § 253 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Oetker, 5. Aufl. § 253 Rn. 66; Erman/Ebert, BGB 12. Aufl. § 253 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Lwowski/ Peters, 2. Aufl. § 35 Rn. 427; HK-InsO/Eickmann, 5. Aufl. § 36 Rn. 48).
- 36
- bb) Ob für die Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts etwas anderes gilt, wie das Berufungsgericht annimmt, erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen.
- 37
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein durch Art. 1 und 2 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes sonstiges Recht. Es dient in erster Linie dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit, das auch durch - allerdings subsidiäre - Schadensersatzansprüche gesichert wird, die auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet sind. Dieser Ausgleich ist kein Schmerzensgeldanspruch, sondern ein Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 GG zurückgeht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 218).
- 38
- Soweit die Persönlichkeitsrechte dem Schutz ideeller Interessen dienen, sind sie unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliches Recht unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererbbar. Dementsprechend sind sie auch nicht pfändbar. Dagegen sind die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht in derselben Weise unauflöslich an die Person des Trägers gebunden. Ob sie unter Lebenden übertragbar sind, hat der Bundesgerichtshof dahingestellt sein lassen; er hat jedoch die Vererblichkeit bejaht (BGH, aaO S. 220 f; Urteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 Rn. 12 f).
- 39
- Vergleichbar ist aber - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht die Frage nach der Übertragbarkeit essentieller Bestandteile des Persönlichkeitsrechts , aus dem sich künftig Ansprüche ergeben könnten. Vergleichbar ist allein die Frage, ob bereits entstandene Zahlungsansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts übertragbar sind.
- 40
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmerte. Es steht deshalb der Gesichtspunkt der Genugtuung im Vordergrund, zusätzlich der Gedanke der Prävention, während der Ausgleichsgedanke in den Hintergrund tritt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 aaO Rn. 13). Die Abtretung eines schon bestehenden Geldzahlungsanspruchs ändert nichts daran, dass das Persönlichkeitsrecht seinen Träger weiter in vollem Umfang schützt.
- 41
- cc) Der Pfändbarkeit des nach Art. 41 EMRK zuerkannten Anspruchs wegen immaterieller Schäden steht jedoch gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB entgegen, dass die Leistung an einen Dritten, hier den Insolvenzverwalter zur Masse, nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
- 42
- Eine Forderung ist dann nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die nur er selbst erheben kann, wenn - anders als bei höchstpersönlichen Ansprüchen - ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, NJW 1986, 713, 714; vom 4. Dezember 2009 - V ZR 9/09, NJW-RR 2010, 1235 Rn. 12 mwN). In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe. Hier liegt ein Fall der letzten Gruppe vor. Die geschuldete Leistung ist mit der Person des Gläubigers derart verknüpft , dass die Leistung an einen anderen Gläubiger, hier den Kläger als Insolvenzverwalter , sie als eine andere Leistung erscheinen lassen würde.
- 43
- Der Anspruch nach Art. 41 EMRK entsteht nicht von Gesetzes wegen, sondern durch eine konstitutive Ermessensentscheidung des Gerichtshofs. Diese knüpft an eine festgestellte Menschenrechtsverletzung zu Lasten des Indivi- dualbeschwerdeführers durch den Vertragsstaat an, für die das innerstaatliche Recht nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestattet, oder zumindest bis zum Urteil des Gerichtshofs nicht erbracht hat (Meyer-Ladewig, aaO Rn. 4; Urteil des Gerichtshofs Rn. 48 ff). Die Zuerkennung liegt im billigen Ermessen des Gerichtshofs und zielt auf eine gerechte Entschädigung, die einen Ausgleich im Hinblick auf die immateriellen Schäden wegen der erlittenen Menschenrechtsverletzung bewirken soll.
- 44
- Gerichtshof Der hat im vorliegenden Fall wegen eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen Art. 6 EMRK und des Umstands, dass der Beschwerdeführer fast während des gesamten Berufslebens das verschleppte Verfahren hat führen müssen, nach Billigkeit entschieden. Er hat die Feststellung der Menschenrechtswidrigkeit, die schon durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt war, nicht für ausreichend erachtet, um die Opfereigenschaft des Schuldners entfallen zu lassen (Rn. 48). Der von ihm bezweckte Ausgleich der persönlichen langjährigen Beeinträchtigungen und der dadurch bewirkten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung könnte nicht erreicht werden, wenn der Ausgleichsanspruch in die Masse fiele. Die Entschädigung sollte unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausdrücklich dem Schuldner zugute kommen. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gerichtshof diesen Anspruch zugebilligt hätte, wenn anstelle des Schuldners der Kläger das Beschwerdeverfahren für die Masse hätte aufnehmen und fortführen können. Die Insolvenzgläubiger haben allein dadurch, dass der Schuldner in seinen Menschenrechten verletzt wurde, weder materielle noch immaterielle Einbußen erlitten, die ausgeglichen werden sollten. Die Auszahlung des zuerkannten Betrages an einen Vollstreckungsgläubiger oder die Masse würde deshalb den Leistungsinhalt grundlegend verändern (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 41 Rn. 97; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, aaO Bd. 8 Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393).
- 45
- dd) § 399 Abs. 1 BGB steht dagegen der Abtretbarkeit nicht entgegen, soweit dem Schuldner 10.000 € als Ausgleich für Mehrkosten in dem vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren gewährt worden sind. Zweck dieser Zahlung ist es nicht, die Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners zu kompensieren ; sie dient vielmehr der Abdeckung höherer Kosten, ist also mittelbar auch zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners bestimmt. Sind diese bislang ganz oder teilweise nicht befriedigt, sind sie Insolvenzgläubiger, die ihre Ansprüche zur Tabelle anmelden müssen, um wenigstens die Insolvenzquote realisieren zu können. Ein Vorrang gegenüber anderen Gläubigern kommt ihnen nach der Insolvenzordnung nicht zu. Es läuft deshalb jedenfalls dem Zweck der angeordneten Zahlung nicht zuwider, dass der Betrag in die Masse fällt und auf diese Weise die Befriedigungschancen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger erhöht. Die Zahlung in die Masse lässt diese nicht als eine andere Leistung im Sinne des § 399 Abs. 1 BGB erscheinen.
- 46
- Sind die entsprechenden Gläubiger bereits in nicht anfechtbarer Weise befriedigt, bedarf der Schuldner des Betrags nicht mehr zur unmittelbaren Verwirklichung des ihm beigelegten Zweckes. Ihm werden dann lediglich entstandene Auslagen erstattet. Einen Ausgleich höchstpersönlicher Beeinträchtigungen verfolgt die Zahlung auch dann nicht. Wird der Betrag zur Masse gezahlt und an andere Gläubiger des Insolvenzschuldners ausgeschüttet, ändert sich an der Identität der Leistung nichts (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein /Peukert aaO; Gollwitzer aaO). Eine andere Behandlung als in sonstigen Fällen des Neuerwerbs durch Kostenerstattung ist nicht veranlasst.
- 47
- ee) Der zuerkannte Betrag von 4.000 € zum Ausgleich der Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof ist dagegen insgesamt als nicht pfändbar, weil nicht übertragbar anzusehen.
- 48
- Die dem Insolvenzschuldner für das Verfahren vor dem Gerichtshof zuerkannten Kostenerstattungsansprüche dienen nicht allein der begehrten Ausurteilung von Zahlungspflichten, sondern vorrangig und schwerpunktmäßig der erfolgten Feststellung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzung. Sie dienen zwar auch der Festsetzung der Erstattung von Mehrkosten in dem Vorverfahren ; eine entsprechende Quotelung dieses Entschädigungsanspruchs verbietet sich jedoch schon wegen der insoweit aufs Ganze betrachtet untergeordneten Bedeutung dieser Mehrkostenerstattung.
- 49
- Fielen die zu erstattenden Kosten anteilig in die Masse, müsste dem Schuldner ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kläger in der Form einer Masseverbindlichkeit zuerkannt werden, weil er insoweit - Erstattung der Mehrkosten in dem Vorverfahren -, die Geschäfte des Insolvenzverwalters geführt hat (§§ 670, 677, 681 BGB). Denn die Geltendmachung von Ansprüchen der Masse obliegt nach deutschem Recht dem Verwalter auf Kosten und Risiko der Masse.
- 50
- 3. Die von der Beklagten behauptete Abtretung des Anspruchs an Frau K. , die der Kläger bestritten hat, steht der Klageforderung nicht entgegen. Ausweislich der vorgelegten Abtretungsurkunde sollte der Schuldner unwiderruflich berechtigt bleiben, die Forderung gerichtlich geltend zu machen; ihm wurde Prozessführungsbefugnis erteilt. Er war ermächtigt, die Forderung weiterhin im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist, soweit die Forderung abtretbar ist, zulässig (Zöller/Vollkommer, aaO Vor § 50 Rn. 45 f mwN). Die Insolvenz des Schuldners hat die Einziehungsermächtigung nicht berührt (Zöller /Vollkommer, aaO). § 116 InsO findet nur Anwendung, wenn der Schuldner Geschäftsherr, nicht wenn er Geschäftsbesorger ist (MünchKomm-InsO/ Ott/Vuia, aaO § 116 Rn. 4). Die Geschäftsbesorgungsbefugnis ist als Teil der Verwaltungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger übergegangen. Die Beklagte behauptet nicht, der Kläger habe die Erfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 103 InsO abgelehnt (zur Anwendbarkeit vgl. MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO). Ebenfalls ist zu einer anderweitigen Beendigung der Einziehungsermächtigung nichts Substantiiertes vorgetragen. Ob die streitige Abtretungserklärung überhaupt in der behaupteten Weise abgegeben wurde, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
- 51
- 4. Hinsichtlich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten, die der Höhe nach nicht bestritten sind, ist aus Verzug gemäß § 280 Abs. 2, § 286 BGB der Anteil zu erstatten, der dem Obsiegen in der Hauptsache entspricht, also 17 v.H. von insgesamt 2.028,36 €, zusammen 344,82 €.
- 52
- Zinsen auf die Hauptsache sind gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB ab 16. August 2007 zu zahlen. Verzug ist infolge des Mahnschreibens des Klägervertreters vom 30. Juli 2007 mit Fristsetzung zum 15. August 2007 eingetreten.
- 53
- 5. Sanktionen des Ministerkomitees gegen die Beklagte nach Maßgabe des Art. 46 EMRK sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts selbst dann nicht zu befürchten, wenn diese im Umfang ihrer Verurteilung nach Auszahlung an den Kläger Rückforderungsansprüche gegen den Schuldner, die aus dessen insolvenzfreiem Vermögen zu erbringen wären, geltend machen und durchsetzen würde. Denn die Frage der Pfändbarkeit und damit der Massezugehörigkeit von Entschädigungen nach Art. 41 EMRK ist, auch nach der angeführten Auffassung des Gerichtshofs, nach nationalem Recht zu beurteilen.
IV.
- 54
- Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 27.02.2008 - 23 O 382/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.08.2009 - 22 U 81/08 -
(1) Eine Forderung ist in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist.
(2) Eine nach § 399 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übertragbare Forderung kann insoweit gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.