Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 04. Nov. 2016 - 13 UF 34/15
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 17.02.2015 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Münster unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 24.646,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 654,50 € seit dem 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013 und 01.12.2013, sowie aus jeweils 608,04 € seit dem 01.01.2014, 01.02.2014, 01.03.2014, 01.04.2014, 01.05.2014, 01.06.2014, 01.07.2014, 01.08.2014, 01.09.2014, 01.10.2014, 01.11.2014, 01.12.2014, 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016, 01.05.2016, 01.06.2016, 01.07.2016, 01.08.2016 und 01.09.2016 zu zahlen.
Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an die Antragstellerin ab Oktober 2016 bis einschließlich Dezember 2016 monatlichen Unterhalt in Höhe von 3.074 € zu zahlen, zahlbar jeweils am ersten eines jeden Monats im Voraus.
Der Antragsgegner wird ferner verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit ab dem 01.01.2017 monatlichen Unterhalt (Elementarunterhalt) in Höhe von 1.000 € und Krankenversicherungsunterhalt in Höhe von monatlich 173,50 € zu zahlen, zahlbar jeweils am ersten eines jeden Monats im Voraus.
Die weitergehenden Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Der Widerantrag des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Der Verfahrenswert für die erste Instanz wird auf 43.948,12 € festgesetzt; der Verfahrenswert für Beschwerdeinstanz wird auf 43.293,62 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten haben am ##.##.1982 geheiratet. Seit dem 01.09.1998 sind sie auf den Scheidungsantrag des Antragsgegners vom 16.05.1997, zugestellt der Antragstellerin am 05.06.1997 (Bl. 676, 689 f. GA), rechtskräftig geschieden (Bl. 732 GA). Vorher hatten die Beteiligten nach ca. elf Ehejahren etwa sechs Jahre getrennt gelebt. Aus der Ehe der Beteiligten sind drei mittlerweile volljährige Kinder - Y1, geb. am ##.##.1983, Y2, geb. am ##.##.1986, und Y3, geb. am ##.##.1990 - hervor gegangen.
4Die Antragstellerin lebt seit längerer Zeit mit ihrem Lebensgefährten in der Immobilie X-Straße 28, N, zusammen.
5Der Antragsgegner heiratete am 30.07.2012 ein zweites Mal. Auch diese zweite Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind (Bl. 630 = 637; 806 GA), ist seit Januar oder Februar 2015 rechtskräftig geschieden. Die zweite Ehefrau des Antragsgegners hat zwar angekündigt, sie wolle den Antragsgegner auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt in Anspruch nehmen; bislang hat sie Nachscheidungsunterhalt aber – auch nach den eigenen Angaben des Antragsgegners in den Senatsterminen am 01.12.2015 und am 20.09.2016 - nicht geltend gemacht. Der Sozialhilfeträger, der für die geschiedene zweite Ehefrau Leistungen erbringt, hat sich bei dem Antragsgegner im Hinblick auf evtl. übergegangene Unterhaltsansprüche gemeldet. Der Sozialhilfeträger wartet aber die vorliegende Entscheidung ab.
6Die Antragstellerin hat den Antragsgegner erstinstanzlich primär im Wege des Stufenantrags auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie bereits ihren Unterhaltsanspruch ab Mai 2013 auf monatlich 3.074 € beziffert. Diesen Unterhaltsanspruch hat sie auf eine am 30.09.1999 von den Beteiligten geschlossene notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung (UR-Nr.: 142/1999 des Notars K in N) gestützt. Die Beteiligten haben in dieser Vereinbarung u. a. Folgendes geregelt (Bl. 21 bis 26 GA):
7Unter Ziff. I. übertrug der Antragsgegner seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der vormals als Familienheim genutzten Immobilie X-Straße 28, N, auf die Antragstellerin; diese Immobilie hatten die Beteiligten während der Ehe, nämlich im Jahre 1987, gemeinsam erworben (Bl. 763 = 777 GA). Die Übertragung erfolgte frei von Belastungen in Abteilung II und III (Bl. 22, 198 GA).
8Bei dieser Immobilie handelte es sich um ein im Jahre 1987 erbautes freistehendes Einfamilienhaus auf einem 591 qm-großen Grundstück. Erstinstanzlich war unstreitig, dass die Wohnfläche knapp 200 qm beträgt und eine ortsübliche Kaltmiete von 1.500 € erzielt werden kann (vgl. Bl. 82 GA). In zweiter Instanz beziffert die Antragstellerin die Wohnfläche auf rund 152 qm (Bl. 862 GA), der Antragsgegner auf rund 186 qm.
9Unter Ziff. II. vereinbarten die Beteiligten Folgendes:
10„Der Erschienene zu 2) [d. h. der Antragsgegner] zahlt an die Erschienene zu 1) [d. h. die Antragstellerin] einen monatlich im Voraus zu zahlenden Unterhalt ab 01.10.1999 in Höhe von 4.823,00 DM […].
11Der Unterhaltsbetrag wird gekoppelt an den Preisindex für die Lebenshaltung aller privater (sic) Haushalte (früheres Bundesgebiet) mit dem Index für 1995 = 100.
12Sollte sich dieser Lebenshaltungskostenindex um mehr als 3 % nach oben oder unten verändern, verändert sich auch der von dem Erschienenen zu 2) an die Erschienene zu 1) zu zahlende Unterhalt in demselben Verhältnis, beginnend mit dem 1. des Monats, der auf den Monat folgt, in dem das Verlangen gestellt wird.
13Bei dem Unterhaltsanspruch der Erschienenen zu 1) soll es auch für den Fall verbleiben, dass sie einen eigenen Verdienst hat oder ein eheähnliches Verhältnis eingeht. Der Unterhaltsanspruch erlischt jedoch für den Fall der Wiederverheiratung.
14Der Erschienene zu 2) ist berechtigt, eine Abänderung des Unterhalts zu verlangen, wenn er aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit aufgibt.“
15Unter Ziff. III. verpflichtete sich der Antragsgegner, „auf die Dauer von 12 Jahren, beginnend mit dem 01.06.1999 [d.h. bis zum 31.05.2011] Vorsorgeunterhalt in der Weise [zu leisten], dass er die Beiträge der zugunsten der Erschienenen zu 1) [d. h. der Antragstellerin] abgeschlossenen Lebensversicherung bei der O AG, Vers. Nr. #### trägt“. Nach den Versicherungsbedingungen, die im Senatstermin vom 20.09.2016 überreicht worden sind, mussten für diese Versicherung nur bis einschließlich Mai 2011 monatlich 1.000 DM gezahlt werden.
16Diese Versicherung wurde am 01.10.2001 mit Wirkung ab dem 01.11.2001, da die letzte Zahlung im Oktober 2001 erfolgte (Bl. 779; 853 unten GA), beitragsfrei gestellt. Ab Mai 2004 (Bl. 854 GA) hat der Antragsgegner für die Antragstellerin eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der C Versicherung und ab dem 01.11.2006 (Bl. 885, 887 GA) eine Versicherung bei der Q AG (Bl. 885 GA) abgeschlossen und die Beitragszahlungen erbracht; im Oktober 2006 (Bl. 855 GA) hat er für die Antragstellerin auf deren Namen ein Deka Depot eröffnet und in der Folgezeit darauf unterschiedliche Beträge eingezahlt (vgl. Bl. 40, 779 f.; 855 ff. GA). Diese Umstellung der Altersvorsorge erfolgte aufgrund einer entsprechenden Absprache der Beteiligten. Etwa bis Ende des Jahres 2012/Anfang des Jahres 2013 leistete der Antragsgegner die Versicherungsbeiträge und Zahlungen auf das Deka Depot (Bl. 854, 855 GA).
17Wegen der weiteren Regelungen des notariellen Vertrages in Ziff. IV. (Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt nach der Einkommensgruppe 8), in Ziff. V. (Verpflichtung des Antragsgegners zu Zahlung von rückständigem Unterhalt an die Antragstellerin), in Ziff. VI. (wechselseitiger Verzicht auf weitere Unterhaltsansprüche der Beteiligten) sowie in Ziff. VII. (Verpflichtung des Antragsgegners, an die Antragstellerin für eine Küche einen Betrag von 20.000 DM zu zahlen) wird auf die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30.09.1999 Bezug genommen (Bl. 21 ff. GA)
18Unter Ziff. VIII. verpflichtete sich der Antragsgegner, eine bei der M Lebensversicherung a. G. abgeschlossene Versicherung (Vers. Schein. Nr. ####) an die Antragstellerin zu übertragen.
19Mit der Ziff. IX. verpflichtete sich der Antragsgegner, die Ausbildungsversicherungen zugunsten der Kinder an die Antragstellerin zu übertragen.
20In Ziff. X. erklärten beide Beteiligten sämtliche wechselseitigen Zugewinnausgleichsansprüche für erledigt. Sie verzichteten auf weitergehende Zugewinnausgleichsansprüche und nahmen diesen Verzicht wechselseitig an.
21In Ziff. XI. stellten die Beteiligten fest, dass der Hausrat geteilt ist und verzichteten auf die Geltendmachung weiterer Hausratsverteilungsansprüche.
22Eine Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung enthält die notarielle Urkunde nicht.
23Die Initiative für den Abschluss dieser notariellen Vereinbarung ging vom Antragsgegner aus. Mit Schriftsatz vom 12.05.1999 schlug sein damaliger Rechtsanwalt die später abgeschlossene notarielle Vereinbarung vor. Unter Ziff. 15 dieses Schriftsatzes ist Folgendes ausgeführt (Bl. 663 GA):
24„Hinsichtlich des Unterhalts ist noch eine Regelung der Gestalt zu treffen, dass im Falle einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Mandanten eine Abänderungsmöglichkeit besteht, jedenfalls dann, wenn unser Mandant gezwungen ist, sei es aus wirtschaftlichen oder aus altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit einzustellen.“ Wegen des Inhalts des Schriftsatzes im Übrigen wird auf diesen Bezug genommen (Bl. 660 ff. GA).
25Vorher hatte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.01.1999 Klage u.a. mit dem Ziel erhoben, dass der Antragsgegner verurteilt wird, an sie nachehelichen Unterhalt nebst (Alters-) Vorsorgeunterhalt sowie Krankenversicherungsunterhalt einschließlich der Kosten der Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 9.545 DM zu zahlen (Bl. 664 ff., 667 GA). Unter dem 24.08.1998 hatte der Antragsgegner Auskunft zu seinem Vermögen zum Zwecke der Berechnung des Zugewinns erteilt (Bl. 675 ff. GA).
26Unter dem 17.05.2013 (Bl. 39 GA) forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Anpassung der Unterhaltszahlungen auf 3.074 € pro Monat mit Wirkung ab dem 01.06.2012 auf. Bis zum 31.12.2013 hat der Antragsgegner monatlich 2.419,50 € an die Antragstellerin gezahlt. Da der Antragsgegner dann die Zahlungen einstellte, leitete die Antragstellerin ein einstweiliges Anordnungsverfahren ein (45 F 10/14 AG Münster). Der Antragsgegner wurde zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Ab dem 01.01.2014 hat der Antragsgegner aufgrund der einstweiligen Anordnung monatlich 2.465,96 € gezahlt. Diese Zahlungen sollen nach der Erklärung des Antragsgegners im Senatstermin vom 20.09.2016 Erfüllungswirkung haben.
27Der Antragsteller ist selbstständig tätig und war und ist an zahlreichen Firmen beteiligt. Unstreitig noch werbend am Markt ist die sog. Firmengruppe G, bestehend aus folgenden Unternehmen:
28- 29
Freie Tankstelle B-Straße N
- 30
Freie Tankstelle I-Straße N
- 31
Tankstelle B
- 32
Tankstelle F (vgl. notariellen Kaufvertrag vom 20.12.2012, Bl. 232 ff. GA)
- 33
Kfz-Werkstatt mit Abschleppdienst V, wobei der Antragsgegner dieses Unternehmen mit Vertrag vom 15.10.2015 veräußert hat.
Der Antragsgegner ist noch unstreitig an L mit ½ Anteil beteiligt. Dieses Unternehmen befindet sich im Aufbau und generiert keine Gewinne. Auch die S Vertriebs UG, deren Alleingesellschafter der Antragsgegner ist, generiert keine Gewinne und befindet sich im Aufbau.
35Folgende Firmen des Antragsgegners wurden mittlerweile abgewickelt:
36- 37
Die U GmbH ist insolvent (Bl. 58, 62, 80 GA). Das Insolvenzverfahren wurde eingestellt (Bl. 62 GA).
- 38
Das Unternehmen „D“ existiert seit dem Jahr 2004 nicht mehr. Dem diesbezüglichen Vortrag des Antragsgegners (Bl. 57, 81 GA) ist die Antragstellerin nicht mehr entgegen getreten.
- 39
Die Firma E (G, A, R Public Company) besteht seit dem Jahre 2008 nicht mehr. Dem entsprechenden Vortrag des Antragsgegners (Bl. 58, 81 GA) ist die Antragstellerin nicht mehr entgegen getreten.
Der Antragsgegner war zudem Eigentümer von vier Eigentumswohnungen in N und zwei Eigentumswohnungen am T-Straße in N; ferner war er Inhaber von Aktien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vermögensaufstellung des Antragsgegners zum Stichtag 31.12.2013 (vgl. Bl. 272 GA) Bezug genommen. Zwei Eigentumswohnungen in N hat der Antragsgegner am 30.01.2015 für 255.000 € veräußert. Nach Abzug der Kredite, die zur Finanzierung der Wohnung aufgenommen wurden, verblieb ein Überschuss von rund 60.000 €. Nach Tilgung eines weiteren Kredits verblieb ein Betrag von mindestens rund 16.800 € (vgl. die Berechnung des Antragsgegners auf Bl. 520 GA). Auch die weiteren zwei Eigentumswohnungen in N hat der Antragsgegner im Jahr 2015 veräußert.
41Der Antragsgegner ist den Anträgen der Antragstellerin – dem primär erhobenen Stufenantrag und dem hilfsweise berechneten Unterhaltsanspruch – entgegen getreten.
42Im Wege des Widerantrages hat er die Rückzahlung von 21.775,50 €, d.h. die in den Monaten Januar bis September 2014 gezahlten Unterhaltsbeträge, verlangt. Er hat gemeint, er sei nicht leistungsfähig. Er hat für sich ein durchschnittliches Monatseinkommen von nur 1.742 € bzw. 1.529,05 € (vgl. Bl. 806 GA) errechnet. Er hat behauptet, im Jahr 1998 habe er über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 10.000 DM verfügt. Der Ehevertrag sei sittenwidrig. Zumindest sei die Unterhaltsverpflichtung aufzuheben oder anzupassen, weil die Antragstellerin unstreitig seit Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebe. Der Gesetzgeber habe zwischenzeitlich den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB neu eingefügt.
43Bereits vorprozessual hat der Antragsgegner mit Schreiben an die Antragstellerin vom 09.12.2013 (Bl. 70 GA) gemeint, dieser keinen Unterhalt mehr zu schulden. Dies ergebe sich neben seiner nunmehr reduzierten Leistungsfähigkeit auch aus der Gesetzesänderung durch die Einführung des § 1578 b Abs. 2 BGB. Hiernach sei es nunmehr möglich, den nachehelichen Unterhaltsanspruchs zu befristen.
44Das Familiengericht hat die geltend gemachten Auskunftsansprüche der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen. Die notarielle Vereinbarung sei nach wie vor wirksam. Deswegen habe sie kein Bedürfnis für die begehrte Auskunft. Eine Anpassung der Vereinbarung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage sei nicht vorzunehmen. Die Vereinbarung habe abschließenden und auch im Hinblick auf den Zugewinn abfindenden Charakter. Deswegen hätten die Beteiligten auch bei Veränderungen deren Abänderung ausgeschlossen. Es sei auch nicht ersichtlich, welchen Teil der Zahlungen ihren Grund in einem Zugewinnausgleichsanspruch und welche im Unterhalt ihren Grund haben. Daran ändere auch die zum 01.01.2008 eingeführte Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nichts. Auf den Hilfsantrag hat es den Antragsgegner zur Zahlung von monatlichen Unterhalt in Höhe von 3.074 € nebst Zinsen ab dem 01.06.2013 verpflichtet. Dieser Anspruch ergebe sich aus der Scheidungsfolgenvereinbarung. Dieser Anspruch sei nach dem Vertrag unabänderbar. Der Antragsgegner habe nicht hinreichend vorgetragen, dass durch diese Unabänderbarkeit die eigene wirtschaftliche Existenz gefährdet würde. Er verfüge unstreitig über erhebliches Vermögen, mit dem er seinen Unterhalt und den der Antragstellerin auf absehbare Zeit sichern könne. Wegen der Begründung des Familiengerichts im Übrigen und den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 457 ff. GA) Bezug genommen.
45Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung und verlangt im Wege des Widerantrages die Rückzahlung der in den Monaten Januar 2014 bis Februar 2015 gezahlten Unterhaltsbeträge in Höhe von insgesamt 34.523,44 €. Er meint, die Scheidungsfolgenvereinbarung sei sittenwidrig; jedenfalls halte sie einer Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB nicht stand. Die Vereinbarung sei zudem gemäß § 313 BGB anzupassen. Sein Einkommen habe sich im Verhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung deutlich verschlechtert. Ferner habe sich die Rechtslage durch die Einführung der § 1579 Nr. 2 BGB und § 1578 b BGB geändert. Schließlich sei ein weiterer Unterhaltsgläubiger, seine getrennt lebende zweite Ehefrau, hinzugetreten. Für diese müsse er aufgrund eines mit ihr abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs zumindest eine Kaltmiete in Höhe von 439,62 € zahlen.
46Der Antragsgegner beantragt,
47den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Münster vom 17.02.2015, Aktenzeichen 41 F 18/15 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen sowie im Wege des Widerantrags die Antragstellerin zu verpflichten, an sie, die Antragstellerin, zu viel gezahlten Unterhalt für die Monate Januar 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 34.523,44 € an ihn, den Antragsgegner, zurückzuzahlen.
48Die Antragstellerin beantragt,
49die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und den Widerantrag des Antragsgegners abzuweisen.
50Ferner macht die Antragstellerin im Wege der Antragserweiterung nunmehr hilfsweise für den Fall, dass der Unterhalt gem. § 1578 b BGB herabgesetzt wird, Altersvorsorge- und Krankheitsversicherungsunterhalt geltend. Insoweit beantragt sie hilfsweise,
51den Antragsgegner zu verpflichten, an sie, die Antragstellerin, jeweils ab dem Monat Juni 2016 Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 709,55 EUR und Krankenversicherungsunterhalt in Höhe von monatlich 427,84 EUR zu zahlen.
52Der Antragsgegner beantragt,
53den vorstehenden Antrag zurückzuweisen.
54Mit Beschluss vom 14.04.2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die abgeschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung nicht sittenwidrig sei. Falls eine Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB im Hinblick auf Ziff. II Abs. 6 der Scheidungsfolgenvereinbarung in Betracht komme, habe der Antragsgegner die Störung der Geschäftsgrundlage jedenfalls bislang nicht hinreichend dargelegt. Wegen der Einzelheiten des Hinweisbeschlusses wird auf Bl. 569 ff. GA Bezug genommen.
55Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Antragsgegner ergänzend zu seinen Einkünften im Jahr 1999 vorgetragen. Im Durchschnitt der Jahre 1997 bis 1998 habe er netto monatlich 14.277,36 DM verdient (Bl. 585 GA). Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2012 habe er jährlich 27.875 € verdient (Bl. 586 GA). Ferner trägt er zu seinem Einkommen im Jahr 2013 vor, das er auch ohne Kranken- und Pflegeversicherungskosten und ohne Aufwendungen zur Altersvorsorge mit einem Verlust von 11.199 € beziffert (Bl. 587 GA). Unter Vorlage von betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Steuererklärungen und des Steuerbescheides für 2014 sowie von Bilanzen behauptet der Antragsgegner, er habe auch in den Jahren 2014 und 2015 sowie auch Anfang 2016 nur Verluste gemacht.
56Die Antragstellerin akzeptiert die Abweisung des Stufenantrags und verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung. Sie rügt die Auskunftserteilung des Antragsgegners zu seinen laufenden Einkünften. Insbesondere sei unklar, wie der Antragsgegner die von ihm angegebenen monatlichen Belastungen bezahlen könne, wenn er nur das von ihm angegebene geringe Einkommen habe. Die Auflösungen von Rücklagen seien teilweise nicht belegt und im Übrigen zum Bestreiten der Ausgaben und Finanzierung seines Lebensstils nicht auskömmlich. Es seien zahlreiche Buchungen der Sachkonten nicht hinreichend erläutert. Die Jahresabschlüsse seien nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden. Z.B. würden Kosten für mehrere PKW als betriebliche Belastungen aufgeführt, die bereits verkauft seien. Es sei auch unklar, wie der Kassen- und Bankbestand zustande gekommen sei. Mieteinkünfte seien teilweise nicht angegeben.
57Gegen eine Befristung des Unterhalts spreche, dass sie, die Antragstellerin, ehebedingte Nachteile erlitten habe. Die Antragstellerin war unstreitig vor der Ehe als Zahnarzthelferin tätig. Sie war in einer Zahnarztpraxis in exponierter Stelle tätig und hätte bei fortlaufender Fortbildung nicht nur über ein entsprechendes Einkommen verfügt, sondern auch über eine entsprechende Altersvorsorge. Im Mai 2013 hätte sie ausweislich einer Bescheinigung ihres früheren Arbeitgebern 3.050 € zzgl. bis zu 20 % verdienen können (Bl. 691 GA). Die Antragstellerin behauptet, sie hätte bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit ohne die Ehe brutto 4.482,64 € verdienen können (vgl. Berechnung Bl. 861 GA).
58Der Rüge der unrichtigen Bilanzierung ist der Antragsgegner mit näheren Ausführungen entgegen getreten.
59Die Antragstellerin meint, die Scheidungsfolgenvereinbarung sei nicht wegen der Einführung des § 1578 b BGB abänderbar. Selbst wenn die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen der Einführung des § 1578 b BGB angepasst werde, könne bei einer Herabsetzung ihres Anspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf ihr nicht ein fiktives monatliches Einkommen angerechnet werden. Insoweit müsse es bei der Regelung des Vergleichs verbleiben, nach der auf ihrer Seite ein Einkommen nicht angerecht werde. Ferner müssten ihre Krankenversicherungskosten berücksichtigt werden. Insoweit leistet sie – unstreitig – ab dem 01.01.2016 einen monatlichen Betrag von 427,84 € an die Z Versicherung, und zwar auf der Basis, dass sie ein Einkommen von monatlich 2.465,96 € - aus Nachscheidungsunterhalt - erzielt (Bl. 800 GA). Ferner müsse bei einer Abänderung der Scheidungsfolgenvereinbarung berücksichtigt werden, dass sie Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt habe. Die notarielle Vereinbarung stehe nicht entgegen, da der Antragsgegner die hiernach geschuldete Altersversorgung nicht vollständig geleistet habe. Aufgrund einer zwischen der Beteiligten abgesprochenen anderweitigen Altersversorge werde sie, die Antragstellerin, über 60.000 € weniger Kapital bei Renteneintritt haben, als nach dem notariellen Vertrag vorgesehen sei. Zudem müsse auch im Fall der Herabsetzung des Unterhalts dieser wertangepasst werden.
60Sie hat zunächst behauptet, das Einfamilienhaus habe eine Wohnfläche von nur 134,90 qm (vgl. die eingereichten Baupläne, Bl. 788 ff. GA). Im Schriftsatz vom 23.06.2016 hat sie klargestellt, dass auch sie inkl. Terrasse von einer Gesamtwohnfläche unter Berücksichtigung der Schrägen im Obergeschoss von 152,40 qm ausgeht. Das ausgebaute Dachgeschoss könne nicht berücksichtigt werden, da dies nur eine lichte Höhe von 1,85 qm habe (Bl. 863 GA). U.a. wegen des Renovierungsbedarfs sei nur von einem Mietwert von 828,90 € auszugehen.
61Der Antragsgegner bestreitet, dass die Antragstellerin ohne Ehe einen höheren Nettomonatslohn als 1.700 € erzielen könne. Sie wäre nach umfangreichen Fortbildungen nur in die Tätigkeitsgruppe III (Vergütungstarifvertrag für zahnmedizinische Fachangestellte/Zahnarzthelferinnen in Hamburg, Hessen, im Saarland, Landesteil Westfalen-Lippe, vgl. Bl. 894 ff. GA) aufgestiegen.
62Die Gesamtwohnfläche des Einfamilienhauses X-Straße 28, N, betrage 186 qm.
63Der Senat hat die Beteiligten im Termin am 01.12.2015 und am 20.09.2016 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Gründe Ziff. II. Bezug genommen.
64II.
65Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
66Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, nachdem die Antragstellerin die Abweisung ihres erstinstanzlich primär geltend gemachten Stufenantrags akzeptiert, ihr Anspruch auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt, der für den hier in Rede stehenden Zeitraum aus § 1573 Abs. 2 BGB folgt. Der Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt wurde von den Beteiligten durch die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30.09.1999 geregelt. Hierdurch wurde der Charakter als Unterhaltsschuld aber nicht verändert, sondern dieser Anspruch nur modifiziert. Dies bedeutet, dass grundsätzlich die unterhaltsrechtlichen Bestimmungen weiter anwendbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 – FamRZ 2012, 525; BGH, Beschluss vom 19.03.2014 – XII ZB 19/13 – FamRZ 2014, 912). Der Wille der Beteiligten, den Unterhaltsanspruch ausschließlich auf eine vertragliche Grundlage zu stellen, kann nur bei besonderer dafür sprechender Anhaltspunkte angenommen werden (BGH, Urteil vom 21.09.2011 – XII ZR 173/09 – NJW 2012, 1356). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
671)
68Bedenken gegen die Wirksamkeit der Scheidungsfolgenvereinbarung bestehen nicht.
69a)
70Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Scheidungsfolgenvereinbarung bei dessen Abschluss sittenwidrig war (§ 138 BGB).
71Das Verdikt der Sittenwidrigkeit kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – XII ZR 48/11 – FamRZ 2013, 269). Dieses allein reicht für die Annahme der Sittenwidrigkeit in der Regel aber nicht aus, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (BGH, Urteil vom 31.10.2012 – XII ZR 129/10 – NJW 2013, 380; OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2011 – 5 UF 51/10 – FamRZ 2012, 232; Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1408 Rn. 11).
72Die abgeschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung ist nach diesen Maßstäben schon nicht objektiv sittenwidrig. Dass der Antragsgegner durch diese bei Abschluss des Vertrages unzumutbar belastet wurde, trägt er selbst nicht vor.
73Zumindest fehlt die erforderliche subjektive Komponente. Denn eine subjektive Imparität kann beim Antragsgegner nicht festgestellt werden. Die maßgebliche Fassung der Scheidungsfolgenvereinbarung stammte aus der Sphäre des anwaltlich beratenen Antragsgegners. Der Abschluss des Vertrages ging, nachdem zunächst ein Entwurf erstellt wurde, maßgeblich auf den Antragsgegner zurück. Dieser war schon damals erfolgreicher und geschäftsgewandter Kaufmann. Die erforderliche subjektive Komponente für § 138 BGB fehlt auf Seiten des Antragsgegners vollständig.
74b)
75Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages bestehen auch nicht wegen der in Ziff. II. des Vertrages vereinbarten Wertsicherungsklausel. Eine Unwirksamkeit dieser Klausel würde – auch wenn eine salvatorische Klausel in der Scheidungsfolgenvereinbarung fehlt – im Zweifel nicht den gesamten Vertrag erfassen (vgl. Wönne in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 6 Rn. 660). Hinzu kommt, dass es sich bei der Anknüpfung des Unterhalts an den Lebenshaltenskostenindex um eine Bezugnahme auf mit dem Unterhalt vergleichbare Leistungen handelt. Es handelt sich dann um eine genehmigungsfreie Spannungsklausel i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKlG (vgl. zum Begriff der Spannungsklausel nach dem alten Recht BGH, Urteil vom 16.04. 1986 – VIII ZR 60/85 – NJW-RR 1986, 877; zum Familienrecht vgl. nur Wönne in: Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 662).
762)
77Diese Scheidungsfolgenvereinbarung ist nur aufgrund der Einführung des § 1578 b BGB in der jetzigen Fassung nach dem Abschluss der Vereinbarung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) abänderbar. Im Übrigen ist die Vereinbarung nicht abänderbar. Im Einzelnen:
78a)
79Die einzelnen Regelungen der Scheidungsfolgenvereinbarung sind nicht derart miteinander verzahnt, dass dies eine Abänderung insgesamt ausschließen würde. Insbesondere kann entgegen der Behauptung der Antragstellerin nicht festgestellt werden, dass mit der dauerhaften Unterhaltszahlung ein Teil des Zugewinn verrentet wurde (zur Verzahnung vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 – FamRZ 2012, 525 – Tz. 35 f.). Nach den allgemeinen Grundsätzen muss die Antragstellerin eine solche Verzahnung der einzelnen Klauseln als ihr günstig darlegen und ggf. auch beweisen.
80Von einer solchen Verzahnung zu unterscheiden ist der sog. Einheitlichkeitswille bei Abschluss einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13 – NJW 2014, 1101 m.w.N.) gibt es bei der gemeinsamen Aufnahme mehrerer Vereinbarungen in eine Urkunde eine tatsächliche Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen. Dieser hat bei der Prüfung im Rahmen des § 139 BGB entscheidende Bedeutung dafür, ob die Teilnichtigkeit einer Klausel zu der Nichtigkeit auch der weiteren Klauseln führt (vgl. Staudinger/Roth (2015), § 139 Rn. 36 ff. m. w. N.). Dieser Einheitlichkeitswille sagt aber nichts Entscheidendes darüber aus, ob die Abänderung einer Klausel nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt. Vielmehr ist der Abänderungsgegner für den Ausschluss einer Abänderungsmöglichkeit darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Beschluss vom 11.02.2015 – XII ZB 66/14, FamRZ 2015, 734; BGH, Urteil vom 25.11.2009 – XII ZR 8/08, FamRZ 2010, 192 – freilich zur Abänderungsklage; ebenso Schmitz in Wendl/Dose, a.a.O., § 10 Rn. 246 – ebenfalls zum Abänderungsantrag). Nach dem Hinweis des Senats in der Ladungsverfügung und den Erörterungen im Senatstermin vom 01.12.2015 hat die Antragstellerin zwar ihren Vortrag ergänzt. Er reicht aber, wie in beiden Verhandlungsterminen vor dem Senat erörtert worden ist, für die Annahme einer Verzahnung nach wie vor nicht aus.
81aa)
82Voraussetzung für die Annahme einer teilweisen Verrentung einer Zugewinnausgleichsforderung wäre, dass zumindest ein Mindestbetrag eines Zugewinnausgleichsanspruchs der Antragstellerin, der verrentet werden sollte, feststehen würde. Eine Zugewinnberechnung fehlt nach wie vor.
83(1)
84Der von der Antragstellerin erzielte Zugewinn ist vollständig unbekannt. Allein deswegen kann eine Verzahnung nicht angenommen werden. Die Antragstellerin war zumindest hälftige Miteigentümerin des Familienheims mit einem Wert von 400.000 DM. Da über ihr Anfangsvermögen nichts bekannt ist, ist davon auszugehen, dass sie zumindest in dieser Höhe einen Zugewinn erzielt hat. Zumindest dieser Wert wäre auszugleichen gewesen.
85(2)
86Zum damaligen Zugewinn des Antragsgegners gilt Folgendes:
87Die Antragstellerin hat zwar eine Vermögensaufstellung des Antragsgegners vom 24.08.1998 zu den Akten gereicht (vgl. Bl. 675 ff., 685 GA). Hieraus ergeben sich beim Endvermögen Aktiva von 2.148.047,30 DM und Passiva von 1.478.128,60 DM. Der Antragsgegner hatte mithin nach seinen Angaben einen Zugewinn von 669.918,70 DM erzielt. 1/2 hiervon sind 334.959,35 DM.
88Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass in dieser Aufstellung der Miteigentumsanteil am Familienheim eingestellt ist, der mit 400.000 DM als Aktivposten berücksichtigt wurde. Die gem. Ziff. VIII der Scheidungsfolgenvereinbarung übertragene Lebensversicherung beim M wurde mit 10.824,51 DM berücksichtigt. Durch die Übertragung dieser Werte auf die Antragstellerin hat der Antragsgegner damit an die Antragsgegnerin einen Zugewinn in Höhe von 410.824,51 DM ausgeglichen. Dieser Betrag liegt oberhalb des nach den Angaben des Antragsgegners errechneten auszugleichenden Zugewinns von 334.959,35 DM (vgl. oben). Hinzu kommt der grundsätzlich auszugleichende Zugewinn der Antragstellerin von mindestens 200.000 DM (1/2 Wert des Miteigentumsanteils).
89Sofern die Antragstellerin bei der Zugewinnberechnung des Antragsgegners rügt, es dürften die später angefallenen Kosten für die Sanierung der Tankstellen nicht berücksichtigt werden, verkennt sie, dass die maßgeblichen Bescheide, nach denen der Antragsgegner zur Tankstellensanierung verpflichtet war, unstreitig vor dem Stichtag (05.06.1997 = Zustellung der Scheidungsschrift, vgl. Bl. 689, 690 GA) ergangen sind. Diese Sanierungsverpflichtung lastete mithin gleichsam auf den Grundstücken. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann der Senat nicht zugunsten der darlegungsbelasteten Antragstellerin feststellen, dass diese Sanierungsverpflichtung mit einem geringeren Wert angesetzt werden könnte, als mit den später angefallenen tatsächlichen Sanierungskosten.
90Auch der Umstand, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.03.2016 (Bl. 769 ff. GA) darauf hingewiesen hat, dass von den vom Antragsgegner damals angesetzten Kosten für die Tankstellensanierung (Bl. 682 f. GA) ein Großteil zur Fahrbahnsanierung aufgewendet wurde und nicht aufgrund der VAWS (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen über Fachbetriebe) erforderlich war, ändert nichts. Der Antragsgegner ist diesem Vortrag der Antragstellerin entgegen getreten und hat nachvollziehbar erläutert, dass auch die Fahrbahnsanierung durch die anderen Maßnahmen verursacht wurde (Bl. 807 GA). Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin ihr Vortrag zugrunde gelegt wird, führt dieser nicht zu einer anderen Bewertung. Da auch nicht angenommen werden kann, dass der Antragsgegner ohne Not die Fahrbahnen der Tankstellen saniert hat, hatten die Tankstellen mit maroden Fahrbahnen einen entsprechend geringeren Wert. Auch insoweit kann nicht festgestellt werden, dass dieser geringere Wert der Tankstellen mit maroden Fahrbahnen nicht den angesetzten Beträgen entspricht.
91Der von der Antragstellerin behauptete Goodwill der vom Antragsgegner zum Stichtag betriebenen Tankstellen wird nicht beziffert und kann seitens des Senats mangels Anknüpfungspunkten weder beziffert noch geschätzt werden.
92Letztlich kann dies aber dahin stehen, da es, wie bereits ausgeführt, nach wie vor an einer Zugewinnausgleichsberechnung der Antragstellerin fehlt.
93bb)
94Eine teilweise Verrentung des Zugewinns durch die Unterhaltszahlungsverpflichtung ergibt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin eingereichten Schreiben der damals von den Beteiligten beauftragen Rechtsanwälte aus den Jahren 1998/1999.
95Vielmehr hat die Antragstellerin am 27.01.1999 eine Klage gegen den Antragsgegner erhoben, mit der sie Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 5.468 DM, Vorsorgeunterhalt in Höhe von 2.577 DM und Kosten für eine Krankenversicherung und eine Pflegeversicherung in Höhe von 1.500 DM geltend gemacht hat (Bl. 664 ff. GA). Selbst wenn nur der damals klageweise geltend gemachte Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 5.468 DM mit dem in der Scheidungsfolgenvereinbarung geregelten – geringeren – Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 4.823 DM verglichen wird, gibt es keine Anhaltspunkte für eine teilweise Verrentung eines Zugewinnausgleichanspruchs.
96Für eine – auch nur teilweise – Verrentung des Zugewinns durch die Unterhaltsverpflichtung in dem Scheidungsfolgenvergleich spricht auch nicht das Schreiben der damaligen Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 16.03.1998 (Bl. 782 ff. GA). In diesem Schreiben haben die Bevollmächtigten des Antragsgegners zwar nur einen monatlichen Barunterhalt von 2.157,86 DM errechnet. Dies spricht aber nicht entscheidend dagegen, dass der Nachscheidungsunterhalt, wie er in der Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt wurde, zutreffend war. Es ist in Unterhaltssachen gängige Praxis, dass insbesondere vorprozessual der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt großzügig hoch berechnet, während der Unterhaltsverpflichtete versucht, den Unterhalt möglichst gering zu berechnen.
97Ferner hat der Antragsgegner für den Senat nachvollziehbar vorgetragen, dass er im Interesse seiner Kinder und seiner zukünftigen Kontaktmöglichkeiten zu den Kindern beim Unterhalt großzügig gewesen sei.
98cc)
99Hinzu kommt, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Senatstermin am 01.12.2015 erklärt hat, dass sie sich vor Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung gar keine konkreten Gedanken über den Zugewinn gemacht hat. Sie hat erklärt, dass zwar das Vermögen des Antragsgegners erörtert worden sei. Eine konkrete Bewertung des Vermögens des Antragsgegners habe aber nicht stattgefunden. Im Senatstermin vom 20.09.2016 hat sie erklärt, dass sie nach Hinweis des Antragsgegners auf die Kosten eines Zugewinnausgleichsverfahrens, von einem solchen Abstand genommen habe.
100Auch dies spricht dagegen, dass nach den Vorstellungen der Beteiligten mit der Scheidungsfolgenvereinbarung teilweise der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragstellerin verrentet werden sollte.
101dd)
102Allein die systematisch am Ende unter X. der Scheidungsfolgenvereinbarung getroffene Erledigungsklausel zum Zugewinn reicht für die Annahme einer Verzahnung nicht aus.
103Der Antragsgegner hat zudem unwidersprochen vorgetragen, dass auch die Hausratsteilung wirtschaftlich zugunsten der Antragstellerin erfolgte.
104Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung (BGH, Beschluss vom 10.08.2005 – XII ZR 73/05 – FamRZ 2005, 1662) betrifft eine Kapitalabfindung und ist mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar.
105ee)
106Auch der Vortrag der Antragstellerin, die Scheidungsfolgenvereinbarung sei ein Gesamtpaket gewesen, führt nicht dazu, dass eine Abänderung vollständig ausgeschlossen ist. Die Antragstellerin trägt insoweit schriftsätzlich vor, sie habe den von ihr geltend gemachten erheblichen Zugewinn nur deshalb nicht weiter verfolgt, weil beim Unterhalt die Abänderungsmöglichkeiten fast vollständig ausgeschlossen worden seien. Die altersbedingte Einstellung der Tätigkeit des Antragsgegners sei durch die vereinbarten Altersvorsorgeleistungen abgesichert worden.
107Dieser schriftsätzliche Vortrag steht bereits im Widerspruch zu den Erklärungen der Antragstellerin in den beiden Senatsterminen (vgl. oben). Die Antragstellerin hatte gerade keine konkrete Vorstellung zu ihrer Zugewinnausgleichsforderung gegen den Antragsgegner. Sie hat von der Geltendmachung dieser Forderung aufgrund des Kostenrisikos Abstand genommen. Die Antragstellerin hat zwar ferner erklärt, der Antragsgegner habe ihr häufig gesagt, sie müsse nicht wieder arbeiten gehen. Diese Aussage des Antragsgegners war auf Grundlage der damaligen Rechtslage und der Rechtsprechung des BGH zutreffend. Nach damaliger Rechtslage hatte die Antragstellerin einen lebenslangen Unterhaltsanspruch.
108Vor der Rechtsprechungsänderung durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 12.04.2006 XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006) hätte der Unterhaltsanspruch nicht befristet werden können. Die Ehezeit im Rechtssinne beträgt 14 Jahre und 11 Monate (##.##.1982 bis ##.##.1997, da die Heirat am ##.##.1982 und die Zustellung des Scheidungsantrages am 05.06.1997 erfolgten). Hinzu hätten die Kindererziehungszeiten gerechnet werden müssen. Die jüngste Tochter Y3, geb. am ##.##.1990, war bei der Trennung erst 2 bis 3 Jahre alt; bei Zustellung des Scheidungsantrages am 05.06.1997 war sie erst 7 Jahre alt. Die Ehedauer inklusive der Kindererziehungszeiten hätte nach dem damaligen Altersphasenmodell einen Zeitraum erreicht, der nach alter Rechtsprechung durchschlagend für eine dauerhafte Unterhaltsgarantie gesprochen hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 07.03.2012 – XII ZR 145/09 – FamRZ 2012, 951; BGH vom 19.06.2013 – XII ZB 309/11 – FamRZ 2013, 1291).
109Die Nichtbefristung stand bei einer entsprechenden Beratung der Antragstellerin durch ihre damaligen Anwälte also gerade nicht in einem Synallagma zum Zugewinn. Auch wenn die Antragstellerin kurz vor Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung das Mandat zu ihren Anwälten gekündigt hatte, hatte nach ihren Erklärungen im Senatstermin vom 01.12.2015 vorher eine Beratung stattgefunden. Es war in einem Termin, an dem beide Beteiligte und deren Anwälte anwesend waren, der Vorschlag des Antragsgegners erörtert worden. Dass dabei die damalige Rechtslage mit der Antragstellerin nicht erörtert worden ist und sie deswegen eine unrichtige Vorstellung hatte, kann nicht festgestellt werden.
110Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wurde in der Praxis in bei Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung in dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fällen auch keine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs erwogen. Es ist zwar zutreffend, dass in § 1573 Abs. 5 BGB a.F. bezogen auf den Unterhaltstatbestand der Erwerbslosigkeit sowie im Rahmen des Aufstockungsunterhaltes eine zeitliche Befristung grundsätzlich möglich war. In § 1578 Abs. 1 BGB a.F. gab es zudem die Möglichkeit der höhenmäßigen Begrenzung des Unterhaltsanspruches. Gem. § 1578 Abs. 1 S. 2, 2. HS BGB a.F., sollte in der Regel aber dann keine Begrenzung vorgenommen werden, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. Nach der Rechtslage bei Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung hatte die Antragstellerin Anspruch auf Unterhalt als Lebensstandardgarantie.
111b)
112Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die Scheidungsfolgenvereinbarung allerdings nicht deswegen anzupassen, weil die Antragstellerin seit Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Auch die zwischenzeitliche Einführung des § 1579 Nr. 2 BGB ändert hieran nichts.
113Es ist in der Scheidungsfolgenvereinbarung ausdrücklich geregelt, dass der Unterhaltsanspruch auch dann erhalten bleibt, wenn die Antragstellerin ein eheähnliches Verhältnis eingeht. Der Unterhaltsanspruch sollte in diesem Zusammenhang nur dann erlöschen, wenn die Antragstellerin erneut heiratet.
114An dieser Regelung muss sich der Antragsgegner festhalten lassen. Es ist zwar zutreffend, dass durch das Unterhaltsänderungsgesetz von 2008 die Vorschrift des § 1579 Nr. 2 BGB neu eingeführt wurde. Damit wurde aber letztlich nur die vorherige Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. kodifiziert. Eine Änderung der Rechtlage ist damit nicht verbunden (Staudinger/Bea Verschraegen (2014) BGB § 1579 Rn. 57).
115c)
116Allerdings ist die Scheidungsfolgenvereinbarung entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht wegen der von ihm behaupteten verschlechterten wirtschaftlichen Lage abänderbar. Ob die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners sich verschlechtert haben, kann insoweit offen bleiben. Gegen eine solche Abänderungsmöglichkeit sprechen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Scheidungsfolgenvereinbarung.
117Nach dem Wortlaut der Vereinbarung ist diese bei Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nur dann abänderbar, wenn der Antragsgegner aus näher bestimmten Gründen seine berufliche Tätigkeit aufgibt. Diese Regelung ist sprachlich eindeutig.
118Diese wörtliche Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte dieser Vereinbarung gestützt. Vor Abschluss des Vergleichs haben die Rechtsanwälte des Antragsgegners mit Schreiben vom 12.05.1999 denen der Antragstellerin Folgendes geschrieben (vgl. Bl. 663 GA): „Hinsichtlich des Unterhalts ist noch eine Regelung der Gestalt zu treffen, dass im Falle einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Mandanten eine Abänderungsmöglichkeit besteht, jedenfalls dann, wenn unser Mandant gezwungen ist, sei es aus wirtschaftlichen oder aus altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit einzustellen.“
119In der notariellen Vereinbarung wurde hinsichtlich der Abänderbarkeit Folgendes geregelt: „Der Erschienene zu 2) [d. h. der Antragsgegner] ist berechtigt, eine Abänderung des Unterhalts zu verlangen, wenn er aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit aufgibt.“ Damit sollte in Kenntnis der Möglichkeit einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners eine Abänderbarkeit gerade nur dann möglich sein, wenn dieser aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit aufgibt. Die Scheidungsfolgenvereinbarung sollte, wie der vorausgegangene Schriftverkehr belegt, nicht abänderbar sein, wenn sich die wirtschaftliche Ertragskraft der Unternehmen des Antragsgegners verschlechtert, sondern nur, wenn er seine berufliche Tätigkeit aufgibt. Hieran muss sich der Antragsgegner festhalten lassen. Er ist unstreitig mit der sog. Firmengruppe G noch selbstständig tätig. Dies hat der Antragsgegner noch im Senatstermin am 20.09.2016 bestätigt.
120d)
121Es kann offen bleiben, ob das Hinzutreten einer weiteren Unterhaltsberechtigten – vorliegend der zweiten Ehefrau des Antragsgegners – zu einer Abänderbarkeit der notariellen Vereinbarung führen kann. Zumindest hat der Antragsgegner die Voraussetzungen für eine Abänderung wegen weiterer Unterhaltspflichten nicht hinreichend dargetan.
122Der Wortlaut und die Systematik der Scheidungsfolgenvereinbarung sprechen gegen eine diesbezügliche Abänderungsmöglichkeit des Antragsgegners. Es spricht einiges dafür, dass die Beteiligten die Frage des Hinzutretens einer neuen unterhaltsberechtigten Ehefrau des Antragsgegners bedacht haben. Denn eine neue Partnerschaft der Antragstellerin ist geregelt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin war Grund für die Trennung der Beteiligten die eheliche Untreue des Antragsgegners. Wenn vor diesem Hintergrund direkt im Anschluss an die Regelung der Antragstellerin im Hinblick auf eine neue Partnerschaft die Abänderbarkeit durch den Antragsgegner nur bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit geregelt wird, spricht einiges dafür, zumindest beim Hinzutreten einer neuen Ehefrau, den Vertrag dahingehend auszulegen, dass er insoweit unabänderbar ist.
123Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen. Denn der Antragsgegner hat nicht hinreichend vorgetragen, dass und in welchem Umfang er gegenüber seiner zweiten getrennt lebenden Ehefrau zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist. Seine Behauptung, er müsse aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs mit seiner getrennt lebenden Ehefrau für diese die Miete zahlen, reicht nicht aus. Im Übrigen hat der Antragsgegner auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und in welchem Umfang er dieser Pflicht nachgekommen ist. Hinzu kommt, dass er selbst im Rahmen seiner Anhörungen in den Senatsterminen vom 01.12.2015 und vom 20.09.2016 bekundet hat, er sei mittlerweile rechtskräftig geschieden und zumindest aktuell würden keine nachehelichen Unterhaltsansprüche seitens seiner zweiten Ehefrau geltend gemacht. Angesichts der Vorschrift des § 1579 Nr. 1 BGB kann hier auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau des Antragsgegners gegen diesen nicht besteht; denn die Eheschließung erfolgte im Sommer 2012, die Scheidung ist spätestens seit Februar 2015 rechtskräftig (s. o.). Allein die Tatsache, dass sich der Sozialhilfeträger bei dem Antragsgegner im Hinblick auf evtl. übergegangene Unterhaltsansprüche gemeldet hat, reicht nicht aus, um das Hinzutreten eines weiteren Unterhaltsgläubigers feststellen zu können.
124Ferner wird eine hinzutretende Unterhaltspflicht seiner zweiten Ehefrau durch den Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber zumindest der ältesten beiden Kinder kompensiert. Nach dem Akteninhalt hat nur noch die jüngste Tochter Y3 gegen den Antragsgegner Unterhaltsansprüche geltend gemacht. Ob dies den vorliegenden Unterhaltszeitraum vollständig erfasst, ist allerdings offen. Für Y3 hat der Antragsgegner wohl nur bis einschließlich September 2015 Unterhalt gezahlt. Die ältesten Kinder sind schon seit Beginn des in Rede stehenden Unterhaltszeitraums wirtschaftlich selbstständig.
125Den diesbezüglichen Erörterungen in den beiden Senatsterminen ist der Antragsgegner nicht mehr entgegen getreten und hat nicht ergänzend vorgetragen.
126e)
127Die Scheidungsfolgenvereinbarung ist jedoch aufgrund der Einführung des § 1578 b BGB, der die Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts regelt, nach den Grundsätzen der Änderung der Geschäftsgrundlage abänderbar.
128Der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil vom 26.05.2010 – XII ZR 143/08 - BGHZ 186, 1) geht davon aus, bei der erstmaligen Festsetzung des nachehelichen Unterhalts sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien die spätere Befristung des Unterhalts offen halten wollen. Allein das Bedenken von Abänderungsmöglichkeiten führe aber nicht dazu, dass der Befristungseinwand nicht mehr erhoben werden kann (BGH a.a.O.). Der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2015 – XII ZB 66/14 – FamRZ 2015, 734) hat aber auch die Auslegung eines bestimmten Vergleichs gebilligt, wonach die Abänderungsgründe abschließend geregelt sein sollten. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, ob die Beteiligten im konkreten Fall ausdrücklich auf eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung auch unter diesem Gesichtspunkt verzichtet haben.
129Im Streitfall haben die Beteiligten nicht für die Zukunft eine Abänderung auch für den Fall einer Gesetzesänderung ausgeschlossen. In dem Fall, den der BGH am 11.02.2015 entschieden hat (XII ZB 66/14 – FamRZ 2015, 734), hatten die Beteiligten die Abänderungsgründe „abschließend“ geregelt und auf das „Recht zur Abänderung“ ausdrücklich „verzichtet“. In der von den Beteiligten abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung finden sich entsprechende Regelungen aber nicht. Die Scheidungsfolgenvereinbarung bietet keine Anhaltspunkte für eine insoweit abschließende Vereinbarung der Beteiligten. Für einen solchen ausdrücklichen Ausschluss ist die Antragstellerin, die sich hier gegen eine Abänderung wehrt, darlegungs- und beweisbelastet (BGH Beschluss vom 11.02.2015 – XII ZB 66/14 – FamRZ 2015, 734 Rn. 24). Selbst eine als „lebenslänglich“ bezeichnete Zahlung von Unterhalt führt nicht eindeutig dazu, dass der Befristungseinwand auf Grundlage der geänderten Rechtsprechung nicht mehr erhoben werden könnte. Denn die Beteiligten haben damals die geänderte Rechtsprechung und die folgende Gesetzesänderung nicht voraus gesehen, konnten diese auch nicht vorhersehen, und haben insoweit keine Risikovereinbarung getroffen.
130Eine Änderung ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Unterhaltsvereinbarung unter allen Gesichtspunkten abschließend ist (vgl. BGH a.a.O.). So ist die Scheidungsfolgenvereinbarung der Beteiligten hier indessen nicht auszulegen. Diese Scheidungsfolgenvereinbarung zählt abschließend die Gründe auf, bei denen aufgrund von geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin abgeändert werden kann. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte dieser Vereinbarung kann aber nicht entnommen werden, dass damit alle weiteren Änderungsgründe endgültig ausgeschlossen sein sollten.
1313)
132Die Scheidungsfolgenvereinbarung ist mithin wegen der Neueinführung des § 1578 b BGB und der damit verbundenen Änderung der Geschäftsgrundlage abänderbar.
133Da es hier nicht um die Frage geht, ob eine Scheidungsfolge durch Vertrag abbedungen wurde – dann ist § 242 BGB anwendbar –, sondern darum, ob eine vertraglich modifizierte Unterhaltsberechnung angepasst werden muss, ist hier § 313 BGB anwendbar (BGH Urteil vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 1209 – Rn. 39).
134a)
135Im Hinblick auf die vom Antragsgegner behauptete verschlechterte wirtschaftliche Ertragskraft seiner Unternehmen gilt Folgendes:
136Der Vertrag ist dahingehend auszulegen, dass eine Veränderung der wirtschaftlichen Ertragskraft der Unternehmen des Antragsgegners keine Abänderung ermöglichen sollte (vgl. oben). Wenn – wie hier – nach der vertraglichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage beruft, ist für eine Anpassung gemäß § 313 BGB wegen Verwirklichung des übernommenen Risikos kein Raum (BGH, Urteil vom 06.10.2003 – II ZR 63/02 – FamRZ 2004, 94). So liegt es hier.
137Im Übrigen wäre unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung eine erhebliche Störung der Geschäftsgrundlage nur dann festzustellen, wenn die unveränderte Weitererfüllung des Vertrages die eigene wirtschaftliche Existenz des Schuldners gefährden würde und ihm auch unter Einsatz seines Vermögens und gegebenenfalls Anrechnung eines eigenen Anspruches auf Familienunterhalt nicht mehr die Mittel verblieben, deren er für den eigenen notdürftigen Unterhalt und den der nächsten auf ihn angewiesenen Angehörigen bedarf (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2003 – 6 UF 22/03, FuR 2004, 245 – freilich zu § 242 BGB). Dies gilt für § 313 BGB entsprechend. Dass der Antragsgegner unter Einsatz seines Vermögens zur Unterhaltszahlung nicht in der Lage ist, hat er, wie in beiden Senatsterminen erörtert worden ist, nicht hinreichend dargetan. Bei den eingereichten von ihm gefertigten Vermögensaufstellungen (vgl. Bl. 84, 272 GA) ist insbesondere der Betriebswert seiner Betriebe der Firmengruppe G nicht richtig ermittelt. Dieser dürfte nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln sein. Allein eine Saldierung der Aktiva und Passiva bildet den Betriebswert nicht zutreffend ab. Insofern kann gerade nicht festgestellt werden, dass dem Antragsgegner im Ergebnis nicht zumindest sein notwendiger Unterhalt verbleibt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt KG, Beschluss vom 22.12.2015 – 13 UF 143/15 – FF 2016, 167). Auch der durch Steuerunterlagen und einen Steuerbescheid belegte Vortrag zu den fehlenden steuerpflichtigen Einkünften ändert hieran nichts.
138b)
139Entsprechend der obigen Ausführungen ist wegen der Einführung des § 1578 b BGB die Scheidungsfolgenvereinbarung abänderbar. Die Rechtslage hat sich seit 1999 geändert. Damals war eine Befristung des Unterhaltsanspruchs nicht möglich, nunmehr schon (vgl. oben). § 1578 b BGB ist damit zu prüfen. § 36 EGZPO ist insoweit nicht anwendbar, da es sich nur um eine Rechtsprechungsänderung handelt (BGH Urteil vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 FamRZ 2012, 1209 – Rn. 52). Entscheidend war die Änderung der Rechtsprechung des BGH durch das Urteil vom 12.04.2006 (BGH, Urteil vom 12.04.2006, XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006).
1404)
141Diese Auslegung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung in Verbindung mit den Grundsätzen der Änderung der Geschäftsgrundlage führt dazu, dass der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt in der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Höhe verpflichtet ist.
142a)
143Das Familiengericht hat zutreffend nach den Regeln der Scheidungsfolgenvereinbarung den Beginn der Anpassung mit dem 01.06.2013 bestimmt. Die Aufforderung der Antragstellerin zur Anpassung des Unterhaltsanspruchs stammt aus Mai 2013 (Bl. 39 ff. GA). Nach Ziff. II. 4. Absatz der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30.09.1999 erfolgt die Anpassung zum 1. des Monats, der auf den Monat folgt, in dem das Verlangen gestellt wird.
144Die zwischen den Beteiligten unstreitige Höhe der angepassten Unterhaltszahlungspflicht des Antragsgegners belastet den Antragsgegner nicht. In dem Vertrag wurde die Wertsicherung des Anspruchs an den Lebenshaltungskostenindex angeknüpft. Da der Lebenshaltungskostenindex eingestellt wurde, ist auf den Verbraucherpreisindex Basis 2010 abzustellen. Hiernach werden seitens des Antragsgegners 3.081,72 € monatlich geschuldet. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung (vgl. www.famrb.de/tabellen und checklisten/durchlaufender Verbraucherpreisindex seit 1958):
1454.823 DM in Okt. 1999 Index: 84,5
146Juni 2013 (Wirkung des Erhöhungsverlangens) Index 105,600
1474.823 DM * 105,600/84,5 = 6.027,32 DM = 3.081,72 €. Geltend gemacht werden – mit einer etwas anderen Berechnung – 3.074 €. Hierbei hat es zu verbleiben (§ 308 Abs. 1 ZPO).
148Auf der Bedarfsebene dürfen auch keine fiktiven Einkünfte der Antragstellerin angerechnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2015 – XII ZR 80/13 – FamRZ 2015, 824). Denn im Streitfall haben die Beteiligten sich in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung dahingehend geeinigt, dass Einkünfte der Antragstellerin nicht angerechnet werden. Diese Einigung der Beteiligten ist nicht anzupassen. Denn sowohl nach dem bei Abschluss der notariellen Vereinbarung geltenden Recht als auch nach der jetzigen Rechtslage wären Einkünfte der Antragstellerin grundsätzlich bedarfsdeckend zu berücksichtigen. Eine Änderung ist insoweit nicht eingetreten. Dass bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 – XII ZR 343/99 – BGHZ 148, 105-122) nach der sog. Anrechnungstheorie gerechnet wurde, steht dem nicht entgegen (ebenso BGH, Urteil vom 18.02.2015 – XII ZR 80/13, FamRZ 2015, 824).
149b)
150Die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung ist im Hinblick auf § 1578 b BGB unter Berücksichtigung der vertraglichen Regelungen teilweise abzuändern. Ab dem 01.01.2017 ist der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auf ihren eigenen Lebensbedarf herabzusetzen. Zu ihrem Lebensbedarf gehören vorliegend neben ihrem Elementarunterhaltsanspruch auch die Kosten für ihre Krankenversicherung. Ein Altersvorsorgeunterhalt ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen. Im Einzelnen:
151aa)
152Eine Abänderung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung kommt nicht in Betracht, soweit die Antragstellerin ehebedingte Nachteile erlitten hat. Denn ehebedingte Nachteile stehen einer Begrenzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen gem. § 1578 b BGB grundsätzlich entgegen (st. Rspr., z.B. BGH Urteil vom 18.02.2015 – XII ZR 80/13 – FamRZ 2015, 824).
153Die Antragstellerin hat ehebedingte Nachteile in Höhe von monatlich rund 1.000 € zzgl. von 173,50 € erlitten.
154(1)
155Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin als Zahnarzthelferin ohne die Ehe in der Tarifgruppe IV (Vergütungstarifvertrag für Zahnmedizinische Fachangestellte/Zahnarzthelferinnen in Hamburg, Hessen, im Saarland, Landesteil Westfalen-Lippe) verdient hätte.
156(a)
157Den Antragsgegner trifft die Beweislast, dass die Antragstellerin keine ehebedingten Nachteile erlitten hat (allgemein zur Darlegungs- und Beweislast vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 301/12 – FamRZ 2014, 1276). Die Antragstellerin trifft aber eine sekundäre Darlegungslast. Die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast der Berechtigten (hier: der Antragstellerin) dürfen dabei nicht überspannt werden. Diese muss aber konkret ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten darlegen und ihre entsprechende Bereitschaft und Eignung darlegen. Die Darlegung muss dabei so konkret sein, dass die Entwicklungsmöglichkeiten und persönlichen Fähigkeiten vom Gericht auf Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Pflichtigen zugänglich sind (BGH, Urteil vom 26.10.2011 – XII ZR 162/09 – FamRZ 2012, 93; BGH, Urteil vom 11.07.2012 – XII ZR 72/10 – FamRZ 2012, 1483; W. Maier in: Erman BGB, Kommentar, § 1578b BGB, Rn. 24).
158Falls der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung – wie hier die Antragstellerin – noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand, trifft diesen zwar für seine berufliche Entwicklungsmöglichkeit die sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 26.10.2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93). Dabei ist den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen; die Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (BGH, Urteil vom 11.07.2012 – XII ZR 72/10 – FamRZ 2012, 1483). Wenn ein beruflicher Aufstieg behauptet wird, muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, aufgrund welcher Umstände (Fortbildungsbereitschaft, besondere Befähigungen, Neigungen oder Talente) er eine entsprechende Karriere gemacht hätte (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – XII ZR 72/10 - FamRZ 2012, 1483; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.).
159(b)
160Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin im Ergebnis.
161Die Antragstellerin war nach ihrem unwidersprochenen Vortrag u.a. im Rahmen ihrer Anhörung im Senatstermin am 01.12.2015 im Rahmen ihrer Ausbildung sehr leistungsorientiert. Sie konnte ihre Ausbildungszeit auf 1 3/4- Jahre verkürzen. Auf dieser Grundlage hat ihr damaliger Arbeitgeber ihr unter dem 16.05.2013 (Bl. 691 GA) bescheinigt, dass – eine Fortbildung mit Schwerpunkt Verwaltung unterstellt – sie nunmehr in die Tätigkeitsgruppe IV des Manteltarifvertrages der Zahnärztekammer (Vergütungstarifvertrag für Zahnmedizinische Fachangestellte/Zahnarzthelferinnen in Hamburg, Hessen, im Saarland, Landesteil Westfalen-Lippe) einzugruppieren ist.
162Die Antragstellerin hat indessen nicht hinreichend dargelegt, dass sie nunmehr in die Tätigkeitsgruppe V einzugruppieren wäre. Nach der Tätigkeitsgruppe V werden Praxismitarbeiter/innen mit erfolgreichem Abschluss als Dental-Hygienikerinnen (DH), Betriebswirtinnen im Gesundheitswesen oder Betriebswirtinnen für Management im Gesundheitswesen entlohnt. Anhaltspunkte für den von der Antragstellerin angegebenen Abschluss als Dentalhygienikerin gibt es nicht. Sie hat vielmehr bis zum Schriftsatz vom 23.06.2016 durchgängig angegeben, sie hätte mit Schwerpunkt Verwaltung gearbeitet. Dies entspricht einer Tätigkeit als Fachwirtin für Zahnärztliches Praxismanagement, einer Zahnmedizinischen Verwaltungshelferin/Verwaltungs-assistentin (ZMV) oder einer Assistentin für Zahnärztliches Praxismanagement (AZP), die jeweils nach der Tätigkeitsgruppe IV entlohnt werden. Dass die Antragstellerin über diese Assistenztätigkeit weitergehend eine Fortbildung als Betriebswirtin absolviert hätte, hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt. Dagegen spricht u.a., dass auch ihr ehemaliger Arbeitgeber „nur“ von einer Entlohnung nach der Tätigkeitsgruppe IV ausgegangen ist.
163Mit dem Vortrag des Antragsgegners, die Antragstellerin wäre nur in die Tätigkeitsgruppe III einzugruppieren, genügt dieser dagegen nicht seiner Darlegungslast. Auf Grundlage des unstreitigen Vortrags war die Antragstellerin bei ihrer Ausbildung überdurchschnittlich leistungsbereit. Deswegen wäre ohne die Ehe zu erwarten gewesen, dass sie nicht nur Fortbildungen von mindestens 65 Stunden (Tätigkeitsgruppe II) oder von mindestens weiteren 200 Stunden (Tätigkeitsgruppe III) absolviert hätte. Sie hätte vielmehr eine Zusatzqualifikation erreicht, die eine Entlohnung nach der Tätigkeitsgruppe IV gerechtfertigt hätte. Zu berücksichtigen ist hierbei neben der bereits erwähnten Bescheinigung ihres damaligen Arbeitgebers, dass die Antragstellerin im Rahmen der Erörterung im Senatstermin vom 01.12.2015 unwidersprochen bekundet hat, dass sie unmittelbar nach Abschluss ihrer Ausbildung bereits die ersten – allerdings noch nicht konkreten – Informationen für eine Weiterbildung eingeholt hat.
164Ab dem 01.01.2017 – ab diesem Zeitpunkt ist der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin höhenmäßig zu begrenzen – wäre die Antragstellerin im 39. Berufsjahr. Sie würde dann nach den ab dem 01.04.2016 geltenden Regelungen in dem Tarifvertrag monatlich 2.681,50 € zzgl. je 79,50 € für je drei weitere Berufsjahre verdienen. Sie würde damit 3.317,50 € (2.681,50 € zzgl. (8 x 79,50 €)) verdienen. Hinzu kommt nach dem Tarifvertrag ein Weihnachtsgeld in Höhe von 100 % des Monatsgehalts (vgl. www.tarifregister.nrw.de); umgelegt auf 12 Monate beläuft sich das Weihnachtsfeld auf 276,46 € (= 3.317,50 €:12). Hiernach ergibt sich ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.593,96 €. Der ehemalige Arbeitgeber der Antragstellerin hat bescheinigt, dass „bei einem langfristigen Arbeitsverhältnis […] darüber hinaus bis zu 20 % über diesem Tarif liegende Gehaltszahlungen üblich“ sind, da Verwaltungsfachangestellte gefragte Mitarbeiterinnen sind. Dies bietet aber keine hinreichende Grundlage für eine Schätzung gem. § 287 ZPO. Es ist schon offen, ob die Antragstellerin ohne die Ehe langfristig bei einem Arbeitgeber geblieben wäre. Ferner hätte der ehemalige Arbeitgeber 30 € vermögenswirksame Leistungen gezahlt; dies entspricht auch der Regelung im Tarifvertrag (vgl. www.tarifregister.nrw.de). Bei Steuerklasse I, angenommener Kirchensteuerpflicht und keinen Kinderfreibeträgen (Versteuerung ohne Ehe und ohne Kinder) hätte die Antragstellerin daher 2.191,45 € monatlich netto, also rund 2.200,00 €, verdient (Berechnung mit dem Steuerberechnungsprogramm unter www.parmentier.de).
165Der Umstand, dass nach dem Vergütungstarifvertrag für je weitere drei Berufsjahre das Gehalt ansteigt, kann und muss – entgegen der Ansicht der Antragstellerin - zur Zeit nicht berücksichtigt werden. Der Senat hat bei der obigen Berechnung berücksichtigt, dass die Antragstellerin im Jahr 2017 im 39. Berufsjahr sein würde. Die nächste Gehaltssteigerung stünde erst im 42. Berufsjahr an. In welcher Höhe im Jahr 2020 dann die Gehaltssteigerung aussehen würde, kann zurzeit nicht prognostiziert werden. Insoweit sind die Beteiligten auf ein evtl. Abänderungsverfahren zu verweisen.
166(2)
167Eine solche Verdienstmöglichkeit hat die Antragstellerin aber jetzt nicht mehr. Denn sie hat seit der Eheschließung am 29.07.1982 bis jetzt in ihrem Beruf nicht mehr gearbeitet. Ein Anschluss in dem Beruf der Zahnarzthelferin ist aufgrund des Zeitablaufs nicht möglich. Dies gilt erst recht für eine Zahnarzthelferin mit Zusatzqualifikationen im Verwaltungsbereich.
168Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2015 – XII ZR 80/13 – FamRZ 2015, 824) ist auch bei der Herabsetzung des Unterhalts auf den eigenen Bedarf die Wertung der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zu berücksichtigen. Hiernach trifft die Antragstellerin keine Erwerbsobliegenheit. Es ist von einem ehebedingten Nachteil im Ausgangspunkt von rund 2.200 € auszugehen.
169Dabei bleibt es aber nicht. Denn aufgrund der Ehe und der Scheidungsfolgenvereinbarung kann die Antragstellerin ihren Wohnbedarf aber nunmehr selber decken. Unter Anrechnung des Wohnbedarfs reduziert sich der ehebedingte Nachteil auf 1.000 €. Der Wohnvorteil ist vorliegend bei der Bemessung des ehebedingten Nachteils zu berücksichtigen. Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers in dem Schriftsatz vom 17.07.2014 (Bl. 198 GA) ist auch seinerzeit bei Abschluss des Scheidungsfolgenvergleichs vom 30.09.1999 der Wohnvorteil bei der Unterhaltsberechnung auf Seiten der Antragstellerin berücksichtigt worden. In diesem Fall ist der Wohnvorteil auch bei der Anpassung der Unterhaltvereinbarung vom 30.09.1999 zu berücksichtigen, und zwar dergestalt, dass er – als ehebedingter Vorteil - den ehebedingten Nachteil mindert.
170Der Senat schätzt den Wohnwert für das im Alleineigentum der Antragstellerin stehende Einfamilienhaus auf 1.200 € (§ 287 ZPO). Diese Schätzung beruht auf folgender Grundlage.
171Der Senat geht dem Grunde nach von einer Gesamtwohnfläche von 152,40 qm aus. Diese Wohnfläche hat die Antragstellerin durch Vorlage von Plänen, denen der Antragsgegner nicht substantiiert entgegen getreten ist, vorgetragen. Insbesondere hat die Antragstellerin substantiiert vorgetragen, dass der Dachboden keine Wohnfläche ist, da dieser nur eine Standhöhe von rund 1,85 m aufweist. Die Terrasse hat der Senat dabei mit ¼ bewertet. Hierbei hat er den unstreitigen schlechten Zustand und den unstreitigen Faktor berücksichtigt, dass diese keine besondere Lage bzw. Ausstattung hat. Nach dem im Internet abrufbaren Mietspiegel (www.stadt-N.de/wohnungsamt/mietspiegel-online), der allerdings nur für Objekte von bis zu 150 qm anwendbar ist, ergibt sich eine ortsübliche Vergleichsmiete von 6,74 €. Der Senat hat keine Bedenken, für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO diese Vergleichsmiete für die nur leicht abweichende Gesamtwohnfläche von 152,40 qm zu berücksichtigen. Dies entspricht einem Ausgangswert von 1.027,18 €.
172Anhaltspunkte für einen Abschlag wegen eines nicht näher beschriebenen Renovierungsstaus sind nicht angezeigt. Vielmehr sind als wertbildende Faktoren neben der reinen Wohnfläche auch der ausgebaute Dachboden zu berücksichtigen, dessen unstreitige Nutzungsmöglichkeit in die Berechnung nicht eingeflossen ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Immobilie ein freistehendes Einfamilienhaus ist. Ausweislich der Scheidungsfolgenvereinbarung ist das Grundstück 591 qm groß. Auf dem Grundstück steht eine Doppelgarage. Dies rechtfertigt eine Erhöhung des geschätzten Wohnwertes um gut 150 € auf insgesamt 1.200 €.
173(3)
174Die Antragstellerin hat auch einen ehedingten Nachteil dadurch erlitten, dass sie nunmehr nicht gesetzlich krankenversichert ist, sondern sich freiwillig krankenversichern muss.
175Weil die Antragstellerin nach der Auslegung der Scheidungsfolgenvereinbarung keine Erwerbsobliegenheit trifft, kann sie auch im Rahmen eines von ihr erzielbaren Einkommens nicht fiktiv so gestellt werden, als würde sie ihren Vorsorgeunterhalt in entsprechender Höhe decken.
176Nach der eingereichten Bescheinigung der Z ist die Antragstellerin bei dieser freiwillig versichert. Aus dem beitragspflichtigen Betrag – der Unterhaltszahlung durch den Antragsgegner – muss die Antragstellerin für die Krankenversicherung inkl. Zusatzbeitrag 15 % und für die Pflegeversicherung 2,35 % zahlen. Insgesamt muss die Antragstellerin mithin 17,35 % des Barunterhaltsanspruchs für Kranken- und Pflegeversicherung aufwenden. Ausgehend von dem oben errechneten Unterhaltsanspruch von 1.000 € ergibt dies einen Anspruch auf Krankenversicherung von 173,50 €.
177(4)
178Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann nach den Regelungen der Scheidungsfolgenvereinbarung nicht weitergehend noch ein Altersvorsorgeunterhaltsanspruch berücksichtigt werden. Insoweit haben die Regelungen in der Scheidungsfolgenvereinbarung einen abschließenden Charakter.
179In Ziff. III. der Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtete sich der Antragsgegner für die Antragstellerin – lediglich - bis zum 31.05.2011 Vorsorgeunterhalt durch Zahlung von Beiträgen bei der O zu zahlen, nicht aber „lebenslänglich“. Ferner verpflichtete sich der Antragsgegner an die Antragstellerin eine Lebensversicherung bei der M Lebensversicherung zu übertragen (Ziff. VIII. der Scheidungsfolgenvereinbarung). Hierdurch sollte der Altersvorsorgeunterhalt der Antragstellerin abschließend geregelt sein. Dies wird belegt durch Ziff. VI der Scheidungsfolgenvereinbarung, in der die Beteiligten auf die Geltendmachung weiterer Unterhaltsansprüche verzichtet haben und den Verzicht wechselseitig angenommen haben. Dieser Verzicht erfolgte auch in Kenntnis des Anspruchs auf Vorsorgeunterhalt, den die Antragstellerin zuvor mit ihrer Klage vom 27.01.1999 geltend gemacht hatte. Die Beteiligten sind mithin davon ausgegangen, dass die Regelungen zum Altersvorsorgeunterhalt abschließend sein sollten.
180Dass die Regelungen in dem Scheidungsfolgenvergleich vom 30.09.1999 zum Elementarunterhalt mit dem Altersvorsorgeunterhalt in irgendeiner Weise verzahnt worden sind, ist nicht feststellbar.
181Der Behauptung der Antragstellerin, die nach dem Vertrag ausgesprochen dünne Kapitaldecke für eine spätere Altersversorgung sei ein weiterer Grund gewesen, weshalb der Elementarunterhalt so hoch geregelt worden sei, stehen der insoweit eindeutige Wortlaut und die Systematik der notariellen Scheidungsvereinbarung entgegen. Aus der notariellen Vereinbarung ergibt sich eine solche Verzahnung gerade nicht. Vielmehr war bereits vor Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung der Altersvorsorgeunterhalt von der Antragstellerin bereits geltend gemacht worden. Die Dauer der Zahlungspflicht des Antragsgegners für die Versicherung bei der O beruhte auf der entsprechenden Zahlungsverpflichtung nach den Versicherungsbedingungen. In Kombination mit dem übertragenen Anteil an der Immobilie, der ebenfalls vorsorgenden Charakter hatte, ist die Antragstellerin durch die damals getroffenen Regelungen von einer hinreichenden Altersversorgung ausgegangen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin einer Abänderung der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des Elementarunterhalts zugestimmt hat, falls dieser seine berufliche Tätigkeit aufgibt. Dies zeigt, dass sie gerade nicht sicher sein konnte, dass sie lebenslang – oder zumindest bis zu ihrem Renteneintritt – einen hohen Elementarunterhalt bekommen werde.
182Anhaltspunkte dafür, dass diese abschließende Regelung zum Altersvorsorgeunterhalt nach den Grundsätzen der Anpassung der Geschäftsgrundlage anzupassen wäre (§ 313 BGB), gibt es nicht. Ohne Belang ist insoweit der teilweise streitige Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner sei seinen Verpflichtungen aus der Scheidungsfolgenvereinbarung nicht vollständig nachgekommen. Dies ist eine Frage der Vertragserfüllung, aber nicht eine Frage der Änderung der Geschäftsgrundlage.
183Die Beteiligten selbst sind schließlich davon ausgegangen, dass die Regelung über die Altersvorsorge unabhängig von der Regelung über den Elementarunterhalt abgeändert werden konnten. Es ist unstreitig, dass der Antragsgegner in Absprache mit der Antragstellerin die Zahlungen an die O eingestellt hat und für die Antragstellerin anderweitig Altersvorsorge betrieben hat. Diese späteren Vereinbarungen der Beteiligten nehmen der ursprünglichen Einigung der Beteiligten in der Scheidungsfolgenvereinbarung nicht den im Hinblick auf den Altersvorsorgeunterhalt abschließenden Charakter. Sie belegen vielmehr den eigenständigen Regelungsgehalt. Im Hinblick auf die eigenständige abschließende Regelung der Altersvorsorge in der Scheidungsfolgenvereinbarung ergreift die Anpassung des Elementarunterhalts nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlage hier nicht auch die Regelungen zur Altersvorsorge.
184(5)
185Die oben dargelegten ehebedingten Nachteile sind auch nicht durch weitere Vermögenszuwendungen kompensiert worden (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 07.03.2012 – XII ZR 145/09 – FamRZ 2012, 951). Eine solche Kompensation kann der Scheidungsfolgenvereinbarung nicht entnommen werden.
186bb)
187Unter Berücksichtigung dieser ehebedingten Nachteile ist es entsprechend den Erörterungen in den Senatsterminen sachgerecht, den Unterhalt der Antragstellerin ab dem 01.01.2017 auf den ehebedingten Nachteil herabzusetzen (§ 1578 b Abs. 1 BGB).
188Hierbei hat der Senat insbesondere folgende Faktoren berücksichtigt.
189Die Ehe der Beteiligten ist mit 14 Jahren und 11 Monaten im Rechtssinne (s. o.) nicht kurz gewesen. Es wurde auf Wunsch des Antragsgegners eine Hausfrauenehe geführt. Nach der Trennung/Scheidung hat die Antragstellerin die drei Kinder versorgt. Dies führt zu einem nicht unerheblichen Anspruch der Antragstellerin auf nacheheliche Solidarität.
190Für die Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 BGB) spricht, dass der Antragsgegner seit der Trennung der Beteiligten im Jahr 1992/1993 und insbesondere nach der Scheidungsfolgenvereinbarung seit 1999 schon seit erheblicher Zeit in erheblicher Höhe (vgl. Bl. 824 GA) Unterhalt zahlt. Der Antragsgegner hat mithin seit ca. 23 Jahren Unterhalt, davon ca. 16 Jahre Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Der Zeitraum, in dem der Antragsgegner Unterhalt geleistet hat, übersteigt die Ehedauer von beinahe 15 Jahren (s. o.) erheblich. Selbst wenn das Einkommen des Antragsgegners nicht gesunken, sondern sogar gestiegen wäre, wäre eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin unbillig (§ 1578 b Abs. 1 BGB).
191Durch die Scheidungsfolgenvereinbarung erfolgte auch eine finanzielle Entflechtung der Beteiligten.
192Nicht berücksichtigt hat der Senat, dass der Antragsgegner nach seiner Behauptung nunmehr finanziell zu einer erheblichen Unterhaltszahlung nicht in der Lage mehr ist. Denn in der abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung hat der Antragsgegner insoweit das entsprechende Risiko für die Entwicklung der wirtschaftlichen Ertragskraft seiner Unternehmen übernommen. Nach der Scheidungsfolgenvereinbarung kann er sich auf eine fehlende Leistungsfähigkeit nur berufen, falls er aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder altersbedingten Gründen seine berufliche Tätigkeit tatsächlich aufgibt, was er bislang nicht getan hat. Der Wortlaut dieser Klausel ist klar und eindeutig. Wegen der damit von dem Antragsgegner übernommenen Risikoübernahme wird auf die obige Auslegung dieser Klausel Bezug genommen. Diese Risikoübernahme wirkt aus Sicht des Senats für die Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578 b BGB fort. Es kommt hier nicht darauf an, ob der Antragsgegner leistungsfähig ist. Eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte, hat der Antragsgegner nicht dargelegt (vgl. oben).
193Die Antragstellerin kann ihren Wohnbedarf selbst decken. Sie hat im Zuge der Scheidungsfolgenvereinbarung ein lastenfreies freistehendes Einfamilienhaus übertragen bekommen (vgl. oben). Der Senat hat aber auch berücksichtigt, dass die Antragstellerin keine laufenden Einkünfte erzielt und solche nach den Regelungen der Scheidungsfolgenvereinbarung auch nicht erzielen muss. Sie muss ihren Barbedarf mithin, sofern sie keine Erwerbstätigkeit aufnimmt, durch den Unterhalt decken. Dies spricht entscheidend dafür, den Unterhalt erst nach einer Übergangsfrist auf den ehebedingten Nachteil herabzusetzen. Nach den Erörterungen im Senatstermin vom 01.12.2015 konnte die Antragstellerin sich auch auf die Verringerung ihres Unterhaltsanspruchs einstellen.
194cc)
195Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Wertsicherung in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung nicht fortzuschreiben. Denn die Berechnungsgrundlage hat sich durch das Herabsetzen des Unterhaltsanspruchs auf den ehebedingten Nachteil grundlegend verändert. Die Wertsicherung erfolgt dadurch, dass der ehebedingte Nachteil bei steigender fiktiver Berufserfahrung und Veränderung des maßgebenden Tarifvertrags ansteigt. Da diese Parameter zurzeit aber nicht sicher prognostiziert werden können, müssen die Beteiligten Veränderungen ggf. im Wege eines Abänderungsverfahrens geltend machen.
196c)
197Die einschließlich September 2016 aufgelaufene Unterhaltsrücke betragen 24.646,82 €.
198Dies ergibt sich aus folgender Berechnung.
199Zeitraum |
06/13-12/13 |
01/14-09/16 |
Unterhaltsanspruch |
3.074,00 € |
3.074,00 € |
./. Zahlungen |
-2.419,50 € |
-2.465,96 € |
Offener monatlicher Restbetrag |
654,50 € |
608,04 € |
Monate |
7 |
33 |
Offener Restbetrag im Unterhaltszeitraum |
4.581,50 € |
20.065,32 € |
Gesamtrückstand |
24.646,82 € |
Ab Juni 2013 bis Dezember 2013 hat die Antragstellerin Anspruch auf einen monatlichen Unterhalt von 3.074 €. Der Antragsgegner hat lediglich monatlich 2.419,50 € gezahlt. Die Antragstellerin hat mithin Anspruch auf monatlich weitere 654,50 €. Für das Jahr 2013 ergibt dies einen Rückstand von 4.581,50 €
201Ab Januar 2014 bis September 2016 hat der Antragsgegner auf Grundlage der einstweiligen Anordnung monatlich 2.465,96 € gezahlt. Entsprechend den Erörterungen in dem Senatstermin vom 20.09.2019 sollen die auf Grundlage der einstweiligen Anordnung gezahlten Unterhaltsbeträge Erfüllungswirkung haben. Der monatlich noch offene Betrag beläuft sich auf 608,04 €.
202Aus dieser Berechnung ergibt sich auch, dass der auf Rückzahlung von Unterhalt gerichtete Widerantrag des Antragsgegners unbegründet ist.
203Die Zinspflicht ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
2045.
205Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG, die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit auf § 116 FamFG.
2066.
207Bei der Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Verfahrenswertes hat der Senat berücksichtigt, dass der Widerantrag des Antragsgegners im Ergebnis denselben Verfahrensgegenstand wie der Hauptsacheantrag betrifft (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1, 3 FamGKG).
208Nach der vorgenannten Vorschrift ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn Haupt und Widerantrag denselben Gegenstand betreffen, was dann der Fall ist, wenn sie – wie hier - beide bei wirtschaftlicher Betrachtung dasselbe Interesse betreffen.
2097.
210Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht. Bei der Frage der Abänderbarkeit der Scheidungsfolgenvereinbarung geht der Senat von der gesicherten oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus. Die Anwendung auf den vorliegenden Fall ist eine Einzelfallentscheidung die keine Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt (§ 70 Abs. 2 FamFG). Auch die Frage der Wertanpassung eines herabgesetzten Unterhaltsanspruchs rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Diese Frage hat keine grundlegende Bedeutung. Der Senat weicht insoweit auch nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofes ab.
2118.
212Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze vom 21.09.2016 (Bl. 1023 ff GA), vom 4.10.2016 (Bl. 1046 ff GA), vom 12.10.2016 und 20.10.2016 (Bl. 1049 ff GA) sowie vom 26.10.2016 (Bl. 1051 GA) führen nicht dazu, dass die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen ist, § 156 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 04. Nov. 2016 - 13 UF 34/15
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 04. Nov. 2016 - 13 UF 34/15
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 04. Nov. 2016 - 13 UF 34/15 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
- 1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
- 1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.
(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.
(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.
(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
(5) (weggefallen)
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten im Scheidungsverbund um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Wirksamkeit eines Ehevertrages.
- 2
- Der 1956 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1957 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 26. September 1985, nachdem sie zuvor zwölf Jahre lang durch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft miteinander verbunden gewesen waren. Am 25. September 1985, dem Tage vor der Eheschließung, hatten die Parteien einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, durch den sie Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten; ferner war in dem Vertrag geregelt, dass eine etwaige Unwirksamkeit einer Vertragsklausel auf die Wirk- samkeit des Vertrages in seinen übrigen Teilen keinen Einfluss haben sollte. Aus der Ehe der Parteien sind drei Kinder hervorgegangen, die in den Jahren 1988, 1989 und 1996 geboren wurden.
- 3
- Die Ehefrau ist gelernte Bankkauffrau, hat in diesem Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung im Jahre 1977 allerdings nie gearbeitet. Zwischen 1977 und 1984 war sie als Büroangestellte bei den amerikanischen Streitkräften in Deutschland tätig. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im September 1985 war sie arbeitslos. Der Ehemann ist Polizeibeamter, der bei Abschluss des Ehevertrages im Rang eines Polizeiobermeisters im mittleren Polizeivollzugsdienst beschäftigt war.
- 4
- Der Ehemann engagierte sich seit dem Jahre 1983 als stiller Teilhaber beim Aufbau eines großen Fitnessstudios. Im Jahre 1997 veräußerte er diese Beteiligung; der Erlös floss in die Finanzierung eines im Alleineigentum des Ehemannes stehenden Einfamilienhauses. Die Ehefrau war während der Ehe zeitweise auf der Basis eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses in dem Fitnessstudio geringfügig beschäftigt gewesen; eine darüber hinausgehende Erwerbstätigkeit übte sie bis zur Trennung der Parteien im Januar 2008 nicht mehr aus. Aus der Aufteilung eines gemeinschaftlichen Bankguthabens erhielt die Ehefrau nach der Trennung rund 23.000 €.
- 5
- Das Scheidungsverfahren ist seit dem 4. März 2009 rechtshängig. Die Ehefrau hat in den Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich Stufenklagen erhoben und - in der ersten Stufe - von dem Ehemann Auskunft über seine sämtlichen Einkünfte zwischen September 2008 und August 2009 einerseits und über sein Endvermögen zum Stichtag 4. März 2009 andererseits verlangt. Das Amtsgericht hat durch Teilurteil den Ehemann antragsgemäß zur Erteilung von Auskünften über sein Einkommen in der Folgesache Unterhalt verurteilt; den Auskunftsantrag in der Folgesache Zugewinnausgleich hat es demgegenüber abgewiesen. Die Ehefrau hat gegen die Abweisung ihrer güterrechtlichen Auskunftsklage Berufung eingelegt und ihre Klage in der Berufungsinstanz um den Antrag erweitert, den Ehemann zur Erteilung einer Auskunft über sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt am 1. Januar 2008 zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Ehefrau, die ihre güterrechtlichen Auskunftsansprüche weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
- 7
- Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
- 8
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Ehefrau keine Auskunftsansprüche zum Güterrecht zu, da diese allein auf dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegründet seien (§ 1379 BGB) und die Parteien diesen Güterstand durch den Ehevertrag vom 25. September 1985 wirksam ausgeschlossen hätten.
- 9
- Das Amtsgericht habe zu Recht die Unwirksamkeit des Unterhaltsverzichts und des Verzichts auf den Versorgungsausgleich angenommen. Nach dem bestrittenen Vorbringen des Ehemannes seien Kinder zwar nicht ausdrücklich geplant; andererseits sei auch nach seinem Vorbringen nicht endgültig eine kinderlose Ehe beabsichtigt gewesen, so dass mit der Möglichkeit zu rechnen gewesen sei, dass sich der Unterhaltsverzicht auch auf den Betreuungsunterhalt beziehen würde. Dabei sei auch die ungünstige Erwerbssituation der Ehefrau zu berücksichtigen, die ihren sicheren Arbeitsplatz etwa ein Jahr vor der Eheschließung aufgegeben habe, während die berufliche Existenz des Ehemannes als Polizeibeamter dauerhaft gesichert gewesen sei. Ebenso sei von Anfang an klar gewesen, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich gravierende Nachteile für die Ehefrau mit sich bringen werde. Der Vertrag sei daher bezüglich der Regelungen zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich als sittenwidrig (§ 138 BGB) anzusehen, weil er schon nach seinem objektiven Gehalt einer Inhaltskontrolle nicht standhalte.
- 10
- Dies gelte aber nicht für die vereinbarte Gütertrennung. Die Vereinbarung eines anderen als des gesetzlichen Güterstandes sei in weitgehendem Umfang der vertraglichen Regelung durch die Ehegatten zugänglich. Dies gelte selbst dann, wenn der Vertrag auch hinsichtlich der Gütertrennung auf die Benachteiligung eines Ehegatten abziele. Insbesondere könne bei Selbständigen ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarung der Gütertrennung bestehen, um die wirtschaftliche Substanz ihres Unternehmens und damit ihre Existenzgrundlage zu erhalten. Dem Ehemann sei es nach seinen eigenen Angaben darum gegangen, seine Beteiligung an dem Fitnessstudio nicht durch eine Ausgleichszahlung zu gefährden. Dieser Gedanke sei zwar nachvollziehbar; allerdings sei die wirtschaftliche Existenz des Ehemannes durch seine Einkünfte als Polizeibeamter ohnehin gesichert gewesen. Auch wenn danach kein ohne weiteres schützenswertes Interesse des Ehemannes an der Gütertrennung anzuerkennen sei, reiche das Zusammenspiel zwischen den Regelungen zum Unterhalt , zum Versorgungsausgleich und zum Güterrecht nicht aus, um den Ehe- vertrag insgesamt für sittenwidrig zu erachten. Denn die Parteien hätten sich nicht in einer ungleichen Verhandlungsposition befunden. Die bei Vertragsschluss 27-jährige Ehefrau sei nicht unerfahren gewesen. Sie habe den Beruf der Bankkauffrau erlernt und bis etwa ein Jahr vor Vertragsschluss voll im Berufsleben gestanden. Die Ehefrau habe sich in keiner Drucksituation befunden und sei mit dem Vertragsschluss auch nicht überrumpelt worden. Sie habe selbst angegeben, dass der Ehemann schon einen Monat vor der Hochzeit erklärt habe, nur bei vorherigem Abschluss eines Ehevertrages heiraten zu wollen. Vor diesem Hintergrund spiele es keine entscheidende Rolle, ob vor dem notariellen Vertragsschluss - wie der Ehemann behauptet - ein weiterer Notartermin zur Vorbesprechung stattgefunden habe. Sollte es darauf für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit jedoch ankommen, müsse von der diesbezüglichen Darstellung des Ehemannes ausgegangen werden, weil die Ehefrau für ihre Behauptung, es habe nur ein Notartermin stattgefunden, trotz gerichtlichen Hinweises keinen Beweis angeboten habe. Da eine einseitige Unterlegenheit der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss nicht gegeben sei, erscheine die Vereinbarung der Gütertrennung auch bei einer Gesamtschau des Ehevertrages nicht sittenwidrig. Gerade weil die Wahl des Güterstandes am weitesten der Dispositionsfreiheit der Parteien zugänglich sei, müsse die Annahme der Unwirksamkeit einer Güterstandswahl an strenge Voraussetzungen geknüpft sein. Diese seien aber nicht erfüllt, solange der Vertrag nicht wegen subjektiver Gesichtspunkte, insbesondere wegen einer Übervorteilung des in einer schwächeren Verhandlungsposition befindlichen Vertragspartners von der Rechtsordnung missbilligt werden könne.
- 11
- Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages folge auch nicht aus § 139 BGB. Die Parteien hätten den Fall der Teilnichtigkeit ausdrücklich bedacht und vereinbart , dass diese auf die Wirksamkeit des Vertrages in seinen übrigen Teilen keinen Einfluss haben solle. Die vereinbarte Gütertrennung stehe auch nicht in wechselseitiger Abhängigkeit zu den Regelungen über Unterhalt und Versorgungsausgleich.
- 12
- Schließlich halte die vereinbarte Gütertrennung auch der Ausübungskontrolle stand. Die Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung könne sich nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen, so etwa, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen seien und diese Planung nicht habe verwirklicht werden können. Hier sei Grund für die vereinbarte Gütertrennung gewesen, eine Gefährdung der Beteiligung des Ehemannes an dem Fitnessstudio nicht durch güterrechtliche Ansprüche der Ehefrau zu gefährden. Der Umstand, dass diese Beteiligung von dem Ehemann zwischenzeitlich aufgegeben worden sei, führe nicht dazu, dass sich der Ehemann nicht mehr auf die Gütertrennung berufen könne, weil die Beteiligung am Fitnessstudio zwar Motiv, aber nicht Geschäftsgrundlage der Vereinbarung gewesen sei. Das Vermögen des Ehemannes habe bei Vertragsschluss allein aus der Beteiligung an dem Fitnessstudio bestanden, und es sei zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen, wie sich das Fitnessstudio in der Folgezeit entwickeln würde. Bei Vereinbarung der Gütertrennung nähmen Eheleute solche Unsicherheiten in Kauf, so dass die tatsächliche Entwicklung der Vermögensverhältnisse nur in extremen - und im vorliegenden Falle nicht gegebenen - Ausnahmefällen dazu führen könnten, dass die Berufung auf die Gütertrennung rechtsmissbräuchlich erscheinen müsse. Auch die Tatsache, dass die Ehefrau in dem Fitnessstudio mitgearbeitet habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Es habe sich um geringfügige und geringfügig entlohnte Tätigkeiten gehandelt, die kein solches Gewicht gehabt hätten, dass sich der Ehemann deshalb auf die vereinbarte Gütertrennung nicht mehr berufen könne.
II.
- 13
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
- 14
- 1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Parteien den Zugewinnausgleich im vorliegenden Fall wirksam ausgeschlossen haben.
- 15
- a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 ff.), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.
- 16
- Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18. März 2009 - XII ZR 94/06 - FamRZ 2009, 2124 Rn. 13).
- 17
- b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erweist sich der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich. Schon im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstands - für sich genommen - regelmäßig nicht sittenwidrig sein (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 19 mwN). An dieser Auffassung hält der Senat auch in Anbetracht der von der Revision geäußerten Bedenken im Grundsatz fest.
- 18
- aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor Erlass der grundlegenden Senatsentscheidung vom 11. Februar 2004 (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601) ausgeführt, dass aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Teilhabe beider Ehegatten am gemeinschaftlich erwirtschafteten Vermögen folge (BVerfG FamRZ 2002, 527, 529 und FamRZ 2003, 1153). Der Zugewinnausgleich diene ebenso wie der Versorgungsausgleich der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten rechtlich zugeordnet war (BVerfG FamRZ 2003, 1153).
- 19
- Davon ist auch der Senat ausgegangen. Die formal ausgestalteten Regelungen über den Zugewinnausgleich greifen allerdings über die teleologischen Grundlagen des Teilhabeanspruches - die verfassungsrechtlich verbürgte Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit - deutlich hinaus, soweit sie auch solche Partnerschaften dem Ausgleich ehezeitlicher Vermögenszuwächse unterwerfen, in denen eine dem klassischen Ehetyp der Alleinverdienerehe entsprechende Rollenverteilung überhaupt nicht stattgefunden hat und indem sie - von den wenigen Ausnahmen des § 1374 Abs. 2 BGB abgesehen - auch solchen Zugewinn in den Ausgleich einbeziehen, zu dem der andere Ehegatte nicht beigetragen haben kann. Der Grundgedanke des Zugewinnausgleiches , den in der Ehe eingetretenen Vermögenszuwachs zumindest teilweise ungeachtet der Herkunft des Vermögens und ungeachtet der Rollenwahl der Partner in der Ehe nach einem Halbteilungsmaßstab auszugleichen, kann zwar durch ein zwingendes Bedürfnis nach Pauschalierung und Vereinfachung gerechtfertigt werden. Sonst wird er aber durch keines der bekannten Begründungsmodelle für den Anspruch auf Teilhabe am Vermögen des anderen Ehegatten - z.B. Ausgleich für den mit dem Verzicht auf eigenverantwortliche Vermögensbildung einhergehenden Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit, Ausgleich dafür, dem anderen Ehegatten dessen Erwerbstätigkeit ermöglicht zu haben, Ausgleich für Ehegattenmitarbeit in Beruf und Geschäft des anderen Ehegatten, Ausgleich für Konsumverzicht während der Ehe - dogmatisch überzeugend legitimiert (vgl. insbesondere Muscheler Familienrecht 2. Aufl. Rn. 336).
- 20
- Die insoweit als Korrektiv zur gesetzlichen Typisierung zu verstehende güterrechtliche Vertragsfreiheit der Ehegatten umschließt das Recht, den von ihnen als unbillig oder unbefriedigend empfundenen Verteilungsergebnissen des gesetzlichen Güterstandes durch eine eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Vermögenssphäre begegnen und in diesem Rahmen auch eigene ökonomische Bewertungen ihrer Beiträge zum Familienunterhalt vornehmen zu können (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605). Ausgeschlossen wäre eine solche autonome Bewertungsbefugnis der Ehegatten nur dann, wenn die Verfassung eine ökonomische Gleichbewertung derjenigen Beiträge erzwänge, die von den Ehegatten während bestehender Ehe im Unterhaltsverband erbracht worden sind. Dafür fehlt es nach Auffassung des Senats an einer verfassungsrechtlich überzeugenden Herleitung (vgl. auch Wagenitz in Hölland/ Sethe, Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen [2007] S. 1, 18).
- 21
- bb) Der Senat hat den Versorgungsausgleich - anders als den Zugewinnausgleich - dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zugeordnet. Als vorweggenommener Altersunterhalt steht der Versorgungsausgleich einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen, so dass Vereinbarungen über ihn nach denselben Kriterien geprüft werden müssen wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605 und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187). Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht.
- 22
- In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Senat an der Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs auch für Unternehmerehen festgehalten, in denen der selbständig erwerbstätige Ehegatte seine Altersvorsorge nicht durch die Bildung von Vorsorgevermögen im Sinne des § 2 VersAusglG, sondern im Wesentlichen durch die Ansammlung privaten Vermögens aufbaut. Der Senat hat sich auch dann nicht veranlasst gesehen, einen vertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle zu korrigieren, wenn bereits bei Vertragsschluss absehbar gewesen ist, dass sich der andere Ehegatte ganz oder teilweise aus dem Erwerbsleben zurückziehen würde und ihm deshalb eine vorhersehbar nicht kompensierte Lücke in der Altersversorgung verbleibt. Vielmehr hat der Senat demgegenüber ein überwiegendes legitimes Interesse des erwerbstätigen Ehegatten anerkannt, das Vermögen seines selbständigen Erwerbsbetriebes durch die Vereinbarung der Gütertrennung einem möglicherweise existenzbedrohenden Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu entziehen und damit nicht nur für sich, sondern auch für die Familie die Lebensgrundlage zu erhalten (Senatsurteile vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310, 1311 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 23). Diese Rechtsprechung ist nicht ohne Kritik geblieben (vgl. etwa Dauner-Lieb AcP 210 [2010], S. 580, 604; Bergschneider FamRZ 2010, 1857, 1859; Reetz FamFR 2011, 339, 341; Brudermüller NJW 2008, 3191, 3192 f.), worauf im vorliegenden Fall allerdings nicht näher eingegangen werden muss. Denn ein Fall der Funktionsäquivalenz zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich liegt hier nicht vor, weil der Ehemann während der gesamten Ehezeit beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften erworben hat.
- 23
- cc) Der Senat vermag sich auch den im Schrifttum zur Fortbildung der Kernbereichslehre entwickelten Ansätzen, der Dispositionsbefugnis der Ehegatten über ihre güterrechtlichen Beziehungen von vornherein denjenigen Betrag zu entziehen, der - nach oben durch den Halbteilungsgrundsatz beschränkt - dem Betrag einer hypothetischen Vermögensbildung des auf die eigene Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise verzichtenden Ehegatten entspricht (vgl. insbesondere Dauner-Lieb AcP 210 [2010], 580, 605 ff.; Meder FPR 2012, 113, 116), nicht anzuschließen.
- 24
- Der Maßstab einer hypothetischen Vermögensbildung lässt sich nur schwer mit nachvollziehbaren und rechtssicheren Kriterien erfassen. Ob einem Ehegatten ein Nachteil in Form unterlassener Vermögensbildung entstanden ist, beurteilt sich nicht allein nach dessen fiktiver Erwerbsbiographie, sondern darüber hinaus nach seiner individuellen Bereitschaft und Neigung, einen Teil seiner Einkünfte unter Inkaufnahme von Konsumverzicht zur Bildung privaten Vermögens zu verwenden. Der Senat verkennt dabei keineswegs, dass er solche Betrachtungen im Einzelfall bereits für erforderlich gehalten hat (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 33 und vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - zur Veröffentlichung bestimmt); als allgemeiner Maßstab zur Beschränkung der Vertragsfreiheit der Ehegatten im Güterrecht werden Hypothesen zur Vermögensbildung des haushaltführenden Ehegatten allerdings kaum Akzeptanz finden können (vgl. auch Hoppenz FamRZ 2011, 1697, 1699).
- 25
- Von ausschlaggebender Bedeutung ist für den Senat allerdings weiterhin der Gesichtspunkt, dass die generelle Ausdehnung des Kernbereiches der Scheidungsfolgen auf das Güterrecht - wenn auch unter Zugrundelegung eines vom Halbteilungsgrundsatz abweichenden Verteilungsmaßstabs - die Grenze des zulässigen Eingriffes in die Privatautonomie der Ehegatten überschreitet. Mit dem Ausschluss des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft machen die Ehegatten lediglich von einer im Gesetz ausdrücklich eröffneten Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310, 1311). Die unter fairen Verhandlungsbedingungen getroffene Entscheidung der Ehegatten, sich einem anderem durch das Gesetz ausdrücklich vorgehaltenen vertraglichen (und subsidiär-gesetzlichen) Güterstand zu unterstellen, kann für sich genommen regelmäßig nicht die Missbilligung der Rechtsordnung finden.
- 26
- c) Auch wenn die Vereinbarung der Gütertrennung für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen , wenn das Zusammenwirken aller ehevertraglichen Einzelregelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. dazu Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.). Auch daraus lässt sich hier allerdings nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages nicht herleiten.
- 27
- Der Senat hat mehrfach betont, dass das Gesetz einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 604 und vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1309, 1310), so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen (Senatsurteil BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 32 f.). Ein unausge- wogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage , sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit , hindeuten könnten (Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch OLG Celle NJW-RR 2009, 1302, 1304; Palandt/Brudermüller BGB 71. Aufl. § 1408 Rn. 10; Rauscher Familienrecht 2. Aufl. Rn. 366 m; Münch DNotZ 2005, 819, 825 f.; Bergschneider FamRZ 2007, 1246). In dieser Hinsicht geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass tragfähige Anhaltspunkte für eine subjektive Imparität im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder von der Ehefrau dargelegt noch sonst ersichtlich sind.
- 28
- Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht darauf abgestellt, dass die Parteien bei Vertragsschluss etwa gleich alt gewesen sind und angesichts ihrer Ausbildungs- und Erwerbsbiographien auch ein vergleichbarer Bildungshintergrund vorgelegen haben dürfte. Auch von einer ausgeprägten sozialen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau von dem Ehemann kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Ehefrau etwa ein Jahr vor der Eheschließung ihre Beschäftigung als Zivilangestellte bei den amerikanischen Streitkräften aufgegeben hatte und im Zeitpunkt des Vertragsschlusses arbeitslos gewesen ist. Zwar sind durchaus solche Sachverhaltsgestaltungen denkbar, in denen ein Einkommens- oder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten den Rückschluss auf eine gestörte subjektive Vertragsparität zulässt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 17). Dafür ist unter den hier obwaltenden Umständen angesichts des bisherigen beruflichen Werdeganges der bei Vertragsschluss noch jungen Ehefrau nichts ersichtlich; auch der eigene Vortrag, den die Ehefrau in diesem Verfahren zum Umfang ihrer ehebedingten Erwerbsnachteile gehalten hat, lässt nicht darauf schließen, dass sie sich selbst keine Berufschancen beigemessen hätte. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses bei den amerikanischen Streitkräften und der anschließenden Arbeitslosigkeit der Ehefrau eine Vereinbarung der seinerzeit noch in nichtehelicher Partnerschaft verbundenen Parteien zugrunde lag, wonach sich die Ehefrau künftig unter Verzicht auf die Erzielung eigener auskömmlicher Erwerbseinkünfte ausschließlich der Mitarbeit im Fitnessstudio widmen sollte.
- 29
- Auch sonstige Umstände, die eine Zwangslage der Ehefrau begründet oder sie gehindert hätten, auf Abschluss oder Inhalt des Ehevertrags Einfluss zu nehmen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat keine konkreten Anhaltspunkte für eine Überrumpelung der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss festgestellt; zutreffend ist im Übrigen auch seine Beurteilung, dass der sich auf die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages berufende Ehegatte nach den allgemeinen Grundsätzen für eine von ihm behauptete Drucksituation bei der Errichtung der Vertragsurkunde die Beweislast trägt (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 26; OLG Hamm FamRZ 2012, 232, 234).
- 30
- d) Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, wonach der im Ehevertrag vom 25. September 1985 vereinbarte Verzicht auf Unterhalt und Versorgungsausgleich sittenwidrig und daher nichtig sei, hat das Berufungsgericht folgerich- tig geprüft, ob die von ihm angenommene Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Dies konnte das Berufungsgericht jedenfalls mit Blick auf die von den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel mit Recht verneinen.
- 31
- Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, eine in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel nicht von vornherein unbeachtlich sein muss (Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1447). Andererseits hat der Senat, worauf die Revision mit Recht hinweist, auch ausgesprochen , dass dann, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag erfasst, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas zu ändern vermag (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006, 1097, 1098 und Senatsurteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 24). Denn dann erfüllt die salvatorische Klausel im Interesse des begünstigten Ehegatten die Funktion, den Restbestand eines dem benachteiligten Ehegatten aufgedrängten Vertragswerkes so weit wie möglich gegenüber der etwaigen Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen rechtlich abzusichern; in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst die auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider. Lassen sich indessen - wie hier - ungleiche Verhandlungspositionen nicht feststellen , ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, dass der Tatrichter seine Beurteilung, ein teilweise nichtiger Ehevertrag wäre auch ohne seine unwirksamen Bestimmungen geschlossen worden, durch das Vorhandensein einer salvatorischen Klausel gestützt sieht.
- 32
- Es braucht deshalb auch nicht erörtert zu werden, ob dem Berufungsgericht darin gefolgt werden kann, dass der im Ehevertrag vereinbarte Unterhaltsverzicht (und zwar hinsichtlich sämtlicher Unterhaltstatbestände) und der Verzicht auf den Versorgungsausgleich bereits einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhalten, obwohl das Berufungsgericht für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 1985 weder einen übereinstimmenden Kinderwunsch der Parteien noch sonstige konkrete Planungen festgestellt hat, nach denen sich die Ehefrau langfristig aus dem Erwerbsleben zurückziehen sollte.
- 33
- 2. Die Vereinbarung der Gütertrennung ist auch im Rahmen der Ausübungskontrolle nicht zu korrigieren.
- 34
- Soweit die Regelungen eines Ehevertrages ganz oder - wie hier - bezüglich der streitbefangenen Scheidungsfolge der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Hält die Berufung eines Ehegatten auf die getroffene Regelung der Ausübungskontrolle nicht stand, so führt dies weder zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen , die den berechtigten Belangen beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt (vgl. grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - XII ZR 11/09 - FamRZ 2011, 1377 Rn. 16).
- 35
- a) Die Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung kann sich nur unter engen Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats hindert auch der Umstand, dass sich ein Ehegatte in der Ehe der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet und entgegen den Erwartungen bei Vertragsschluss Nachteile beim Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung erlitten hat, selbst in den Fällen der Funktionsäquivalenz von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich den anderen Ehegatten nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht, sich auf eine von den Parteien wirksam vereinbarte Gütertrennung zu berufen (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 34).
- 36
- Durch den vorliegenden Fall ist keine Entscheidung zu der Frage veranlasst , ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es im Rahmen der Ausübungskontrolle geboten erscheinen kann, dem haushaltführenden Ehegatten über einen (modifizierten) Zugewinnausgleich einen Ausgleich für die in der Ehezeit entgangene Altersversorgung zu gewähren (vgl. Kogel Strategien beim Zugewinnausgleich 3. Aufl. Rn. 46; Münch FamRB 2008, 350, 353 f.). Denn die von der Ehefrau erlittenen Versorgungsnachteile sind hier systemgerecht über den Versorgungsausgleich auszugleichen. Selbst wenn der vereinbarte Verzicht auf den Versorgungsausgleich der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten sollte, könnte sich der Ehemann - in Ansehung der dem Ehevertrag nachfolgenden Geburt der drei gemeinsamen Kinder und die mit deren Betreuung einhergehende eingeschränkte Erwerbstätigkeit der Ehefrau - nach Treu und Glauben auf diesen Verzicht nicht berufen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187 und Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Versorgungsausgleich wird entweder zu einer vollständigen Kompensation der Versorgungsnachteile der Ehefrau oder zu einer Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte führen. Für einen darüber hinausgehenden Nachteilsausgleich ist kein Raum.
- 37
- b) Andere, für die Ausübungskontrolle maßgebliche Umstände, die den von der Ehefrau begehrten Zugewinnausgleich rechtfertigen könnten, liegen entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
- 38
- aa) Soweit die Ehefrau auf ihre Mitarbeit im Fitnessstudio abstellen will, handelte es sich hierbei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um Tätigkeiten in einem (lediglich) geringfügigen Umfang, die im Rahmen eines sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses entfaltet wurden. Auch die Revision zeigt nicht auf, dass die Arbeitsleistung der Ehefrau im Fitnessstudio durch das ihr gezahlte Entgelt nicht angemessen vergütet worden sein könnte. In solchen Fällen der arbeitsvertraglich geregelten Ehegattenmitarbeit werden schon vermögensrechtliche Ansprüche außerhalb des ehelichen Güterrechts - etwa aufgrund eines familienrechtlichen Kooperationsvertrages - nicht gegeben sein (vgl. Büte Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 4. Aufl. Rn. 527). Dann allerdings besteht erst recht keine Veranlassung, die Zuordnung der ehelichen Güter bei Gütertrennung über die ehevertragliche Ausübungskontrolle korrigieren zu müssen.
- 39
- bb) Auch der weitergehende Hinweis der Revision auf die handwerklichen Arbeiten, die der Vater der Ehefrau in den 1990er Jahren bei der Errichtung des Familienheimes geleistet habe, vermag ihr nicht zum Erfolg zu verhelfen. Soweit solche Arbeitsleistungen durch den Vater der Ehefrau in der Vergangenheit erbracht worden sind, werden im Verhältnis zwischen dem Ehemann und seinem Schwiegervater gegebenenfalls Ansprüche nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eines konkludent geschlossenen familienrechtlichen Kooperationsvertrages in Betracht kommen. Bei der dort anzustellenden Beurteilung, ob sich die Beibehaltung der bestehenden Vermögenssituation für die Schwiegereltern im Sinne des § 313 BGB als unzumutbar darstellt, ist nach der Rechtsprechung des Senats das güterrechtliche Ergebnis im Verhältnis zwischen Kind und Schwiegerkind und somit die Frage, ob das eigene Kind über den Zugewinnausgleich an der Zuwendung profitiert, ohne Bedeutung (Senatsurteil BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 Rn. 32 ff., 54). Es lässt sich schon deshalb aus dem Umstand einer schwiegerelterlichen Zuwendung für sich genommen nichts für die Annahme gewinnen, dass sich der begünstigte Ehegatte mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung treuwidrig verhalten könnte.
Vorinstanzen:
AG Dieburg, Entscheidung vom 08.10.2009 - 50 F 115/09 S -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.04.2011 - 6 UF 225/09 -
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich sowie um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Wirksamkeit eines Ehevertrages.
- 2
- Die beteiligten Eheleute, aus deren Beziehung ein mittlerweile volljähriger Sohn hervorgegangen ist, heirateten am 15. Juni 1991. Der 1963 geborene Antragsteller ist seit den 1980er Jahren für die A.-Versicherung tätig und leitet seit 1988 als selbständiger Versicherungsvertreter eine Generalagentur. Die 1958 geborene Antragsgegnerin, die über keine abgeschlossene Berufsbildung verfügt, war bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1989 mit einem gastronomischen Betrieb selbständig und hatte während der Ehe vorwiegend den Haushalt geführt und das Kind betreut; daneben war sie zeitweise in der Agentur des Antragstellers als Bürokraft geringfügig beschäftigt.
- 3
- Am 18. Januar 2007 schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag mit Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, dem folgende Präambel vorangestellt war: "Die Parteien leben derzeit nicht getrennt, doch befindet sich ihre Ehe in einer tiefen Krise, da [die Antragsgegnerin] ohne rechtfertigende oder entschuldigende Veranlassung mutwillig aus der intakten Ehe ausgebrochen ist und intime Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen hat."
- 4
- In diesem Vertrag trafen die Eheleute umfangreiche und weitgehende Vereinbarungen zur Regelung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen, bei der sie die gesetzlichen Scheidungsfolgen im Wesentlichen ausschlossen. Bei Aufrechterhaltung des gesetzlichen Güterstandes sollte im Falle der Scheidung ein Zugewinnausgleich nicht stattfinden. Im Rahmen der Auseinandersetzung ihres sonstigen Vermögens teilten die Eheleute das Guthaben auf einem gemeinsamen Wertpapierdepot in Höhe von seinerzeit 260.000 € hälftig auf, so dass der Antragsgegnerin Fondsanteile in Höhe von 130.000 € zugewiesen wurden. Ferner waren die Eheleute gemeinschaftliche Eigentümer von zwei gleich großen Eigentumswohnungen in derselben Wohnanlage, die während der Ehezeit zur Kapitalanlage angeschafft und vollständig fremdfinanziert worden waren. Der Antragsteller verpflichtete sich, der Antragsgegnerin eine dieser beiden Wohnungen , deren Wert bei Vertragsschluss jeweils rund 130.000 € betrug, nach ihrer Auswahl zu Alleineigentum zu übertragen (Zug-um-Zug gegen Übertragung der anderen Wohnung auf den Antragsteller) und diese unter Übernahme sämtlicher zur Finanzierung der Eigentumswohnungen eingegangenen Verbindlichkeiten zu entschulden.
- 5
- Ferner stellte der Antragsteller die Antragsgegnerin im Innenverhältnis von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Sohnes frei. Zum Trennungsunterhalt enthielt die Vereinbarung folgende Bestimmungen: "Für den Fall der Trennung wird keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen. Insbesondere gehen sie davon aus, dass [die Antragsgegnerin] wegen ihres ehebrecherischen Verhaltens die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Ziffer 6 i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB erfüllt und deshalb ihren Unterhaltsanspruch gegen [den Antragsteller] verwirkt hat. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und lediglich um anfängliche Härten nach der Trennung zu vermeiden, verpflichtet sich [der Antragsteller] ab dem Zeitpunkt einer eventuellen Trennung … an [die Antragsgegnerin] einen monat- lichen, jeweils im Voraus fälligen Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.500 Euro, befristet auf die Zeitdauer von 12 Monaten ab Beginn der Trennung zu leisten. Dieser Betrag ist fest und unabänderlich und unabhängig von den jeweiligen Einkommensverhältnissen der Parteien zu entrichten. Letztendlich sind sie aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse selbst in der Lage, ihren den ehelichen Verhältnissen entsprechenden Unterhalt selbst zu befriedigen."
- 6
- Ausgehend von der übereinstimmenden "Feststellung", dass auch Ansprüche der Antragsgegnerin auf Nachscheidungsunterhalt wegen Verwirkung nicht bestünden, verzichteten die Eheleute darüber hinaus "vorsorglich" auf nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not. Schließlich schlossen die Eheleute durch den Ehevertrag auch den öffentlich-rechtlichen und den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vollständig aus. Der Antragsteller verpflichtete sich, auf eine von der Antragsgegnerin abzuschließende und mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres fällig werdende Lebensversicherung auf Kapital- oder Rentenbasis für die Dauer der Laufzeit der Versicherung monatliche Beiträge in Höhe von 500 € einzuzahlen.
- 7
- Im Juni 2007 schloss die Antragsgegnerin einen privaten Rentenversicherungsvertrag ab, dessen Jahresbeitrag in Höhe von 6.000 € seither von dem Antragsteller bedient wird. Die Eheleute trennten sich im April 2010. Die Antragsgegnerin hat sich nach der Trennung mit einem Büroservice selbständig gemacht und erzielte hieraus im Jahre 2011 Gewinneinkünfte vor Steuern in Höhe von 17.375 €.
- 8
- Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 29. Juli 2011 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat im Scheidungsverbund die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt und den Antragsteller zum Zugewinnausgleich im Wege des Stufenantrages zunächst auf Auskunft über sein Anfangs - und Endvermögen sowie über sein Vermögen im Trennungszeitpunkt in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat - nach vorheriger Einholung von Versorgungsauskünften - die Ehe durch Beschluss vom 18. Oktober 2012 geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde; das Begehren der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich hat das Amtsgericht insgesamt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich und zum Zugewinnausgleich gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die ihr Begehren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs und ihren in der ersten Stufe erhobenen Auskunftsantrag zum Zugewinnausgleich weiterverfolgt.
II.
- 9
- Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 10
- 1. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts, nach der ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde und der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht insgesamt der Abweisung unterliege, im Ergebnis gebilligt und zur Begründung das Folgende ausgeführt:
- 11
- Der Ehevertrag halte einer Wirksamkeitskontrolle nach dem Maßstab des § 138 BGB stand. Nach ständiger Rechtsprechung erweise sich der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich, so dass ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sei. Hinzu komme, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich nicht entschädigungslos erfolgt sei, weil die Antragsgegnerin nicht nur Alleineigentümerin der von ihr im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung ausgewählten Eigentumswohnung geworden sei, sondern der Antragsteller sich zusätzlich verpflichtet habe, die Antragsgegnerin von den auf beiden Wohnungen ruhenden Belastungen freizustellen. Angesichts der erheblichen Darlehensbelastungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses stelle dies eine deutliche Gegenleistung des Antragstellers dar. Der Versorgungsausgleich sei demgegenüber dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen. Im Hinblick auf die Regelungen zum Versorgungsausgleich erscheine eine ungleiche Lastenverteilung und damit die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 138 Abs. 1 BGB "sehr wahrscheinlich", wobei es keine entscheidende Rolle spiele, dass der Ehevertrag nicht zu Anfang der Ehe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen wurde, weil der Verzicht auf die gesamte Ehezeit zurückwirke. Auch unter Berücksichtigung der im notariellen Vertrag vereinbarten monatlichen Zahlungen von 500 € für die Altersversorgung der Antragsgegnerin dürfte aus Sicht des Vertragsschlusses ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den von den Eheleuten zu erwartenden Versorgungsleistungen gegeben sein. Der Antragsteller habe zwar die Behauptung der Antragsgegnerin, seine künftig zu erwartende Versorgung betrage "monatlich 12.000 €", als Fiktion be- zeichnet. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller wegen seiner Berufstätigkeit und der während der Ehedauer erfolgten "Einzahlungen in das Vertreterversorgungswerk" erheblich höhere Rentenanwartschaften als die Antragsgegnerin zu erwarten habe.
- 12
- Es könne auch unterstellt werden, dass eine Gesamtwürdigung der notariellen Vereinbarung, bei der auch der Ausschluss von nachehelichen Unterhaltsansprüchen eine Rolle spiele, objektiv den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB verwirkliche. Es fehle aber am subjektiven Tatbestand. Eine ungleiche Verhandlungsposition bei Dominanz des Antragstellers, eine Zwangslage oder eine intellektuelle Unterlegenheit der Antragsgegnerin könne nicht festgestellt werden. Es möge zwar sein, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihres "Fehltritts" Schuldgefühle gehabt habe und - wie im Übrigen auch der Antragsteller - dem Sohn eine Scheidung ersparen wollte. Dem stehe aber gegenüber, dass die Eheleute mehrere Monate über den Ehevertrag verhandelt hätten. Zwar möge es zutreffen, dass sich die Antragsgegnerin mit ihren Positionen nicht oder nur teilweise habe durchsetzen können und der Vertrag letztendlich im Wesentlichen durch die Vorstellungen des Antragstellers geprägt gewesen sei. Eine Störung der subjektiven Vertragsparität lasse sich hieraus nicht herleiten. Vielmehr trage die Antragsgegnerin selbst vor, sie sei bei Vertragsschluss der sich im nachhinein als Fehleinschätzung erweisenden Vorstellung unterlegen, aus ihrem Vermögen erhebliche Kapitaleinkünfte erzielen und im Wesentlichen von diesen Kapitaleinkünften und Mieterträgen leben zu können. Es sei unerheblich , worauf diese Fehleinschätzung beruhe, ob also bereits die von der Antragsgegnerin vor Vertragsschluss bei einem Finanzberater eingeholte Auskunft zu optimistisch gewesen sei oder ob sich aufgrund der allgemeinen Zinsentwicklung in der Finanzkrise die ursprünglich realistische Erwartung nicht erfüllt habe.
- 13
- Schließlich sei der Ehevertrag auch nicht im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu korrigieren oder nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen. Es sei in der Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin nach Vertragsschluss keine Änderung der Lebensumstände eingetreten. Eine Vertragsanpassung könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss ihr Vermögen nicht habe mehren können, sondern sich dieses aufgrund der Finanzkrise sogar noch verringert habe, während der Antragsteller seinen Vermögensaufbau habe weiter betreiben können. Dass die Erwartung weiteren Vermögensaufbaus durch die Antragsgegnerin Grundlage des Ehevertrages gewesen sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, und dies ergebe sich auch nicht aus den inhaltlichen Regelungen des Ehevertrages. Auch der - im Übrigen von dem Antragsteller bestrittene - Umstand, dass die Ehekrise nach Vertragsschluss überwunden worden sei, habe unter dem Gesichtspunkt der Ausübungskontrolle keine Bedeutung. Der "Fehltritt" der Antragsgegnerin möge Anlass für den Ehevertrag gewesen sein und hinsichtlich des Unterhaltsverzichts eine Rolle gespielt haben; Geschäftsgrundlage für die notarielle Vereinbarung sei er dagegen nicht geworden. Hinzu komme, dass im Rahmen der Ausübungskontrolle zu berücksichtigen sei, dass die Anpassung dem Ausgleich ehebedingter Nachteile diene. Dies bedeute, dass die Antragsgegnerin durch eine nach Treu und Glauben gebotene Vertragsanpassung nur erreichen könne , nicht einseitig mit ehebedingten Nachteilen belastet zu bleiben. Die Antragsgegnerin trage aber selbst nicht vor, dass sie nach Abschluss des Ehevertrages wirtschaftliche Risiken auf sich genommen habe, die sich nach dem endgültigen Scheitern der Ehe als Folge des Verzichts auf Unterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich als einseitige Belastung erwiesen. Der Behauptung des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin trotz des notariellen Ehevertrages durch die Ehe finanziell besser ausgestattet sei als ohne Eheschließung , habe die Antragsgegnerin nicht widersprochen.
- 14
- Dies ist nicht in jeder Hinsicht frei von rechtlichen Bedenken.
- 15
- 2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die in dem Ehevertrag vom 18. Januar 2007 enthaltenen Abreden hinsichtlich Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zu den Scheidungsfolgen getroffenen Einzelregelungen einer Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB standhalten.
- 16
- a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 94 ff. = FamRZ 2004, 601, 604 ff.), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten wiegen dabei umso schwerer und die Belange des anderen Ehegatten bedürfen umso genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.
- 17
- Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 16 mwN). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310 Rn. 15 und Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 14).
- 18
- b) Der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach diesen Maßstäben - für sich genommen - nicht zu beanstanden.
- 19
- aa) Allerdings hat der Senat den Versorgungsausgleich dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zugeordnet und ausgesprochen, dass der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen steht. Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 21).
- 20
- bb) Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant oder verwirklicht, der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (Senatsurteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 17).
- 21
- cc) Die richterliche Kontrolle, ob durch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung entsteht, hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände hierzu Veranlassung geben. Es besteht demgegenüber auch bei scheidungsnahen Vereinbarungen grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts, bereits von Amts wegen umfassende Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Folgen eines etwaigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich durchzuführen, weil ein faktischer Rückgriff auf die Prüfungsmaßstäbe des früheren § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB mit der sich aus den §§ 6 ff. VersAusglG ergebenden gesetzlichen Wertung, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich möglichst zu erleichtern, nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1719, 1720 f.; Soergel/ Grziwotz BGB 13. Aufl. § 8 VersAusglG Rn. 10; Erman/Norpoth BGB 13. Aufl. § 8 VersAusglG Rn. 31; Hahne FamRZ 2009, 2041, 2043; Wick FPR 2009, 219, 220; Hauß FPR 2011, 26, 30).
- 22
- Nach diesen Maßstäben erscheint es schon zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht überhaupt davon ausgehen konnte, dass die aufgrund der ehevertraglichen Abreden aus Mitteln des Antragstellers zu finanzierende Lebens - oder Rentenversicherung von vornherein keinen adäquaten Ausgleich für die mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile schaffen konnte.
- 23
- (1) Da der Antragsteller während der Ehezeit keine sonstigen nennenswerten Versorgungsanrechte erworben hatte, wurden durch die ehevertraglichen Abreden in erster Linie dessen bei dem Vertreterversorgungswerk der A.-Beratungs- und Vertriebs-AG (Beteiligte zu 1) erlangten Anrechte der betrieblichen Altersversorgung dem Versorgungsausgleich entzogen. Nach der von der Beteiligten zu 1 erteilten Versorgungsauskunft wäre die Vertreterver- sorgung des Antragstellers wegen fehlender Ausgleichsreife insgesamt schuldrechtlich auszugleichen gewesen, weil die Höhe der Altersrente bzw. der bei einer Beendigung des Vertretervertrages unverfallbaren Rentenanwartschaft wegen der Ungewissheit über die Festsetzung der künftigen Versorgungszusage bei der Scheidung nicht vorhergesagt werden könne.
- 24
- (a) Auch mit der Rechtsbeschwerde zeigt die Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür auf, dass diese Versorgungsauskunft unrichtig gewesen sein könnte. Sowohl nach altem (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB) als auch nach neuem Recht (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) können nur diejenigen Anrechte der betrieblichen Altersversorgung bei der Scheidung ausgeglichen werden, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits nach Grund und Höhe unverfallbar sind. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragstellers knüpft die Bemessung der als Festbetrag gewährten Versorgungszusage an den selbstvermittelten Versicherungsbestand des Vertreters an, wobei für die tatsächliche Höhe der Versorgung die wegen ihrer Bestandsabhängigkeit noch nicht bestimmbare Versorgungszusage im Zeitpunkt des Versorgungsfalls bzw. der Beendigung des Vertretervertrages maßgeblich ist. Der Antragsteller hat ferner geltend gemacht, dass sich die Beteiligte zu 1 eine jährliche Überprüfung und Neufestsetzung der Versorgungszusage vorbehalten habe, so dass er im Falle einer rückläufigen Bestandsentwicklung - die ihm konkret beim Verlust seiner Großkunden drohe - mit einer Herabsetzung der Versorgungszusage rechnen müsse. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber nicht dargelegt, aus welchen Gründen gleichwohl von einem ganz oder teilweise gesicherten Versorgungswert (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschlüsse vom 21. November 2013 - XII ZB 403/12 - juris Rn. 21 und vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ 2013, 1021 Rn. 9) ausgegangen werden könnte.
- 25
- (b) Legt man für die Beurteilung der wirtschaftlichen Reichweite des Verzichts auf den Versorgungsausgleich mangels besserer Erkenntnisse die dem Antragsteller im Jahr 2009 mitgeteilte Neufestsetzung der Versorgungszusage zugrunde, wonach er - auf der Grundlage seines damaligen Versicherungsbestandes - eine monatliche Altersrente von 5.412 € beanspruchen konnte, relativiert sich die Höhe dieses Betrages bereits dadurch, dass eine künftige schuldrechtliche Ausgleichsrente der Antragsgegnerin nur nach der Hälfte des - nach dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der gesamten Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze zu ermittelnden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ 1997, 285, 286) - Ehezeitanteils der Versorgung zu bemessen gewesen wäre. Zwar hätte die Antragsgegnerin auch von einer Erhöhung der von dem Vertreterversorgungswerk zugesagten Versorgungsleistungen profitieren können, wenn der Antragsteller bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Altersgrenze den für die Bemessung der Versorgung relevanten Versicherungsbestand im Rahmen seiner gewöhnlichen Berufstätigkeit weiter ausgebaut hätte (Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ 1997, 285, 286). Andererseits hätte die Antragsgegnerin aber auch das Risiko einer Herabsetzung der Versorgungszusage aufgrund einer rückläufigen Bestandsentwicklung mittragen müssen. Ein Abfindungsanspruch (§ 1587 l BGB bzw. § 23 VersAusglG) hätte von ihr nicht geltend gemacht werden können, soweit und solange das dem Ausgleich unterliegende Anrecht noch nicht unverfallbar war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ 2013, 1021 Rn. 15 und vom 29. Februar 1984 - IV b ZB 915/80 - FamRZ 1984, 668, 669).
- 26
- (c) Die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente kann zudem erst verlangt werden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte aus dem auszugleichenden Anrecht eine Versorgung erlangt hat (§ 1587 g Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). Der Antragsteller kann eine reguläre Al- tersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen; zu diesem Zeitpunkt würde die lebensältere Antragsgegnerin bereits im 69. Lebensjahr stehen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller zwar berechtigt, aber wohl nicht verpflichtet gewesen wäre, schon im Alter von 63 Jahren - also deutlich vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenzen - in den Versorgungsbezug einzutreten. Die Zahlung einer Ausgleichsrente bedingt nach dem klaren Gesetzeswortlaut den tatsächlichen Bezug der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung durch den Ausgleichspflichtigen und knüpft nicht an die bloße Erfüllung der in der Versorgungsordnung festgelegten Anspruchsvoraussetzungen an (vgl. FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 12; Johannsen/ Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 40; Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 691; vgl. zum alten Recht OLG Celle FamRZ 1995, 812, 814). Daher wäre der schuldrechtliche Versorgungsausgleich für die Antragsgegnerin mit dem zusätzlichen Risiko belastet gewesen, möglicherweise erst weit nach Vollendung des 70. Lebensjahres eine Ausgleichsrente beziehen zu können.
- 27
- (2) Demgegenüber steht der Antragsgegnerin durch die aus den Mitteln des Antragstellers finanzierte Rentenversicherung bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres im Jahre 2023 eine garantierte Mindestrente in Höhe von monatlich 410,90 € zur Verfügung. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007 war zudem die Annahme gerechtfertigt, dass sich diese Garantierente durch eine (nicht garantierte) Beteiligungsrente noch deutlich erhöhen wird. Nach den Angaben in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Versicherungsschein hätte sich die Rentenerwartung - wäre die vom Versicherer erwirtschaftete Kapitalverzinsung während der gesamten Laufzeit des Versicherungsvertrages auf dem Niveau von 2007 verblieben - durch Überschussbeteiligungen auf monatlich 689,66 € erhöht. Angesichts der Ungewissheit über Höhe und Laufzeitbeginn einer statt dessen im Versorgungsausgleich erworbenen schuldrechtlichen Ausgleichsrente lässt sich schon objektiv nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich aus Sicht des Vertragsschlusses im Jahre 2007 wirtschaftlich gänzlich unzureichend ausgeglichen worden wäre.
- 28
- dd) Im Übrigen ist die richterliche Inhaltskontrolle selbst im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts keine Halbteilungskontrolle. Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist der Halbteilungsgrundsatz für sich genommen kein tauglicher Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehegatte durch die Regelungen in einem Ehevertrag evident einseitig belastet wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 22 und vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1446).
- 29
- (1) Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei den in einer Ehekrise oder im Zusammenhang mit einer bereits beabsichtigten Scheidung geschlossenen Eheverträgen nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterworfen werden, wenn ein nach der gesetzlichen Regelung stattfindender Versorgungsausgleich von beiden Eheleuten nicht gewünscht wird, soweit dies mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn beide Ehegatten während der Ehezeit vollschichtig und von der Ehe unbeeinflusst berufstätig waren und jeder seine eigene Altersversorgung aufgebaut oder aufgestockt hat, wobei aber der eine Ehegatte aus nicht ehebedingten Gründen mehr Versorgungsanrechte erworben hat als der andere. In dieser Situation müssten die Eheleute die Unzulässigkeit einer von ihnen gewünschten Ausschlussvereinbarung und eine ihrem frei gebildeten Vertragswillen widersprechende Zwangsteilhabe an den Anrechten des wirtschaftlich erfolgreicheren Ehegatten als staatliche Bevormundung empfinden (so Langenfeld Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen 6. Aufl. Rn. 651).
- 30
- (2) Vor diesem Hintergrund kann es nicht von vornherein missbilligt werden , wenn die Eheleute durch eine Vereinbarung den Versorgungsausgleich auf den Ausgleich ehebedingter Versorgungsnachteile des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten beschränken (Münch FPR 2011, 504, 508). Der Halbteilungsgrundsatz kann deshalb auch nicht als Maßstab für die Beurteilung herangezogen werden, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssen zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen (Rauscher DNotZ 2004, 524, 538). Im Rahmen richterlicher Wirksamkeitskontrolle könnten die Kompensationsleistungen allenfalls dann als unzureichend angesehen werden , wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Versorgungsnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren (vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 34, 35; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1683, 1684; Siegler MittBayNot 2012, 95, 96; Bredthauer FPR 2009, 500,
504).
- 31
- (3) Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass die ihr vertraglich zugesicherten Leistungen nicht geeignet gewesen sein könnten, ihre aufgrund der durch Ehe und Kindererziehung bedingten Berufspause erlittenen Versorgungsnachteile auszugleichen.. Hierfür ist auch nichts ersichtlich, zumal die bei Eingehung der Ehe bereits 32-jährige Antragsgegnerin ausweislich ihres Versicherungsverlaufes nach Beendigung ihrer nicht abgeschlossenen Ausbildung an der Hauswirtschaftsschule keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen ist und ihr nach eigenen Angaben bei Eheschließung im Jahre 1991 auch nur ein geringes Privatvermögen zur Verfügung stand. Im Übrigen wäre bei der Beurteilung, ob etwaige ehebedingte Versorgungsnachteile durch anderweitige Leistungen ausreichend kompensiert werden , hier nicht allein auf die als zusätzliche Altersvorsorge eingerichtete private Rentenversicherung, sondern auch darauf abzustellen, dass der Antragsgegnerin im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung eine der vormals im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien übertragen worden ist und der Antragsteller sich zu deren Entschuldung verpflichtet hat. Kann - wie hier - nicht festgestellt werden, dass der mit ehebedingten Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Immobilienvermögen hätte bilden können, ist in der Überlassung einer Immobilie grundsätzlich eine geeignete Kompensation für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu erblicken (vgl. schon BT-Drucks. 16/10144 S. 51), weil eine Immobilie für ihren Eigentümer - sei es durch den Vorteil mietfreien Wohnens, sei es durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung - über den Vermögenswert hinaus typischerweise die nachhaltige Erzielung von unterhaltssichernden Alterseinkünften gewährleistet.
- 32
- c) Auch der Verzicht auf den Ausgleich des Zugewinns begegnet für sich genommen keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erweist sich der Zugewinnausgleich schon im Hinblick auf seine nachrangige Bedeutung im System der Scheidungsfolgen einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 95, 98 f. = FamRZ 2004, 601, 605, 608; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 17). Ob trotz der grundsätzlichen Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs im Einzelfall Anlass zu einer verstärkten Inhaltskontrolle besteht , wenn der Ehevertrag zu einem Verzicht auf bereits begründete Rechtspositionen führt, also insbesondere dann, wenn der haushaltsführende Ehegatte nach langjähriger Ehe auf den Zugewinn auch für die Vergangenheit verzich- tet (vgl. BeckOK BGB/J. Mayer [Stand: 1. November 2013] § 1408 Rn. 29; Münch Ehebezogene Rechtsgeschäfte 3. Aufl. Rn. 802), bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung. Denn der Verzicht auf den Zugewinnausgleich ist, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hingewiesen hat, nicht kompensationslos erfolgt, sondern gegen Übernahme der Verpflichtung, die nach dem unwiderlegten Vorbringen des Antragstellers bei Vertragsschluss mit noch 70.000 € valutierenden Verbindlichkeiten auf der von der Antragsgegnerin ausgewählten Wohnung zu tilgen. Treffen Eheleute im Übrigen unter dem Eindruck einer Ehekrise oder im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung umfassende Regelungen über ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse und schließen sie in diesem Zusammenhang wechselseitige güterrechtliche Ansprüche aus, verfolgen sie damit regelmäßig den legitimen Zweck, ihre Vermögensauseinandersetzung zu beschleunigen und zu vereinfachen und gegebenenfalls auch von den Unwägbarkeiten des Stichtagsprinzips im Zugewinnausgleich unabhängig zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich für die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall mit gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre, ergeben sich nicht, und zwar auch deshalb nicht, weil bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar war, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Güterstand enden würde.
- 33
- d) Auch der vollständige Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt ist für sich allein betrachtet noch nicht sittenwidrig.
- 34
- aa) Der vertragliche Ausschluss des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB) kann im vorliegenden Fall unberücksichtigt bleiben, weil der gemeinsame Sohn der Eheleute im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits 17 Jahre alt und mit weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war.
- 35
- bb) Dem Unterhalt wegen Alters und Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB) misst das Gesetz als Ausdruck nachehelicher Solidarität zwar besondere Bedeutung bei, was eine Disposition über diese Unterhaltsansprüche jedoch nicht schlechthin ausschließt. Das ergibt sich in der Regel schon daraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Parteien noch nicht absehbar war, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der verzichtende Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden könnte (Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 692 und vom 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 22). Auch wenn bei Abschluss eines "Krisen-Ehevertrages" (Bergschneider Verträge in Familiensachen 4. Aufl. Rn. 9) eher damit gerechnet werden muss, dass dessen belastende Regelungen in dem nunmehr tatsächlich drohenden Fall des Scheiterns der Ehe zum Tragen kommen können, ergeben sich unter den hier obwaltenden Umständen gegen den Ausschluss dieser Unterhaltsansprüche unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB keine Bedenken. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die seinerzeit 48-jährige Antragsgegnerin noch weit von den gesetzlichen Regelaltersgrenzen entfernt und unterlag auch keinen gesundheitlichen Erwerbseinschränkungen. Es war deshalb schon in Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin nach einer Scheidung überhaupt Unterhaltsansprüche wegen Alters oder Krankheit nach §§ 1571, 1572 BGB haben würde. Zudem verfügte die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007 nach ihren eigenen Angaben über ein - aus Erbschaften und familiären Zuwendungen zwischen 1995 und 2007 herrührendes - Privatvermögen in Höhe von rund 115.000 €. Berücksichtigt man daneben den ehebedingten Erwerb des Wertpapiervermögens in Höhe von 130.000 €, die im Ehevertrag zugesagte Überlassung der lastenfreien Eigentumswohnung und (für den Altersunterhalt) die späteren Einkünfte aus der als zusätzliche Altersvorsorge eingerichteten privaten Rentenversicherung, kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden , dass die Antragsgegnerin im Falle von Alter oder Krankheit ohne Unterhaltszahlungen des Antragstellers einer wirtschaftlichen Notlage anheimgefallen wäre und der Unterhaltsverzicht aus diesem Grunde mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar wäre.
- 36
- cc) Auch der hier möglicherweise wirtschaftlich ins Gewicht fallende Verzicht auf den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) und den Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) begegnet noch keinen Wirksamkeitsbedenken. Zwar ordnet der Senat diese Unterhaltstatbestände in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zu (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 97 f., 105 f. = FamRZ 2004, 601, 605, 607). Dennoch können diese Unterhaltstatbestände im Einzelfall mit Rücksicht auf das von den Eheleuten beabsichtigte oder bei Vertragsschluss bereits gelebte Ehemodell im Zusammenhang mit dem Ausgleich von ehebedingten Nachteilen im beruflichen Fortkommen des durch den Verzicht belasteten Ehegatten Bedeutung gewinnen (Senatsurteil vom 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 23; vgl. auch Eickelberg RNotZ 2009, 1, 27). Solche Erwerbsnachteile sind aufseiten der Antragsgegnerin aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem gilt auch hier, dass die Antragsgegnerin aus Sicht der beteiligten Eheleute bei Vertragsschluss auch aufgrund des ehebedingten Vermögenserwerbs nach einer Scheidung ihren notwendigen Lebensbedarf unabhängig von Unterhaltszahlungen des Antragstellers würde decken können.
- 37
- e) Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand.
- 38
- Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.).
- 39
- Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsurteile vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 24 und vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 27).
- 40
- aa) Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall keine genügenden Anhaltspunkte für eine Störung der subjektiven Vertragsparität zu erkennen vermochte, halten seine diesbezüglichen Ausführungen den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
- 41
- (1) Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrages eingehen oder - wie hier - fortsetzen zu wollen, begründet für sich genommen für den anderen Ehegatten noch keine Lage, aus der ohne weiteres auf dessen unterlegene Verhandlungsposition geschlossen werden kann. Etwas anderes mag unter Umständen bei einem erheblichen Einkommensoder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten gelten, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderem Maße auf die Eingehung oder Fortführung der Ehe angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 28 und Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 17). So liegt der Fall hier aber nicht, selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin anführen will, dass sie nach ihren eigenen beruflichen Möglichkeiten für den Fall der Scheidung nur die Erzielung eines bescheidenen Einkommens zu erwarten hatte und sie unter dem Eindruck der Ankündigung des Antragstellers gestanden haben mag, ihr wegen vermeintlicher Verwirkung sämtlicher Unterhaltsansprüche keinerlei Unterhalt zahlen zu wollen. Denn andererseits besaß die Antragsgegnerin angesichts ihres Privatvermögens in Höhe von rund 115.000 € und den letztlich gegen ihren Willen nicht entziehbaren Rechtspositionen, die sie bezüglich Güterrecht, Versorgungsausgleich und Teilhabe am gemeinsamen Wertpapier- und Immobilienvermögen bereits erworben hatte, genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Antragstellers entgegentreten oder auf die Gestaltung des Ehevertrages Einfluss nehmen zu können.
- 42
- (2) Das Beschwerdegericht hat auch das Vorbringen der Antragsgegnerin , dass diese eine Scheidung im Interesse des gemeinsamen Sohnes unbedingt vermeiden wollte und sie daher in einer Zwangslage gewesen sei, gewürdigt und hierin keinen tragfähigen Anhaltspunkt für eine Störung der subjektiven Vertragsparität erblickt, weil auch die Verhandlungsposition des Antragstellers davon geprägt gewesen sei, seinem Sohn eine Scheidung ersparen zu wollen. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
- 43
- (3) Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass in einem objektiv benachteiligenden Vertragsinhalt ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten zu sehen sein kann, hat das Beschwerdegericht dieses Indiz ersichtlich durch die Umstände des Vertragsschlusses, in dessen Vorfeld mehrere Monate lang unter Austausch von Entwurf und Gegenentwurf über den Inhalt des Ehevertrages verhandelt worden war, widerlegt gesehen. Auch hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 44
- Schließen Eheleute im Hinblick auf eine Ehekrise oder auf eine bevorstehende Scheidung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit einen Vertrag zur umfassenden Regelung aller Scheidungsfolgen, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass sie ihre gegenläufigen vermögensrechtlichen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich gebracht haben und selbst eine besondere Großzügigkeit oder Nachgiebigkeit des einen Ehegatten nicht auf einer Störung der subjektiven Vertragsparität beruht (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236 zu § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 216, 217 mit zust. Anm. Bergschneider FamRZ 2005, 220 f.). Soweit die Antragsgegnerin ihre eigene anwaltliche Beratung durch die Behauptung, sie habe "vor Abschluss des Vertrages lediglich einmal mit einem Rechtsanwalt aus ihrem Bekanntenkreis tele- foniert", zu relativieren sucht, hat sie bereits den widerstreitenden Vortrag des Antragstellers, sie habe ihren Rechtsanwalt mandatiert und auch bezahlt, nicht widerlegt. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts beruhte die Bereitschaft der Antragsgegnerin, den Ehevertrag mit einem für sie objektiv möglicherweise deutlich nachteiligen Inhalt abzuschließen, nicht auf einer ungleichen Verhandlungsposition , sondern vielmehr auf einer groben Fehleinschätzung über die Höhe der Kapitalerträge, welche die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss mit ihrem dann vorhandenen Geld- und Wertpapiervermögen zukünftig würde erwirtschaften können. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung , zumal die Antragsgegnerin hierzu selbst vorträgt, dass sie vor Abschluss des Ehevertrages mit einem Finanzberater der D.-Bank Kontakt aufgenommen hatte, nach dessen Auskunft bei einem "Gesamtdepotwert von ca. 240.000 € monatliche Zinsen von 1.500 € erzielbar seien".
- 45
- bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages schließlich auch nicht daraus, dass der Antragsteller mit dem Vertrag das verwerfliche Ziel verfolgt habe, die Antragsgegnerin für den ihr vorgeworfenen Ehebruch unter Umgehung von gesetzlichen Wertungen (§ 1587 c Nr. 1 BGB bzw. § 27 VersAusglG) mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs "bestrafen" zu wollen.
- 46
- Ob dies überhaupt zutrifft, kann dahinstehen. Das Motiv des begünstigten Ehegatten, sich Genugtuung für die durch den Ehebruch des Partners erlittenen Verletzungen verschaffen zu wollen, könnte zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers einem unter unfairen Verhandlungsbedingungen zustande gekommenen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Lässt sich indessen - wie hier - eine ungleiche Verhandlungsposition nicht feststellen, vermag eine solche Motivation umgekehrt für sich genommen dem Ehevertrag nicht den Makel der Sittenwidrigkeit anzuhef- ten. Denn es kann nicht einleuchten, warum ein tatsächlich oder vermeintlich "betrogener" Ehegatte, der bei den Verhandlungen über einen Ehevertrag einen Ausschluss des Versorgungsausgleiches verlangt, subjektiv verwerflich handeln sollte, ein "nicht betrogener" Ehegatte in derselben Situation aber nicht.
- 47
- 3. Allerdings hat sich das Beschwerdegericht nicht mit der Wirksamkeit der in der notariellen Vereinbarung beurkundeten Vereinbarung zum Trennungsunterhalt unter dem Gesichtspunkt des § 134 BGB und den Auswirkungen einer etwaigen Nichtigkeit dieser Abrede auf die Wirksamkeit des Gesamtvertrages befasst (§ 139 BGB).
- 48
- a) Nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 iVm § 1614 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Die ganz herrschende Meinung sieht daher in einem pactum de non petendo zu Recht ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft (OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; MünchKommBGB/ Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 Rn. 49; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1614 BGB Rn. 2; Kilger/Pfeil in Göppinger/Börger Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung 10. Aufl. 5. Teil Rn. 140; Niepmann/ Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 153; Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1614 Rn. 5; jurisPK-BGB/Viefhues [Stand: 1. Oktober 2012] § 1614 Rn. 11; Deisenhofer FamRZ 2000, 1368 f.; Schwackenberg FPR 2001, 107, 108; Huhn RNotZ 2007, 177, 187; aA OLG Köln FamRZ 2000, 609). Auch ergänzende "Feststellungen" der Ehegatten zum Nichtbestehen eines ungedeckten Unterhaltsbedarfs oder zum Vorliegen eines Verwirkungsgrundes können einem pactum de non petendo nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Denn der Schutzzweck von § 1614 BGB verbietet es generell, der unterhaltsberechtigten Person unter Hinweis auf den Parteiwillen den Unterhaltsanspruch ganz zu versagen (Deisenhofer FamRZ 2000, 1368, 1369). Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn die Ehegatten durch eine Parteivereinbarung , der im Übrigen das Risiko einer unrichtigen Tatsachenermittlung oder falschen Einschätzung der Rechtslage anhaftet, eine den Trennungsunterhaltsanspruch ausschließende Situation darstellen und diese anschließend durch ein pactum de non petendo unangreifbar machen könnten (vgl. auch Huhn RNotZ 2007, 177, 187).
- 49
- b) Durch Auslegung der notariellen Vereinbarung vom 18. Januar 2007 ist zu ermitteln, ob die Bestimmung, wonach "für den Fall der Trennung keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen" wird, ein unzulässiges pactum de non petendo darstellt. Das wäre dann der Fall, wenn die Bestimmung über eine bloße Absichtserklärung oder die Mitteilung einer Geschäftsgrundlage hinaus eine verbindliche Rechtsposition in Bezug auf die Abwehr einer künftigen gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung des Anspruches auf Trennungsunterhalt begründen soll. Der Wortlaut der Bestimmungen in der vorliegenden notariellen Urkunde schließt eine solche Auslegung jedenfalls nicht aus.
- 50
- c) Sollte die Auslegung der Bestimmungen zum Trennungsunterhalt ergeben , dass sie ein unwirksames pactum de non petendo enthalten, ist im Hin- blick auf den dann vorliegenden Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) weiter zu prüfen, ob die Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB auch die weiteren Bestimmungen in der notariellen Vereinbarung erfasst. Dabei kommt es zunächst darauf an, ob und inwieweit ein enger Zusammenhang zwischen den einzelnen Vereinbarungen besteht und nach dem Willen der Parteien bestehen soll. Ob es sich bei gemeinsam beurkundeten Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen aufgrund eines Einheitlichkeitswillens der Vertragsparteien um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist durch Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens festzustellen, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei gemeinsamer Aufnahme mehrerer Vereinbarungen in eine Urkunde eine tatsächliche Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen besteht (vgl. BGHZ 157, 168, 173 f. = NVwZ 2005, 484, 485; BGHZ 54, 71, 72 = NJW 1970, 1414, 1415). Ist von einem einheitlichen Rechtsgeschäft auszugehen , muss nach den für die ergänzende Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen weiter ermittelt werden, ob die beteiligten Eheleute die gleichen Vereinbarungen zu den Scheidungsfolgen auch getroffen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass ein Verzicht auf Trennungsunterhalt oder eine ihm gleichstehende Beschränkung der Rechte auf Geltendmachung von Trennungsunterhalt für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2003, 764, 765; Huhn RNotZ 2007, 177, 184). Dagegen könnte es unter Umständen sprechen, wenn der unwirksame Ausschluss von Trennungsunterhalt durch Leistungen ausgeglichen werden sollte, die dem berechtigten Ehegatten im Rahmen der Auseinandersetzung über die Scheidungsfolgen zugesagt worden sind (vgl. auch Langenfeld in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand: 2013] 15. Kap. Rn. 14).
- 51
- d) Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist Sache des Tatrichters. Eine vom Beschwerdegericht nicht vorgenommene Auslegung darf das Rechtsbeschwerdegericht nur dann selbst vornehmen, wenn alle dazu erforderlichen Feststellungen getroffen sind und eine weitere Aufklärung nicht mehr in Betracht kommt (BGH Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 - NJW 1998, 1219 mwN.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, zumal die beteiligten Ehegatten noch keine Gelegenheit hatten, zu diesen erkennbar noch nicht beachteten Gesichtspunkten vorzutragen.
- 52
- 4. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
- 53
- Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Erwägungen des Beschwerdegerichts zu der Frage, ob dem Antragsteller die Berufung auf die Regelungen des Ehevertrages nach Treu und Glauben zu versagen oder der Ehevertrag wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen sei, keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Ob sich der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nachträglich zu einer einseitigen und unzumutbaren Lastenverteilung für die Antragsgegnerin hätte entwickeln können, wenn diese bei einem Fortbestand der Ehe aufgrund ehelicher Arbeitsteilung weiterhin auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet hätte und die Ehe erst in hohem Alter der Eheleute geschieden worden wäre, bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil die dem Vertragsschluss zugrunde liegende Ehekrise bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit zum Scheitern der Ehe geführt hat. Auch die weitere Auffassung des Beschwerdegerichts, dass etwaige Vorstellungen und Erwartungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der von ihr zu erzielenden Vermögenseinkünfte nicht zur Geschäftsgrundlage der notariellen Vereinbarung geworden sind, lässt keine Rechtsfehler erkennen und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
Vorinstanzen:
AG Erlangen, Entscheidung vom 18.10.2012 - 6 F 1006/11 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.05.2013 - 11 UF 1740/12 -
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um Abänderung eines Vergleichs zum nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der im Jahre 1959 geborene Kläger und die im Jahre 1963 geborene Beklagte hatten 1982 die Ehe geschlossen, aus der drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind. Nach der Trennung wurde die Ehe der Parteien am 11. Juli 2006 rechtskräftig geschieden. Unmittelbar zuvor hatten die Parteien im Scheidungsverbundverfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 750 € zu zahlen. Eine Grundlage des gerichtlichen Vergleichs wurde nicht niedergelegt.
- 3
- Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 2. Januar 2007 erfolglos aufgefordert hatte, auf Rechte aus dem abgeschlossenen Vergleich zu verzichten, begehrt er im vorliegenden Rechtsstreit eine Abänderung des Vergleichs und einen Wegfall des nachehelichen Unterhalts ab Januar 2007. Amtsgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seinen Antrag weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - veröffentlicht bei juris; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09 - veröffentlicht bei juris und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - veröffentlicht bei juris).
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 2008, 1002 veröffentlicht ist, hat die Abänderungsklage abgewiesen, weil der Unterhaltsvergleich der Parteien keine Geschäftsgrundlage enthalte, die sich nachträglich geändert habe.
- 7
- Die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs richte sich materiell-rechtlich nach den Voraussetzungen des § 313 BGB. Da es sich bei dem Vergleich um eine Parteivereinbarung handele, könne im Rahmen der Vertragsfreiheit und den Grenzen von Treu und Glauben auch eine Unabänderbarkeit vereinbart werden. Nur wenn nach dem Parteiwillen eine Abänderbarkeit des Unterhaltsvergleichs in Betracht komme, sei darauf abzustellen, ob eine seinerzeit einvernehmlich vereinbarte Vergleichsgrundlage derart gestört sei, dass dem Kläger eine weitere Unterhaltspflicht ganz oder teilweise nicht mehr zumutbar sei. Dafür sei der Abänderungskläger darlegungs- und beweisbelastet. Der für die Abänderbarkeit ausschlaggebende Parteiwille sei im Wege der Auslegung zu ermitteln.
- 8
- Eine Abänderung nach § 313 BGB komme hier nicht in Betracht, weil unstreitig keine Vergleichsgrundlage existiere. Schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers ergebe sich nicht, dass der Vergleich - zumal so kurze Zeit nach dessen Protokollierung - überhaupt abänderbar sein solle. Die Parteivereinbarung sei auch nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Auf eine Grundlage des Vergleichs sei bewusst verzichtet worden, weil es den Parteien um eine schnelle Erledigung dieses Streitpunkts im Zusammenhang mit dem Scheidungsverbundverfahren gegangen sei. Diese Motivlage habe sich nicht geändert, sondern wirke mit ihren Folgen weiterhin fort. Am Tage des Vergleichsschlusses und der abschließenden Entscheidung im Scheidungsverbundverfahren sei zwar zur Folgesache des nachehelichen Unterhalts ein Schriftsatz eingegangen, in dem als Teilbetrag des nachehelichen Unterhalts monatlich 663 € verlangt worden seien. Diese Antragsschrift sei allerdings unstreitig nicht zugestellt worden und der Vergleich beruhe nicht darauf, sondern auf einem "Angebot zur Güte" des Klägers in exakt der später vereinbarten Höhe ohne Verhandlung und Erörterung etwaiger Einkommens- oder sonstiger Verhältnisse. Die Beklagte habe dieses Angebot ohne weitere Verhandlungen angenommen. Unter diesen Umständen fehle nicht nur eine Vergleichsgrundlage. Nach dem Parteiwillen sei vielmehr bewusst ein Unterhaltsbetrag ohne Grundlagen festgelegt worden, der somit im Grunde unabänderbar sein solle. Anderenfalls sei der Vergleich für die Parteien nichts wert gewesen, weil sonst jede Partei mangels niedergelegter Vergleichsgrundlage schon am Folgetag eine Abänderungsklage ohne Bindung an eine Veränderung der Umstände hätte erheben können. Das sei von beiden Parteien offensichtlich nicht gewollt gewesen. Auch der in gleicher Höhe vereinbarte Trennungsunterhalt sei nicht auf der Grundlage der dort vorgetragenen Verhältnisse vereinbart worden. Wenn eine solche Grundlage erwünscht gewesen wäre, sei ein Hinweis auf die Berechnung in den Schriftsätzen möglich gewesen, wovon die Parteien indessen abgesehen hätten. Soweit der Vergleich zum Trennungsunterhalt unvollständige Grundlagen enthalte, spreche die abweichende Handhabung beim nachehelichen Unterhalt gerade für einen abweichenden Parteiwillen.
- 9
- Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine vom Ersttitel losgelöste Neufestsetzung zulasse, wenn keine Vergleichsgrundlage feststellbar sei, beziehe sich auf andere Sachverhalte. Dies komme nur im Falle einer grundsätzlichen Abänderbarkeit in Betracht, wenn die Unterhaltsberechnung und damit die frühere Vergleichsgrundlage nicht mehr nachvollziehbar und deswegen eine Anpassung nicht möglich sei. Hier fehle es nicht an der Nachvollziehbarkeit , sondern schon an einer Berechnung des Vergleichsbetrages und somit an der grundsätzlichen Abänderbarkeit. Der Kläger könne sich für seine Rechtsauffassung auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abänderbarkeit eines Anerkenntnisurteils stützen. Auch die Bindungswirkung eines Anerkenntnisurteils verhindere eine freie Abänderbarkeit.
- 10
- Eine Ausnahme sei allenfalls in einem - hier allerdings offensichtlich nicht vorliegenden - Fall der Not geboten. Der Kläger habe im Jahre 2006 über ein durchschnittliches bereinigtes Nettoeinkommen von gut 2.500 € verfügt und wendet sich insoweit lediglich gegen den hinzugerechneten Wohnvorteil in Höhe von 450 € mit dem Ziel einer Reduzierung auf 200 € monatlich.
- 11
- Das Oberlandesgericht hat die Revision "im Hinblick auf die entscheidende Rechtsfrage der Abänderbarkeit des Vergleichs" zugelassen.
II.
- 12
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 13
- 1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Abänderung des vereinbarten laufenden nachehelichen Unterhalts nach § 323 Abs. 4 i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Wege der Abänderungsklage erfolgt, weil mit dem gerichtlichen Vergleich bereits ein vollstreckbarer Titel über den nachehelichen Unterhalt vorliegt. Wegen der fehlenden materiellen Rechtskraft des Prozessvergleichs richtet sich die Abänderung in der Sache - wie das Oberlandesgericht ebenfalls zutreffend ausführt - nicht nach § 323 Abs. 1 bis 3 ZPO, sondern gemäß § 313 BGB nach den Grundsätzen über eine Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (Senatsurteile vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314, 315 und vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 346/00 - FamRZ 2003, 304, 306). Dabei ist zunächst im Wege der Auslegung des Parteiwillens eine Geschäftsgrundlage des Vergleichs zu ermitteln (vgl. Graba Die Abänderung von Unterhaltstiteln 3. Aufl. Rdn. 62; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 19 Rdn. 169). Ist in den danach maßgeblichen Verhältnissen seit Abschluss des Vergleichs eine Änderung eingetreten, muss die gebotene Anpassung der getroffenen Unterhaltsregelung an die veränderten Verhältnisse nach Möglichkeit unter Wahrung des Parteiwillens und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen.
- 14
- Lässt sich dem Vergleich und dem ihm zugrunde liegenden Parteiwillen kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an veränderte Umstände entnehmen , kann es geboten sein, die Abänderung ohne fortwirkende Bindung an die Grundlage des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen. Der Unterhalt ist dann wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen (Senatsurteil vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99 - FamRZ 2001, 1140, 1142 m.w.N. und vom 26. November 1986 - IV b ZR 91/85 - FamRZ 1987, 257, 259).
- 15
- Das gilt allerdings nicht, soweit die Parteien in dem Unterhaltsvergleich bewusst eine restlose und endgültige Regelung getroffen und damit eine spätere Abänderung wegen nicht vorhersehbarer Veränderungen der maßgeblichen Verhältnisse ausdrücklich ausgeschlossen haben. Die abschließende Einigung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann Vertragsinhalt und nicht nur dessen Geschäftsgrundlage. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Parteien mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine abschließende Regelung ihres Unterhaltsrechtsverhältnisses herbeiführen wollen, auch wenn der Betrag in künftigen Raten zu zahlen ist (Senatsurteil vom 10. August 2005 - XII ZR 73/05 - FamRZ 2005, 1662 f.).
- 16
- 2. Im Ansatz zutreffend hat das Oberlandesgericht für die Abänderbarkeit des Unterhaltsvergleichs der Parteien deswegen auf den Inhalt des Vergleichs abgestellt, der im Wege einer für beide Parteien interessengerechten Auslegung zu ermitteln ist (vgl. Senatsurteile vom 4. März 2009 - XII ZR 18/08 - FamRZ 2009, 768, 770 und vom 28. Juli 2004 - XII ZR 292/02 - NJW-RR 2004, 1452, 1453). Soweit das Oberlandesgericht dabei allerdings zu einem vollständigen Ausschluss der Abänderbarkeit gelangt ist, hält dies der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 17
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Individualvereinbarungen grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung durch den Tatrichter kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf geprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht (BGHZ 150, 32, 37 = NJW 2002, 3248, 3249 und Senatsurteil vom 28. Juli 2004 - XII ZR 292/02 - NJW-RR 2004, 1452, 1453).
- 18
- a) Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Parteien eine spätere Korrektur ihres Vergleichs nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse bei Vergleichsschluss ausgeschlossen haben. Auch wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei Vergleichsschluss, die von den Parteien bewusst nicht zugrunde gelegt wurden, zu einem anderen gesetzlichen Unterhalt geführt hätten, kann dies allein also nicht zu einer Anpassung ihres Unterhaltsvergleichs führen.
- 19
- Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass allein aus der fehlenden Geschäftsgrundlage in dem gerichtlichen Vergleich noch nicht darauf ge- schlossen werden kann, der Vergleich sei unter keinen Umständen abänderbar. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Unterhaltsvergleich grundsätzlich auch dann abänderbar, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die dem Vergleich zugrunde liegenden Umstände aber nicht mehr nachvollziehbar sind. Der nach den geänderten Umständen geschuldete Unterhalt ist dann unabhängig von der früheren Vereinbarung allein nach den gesetzlichen Vorschriften zu berechnen (Senatsurteile vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99 - FamRZ 2001, 1140, 1142 und vom 26. November 1986 - IV b ZR 91/85 - FamRZ 1987, 257, 259).
- 20
- Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner Auslegung des Parteiwillens allerdings weitere Umstände berücksichtigt, die hier einen Ausschluss der Abänderbarkeit allein wegen der fehlenden Vergleichsgrundlage nahe legen. Danach hatten die Parteien die Höhe des Unterhalts unabhängig von den genauen tatsächlichen Umständen und ohne konkrete Berechnung pauschal auf der Grundlage eines Angebots des Klägers vereinbart, um eine abschließende Regelung zu erreichen. Die gewünschte Bindung an diese pauschale Vereinbarung wäre aber in Frage gestellt, wenn die Parteien wegen der fehlenden Geschäftsgrundlage jederzeit eine Abänderung verlangen könnten, ohne dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Vergleichsschluss geändert haben. An diese Auslegung des Prozessvergleichs durch das Berufungsgericht ist der Senat revisionsrechtlich gebunden.
- 21
- b) Soweit das Berufungsgericht den Prozessvergleich allerdings so ausgelegt hat, dass eine Abänderung auch bei einer späteren wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Parteien ausscheidet, trägt die hierzu gegebene Begründung dies nicht.
- 22
- Wenn die Parteien sich im Zeitpunkt des Vergleichs verbindlich verpflichten wollten, spricht dies zwar dafür, dass sie eine Abänderung für den Fall ausgeschlossen haben, dass die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen anderen Unterhaltsbetrag ergeben, als von ihnen pauschal vereinbart wurde. Für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sagt dies aber nichts aus. Auch dann bleibt es vielmehr bei der grundsätzlichen Abänderbarkeit des Prozessvergleichs nach § 313 BGB, wobei den Abänderungskläger allerdings die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse seit dem Vergleichsschluss überhaupt wesentlich geändert haben.
- 23
- Für eine solche weitgehende Vereinbarung der Parteien wie den Ausschluss der Abänderbarkeit bei späteren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Der Ausschluss der Abänderbarkeit wäre insoweit Teil der Vereinbarung und nicht bloß dessen Geschäftsgrundlage. Dafür, dass die Parteien in ihrem Vergleich ausdrücklich auch eine Abänderbarkeit für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen haben, trägt die Beklagte die Darlegungs - und Beweislast, die sich auf einen solchen Ausschluss beruft.
- 24
- c) Soweit das Berufungsgericht die Vereinbarung der Parteien dahin ausgelegt hat, dass durch sie eine Abänderbarkeit wegen späterer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ausgeschlossen ist, hält auch dies der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 25
- Unstreitig lebte die Beklagte seit Januar 2005 mit dem Zeugen G. zusammen und unterhielt mit diesem auch eine gemeinsame Wohnung. Zwar weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB, der durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz zum 1. Januar 2008 aus dem allgemeinen Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB a.F. hervorgegangen ist, im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht erfüllt war (vgl. Senatsurteil BGHZ 150, 209, 215 = FamRZ 2002, 810, 811 und BT-Drucks. 16/1830 S. 21). Weil seinerzeit also noch nicht endgültig feststand, ob sich die neue Lebensgemeinschaft der Beklagten im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB endgültig verfestigen würde, musste der Kläger sich diesen Einwand auch nicht ausdrücklich vorbehalten. Nach dem streitigen und in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Vortrag des Klägers hat sich die Lebensgemeinschaft seitdem weiter verfestigt, was jetzt zu einer Verwirkung des nachehelichen Unterhalts führen kann.
- 26
- Die Argumente des Berufungsgerichts im Rahmen der Auslegung des Unterhaltsvergleichs tragen einen Ausschluss der Abänderbarkeit wegen nachträglichen Eintritts eines Verwirkungstatbestandes nicht.
- 27
- d) Schließlich kann die angefochtene Entscheidung auch deswegen keinen Bestand haben, weil sich die für die Unterhaltsberechnung relevanten gesetzlichen Grundlagen und die höchstrichterliche Rechtsprechung nach Abschluss des Vergleichs grundlegend geändert haben und das Berufungsgericht einen Ausschluss der daraus grundsätzlich folgenden Abänderbarkeit nicht geprüft hat.
- 28
- aa) Für Prozessvergleiche über Dauerschuldverhältnisse hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass eine Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Vereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. In solchen Fällen kann eine beiderseitige irrtümliche Vorstellung über die künftige Rechtslage eine Anpassung nach den Grundsätzen über die Änderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage rechtfertigen, wenn die Vereinbarung ohne diesen Rechtsirrtum und in Kenntnis der künftigen Rechtsprechung nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen worden wäre. Das gilt ebenso, wenn der Geschäftswille der Parteien auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut war, was regelmäßig der Fall ist. Auch dann ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Verhältnisse die Parteien zur Grundlage ihrer Einigung gemacht haben und von welcher Rechtslage sie ausgegangen sind. Ob und in welcher Weise sodann eine Anpassung an die veränderte Rechtslage erfolgen kann, bedarf einer sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint, vielmehr muss hinzukommen , dass das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar ist. Dabei ist auch zu beachten, ob die im Vergleich insgesamt getroffenen Regelungen noch in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (Senatsurteile vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1358 und BGHZ 148, 368, 377 f. = FamRZ 2001, 1687, 1690).
- 29
- Der Ausschluss der Abänderbarkeit eines Unterhaltsvergleichs wegen nachträglicher Änderung der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann deswegen nur auf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung beruhen, für die derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der sich darauf beruft. Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Ausschluss der Abänderbarkeit trotz geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung trifft hier also die Beklagte. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber weder festgestellt, noch sind diese sonst ersichtlich. Vielmehr liegt es hier nahe, dass jedenfalls nachträgliche gesetzliche Änderungen oder Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich unmittelbar auf den geschuldeten Unterhalt auswirken, Berücksichtigung finden müssen.
- 30
- bb) Solche Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind hier in zweierlei Hinsicht von Bedeutung.
- 31
- (1) Der Kläger ist als Unterhaltsschuldner inzwischen neu verheiratet. Dies wirkt sich nach der neueren Rechtsprechung des Senats bereits auf die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Beklagten aus. Der Senat hat in seiner neueren Rechtsprechung, auch auf der Grundlage der zum 1. Januar 2008 durch § 1609 BGB geänderten Rangfolge, neu hinzutretende Unterhaltspflichten bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB mit berücksichtigt. Dadurch gelangt er im Ergebnis zu einer Dreiteilung des verfügbaren Einkommens in Fällen , in denen wie hier ein geschiedener Ehegatte mit einem neuen Ehegatten konkurriert (Senatsurteile vom 28. Januar 2009 - XII ZR 119/07 - FamRZ 2009, 579, 583; BGHZ 179, 196, 205 f. = FamRZ 2009, 411, 414; vom 1. Oktober 2008 - XII ZR 62/07 - FamRZ 2009, 23, 24 ff.; BGHZ 177, 356, 367 f. = FamRZ 2008, 1911, 1913 f. und vom 6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008, 968, 971 f.). Diese Rechtsprechung ist auch dadurch bedingt, dass der Halbteilungsgrundsatz bereits im Rahmen der Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB im Wege der Quotenmethode Berücksichtigung findet (Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - zur Veröffentlichung bestimmt).
- 32
- Diese neuere Rechtsprechung konnten die Parteien bei Abschluss ihres Vergleichs am 11. Juli 2006 noch nicht berücksichtigen. Auch insoweit kommt eine Abänderung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, soweit für die neue Ehefrau des Klägers auf der Grundlage der Maßstäbe des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten ein konkurrierender Unterhaltsanspruch besteht.
- 33
- (2) Hinzu kommt die neue Rechtsprechung des Senats zur Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts. Der Senat hatte bereits infolge der Änderung seiner früheren Rechtsprechung zur Bewertung von Kindererziehung und Haushaltstätigkeit während der bestehenden Ehe (Übergang von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode durch Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - FamRZ 2001, 986, 987 ff.) darauf hingewiesen, dass damit die Vorschriften zur Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts erheblich an Bedeutung gewinnen werden. In der Folgezeit hat der Senat seine Rechtsprechung durch eine nach Abschluss des hier relevanten Unterhaltsvergleichs veröffentlichte Entscheidung grundlegend geändert und nicht mehr entscheidend auf die - hier besonders lange - Dauer der Ehe, sondern vorgreiflich auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abgestellt (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007 f.). Diese Rechtsprechung hat der Senat in der Folgezeit kontinuierlich fortentwickelt (Senatsurteile vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135; vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1328; vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508, 1510; vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207, 1210 und BGHZ 179, 43, 51 ff. = FamRZ 2009, 406, 408 f.).
- 34
- Durch die geänderte gesetzliche Grundlage und die neue höchstrichterliche Rechtsprechung ist die Geschäftsgrundlage des Vergleichs, die im Zweifel auf den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur überragenden Bedeutung der Ehedauer bei der Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen abstellte, entfallen, was ebenfalls zu einer Anpassung des Unterhaltstitels führen kann.
- 35
- 3. Die angefochtene Entscheidung kann deswegen keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache ent- scheiden, weil es zunächst weiterer Feststellungen zu den nach der Rechtsprechung des Senats relevanten Tatsachen bedarf (§ 563 Abs. 1 ZPO).
- 36
- Das Oberlandesgericht wird den Parteien zunächst Gelegenheit geben müssen, ergänzend zu den Abänderungsvoraussetzungen vorzutragen. In diesem Umfang dürfte dem abgeschlossenen Vergleich ein Ausschluss jeglicher Abänderung nicht zu entnehmen sein.
- 37
- Soweit der Antrag auf Unterhaltsabänderung auf geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Abschluss des Vertrages gestützt ist, setzt er allerdings voraus , dass der Abänderungskläger eine erhebliche Änderung dieser Verhältnisse darlegt und ggf. beweist. Hinsichtlich der Frage einer nach Abschluss des Vergleichs neu eingetretenen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wird das Oberlandesgericht klären müssen, ob die Beklagte nach wie vor mit dem Zeugen eine feste Lebensgemeinschaft unterhält. Hahne Fuchs Vézina Dose Schilling
AG Neuss, Entscheidung vom 16.05.2007 - 45 F 52/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.12.2007 - II-7 UF 137/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus zwei Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003. Am 7. Januar 2003 schlossen die Parteien im Ehescheidungsverfahren einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich und vereinbarten zum nachehelichen Unterhalt folgendes: "… 6. Zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin Abfindungsbeträge zu leisten in Höhe von13.500,-- Euro für 2003, 13.500,-- Euro für 2004 und 3.000,-- Euro für 2005. Die Beträge sind fällig in 2003 mit monatlich 800,-- Euro am 01.02., 01.03. und 01.04., in Höhe des Restbetrages für 2003 am 01.05.2003, mit insgesamt 13.500,-- Euro für 2004 am 01.01.2004 und in Höhe der restlichen 3.000,-- Euro für 2005 am 01.01.2005. Durch Zahlung dieser Beträge ist der Gesamtanspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt abgegolten. Die Parteien erklären bereits jetzt den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not und Gesetzesänderung und nehmen den Verzicht gegenseitig an. …" Nachdem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte lebe mit einem neuen Partner zusammen, in einem weiteren gerichtlichen Verfahren die Feststellung beantragt hatte, dass er nicht mehr zu Unterhaltsleistungen aus dem geschlossenen Vergleich verpflichtet sei, schlossen die Parteien am 11. November 2003 einen Abänderungsvergleich. Danach entfällt die ursprünglich vorgesehene Zahlungsverpflichtung des Klägers in Höhe von 3.000 € für das Jahr 2005. Die Fälligkeitsregelung für den nur noch geschuldeten Gesamtbetrag für das Jahr 2004 in Höhe von 13.500 € wurde dahin abgeändert, dass der Kläger jeweils 6.750 € zum 1. Januar und zum 1. Juli 2004 schuldete. Kurz darauf heiratete die Beklagte ihren Lebensgefährten. Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003 gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500 € einstweilen eingestellt und mit Urteil vom 29. Juni 2004 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 11. November 2003 für unzulässig erklärt, weil der Anspruch der Beklagten auf
nachehelichen Unterhalt infolge ihrer Wiederverheiratung erloschen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2005, 1253 ff. mit Anm. Bergschneider veröffentlicht ist, die Klage abgewiesen und die Revision wegen der Abweichung von einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (FamRZ 2002, 234 ff.) zugelassen. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte hat am 29. April 2005 beim Amtsgericht einen Pfändungsund Überweisungsbeschluss erwirkt, aufgrund dessen eine Drittschuldnerin am 23. Mai 2005 3.500 € an sie geleistet hat. Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit Beschluss vom 31. Mai 2005 für die Dauer von sechs Wochen ab Zugang des Beschlusses einstweilen eingestellt und dem Kläger aufgegeben, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 13.900 € nachzuweisen. Der Kläger hat diese Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht hinterlegt. Der Kläger hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Er beantragt nunmehr bei noch offener (verlängerter) Frist zur Revisionsbegründung, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € einstweilen einzustellen.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil ist schon deswegen unbegründet, weil aus diesem - klagabweisenden - Urteil in der Hauptsache nicht gegen ihn vollstreckt werdenkann. Soweit eine Vollstreckung aus der Kostenentscheidung des Berufungsurteils möglich ist, scheidet eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO aus, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Einstellung nicht in Betracht kommt, wenn es der Schuldner - wie hier - versäumt hat, in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO zu stellen (Senatsbeschluss vom 24. November 1999 - XII ZR 69/99 - NJW-RR 2000, 746 m.w.N.). 2. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antrag des Klägers als Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003 auszulegen wäre (§ 769 ZPO). Zwar fehlt einem solchen Antrag nicht schon deswegen das Rechtsschutzbedürfnis , weil das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus diesen Vergleichen mit Beschluss vom 2. Februar 2004 gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt hatte. Denn diese Entscheidung galt nur bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils (vgl. Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 769 Rdn. 9 m.w.N.) und ist jedenfalls durch das klagabweisende Berufungsurteil entfallen. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO kommt aber deswegen nicht in Betracht, weil das Rechtsmittel des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine restlose und endgültige Regelung wollten, liegt darin regelmäßig auch ein Ausschluss weiterer Ansprüche für nicht vorhersehbare Veränderungen (BGHZ 2, 379, 385 f.). Die abschließende Wirkung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann wesentlicher Inhalt der vertraglichen
Vereinbarung und nicht bloß dessen Geschäftsgrundlage. Gleiches gilt dann auch umgekehrt für die Nachforderung noch ausstehender Abfindungsansprüche und für die Rückzahlung schon geleisteter Beträge. Eine andere rechtliche Beurteilung ist allenfalls für solche Fälle denkbar, in denen der Kapitalbetrag keine Abfindung, sondern eine bloße Vorauszahlung , also eine bloße Kapitalisierung, sein soll. Dann wird durch die Unterhaltsvereinbarung lediglich der gesetzliche Unterhaltsanspruch konkretisiert (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 28. November 1984 - IVb ZB 782/81 - FamRZ 1985, 263), während im Falle einer endgültigen, abschließenden Regelung an die Stelle des durch den Unterhaltsverzicht abbedungenen gesetzlichen Unterhalts eine eigenständige vertragliche Unterhaltsvereinbarung tritt (BGHZ aaO, 386). Es liegt im Wesen einer Abfindung, dass sie Elemente eines Vergleichs enthält. Wer statt laufender Unterhaltsbeträge einen festen Abfindungsbetrag wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass die für die Berechnung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Deswegen gewährt das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unterhalt in Form einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente (§ 1585 Abs. 1 BGB) und räumt ihm nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise einen Anspruch auf Abfindung in Kapital ein (§ 1585 Abs. 2 BGB). Entscheidet sich der Unterhaltsberechtigte gleichwohl für eine Abfindung, dann deshalb, weil ihm dies, aus welchen Gründen auch immer, bei Abwägung solcher Risiken vorteilhafter erscheint. Darin liegt auch sein Verzicht darauf, dass ihm günstige zukünftige Entwicklungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Der Unterhaltspflichtige will und darf sich, wenn er aufgrund einer wirksamen Vereinbarung eine Kapitalabfindung leisten muss, andererseits darauf verlassen, dass mit der Erfüllung der Unterhaltsanspruch ein für
allemal erledigt ist. Auch für ihn bestehende Unsicherheiten der künftigen Entwicklung sind regelmäßig in die Berechnung der Abfindungssumme eingeflossen (vgl. BGH Urteil vom 8. Januar 1981 - VI ZR 128/79 - NJW 1981, 818, 820 = BGHZ 79, 187, 192 f.). Entsprechend geht auch die weit überwiegende Auffassung in der Literatur davon aus, dass bei einer Abfindungsvereinbarung eine Anpassung an veränderte Umstände, z.B. an eine Wiederverheiratung der Unterhaltsberechtigten, ausscheidet (Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 614; Göppinger/Wax/Hoffmann Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1378 f.; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 4. Aufl. § 1585 Rdn. 12; Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 2264; MünchKomm/ Maurer 4. Aufl. § 1586 Rdn. 7; FA-FamR/Gerhardt 5. Aufl. Kap. 6 Rdn. 470; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2002, 1040). Soweit das Oberlandesgericht Hamburg in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil (FamRZ 2002, 234) zu dem abweichenden Ergebnis gelangt ist, dass ein beim Tode des Unterhaltsberechtigten noch nicht erfüllter Anspruch auf Abfindung für künftigen Unterhalt erloschen und daher auch nicht vererbbar ist, beruht dies auf einer Auslegung des dortigen Einzelfalles, der neben dem nachehelichen Ehegattenunterhalt auch Ansprüche auf Trennungsunterhalt umfasste, auf die gemäß §§ 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB ohnehin nicht endgültig verzichtet werden konnte. Dieser Gesichtspunkt ist jedenfalls nicht auf Vergleiche übertragbar, die - wie hier - einen wirksamen Verzicht auf den gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruch beinhalten.
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wollten die Parteien den Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Ehegattenunterhalt durch einen Kapitalbetrag endgültig abfinden. Diese Auslegung der Vergleiche liegt schon deswegen nahe, weil die vom Kläger zu leistenden Beträge als "Abfindungsbe-
träge" bezeichnet wurden. Außerdem haben die Parteien in dem Vergleich vom 7. Januar 2003 ausdrücklich wechselseitig auf nachehelichen Ehegattenunterhalt verzichtet und erklärt, dass mit den vereinbarten Zahlungen der Gesamtanspruch der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt abgegolten sein sollte. Das wurde durch den späteren Wegfall des Abfindungsbetrages für 2005 und die neue Fälligkeitsregelung für die Abfindungsbeträge für 2004 auch nicht abgeändert. Gegen den Charakter einer endgültigen Abfindung des nachehelichen Ehegattenunterhalts kann der Kläger auch nicht einwenden, dass die Parteien eine Ratenzahlung der Abfindungsbeträge vereinbart haben. Die Bewilligung von Ratenzahlung erfolgt regelmäßig im Interesse des Unterhaltsschuldners, weil sie ihm die Zeit einräumt, sich auf die erst künftig fällig werdenden Teilbeträge einzustellen. Zu Recht hat das Berufungsgericht hier in der Möglichkeit des steuerlichen Realsplittings einen weiteren Grund gesehen, wonach die ratenweise Aufteilung des Abfindungsbetrages allein im Interesse des Klägers liegt. Denn sie ermöglicht es ihm, den gesamten Abfindungsbetrag - verteilt auf mehrere Jahre - als Sonderausgabe steuerlich abzusetzen, weil die jährlichen Abfindungsbeträge in Höhe von 13.500 € knapp unterhalb des Höchstbetrages liegen, der im Wege des steuerlichen Realsplittings nach § 10 EStG mit jährlich bis zu 13.805 € berücksichtigt werden kann. Nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgte die Hinausschiebung der Fälligkeit von Teilen des Abfindungsbetrages deswegen allein im Interesse des Klägers. Umstände , die gegen eine endgültige und abschließende Unterhaltsvereinbarung sprechen, lassen sich deswegen daraus nicht gewinnen. 3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zur Anfechtung der Vergleiche berechtigt wäre, wenn die Beklagte ihn bei Vertragsschluss über ihre Absicht, alsbald wieder zu heiraten, getäuscht
hätte. Dann käme unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB in Betracht (vgl. Wendl/Pauling aaO; Luthin aaO). Solches hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien allerdings nicht feststellen können. Zwar hat die Beklagte bereits am 20. Dezember 2003 und somit nur wenig mehr als einen Monat nach Abschluss des Abänderungsvergleichs vom 11. November 2003 geheiratet. Außerdem war sie in diesem Zeitpunkt schon im achten Monat schwanger, was allerdings dem im Verhandlungstermin ebenfalls anwesenden Kläger nicht entgangen sein kann. Entscheidend ist aber, dass die Zahlungsverpflichtung des Klägers schon auf dem ursprünglichen Vergleich vom 7. Januar 2003 beruht, der in dem späteren Vergleich vom 11. November 2003 lediglich hinsichtlich der Abfindungsrate für 2005 und der Fälligkeit für die Abfindungsrate für 2004 abgeändert wurde. Wollte der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Abfindungsvergleiches anfechten oder wollte er Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen, müsste er deswegen eine Heiratsabsicht der Beklagten schon im Januar 2003 nachweisen. Dafür ist nach dem gegenwärtigen Sachund Streitstand aber nichts ersichtlich. Denn es ist durchaus nachvollziehbar,
dass die Beklagte sich erst infolge und gerade wegen des Scheidungsfolgenvergleichs vom 7. Januar 2003 zur Schwangerschaft und zur erneuten Heirat entschlossen hat. Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des in einem Prozessvergleich von 1995 geregelten Ehegattenunterhalts.
- 2
- Der 1940 geborene Kläger und die 1944 geborene Beklagte schlossen im November 1967 die Ehe. Der Kläger war damals Student, die Beklagte angestellte Sport- und Gymnastiklehrerin. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Juli 1971 setzte die Beklagte ihre Tätigkeit für drei Jahre aus und nahm sie anschließend als Teilzeitkraft wieder auf. Die Parteien trennten sich erstmals im Jahr 1974 und endgültig zum Jahreswechsel 1978/1979. Auf den im Dezember 1980 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe der Parteien im März 1982 geschieden. Seit 1987 arbeitete die Beklagte bis zum Renteneintritt annähernd in Vollzeit.
- 3
- Im Juli 1995 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die Beklagte Aufstockungsunterhalt in Höhe von 1.100 DM = 562,42 € monatlich zu zahlen. Seit Oktober 2005 ist der - inzwischen wiederverheiratete - Kläger pensioniert. Die Beklagte trat zum August 2007 in den Ruhestand.
- 4
- Das Amtsgericht hat der Abänderungsklage, mit der der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab August 2007 begehrt, teilweise stattgegeben und den Kläger u. a. verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt von 396 € ab Juli 2008 zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil teilweise dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2009 einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 200 € zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
- 6
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abänderung des gerichtlichen Vergleichs. Mit dem Eintritt der Beklagten in den Ruhestand und den damit einhergehenden Auswirkungen des Versorgungsausgleichs hätten sich die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Das Renteneinkommen des Klägers habe sich um monatlich 362,26 € vermindert und die Beklagte erziele nunmehr Renteneinkünfte, die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen lägen. Darüber hinaus habe sich seit dem Abschluss des Vergleichs die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs u. a. zur Begrenzung und Befristung des - hier im Streit stehenden - Aufstockungsunterhalts geändert, und es gelte ab Januar 2008 die Neuregelung des § 1578 b BGB.
- 7
- Der Beklagten seien ehebedingte Nachteile in Form von Rentennachteilen entstanden, weil sie nach der Zustellung des Scheidungsantrages bis Ende 1986 wegen der Kindesbetreuung nicht voll erwerbstätig gewesen sei. Diese Nachteile dürften sich ausweislich des Versicherungsverlaufs für die Beklagte in einer geschätzten Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich belaufen. Die vorübergehende Erwerbslosigkeit der Beklagten in Zeiten der Schwangerschaft, des Mutterschutzes und der Kinderbetreuung (von Juni 1971 bis Januar 1974) und die nur eingeschränkte Tätigkeit in der Zeit von Februar 1974 bis zur Zustellung des Scheidungsantrages im Dezember 1980, habe ersichtlich zu keinen ehebedingten Nachteilen geführt, da die Nachteile in der Versorgungsbilanz durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden seien. Aus dem Gesichtspunkt einer nicht stattgefundenen Karriereentwicklung lägen ehebedingte Nachteile eher fern. Die Beklagte habe seit 1974 ohne Unterbrechung bis zu ihrem Renteneintritt wieder in ihrem erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf gearbeitet, wobei ihre Ausbildung als bloße Gymnastiklehrerin keine besonderen Karrieresprünge habe erwarten lassen. Soweit die Beklagte behaupte , dass sie ein verkürztes Studium an der pädagogischen Hochschule hätte absolvieren können, um anschließend als "richtige" Lehrerin mit besserem Einkommen und Chancen auf eine Verbeamtung eingestellt zu werden, lasse sich darüber im Nachhinein nur noch spekulieren. Nach den vorgelegten Zeugnissen erscheine es nicht zwingend anzunehmen, dass die Beklagte ohne Heirat und Kindererziehung tatsächlich ein Zusatzstudium in Angriff genommen, erfolgreich abgeschlossen und als Lehrerin für Grund- und Hauptschulen eine Anstellung gefunden oder gar Beamtenstatus erreicht hätte.
- 8
- Auch wenn danach konkrete ehebedingte Nachteile nur in einer Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich feststellbar seien, rechtfertige dies keine vollständige Herabsetzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs. § 1578 b BGB beschränke sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtige auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Dieser Umstand könne insbesondere bei Altehen, bei denen die Ehepartner sich bereits im Rentenalter befinden, an Bedeutung gewinnen. Die Parteien hätten bis zum Abschluss des Studiums des Klägers Ende 1968 das Einkommen der Beklagten zur Erlangung eines angemessenen Lebensstandards benötigt. Die Erbschaft der Beklagten sei zumindest in die Ausstattung eines angemessenen Haushalts geflossen. Es habe dem übereinstimmenden Willen beider Parteien entsprochen, dass die Beklagte nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes zunächst (zumindest für drei Jahre) nicht habe arbeiten sollen. Mit ihrer mehrjährigen überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit habe die Beklagte den Kläger in Bezug auf den damals geschuldeten Betreuungsunterhalt entlastet. Gerade durch den früheren Wiedereinstieg in den erlernten Beruf und den Verzicht auf eine Zusatzausbildung habe sie die ehebedingten Nachteile gering gehalten. Die Erwerbsbiografie der Beklagten zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind und mit der Geburt des Kindes die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Zudem habe sich die Beklagte seit der Scheidung bis zu ihrer Verrentung auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch eingerichtet und einrichten dürfen. Daneben habe sich die Beklagte auch die Unterhaltsansprüche der neuen Ehefrau ent- gegenhalten lassen müssen, was bereits zu einer Reduzierung des Unterhalts geführt habe. Die Kontrollberechnung ergebe insoweit, dass der Kläger der Beklagten (ohne Berücksichtigung der zweiten Ehefrau) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 448,74 € ab Juli 2008 geschuldet hätte. Die Beklagte habe außerdem keinerlei Chancen mehr, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen.
- 9
- Danach entspreche eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 200 € ab Januar 2009 der Billigkeit. Der Kläger verfüge immer noch über Renteneinkünfte , die mit 2.890 € wesentlich über den Renteneinkünften der Beklagten mit monatlich 1.656 € lägen. Auch bei fortdauernder Zahlung von monatlich 200 € sei der Kläger immer noch finanziell wesentlich besser gestellt als die Beklagte, wobei seine derzeitige Ehefrau über nahezu gleich hohe Renteneinkünfte wie die Beklagte verfüge. Die zeitlich unbefristete Zahlung erscheine auch im Hinblick darauf nicht unangemessen.
- 10
- Entgegen der Ansicht des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden , dass die Beklagte auf den Unterhalt für die Zeit ab Renteneintritt verzichtet habe. Ihr Unterhaltsanspruch sei schließlich auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.
II.
- 11
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 12
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des Prozessvergleichs richtet sich somit nach § 323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG - Senats- urteile BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 10 und vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 13).
- 13
- 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Abänderungsklage zulässig ist. Allerdings findet entgegen seiner Ansicht die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines Prozessvergleiches richtet sich allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteile BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN und vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 107 Rn. 15).
- 15
- a) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit ein Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.
- 16
- b) Gemessen hieran ist eine Abänderung des im Streit stehenden Vergleichs eröffnet.
- 17
- Zum einen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vor allem durch ihren Eintritt in den Ruhestand wesentlich verändert haben. Zudem haben sich nach Ab- schluss des Vergleichs die rechtlichen Verhältnisse bezogen auf die Möglichkeit , den nachehelichen Unterhalt zu begrenzen, geändert.
- 18
- aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Unterhaltsanspruch hinsichtlich des im Streit stehenden Abänderungszeitraumes ab August 2007 allerdings nicht als Aufstockungsunterhaltsanspruch im Sinne von § 1573 Abs. 2 BGB, sondern als Altersunterhaltsanspruch nach § 1571 BGB zu qualifizieren. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten ist, anstatt - wie zu diesem Zeitpunkt noch üblich - mit 65 Jahren (vgl. dazu Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709; Palandt/Brudermüller BGB 71. Aufl. § 1571 Rn. 3). Dass die, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu 50 % schwerbehinderte Beklagte noch einer Erwerbsobliegenheit unterlegen hätte, ist nicht festgestellt, von der Revision nicht eingewandt und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
- 19
- Ist ein Unterhaltsberechtigter - wie hier - altersbedingt nicht mehr erwerbstätig , richtet sich sein Unterhalt für den durch die Rente nicht gedeckten Bedarf allein nach § 1571 BGB (Altersunterhalt). Demgegenüber setzt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte (altersbedingt) eine - zumindest teilweise - Erwerbstätigkeit ausübt (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709).
- 20
- bb) Die vom Kläger begehrte Befristung des - somit ab Renteneintritt der Beklagten als Altersunterhalt zu qualifizierenden - Anspruchs ist erstmals durch § 1578 b BGB, also mit dem zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsänderungsgesetz ermöglicht worden.
- 21
- Allerdings hätte auch eine - gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon vor der Unterhaltsrechtsreform mögliche - Herabsetzung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf im Ergebnis einer Befristung gleichstehen können, nämlich dann, wenn der Unterhaltsberechtigte Letzteren selbst erwirtschaften kann (vgl. zu § 1578 b BGB Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 22). Aber auch insoweit ist nach dem Vergleichsabschluss eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten, und zwar durch die Änderung der Senatsrechtsprechung zu §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (beginnend mit Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006). Danach ist nunmehr für die Begrenzung des Unterhalts vorrangig auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile und nicht mehr allein auf die Ehedauer abzustellen; Letztere hätte bis zu jener Rechtsprechungsänderung nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung der Zeit der Kindesbetreuung (§ 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF) einer Begrenzung entgegengestanden. Von daher ist der Kläger mit einer entsprechenden Herabsetzung für die Zeit vor Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes (hier zweites Halbjahr 2007) gemäß § 313 BGB nicht ausgeschlossen.
- 22
- 3. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht - vor einer Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB - zunächst den Unterhaltsbedarf nach § 1578 BGB ermittelt. Dabei ist es - dem Amtsgericht folgend - von der Rechtsprechung des Senats zur Dreiteilung ausgegangen, so dass der Unterhalt der Beklagten im Hinblick auf die zweite Ehefrau des Klägers zu reduzieren war. Ohne diese Kürzung (auf 396 € für die Zeit ab Juli 2008) beliefe sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten nach der vom Berufungsgericht angestellten Kontrollberechnung (s. dazu Senatsurteil vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Rn. 32 f.) auf rund 449 €.
- 23
- Wie der Senat aber nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, hält er an der Dreiteilungsmethode im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht mehr fest. Nach seiner geänderten Rechtsprechung hat der Unterhaltsanspruch der nachfolgenden Ehefrau keine Auswirkungen auf den Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau nach § 1578 BGB; dieser Anspruch ist allein im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zu berücksichtigen , wobei es maßgeblich auf die Rangverhältnisse ankommt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - FamRZ 2012, 281Rn. 37 ff. und XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288 Rn. 34). Danach hat das Berufungsgericht den Bedarf der Beklagten rechtsfehlerhaft ermittelt.
- 24
- 4. Die im Rahmen des § 1578 b BGB vom Berufungsgericht durchgeführte Billigkeitserwägung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 25
- a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußerst sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 25 mwN).
- 26
- b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil nicht gerecht.
- 27
- Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht allerdings daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN). Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN).
- 28
- aa) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte ehebedingte Nachteile erlitten habe, soweit sie in der Zeit von der Zustellung des Scheidungsantrags bis Ende 1986 nicht voll erwerbstätig gewesen sei und infolge dessen Einbußen bei der Rente zu beklagen habe, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
- 29
- Zwar wird der hier in Rede stehende Nachteil in der Altersversorgung, den das Oberlandesgericht auf 50 € bis 60 € geschätzt hat, nicht unmittelbar von dem Versorgungsausgleich erfasst (s. hierzu Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 29 mwN), weil er nicht mehr in die Ehezeit fällt. Jedoch hat das Berufungsgericht verkannt, dass diese Einbuße auch anderweit kompensiert werden kann.
- 30
- Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert worden sein (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33).
- 31
- Der Kläger hat der Beklagten ausweislich des Unterhaltsvergleichs keinen Altersvorsorgeunterhalt geschuldet, weshalb der Nachteil nicht auf diese Weise kompensiert worden ist (s. dazu Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33). Jedoch erzielt die Beklagte ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts infolge des Versorgungsausgleichs Renteneinkünfte, die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen liegen. Danach drängt sich der Schluss auf, dass die Beklagte wegen des Versorgungsausgleichs eine höhere Rente erzielt, als sie dies ohne Heirat bei durchgehender Erwerbstätigkeit getan hätte. Damit wären die vom Oberlandesgericht angenommenen Rentennachteile zumindest kompensiert.
- 32
- Soweit das Berufungsgericht ehebedingte Nachteile aus dem Gesichtspunkt einer "nicht stattgefundenen Karriereentwicklung" unberücksichtigt gelassen hat, ist der Kläger hierdurch nicht beschwert.
- 33
- bb) Ebenso wenig hält die unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität durchgeführte Billigkeitsabwägung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 34
- (1) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 31 mwN).
- 35
- (2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
- 36
- (a) Nicht zu beanstanden ist jedoch, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Abwägung zugunsten der Beklagten berücksichtigt hat, dass diese den Kläger am Anfang der Ehe durch ihr eigenes Erwerbseinkommen sowie mit ihrer Erbschaft unterstützt hat und dass sie sich um die Kindesbetreuung gekümmert hat.
- 37
- Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht das Vertrauen der Beklagten auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch und den Umstand, dass die Beklagte keinerlei Chancen mehr habe, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen, zu ihren Gunsten gewürdigt hat. Bereits bei der Überprüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch durch Vereinbarung festgelegt ist. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen des § 1578 b BGB nicht. Weil die Beurteilung der Begrenzung hiernach vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 32).
- 38
- (b) Im Übrigen ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Billigkeitsabwägung jedoch fehlerhaft.
- 39
- (aa) Das Berufungsgericht hat für die Bemessung der nachehelichen Solidarität darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund des seinerzeit vorherrschenden Rollenverständnisses auf eine eigene berufliche Karriere verzichtet habe. Dabei hat es verkannt, dass dieser Aspekt allein für die Frage von Bedeutung ist, ob die Beklagte einen - insoweit vom Berufungsgericht verneinten - ehebedingten Nachteil erlitten hat. Der Gesetzgeber wollte mit der entsprechenden Regelung des § 1578 b BGB einen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 28). Der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität erfasst demgegenüber andere Umstände, die unabhängig von ehebedingten Nachteilen Auswirkungen auf den konkreten Unterhaltsanspruch haben.
- 40
- Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Aspekt des Karriereverzichts widersprüchlich gewürdigt hat. Einerseits hat es im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte einen ehebedingten Nachteil erlitten hat, die Aufnahme eines Lehramtsstudiums als Spekulation zurückgewiesen. Andererseits hat es eine solche - hypothetische - Karriere bei der Bemessung der nachehelichen Solidarität zugunsten der Beklagten berücksichtigt. Dazu hat es ausgeführt, dass die Beklagte auf eine Zusatzausbildung verzichtet und damit die ehebedingten Nachteile gering gehalten habe und dass die Erwerbsbiografie der Beklagten zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Diese Ausführungen sind in sich widersprüchlich. Der Verzicht auf eine Zusatzausbildung bedeutet im Umkehrschluss, dass die Beklagte diese - vom Berufungsgericht noch beim ehebedingten Nachteil als Spekulation verneinte - Option überhaupt gehabt hätte. Überdies ist auch der weitere, vom Berufungsgericht hieraus gezogene Schluss, wonach die Beklagte mit dem Verzicht auf eine solche Zusatzausbildung die ehebedingten Nachteile "gering gehalten" habe, nicht nachvollziehbar. Denn die Aufgabe einer möglichen Karriere lässt die ehebedingten Nachteile erst entstehen.
- 41
- (bb) Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung zudem nicht die vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen gewürdigt hat. Denn im Rahmen von § 1578 b BGB ist die Gesamtbelastung des Unterhaltspflichtigen durch den Unterhalt ebenfalls ein Billigkeitskriterium (Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 37 und vom 30. März 2011 - XII ZR 63/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 22).
- 42
- Den Gründen des Berufungsurteils lässt sich entnehmen, dass der Kläger erstmals 1974 Trennungsunterhalt gezahlt hat. Genaue Feststellungen zu Höhe und Zeitraum vor allem auch der Leistung nachehelichen Unterhalts fehlen indes, obgleich der Kläger im instanzgerichtlichen Verfahren hierzu konkret vorgetragen hat. Aus dem Prozessvergleich vom 21. Juli 1995 ergibt sich jedenfalls , dass der Kläger eine Unterhaltsnachzahlung von 49.000 DM und seit August 1995 laufenden Unterhalt von monatlich 1.050 DM und ab Januar 1996 von 1.100 DM zu zahlen hatte.
- 43
- (cc) Überdies hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinander gesetzt, wie sehr die Parteien wirtschaftlich noch miteinander verflochten sind.
- 44
- Durch eine zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten, die umso gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, wird das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 37; vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 23 f. und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 36).
- 45
- Anlass für eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bestand schon deshalb, weil die Beklagte durch die frühe Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit im Jahr 1974 und ihre kontinuierliche Tätigkeit bis zum Renteneintritt im Jahr 2007 an ihre Lebensstellung, die sie bereits vor der Geburt des Kindes innehatte, anknüpfte. Hinzu kommt, dass die Ehe, die bis zur Zustellung des Scheidungsantrages lediglich rund 13 Jahre dauerte, bezogen auf den vom Kläger begehrten Abänderungszeitpunkt (August 2007) bereits seit über 25 Jahren geschieden war.
- 46
- (dd) Schließlich hätte das Berufungsgericht bei der Billigkeitsabwägung auch nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die Beklagte durch den Versorgungsausgleich eine erhebliche Aufbesserung ihrer Rente erfahren hat, die nunmehr deutlich über ihrem angemessenen Lebensbedarf liegt. Dass die Beklagte hinsichtlich ihres Vertrauens auf den Unterhalt Dispositionen getroffen hätte, denen zufolge sie auf den Unterhalt angewiesen wäre, ist demgegenüber nicht festgestellt.
- 47
- 5. Nicht zu beanstanden - und von der Revision auch nicht gerügt - sind hingegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte auf den Unterhalt für die Zeit ab Renteneintritt verzichtet habe und ihr Unterhaltsanspruch auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen sei.
III.
- 48
- Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO.
IV.
- 49
- Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, den Unterhalt der Beklagten nach Maßgabe der geänderten Senatsrechtsprechung (s. dazu Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - MDR 2012, 156 Rn. 37 ff. und XII ZR 159/09 - MDR 2012, 161 Rn. 34) gemäß §§ 1578, 1581 BGB erneut zu bestimmen, bevor es über die Frage der Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b BGB entscheidet. Dabei wird es zunächst zu prüfen haben, ob die von ihm angenommenen Rentennachteile durch den Versorgungsausgleich kompensiert worden sind. Daneben wird sich das Oberlandesgericht im Zusammenhang mit der Frage, ob die Beklagte durch die Nichtaufnahme eines Lehramtsstudiums - wie vom Amtsgericht bejaht - ehebedingte Nachteile erlitten hat, mit der Senatsrechtsprechung zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten auseinanderzusetzen haben, wonach u. a. die hieran zu stel- lenden Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 23 f. und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht der Beklagten Gelegenheit geben müssen, die konkreten Auswirkungen des von ihr geschilderten hypothetischen Lebenslaufs darzulegen und auf die Einwände des Klägers einzugehen, wonach sie selbst bei einer Verbeamtung hinsichtlich der Altersvorsorge keine Nachteile erlitten hätte. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
AG Braunschweig, Entscheidung vom 23.12.2008 - 247 F 108/08 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 04.08.2009 - 2 UF 24/09 -
(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.
(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
(5) (weggefallen)
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.
(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.
(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
- 1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über die Befristung des nachehelichen Unterhalts.
- 2
- Die Parteien heirateten im September 1988. Sie waren seinerzeit beide 38 Jahre alt. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Ehe wurde auf den im Juni 1999 zugestellten Scheidungsantrag am 15. Juni 2004 geschieden. Der Kläger ist Leitender Oberarzt an einem Universitätsklinikum. Die Beklagte hat nach einem abgebrochenen Studium keine abgeschlossene Berufsausbildung und arbeitet nach einer Weiterbildung zur Kulturmanagerin - wie schon zum Zeitpunkt der Scheidung - bei einem Goethe-Institut.
- 3
- Im Zuge des Scheidungsverfahrens schlossen die Parteien am 15. Juni 2004 einen Prozessvergleich über den nachehelichen Unterhalt, in dem sich der Kläger zu einem monatlichen Unterhalt von 1.500 € verpflichtete. Als Grundlagen des Vergleichs waren die beiderseitigen Nettoeinkommen (4.900 € und 1.400 €) niedergelegt. Außerdem vereinbarten die Parteien eine Abänderungsmöglichkeit für den Fall, dass ihre Einkommen sich um mehr als 10 % veränderten.
- 4
- Der Kläger begehrt die Abänderung des Unterhalts und hat sich neben einer Verringerung seiner Einkünfte wegen nicht mehr anfallender Sonderdienste auf eine Befristung des Unterhalts berufen. Die Beklagte macht geltend, der Kläger sei mit dem Befristungseinwand ausgeschlossen.
- 5
- Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen, weil sich die Verhältnisse seit dem Vergleichsabschluss insbesondere hinsichtlich der Befristung nicht geändert hätten. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt bis einschließlich Dezember 2012 befristet. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte den Wegfall der Befristung.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Unterhalt sei nach § 1578 b Abs. 2 BGB grundsätzlich zu befristen, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor, die dies unbillig erscheinen ließen, wie die Dauer der Ehe, die Zeit der Kinderbetreuung und die Gestaltung der Haushaltsführung. Die Ehe habe bis zur Zustellung des Scheidungsantrags mehr als zehn Jahre gedauert und sei daher nicht als kurz anzusehen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Parteien bereits vorher längere Zeit zusammengelebt hätten. Eine Befristung sei dagegen nicht unbillig, weil ehebedingte Nachteile nicht zu erkennen seien. Die Beklagte habe keine abgeschlossene Ausbildung. Angesichts ihres Alters von damals bereits 38 Jahren sei mit einem Abschluss auch nicht mehr zu rechnen gewesen, zumal die Beklagte - da aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen seien - jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Abschlussprüfung zu machen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte auch ohne die Ehe keine besser bezahlte Erwerbstätigkeit gefunden hätte, als sie sie jetzt beim Goethe-Institut ausübe. Die Gestaltung einer Ehe als Haushaltsführungsehe stehe einer Beschränkung nur entgegen, soweit der Bedürftige im beiderseitigen Einvernehmen eine eigene Erwerbstätigkeit zurückstelle, um dem anderen Ehegatten die volle berufliche Entfaltung zu ermöglichen, und dadurch selbst berufliche Nachteile erlitten habe. Das sei hier nicht der Fall. Der schon abgelaufene Zeitraum von vier Jahren seit der Scheidung würde ausreichend berücksichtigen, dass sie sich auf die neue Situation einstellen müsse.
- 8
- § 1578 b BGB sei aber nur nach Maßgabe des § 36 EGZPO auf vor dem 1. Januar 2008 getroffene Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden. Die Parteien hätten eine unbefristete Unterhaltsvereinbarung getroffen, nachdem sie sich zunächst intensiv wegen einer Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. auseinandergesetzt hätten. Dadurch habe die Beklagte in besonderem Maße davon ausgehen können, dass sie den Unterhaltsanspruch so lange behalte, wie auf Seiten des Klägers Leistungsfähigkeit und auf ihrer Seite Bedürftigkeit vorliege. Unter Berücksichtigung dieses Umstands und der Tatsache, dass aufgrund des jetzigen Alters der Beklagten davon auszugehen sei, dass sie ihre Einkommenssituation voraussichtlich nicht mehr verbessern werde, die Parteien aber auch vor der Scheidung lange Zeit getrennt gelebt hätten, erscheine eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs bis einschließlich Dezember 2012 angemessen.
II.
- 9
- Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
- 10
- 1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192). Die Abänderung des Prozessvergleichs vom 15. Juni 2004 richtet sich somit nach § 323 ZPO a.F. (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG).
- 11
- 2. Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht sich nicht mit der Bindungswirkung des Vergleichs auseinandergesetzt hat. Denn eine Abänderung wäre von vornherein nicht zulässig, wenn und soweit ihr die Bindungswirkung des Vergleichs entgegensteht.
- 12
- a) Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO a.F. findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vergleiche keine Anwendung (BGHZ 85, 64, 73 = FamRZ 1983, 22, 24; Senatsurteil vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221, 223). Dass sich die Sachlage seit dem Vergleichsabschluss nicht wesentlich verändert hat, wovon hier aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings auszugehen sein dürfte, steht also anders als regelmäßig bei einem Urteil (dazu vgl. Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 Tz. 17 ff.) der Abänderung eines Vergleichs nicht ohne weiteres im Wege.
- 13
- Abgesehen davon, dass sich auch aus einem Urteil ergeben kann, dass die Frage einer künftigen Befristung vom Gericht nicht abschließend geprüft worden ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - XII ZR 88/98 - FamRZ 2000, 1499, 1501) und auch dem Urteil in diesem Fall nur eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung zukommt, richtet sich die Abänderung eines Prozessvergleichs allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Tz. 13; BGHZ 85, 64, 73 = FamRZ 1983, 22, 24; Senatsurteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997, 811, 813; klarstellend zu Senatsurteil vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1360; vgl. § 239 Abs. 2 FamFG). Dabei ist - vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage - durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine insoweit bindende Regelung getroffen haben.
- 14
- b) Im vorliegenden Fall ist die Abänderung wegen Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB durch den Vergleich nicht gehindert. Vielmehr ergibt eine interessengerechte Auslegung des Vergleichs, dass im Hinblick auf die Unterhaltsbefristung eine spätere Abänderung vorbehalten bleiben sollte.
- 15
- Die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Individualvereinbarungen ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen. Deren Auslegung kann vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf geprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht (BGHZ 150, 32, 37 = NJW 2002, 3248, 3249 und Senatsurteil vom 28. Juli 2004 - XII ZR 292/02 - NJW-RR 2004, 1452, 1453), wobei die Auslegung auch ohne entsprechende Rüge vom Revisionsgericht zu überprüfen ist (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO; Senatsurteil vom 4. März 2009 - XII ZR 18/08 - FamRZ 2009, 768 Tz. 15 m.w.N.).
- 16
- Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die gebotene Auslegung des Vergleichs unterlassen. Denn es hat sich in seiner Entscheidung mit dem - vom Amtsgericht für begründet erachteten - Einwand der Beklagten, die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich nicht geändert und eine Unterhaltsbegrenzung habe nicht dem damaligen Parteiwillen entsprochen, nicht auseinandergesetzt. Es hat ein Vertrauen der Beklagten auf den Fortbestand des Unterhaltstitels nur bei der Bemessung der Unterhaltsdauer herangezogen und damit eine mögliche Bindungswirkung des Vergleichs vernachlässigt.
- 17
- Da aber die hier maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind und eine weitere Aufklärung nicht geboten ist, kann der Senat die Auslegung des Vergleichs selbst vornehmen (vgl. Musielak/Ball ZPO 7. Aufl. § 546 Rdn. 5 m.w.N.). Diese führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger den Befristungseinwand auch noch nachträglich erheben kann, ohne dass es auf eine Änderung der Tatsachenlage ankommt.
- 18
- aa) Dass die Parteien den Befristungseinwand für die Zukunft ausschließen wollten, lässt sich dem Wortlaut des Vergleichs nicht entnehmen. Auch daraus, dass die Parteien im Hinblick auf die Einkommensentwicklung eine spätere Abänderung des Vergleichs bedachten und insoweit zur Abänderbarkeit des Vergleichs eine nähere Regelung trafen, folgt noch nicht, dass sie andere, Abänderungsgründe ausschließen wollten. Bei der gebotenen interessengerechten Auslegung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass neben den Einkommensverhältnissen etliche andere Gesichtspunkte für eine Abänderung in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192: verfestigte Lebensgemeinschaft), die einen generellen Ausschluss der Abänderung aus weiteren Gründen als fernliegend erscheinen lassen. Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Abänderungsbestimmung in dem Vergleich im Zweifel nicht als eine abschließende Regelung gewollt war.
- 19
- bb) Wohl kann die Befristung oder ihr Ausschluss im Einzelfall Verhandlungsgegenstand und Bestandteil der Äquivalenzvorstellungen der Parteien geworden sein, indem sie etwa die Höhe des Unterhalts und die Befristung gegeneinander abgewogen haben. Dies hätte zur Folge, dass die Befristung in die Unterhaltsbemessung eingeflossen wäre und eine spätere Abänderung an der Bindungswirkung des Vergleichs scheitern würde. Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden.
- 20
- Die zeitliche Begrenzung des Unterhalts war allerdings zwischen den Parteien vor Abschluss des Vergleichs umstritten. Ferner hat die Beklagte vorgetragen , dass sie dem Kläger zur streitigen Höhe des von ihm erzielten Einkommens teilweise nachgegeben habe, indem der Unterhalt gegenüber dem Trennungsunterhalt niedriger festgelegt worden sei. Daraus folgt indessen noch nicht, dass die Parteien von einer Unabänderbarkeit des Vergleichs ausgingen.
- 21
- Ein etwaiges Nachgeben der Beklagten zur Unterhaltshöhe hat im Wortlaut der Vereinbarung keinen Niederschlag gefunden. Selbst ein gegenüber dem seinerzeit vom Oberlandesgericht Köln festgesetzten Trennungsunterhalt teilweise geübter Verzicht der Beklagten in dem von ihr - allerdings ohne nachvollziehbare Begründung - dargelegten Umfang von monatlich 300 € stünde nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung offensichtlich außer Verhältnis zu einem endgültigen Verlust des Befristungseinwands für den Kläger. Außerdem verfügte die Beklagte einschließlich des vereinbarten Unterhalts jedenfalls über Ein- künfte von monatlich insgesamt 2.900 €, was ohne Darlegung eines konkreten Unterhaltsbedarfs in dieser Höhe bereits eine vollständige Notwendigkeit der Unterhaltsbeträge zur Bestreitung des Lebensbedarfs in Frage stellt.
- 22
- Auch dass der Kläger seinen früher erhobenen Einwand, der Unterhalt sei zeitlich zu begrenzen, schließlich fallen ließ, besagt noch nichts zu einer späteren Befristung des Unterhalts. Denn die Beklagte hatte den Vorschlag des Klägers einer Befristung bis Oktober 2004 seinerzeit mit der Begründung abgelehnt , dass ihr eine Befristung nicht zugemutet werden könne, weil nicht absehbar sei, ob der zunächst befristete Arbeitsvertrag mit dem Goethe-Institut verlängert werde oder nicht. Wenn der Kläger unter diesen Umständen nicht auf der Befristung bestand und in dem Vergleich eine zunächst unbefristete Unterhaltspflicht übernahm, kann daraus jedenfalls nicht gefolgert werden, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Unterhalt auch in Zukunft nicht mehr befristet werden könne. Auch ein Nachgeben des Klägers, nachdem er zuvor die Befristung geltend gemacht hatte, geht demnach nicht weiter, als dass die Prüfung der Befristung auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden sollte.
- 23
- cc) Mangels einer entgegenstehenden ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Regelung ist im Zweifel vielmehr davon auszugehen, dass die Parteien die spätere Befristung des Unterhalts offenhalten wollten. Der Vergleich entfaltet dann insoweit keine Bindungswirkung für die Zukunft, sondern eröffnet den Parteien - vergleichbar mit einem Urteil, durch das über eine spätere Befristung ausweislich der Entscheidungsgründe noch nicht entschieden sein soll - eine spätere Abänderung auch ohne Änderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse.
- 24
- Anders als bei Tatsachen, die unmittelbar für die Bemessung des Unterhalts maßgeblich sind, besteht bei der Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2 BGB (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.) die Besonderheit, dass sie von der Unbilligkeit einer weitergehenden Unterhaltsleistung abhängt und dieser Umstand jedenfalls bei der erstmaligen Festlegung des nachehelichen Unterhalts im Zusammenhang mit der Scheidung regelmäßig erst in der Zukunft eintritt. Es liegt daher nahe, dass der Unterhaltspflichtige, wenn im Vergleich nicht sogleich eine Regelung zur Dauer der Unterhaltsgewährung getroffen oder aber eine Befristung ausgeschlossen worden ist, mit einem Ausschluss des Befristungseinwands regelmäßig nicht einverstanden ist und auch der Unterhaltsberechtigte nach Treu und Glauben die Zahlungsbereitschaft des Unterhaltspflichtigen nur als eine in diesem Sinne eingeschränkte verstehen kann.
- 25
- Dass der Senat in ständiger Rechtsprechung bei der Abänderung eines Urteils für die Präklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO a.F. (vgl. § 238 Abs. 2 FamFG) nicht darauf abstellt, ob die Voraussetzungen der Unterhaltsbegrenzung bereits eingetreten waren, sondern darauf, ob die Gründe für eine Unterhaltsbegrenzung bereits zuverlässig vorauszusehen waren (zuletzt Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111, 117 m.w.N.), lässt sich auf die Abänderung von Prozessvergleichen nicht ohne weiteres übertragen. Denn im Gegensatz zu einem Urteil, dem eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB vorauszugehen hat und das auch im Fall, dass die Befristung vom Gericht übersehen wurde, Rechtskraftwirkung entfaltet, steht es den Parteien eines Vergleichs frei, die - gegenwärtig noch nicht eingreifende - Befristung einer späteren Klärung vorzubehalten.
- 26
- Da die Befristung erst in der Zukunft eingreift und von einer auf den Befristungszeitpunkt bezogenen umfassenden Billigkeitsabwägung abhängt, ist eine Festlegung der Unterhaltsdauer anders als beim Urteil jedenfalls nicht zwingend und wird daher von den Parteien zum Zeitpunkt der Scheidung eine frühzeitige Festlegung im Zweifel noch nicht gewollt sein. Dementsprechend wird eine anlässlich der Scheidung ohne Befristung getroffene Unterhaltsvereinbarung noch nicht auf der Vorstellung beruhen, dass eine Abänderung wegen einer erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eingreifenden Befristung nicht mehr stattfinden könne (vgl. auch Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1008).
- 27
- c) Allerdings ist zu beachten, dass der im Vergleich getroffenen Regelung eine gewisse Mindestdauer zukommen muss, um dem Interesse der Parteien an einer rechtssicheren Regelung zu genügen. Daher wird es regelmäßig jedenfalls treuwidrig sein, wenn der Unterhaltspflichtige schon kurze Zeit nach dem Vergleichsschluss eine Abänderung der getroffenen Regelung verlangt. Von welchem Zeitraum hier auszugehen ist und ob die Frage nicht bereits im Rahmen der schließlich vom Familiengericht festzulegenden Unterhaltsdauer ausreichend berücksichtigt werden kann, braucht hier indessen nicht entschieden zu werden. Denn maßgeblich ist nicht auf das Datum des Abänderungsverlangens abzustellen, sondern auf den geltend gemachten Befristungszeitpunkt, weil durch diesen auch die Geltungsdauer des Vergleichs bestimmt wird und einem verfrühten Abänderungsverlangen im Übrigen schon das den Unterhaltspflichtigen treffende Prozess- und Kostenrisiko hinreichend entgegenwirken dürfte.
- 28
- Im vorliegenden Fall bezieht sich die vom Kläger verfolgte Befristung auf das Ende des Jahres 2012 und somit auf mehr als achteinhalb Jahre nach dem Vergleichsabschluss. Demnach ist das Abänderungsverlangen des Klägers jedenfalls nicht treuwidrig.
- 29
- d) Da sich die Zulässigkeit der nachträglichen Geltendmachung des Befristungseinwands schon aus einer interessengerechten Auslegung des Vergleichs ergibt und insoweit eine Bindung an den Vergleich nicht besteht, kommt es auf die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage und einer Anpassung des Vergleichs nach § 313 BGB nicht an.
- 30
- 3. Das Berufungsgericht hat demnach mangels weiterer Bindungen im Ergebnis zu Recht über die Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB entschieden. Die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Befristung ist wiederum im Ergebnis nicht zu beanstanden.
- 31
- Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36 Nr. 7 EGZPO und Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 27 f.).
- 32
- a) Die Revision rügt insoweit, dass das Berufungsgericht einen fehlerhaften Rechtssatz aufgestellt habe, indem es davon ausgegangen sei, dass ein Unterhaltsanspruch grundsätzlich zu begrenzen sei, es sei denn, es lägen besondere Gesichtspunkte vor, die eine Begrenzung als unbillig erscheinen ließen. Diese Rüge ist im Ausgangspunkt begründet.
- 33
- Die Befristung ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 BGB vom Familiengericht auszusprechen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Aus § 1578 b BGB ergibt sich, dass nach der gesetzlichen Konzeption die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt. Das Familiengericht hat demnach zu prüfen, ob die fortdauernde Unterhaltspflicht unbillig ist, nicht aber, ob der Befristung Billigkeitsgründe entgegenstehen (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2010 - XII ZR 175/08 - zur Veröffentlichung bestimmt - Tz. 22). http://www.juris.de/jportal/portal/t/1mmw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE263800377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1mmw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE000202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1mmw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE263800377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 13 -
- 35
- aa) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, Abs. 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
- 36
- Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagten durch die Rollenverteilung in der Ehe keine beruflichen Nachteile entstanden sind. Die Klägerin war bei Eheschließung 38 Jahre alt und hatte keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Weiterbildung zur Kulturmanagerin absolvierte sie während der Ehe. Da sie in diesem Beruf auch nach der Scheidung eine Vollzeitbeschäftigung ausübt, ist ihr aus der Ehe insoweit kein Nachteil entstanden. Der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge ist schließlich vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 Tz. 42 und vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508 Tz. 25).
- 37
- bb) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks.
- 38
- Insofern hat das Berufungsgericht mit der Dauer der Ehe, dem Vertrauen der Beklagten in den Fortbestand des Unterhalts, dem Alter der Beklagten bei Scheidung und ihrer voraussichtlich mangelnden Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Einkommenssituation die wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt.
- 39
- Dass das Berufungsgericht in der nach dem Vorbringen der Beklagten voraussichtlich unzureichenden Altersvorsorge keinen Hinderungsgrund für die Befristung gesehen hat, ist wiederum nicht zu beanstanden. Die unzureichende Altersvorsorge beruht auf der Erwerbsbiografie der Beklagten vor der Eheschließung , die im Alter von 38 Jahren nicht über eine adäquate Altersvorsorge verfügte. Dass auch der Versorgungsausgleich die vorhandene Lücke nicht schließen kann, beruht auf der Ehezeit von nur knapp elf Jahren. Das voreheliche Zusammenleben ist, anders als es das Berufungsgericht gesehen hat, grundsätzlich kein Billigkeitskriterium im Sinne von § 1578 b BGB. Denn daraus kann sich weder ein ehebedingter Nachteil ergeben, noch kann das voreheliche Zusammenleben ohne weiteres ein erhöhtes Maß an nachehelicher Solidarität begründen. Eine Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts kann schließlich nicht allein mit der Erwägung abgelehnt werden, dass damit der Einsatzzeitpunkt für einen späteren Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571 Nr. 3 BGB entfällt (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508 Tz. 24 f.).
- 40
- cc) In Anbetracht der Unterhaltsbefristung bis 2012 ist nicht davon auszugehen , dass für das Berufungsgericht die von ihm unzutreffend formulierte http://www.juris.de/jportal/portal/t/ame/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002440877BJNE003900301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ame/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002440877BJNE000300302&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ame/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE038104160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 15 - Prämisse zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Unterhalt und Befristung bei der Bemessung der Frist entscheidende Bedeutung zugekommen wäre. Das könnte allenfalls in Anbetracht des Umstands gelten, dass das Berufungsgericht aufgrund der nach § 1578 b Abs. 2, Abs. 1 BGB zu treffenden Abwägung eine Unterhaltsdauer von etwas mehr als vier Jahren seit der Scheidung für ausreichend gehalten hat. Ob diese Frist hier angemessen gewesen wäre, kann jedoch dahinstehen. Denn das Berufungsgericht ist aufgrund einer Einbeziehung von § 36 EGZPO im Ergebnis zu einer deutlich längeren Frist gelangt, die sich insgesamt auf mehr als achteinhalb Jahre nach der Scheidung und mehr als fünfzehn Jahre nach der Trennung im Jahr 1997 beläuft.
- 41
- Dabei hat das Berufungsgericht allerdings übersehen, dass § 36 EGZPO nicht einschlägig ist. § 36 Nr. 1 EGZPO findet nur für den Fall Anwendung, dass im Rahmen der Abänderung von Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen Umstände "durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind". § 36 Nr. 1, 2 EGZPO stellt in diesem Fall die Abänderung unter die einschränkende weitere Voraussetzung der Zumutbarkeit und enthält im Übrigen lediglich die Klarstellung, dass die Gesetzesänderung, soweit sie zu einer Änderung der wesentlichen Verhältnisse führt, einen Abänderungsgrund im Sinne von § 323 Abs. 1 ZPO darstellt (Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 Tz. 16). Im vorliegenden Fall hat sich indessen durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 keine Änderung ergeben. Im Hinblick auf den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB war eine Befristung schon nach der zuvor bestehenden Gesetzeslage gemäß § 1573 Abs. 5 BGB (a.F.) zulässig. Die Änderung der Rechtsprechung zum Stellenwert der Ehedauer bei der Unterhaltsbefristung (Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) betrifft den vorliegenden Fall nicht, weil § 36 Nr. 1, 2 EGZPO auf die Änderung der Rechtsprechung - abgesehen von deren Erheblichkeit im vorliegenden Fall - keine Anwendung findet.
- 42
- Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Befristung des Unterhalts ist demnach im Ergebnis jedenfalls nicht unangemessen kurz. Die unzutreffende Anwendung von § 36 EGZPO beschwert die Beklagte als Revisionsklägerin schließlich nicht. Hahne Weber-Monecke Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt an der Unterschrift verhindert. Hahne Klinkhammer Schilling
AG München, Entscheidung vom 28.09.2007 - 526 F 2789/07 -
OLG München, Entscheidung vom 31.07.2008 - 12 UF 1736/07 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin und der 16 Jahre ältere Beklagte lebten in eheähnlicher Lebensgemeinschaft und erwarben im Dezember 1993 zur Schaffung eines gemeinsamen Altersruhesitzes das von ihnen zu gleichen Teilen finanzierte Hausgrundstück H.straße 7 in W. zu Miteigentumsanteilen von je 1/2. Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag übertrug der Beklagte 2/3 seines Miteigentumsanteils auf die Klägerin, der seither insgesamt 5/6 Miteigen-
tumsanteile an dem Hausgrundstück zustehen. Im Gegenzug vereinbarten die Parteien im notariellen "Schenkungsvertrag", daß dem Beklagten im Umfang des ihm verbleibenden und der von ihm übertragenen Miteigentumsanteile ein Mitbenutzungsrecht (Wohnrecht) gemäß § 1090 BGB zustehen sollte, welches in der Folge auch im Grundbuch eingetragen wurde. Weiterhin schlossen die Parteien das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, auf Dauer aus, was gleichfalls ins Grundbuch eingetragen wurde. Schließlich wurde dem Beklagten u.a. für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft oder des Vorversterbens der Klägerin das Recht zum Rücktritt und auf Rückauflassung des ihr übertragenen Miteigentumsanteils eingeräumt und gleichzeitig zur Sicherung dieses bedingten Anspruchs eine Auflassungsvormerkung für den Beklagten ins Grundbuch eingetragen (§ 5 der notariellen Vereinbarung).
Im Jahr 1998 zog die Klägerin aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Anwesen aus; seitdem ist die Lebensgemeinschaft der Parteien beendet.
Die Klägerin ist der Auffassung, im notariellen Vertrag seien die Rechtsfolgen für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft unvollständig geregelt , weil nur dem Beklagten ein Rücktrittsrecht eingeräumt worden sei. Nicht sei daran gedacht worden, daß der Beklagte durch Eintragung von Dienstbarkeiten und Rechten eine Rechtsposition erlangt habe, die es ihr - der Klägerin - unmöglich mache, Nutzen aus ihrem Miteigentumsanteil zu ziehen oder diesen zu verwerten. Sie ist der Ansicht, daß die sich daraus ergebende Regelungslücke unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dahingehend zu schließen sei, daß sie gegen Rückübertragung des ihr übertragenen Miteigentumsanteils an den Beklagten Löschung der im Grundbuch eingetragenen Rechte, auch soweit sie selbst nicht von ihnen begünstigt sei (§ 7 Nr. 4 aaO: Ausschluß der Aufhebung der Gemeinschaft), beanspruchen könne.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Ab- gabe von Löschungsbewilligungen verurteilt, allerdings ohne dies von der Rückübertragung des der Klägerin übertragenen Miteigentumsanteils abhängig zu machen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts nur insoweit abgeändert, daß die Verurteilung von der Rückübertragung des der Klägerin übertragenen Miteigentumsanteils abhängig gemacht wird, im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht ist mit dem Landgericht der Auffassung, für den gemeinsamen Erwerb des Anwesens wie auch die als "Schenkungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung sei das Fortbestehen der Lebensgemeinschaft der Parteien Geschäftsgrundlage. Diese sei mit der Beendigung der Lebensgemeinschaft entfallen, so daß der Vertragsinhalt der Schenkungsvereinbarung einer Anpassung dahingehend bedürfe, daß auch die Klägerin eine Rückabwicklung des Schenkungsvertrages sowie aller im Zuge der Schenkung bewilligten grundbuchlich gewahrten Belastungen beanspruchen könne.
Dies greift die Revision mit Erfolg an.
II. Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, daß sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht
nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft besteht (st. Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 4. November 1991 - II ZR 26/91, BGHR BGB § 705 - Lebensgemeinschaft 1; Sen.Urt. v. 8. Juli 1996 - II ZR 340/95, NJW 1996, 2727). Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht ausgeglichen (vgl. BGHZ 77, 55, 59).
1. Diese Grundsätze stehen der Annahme entgegen, das Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft lasse die Geschäftsgrundlage für bisher erbrachte Leistungen entfallen (Sen.Urt. v. 25. September 1997 - II ZR 269/96, ZIP 1997, 1962, 1963). Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluß eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGHZ 121, 378, 391; Sen.Urt. v. 25. September 1997 - II ZR 269/96 aaO). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien mit dem Erwerb des Eigentums die Vorstellung verfolgt, das Anwesen als Altersruhesitz zu erwerben. Ersichtlich diesem Zweck diente die beiderseitige Vereinbarung, das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, auf Dauer auszuschließen. Wen diese Klausel bei Scheitern der Lebensgemeinschaft schützen würde, weil er in der Folge im gemeinsamen Haus verbleiben wollte, war bei Abschluß der Vereinbarung nicht absehbar. Wenn aber beide Parteien ein solches vertragliches Risiko eingegangen sind, ist ihnen später der Einwand des Fortfalls der Geschäftsgrundlage entzogen (BGHZ 74, 370, 373).
2. Demgegenüber macht die Klägerin vergeblich geltend, von einer der- artigen Risikoübernahme könne nicht ausgegangen werden, weil andernfalls auch ihr ein Rücktrittsrecht, nämlich von der die Aufhebung der Gemeinschaft ausschließenden Klausel, hätte eingeräumt werden müssen. Aus § 5 des notariellen Vertrages, den der Senat selbst auslegen kann, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, ergibt sich zweifelsfrei, daß die Parteien den Fall einer auch ohne den Tod eines der Beteiligten beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft bedacht haben. Ihre Regelung, für diesen Fall allein dem Beklagten ein Rücktrittsrecht von der Übertragung der Miteigentumsanteile einzuräumen, ist schon angesichts des Altersunterschieds der Parteien und ihres Ziels, dem Beklagten einen Wechsel des Altersruhesitzes zu ersparen, interessengerecht. Zumal unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Parteien notariell beraten waren, kann von einer lückenhaften Regelung nicht ausgegangen werden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Beklagte selbst bei einem von ihm erklärten Rücktritt nicht besser, weil dadurch nur der ursprüngliche Zustand beim Erwerb des Grundstücks - hälftiges Miteigentum - wiederhergestellt würde. Auch der Beklagte kann dann nicht die Aufhebung der Gemeinschaft gegenüber der Klägerin durchsetzen. Daß angesichts des Zerwürfnisses der Parteien die Klägerin das Miteigentum nicht mehr gemeinsam nutzen will und kann, beruht auf der von ihnen selbst geschaffenen (Mit-)Eigentumslage und der Raumsituation des Anwesens.
III. Weitere Feststellungen kommen nicht in Betracht, so daß auf die Re- vision des Beklagten die Klage abzuweisen war.
Goette Kraemer Graf
Gehrlein Strohn
Tenor
Die Berufung gegen das am 4. Februar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 39 F 291/02 UE - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
II.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der 1949 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage Abänderung eines zugunsten seiner von ihm geschiedenen und am 2. Juni 2013 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) titulierten Unterhaltsanspruchs. Aus der 1977 geschlossenen Ehe sind die 1979 und 1981 geborenen Söhne hervorgegangen ; diese haben als Erben der Ehefrau den Rechtsstreit aufgenommen (im Folgenden: Beklagte).
- 2
- Nach ihrer Trennung im Jahr 1991 schlossen die Eheleute am 19. September 1996 einen notariellen Vertrag (im Folgenden: Ehevertrag), in dem sie neben einer umfassenden Vermögens- und güterrechtlichen Auseinandersetzung den Unterhalt der Ehefrau regelten.
- 3
- In Ziffer VII. des Ehevertrages vereinbarten die Eheleute, dass die Ehefrau 50 % der bereinigten Einnahmen aus der Zahnarztpraxis des Klägers als Unterhalt erhalten sollte. Mit Wegfall der Unterhaltsverpflichtung den Kindern gegenüber sollte sich die Quote auf 40 % verringern, wobei die Unterhaltszahlung lebenslang erfolgen und eigenes Erwerbseinkommen der Ehefrau - anders als Renteneinkommen - nicht auf die Unterhaltsleistung angerechnet werden sollte.
- 4
- Nachdem die Ehe auf den im Jahr 1998 zugestellten Scheidungsantrag im Jahr 1999 geschieden worden war, verurteilte das Berufungsgericht den Kläger zuletzt auf der Grundlage des vorgenannten Vertrages, an die Ehefrau ab Januar 2004 monatlich 2.810,83 € zu zahlen.
- 5
- Der Abänderungsklage, mit der der Kläger eine Herabsetzung und Befristung des Unterhalts begehrt, hat das Amtsgericht in Anbetracht des weggefallenen Kindesunterhalts insoweit stattgegeben, als er ab 1. April 2008 an die Ehefrau 2.248,66 € monatlich zu zahlen hat. Die hiergegen von den Parteien jeweils eingelegten Berufungen und den vom Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrag hat das Berufungsgericht im Wesentlichen zurückgewiesen.
- 6
- Der Senat hat mit Urteil vom 25. Januar 2012 (XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers für die Zeit ab dem 8. April 2008 zurückgewiesen und seine Feststellungsklage abgewiesen worden ist.
- 7
- Nachdem im Oktober 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden war, hat das Berufungsgericht das Verfahren für die Zeit vom 8. April 2008 bis 31. Oktober 2011 gemäß § 240 ZPO als unterbrochen angesehen. Im Übrigen hat es die Berufung für die Zeit ab 1. November 2011 durch Teilurteil erneut zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Mit ihr begehrt er nunmehr eine Reduzierung des titulierten Unterhalts für die Zeit bis zum Tod der Ehefrau auf 350 € monatlich.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist teilweise begründet.
A.
- 9
- Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 10
- Auch bei Anwendung des § 1578 b Abs. 2 i.V.m. § 313 BGB sei der Unterhalt der Ehefrau nicht zu befristen. Sie habe erhebliche, nicht mehr zu kompensierende ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten. Die Ehefrau habe ihren bereits drei Jahre lang ausgeübten Beruf als Bankkauffrau zu Beginn der Ehe im Alter von 23 Jahren aufgegeben. Ihre fehlende Berufspraxis von nahezu 30 Jahren habe sie nicht mehr aufholen können. Wäre sie weiterhin in ihrem Berufsfeld tätig geblieben, hätte sie mittlerweile eine zumindest mittlere Position in diesem Berufsfeld bekleiden können, während sie nunmehr aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters lediglich geringfügig qualifiziert mit entsprechend niedrigem Einkommen tätig sein könnte.
- 11
- Allerdings sei der Unterhalt nach § 1578 b Abs. 1 BGB gemäß § 313 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, nachdem der Kläger nahezu zwölf Jahre lang Ehegattenunterhalt orientiert an den ehelichen Lebensverhältnissen habe zahlen müssen. Maßgeblich sei dabei das Einkommen, das die Ehefrau ohne die ehebedingten Nachteile jetzt erzielen könnte und zwar als Bankkauffrau in mittlerer Position. Nach dem ab 1. Juli 2012 gültigen Tarifvertrag für das private und öffentliche Bankgewerbe müsse bei ihr von einem Monatsdurchschnittsnettoeinkommen - bereinigt um die Werbungskostenpauschale von 5 % - von etwa 1.950 € ausgegangen werden.
- 12
- Darauf, dass die Ehefrau in der Lage sei, ein Erwerbseinkommen von bis zu 800 € netto zu erzielen, komme es nicht an. Denn Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit sei auf den eigenangemessenen Bedarf nicht bedarfsmindernd anzurechnen. Zwar werde der Unterhaltsanspruch der Ehefrau über § 313 BGB unter Heranziehung des neuen Unterhaltsrechtes auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Andererseits sei der Ehevertrag über § 313 BGB nur insoweit an die neue Rechtslage anzupassen, als sie gegenüber der damals geltenden Rechtslage zu einer anderen Beurteilung führe. Dies sei hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit der Ehefrau jedoch nicht der Fall. Nach damaliger Rechtslage wäre nach der Anrechnungsmethode erzieltes oder erzielbares Einkommen auf den zugebilligten Unterhaltsbedarf anzurechnen gewesen. Hiervon hätten die vertragsschließenden Parteien jedoch abgesehen, da nach dem Ehevertrag eigenes Einkommen der Ehefrau "durch Erwerbstätigkeit" auf die Unterhaltsleistung nicht angerechnet werden solle. Weil sich die Rechtslage insoweit mit Ausnah- me des Wechsels von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode nicht verändert habe, könne eine Vertragsanpassung auch über § 313 BGB nicht zu einer Anrechnung jetziger Erwerbseinkünfte und erst recht nicht zur Anrechnung fiktiver Erwerbseinkünfte führen.
- 13
- Allerdings sei der Ehefrau wegen des mietfreien Wohnensein objektiver Mietwert von 800 € anzurechnen. Damit reduziere sich der angemessene, nicht gedeckte Unterhaltsbedarf der Ehefrau auf 1.150 €.
- 14
- Diesem Betrag sei der Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe eines Beitrages für eine private Krankenversicherung entsprechend dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, mithin der Basistarif, zuzurechnen. Gleiches gelte für den Pflegeversicherungsbedarf. Dies ergebe sich nicht nur aus § 1578 Abs. 2 BGB, sondern auch aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs des ehebedingten Nachteils nach § 1578 b BGB. Denn die Ehefrau wäre ohne den ehebedingten Ausstieg aus dem Berufsleben gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Der angemessene Unterhaltsbedarf der Ehefrau erhöhe sich daher um Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € bzw. 535 €.
- 15
- Weiterhin sei ihr ein Mehrbedarf als Altersvorsorgebedarf in Höhe des Rentenversicherungsaufwands zuzubilligen. Bei einem ohne den ehebedingten Nachteil erzielbaren Bruttoeinkommen von 40.534 € wäre dies mit einem Rentenversicherungsbeitrag von 19 % ein monatlicher Betrag von 642 €.
- 16
- Damit ergebe sich insgesamt ein noch geschuldeter Unterhalt, der über dem vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 2.248,66 € monatlich liege, weshalb die Berufung des Klägers nicht durchdringen könne.
- 17
- In Höhe dieses Unterhalts sei Leistungsfähigkeit des Klägers (§ 1581 BGB) zumindest zu unterstellen. Es sei nicht ersichtlich, warum zugunsten des Klägers nunmehr von einem geringeren Gewinn vor Steuern als im Durchschnitt für die Jahre 2004 bis 2007 mit 244.781 € ausgegangen werden solle. Insbesondere die vom Kläger konstruierte Praxisgemeinschaft mit der GmbH seiner jetzigen Ehefrau könne dies nicht begründen. Der Kläger sei nach wie vor allein Leistungsträger dieser Praxisgemeinschaft. Die unterschiedliche Verteilung der Kosten zwischen der GmbH und ihm als niedergelassenem Kassenarzt lasse nur aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung sein zahnärztliches Einkommen geschmälert erscheinen, während die GmbH erhebliche Gewinne erziele. Diese vertragliche Gewinnverlagerung zugunsten seiner jetzigen Ehefrau könne eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen. Die Umsatzund Gewinnzahlen für 2009 sowohl des Klägers selbst als auch der Praxisgemeinschaft zeigten, dass ohne die gewählte und damit unbeachtliche Gewinnverlagerung von einer zumindest gleichen Einkommenssituation wie in den Vorjahren auszugehen sei. Auch könne die Tatsache, dass mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht begründen, da nicht nachvollziehbar sei, wie es bei der dargestellten Ertragslage der Praxis zu dieser Insolvenz habe kommen müssen. Jedenfalls habe der Kläger nicht vorgetragen , dass die Insolvenz unvermeidbar gewesen sei. Wenn der Kläger durch Ansparabschreibungen vorübergehend seine Steuerlast reduziert habe, um damit seine Liquidität zu erhöhen, so könne er die Belastung aus den erhöhten Steuernachforderungen bei Auflösung der Ansparabschreibungen dem Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht entgegenhalten, da bei der Bemessung dieses Unterhaltsanspruchs bereits von der regelmäßigen und nicht reduzierten Steuerlast ausgegangen worden sei.
B.
- 18
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
I.
- 19
- Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht und ist mithin nach § 323 ZPO aF zu beurteilen (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 19 mwN).
II.
- 20
- Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Verfahren hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche der Ehefrau für die Zeit ab 1. November 2011 nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist; Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils ergeben sich nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 170/06 - MDR 2012, 180 Rn. 15 mwN).
III.
- 21
- Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht von einer Befristung des Unterhalts abgesehen und den Bedarf der Ehefrau auf ihren angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht erzielbares Erwerbseinkommen der Ehefrau nicht auf ihren Bedarf angerechnet und den Kläger für leistungsfähig erachtet hat. Demgegenüber ist die Behandlung des Vorsorgeunterhalts nicht rechtsbedenkenfrei.
- 22
- 1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der titulierte Unterhaltsanspruch der Ehefrau aus dem Ehevertrag von 1996 im Rahmen der vom Kläger erhobenen Abänderungsklage einer Anpassung nach § 313 BGB unter Berücksichtigung der Regelungen des § 1578 b BGB unterliegt, wird von den Parteien nicht angegriffen und ist im Ergebnis auch sonst revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 49 f.; s. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senatsbeschluss vom 11. Februar 2015 - XII ZB 66/14 - zur Veröffentlichung bestimmt
).
- 23
- 2. Dagegen, dass das Berufungsgericht eine Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB abgelehnt hat, weil der Ehefrau ehebedingte Nachteile entstanden seien, ist revisionsrechtlich ebenfalls nichts zu erinnern; dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
- 24
- a) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB ist bei der Billigkeitsabwägung, ob der nacheheliche Unterhalt zu befristen ist, vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Liegen ehebedingte Nachteile vor, scheidet eine Befristung des Unterhalts regelmäßig aus (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 50 mwN).
- 25
- b) Das Berufungsgericht hat solche Nachteile in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Es hat namentlich darauf abgestellt, dass die Ehefrau ehebedingt ihre Berufstätigkeit als Bankkauffrau eingestellt hat und sie wegen ihrer Berufspause von nahezu 30 Jahren nur noch in einer geringfügig qualifizierten Beschäftigung tätig sein kann, während sie bei ununterbrochener Beschäftigung in ihrem Berufsfeld zumindest eine mittlere Position einnehmen könnte.
- 26
- 3. Es liegt im Rahmen rechtsfehlerfreier Ermessensausübung des Tatrichters , dass das Berufungsgericht den unterhaltsrechtlichen Bedarf der Ehefrau im Wege des § 313 i.V.m. § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Gegen diese für den Kläger günstige Würdigung werden seitens der Beklagten im Übrigen keine Einwendungen erhoben.
- 27
- Zwar erlaubte § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon bei Abschluss des Ehevertrages im Jahre 1996 eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf. Bei langer Ehedauer wurde von der Herabsetzung allerdings regelmäßig kein Gebrauch gemacht (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 21 und Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 17 zum Krankheitsunterhalt). Mit § 1578 b BGB hat der Gesetzgeber zudem die bis dahin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände ebenfalls in die Befristungsmöglichkeit einbezogen. Auch insoweit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder auch alternativ möglichen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den Unterhalt zu begrenzen, stellt sie jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 21 mwN).
- 28
- 4. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf den festgestellten Bedarf im Hinblick auf die Anrechnungsregelungen im Ehevertrag kein (fiktives) Einkommen der Ehefrau angerechnet hat.
- 29
- a) Bei der Anpassung an die veränderten Verhältnisse muss die Grundlage der Vereinbarung möglichst beibehalten werden, für die in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 784). Deshalb ist im Rahmen der Prüfung des § 1578 b BGB von den Regelungen des notariellen Vertrages auszugehen, die bei einer etwaigen Abänderung hieran anzupassen sind (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 51).
- 30
- b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Es verweist auf den Ehevertrag, nach dem zwar das Renteneinkommen der Ehefrau, nicht aber eigenes Erwerbseinkommen auf die Unterhaltsleistung angerechnet wird (Ziffer VII. 3. und 4. EV). Zu Recht nimmt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die damalige Rechtslage Bezug, wonach Erwerbseinkommen - ohne eine solche Regelung - auf den Unterhalt anzurechnen war (so genannte Anrechnungsmethode, s. etwa Senatsurteil BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986, 988). Daraus folgt, dass sich die Ehegatten bereits damals insoweit von der Gesetzeslage gelöst haben, als der Ehefrau ihr Erwerbseinkommen anrechnungsfrei verbleiben sollte. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen.
- 31
- 5. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den auf 800 € monatlich geschätzten Wohnvorteil auf den Bedarf der Ehefrau angerechnet. Diese Behandlung (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 17) ist für den Kläger vorteilhaft und wird auch von den Beklagten hingenommen.
- 32
- 6. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht allerdings bei der Berücksichtigung des Vorsorgeunterhalts. Weder hat es diesen im Tenor gesondert ausgewiesen, noch ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils, aus welchen konkreten Beträgen sich dieser im Rahmen des zugesprochenen Unterhalts zusammensetzt.
- 33
- a) Zwar gehören zum Lebensbedarf des Berechtigten gemäß § 1578 Abs. 2 und Abs. 3 BGB dem Grunde nach auch die Kosten für die entsprechenden Versicherungen. Dabei kann der Unterhaltsberechtigte auch im Falle einer Herabsetzung seines Bedarfs auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsorgeunterhalt beanspruchen (vgl. zum Altersvorsorgeunterhalt Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 18 mwN).
- 34
- Weil etwaiges Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit nach der Vereinbarung der Parteien nicht anzurechnen ist und sie deshalb keine Erwerbsobliegenheit trifft, kann sie - entgegen der Auffassung der Revision - auch im Rahmen eines von ihr erzielbaren Einkommens nicht fiktiv so gestellt werden , als wäre damit auch ihr Vorsorgebedarf in entsprechender Höhe gedeckt.
- 35
- b) Das Berufungsgericht hat es indes verabsäumt, den Vorsorgeunterhalt im Tenor gesondert auszuweisen.
- 36
- Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Zweckbindung des Vorsorgeunterhalts, dass der darauf entfallende Betrag im Entscheidungssatz des Urteils besonders auszuweisen ist und der Unterhaltsberechtigte den ihm zustehenden Gesamtunterhalt nicht nach freiem Ermessen auf den Elementar - und Vorsorgeunterhalt verteilen darf sowie den letzteren zweckbestimmt zu verwenden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ 1982, 1187, 1188). Damit und mit den - für den Fall der Zweckentfrem- dung - einhergehenden Sanktionen soll sichergestellt werden, dass der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt zweckentsprechend verwendet (Wendl/ Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 868 ff., 924 ff. und 927).
- 37
- c) Schließlich lässt sich auch der Begründung der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen, aus welchen konkreten Beträgen sich der zuerkannte Vorsorgeunterhalt zusammensetzt.
- 38
- Das Berufungsgericht ist für die Zeit bis einschließlich Dezember 2012 von einem Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € sowie einem Altersvorsorgebedarf von 642 € monatlich ausgegangen. Für die Zeit ab Januar 2013 hat das Berufungsgericht den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf auf 535 € erhöht. Damit liegt der Vorsorgebedarf unter Hinzurechnung des Elementarunterhaltsbedarfs von 1.150 € mit insgesamt 2.302 € bzw. 2.327 € aber über dem zuerkannten Gesamtunterhalt von 2.248,66 €. Deshalb hätte klargestellt werden müssen, welcher konkrete Teil des Vorsorgeunterhalts auf den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf und welcher auf den Altersvorsorgebedarf entfällt (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 35. Aufl. § 253 Rn. 9 mwN).
- 39
- 7. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Leistungsfähigkeit und die hierzu von ihm getroffenen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen , wonach der Kläger hinsichtlich des im Streit stehenden Unterhaltsbetrags als leistungsfähig im Sinne von § 1581 BGB anzusehen sei, halten sich im Rahmen der Senatsrechtsprechung (s. etwa Senatsurteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815, 817).
IV.
- 40
- Hinsichtlich des im Tenor ausgewiesenen Unterhaltsbetrags kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden, weil dieser Betrag den Beklagten in jedem Falle als Elementarunterhalt zusteht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 35/09 - FamRZ 2012, 945). Allerdings ist im Tenor klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Unterhaltspflicht gemäß § 1586 Abs. 1 BGB mit dem Tod der Ehefrau am 2. Juni 2013 ihr Ende gefunden hat.
- 41
- Im Übrigen ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht abschließend entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 02.07.2008 - 511 F 938/08 UE -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.04.2013 - 2 UF 208/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die 1951 geborene Klägerin nimmt den Beklagten auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Anspruch. Ihre am 23. August 1968 geschlossene Ehe wurde am 2. Dezember 1997 rechtskräftig geschieden. Während der Ehe versorgte die Klägerin den Haushalt und die 1979 geborene gemeinsame Tochter. Nach anfänglich stundenweisen Beschäftigungen war sie ab 1974 etwas mehr als halbtags als selbständige Fußpflegerin tätig. Daraus erzielte sie zuletzt ein monatliches Durchschnittseinkommen von 998 DM, welches, bereinigt um Aufwendungen für Kranken- und Lebensversicherung sowie um einen Erwerbstätigenbonus, monatlich rund 403 DM betrug.Die Klägerin war Alleineigentümerin eines den Parteien als Familienheim dienenden, mit Restschulden belasteten Hauses, welches sie am 1. Juli 1998 verkaufte. Seither wohnt sie zur Miete. Nach Ablösung von Schulden und Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 85.000 DM an den Beklagten verblieb ihr ein Restkapital, aus dem sie Zinsen erzielt. Die Tochter ist seit September 1997 nicht mehr unterhaltsbedürftig. Der Beklagte ist nach vorübergehender Arbeitslosigkeit seit Januar 1998 wieder bei einer Firma beschäftigt und verdiente 1998 dort monatlich netto 3.194 DM. Das Kapital aus dem Zugewinnausgleich hat er verbraucht. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen an die Klägerin von je 203 DM für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1998, je 309 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 1999 und von je 419 DM für die Zeit ab 1. Juni 1999 verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den ab 1. Juni 1999 zu zahlenden monatlichen Unterhaltsbetrag auf 398 DM herabgesetzt und das Rechtsmittel im übrigen zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der völligen Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.I.
1. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin einen nachehelichen Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zugebilligt. Bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat es - abweichend vom Amtsgericht - auf seiten des Beklagten dessen 1998 erzieltes monatliches Nettoeinkommen von 3.194 DM, bereinigt um berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von maximal monatlich 330 DM, Kosten der Zusatzkrankenversicherung von monatlich 94 DM und um einen Erwerbstätigenbonus von 10 %, somit 2.493 DM monatlich zugrunde gelegt. Die geltend gemachten höheren Fahrtkosten hat es, da unangemessen hoch, nicht anerkannt, desgleichen nicht Raten aus Steuer- und anderen Schulden, da der Beklagte diese aus dem erhaltenen Zugewinnausgleich hätte tilgen können. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen. 2. Das Oberlandesgericht hat ferner ausgeführt, die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien seien von einem "Wohnwert" von mindestens monatlich 1.242 DM geprägt gewesen (geschätzter Mietwert monatlich 1.800 DM abzüglich 558 DM Darlehensraten). Trotz des zwischenzeitlichen Auszugs der Parteien und des Wegfalls der Nutzung sei hierfür ein Einkommen anzusetzen, damit der bedürftige Ehegatte nicht infolge der Trennung und Scheidung einen sozialen Abstieg erleide. Andererseits könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Höhe des sogenannten toten Kapitals, das nach Auszug eines Ehegatten und dem dadurch bedingten Nutzungsausfall entstanden sei, kein bedarfsbestimmendes Einkommen angesetzt werden. Diese Rechtsprechung könne, weil sie sonst widersprüchlich sei, nur so verstanden werden, daß zwar das addierte Einkommen aus tatsächlichen Einkünften und vollerMietersparnis den Lebensstandard gemäß § 1578 BGB bestimme, daß sich aber beide Ehegatten bereits im Rahmen des § 1578 BGB aus Billigkeit damit abfinden müßten, daß nur das tatsächliche Erwerbseinkommen zur Verteilung zur Verfügung stehe. Soweit es indessen ein Ersatzeinkommen gebe, das zur Auffüllung der Lücke herangezogen werden könne, müsse keiner der Ehegatten diese Billigkeitskorrektur hinnehmen. Ein solches Ersatzeinkommen seien die monatlichen Zinseinnahmen in Höhe von 407 DM, die die Klägerin aus dem ihr verbliebenen Kapital nach Verkauf des Hauses und Ablösung der Schulden erzielen könne. Zum weiteren prägenden Einkommen gehöre ferner ein fiktives Einkommen für die Haushaltsführung, da auch dadurch die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne des § 1578 BGB bestimmt worden seien. Nach dem von der Klägerin nicht angegriffenen medizinischen Gutachten des Sachverständigen sei ihr eine leichte vollschichtige Tätigkeit zuzumuten, mit der sie monatlich ein (um die gesetzlichen Abzüge, pauschale berufsbedingte Aufwendungen und den Erwerbstätigenbonus) bereinigtes Nettoeinkommen von 1.291 DM erzielen könne. Dieses sei ihr neben den monatlichen Zinseinkünften von 407 DM auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Den Unterhaltsbedarf errechnet das Oberlandesgericht demnach ab 1. Juli 1998 nach der sogenannten Additionsmethode wie folgt: bereinigtes Einkommen des Beklagten 2.493 DM zuzüglich "1/3 prägendes Einkommen" der Klägerin aus 1.291 DM 430 DM zuzüglich "2/3 Ersatzeinkommen für Haushaltsführung" 861 DM zuzüglich Ersatzeinkommen Wohnung (Zinsen) 407 DM 4.191 DM : 2 = 2.096 DM
Den Unterhaltsanspruch errechnet es unter Abzug des fiktiven Erwerbseinkommens der Klägerin von 1.291 DM und der Zinsen von 407 DM mit 398 DM Eine Herabsetzung des Unterhalts ergebe sich daher nur für den Zeitraum ab 1. Juni 1999.
II.
1. Die Revision wendet sich gegen den Ansatz des Berufungsgerichts, die Haushaltsführung als ein die ehelichen Lebensverhältnisse mitbestimmendes Element anzusehen und ein an deren Stelle tretendes Ersatzeinkommen in die Unterhaltsbedarfsermittlung nach § 1578 BGB einzubeziehen. Die dadurch erforderlich werdende Monetarisierung der Haushaltsführung sei wegen der Schwierigkeit einer Bewertung nicht praktikabel. Der Ansatz des Berufungsgerichts , der dazu führe, nach der Ehescheidung erzielte, die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägende Einkünfte auch des Unterhaltsschuldners zu verteilen und den Unterhalt des Berechtigten aufzustocken, beruhe auf Billigkeitserwägungen , denen eine gesetzliche Grundlage bisher fehle. Daher habe es bei dem Ansatz zu verbleiben, nur die in der Ehe vorhandenen Bareinkünfte der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen. Diese Einwände führen im Ergebnis nicht zum Erfolg. 2. Gemäß § 1573 Abs. 2 BGB kann die Klägerin nach der Scheidung einen sogenannten Aufstockungsunterhalt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen ihren eigenen Einkünften und dem vollen Unterhalt (§ 1578 BGB) verlangen, wenn ihre Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zumvollen Unterhalt nicht ausreichen. Das Gesetz knüpft dabei an den Unterhaltsmaßstab der ehelichen Lebensverhältnisse in § 1578 BGB an, ohne dort allerdings im einzelnen zu definieren, welche Umstände diese Lebensverhältnisse bestimmen, und ohne den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt festzulegen. Nach den bislang vom Senat zur Ausfüllung dieses Rechtsbegriffs entwikkelten Grundsätzen werden die ehelichen Lebensverhältnisse im wesentlichen durch die bis zur Scheidung nachhaltig erzielten tatsächlichen Einkünfte der Ehegatten bestimmt, soweit sie dazu vorgesehen waren, den laufenden Lebensunterhalt zu decken (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 8. April 1981 - IVb ZR 566/80 - FamRZ 1981, 539, 541; vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - FamRZ 1982, 255, 257; vom 24. November 1982 - IVb ZR 326/81 - FamRZ 1983, 144, 146 und seither ständig; weitere Nachweise bei Lohmann Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Familienrecht 8. Aufl. Rdn. 110 f.). Zwar hat der Senat die Haushaltsführung eines nicht erwerbstätigen Ehegatten einschließlich der Kinderbetreuung wirtschaftlich betrachtet der Erwerbstätigkeit und der durch diese ermöglichten Geldunterhaltsleistung des anderen Ehegatten als grundsätzlich gleichwertig angesehen. Er hat aber entscheidend darauf abgehoben, daß an Barmitteln, die zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, nur die Einkünfte des erwerbstätigen Ehegatten vorhanden sind und daher die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich durch diese Einkünfte und nicht entscheidend durch den wirtschaftlichen Wert der von beiden Ehegatten erbrachten Leistungen geprägt werden (Senatsurteile vom 14. November 1984 - IVb ZR 38/83 - FamRZ 1985, 161, 163; vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 785). Da die Scheidung den Endpunkt für die Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse setzt, können diese nach diesen Grundsätzen nicht mehr durch Einkünfte mitgeprägt werden, die erst durch eine spätere Arbeitsaufnah-
me oder Ausdehnung einer Teilzeittätigkeit hinzutreten. Hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehe (nur) den Haushalt geführt und gegebenenfalls Kinder betreut, bestimmt sich daher das Maß seines eheangemessenen Unterhalts grundsätzlich nur nach einer Quote des tatsächlich erzielten und zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens des erwerbstätigen Ehegatten. Diese Quote erhöht sich gegebenenfalls um trennungsbedingten Mehrbedarf, den der unterhaltsberechtigte Ehegatte konkret darlegen muß (Senatsurteile vom 4. November 1981 aaO 257 und vom 23. November 1983 - IVb ZR 21/82 - FamRZ 1984, 149, 151 = BGHZ 89, 108, insoweit dort jedoch nicht abgedruckt). Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung durch erstmalige Aufnahme (vgl. Senatsurteil vom 8. April 1981 aaO und vom 4. November 1981 aaO) oder durch Erweiterung einer bereits innegehabten Teilzeitarbeit (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1984 aaO) erzielt, bleibt daher bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen außer Betracht. Vielmehr muß er sich dieses Einkommen nach dem Grundsatz wirtschaftlicher Eigenverantwortung auf die Quote bedarfsdeckend anrechnen lassen (§§ 1569, 1577 Abs. 1 BGB; sogenannte Anrechnungsmethode, v gl. Senatsurteile vom 8. April 1981, 24. November 1982, 14. November 1984 jeweils aaO). Hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte demgegenüber seine Tätigkeit schon während der Ehe aufgenommen, fließt sein daraus erzieltes Einkommen als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend (und damit letztlich unterhaltserhöhend) in die Bedarfsbemessung nach § 1578 BGB mit ein. Sein Unterhalt kann dann im Wege der sogenannten Differenzmethode nach einer Quote der Differenz der beiderseits erzielten (bereinigten) Einkommen bemessen werden, ohne daß der so berechnete "Quotenunterhalt" allerdings die Gewähr bietet, den vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhaltsbedarf abzu-
decken (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 43/82 - FamRZ 1984, 358, 360 m.N.). Die Berechnung kann auch im Wege der sogenannten Additionsmethode erfolgen, indem eine Quote aus den zusammengerechneten beiderseitigen (bereinigten) Einkommen gebildet wird und darauf sowohl die prägenden wie die nicht prägenden Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten angerechnet werden. Differenz- und Additionsmethode führen danach - bei beiderseits bereinigtem Einkommen - rechnerisch zum selben Ergebnis, wobei die Differenzmethode lediglich eine Verkürzung darstellt (zu den v erschiedenen Methoden vgl. Wendl/Gerhardt Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 4 Rdn. 386 ff.; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. IV Rdn. 933 ff.). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse hat der Senat unter anderem in einem Fall zugelassen, in dem die Ehefrau nach der Trennung ihre bisher in der Ehe ausgeübte Halbtagstätigkeit in eine Ganztagstätigkeit ausgeweitet hatte, nachdem das Kind 16 Jahre alt geworden war. Er hat dazu ausgeführt, daß das Heranwachsen eines Kindes in aller Regel dem betreuenden Elternteil die Möglichkeit eröffne, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen. Er hat in diesem Zusammenhang entscheidend darauf abgestellt, ob die Aufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit bereits in der Ehe geplant und angelegt war und damit auch ohne die Trennung erfolgt wäre (BGHZ 89, 108, 113 = FamRZ 1984, 149, 150). In diesem Fall war das erhöhte Einkommen der Ehefrau bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen und in die Differenzrechnung einzustellen. Ebenso ist er in einem Fall verfahren, in dem die Ehefrau nach der Heirat ihren Beruf aufgab, den Haushalt und die Kinder betreute und den Ehemann in dessen Tierarztpraxis unterstützte, nach der Trennung - die Kinder waren inzwischen 17 und 18 Jahre alt - zunächst ihren erlernten Beruf als Me-
dizinisch-Technische Assistentin im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung wiederaufnahm und diese noch vor der Scheidung zu einer Ganztagstätigkeit ausweitete. Der Senat hat ihren Einkünften prägenden Einfluß auf die ehelichen Lebensverhältnisse zugemessen, weil ihre Arbeitsaufnahme im Rahmen einer normalen Entwicklung lag (Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - IVb ZR 698/80 - FamRZ 1982, 892, 893). Erfolgte die Arbeitsaufnahme dagegen erst nach der Scheidung, erhöhte das daraus erzielte Einkommen nach den bisherigen Grundsätzen den Unterhaltsbedarf nach § 1578 BGB auch dann nicht, wenn ein entsprechender Lebensplan schon vor der Trennung bestanden hatte , so daß ein späteres Erwerbseinkommen im Wege der Anrechnungsmethode auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen war und den Unterhalt beschränkte (Urteil vom 23. April 1986 aaO S. 785). 3. Die in den Fällen einer erst nachehezeitlich aufgenommenen oder ausgeweiteten Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten angewandte Anrechnungsmethode führt zu einem geringeren Unterhalt als es der Fall wäre, wenn das Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsbemessung einbezogen würde. Das mag folgendes vereinfachtes Beispiel verdeutlichen (nach Graba FamRZ 1999, 1115, 1116), wobei die Einkommen bereits um den berufsbedingten Aufwand und um den Erwerbstätigenbonus bereinigt sind, so daß von einer Aufteilung zu je 1/2 ausgegangen werden kann:
Anrechnungsmethode: prägendes Einkommen des M. 4.000 DM nicht prägendes Einkommen der F. 2.000 DM Bedarf: 4.000 DM : 2 = 2.000 DM darauf anzurechnen nicht prägendes Einkommen der F. 2.000 DM Unterhalt 0 DM Additionsmethode: prägendes Einkommen des M. 4.000 DM prägendes Einkommen der F. + 2.000 DM Summe 6.000 DM Bedarf: 6.000 DM : 2 = 3.000 DM darauf anzurechnen eigenes Einkommen der F. - 2.000 DM Unterhalt 1.000 DM Dasselbe Ergebnis ergibt sich verkürzt durch die Differenzmethode: prägendes Einkommen des M. 4.000 DM prägendes Einkommen der F. - 2.000 DM Differenz 2.000 DM : 2 = Unterhalt 1.000 DM
4. Der Rechtsprechung des Senats, daß sich die ehelichen Lebensverhältnisse nur durch die vorhandenen Barmittel, nicht aber auch durch den wirtschaftlichen Wert der von dem haushaltsführenden Ehegatten erbrachten Leistungen bestimmen sollen, wird entgegengehalten, daß sie den Ehegatten benachteilige , der um der Familie und Kinder willen oder um dem anderen erwerbstätigen Ehegatten ein besseres berufliches Fortkommen zu ermöglichen, auf eine eigene Erwerbstätigkeit (und damit auch auf eine höhere Alterssicherung ) verzichtet. Die Bemessungsweise nach der sog. Anrechnungsmethode
führe vollends zu Unbilligkeiten, wenn in der Ehe ein Teil des Erwerbseinkommens zur Vermögensbildung gespart worden sei und nicht zum allgemeinen Lebensbedarf zur Verfügung gestanden habe. Das als ungerecht empfundene Ergebnis der Unterhaltsbemessung bei nachehelicher Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wurde in der Literatur stets kritisch beurteilt (vgl. u.a. Büttner FamRZ 1984, 534, 536; Hampel FamRZ 1984, 621, 624, 625; Laier FamRZ 1993, 392 ff.; Luthin FamRZ 1988, 1109, 1113), ist aber nunmehr angesichts des Wandels der sozialen Wirklichkeit seit Einführung der Eherechtsreform verstärkt in das Blickfeld geraten (vgl. unter anderem Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1573 Rdn. 30; Heiß/Heiß Handbuch des Unterhaltsrechts I Kap. 5.7 Rdn. 21 ff., 26; Kalthoener/Büttner/ Niepmann Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 7. Aufl. Rdn. 440 und 445; Schwab/Borth aaO IV Rdn. 853, 945; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 3. Aufl. Kap. 6 Rdn. 403 a ff.; Göppinger /Bäumel Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdn. 1073; MünchKomm/Maurer BGB 4. Aufl. § 1578 Rdn. 59; Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1578 Rdn. 31; Born FamRZ 1999, 541, 547; derselbe MDR 2000, 981 ff.; Büttner FamRZ 1999, 893 ff.; Borth FamRZ 2001, 193 ff.; Gerhardt FamRZ 2000, 134 ff.; Gerhardt /Gutdeutsch FuR 1999, 241 ff.; Graba FamRZ 1999, 1115 ff.). Als Hauptargumente werden angeführt: Die ehebedingte Beschränkung infolge des Verzichts auf eine eigene berufliche Tätigkeit könne auf dem Wege über die Anrechnungsmethode zu einer dauerhaften Beschränkung des Lebensstandards des unterhaltsberechtigten Ehegatten führen, die auch durch die Zubilligung eines trennungsbedingten Mehrbedarfs nur teilweise abgemildert werde. Dies laufe der vom Gesetzgeber gewollten Lebensstandardgarantie des geschiedenen Ehegatten in
§§ 1573 Abs. 2, 1578 Abs. 1 BGB, der in §§ 1356, 1360 Satz 2, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgegebenen Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit einerseits, Haushaltsführung und Kindesbetreuung andererseits, sowie dem Benachteiligungsverbot des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG zuwider, der jede belastende Differenzierung verbiete, die eine Folge der Übernahme familiärer Pflichten sei (vgl. BVerfG Beschluß vom 10. November 1998 - 2 BvR 1057/91 - u.a. FamRZ 1999, 285, 288). Denn die ehelichen Lebensverhältnisse würden nicht nur durch die vorhandenen Barmittel des erwerbstätigen Ehegatten, sondern auch durch den Einsatz des haushaltsführenden Ehegatten für die Familie mitbestimmt. Eine zuverlässige Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine später (wieder)aufgenommene oder erweiterte Erwerbstätigkeit bereits in der Ehe angelegt gewesen sei und (im Vorgriff) die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt habe, so daß auch die aus der (späteren) Erwerbstätigkeit erzielten Mittel als prägendes Einkommen in die Unterhaltsbemessung nach der Differenzmethode einfließen könnten, sei selten möglich. Die Rechtsprechung führe daher zu Zufallsergebnissen, je nach dem, ob beispielsweise die Kinder zum Zeitpunkt der Trennung schon so alt seien, daß eine alsbaldige Rückkehr der Frau in den Beruf zu erwarten gewesen sei oder nicht. Mit dem Wandel der sozialen Verhältnisse in den letzten 20 Jahren, in denen das Ehebild der typischen Hausfrauen-ehe immer mehr durch dasjenige der Doppelverdienerehe ersetzt worden sei, bei der die Frau ihre Erwerbstätigkeit nur durch eine Kinderbetreuungsphase unterbreche, danach aber in aller Regel wiederaufnehme, sei dies nicht mehr zu vereinbaren. 5. Dem ist zuzugeben, daß die Anrechnungsmethode dem Verständnis von der Gleichwertigkeit von Kindesbetreuung und/oder Haushaltsführung nicht gerecht wird und auch dem gewandelten Ehebild in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr angemessen Rechnung trägt.
Ausgangspunkt ist die Wertentscheidung des Gesetzgebers, mit der er die Haushaltsführung des nicht erwerbstätigen Ehegatten der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten gleichstellt. Nach § 1360 Satz 1 BGB sind beide Ehegatten verpflichtet, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Nach heutigem Eheverständnis regeln die Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen und unter Rücksichtnahme auf die jeweiligen Belange des anderen und der Familie die Frage, wer von ihnen erwerbstätig sein und wer - ganz oder überwiegend - die Haushaltsführung übernehmen soll (§ 1356 BGB). Dies richtet sich nach den individuellen (familiären, wirtschaftlichen, beruflichen und sonstigen) Verhältnissen der Ehegatten. Dabei kann zum Beispiel mitbestimmend sein, wer von beiden die qualifiziertere Ausbildung hat, für wen die besseren Chancen am örtlichen Arbeitsmarkt bestehen, wo sich der Arbeitsplatz und das Familienheim befinden, ob gegebenenfalls Personen aus dem Familienverband (z.B. Geschwister oder Eltern) oder nahe Freunde zur Kindesbetreuung zur Verfügung stehen oder ob den Ehegatten noch weitere Familienpflichten besonderer Art, z.B. die Pflege hilfsbedürftiger Eltern, obliegen. Geht die Entscheidung dahin, daß einer von ihnen die Haushaltsführung und gegebenenfalls Kindesbetreuung übernehmen soll, so bestimmt das Gesetz ausdrücklich, daß er hierdurch in der Regel seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, erfüllt (§ 1360 Satz 2 BGB). In ähnlicher Weise setzt § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB die Kindesbetreuung der Gewährung von Barunterhalt gleich. Der Gesetzgeber geht damit zugleich davon aus, daß die ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB nicht nur durch die Bareinkünfte des erwerbstätigen Ehegatten, sondern auch durch die Leistungen des anderen Ehegatten im Haushalt mitbestimmt werden und hierdurch eine Verbesserung erfahren (vgl. BT-Drucks. 7/650 S. 129, 136; 7/4361 S. 15). Dessen Tätigkeit er-
setzt Dienst- und Fürsorgeleistungen und Besorgungen, die andernfalls durch teure Fremdleistungen erkauft werden müßten und den finanziellen Status - auch einer Doppelverdienerehe - verschlechtern würden. Darüber hinaus enthält sie eine Vielzahl von anderen, nicht in Geld meßbaren Hilfeleistungen, die den allgemeinen Lebenszuschnitt der Familie in vielfältiger Weise verbessern. Aus dieser Sicht ist es zu eng, die ehelichen Lebensverhältnisse als Maßstab des Unterhalts nur an den zum Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Barmitteln auszurichten. Zwar bildet das Erwerbseinkommen als finanzielle Grundlage der Familie den primären Faktor der Unterhaltsbemessung, jedoch werden die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Gesamtheit aller wirtschaftlich relevanten beruflichen, gesundheitlichen, familiären und ähnlichen Faktoren mitbestimmt (vgl. Gerhardt in Handbuch Familienrecht aaO Rdn. 403 d). Auch nach der gesetzgeberischen Intention soll es auf das Gesamtbild der ehelichen Lebensverhältnisse ankommen, wozu im übrigen eine gewisse Dauer gehört und vorübergehende Ä nderungen irrelevant sein sollen (vgl. BT-Drucks. 7/650 S. 136). Die - auf den Scheidungszeitpunkt bezogenen - konkreten Barmittel können damit immer nur ein Kriterium, nicht aber der alleinige Maßstab sein. Vielmehr umfassen die ehelichen Lebensverhältnisse alles, was während der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten nicht nur vorübergehend tatsächlich von Bedeutung ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1998 - XII ZR 98/97 - FamRZ 1999, 367, 368), mithin auch den durch die häusliche Mitarbeit des nicht erwerbstätigen Ehegatten erreichten sozialen Standard. 6. An dem in dieser Weise verbesserten ehelichen Lebensstandard soll der haushaltsführende Ehegatte auch nach der Scheidung teilhaben. Das Gesetz bringt dies an verschiedenen Stellen zum Ausdruck: So enthält § 1578 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers eine Lebensstandardgarantie gerade auch zugunsten des haushaltsführenden Ehegatten (BT-Drucks. 10/2888
S. 18). Mit der Anknüpfung des Unterhalts an die ehelichen Lebensverhältnisse wollte der Gesetzgeber insbesondere den Fällen gerecht werden, in denen durch gemeinsame Leistung der Ehegatten ein höherer sozialer Standard erreicht worden ist, an dem auch der nicht erwerbstätige Ehegatte teilhaben soll (BT-Drucks. 7/650 S. 136). Es wurde als unbillig empfunden, den Wert der Leistungen unberücksichtigt zu lassen, die sich in der Haushaltsführung, der Erziehung der gemeinsamen Kinder oder in der Förderung des beruflichen Fortkommens und Ansehens des anderen Ehegatten niedergeschlagen haben (BT-Drucks. 7/4361 S. 15). Eine Ausprägung dieses Gedankens ist auch der Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB, mit dem der Gesetzgeber den sozialen Abstieg eines Ehegatten nach der Scheidung verhindern will, weil das erreichte Lebensniveau als gleichwertige Leistung auch desjenigen Ehegatten angesehen wird, der zugunsten von Ehe und Familie auf eine eigene Berufstätigkeit verzichtet hat. Die Regelung schränkt in verfassungskonformer Weise den Grundsatz der nachehelichen wirtschaftlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) zugunsten der nachwirkenden ehelichen Mitverantwortung ein (BVerfG Urteil vom 14. Juli 1981 - 1 BvL 28/77 u.a. - FamRZ 1981, 745, 750 ff.; Senatsurteil vom 27. April 1983 - IVb ZR 372/81 - FamRZ 1983, 678, 679; Kalthoener/ Büttner/Niepmann aaO Rdn. 439; Born FamRZ 1999 aaO 542). Schließlich soll durch § 1574 Abs. 2 BGB sichergestellt werden, daß Ehegatten, die ihr eigenes berufliches Fortkommen um der Familie willen hintangestellt und den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg des anderen Ehegatten gefördert haben, nicht nach der Scheidung eine Tätigkeit ausüben müssen, die unter dem ehelichen Lebensstandard liegt (BT-Drucks. 7/650 S. 129; 7/4361 S. 17). Die Teilhabequote orientiert sich an der Gleichwertigkeit der beiderseits erbrachten Leistungen, so daß beide Ehegatten hälftig an dem durch Erwerbseinkommen
einerseits, Haushaltsführung andererseits geprägten ehelichen Lebensstandard teilhaben. 7. Zur Verwirklichung einer derartigen gleichmäßigen Teilhabe werden in der Literatur (vgl. die obigen Zitate, ferner Übersicht bei Schwab/Borth aaO Rdn. 945) verschiedene Wege vorgeschlagen:
a) Eine verbreitete Meinung geht von der Tatsache aus, daß das Heiratsalter von Frauen in den letzten rund 25 Jahren stetig gestiegen ist (1975: 22,7 Jahre; 1996: 27,6 Jahre; 1998: 28 Jahre, vgl. Statistische Jahrbücher des Statistischen Bundesamtes 1977, 70; 1998, 70; 2000, 69) und schließt daraus, daß Frauen vor der Eheschließung in aller Regel einen Beruf erlernt und ausgeübt haben und ihn nach der Heirat erst aufgeben, wenn die Betreuung von Kindern, die man nicht Hilfspersonen überlassen will, dies erfordert. Daran wird die (widerlegliche) Vermutung geknüpft, daß die Ehegatten nach den heutigen Gepflogenheiten in aller Regel die Vorstellung haben, daß die Berufstätigkeit nur für die Phase der Kindesbetreuung unterbrochen werden soll und der betreuende Ehegatte danach in den Erwerbsprozeß zurückkehrt, vorausgesetzt, seine Gesundheit, seine berufliche Qualifikation und die Arbeitsmarktlage lassen dies nach dem Zeitablauf zu. Dem ist einzuräumen, daß Ehen, in denen die Ehefrau den Haushalt führt und Kinder betreut, in der sozialen Wirklichkeit nicht mehr generell und auf Dauer dem Typ der Haushaltsführungsehe zugeordnet werden können, sondern in stark gestiegenem Maße nurmehr vorübergehend in dieser Form geführt werden und sich die Ehegatten nach ihren jeweiligen Bedürfnissen auch zur (Wieder-)Aufnahme einer Doppel- oder Zuverdienerehe entschließen. Auch ist es nicht mehr stets die Ehefrau, die die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernimmt, vielmehr kann diese Aufgabe , je nach Berufschancen und Arbeitsmarktlage, auch dem Ehemann zu-
fallen oder von beiden gemeinsam übernommen werden. Den Ehegatten wird eine solche - gegebenenfalls phasenweise - Aufteilung der Übernahme von Erwerbs- und Familienpflichten nicht nur durch die Möglichkeit eines staatlichen Erziehungsgeldes erleichtert, sondern auch die Arbeitswelt enthält sowohl im öffentlichen Dienst als auch in privaten Arbeitsverhältnissen Beurlaubungsoder Rückkehrmöglichkeiten (vgl. Büttner FamRZ 1999 aaO 894). Anreize zur Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ergeben sich schließlich auch aus dem Gedanken des Aufbaues einer eigenen Alterssicherung, zumal rentenrechtliche Vorschriften u.a. den Bezug einer vorzeitigen Rente wegen Erwerbsminderung von Mindestpflichtversicherungszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung abhängig machen (vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI a.F. und § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997 ab 1. Januar 2001, BGBl. 1997 I S. 2998 und BGBl. 1999 I S. 388; Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 1587 a Rdn. 137, 138). Auch wenn an diesen Wandel der sozialen Verhältnisse vielfach die Vermutung geknüpft werden kann, daß die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach Abschluß der Kindesbetreuungsphase schon in der Ehe angelegt war und damit schon deshalb zur Berücksichtigung des Erwerbseinkommens im Rahmen der Anwendung der Differenzmethode führen kann, vermag diese Überlegung indes nicht die Fälle kinderloser Ehen zu lösen, in denen ein Ehegatte nur den Haushalt geführt und sein eigenes berufliches Fortkommen um der Ehe willen oder im Interesse des beruflichen Einsatzes und der Karriere des anderen Ehegatten - sei es bei Auslandsaufenthalten oder sonstigen Versetzungen - hintangestellt hat. Ein solcher Ehegatte verdient nicht weniger Schutz als ein kindesbetreuender Ehegatte. Auch zeigt sich in diesen Fällen, daß eine Abgrenzung danach, ob die Berufstätigkeit auch ohne die Trennung aufge-
nommen worden wäre, nicht weiterhilft. Die durch die Aufgabe der eigenen Berufstätigkeit entstandenen ehebedingten Nachteile wirken - bei Anwendung der Anrechnungsmethode - auch nachehezeitlich fort, wenn nach der Scheidung, wie nicht selten bei kinderlosen Ehen, eine Berufstätigkeit wieder aufgenommen , aber der Unterhaltsbedarf allein nach dem Einkommen des anderen Ehegatten bemessen wird.
b) Ein anderer Lösungsweg, den Familieneinsatz eines Ehegatten bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wird über eine "Monetarisierung" der Haushaltsführung und Kindesbetreuung gesucht, wobei zum Teil pauschale Festbeträge ohne Rücksicht auf den individuellen Umfang der familienbezogenen Leistungen vorgeschlagen werden (500 DM bis 1.000 DM nach den Bayerischen Leitlinien Nr. 6, s. FamRZ Buch 1 3. Aufl. S. 75; vgl. Gerhardt/Gutdeutsch FuR aaO S. 243; Graba aaO S. 1118, 1121), zum Teil - in Anknüpfung an die Bewertung der Haushaltsführung in sogenannten Konkubinatsfällen analog § 850 h ZPO (vgl. u.a. Senatsurteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 64/82 - FamRZ 1984, 662 m.w.N.) - allgemeine Erfahrungswerte, die zur Bemessung von Schadensersatzrenten bei Verletzung oder Tötung von Hausfrauen entwikkelt wurden (vgl. Born MDR aaO S. 984; Graba aaO S. 1121). Diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch eine Verdoppelung der Bareinkünfte des erwerbstätigen Ehegatten, weil nach der Gleichwertigkeitsregel des § 1360 Abs. 1 Satz 2 BGB die Haushaltsführung der Erwerbstätigkeit gleichzusetzen sei. Zu Recht wird jedoch diese Berechnungsweise mit dem Hinweis darauf verworfen, daß eine solche Verdoppelung nicht der Lebenswirklichkeit entspreche und die Haushaltsführung als eigenständiger Umstand zu beurteilen sei, der die ehelichen Lebensverhältnisse ebenso bestimme wie etwa ein Wohnvorteil im eigenen Heim (vgl. Graba aaO S. 1121). Im übrigen wird gegen die fiktive Monetarisierung eingewandt, daß sie wegen der Unterschiedlichkeit der
Ehetypen nicht praktikabel sei und den jeweiligen individuellen Leistungen des Ehegatten für die Familie nicht angemessen Rechnung trage (vgl. Gerhardt FamRZ 2000 aaO S. 135, 136; zweifelnd auch Borth aaO S. 200; Bienko FamRZ 2000, 13 ff.; Söpper FamRZ 2000, 14 ff.). Auch könne sie die Mehrzahl derjenigen Fälle nicht befriedigend lösen, in denen der haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung etwa wegen Kindesbetreuung oder alters- oder krankheitsbedingt nicht arbeiten kann oder auf dem Arbeitsmarkt keine angemessene Tätigkeit mehr findet. Denn der unterhaltspflichtige Ehegatte werde ihm in solchen Fällen ohnehin nur den Quotenunterhalt nach dem fortgeschriebenen , real zur Verfügung stehenden Einkommen gewähren können. Ein Zugriff auf gegebenenfalls weitere, nicht in der Ehe angelegte Einkünfte des Unterhaltspflichtigen sei nach der Ausrichtung des § 1578 BGB nicht möglich. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen erfordere es nämlich andererseits nicht, die Haushaltsleistungen nachträglich durch die hälftige Beteiligung am verfügbaren Einkommen zu vergüten. Solange daher der haushaltsführende Ehegatte nach Trennung bzw. Scheidung z.B. wegen Kindererziehung, Krankheit oder Alters keine eigenen Einkünfte beziehen könne , verbleibe es bei der Aufteilung des real zur Verfügung stehenden eheprägenden Einkommens. Denn da die lebensstandarderhöhende Haushaltstätigkeit mit der Scheidung weggefallen und kein an deren Stelle tretendes Ersatzeinkommen vorhanden sei, müßten beide Ehegatten in gleicher Weise die trennungsbedingte Verschlechterung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse hinnehmen (vgl. Borth aaO S. 200; Graba aaO S. 1117, 1118).
c) Einer abschließenden Entscheidung zur Frage der Notwendigkeit einer Monetarisierung der Haushaltstätigkeit bedarf es indessen nicht. Jedenfalls in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte - wie hier - nach der Scheidung ein Einkommen erzielt oder erzielen kann, welches gleichsam als
Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Tätigkeit angesehen werden kann, ist dieses Einkommen in die Unterhaltsberechnung nach der Differenzmethode einzubeziehen. Das knüpft an die Überlegung an, daß die während der Ehe erbrachte Familienarbeit den ehelichen Lebensstandard geprägt und auch wirtschaftlich verbessert hat und als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Leistung anzusehen ist, und trägt dem Grundsatz Rechnung, daß der in dieser Weise von beiden Ehegatten erreichte Lebensstandard ihnen auch nach der Scheidung zu gleichen Teilen zustehen soll. Nimmt der haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert er sie über den bisherigen Umfang hinaus, so kann sie als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden. Der Wert seiner Haushaltsleistungen spiegelt sich dann in dem daraus erzielten oder erzielbaren Einkommen wider, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Karriereentwicklung abgesehen. Insofern bildet § 1578 BGB - ebenso wie bei unerwarteten Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen - auch eine Begrenzung für die Bedarfsbemessung. Aus dieser Sicht erscheint es gerechtfertigt, dieses Einkommen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen und in die Differenzrechnung einzustellen. Damit ist gewährleistet, daß - ebenso wie früher die Familienarbeit beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugute kam - nunmehr das beiderseitige Einkommen zwischen ihnen nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe geteilt wird. Eine wirtschaftliche Benachteiligung des unterhaltspflichtigen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten tritt durch die Differenzmethode nicht ein, zumal eine Entlastung durch die zeitliche Begrenzung des Unterhalts gemäß den §§ 1573 Abs. 5 und 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich ist. Es wird lediglich vermieden, daß - wie es bei der Anrechnungsmethode der Fall wäre - zu Lasten des haushaltsführenden Ehegatten eine Be-
rücksichtigung seines Einkommens bei der Bedarfsbemessung unterbleibt und nur der unterhaltspflichtige Ehegatte einseitig entlastet wird (Borth aaO S. 200, 201; derselbe in Schwab/Borth aaO Rdn. 945; Gerhardt in Handbuch Familienrecht aaO Rdn. 403 d; Büttner FamRZ 1999, aaO 896; derselbe FamRZ 1984, aaO S. 538; im Ergebnis ebenso Graba aaO S. 1119; Laier aaO S. 393; Born FamRZ 1999, aaO S. 548). 8. Die vom Oberlandesgericht gewählte Lösung, ein Ersatzeinkommen der Klägerin in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, entspricht im Ergebnis diesem Ansatz. Daß es dabei statt der Differenz- die Additionsmethode gewählt hat, macht keinen Unterschied, da hier beide Berechnungsweisen zum selben Ergebnis führen. Die Additionsmethode hat lediglich den Vorzug der besseren Verständlichkeit gegenüber der verkürzenden Differenzmethode. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Aufteilung des erzielbaren Erwerbseinkommens von monatlich 1.291 DM in einen Anteil von 1/3 als prägendes Einkommen (= 430 DM), welches dem früheren prägenden Einkommen der Klägerin aus der Fußpflegetätigkeit entsprechen soll, und von 2/3 als Ersatzeinkommen für die Haushaltsführung (= 861 DM) führt zu keiner Abweichung, weil das gesamte jetzt erzielte Erwerbseinkommen an die Stelle des Wertes der Haushaltsführung tritt. 9. Daß das Oberlandesgericht auch die Zinseinkünfte der Klägerin in Höhe von monatlich 407 DM als Ersatzeinkommen berücksichtigt hat, die sie aus dem nach Verkauf des Hauses und nach Ablösung von Schulden und der Zugewinnausgleichszahlung an den Beklagten verbliebenen Restkapital erzielen kann, ist in der Sache zutreffend. Während der Ehe waren die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt durch das mietfreie Wohnen im Haus der Klägerin, so daß sich der eheangemessene Bedarf grundsätzlich auch
durch die daraus gezogenen Nutzungsvorteile erhöhte. Mit dem Verkauf des Hauses nach der Scheidung sind diese Nutzungsvorteile jedoch für beide Ehegatten entfallen, so daß ein (fiktiver) Ansatz des Wohnvorteils nicht mehr in Betracht kommt. Diese Einbuße muß von beiden Ehegatten getragen werden (vgl. Senatsurteil vom 11. April 1990 - XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989, 991 f.; Graba aaO S. 1120). Verblieben sind allerdings auf Seiten der Klägerin die Zinsvorteile aus dem Verkaufserlös, die an die Stelle des Nutzungsvorteils getreten sind und daher mit in die Differenz- bzw. - nach der Berechnungsweise des Oberlandesgerichts - in die Additionsmethode einzubeziehen sind (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. a. 13. Deutscher Familiengerichtstag 1999, Beschlüsse Arbeitskreis 3 zu III, Brühler Schriften zum Familienrecht).
Danach hält die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht festgestellten Einkünfte, gegen die die Parteien im Revisionsverfahren keine Einwände erhoben haben, im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Blumenröhr Hahne Gerber Weber-Monecke Fuchs
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der 1949 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage Abänderung eines zugunsten seiner von ihm geschiedenen und am 2. Juni 2013 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) titulierten Unterhaltsanspruchs. Aus der 1977 geschlossenen Ehe sind die 1979 und 1981 geborenen Söhne hervorgegangen ; diese haben als Erben der Ehefrau den Rechtsstreit aufgenommen (im Folgenden: Beklagte).
- 2
- Nach ihrer Trennung im Jahr 1991 schlossen die Eheleute am 19. September 1996 einen notariellen Vertrag (im Folgenden: Ehevertrag), in dem sie neben einer umfassenden Vermögens- und güterrechtlichen Auseinandersetzung den Unterhalt der Ehefrau regelten.
- 3
- In Ziffer VII. des Ehevertrages vereinbarten die Eheleute, dass die Ehefrau 50 % der bereinigten Einnahmen aus der Zahnarztpraxis des Klägers als Unterhalt erhalten sollte. Mit Wegfall der Unterhaltsverpflichtung den Kindern gegenüber sollte sich die Quote auf 40 % verringern, wobei die Unterhaltszahlung lebenslang erfolgen und eigenes Erwerbseinkommen der Ehefrau - anders als Renteneinkommen - nicht auf die Unterhaltsleistung angerechnet werden sollte.
- 4
- Nachdem die Ehe auf den im Jahr 1998 zugestellten Scheidungsantrag im Jahr 1999 geschieden worden war, verurteilte das Berufungsgericht den Kläger zuletzt auf der Grundlage des vorgenannten Vertrages, an die Ehefrau ab Januar 2004 monatlich 2.810,83 € zu zahlen.
- 5
- Der Abänderungsklage, mit der der Kläger eine Herabsetzung und Befristung des Unterhalts begehrt, hat das Amtsgericht in Anbetracht des weggefallenen Kindesunterhalts insoweit stattgegeben, als er ab 1. April 2008 an die Ehefrau 2.248,66 € monatlich zu zahlen hat. Die hiergegen von den Parteien jeweils eingelegten Berufungen und den vom Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrag hat das Berufungsgericht im Wesentlichen zurückgewiesen.
- 6
- Der Senat hat mit Urteil vom 25. Januar 2012 (XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers für die Zeit ab dem 8. April 2008 zurückgewiesen und seine Feststellungsklage abgewiesen worden ist.
- 7
- Nachdem im Oktober 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden war, hat das Berufungsgericht das Verfahren für die Zeit vom 8. April 2008 bis 31. Oktober 2011 gemäß § 240 ZPO als unterbrochen angesehen. Im Übrigen hat es die Berufung für die Zeit ab 1. November 2011 durch Teilurteil erneut zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Mit ihr begehrt er nunmehr eine Reduzierung des titulierten Unterhalts für die Zeit bis zum Tod der Ehefrau auf 350 € monatlich.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist teilweise begründet.
A.
- 9
- Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 10
- Auch bei Anwendung des § 1578 b Abs. 2 i.V.m. § 313 BGB sei der Unterhalt der Ehefrau nicht zu befristen. Sie habe erhebliche, nicht mehr zu kompensierende ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten. Die Ehefrau habe ihren bereits drei Jahre lang ausgeübten Beruf als Bankkauffrau zu Beginn der Ehe im Alter von 23 Jahren aufgegeben. Ihre fehlende Berufspraxis von nahezu 30 Jahren habe sie nicht mehr aufholen können. Wäre sie weiterhin in ihrem Berufsfeld tätig geblieben, hätte sie mittlerweile eine zumindest mittlere Position in diesem Berufsfeld bekleiden können, während sie nunmehr aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters lediglich geringfügig qualifiziert mit entsprechend niedrigem Einkommen tätig sein könnte.
- 11
- Allerdings sei der Unterhalt nach § 1578 b Abs. 1 BGB gemäß § 313 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, nachdem der Kläger nahezu zwölf Jahre lang Ehegattenunterhalt orientiert an den ehelichen Lebensverhältnissen habe zahlen müssen. Maßgeblich sei dabei das Einkommen, das die Ehefrau ohne die ehebedingten Nachteile jetzt erzielen könnte und zwar als Bankkauffrau in mittlerer Position. Nach dem ab 1. Juli 2012 gültigen Tarifvertrag für das private und öffentliche Bankgewerbe müsse bei ihr von einem Monatsdurchschnittsnettoeinkommen - bereinigt um die Werbungskostenpauschale von 5 % - von etwa 1.950 € ausgegangen werden.
- 12
- Darauf, dass die Ehefrau in der Lage sei, ein Erwerbseinkommen von bis zu 800 € netto zu erzielen, komme es nicht an. Denn Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit sei auf den eigenangemessenen Bedarf nicht bedarfsmindernd anzurechnen. Zwar werde der Unterhaltsanspruch der Ehefrau über § 313 BGB unter Heranziehung des neuen Unterhaltsrechtes auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Andererseits sei der Ehevertrag über § 313 BGB nur insoweit an die neue Rechtslage anzupassen, als sie gegenüber der damals geltenden Rechtslage zu einer anderen Beurteilung führe. Dies sei hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit der Ehefrau jedoch nicht der Fall. Nach damaliger Rechtslage wäre nach der Anrechnungsmethode erzieltes oder erzielbares Einkommen auf den zugebilligten Unterhaltsbedarf anzurechnen gewesen. Hiervon hätten die vertragsschließenden Parteien jedoch abgesehen, da nach dem Ehevertrag eigenes Einkommen der Ehefrau "durch Erwerbstätigkeit" auf die Unterhaltsleistung nicht angerechnet werden solle. Weil sich die Rechtslage insoweit mit Ausnah- me des Wechsels von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode nicht verändert habe, könne eine Vertragsanpassung auch über § 313 BGB nicht zu einer Anrechnung jetziger Erwerbseinkünfte und erst recht nicht zur Anrechnung fiktiver Erwerbseinkünfte führen.
- 13
- Allerdings sei der Ehefrau wegen des mietfreien Wohnensein objektiver Mietwert von 800 € anzurechnen. Damit reduziere sich der angemessene, nicht gedeckte Unterhaltsbedarf der Ehefrau auf 1.150 €.
- 14
- Diesem Betrag sei der Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe eines Beitrages für eine private Krankenversicherung entsprechend dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, mithin der Basistarif, zuzurechnen. Gleiches gelte für den Pflegeversicherungsbedarf. Dies ergebe sich nicht nur aus § 1578 Abs. 2 BGB, sondern auch aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs des ehebedingten Nachteils nach § 1578 b BGB. Denn die Ehefrau wäre ohne den ehebedingten Ausstieg aus dem Berufsleben gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Der angemessene Unterhaltsbedarf der Ehefrau erhöhe sich daher um Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € bzw. 535 €.
- 15
- Weiterhin sei ihr ein Mehrbedarf als Altersvorsorgebedarf in Höhe des Rentenversicherungsaufwands zuzubilligen. Bei einem ohne den ehebedingten Nachteil erzielbaren Bruttoeinkommen von 40.534 € wäre dies mit einem Rentenversicherungsbeitrag von 19 % ein monatlicher Betrag von 642 €.
- 16
- Damit ergebe sich insgesamt ein noch geschuldeter Unterhalt, der über dem vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 2.248,66 € monatlich liege, weshalb die Berufung des Klägers nicht durchdringen könne.
- 17
- In Höhe dieses Unterhalts sei Leistungsfähigkeit des Klägers (§ 1581 BGB) zumindest zu unterstellen. Es sei nicht ersichtlich, warum zugunsten des Klägers nunmehr von einem geringeren Gewinn vor Steuern als im Durchschnitt für die Jahre 2004 bis 2007 mit 244.781 € ausgegangen werden solle. Insbesondere die vom Kläger konstruierte Praxisgemeinschaft mit der GmbH seiner jetzigen Ehefrau könne dies nicht begründen. Der Kläger sei nach wie vor allein Leistungsträger dieser Praxisgemeinschaft. Die unterschiedliche Verteilung der Kosten zwischen der GmbH und ihm als niedergelassenem Kassenarzt lasse nur aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung sein zahnärztliches Einkommen geschmälert erscheinen, während die GmbH erhebliche Gewinne erziele. Diese vertragliche Gewinnverlagerung zugunsten seiner jetzigen Ehefrau könne eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen. Die Umsatzund Gewinnzahlen für 2009 sowohl des Klägers selbst als auch der Praxisgemeinschaft zeigten, dass ohne die gewählte und damit unbeachtliche Gewinnverlagerung von einer zumindest gleichen Einkommenssituation wie in den Vorjahren auszugehen sei. Auch könne die Tatsache, dass mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht begründen, da nicht nachvollziehbar sei, wie es bei der dargestellten Ertragslage der Praxis zu dieser Insolvenz habe kommen müssen. Jedenfalls habe der Kläger nicht vorgetragen , dass die Insolvenz unvermeidbar gewesen sei. Wenn der Kläger durch Ansparabschreibungen vorübergehend seine Steuerlast reduziert habe, um damit seine Liquidität zu erhöhen, so könne er die Belastung aus den erhöhten Steuernachforderungen bei Auflösung der Ansparabschreibungen dem Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht entgegenhalten, da bei der Bemessung dieses Unterhaltsanspruchs bereits von der regelmäßigen und nicht reduzierten Steuerlast ausgegangen worden sei.
B.
- 18
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
I.
- 19
- Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht und ist mithin nach § 323 ZPO aF zu beurteilen (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 19 mwN).
II.
- 20
- Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Verfahren hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche der Ehefrau für die Zeit ab 1. November 2011 nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist; Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils ergeben sich nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 170/06 - MDR 2012, 180 Rn. 15 mwN).
III.
- 21
- Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht von einer Befristung des Unterhalts abgesehen und den Bedarf der Ehefrau auf ihren angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht erzielbares Erwerbseinkommen der Ehefrau nicht auf ihren Bedarf angerechnet und den Kläger für leistungsfähig erachtet hat. Demgegenüber ist die Behandlung des Vorsorgeunterhalts nicht rechtsbedenkenfrei.
- 22
- 1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der titulierte Unterhaltsanspruch der Ehefrau aus dem Ehevertrag von 1996 im Rahmen der vom Kläger erhobenen Abänderungsklage einer Anpassung nach § 313 BGB unter Berücksichtigung der Regelungen des § 1578 b BGB unterliegt, wird von den Parteien nicht angegriffen und ist im Ergebnis auch sonst revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 49 f.; s. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senatsbeschluss vom 11. Februar 2015 - XII ZB 66/14 - zur Veröffentlichung bestimmt
).
- 23
- 2. Dagegen, dass das Berufungsgericht eine Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB abgelehnt hat, weil der Ehefrau ehebedingte Nachteile entstanden seien, ist revisionsrechtlich ebenfalls nichts zu erinnern; dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
- 24
- a) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB ist bei der Billigkeitsabwägung, ob der nacheheliche Unterhalt zu befristen ist, vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Liegen ehebedingte Nachteile vor, scheidet eine Befristung des Unterhalts regelmäßig aus (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 50 mwN).
- 25
- b) Das Berufungsgericht hat solche Nachteile in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Es hat namentlich darauf abgestellt, dass die Ehefrau ehebedingt ihre Berufstätigkeit als Bankkauffrau eingestellt hat und sie wegen ihrer Berufspause von nahezu 30 Jahren nur noch in einer geringfügig qualifizierten Beschäftigung tätig sein kann, während sie bei ununterbrochener Beschäftigung in ihrem Berufsfeld zumindest eine mittlere Position einnehmen könnte.
- 26
- 3. Es liegt im Rahmen rechtsfehlerfreier Ermessensausübung des Tatrichters , dass das Berufungsgericht den unterhaltsrechtlichen Bedarf der Ehefrau im Wege des § 313 i.V.m. § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Gegen diese für den Kläger günstige Würdigung werden seitens der Beklagten im Übrigen keine Einwendungen erhoben.
- 27
- Zwar erlaubte § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon bei Abschluss des Ehevertrages im Jahre 1996 eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf. Bei langer Ehedauer wurde von der Herabsetzung allerdings regelmäßig kein Gebrauch gemacht (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 21 und Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 17 zum Krankheitsunterhalt). Mit § 1578 b BGB hat der Gesetzgeber zudem die bis dahin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände ebenfalls in die Befristungsmöglichkeit einbezogen. Auch insoweit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder auch alternativ möglichen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den Unterhalt zu begrenzen, stellt sie jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 21 mwN).
- 28
- 4. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf den festgestellten Bedarf im Hinblick auf die Anrechnungsregelungen im Ehevertrag kein (fiktives) Einkommen der Ehefrau angerechnet hat.
- 29
- a) Bei der Anpassung an die veränderten Verhältnisse muss die Grundlage der Vereinbarung möglichst beibehalten werden, für die in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 784). Deshalb ist im Rahmen der Prüfung des § 1578 b BGB von den Regelungen des notariellen Vertrages auszugehen, die bei einer etwaigen Abänderung hieran anzupassen sind (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 51).
- 30
- b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Es verweist auf den Ehevertrag, nach dem zwar das Renteneinkommen der Ehefrau, nicht aber eigenes Erwerbseinkommen auf die Unterhaltsleistung angerechnet wird (Ziffer VII. 3. und 4. EV). Zu Recht nimmt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die damalige Rechtslage Bezug, wonach Erwerbseinkommen - ohne eine solche Regelung - auf den Unterhalt anzurechnen war (so genannte Anrechnungsmethode, s. etwa Senatsurteil BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986, 988). Daraus folgt, dass sich die Ehegatten bereits damals insoweit von der Gesetzeslage gelöst haben, als der Ehefrau ihr Erwerbseinkommen anrechnungsfrei verbleiben sollte. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen.
- 31
- 5. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den auf 800 € monatlich geschätzten Wohnvorteil auf den Bedarf der Ehefrau angerechnet. Diese Behandlung (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 17) ist für den Kläger vorteilhaft und wird auch von den Beklagten hingenommen.
- 32
- 6. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht allerdings bei der Berücksichtigung des Vorsorgeunterhalts. Weder hat es diesen im Tenor gesondert ausgewiesen, noch ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils, aus welchen konkreten Beträgen sich dieser im Rahmen des zugesprochenen Unterhalts zusammensetzt.
- 33
- a) Zwar gehören zum Lebensbedarf des Berechtigten gemäß § 1578 Abs. 2 und Abs. 3 BGB dem Grunde nach auch die Kosten für die entsprechenden Versicherungen. Dabei kann der Unterhaltsberechtigte auch im Falle einer Herabsetzung seines Bedarfs auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsorgeunterhalt beanspruchen (vgl. zum Altersvorsorgeunterhalt Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 18 mwN).
- 34
- Weil etwaiges Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit nach der Vereinbarung der Parteien nicht anzurechnen ist und sie deshalb keine Erwerbsobliegenheit trifft, kann sie - entgegen der Auffassung der Revision - auch im Rahmen eines von ihr erzielbaren Einkommens nicht fiktiv so gestellt werden , als wäre damit auch ihr Vorsorgebedarf in entsprechender Höhe gedeckt.
- 35
- b) Das Berufungsgericht hat es indes verabsäumt, den Vorsorgeunterhalt im Tenor gesondert auszuweisen.
- 36
- Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Zweckbindung des Vorsorgeunterhalts, dass der darauf entfallende Betrag im Entscheidungssatz des Urteils besonders auszuweisen ist und der Unterhaltsberechtigte den ihm zustehenden Gesamtunterhalt nicht nach freiem Ermessen auf den Elementar - und Vorsorgeunterhalt verteilen darf sowie den letzteren zweckbestimmt zu verwenden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ 1982, 1187, 1188). Damit und mit den - für den Fall der Zweckentfrem- dung - einhergehenden Sanktionen soll sichergestellt werden, dass der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt zweckentsprechend verwendet (Wendl/ Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 868 ff., 924 ff. und 927).
- 37
- c) Schließlich lässt sich auch der Begründung der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen, aus welchen konkreten Beträgen sich der zuerkannte Vorsorgeunterhalt zusammensetzt.
- 38
- Das Berufungsgericht ist für die Zeit bis einschließlich Dezember 2012 von einem Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € sowie einem Altersvorsorgebedarf von 642 € monatlich ausgegangen. Für die Zeit ab Januar 2013 hat das Berufungsgericht den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf auf 535 € erhöht. Damit liegt der Vorsorgebedarf unter Hinzurechnung des Elementarunterhaltsbedarfs von 1.150 € mit insgesamt 2.302 € bzw. 2.327 € aber über dem zuerkannten Gesamtunterhalt von 2.248,66 €. Deshalb hätte klargestellt werden müssen, welcher konkrete Teil des Vorsorgeunterhalts auf den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf und welcher auf den Altersvorsorgebedarf entfällt (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 35. Aufl. § 253 Rn. 9 mwN).
- 39
- 7. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Leistungsfähigkeit und die hierzu von ihm getroffenen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen , wonach der Kläger hinsichtlich des im Streit stehenden Unterhaltsbetrags als leistungsfähig im Sinne von § 1581 BGB anzusehen sei, halten sich im Rahmen der Senatsrechtsprechung (s. etwa Senatsurteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815, 817).
IV.
- 40
- Hinsichtlich des im Tenor ausgewiesenen Unterhaltsbetrags kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden, weil dieser Betrag den Beklagten in jedem Falle als Elementarunterhalt zusteht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 35/09 - FamRZ 2012, 945). Allerdings ist im Tenor klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Unterhaltspflicht gemäß § 1586 Abs. 1 BGB mit dem Tod der Ehefrau am 2. Juni 2013 ihr Ende gefunden hat.
- 41
- Im Übrigen ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht abschließend entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 02.07.2008 - 511 F 938/08 UE -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.04.2013 - 2 UF 208/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
A.
- 1
- Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Die beiden jeweils im Jahr 1946 geborenen Beteiligten schlossen im Mai 1970 die Ehe, aus der ein im November 1970 geborener Sohn hervorgegangen ist. Im August 1981 trennten sich die Beteiligten und wurden auf einen im Oktober 1981 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 21. Februar 1983 rechtskräftig geschieden. In dem Verbundurteil wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Der gemeinsame Sohn lebte zunächst bei der Antragsgegnerin und ab April 1983 beim Antragsteller, der dann bis 1991 in zweiter Ehe verheiratet war und inzwischen in dritter Ehe verheiratet ist.
- 3
- Der von den Beteiligten im Scheidungstermin geschlossene Unterhaltsvergleich , nach dem der Antragsteller 600 DM monatlichen Unterhalt zu bezahlen hatte, wurde mit Urteil des Amtsgerichts vom 16. Oktober 1984 auf einen monatlichen Zahlbetrag von 792,12 DM abgeändert. Nachdem die Antragsgegnerin ab August 1990 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog, änderte das Amtsgericht auf ihren Antrag mit Urteil vom 22. Juni 1993 den vom Antragsteller monatlich zu zahlenden Unterhaltsbetrag auf 1.543 DM - bestehend aus 1.231 DM Elementarunterhalt und 312 DM Altersvorsorgeunterhalt - ab, weil die Antragsgegnerin wegen Krankheit nicht erwerbstätig sein könne.
- 4
- Der Antragsteller war als Beamter bei der Bundeswehr beschäftigt und befindet sich seit dem 1. Mai 2011 im Altersruhestand. Sein monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf rund 2.300 €, wobei seine Versorgungsbezüge aufgrund des zugunsten der Antragsgegnerin durchgeführten Versorgungsausgleichs um rund 275 € und aufgrund des zugunsten seiner zweiten Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs um rund 100 € gekürzt sind.
- 5
- Die Antragsgegnerin arbeitete vor der Ehe ab April 1965 als ausgebildete Krankenschwester in verschiedenen Krankenhäusern und leitete dabei zeitweise auch eine Station. Während der Ehe führte sie im Wesentlichen den Haus- halt und kümmerte sich um den gemeinsamen Sohn der Beteiligten. Das von der Antragsgegnerin vor der Ehe bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erworbene Versorgungsanrecht ließ sie sich während der Ehezeit auszahlen. Nach der Trennung vom Antragsteller war sie in verschiedenen Teilzeitstellen und ab 1989 bis zum Eintritt der vollständigen Erwerbsunfähigkeit (Mitte 1990) in Vollzeit als Krankenschwester in einer Augenambulanz tätig. Sie bezog zuletzt eine Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich rund 850 € und ab Januar 2012 eine Altersrente in gleicher Höhe, die sich ab Juli 2012 auf knapp 880 € erhöht hat. Hinzu kommt eine durch die VBL gezahlte Zusatzrente von monatlich rund 100 €. Weiter erhält die Antragsgegnerin seit Januar 2012 aus einem Sparvertrag, den sie überwiegend aus dem vom Antragsteller gezahlten Vorsorgeunterhalt angespart hat, befristet bis ins Jahr 2033 monatlich 320 €. In einen Anschlusssparvertrag zahlt sie monatlich 45 € ein. Schließlich bezieht sie aus einer privaten Rentenversicherung (bis Ende 2011 bespart aus dem Vorsorgeunterhalt), in die sie bis Ende Juni 2012 monatlich rund 30 € eingezahlt hat, seit Juli 2012 weitere rund 50 € monatlich.
- 6
- Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller beantragt, das Urteil des Amtsgerichts vom 22. Juni 1993 dahingehend abzuändern, dass er ab seinem Eintritt in den Ruhestand und damit mit Wirkung ab dem 1. Mai 2011 nicht mehr zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet sei. Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen für eine Befristung gemäß § 1578 b BGB bejaht und dem Begehren des Antragstellers in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung teilweise abgeändert und den vom Antragsteller zu zahlenden Ehegattenunterhalt auf Monatsbeträge von 500 € für den Zeitraum Mai bis Dezember 2011, von 286 € für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 und von 205 € ab Juli 2012 begrenzt.
- 7
- Hiergegen wenden sich beide Beteiligte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Während der Antragsteller die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehrt, erstrebt die Antragsgegnerin höhere Monatsbeträge (600 € von Mai bis Juli 2011, 423,59 € von Januar bis Juni 2012 und 343,47 € ab Juli 2012).
B.
- 8
- Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet und führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin bleibt hingegen ohne Erfolg.
I.
- 9
- Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Belang - im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 10
- Das Abänderungsbegehren des Antragstellers sei teilweise begründet. Für die Monate Mai bis Dezember 2011 ergebe sich mit knapp 740 € allerdings rein rechnerisch kein wesentlich geringerer Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin als die bislang titulierten rund 790 € monatlich. Anders liege es für die Zeit ab Januar 2012, weil wegen des Eintritts der Antragsgegnerin in die Altersrente kein Vorsorgeunterhaltsanspruch mehr bestehe und sie Beträge aus dem angelegten Altersvorsorgeunterhalt erhalte. Der Antragsteller verfüge unter Hinzurechnung des nicht eheprägenden Versorgungsausgleichs zugunsten der zweiten Ehefrau über ein bereinigtes Pensionseinkommen von knapp 2.400 € mo- natlich. Auf Seiten der Antragsgegnerin seien neben ihren Einkünften aus der gesetzlichen Rente, aus der VBL-Versorgung und aus der Privatrente auch die Einkünfte aus dem Sparvertrag zu berücksichtigen, Letztere jedoch nur insoweit , als sie auf dem Vorsorgeunterhalt beruhten. Für das erste Halbjahr 2012 ergebe sich mithin ein monatlicher Unterhaltsbedarf von rund 607 € und ab Juli 2012 von rund 557 €.
- 11
- Mit seinem auf eine Befristung gerichteten Begehren sei der Antragsteller nicht präkludiert. Das Urteil aus dem Jahr 1993 spreche der Antragsgegnerin allein einen Anspruch auf Krankheitsunterhalt zu, der vor Einführung des neuen Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 nicht der Befristung unterlegen habe und gemäß § 1578 b BGB zeitlich begrenzt und/oder herabgesetzt werden könne. Den bedeutsamsten Aspekt dafür bildeten die in der Gesetzesbestimmung konkretisierten ehebedingten Nachteile.
- 12
- Die Erkrankung der Antragsgegnerin sei ebenso wenig ehebedingt wie ihre vorzeitige Verrentung. Der Antragsteller habe aber den ihm obliegenden Beweis, dass die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten habe, nicht geführt. Ein solcher Nachteil liege allerdings nicht darin, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und die Auszahlung des vorehelichen Versorgungsanrechts der Antragsgegnerin bei der VBL einen geringeren Rentenanspruch bewirkten, weil dies mit dem durchgeführten Versorgungsausgleich als abgegolten anzusehen sei. Ein ehebedingter Nachteil könne jedoch dann vorliegen, wenn die Rente der Antragsgegnerin wegen der zeitweiligen Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge Kindererziehung und Haushaltsführung geringer sei und dies nicht als mit dem Versorgungsausgleich ausgeglichen anzusehen wäre.
- 13
- Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin bei gleichem Krankheitsverlauf und vorausgegangener durchgängiger vollschichtiger Erwerbstätigkeit eine höhere Rente hätte. Sie habe schlüssig vorgetragen, dass sie ohne die ehebedingte Aufgabe der Erwerbstätigkeit eine Karriereentwicklung bis zur Stationsschwester und zudem den Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe erreicht hätte. Aus dieser wäre dann ihre Rente berechnet worden. Zwar habe sie sich in ihren im Verfahren vorgelegten Berechnungen auf den Zeitraum ab 1981 beschränkt. Bei der Frage, inwieweit die ehebedingten Nachteile durch den Versorgungsausgleich und die aus dem Vorsorgeunterhalt resultierenden Renten kompensiert seien, müsse jedoch auch auf den Zeitraum von April 1965 bis Ende 1980 abgestellt werden, der die Anzahl der umlagefähigen Monate erhöhe. Unter Berücksichtigung dieser gesamtversorgungsfähigen Zeit und der ohne Ehe erreichbaren Vergütungsgruppe ergebe sich eine fiktive Gesamtnettoversorgung der Antragsgegnerin von monatlich rund 1.500 €. Stelle man dem die tatsächlichen Bezüge aus gesetzlicher Rente und Zusatzrente gegenüber, ergebe sich ein ehebedingter Nachteil von rund 500 € monatlich. Dieser werde teilweise durch die aus dem Vorsorgeunterhalt finanzierten Privatrenten kompensiert, so dass der Nachteil sich ab Januar 2012 auf 286 € und ab Juli 2012 auf 205 € verringere und in dieser Höhe auf Dauer verbleibe.
- 14
- Als weitere Billigkeitskriterien des § 1578 b BGB seien die Ehedauer (elf Jahre und vier Monate), die knapp zwölfeinhalbjährige Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes und die Ausgestaltung als Haushaltsführungsehe zu beachten. Gleiches gelte für den hier eingreifenden besonderen Vertrauenstatbestand des § 36 Nr. 1 EGZPO, wobei die Antragsgegnerin jedoch - abgesehen von den im Vertrauen auf den Vorsorgeunterhalt abgeschlossenen Sparverträgen - nicht substanziiert vorgetragen habe, dass sie nicht rückgängig zu machende finanzielle Dispositionen getroffen habe. Zu berücksichtigen sei außer- dem einerseits, dass der Antragsteller seit der Scheidung rund 28 Jahre Unterhalt gezahlt habe. Andererseits stehe ihm aber keine schlechte Altersversorgung zur Verfügung, so dass die Einkommensdifferenz zwischen den Beteiligten ganz erheblich sei, wobei dies zum Teil auf den unterschiedlichen Ausbildungen beruhe. Insgesamt entspreche die Herabsetzung des Unterhalts auf die zur Kompensation des ehebedingten Nachteils erforderlichen Beträge der Billigkeit.
II.
- 15
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Rahmen der vom Antragsteller erhobenen Rechtsbeschwerde nicht stand, während die Angriffe der Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin nicht durchgreifen.
- 16
- 1. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht das Abänderungsbegehren des Antragstellers als gemäß § 238 FamFG zulässig erachtet und insbesondere eine Präklusion nach § 238 Abs. 2 FamFG verneint.
- 17
- a) Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin im Urteil vom 22. Juni 1993, dessen Abänderung der Antragsteller begehrt, nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit zugesprochen. Nachdem es dabei von vollständiger Erwerbsunfähigkeit der Antragsgegnerin ausgegangen war, ergab sich der Anspruch allein aus § 1572 BGB (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 10 mwN). Seit Januar 2012 richtet sich der Unterhaltsanspruch allein nach § 1571 BGB, nachdem die Antragsgegnerin nunmehr altersbedingt nicht mehr erwerbstätig ist (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 19).
- 18
- b) Der Antragsteller kann sich für die Möglichkeit, den der Antragsgegnerin im Jahr 1993 zugesprochenen Unterhalt gemäß § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB herabzusetzen und zu befristen, hinsichtlich beider Unterhaltstatbestände in zulässiger Weise auf eine Änderung der Rechtslage durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) berufen, so dass § 238 Abs. 2 FamFG der Zulässigkeit seines Abänderungsantrags nicht entgegen steht (zum Krankheitsunterhalt: Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 16 f.; zum Altersunterhalt: Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 20 f.).
- 19
- 2. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Ermittlung des der Antragsgegnerin rechnerisch zustehenden Unterhaltsanspruchs ist nicht frei von Rechtsfehlern, worauf die angefochtene Entscheidung jedoch nicht beruht.
- 20
- a) Nicht zu beanstanden - und von der Rechtsbeschwerde des Antragstellers auch nicht in Zweifel gezogen - ist, dass das Oberlandesgericht die durch den zugunsten der zweiten Ehefrau des Antragstellers durchgeführten Versorgungsausgleich erfolgte Einkommensminderung als nicht eheprägend angesehen und das im Rahmen der Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) anzusetzende Einkommen des Antragstellers daher entsprechend erhöht hat. Die aufgrund dieses Versorgungsausgleichs gemäß § 57 BeamtVG eintretende Kürzung der dem Antragsteller ausgezahlten Pension ist allein im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 23 mwN).
- 21
- b) Rechtlich unzutreffend ist hingegen die im angegriffenen Beschluss erfolgte Behandlung der Einkünfte aus dem Sparvertrag in Höhe von monatlich 320 € für die Berechnung des Unterhalts ab Januar 2012. Denn das Oberlan- desgericht hat nur den Anteil der Privatrente als eheprägend angesehen, der auf den vom Antragsteller gezahlten Vorsorgeunterhalt zurückgeht, und ist lediglich insoweit nach der Differenzmethode vorgegangen.
- 22
- Dem angegriffenen Beschluss lässt sich aber schon keine durchgreifende Begründung entnehmen, weshalb es sich nicht auch bei dem nicht auf den Vorsorgeunterhalt zurückzuführenden Teil der Privatrente - nach Auffassung des Oberlandesgerichts rund 32 € - um eheprägendes Einkommen handeln soll. Allein der Umstand, dass dieser Rententeil aus anderen Mitteln als dem Vorsorgeunterhalt erwirtschaftet wurde, rechtfertigt diese Annahme nicht.
- 23
- Im Übrigen ist die Entscheidung auch deswegen fehlerhaft, weil das Oberlandesgericht den nach seiner Auffassung nicht eheprägenden Teil der Privatrente in einem zweiten Schritt gemäß § 1577 Abs. 1 BGB jedenfalls als die Bedürftigkeit mindernde Einkünfte der Antragsgegnerin hätte berücksichtigen müssen (vgl. Staudinger/Verschraegen BGB [2014] § 1577 Rn. 8 f.; Gutdeutsch in Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 934; BeckOK BGB/Beutler [Stand: 1. Februar 2014] § 1577 Rn. 6; jurisPK-BGB/Clausius [Stand: 12. Juni 2013] § 1577 Rn. 16; Kleffmann/ Klein/Eder Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1577 Rn. 6, 11). Dass es sich insoweit um überobligationsmäßig erzielte Einkünfte handelt (vgl. dazu etwa BGHZ 162, 384, 395 ff. = FamRZ 2005, 1154, 1157 f.), ist nicht ersichtlich.
- 24
- Allerdings liegt der rechnerische Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin für den Zeitraum ab Januar 2012 jedenfalls deutlich über den vom Oberlandesgericht insoweit letztlich der Antragsgegnerin als monatlicher Unterhalt zugesprochenen Beträgen. Der Fehler hat sich mithin im Ergebnis nicht zu Lasten des Antragstellers auf die Beschwerdeentscheidung ausgewirkt, weil das Ober- landesgericht der Antragsgegnerin ohnehin nur einen geringeren Unterhalt zugesprochen hat, als er sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen ergäbe.
- 25
- c) Die dem angegriffenen Beschluss ersichtlich zugrunde liegende Annahme , der Antragsteller sei im Umfang des zugesprochenen Unterhalts hinreichend leistungsfähig, ist weder von der Rechtsbeschwerde angegriffen noch sonst erkennbar rechtsfehlerhaft.
- 26
- 3. Aus Rechtsgründen keinen Bestand haben die Erwägungen des Oberlandesgerichts zur Frage der Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung (§ 1578 b Abs. 1 und 2 BGB) des Anspruchs der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt.
- 27
- a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Gemäß § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 12 und vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 18).
- 28
- b) Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung (§ 1356 BGB) während der Ehe entstanden sind. Sie können sich etwa dann ergeben, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Wird hingegen die Ehegestaltung für einen Erwerbsnachteil nicht ursächlich, so ist er nicht ehebedingt (Senatsbeschluss vom 13. März 2013 - XII ZB 650/11 - FamRZ 2013, 935 Rn. 36 mwN). Erkrankungsbedingte Einkommensausfälle sind daher in aller Regel nicht ehebedingt, weil sie gerade nicht aus der ehelichen Rollenverteilung folgen (vgl. zu Einzelheiten Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 20 f.).
- 29
- Der Unterhaltspflichtige, der sich auf eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts beruft, trägt hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast. In diese fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand , dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne des § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch eine Erleichterung nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Nach diesen trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden. Dabei kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen, um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (Senatsbeschluss vom 13. März 2013 - XII ZB 650/11 - FamRZ 2013, 935 Rn. 37 mwN).
- 30
- c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die im Jahre 1990 zur Erwerbsunfähigkeit der Antragsgegnerin führenden Erkrankungen als nicht ehebedingt angesehen hat. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ebenso nichts wie gegen die gleichfalls nicht auf Rechtsbedenken treffende tatrichterliche Beurteilung, es sei nicht hinreichend dargetan, dass die vorzeitige Verrentung der Antragsgegnerin ehebedingt war.
- 31
- d) Ebenfalls zutreffend ist die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, dass - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. etwa Senatsurteile vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 78 ff.; vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 20 und vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 25) abgesehen - ehebedingte Nachteile im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden können, wenn (wie hier) für diese Zeit ein vollständiger Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Durch diesen werden die Interessen des Unterhaltsberechtigten ausreichend gewahrt. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 17 und vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 22).
- 32
- e) Wie das Oberlandesgericht im Ergebnis weiter richtig erkannt hat und von der Antragsgegnerin in der Rechtsbeschwerdeinstanz auch nicht in Frage gestellt wird, ergibt sich ein ehebedingter Nachteil der Antragsgegnerin im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB nicht daraus, dass sie sich während der Ehezeit ihr vorehelich erworbenes Versorgungsanrecht bei der VBL hat auszahlen lassen (vgl. auch zum Versorgungsausgleich Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 213/11 - FamRZ 2012, 434 Rn. 8 f.).
- 33
- Mit der Regelung des § 1578 b BGB wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich derjenigen Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 28; BT-Drucks. 16/1830 S. 18). In der in § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Verknüpfung "durch die Ehe" hat der Gesetzgeber dabei zum Ausdruck gebracht, dass der Nachteil, nicht für den eigenen Unterhalt sorgen zu können, jedenfalls ganz überwiegend bzw. im Wesentlichen auf die vereinbarte Aufgabenverteilung in der Ehe zurückzuführen sein muss, und die wichtigsten hierfür in Frage kommenden Umstände in Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift benannt (BT-Drucks. 16/1830 S. 19).
- 34
- Regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil in diesem Sinn stellt es daher dar, wenn sich ein Ehegatte während bestehender Ehe dazu entschließt, sich bereits aus der Zeit vor der Ehe für ihn bestehende Versorgungsanrechte kapitalisiert auszahlen zu lassen. Eine derartige Vermögensdisposition wird in der Regel nicht auf die Rollenverteilung in der Ehe zurückgehen, sondern ihre Grundlage in der allgemeinen Vermögensverwaltung haben. Dies gilt unabhängig davon, wofür das Kapital dann verwendet wird, insbesondere ob es - auch - für gemeinsame Zwecke der Ehegatten eingesetzt wird (Abgrenzung zu dem zu § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF ergangenen Senatsurteil vom 9. Juli 1986 - IVb ZR 39/85 - FamRZ 1986, 886, 888). Dass abweichend hiervon im vorliegenden Fall wesentliche Ursache für die Auszahlung des vorehelichen VBL-Versorgungsanrechts die Rollenverteilung in der Ehe war, hat weder das Oberlandesgericht festgestellt noch macht es die Antragsgegnerin in der Rechtsbeschwerdeinstanz geltend.
- 35
- f) Rechtlich unzutreffend ist hingegen, dass das Oberlandesgericht gleichwohl einen - dauerhaften - ehebedingten Nachteil der Antragsgegnerin für nicht durch den Antragsteller ausgeräumt hält, der darin liegen soll, dass sie ehebedingt auch nach Ehezeitende am Aufbau von Rentenanwartschaften und Versorgungsanrechten gehindert gewesen sei, die sie ohne die Ehe hätte erzielen können.
- 36
- aa) Zwar ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, ein ehebedingter Nachteil könne auch darin liegen, dass der Aufbau einer Altersversorgung nach Ende der Ehezeit durch die ehebedingte Erwerbspause eingeschränkt oder gar verhindert werde, nicht zu beanstanden. Wie der Senat bereits entschieden hat, können dem Unterhaltsberechtigten Nachteile dadurch entstehen, dass er nach Zustellung des Scheidungsantrags und damit in einer nicht mehr vom Versorgungsausgleich umfassten Zeit ehebedingt ein geringeres Erwerbseinkommen erzielt und demgemäß auch geringere Rentenanwartschaften erwirbt (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 18 und vom 7. November 2012 - XII ZB 229/11 - FamRZ 2013, 109 Rn. 51). Dies ist etwa dann denkbar, wenn dem Unterhaltsberechtigten wegen der Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit der Wiedereinstieg in seine frühere berufliche Tätigkeit verwehrt oder nur in eine niedriger vergütete Stelle möglich ist. Sofern dem Unterhaltsberechtigten lediglich die ehebedingte Einkommens- differenz als Unterhalt zugesprochen wird, setzt sich der ehebedingte Nachteil mit Renteneintritt in Form der geringeren Rentenanwartschaften fort.
- 37
- bb) Den Angriffen der Rechtsbeschwerde des Antragstellers hält weiter stand, dass das Oberlandesgericht zu der Feststellung gelangt ist, die Antragsgegnerin hätte ohne die ehebedingte Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit eine Karriereentwicklung bis zur Stationsschwester durchlaufen und in dieser Position auch den Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe KR VIII geschafft. Entgegen der entsprechenden Rüge der Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist bei der Betrachtung, welche Entwicklung die Erwerbsbiographie des Unterhaltsberechtigten ohne die Unterbrechung seiner beruflichen Tätigkeit genommen hätte, stets eine hypothetische Betrachtung anzustellen (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2013 - XII ZR 120/11 - FamRZ 2013, 864 Rn. 27 ff. und vom 20. Februar 2013 - XII ZR 148/10 - FamRZ 2013, 860 Rn. 22 ff.).
- 38
- Das Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung auch zutreffend die oben (vgl. B.II.3.b) dargestellten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungsund Beweislast im Rahmen des § 1578 b BGB zugrunde gelegt. Soweit es trotz der von ihm berücksichtigten gesundheitlichen Einschränkungen der Antragsgegnerin dazu gelangt ist, dass die Antragsgegnerin diese hypothetische berufliche Entwicklung substanziiert dargelegt und der Antragsteller die entsprechenden Annahmen nicht widerlegt habe, ist das mangels durchgreifender Rügen in der Rechtsbeschwerdeinstanz hinzunehmen. Dies gilt auch, soweit das Oberlandesgericht von einer Vollzeittätigkeit der Antragsgegnerin bis zu ihrer krankheitsbedingten Verrentung ausgeht.
- 39
- Erfolglos bleibt schließlich der mit der Rechtsbeschwerde des Antragstellers erhobene Einwand, das Oberlandesgericht habe sich rechtsfehlerhaft nicht damit befasst, ob der Antragsgegnerin eine Umschulung zumutbar gewesen wäre, mit der sie zum Aufbau einer angemessenen Altersversorgung in der Lage gewesen wäre. Zum einen ist bereits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich , dass dieser Gesichtspunkt Gegenstand der Tatsacheninstanzen war. Zum anderen stellt - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin zu Recht hinweist - dieser Einwand das Bestehen des Unterhaltsanspruchs schon dem Grunde nach in Frage. Nachdem das Gericht der Antragsgegnerin im Vorprozess keine zusätzlichen Erwerbseinkünfte fiktiv zugerechnet hat, ist damit zugleich entschieden, dass sie ihrer Erwerbsobliegenheit im Rahmen des § 1577 Abs. 1 BGB genügt hat. Diese Feststellung ist auch im Abänderungsverfahren maßgebend und der Antragsteller mit dem entsprechenden Einwand gemäß § 238 Abs. 2 FamFG präkludiert (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 670/10 - FamRZ 2013, 274 Rn. 28 mwN).
- 40
- cc) Gleichwohl ist die Annahme des Oberlandesgerichts, der Antragsteller habe einen ehebedingten Nachteil der Antragsgegnerin nicht widerlegen können, der in dem Bezug einer ehebedingt geringeren Altersrente liege, von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 41
- (1) Die Antragsgegnerin hatte zur Darlegung ihrer ehebedingten Versorgungseinbuße mehrere Alternativberechnungen vorgelegt, die nach der erreichbaren Vergütungsgruppe und der Frage, ob die vorehelichen Rentenanwartschaftszeiten zu berücksichtigen sind, differenzierten. Für den Fall des Erreichens der Vergütungsgruppe KR VIII bei Berücksichtigung der vorehelichen Rentenanwartschaften ist die Antragsgegnerin in ihren in der Beschwerdeentscheidung in Bezug genommenen Berechnungen zu einer erreichbaren Nettorente von rund 1.370 € gelangt.
- 42
- Demgegenüber hat das Oberlandesgericht bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit nicht nur den vorehelichen Erwerbszeitraum, son- dern auch die volle Ehezeit als umlagefähige Monate berücksichtigt und auf dieser Grundlage eine bei der VBL erreichbare Gesamtnettoversorgung von rund 1.500 € monatlich ermittelt.
- 43
- (2) Diese Erwägungen des Oberlandesgerichts sind schon deshalb rechtlich unzutreffend, weil - wie das Oberlandesgericht an anderer Stelle seiner Beschwerdeentscheidung noch zutreffend erkennt - der Umstand, dass die Antragsgegnerin während der Ehezeit keine Versorgungsanwartschaften begründet hat, hier durch den vollständig durchgeführten Versorgungsausgleich abgegolten ist. Dieser Umstand hat daher bei der Frage, ob ein ehebedingter Nachteil besteht, außer Betracht zu bleiben. Ob der Versorgungsausgleich zu einem auch betragsmäßig vollständigen Ausgleich des während der Ehezeit erlittenen (hypothetischen) Versorgungsnachteils führt, ist hierfür ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 34). Außer Betracht müssen insoweit aber auch die für die Antragsgegnerin vorehelich bei der VBL aufgelaufenen Umlagemonate bleiben, die wegen der ehezeitlichen Auszahlung des VBL-Versorgungsanrechts der Antragsgegnerin verloren sind. Denn der Verlust dieser Versorgungszeit, der nicht auf der Rollenverteilung während der Ehe beruhte, scheidet ebenfalls als ehebedingter Nachteil aus und kann daher auch nicht über den Umweg der Einrechnung in eine hypothetisch erreichbare Gesamtversorgungszeit Berücksichtigung finden.
- 44
- Bereits aus diesem Grund geht zudem die mit der Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin erhobene Rüge ins Leere, das Oberlandesgericht habe bei seiner Betrachtung die Anpassung der gesamtversorgungsfähigen Zeiten für die vorehelichen und ehelichen Zeiträume nur unvollständig vorgenommen und sei daher sogar zu einer um rund 100 € zu niedrigen erreichbaren Nettorente gelangt.
- 45
- (3) Tatsächlich verbleibt jedoch für die Antragsgegnerin auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen kein ehebedingter Nachteil in Form einer geringeren als der ohne Ehe erreichbaren Altersrente, der im Rahmen des § 1587 b BGB Berücksichtigung finden könnte.
- 46
- (a) Sie hat danach zwar ehebedingt nach Ehezeitende nicht das Einkommensniveau erreicht, das sie ohne die Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit während der Ehe hätte. Dies hat auch dazu geführt, dass die von ihr erworbenen Versorgungsanwartschaften hinter den für sie erreichbaren zurückgeblieben sind, was sich in einer niedrigeren Altersrente fortsetzt.
- 47
- (b) Ein derartiger Nachteil wird jedoch - wie das Oberlandesgericht im Ansatz richtig gesehen hat - grundsätzlich ausgeglichen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte zum Zwecke der freiwilligen Erhöhung seiner Altersrente einen über den Elementarunterhalt hinausgehenden Vorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 3 BGB zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 18 und vom 7. November 2012 - XII ZB 229/11 - FamRZ 2013, 109 Rn. 51).
- 48
- Durch die mit § 1578 Abs. 3 BGB eröffnete Möglichkeit, Altersvorsorgeunterhalt zu erlangen, kann der Unterhaltsberechtigte sogar nachehelich Versorgungsanwartschaften aufbauen, die sich an den ehelichen Lebensverhältnissen orientieren. So wird ihm der Ausgleich auch derjenigen ehebedingten Nachteile ermöglicht, die darauf zurückzuführen sind, dass er wegen der Rollenverteilung in der Ehe nach Ende der Ehezeit nur geringere Versorgungsanwartschaften erzielen kann, als ihm dies ohne die Ehe möglich gewesen wäre. Damit korrespondiert allerdings auch die Pflicht des Unterhaltsberechtigten, den Vorsorgeunterhalt zweckentsprechend zu verwenden (Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684, 686). Macht er den Vorsor- geunterhalt nicht geltend, obwohl er einen solchen erlangen könnte, dann ist die hieraus folgende Einbuße bei der Altersvorsorge nicht ehebedingt. Sie beruht vielmehr auf seiner eigenen, bereits im Wissen um das Scheitern der Ehe getroffenen Entscheidung und kann daher nicht dazu führen, dass aufgrund dieses Unterlassens verminderte Versorgungsanwartschaften als ehebedingter Nachteil einer Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung seines Unterhaltsanspruchs entgegenstehen.
- 49
- (c) So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hat ab Juli 1991 Vorsorgeunterhalt bezogen. Für den Zeitraum davor hatte sie den Anspruch aus dem durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) mit Wirkung zum 1. Juli 1977 eingeführten § 1578 Abs. 3 BGB nicht geltend gemacht, wobei unerheblich ist, aus welchen Gründen dies unterblieb. Es ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechendes Verlangen der Antragsgegnerin erfolglos geblieben wäre. Schon dadurch ist der erst nachehelich entstandene Versorgungsnachteil, den das Oberlandesgericht als nicht widerlegt beurteilt hat, als kompensiert anzusehen.
- 50
- Keiner vertieften Erörterung bedarf daher, dass die Antragsgegnerin, die aus ihrem hypothetisch erzielbaren höheren Einkommen nur rund zehn Jahre lang - nämlich vom Ehezeitende bis zu ihrer Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit - höhere Versorgungsanwartschaften hätte erzielen können, rund 20 Jahre lang einen nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Vorsorgeunterhalt erhalten und diesen bei Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 1578 Abs. 3 BGB bereits ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags sogar für einen Zeitraum von 30 Jahren hätte erhalten können.
- 51
- (4) Auf die mit der Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin erhobene Rüge, das Oberlandesgericht habe einen zu hohen Prozentsatz des Sparver- trags als aus dem Vorsorgeunterhalt angespart angesehen, kommt es mithin nicht an. Denn für die Frage der Kompensation des Nachteils ist nicht maßgeblich , welche Altersversorgung der Unterhaltsberechtigte aus den Vorsorgeunterhaltszahlungen erwirtschaftet hat.
- 52
- dd) Aber auch soweit der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin für den Zeitraum Mai bis Dezember 2011 Verfahrensgegenstand ist, tragen die Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht die Annahme eines im Rahmen des § 1578 b BGB relevanten ehebedingten Nachteils.
- 53
- Das Oberlandesgericht hat es als nicht widerlegt angesehen, dass die Antragsgegnerin ohne die ehezeitliche Erwerbspause in der Zeit nach der Ehe bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit Versorgungsanrechte erworben hätte, die zu einer spürbar höheren Erwerbsunfähigkeitsrente geführt hätten als der tatsächlich bezogenen. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Berechnung einer hypothetisch erreichbaren Erwerbsunfähigkeitsrente krankt allerdings schon daran, dass in ihr auch voreheliche und ehezeitliche VBL-Umlagemonate Berücksichtigung gefunden haben.
- 54
- Dies kann letztlich aber dahinstehen. Denn der Vorsorgeunterhalt, den die Antragsgegnerin für die Zeit bis Juli 1991 hätte erlangen können, kompensiert regelmäßig auch einen ggf. insoweit - in welcher Höhe auch immer - bestehenden Einkommensnachteil. Der Anspruch aus § 1578 Abs. 3 BGB richtet sich neben der angemessenen Versicherung für den Fall des Alters auch auf eine solche für den Fall der Erwerbsminderung. Mit dem Vorsorgeunterhalt wird dem Unterhaltsberechtigten eine Absicherung ermöglicht, die den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht und eine Teilhabe an diesen über das Ehezeitende hinaus gewährleistet. Das gilt auch hier, nachdem der bei Ehezeitende gesundheitlich bereits deutlich beeinträchtigten Antragsgegnerin für den insoweit maßgeblichen Zeitraum bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach dem damaligen Recht jedenfalls eine Höherversicherung gemäß § 1234 Abs. 1 RVO offen stand. Einen darüber hinausgehenden Nachteilsausgleich kann der Unterhaltsberechtigte vom Unterhaltspflichtigen hingegen nicht fordern.
- 55
- 4. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers unterliegt die Beschwerdeentscheidung daher der Aufhebung. Denn das Oberlandesgericht hat seiner Billigkeitsentscheidung zur Frage der Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin als wesentlichen Gesichtspunkt einen ehebedingten Nachteil in Form geringerer Rentenbezüge zugrunde gelegt, der bei zutreffender rechtlicher Beurteilung jedoch nicht besteht.
- 56
- Die Sache ist an das Oberlandesgericht zur Vornahme einer erneuten Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, wonach die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen einen ehebedingten Nachteil der Antragsgegnerin nicht begründen, zurückzuverweisen. Dabei wird es einerseits den Grundsatz der nachehelichen Solidarität zu berücksichtigen haben. Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung. Zudem sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Unterhalts (Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 35). Daher wird das Oberlandesgericht andererseits zu würdigen haben, dass der Antragsteller über einen Zeitraum von rund 28 Jahren Unterhaltszahlungen in erheblichem Umfang erbracht hat und die Antragsgegnerin auch ohne diese über monatliche Einkünfte ver- fügt, die deutlich über ihrem Existenzminimum liegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 16). Darüber hinaus kann zugunsten der Antragsgegnerin grundsätzlich auch der besondere Vertrauensschutz , der einem titulierten Unterhaltsanspruch zukommt, Bedeutung erlangen. Wie das Gesetz in dem hier anwendbaren § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt , gilt dies bei Unterhaltstiteln nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Soweit das Oberlandesgericht diesem Aspekt aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles in der angegriffenen Entscheidung keine maßgebliche Bedeutung beigemessen hat, dürfte das allerdings aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sein.
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 29.08.2011 - 43 F 106/11 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 08.05.2012 - 2 UF 180/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte heirateten im Jahr 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen , von denen sich der jüngste Sohn noch in der Berufsausbildung befindet. Die Parteien trennten sich im April 1997. Ihre Ehe ist seit August 1999 rechtskräftig geschieden.
- 3
- Der Kläger ist Tischlermeister. Er war als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 25% an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieben hat. Außerdem war er Mitgesellschafter einer Grundstücks-GbR, die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt ist. Er ist seit Januar 2008 unter anderem an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezieht seit Dezember 2008 eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Geschäftsführer der GmbH ist er inzwischen abberufen, das Anstellungsverhältnis ist gekündigt worden.
- 4
- Die Beklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und war bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978 in einer Musterschneiderei tätig. Während der Ehe betreute sie im wesentlichen die drei Kinder und versorgte den Haushalt. Außerdem erlitt sie 1980 eine Fehlgeburt. Seit Oktober 1999 geht die Beklagte einer Teilzeitbeschäftigung als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen nach, war aber wegen einer im Jahr 2004 eingetretenen Krebserkrankung wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Nach mehreren Operationen sind gesundheitliche Einschränkungen mit einer Schwerbehinderung von 50% verblieben. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielt sie ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 1.600 € und netto - vor Abzug von Fahrtkosten - rund 1.140 €.
- 5
- Der Kläger war während der Ehe Eigentümer eines Mehrfamilienhausgrundstücks. Die darin befindliche Ehewohnung wurde nach der Scheidung zunächst noch von der Beklagten - als Nießbrauchsberechtigte - und den Kindern bewohnt. Inzwischen wurde das Hausgrundstück veräußert, nachdem die Beklagte gegen eine Abstandssumme auf ihren Nießbrauch verzichtet hatte.
- 6
- Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 521 DM (266,38 €) verpflichtete. Nach Veräußerung des Hausgrundstücks und Auszug der Beklagten stritten die Parteien im Jahr 2003 um eine Abänderung des titulierten Unterhalts. Im Ergebnis erhöhte das Berufungsgericht den laufenden Unterhalt durch Urteil vom 21. Dezember 2005 ab Januar 2006 auf monatlich 357 €.
- 7
- Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Reduzierung und Befristung des Unterhalts. Er beruft sich auf sein vor allem krankheitsbedingt verringertes Einkommen und auf eine nach geänderter Rechtslage seit Januar 2008 verstärkte eigene Unterhaltsverantwortung der Beklagten. Die Parteien streiten vor allem um das Bestehen ehebedingter Nachteile auf Seiten der Beklagten.
- 8
- Das Amtsgericht hat den titulierten Unterhalt für November 2008 bis einschließlich April 2009 herabgesetzt, im Übrigen aber bestehen lassen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt - unter anderem gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB - weiter auf zuletzt monatlich 150 € ab Januar 2011 herabgesetzt und wie das Amtsgericht eine Befristung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit welcher er sein Befristungsbegehren zum 31. Dezember 2008 weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision hat Erfolg.
- 10
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 8 und vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5 und Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
- 11
- Das Berufungsgericht hat den Unterhalt aufgrund der gegenüber dem Vorprozess veränderten Einkommensverhältnisse der Parteien neu berechnet. Auf Seiten des Klägers ist es lediglich vom Krankengeld- und später vom Rentenbezug sowie Zinseinkünften ausgegangen. Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihr Einkommen aus Teilzeittätigkeit angerechnet und eine weitergehende Erwerbspflicht verneint. Außerdem hat es ihr vorübergehend fiktive Mietzinseinnahmen zugerechnet.
- 12
- Im Hinblick auf die Befristung des Unterhalts seien ehebedingte Nachteile nicht auszuschließen, was sich unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Klägers auswirke und einer Befristung entgegenstehe. Ehebedingte Nachteile folgten noch nicht aus den aufgrund der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit verringerten Rentenanwartschaften. Auch eine Erkrankung sei nur in Ausnahmefällen ehebedingt. Da die Krebserkrankung der Beklagten erst fünf Jahre nach der Scheidung aufgetreten sei, handele es sich insoweit um eine schicksalhafte Entwicklung. Ehebedingte Nachteile könnten aber deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und zudem die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Insofern sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte, die zum Zeitpunkt der Trennung 40 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt nach früherer Rechtslage allenfalls verpflichtet gewesen sei, eine Geringverdienertätigkeit aufzunehmen, seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978, als sie gerade erst knapp 21 Jahre alt gewesen sei, nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet habe. In Anbetracht der nur sehr kurzen Berufstätigkeit im erlernten Beruf könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beklagten ohne die Berufspause Erwerbsmöglichkeiten und Einkommensquellen als Damenschneiderin eröffnet hätten. Die Feststellung, dass sie im Erwerbsleben ohne die Eheschließung und die vier Schwangerschaften nicht besser hätte Fuß fassen können, als dies tatsächlich durch ihre heutige Teilzeittätigkeit erfolgt sei, erscheine zu weitgehend. Zumindest hätte sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften umfassende Berufserfahrung gehabt, die ihr bessere Einkommensquellen hätte eröffnen können. Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass sich gerade in der Textilindustrie im Lauf der Ehezeit der Arbeitsmarkt fast durchweg verschlechtert habe und die Beklagte dadurch gezwungen worden wäre, sich beruflich umzuorientieren, bleibe gänzlich offen, welche endgültige Stellung sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften im Erwerbsleben gehabt hätte. Darüber hinaus könne die Beklagte den Beweis für eine herausragende berufliche Entwicklung (Schneidermeisterin oder sogar eine Leitungsposition in der Textilindustrie) kaum führen. Die schon als lang zu bezeichnende Ehedauer (rund 27 Jahre unter Einschluss der Kinderbetreuungszeiten) sowie die Tatsache, dass sich die Beklagte "seit ihrer Berufspause 1978" allein für Ehe und Familie eingesetzt habe, begründe ein besonders gewichtiges Vertrauen in die erfolgte Unterhaltstitulierung (vgl. § 36 Nr. 1 EGZPO), das unter Abwägung der vorgenannten Umstände einer Befristung entgegenstehe.
- 13
- Demgegenüber sei ungeachtet nicht auszuschließender ehebedingter Nachteile unter Billigkeitsabwägungen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 150 € ab 1. Januar 2011 gerechtfertigt. Der Kläger beziehe nunmehr selbst eine Erwerbsunfähigkeitsrente und habe seit mehr als zehn Jahren durchgängig Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die fortwährende Unterhaltsverpflichtung konkrete Vermögensdispositionen getroffen habe. Darüber hinaus seien die krankheitsbedingten Einschränkungen der Beklagten schicksals- und nicht ehebedingt. Die Beklagte verfüge mit dem Unterhalt ab dem 1. Januar 2011 über ein Einkommen, das dem angemessenen Selbstbehalt von 1.100 € entspreche. Andererseits sei der Kläger durch den Unterhalt nicht unangemessen belastet, berücksichtigend, dass er im Gegensatz zur Beklagten in einer neuen Partnerschaft lebe und aus dem Zusammenleben - wenngleich nicht eheprägend - wirtschaftliche Vorteile haben dürfte.
II.
- 14
- Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 15
- Die Abänderungsklage richtet sich nach § 323 ZPO aF. Ihre Zulässigkeit steht im vorliegenden Fall außer Zweifel.
- 16
- 1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an das abzuändernde Urteil davon ausgegangen, dass die Beklagte, nachdem die zeitweiligen Voraussetzungen eines (Anschluss-)Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 2 BGB entfal- len sind, ("jedenfalls") Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB beanspruchen könne.
- 17
- Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt indessen voraus , dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann (Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 f. mwN und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 13). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsurteils an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.
- 18
- 2. Bei der Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB ist das Berufungsgericht nach zwischenzeitlichem Krankengeldbezug des Klägers von seinem aufgrund vollständiger Erwerbsminderung gesunkenen Einkommen (Erwerbsminderungsrente zuzüglich Zinsen) ausgegangen. Hierbei handelt es sich zwar um eine nacheheliche Veränderung. Unvorhersehbare nacheheliche Einkommensverringerungen können aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 - FamRZ 1992, 1045, 1046 f.) bereits im Rahmen der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, wenn sie nicht vorwerfbar herbeigeführt wurden. Die Berücksichtigung solcher auch im Fall des Fortbestands der Ehe eingetretener Veränderungen ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 70).
- 19
- Auch ansonsten gibt die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu Beanstandungen, was schließlich auch für den Abzug des - wenngleich hier nachrangigen - Kindesunterhalts vom Einkommen des Be- klagten gilt (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 44 mwN).
- 20
- 3. Hinsichtlich der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB begegnet das Berufungsurteil hingegen durchgreifenden Bedenken. Dass die Vorschrift des § 1578 b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht verfassungswidrig ist, hat der Senat bereits entschieden (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 14).
- 21
- a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
- 22
- aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.
- 23
- Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der - nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten - Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden , substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
- 24
- Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsachengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persön- lichen Fähigkeiten - etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren - vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
- 25
- bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag ehebedingter Nachteile hat das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen mangelt es an konkreten Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen.
- 26
- Das Berufungsgericht ist statt dessen ohne näheren Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass das Entstehen ehebedingter Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sachvortrag nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen.
- 27
- Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der Hausfrauenrolle geplant oder zu erwarten gehabt hätte, welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen als in der ehelichen Rollenverteilung begründeten Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen nachhaltigen Aufstieg der Beklagten im Beruf der Damenschneiderin sprechen dürfte. Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 33; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 18 und vom 7. Juli 2010 - XII ZR 157/08 - FamRZ 2011, 188 Rn. 20).
- 28
- Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei zunehmend verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen, dass sie ohne Eheschließung ihren Meister gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik erlangt hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelassen , so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden kann.
- 29
- Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
- 30
- cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom - nicht widerlegten - Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.
- 31
- b) Die zur Feststellung ehebedingter Nachteile erhobenen Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Gemäß der - ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen - Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf , der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 14; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 29 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 27 f.).
- 32
- Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veranschlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Herabsetzungsentscheidung kann daher nicht nachvollzogen werden. Dass es den Betrag von 1.100 €, der in der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte als angemessener Selbstbehalt ausgewiesen war, als Mindestbetrag betrachtet hat, lässt sich der Begründung des Berufungsurteils nicht entnehmen. Schon aus der mit 30 Wochenstunden aktuell ausgeübten Tätigkeit der Beklagten ergibt sich hingegen ein Nettoeinkommen von rund 1.140 € und nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von rund 950 €. Dieser Betrag könnte im Fall des Fehlens ehebedingter Nachteile dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten bereits entsprechen , zumal die gesundheitsbedingten Erwerbseinbußen der Beklagten - wie ausgeführt - nicht ehebedingt sind.
III.
- 33
- Das Berufungsurteil ist demnach - soweit im Rahmen der eingelegten Revision zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist - aufzuheben. Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil weitere tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen erforderlich sind.
IV.
- 34
- Für das weitere Verfahren, weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Beklagten für die erneut anzustellende Billigkeitsabwägung Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben hat, um etwaige ehebedingte Nachteile begründen zu können.
- 35
- Sollten ehebedingte Nachteile nicht ausreichend vorgetragen sein oder vom Kläger widerlegt werden, steht damit noch nicht fest, dass und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen ist. Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist ge- mäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 21 und vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 23 f.). Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 28). Zudem sind - wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un- terhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.
Vorinstanzen:
AG Coesfeld, Entscheidung vom 10.02.2009 - 5 F 226/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.08.2009 - II-8 UF 33/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten über die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der 1949 geborene Kläger und die 1950 geborene Beklagte hatten im Jahre 1975 die Ehe geschlossen, aus der ein im Jahre 1978 geborener Sohn hervorging. Nach der Trennung im Herbst 1995 verblieb der seinerzeit noch minderjährige Sohn im Haushalt des Klägers, der ihn auch weiterhin betreute. Die Ehe der Parteien wurde im Jahre 1996 geschieden.
- 3
- Der zwischenzeitlich wiederverheiratete Kläger absolvierte eine kaufmännische Berufsausbildung und arbeitete seit 1972 durchgehend als Außendienstmitarbeiter einer Bank. Im Jahre 1998 erbte er mindestens 72.000 DM. Im November 2006 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin eine Vereinbarung über Altersteilzeit im Blockmodell zwischen September 2007 und August 2011 und eine daran anschließende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- 4
- Die Beklagte erwarb nach der mittleren Reife einen Berufsabschluss als Versicherungskauffrau, ohne danach im erlernten Beruf gearbeitet zu haben. Zwischen 1970 und 1978 war sie bei wechselnden Arbeitgebern, zuletzt bei einem Autohaus und bei einem Werbeartikelhersteller, als kaufmännische Angestellte vollschichtig erwerbstätig. An die Geburt des gemeinsamen Sohnes schloss sich eine rund vierjährige Berufspause an. In den Jahren 1982 und 1983 war die Beklagte noch einmal kurzfristig im kaufmännischen Bereich tätig, bis sie im Jahre 1985 eine geringfügige sozialversicherungsfreie Beschäftigung als Hauspflegerin aufnahm. Im Jahre 1989 wechselte die Beklagte als angestellte Pflegerin zu einer Diakoniestation und weitete ihre Tätigkeit auf 25 Wochenstunden aus. In diesem zeitlichen Umfang ist sie seither durchgängig bei der gleichen Arbeitgeberin beschäftigt, wobei sie seit dem Jahre 2003 im Verwaltungsinnendienst eingesetzt wird.
- 5
- Im Oktober 1995 hatten die Parteien einen vollstreckbaren Trennungsund Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, durch den sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die Beklagte für den Zeitraum seit Juli 1996 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.100 DM zu zahlen. In einem ersten Abänderungsverfahren wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts vom 8. Dezember 2004 unter Abänderung des Vergleiches verurteilt, an die Beklagte seit März 2004 einen laufenden monatlichen Gesamtunterhalt (Elementar - und Vorsorgeunterhalt) in Höhe von 666 € zu zahlen. In der Beru- fungsinstanz schlossen die Parteien vor dem Oberlandesgericht am 1. Juni 2006 einen Vergleich des Inhalts, dass es "unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte" bis einschließlich Februar 2007 bei dem erstinstanzlichen Urteil verbleiben solle und anschließend "jede Partei eine Abänderung beantragen" könne, wobei ein Unterhaltsanspruch der Beklagten "nach den gesetzlichen Vorschriften und der herrschenden Rechtsprechung" zu berechnen sei.
- 6
- Mit seiner am 7. Juni 2008 zugestellten Abänderungsklage begehrt der Kläger den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht seit März 2008. Das Amtsgericht hat seiner Klage weitgehend stattgegeben und den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis Juni 2008 befristet. Auf die Berufung und die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage der Beklagten hat der Einzelrichter am Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung abgeändert und der Beklagten unbefristeten (Elementar-) Unterhalt in gestaffelter Höhe zugesprochen , zuletzt für den Zeitraum von Januar bis Juni 2010 in Höhe von monatlich 689,90 € und für den Zeitraum ab Juli 2010 in Höhe von monatlich 344,95 €.
- 7
- Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen beider Parteien.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revisionen der Parteien führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 9
- Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
- 10
- Das Oberlandesgericht hat den von ihm zugesprochenen Unterhalt für den Zeitraum bis Juni 2010 im Wege der Halbteilung aus der Differenz der von ihm ermittelten tatsächlichen Einkünfte der Parteien bemessen. Für den Zeitraum seit Juli 2010 hat es den zuletzt errechneten Unterhaltsbetrag halbiert und seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 11
- Der Anspruch der Beklagten auf Aufstockungsunterhalt sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht zu befristen, sondern lediglich auf einen angemessenen Unterhalt herabzusetzen. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte ehebedingte Nachteile erlitten habe. Zwar sei ihre berufliche Biographie bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1978 nicht immer völlig konsistent verlaufen, denn sie habe nicht im erlernten Beruf als Versicherungskauffrau gearbeitet, sondern bei verschiedenen Arbeitgebern, die zudem relativ schnell gewechselt worden seien, Büro- und Buchführungstätigkeiten eher einfachen Zuschnitts ausgeführt. Andererseits sei die Beklagte ohne größere Unterbrechungen im kaufmännischen und somit in einem nicht völlig ausbildungsfremden Bereich erwerbstätig gewesen. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes und die daran anschließende vierjährige Berufspause stellten eine einschneidende Zäsur dar. Vor der Geburt des Sohnes sei sie vollschichtig erwerbstätig gewesen, während sie danach neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter nur noch teilschichtig gearbeitet habe. Auch die berufliche Umorientierung in Richtung einer pflegerischen Tätigkeit sei offensichtlich auf den Umstand zurückzuführen , dass diese Tätigkeit der Beklagten die für die Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit erforderliche zeitliche Flexibilität geboten habe. Ohne die Ehe mit dem Kläger und das gemeinsame Kind wäre sie demgegenüber zu den üblichen Gehältern im Versicherungsgewerbe oder in einem anderen kaufmännischen Bereich beschäftigt gewesen. Hinzu komme noch, dass die Beklagte bei Trennung der Parteien bereits 45 Jahre alt gewesen sei und eine berufliche Neu- oder Rückorientierung nicht mehr ohne weiteres möglich gewesen sei. Wegen ihres festen und sicheren Arbeitsplatzes sei ihr auch kein Arbeitsplatzwechsel mehr zumutbar, unabhängig davon, ob dies überhaupt möglich wäre.
- 12
- Allerdings sei eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Aufstockungsunterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB unbillig. Der Kläger zahle bei einer Ehezeit von 21 Jahren seit nunmehr 14 Jahren nachehelichen Unterhalt an die Beklagte. Die Parteien hätten sich nach der Scheidung weiter voneinander entfernt und eigene Lebenskreise aufgebaut; der Kläger sei seit Jahren wieder verheiratet. Schon im Zeitpunkt der Trennung habe eine gesellschaftliche Tendenz dahingehend bestanden, nach der Scheidung "auf eigenen Beinen" stehen zu müssen. Die nacheheliche Solidarität sei zwar nicht völlig erloschen, aber in ihrer Wirksamkeit stark reduziert, so dass die Beklagte eine Herabsetzung ihres Unterhaltsanspruches auf den angemessenen Lebensbedarf hinnehmen müsse.
- 13
- Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger unterhaltsrechtlich gehalten sei, bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze in vollem Umfange erwerbstätig zu sein, könne deshalb auch dahinstehen, weil es dem Kläger im Rahmen der Bestimmung eines angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB unbenommen bleibe, von Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen Gebrauch zu machen. Umgekehrt führe dies aber dazu, dass auch die Beklagte nicht verpflichtet werden könne, mehr als die von ihr tatsächlich abgeleisteten 25 Wochenstunden zu arbeiten und sie deshalb nicht gehalten sei, ihre Tätigkeit auszuweiten oder einen zusätzlichen Mini-Job anzunehmen. Soweit sich die Beklagte im Jahre 2009 von ihrem Arbeitgeber in größerem Umfang Mehrarbeitsstunden und Urlaubsabgeltung habe auszahlen lassen, seien diese zusätzlichen Einkünfte als Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit anzusehen und bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen.
- 14
- Schließlich sei es der Beklagten zwei Jahre nach Erhebung der Abänderungsklage zuzumuten, dass sich der "angemessene Lebensbedarf" seit Juli 2010 in einer zweiten Stufe nochmals um die Hälfte reduziere.
II.
- 15
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
- 16
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass Gegenstand der Abänderungsklage der am 1. Juni 2006 vor dem Oberlandesgericht geschlossene Prozessvergleich und nicht das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts vom 8. Dezember 2004 ist. Denn der im Vergleich zum Ausdruck gekommene Willen der Parteien stellte seit dem Vergleichsschluss den einzigen Geltungsgrund für die in erster Instanz ausgeworfenen Unterhaltsbeträge dar. Bei einem Prozessvergleich erfolgt die nach § 323 Abs. 4 aF i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehene Anpassung an veränderte tatsächliche Verhältnisse nach den Regeln des materiellen Rechts, mithin in erster Linie nach den Vereinbarungen der Parteien über die Abänderbarkeit und im Übrigen nach den gesetzlichen Regeln über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrund- lage gemäß § 313 BGB (Senatsurteile vom 21. September 2011 - XII ZR 173/09 - FamRZ 2012, 699 Rn. 28 und vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997, 811, 813).
- 17
- a) Die Parteien können eine Abänderung des Vergleiches erleichtern oder erschweren. Aus der Vereinbarung selbst oder aus dem zugrundeliegenden Parteiwillen kann sich deshalb ergeben, dass der Vergleich jederzeit, d.h. ohne einen Zusammenhang mit einer Änderung der bei Vergleichsschluss obwaltenden Verhältnisse, abgeändert werden kann. Zwar wird eine solche Auslegung von Unterhaltsvereinbarungen mit Rücksicht auf die von den Vertragsparteien beim Vergleichsschluss typischerweise erstrebte Rechtssicherheit oftmals nicht in Betracht kommen; ausgeschlossen ist ein solcher Parteiwille allerdings nicht (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 23 ff.). Er kann insbesondere dann zu erwägen sein, wenn die Parteien wesentliche Streitpunkte des durch Vergleichsschluss beendeten Verfahrens nicht beilegen konnten und sich für die Zukunft nur im Sinne einer einstweiligen Regelung an den Vergleich binden wollen.
- 18
- Die Parteien haben sich im Vergleich ausdrücklich die "Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte" und damit die erneute Geltendmachung aller Einwendungen vorbehalten, die bereits Gegenstand des ersten Abänderungsverfahrens gewesen sind. Dieser uneingeschränkte Vorbehalt betraf sowohl die Frage der Unterhaltsbegrenzung als auch die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse, insbesondere den streitigen Umfang der Erwerbsobliegenheit der Beklagten. Wenn sich die Vertragsparteien alle Streitpunkte eines Verfahrens in solcher Weise bewusst offenhalten wollten, entspricht es regelmäßig ihrem Willen, den Vergleich nach Ablauf einer nach Treu und Glauben bemessenen oder - wie hier - ausdrücklich vereinbarten Stillhaltefrist zur Überprüfung in einem Abänderungsverfahren stellen zu können, ohne dass es dazu einer zwischenzeitlichen Änderung der Verhältnisse bedarf. Diese Auslegung wird im vorliegenden Fall auch durch die bei Vergleichsschluss verwendete Formulierung gestützt, wonach ab März 2007 "jede Partei eine Abänderung beantragen" könne.
- 19
- b) Ferner können die Parteien im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsfreiheit auch das Ausmaß der Abänderung bestimmen. Es kann daher dem Parteiwillen entsprechen, dass der Unterhalt im Falle einer Abänderung von vornherein ohne jede Bindung an Vergleichsgrundlagen in freier Neuberechnung bemessen werden soll (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 1884, 1885; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 239 Rn. 54; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 323 Rn. 102; Johannsen/Henrich/Brudermüller Familienrecht 5. Aufl. § 239 FamFG Rn. 15; Haußleiter/Fest FamFG § 239 Rn. 30).
- 20
- Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsvergleich der Parteien vom 1. Juni 2006 in diesem Sinne ausgelegt, wogegen aus Rechtsgründen keine Bedenken zu erheben sind. Auch die Revisionen der Parteien erinnern dagegen nichts.
- 21
- 2. Jedenfalls im Ergebnis richtig ist die - wenngleich nicht näher begründete - Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Unterhaltsanspruch der Beklagten nur aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB) ergeben kann. Allerdings setzt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB nach der Systematik des Gesetzes voraus, dass der geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben könnte und daher nicht bereits aufgrund eines anderen gesetzlichen Tatbestandes (§§ 1570 bis 1572, 1573 Abs. 1 und 4 BGB) Anspruch auf Unterhalt hat (vgl. Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 und vom 16. März 1988 - IVb ZR 40/87 - FamRZ 1988, 701, 702). Soweit die Revision der Beklagten in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die Beklagte nach § 1573 Abs. 1 BGB wegen (teilweiser) Erwerbslosigkeit unterhaltsberechtigt sei, bleibt diese Rüge ohne Erfolg.
- 22
- a) Nach § 1573 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte, der keinen Unterhaltsanspruch aus §§ 1570 bis 1572 BGB hat, Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Als die Ehe der Parteien im Jahre 1996 geschieden wurde, standen einer vollschichtigen Tätigkeit der Beklagten insbesondere keine Belange der Kindesbetreuung mehr entgegen, nachdem der gemeinsame Sohn im Anschluss an seinen Auslandsaufenthalt nach der Trennung der Parteien in den Haushalt des Klägers gezogen war. Die Beklagte war zu jener Zeit im zeitlichen Umfang von 25 Wochenstunden als angestellte Pflegerin bei der Diakonie beschäftigt. Ein teilzeitbeschäftigter Ehegatte muss sich grundsätzlich um eine Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemühen.
- 23
- Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es der seinerzeit im mittleren Erwerbsalter stehenden Beklagten schon damals nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sein sollte, alsbald nach der Scheidung ihre Tätigkeit bei der Diakonie auszuweiten oder bei einem anderen Pflegedienst auf eine Vollzeitstelle zu wechseln. Die Revision der Beklagten macht auch nicht geltend , dass diesbezüglicher Vortrag übergangen worden sei.
- 24
- b) Im Übrigen kann von einem teilschichtig beschäftigten Ehegatten selbst dann, wenn er zur Aufgabe seines Teilzeitarbeitsplatzes nicht verpflichtet ist, grundsätzlich verlangt werden, dass er zur Sicherung seines Unterhalts eine weitere Teilzeittätigkeit aufnimmt (vgl. Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 276; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 6. Aufl. Teil IV Rn. 277; MünchKommBGB/Maurer 5. Aufl. § 1573 Rn. 16; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1573 BGB Rn. 13). Denn auch die Übernahme von zwei Teilzeitbeschäftigungen kann grundsätzlich eine "angemessene" Erwerbstätigkeit im Sinne von §§ 1573 Abs. 1, 1574 BGB sein (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 202).
- 25
- Tatsächlich hatte die Beklagte schon im Jahre 1995 eine Nebenbeschäftigung als Pflegerin in einem Privathaushalt aufgenommen. Unstreitig übte sie diese Tätigkeit noch mindestens bis zum Jahre 2000 aus. Eine durch den Wegfall dieser Nebenbeschäftigung eingetretene (teilweise) Erwerbslosigkeit der Beklagten wäre so lange nach der Scheidung im Jahre 1996 eingetreten, dass der für den Einsatzzeitpunkt des § 1573 Abs. 1 BGB erforderliche, relativ enge zeitliche Zusammenhang (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684, 687) zwischen beiden Ereignissen ersichtlich fehlt. Auf die zwischen den Parteien im ersten Abänderungsverfahren streitige Frage, ob die pflegerische Tätigkeit in einem Privathaushalt wegen des ihr innewohnenden Risikos, aufgrund des Todes der zu pflegenden Person oder einer plötzlichen Änderung ihrer Pflegebedürfnisse jederzeit kurzfristig beendet zu werden, überhaupt zu einer nachhaltigen Sicherung des Unterhalts (§ 1573 Abs. 4 Satz 1 BGB) geeignet war, kommt es dabei nicht an. Denn es hätte der Beklagten oblegen, sich auch im Rahmen einer Nebenbeschäftigung um einen gesicherten Dauerarbeitsplatz zu bemühen. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass solche Arbeitsplätze für sie nach der Scheidung im Jahre 1996 nicht zu erlangen waren. Wenn sie sich demgegenüber für eine Beschäftigung entschieden hat, die absehbar nicht auf Dauer ausgeübt werden kann, hat der Kläger das Risiko, dass später eine vergleichbare Anschlussbeschäftigung nicht mehr gefunden werden kann, rund vier Jahre nach der Scheidung nicht mehr mitzutragen.
- 26
- 3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen demgegenüber die Erwägungen, die das Berufungsgericht im Rahmen der Einkommensermittlung zu den Erwerbsobliegenheiten der Parteien angestellt hat.
- 27
- a) Soweit es das Einkommen des Klägers betrifft, erweist sich schon der gedankliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht als tragfähig, es sei dem Kläger "im Rahmen der Bestimmung des nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB angemessenen Unterhalts" ohne weiteres zuzugestehen, seine Einkünfte durch den Abschluss einer Altersteilzeit- und Aufhebungsvereinbarung zu reduzieren.
- 28
- aa) Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass die unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit (erst) mit Erreichen der Regelaltersgrenzen nach §§ 35, 235 SGB VI bzw. § 51 BBG endet. Durch die aufgeführten gesetzlichen Bestimmungen legt die Rechtsordnung den Rahmen für die Erwerbsbiographie des Einzelnen fest. Solange die gesetzlichen Regelungen dabei nicht offensichtlich auf berufsbezogenen Besonderheiten beruhen oder ansonsten von der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit des Einzelnen abweichen, können sie als tauglicher Maßstab auch für das Unterhaltsrecht herangezogen werden. Beim Ehegattenunterhalt gilt der Maßstab der gesetzlichen Regelaltersgrenze nicht nur für den Unterhaltsberechtigten, sondern in gleicher Weise auch für den Unterhaltspflichtigen (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 20).
- 29
- bb) Solange und soweit das Gesetz einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vorsieht, darf der Unterhaltspflichtige diesen nicht unterhaltsbezogen mutwillig oder leichtfertig gefährden. Beruhen Einkommensminderungen auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen oder sind sie durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst und hätten sie von diesem durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können, bleiben sie deswegen unberücksichtigt mit der Folge, dass stattdessen fiktive Einkünfte anzusetzen sind (Senatsurteile BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 45 und vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255).
- 30
- Nach den Maßstäben unterhaltsbezogener Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit ist auch die Frage zu beurteilen, ob der Unterhaltspflichtige sein Einkommen durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit oder von Vorruhestandsregelungen reduzieren darf. Bei der Vereinbarung von Altersteilzeit wird eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit regelmäßig nicht vorliegen, wenn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten schon durch eigene Einkünfte und einen gegebenenfalls fortbestehenden Unterhaltsanspruch auf einem relativ hohen Niveau sichergestellt ist. Im Übrigen wird die Vereinbarung von Altersteilzeit dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige dafür auf betriebliche, persönliche oder gesundheitliche Gründe berufen kann, die bei einer Gesamtabwägung aller Umstände eine mit der Reduzierung seines Einkommens verbundene Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit auch gegenüber dem Unterhaltsberechtigten als angemessen erscheinen lässt (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 749 mwN.). Ähnliche Maßstäbe gelten auch für Vereinbarungen, durch die ein Unterhaltspflichtiger seinen Arbeitsplatz wegen der Möglichkeit des Zugangs zu einem vorgezogenen Altersruhegeld bereits vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze aufgibt. In diesen Fällen kann es auch darauf ankommen, inwieweit es dem Unterhaltspflichtigen möglich ist, das Niveau seines bisherigen Erwerbseinkommens über seine Frühpensionierung hinaus durch eine andere berufliche Tätigkeit (Senatsurteil vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255; vgl. für den Unterhaltsberechtigten: Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 710) oder durch die Umlage einer Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Regelaltersgrenze zu halten.
- 31
- cc) Der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung nach den vorgenannten Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Offensichtlich meint das Berufungsgericht, es komme auf Seiten des Klägers auf eine besondere Rechtfertigung für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht mehr an, weil der Unterhalt der Beklagten im gesamten streitigen Unterhaltszeitraum ohnehin auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen sei. Dagegen hat das Berufungsgericht den Unterhalt der Beklagten aber jedenfalls im Zeitraum bis Juni 2010 ungekürzt im Wege der Differenzmethode aus dem (reduzierten) Einkommen des Klägers abgeleitet. Es stellt sich schon die Frage, worin die Herabsetzung des Unterhalts liegen sollte, wenn dem Kläger bei der Reduzierung seines Einkommens tatsächlich keine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit vorgeworfen werden könnte. Das Berufungsgericht hat im Übrigen - worauf noch weiter einzugehen sein wird - den Begriff des "angemessenen Lebensbedarfs" im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB verkannt.
- 32
- Die bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob der Kläger unterhaltsrechtlich zum Abschluss der Vereinbarung vom November 2006 berechtigt war. Zwar ist auf Seiten des Klägers die mit dem Eintritt in die Altersteilzeit verbundene Nettoeinkommenseinbuße in Höhe von 15 % (zuzüglich des Wegfalls einiger Sonderzahlungen in der passiven Phase der Altersteilzeit) vergleichsweise moderat ausgefallen, was als Indiz gegen die unterhaltsbezogene Mutwilligkeit einer Altersteilzeitvereinbarung gewertet werden kann (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2010, 381 [Ls.], im Übrigen veröffentlicht bei juris; KG Urteil vom 17. Juni 2005 - 25 UF 101/04 - juris). Dies gilt umso mehr, als sich der Unterhaltsberechtigte in der passiven Phase der Altersteilzeit keine berufsbedingten Aufwendungen und keinen Erwerbstätigenbonus mehr entgegenhalten lassen muss. Indessen muss in die unterhaltsrechtliche Bewertung der Vereinbarung auch die darin enthaltene Abrede über die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses drei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze einfließen, welche erkennbar auf den Zugang des Klägers zu einer vorgezogenen Altersrente für langjährig Versicherte (§ 236 Abs. 3 SGB VI) zugeschnitten war. Die mit einem (vorgezogenen) Renteneintritt verbundene Einkommenseinbuße würde durch die nach § 13 der Vereinbarung zu gewährende Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (brutto 300 € für jeweils 0,3 Prozentpunkte des im Rentenbescheid ausgewiesenen Versorgungsabschlages wegen vorzeitigen Rentenbeginns) nur in geringem Umfange kompensiert, so dass mögliche Unterhaltsinteressen der Beklagten für den Zeitraum nach September 2011 in weitaus stärkerem Umfang berührt werden.
- 33
- b) Ebenfalls von Rechtsirrtum beeinflusst sind die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Erwerbsobliegenheit der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allein aus dem Umstand, dass der Unterhaltspflichtige nur eine Tätigkeit ausübt, welche die für eine vollschichtige Tätigkeit übliche Stundenzahl nicht erreicht, noch keine Reduzierung der Erwerbsobliegenheit auf Seiten des Unterhaltsberechtigten hergeleitet werden (Senatsurteil vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 12). Nichts anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, dass der Unterhaltspflichtige ein Blockaltersteilzeitmodell in Anspruch nimmt. Der Umfang der regelmäßig erforderlichen Erwerbstätigkeit und eventuelle Abweichungen davon bestimmen sich vielmehr nach den individuellen Verhältnissen des betroffenen Ehegatten. Feststellungen dazu, ob etwa gesundheitliche oder arbeitsmarktbedingte Gründe einer Ausweitung der von der Beklagten ausgeübten Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnten, hat das Oberlandesgericht - unabhängig davon, ob sich der Kläger solche Gründe im Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte der §§ 1572, 1573 Abs. 1 BGB überhaupt entgegenhalten lassen müsste - nicht getroffen.
- 34
- Das Berufungsgericht durfte deshalb auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei den im Jahre 2009 erzielten zusätzlichen Einkünften der Beklagten insgesamt um Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit handelt. Dies ist nur in Bezug auf die Abgeltung des von der Beklagten nicht genommenen Erholungsurlaubs richtig (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1992 - XII ZR 127/91 - NJW-RR 1992, 1282, 1283). Dagegen lassen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss darauf zu, dass die von der Beklagten über ihre Vertragsarbeitszeit von 25 Wochenstunden hinaus geleistete Mehrarbeit bei der Diakonie auf überobligatorischen Anstrengungen beruhte. Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, ein von der Beklagten erzieltes Einkommen aus überobligationsmäßiger Tätigkeit bei Anwendung der Differenzmethode vollständig unberücksichtigt zu lassen, steht mit der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang. Selbst ein überobligatorisch erzieltes Einkommen ist mit seinem nach Billigkeitskriterien (§§ 1577 Abs. 2, 242 BGB) zu ermittelnden unterhaltsrelevanten Teil in die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen einzubeziehen (Senatsurteile BGHZ 162, 384 = FamRZ 2005, 1154, 1157 f. und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 17).
- 35
- 4. Rechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Berufungsgericht die von dem Kläger erzielten Kapitaleinkünfte ohne weiteres in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) einbezogen hat.
- 36
- Das Berufungsgericht geht davon aus, dass diese Kapitaleinkünfte auf den Zinserträgen eines geerbten Geldvermögens beruhen, soweit dies beim Kläger noch vorhanden ist. Im Ausgangspunkt trifft es zu, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch Erwerbseinkünfte, sondern ebenso durch Kapital- und andere Vermögenserträge sowie sonstige wirtschaftliche Nutzungen geprägt werden, soweit diese bereits während der Ehezeit zur Verfügung standen. Davon können auch Erträge aus dem durch Erbfall erworbenen Vermögen eines Ehegatten nicht ausgenommen werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 68/87 - FamRZ 1988, 1145, 1146). Vorliegend ist der Erbfall allerdings erst im Jahre 1998 und damit nach der Scheidung der Parteien eingetreten. Der nacheheliche Erwerb schließt eine bedarfssteigernde Berücksichtigung der aus dem geerbten Vermögen gezogenen Kapitaleinkünfte zwar nicht von vornherein aus. Ein hinreichender Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen besteht aber nur dann, wenn die Erwartung eines künftigen Erbes schon während bestehender Ehe so wahrscheinlich war, dass die Eheleute ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einrichten konnten und sich auch tatsächlich - etwa durch den Verzicht auf eine an sich angemessene Altersvorsorge und den Verbrauch der dadurch ersparten Mittel zur Erhöhung des ehelichen Lebensstandards - darauf eingerichtet haben (Senatsurteil vom 23. November 2005 - XII ZR 51/03 - FamRZ 2006, 387, 390; OLG Celle NJW 2010, 79, 83). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Waren Kapitaleinkünfte aber nicht in der Ehe angelegt, können sie beim Unterhaltspflichtigen nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden (vgl. Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 420 und 972).
- 37
- Im Übrigen hätten die vom Berufungsgericht bedarfssteigernd berücksichtigten Kapitaleinkünfte nicht um einen Erwerbstätigenbonus gekürzt werden dürfen, den das Berufungsgericht dem Kläger bis zum Ende der aktiven Phase seiner Altersteilzeit im August 2009 gutgebracht hat.
- 38
- 5. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB sind mit Rechtsfehlern behaftet.
- 39
- a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB hängt zunächst davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
- 40
- aa) Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, von welcher Verteilung der Darlegungs- und Beweislast das Berufungsgericht im Rahmen des § 1578 b BGB ausgegangen ist. Im Ausgangspunkt trägt der Kläger als Unterhaltsschuldner , der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Nach diesen Grundsätzen trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 22 ff.).
- 41
- Soweit dafür regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat, sind diesbezügliche Schwierigkeiten im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen (Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 24). Deshalb kann der Unterhaltsberechtigte im Einzelfall seiner sekundären Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten oder vor der ehebedingten Berufspause ausgeübten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit üblich seien. Wenn indessen ein beruflicher Aufstieg behauptet werden soll, muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, aufgrund welcher Umstände (Fortbildungsbereitschaft , besondere Befähigungen, Neigungen oder Talente) er eine entsprechende Karriere gemacht hätte (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.).
- 42
- Solche Umstände hat das Berufungsgericht dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen; vielmehr hat es - von der Revision der Beklagten insoweit unbeanstandet - festgestellt, dass die von der Beklagten nach dem Ende ihrer Berufsausbildung im Jahre 1969 bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1978 ausgeführten Büro- und Buchführungstätigkeiten einfachen Zuschnitts waren und sich in eher untergeordneten Bereichen entfalteten. Es ist deshalb nicht ohne weiteres ersichtlich, worauf das Berufungsgericht seine weitergehende Erwägung stützt, dass der Beklagten durch die Berufspause die Möglichkeit genommen worden sei, sich eine andere und besser dotierte Position zu erarbeiten. Der von der Beklagten mit Hinweis auf den identischen Ausbildungshintergrund (abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung) ange- stellte Vergleich zur Erwerbsbiographie des Klägers vermag insoweit nicht zu verfangen. Zwar kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen , um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 24). Ein solcher Vergleich kann aber einen substanziierten Vortrag dazu, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich für den Unterhaltsberechtigten in seinem Berufsfeld konkret ergeben haben, nicht ersetzen. Darüber hinaus dürften die Erwerbsbiographien der beiden Parteien, die nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung in unterschiedlichen Branchen tätig waren, auch kaum genügend Berührungspunkte aufweisen, um den von der Beklagten gezogenen Schluss zu rechtfertigen, sie könne ohne die durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Berufspause die gleichen Einkünfte erzielen wie der Kläger.
- 43
- bb) Das Berufungsgericht ist demgegenüber auch ohne substanziierten Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass ehebedingte Nachteile deshalb entstanden seien, weil die Beklagte ohne Eheschließung und Kinderbetreuung eine vollschichtige Tätigkeit mit den im kaufmännischen Bereich üblichen Gehältern ausüben würde.
- 44
- Allein diese Ausführungen vermögen die Annahme ehebedingter Nachteile von vornherein nicht zu tragen. Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass zwar exakte Feststellungen zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht notwendig sind. Der Tatrichter kann vielmehr beim Vorliegen einer geeigneten Schätzungsgrundlage, die er unter anderem aus der Anwendung von Erfahrungssätzen im jeweiligen Berufsfeld und aus der Heranziehung tariflicher Regelwerke gewinnen kann, entsprechend § 287 ZPO verfahren , sofern in der Entscheidung die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angegeben sind (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Das Berufungsgericht hat indessen überhaupt keine Feststellungen dazu getroffen, wie hoch es die üblichen Gehälter im kaufmännischen Bereich einschätzt, zu denen die Beklagte nach seiner Auffassung bei einer ununterbrochenen Erwerbsbiographie Zugang gehabt hätte. Damit fehlt es an jeder Begründung, warum die heutige Erwerbstätigkeit der Beklagten als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst ihr nicht das gleiche Einkommensniveau bieten kann, das sie ohne Ehe und Kinderbetreuung bei einer kaufmännischen Tätigkeit erzielt hätte. Auf den Umstand, dass die Beklagte tatsächlich nur 25 Wochenstunden arbeitet und deshalb lediglich Teilzeiteinkünfte erzielt, käme es in diesem Zusammenhang nur dann an, wenn die Gründe, die der Ausübung einer Vollzeittätigkeit entgegenstehen, ihrerseits ehebedingte Ursachen haben (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 27 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 31). Auch hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
- 45
- b) Die gegenüber der Feststellung ehebedingter Nachteile zu erhebenden Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, im Grundsatz nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte; dabei muss es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 27 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 27 f.). Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veran- schlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass seine Herabsetzungsentscheidung insgesamt nicht nachvollzogen werden kann.
III.
- 46
- Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil es hierzu weiterer tatrichterlicher Feststellungen und Würdigungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 47
- Für das weitere Verfahren wird noch auf folgendes hingewiesen:
- 48
- Die Billigkeitsabwägung nach § 1578 b BGB erschöpft sich nicht in der Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt darüber hinaus das Maß der nachehelichen Solidarität; dies gilt auch für den Aufstockungsunterhalt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 35). Sollten im vorliegenden Fall keine ehebedingten Nachteile festzustellen sein, so dürften die verbleibenden, besonders gewichtig gegen eine Unterhaltsbegrenzung sprechenden Billigkeitsgesichtspunkte - zum einen die lange Ehedauer und zum anderen die von der Beklagten behaupteten, allerdings vom Berufungsgericht bislang nicht aufgeklärten herausgehobenen Vermögensverhältnisse des Klägers - es nicht rechtfertigen können, der Beklagten einen dauerhaften Aufstockungsunterhalt zuzusprechen.
- 49
- Die Zurückverweisung gibt dem Kläger auch Gelegenheit, zur Unterhaltsbedürftigkeit seiner zweiten Ehefrau vorzutragen. Sollte hiernach festgestellt werden können, dass eine weitere, nach § 1609 BGB gleichrangige Unterhaltsverbindlichkeit besteht, wäre diese nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen (Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - FamRZ 2012, 281 Rn. 41 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu berücksichtigen.
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 22.01.2009 - 354 F 55/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.04.2010 - 12 UF 40/09 -
(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.
(2) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte heirateten im Jahr 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen , von denen sich der jüngste Sohn noch in der Berufsausbildung befindet. Die Parteien trennten sich im April 1997. Ihre Ehe ist seit August 1999 rechtskräftig geschieden.
- 3
- Der Kläger ist Tischlermeister. Er war als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 25% an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieben hat. Außerdem war er Mitgesellschafter einer Grundstücks-GbR, die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt ist. Er ist seit Januar 2008 unter anderem an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezieht seit Dezember 2008 eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Geschäftsführer der GmbH ist er inzwischen abberufen, das Anstellungsverhältnis ist gekündigt worden.
- 4
- Die Beklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und war bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978 in einer Musterschneiderei tätig. Während der Ehe betreute sie im wesentlichen die drei Kinder und versorgte den Haushalt. Außerdem erlitt sie 1980 eine Fehlgeburt. Seit Oktober 1999 geht die Beklagte einer Teilzeitbeschäftigung als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen nach, war aber wegen einer im Jahr 2004 eingetretenen Krebserkrankung wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Nach mehreren Operationen sind gesundheitliche Einschränkungen mit einer Schwerbehinderung von 50% verblieben. Mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden erzielt sie ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 1.600 € und netto - vor Abzug von Fahrtkosten - rund 1.140 €.
- 5
- Der Kläger war während der Ehe Eigentümer eines Mehrfamilienhausgrundstücks. Die darin befindliche Ehewohnung wurde nach der Scheidung zunächst noch von der Beklagten - als Nießbrauchsberechtigte - und den Kindern bewohnt. Inzwischen wurde das Hausgrundstück veräußert, nachdem die Beklagte gegen eine Abstandssumme auf ihren Nießbrauch verzichtet hatte.
- 6
- Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 521 DM (266,38 €) verpflichtete. Nach Veräußerung des Hausgrundstücks und Auszug der Beklagten stritten die Parteien im Jahr 2003 um eine Abänderung des titulierten Unterhalts. Im Ergebnis erhöhte das Berufungsgericht den laufenden Unterhalt durch Urteil vom 21. Dezember 2005 ab Januar 2006 auf monatlich 357 €.
- 7
- Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Reduzierung und Befristung des Unterhalts. Er beruft sich auf sein vor allem krankheitsbedingt verringertes Einkommen und auf eine nach geänderter Rechtslage seit Januar 2008 verstärkte eigene Unterhaltsverantwortung der Beklagten. Die Parteien streiten vor allem um das Bestehen ehebedingter Nachteile auf Seiten der Beklagten.
- 8
- Das Amtsgericht hat den titulierten Unterhalt für November 2008 bis einschließlich April 2009 herabgesetzt, im Übrigen aber bestehen lassen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt - unter anderem gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB - weiter auf zuletzt monatlich 150 € ab Januar 2011 herabgesetzt und wie das Amtsgericht eine Befristung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit welcher er sein Befristungsbegehren zum 31. Dezember 2008 weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision hat Erfolg.
- 10
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 8 und vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5 und Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
- 11
- Das Berufungsgericht hat den Unterhalt aufgrund der gegenüber dem Vorprozess veränderten Einkommensverhältnisse der Parteien neu berechnet. Auf Seiten des Klägers ist es lediglich vom Krankengeld- und später vom Rentenbezug sowie Zinseinkünften ausgegangen. Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihr Einkommen aus Teilzeittätigkeit angerechnet und eine weitergehende Erwerbspflicht verneint. Außerdem hat es ihr vorübergehend fiktive Mietzinseinnahmen zugerechnet.
- 12
- Im Hinblick auf die Befristung des Unterhalts seien ehebedingte Nachteile nicht auszuschließen, was sich unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Klägers auswirke und einer Befristung entgegenstehe. Ehebedingte Nachteile folgten noch nicht aus den aufgrund der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit verringerten Rentenanwartschaften. Auch eine Erkrankung sei nur in Ausnahmefällen ehebedingt. Da die Krebserkrankung der Beklagten erst fünf Jahre nach der Scheidung aufgetreten sei, handele es sich insoweit um eine schicksalhafte Entwicklung. Ehebedingte Nachteile könnten aber deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und zudem die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Insofern sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte, die zum Zeitpunkt der Trennung 40 Jahre alt und zu diesem Zeitpunkt nach früherer Rechtslage allenfalls verpflichtet gewesen sei, eine Geringverdienertätigkeit aufzunehmen, seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978, als sie gerade erst knapp 21 Jahre alt gewesen sei, nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet habe. In Anbetracht der nur sehr kurzen Berufstätigkeit im erlernten Beruf könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beklagten ohne die Berufspause Erwerbsmöglichkeiten und Einkommensquellen als Damenschneiderin eröffnet hätten. Die Feststellung, dass sie im Erwerbsleben ohne die Eheschließung und die vier Schwangerschaften nicht besser hätte Fuß fassen können, als dies tatsächlich durch ihre heutige Teilzeittätigkeit erfolgt sei, erscheine zu weitgehend. Zumindest hätte sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften umfassende Berufserfahrung gehabt, die ihr bessere Einkommensquellen hätte eröffnen können. Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass sich gerade in der Textilindustrie im Lauf der Ehezeit der Arbeitsmarkt fast durchweg verschlechtert habe und die Beklagte dadurch gezwungen worden wäre, sich beruflich umzuorientieren, bleibe gänzlich offen, welche endgültige Stellung sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften im Erwerbsleben gehabt hätte. Darüber hinaus könne die Beklagte den Beweis für eine herausragende berufliche Entwicklung (Schneidermeisterin oder sogar eine Leitungsposition in der Textilindustrie) kaum führen. Die schon als lang zu bezeichnende Ehedauer (rund 27 Jahre unter Einschluss der Kinderbetreuungszeiten) sowie die Tatsache, dass sich die Beklagte "seit ihrer Berufspause 1978" allein für Ehe und Familie eingesetzt habe, begründe ein besonders gewichtiges Vertrauen in die erfolgte Unterhaltstitulierung (vgl. § 36 Nr. 1 EGZPO), das unter Abwägung der vorgenannten Umstände einer Befristung entgegenstehe.
- 13
- Demgegenüber sei ungeachtet nicht auszuschließender ehebedingter Nachteile unter Billigkeitsabwägungen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 150 € ab 1. Januar 2011 gerechtfertigt. Der Kläger beziehe nunmehr selbst eine Erwerbsunfähigkeitsrente und habe seit mehr als zehn Jahren durchgängig Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die fortwährende Unterhaltsverpflichtung konkrete Vermögensdispositionen getroffen habe. Darüber hinaus seien die krankheitsbedingten Einschränkungen der Beklagten schicksals- und nicht ehebedingt. Die Beklagte verfüge mit dem Unterhalt ab dem 1. Januar 2011 über ein Einkommen, das dem angemessenen Selbstbehalt von 1.100 € entspreche. Andererseits sei der Kläger durch den Unterhalt nicht unangemessen belastet, berücksichtigend, dass er im Gegensatz zur Beklagten in einer neuen Partnerschaft lebe und aus dem Zusammenleben - wenngleich nicht eheprägend - wirtschaftliche Vorteile haben dürfte.
II.
- 14
- Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 15
- Die Abänderungsklage richtet sich nach § 323 ZPO aF. Ihre Zulässigkeit steht im vorliegenden Fall außer Zweifel.
- 16
- 1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an das abzuändernde Urteil davon ausgegangen, dass die Beklagte, nachdem die zeitweiligen Voraussetzungen eines (Anschluss-)Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 2 BGB entfal- len sind, ("jedenfalls") Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB beanspruchen könne.
- 17
- Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt indessen voraus , dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann (Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 f. mwN und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 13). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsurteils an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.
- 18
- 2. Bei der Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB ist das Berufungsgericht nach zwischenzeitlichem Krankengeldbezug des Klägers von seinem aufgrund vollständiger Erwerbsminderung gesunkenen Einkommen (Erwerbsminderungsrente zuzüglich Zinsen) ausgegangen. Hierbei handelt es sich zwar um eine nacheheliche Veränderung. Unvorhersehbare nacheheliche Einkommensverringerungen können aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 - FamRZ 1992, 1045, 1046 f.) bereits im Rahmen der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden, wenn sie nicht vorwerfbar herbeigeführt wurden. Die Berücksichtigung solcher auch im Fall des Fortbestands der Ehe eingetretener Veränderungen ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 70).
- 19
- Auch ansonsten gibt die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu Beanstandungen, was schließlich auch für den Abzug des - wenngleich hier nachrangigen - Kindesunterhalts vom Einkommen des Be- klagten gilt (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 44 mwN).
- 20
- 3. Hinsichtlich der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB begegnet das Berufungsurteil hingegen durchgreifenden Bedenken. Dass die Vorschrift des § 1578 b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht verfassungswidrig ist, hat der Senat bereits entschieden (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 14).
- 21
- a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
- 22
- aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.
- 23
- Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der - nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten - Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden , substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
- 24
- Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsachengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persön- lichen Fähigkeiten - etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren - vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 24).
- 25
- bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag ehebedingter Nachteile hat das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen mangelt es an konkreten Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen.
- 26
- Das Berufungsgericht ist statt dessen ohne näheren Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass das Entstehen ehebedingter Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sachvortrag nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen.
- 27
- Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der Hausfrauenrolle geplant oder zu erwarten gehabt hätte, welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen als in der ehelichen Rollenverteilung begründeten Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen nachhaltigen Aufstieg der Beklagten im Beruf der Damenschneiderin sprechen dürfte. Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 33; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 18 und vom 7. Juli 2010 - XII ZR 157/08 - FamRZ 2011, 188 Rn. 20).
- 28
- Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei zunehmend verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen, dass sie ohne Eheschließung ihren Meister gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik erlangt hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelassen , so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden kann.
- 29
- Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
- 30
- cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom - nicht widerlegten - Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.
- 31
- b) Die zur Feststellung ehebedingter Nachteile erhobenen Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Gemäß der - ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen - Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf , der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 14; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 29 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 27 f.).
- 32
- Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veranschlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Herabsetzungsentscheidung kann daher nicht nachvollzogen werden. Dass es den Betrag von 1.100 €, der in der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte als angemessener Selbstbehalt ausgewiesen war, als Mindestbetrag betrachtet hat, lässt sich der Begründung des Berufungsurteils nicht entnehmen. Schon aus der mit 30 Wochenstunden aktuell ausgeübten Tätigkeit der Beklagten ergibt sich hingegen ein Nettoeinkommen von rund 1.140 € und nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von rund 950 €. Dieser Betrag könnte im Fall des Fehlens ehebedingter Nachteile dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten bereits entsprechen , zumal die gesundheitsbedingten Erwerbseinbußen der Beklagten - wie ausgeführt - nicht ehebedingt sind.
III.
- 33
- Das Berufungsurteil ist demnach - soweit im Rahmen der eingelegten Revision zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist - aufzuheben. Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil weitere tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen erforderlich sind.
IV.
- 34
- Für das weitere Verfahren, weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht der Beklagten für die erneut anzustellende Billigkeitsabwägung Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben hat, um etwaige ehebedingte Nachteile begründen zu können.
- 35
- Sollten ehebedingte Nachteile nicht ausreichend vorgetragen sein oder vom Kläger widerlegt werden, steht damit noch nicht fest, dass und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen ist. Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist ge- mäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 21 und vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 23 f.). Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 28). Zudem sind - wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un- terhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.
Vorinstanzen:
AG Coesfeld, Entscheidung vom 10.02.2009 - 5 F 226/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.08.2009 - II-8 UF 33/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten über die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der 1949 geborene Kläger und die 1950 geborene Beklagte hatten im Jahre 1975 die Ehe geschlossen, aus der ein im Jahre 1978 geborener Sohn hervorging. Nach der Trennung im Herbst 1995 verblieb der seinerzeit noch minderjährige Sohn im Haushalt des Klägers, der ihn auch weiterhin betreute. Die Ehe der Parteien wurde im Jahre 1996 geschieden.
- 3
- Der zwischenzeitlich wiederverheiratete Kläger absolvierte eine kaufmännische Berufsausbildung und arbeitete seit 1972 durchgehend als Außendienstmitarbeiter einer Bank. Im Jahre 1998 erbte er mindestens 72.000 DM. Im November 2006 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin eine Vereinbarung über Altersteilzeit im Blockmodell zwischen September 2007 und August 2011 und eine daran anschließende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- 4
- Die Beklagte erwarb nach der mittleren Reife einen Berufsabschluss als Versicherungskauffrau, ohne danach im erlernten Beruf gearbeitet zu haben. Zwischen 1970 und 1978 war sie bei wechselnden Arbeitgebern, zuletzt bei einem Autohaus und bei einem Werbeartikelhersteller, als kaufmännische Angestellte vollschichtig erwerbstätig. An die Geburt des gemeinsamen Sohnes schloss sich eine rund vierjährige Berufspause an. In den Jahren 1982 und 1983 war die Beklagte noch einmal kurzfristig im kaufmännischen Bereich tätig, bis sie im Jahre 1985 eine geringfügige sozialversicherungsfreie Beschäftigung als Hauspflegerin aufnahm. Im Jahre 1989 wechselte die Beklagte als angestellte Pflegerin zu einer Diakoniestation und weitete ihre Tätigkeit auf 25 Wochenstunden aus. In diesem zeitlichen Umfang ist sie seither durchgängig bei der gleichen Arbeitgeberin beschäftigt, wobei sie seit dem Jahre 2003 im Verwaltungsinnendienst eingesetzt wird.
- 5
- Im Oktober 1995 hatten die Parteien einen vollstreckbaren Trennungsund Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, durch den sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die Beklagte für den Zeitraum seit Juli 1996 einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.100 DM zu zahlen. In einem ersten Abänderungsverfahren wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts vom 8. Dezember 2004 unter Abänderung des Vergleiches verurteilt, an die Beklagte seit März 2004 einen laufenden monatlichen Gesamtunterhalt (Elementar - und Vorsorgeunterhalt) in Höhe von 666 € zu zahlen. In der Beru- fungsinstanz schlossen die Parteien vor dem Oberlandesgericht am 1. Juni 2006 einen Vergleich des Inhalts, dass es "unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte" bis einschließlich Februar 2007 bei dem erstinstanzlichen Urteil verbleiben solle und anschließend "jede Partei eine Abänderung beantragen" könne, wobei ein Unterhaltsanspruch der Beklagten "nach den gesetzlichen Vorschriften und der herrschenden Rechtsprechung" zu berechnen sei.
- 6
- Mit seiner am 7. Juni 2008 zugestellten Abänderungsklage begehrt der Kläger den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht seit März 2008. Das Amtsgericht hat seiner Klage weitgehend stattgegeben und den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis Juni 2008 befristet. Auf die Berufung und die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage der Beklagten hat der Einzelrichter am Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung abgeändert und der Beklagten unbefristeten (Elementar-) Unterhalt in gestaffelter Höhe zugesprochen , zuletzt für den Zeitraum von Januar bis Juni 2010 in Höhe von monatlich 689,90 € und für den Zeitraum ab Juli 2010 in Höhe von monatlich 344,95 €.
- 7
- Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen beider Parteien.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revisionen der Parteien führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 9
- Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
- 10
- Das Oberlandesgericht hat den von ihm zugesprochenen Unterhalt für den Zeitraum bis Juni 2010 im Wege der Halbteilung aus der Differenz der von ihm ermittelten tatsächlichen Einkünfte der Parteien bemessen. Für den Zeitraum seit Juli 2010 hat es den zuletzt errechneten Unterhaltsbetrag halbiert und seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 11
- Der Anspruch der Beklagten auf Aufstockungsunterhalt sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht zu befristen, sondern lediglich auf einen angemessenen Unterhalt herabzusetzen. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte ehebedingte Nachteile erlitten habe. Zwar sei ihre berufliche Biographie bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1978 nicht immer völlig konsistent verlaufen, denn sie habe nicht im erlernten Beruf als Versicherungskauffrau gearbeitet, sondern bei verschiedenen Arbeitgebern, die zudem relativ schnell gewechselt worden seien, Büro- und Buchführungstätigkeiten eher einfachen Zuschnitts ausgeführt. Andererseits sei die Beklagte ohne größere Unterbrechungen im kaufmännischen und somit in einem nicht völlig ausbildungsfremden Bereich erwerbstätig gewesen. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes und die daran anschließende vierjährige Berufspause stellten eine einschneidende Zäsur dar. Vor der Geburt des Sohnes sei sie vollschichtig erwerbstätig gewesen, während sie danach neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter nur noch teilschichtig gearbeitet habe. Auch die berufliche Umorientierung in Richtung einer pflegerischen Tätigkeit sei offensichtlich auf den Umstand zurückzuführen , dass diese Tätigkeit der Beklagten die für die Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit erforderliche zeitliche Flexibilität geboten habe. Ohne die Ehe mit dem Kläger und das gemeinsame Kind wäre sie demgegenüber zu den üblichen Gehältern im Versicherungsgewerbe oder in einem anderen kaufmännischen Bereich beschäftigt gewesen. Hinzu komme noch, dass die Beklagte bei Trennung der Parteien bereits 45 Jahre alt gewesen sei und eine berufliche Neu- oder Rückorientierung nicht mehr ohne weiteres möglich gewesen sei. Wegen ihres festen und sicheren Arbeitsplatzes sei ihr auch kein Arbeitsplatzwechsel mehr zumutbar, unabhängig davon, ob dies überhaupt möglich wäre.
- 12
- Allerdings sei eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Aufstockungsunterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB unbillig. Der Kläger zahle bei einer Ehezeit von 21 Jahren seit nunmehr 14 Jahren nachehelichen Unterhalt an die Beklagte. Die Parteien hätten sich nach der Scheidung weiter voneinander entfernt und eigene Lebenskreise aufgebaut; der Kläger sei seit Jahren wieder verheiratet. Schon im Zeitpunkt der Trennung habe eine gesellschaftliche Tendenz dahingehend bestanden, nach der Scheidung "auf eigenen Beinen" stehen zu müssen. Die nacheheliche Solidarität sei zwar nicht völlig erloschen, aber in ihrer Wirksamkeit stark reduziert, so dass die Beklagte eine Herabsetzung ihres Unterhaltsanspruches auf den angemessenen Lebensbedarf hinnehmen müsse.
- 13
- Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger unterhaltsrechtlich gehalten sei, bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze in vollem Umfange erwerbstätig zu sein, könne deshalb auch dahinstehen, weil es dem Kläger im Rahmen der Bestimmung eines angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB unbenommen bleibe, von Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen Gebrauch zu machen. Umgekehrt führe dies aber dazu, dass auch die Beklagte nicht verpflichtet werden könne, mehr als die von ihr tatsächlich abgeleisteten 25 Wochenstunden zu arbeiten und sie deshalb nicht gehalten sei, ihre Tätigkeit auszuweiten oder einen zusätzlichen Mini-Job anzunehmen. Soweit sich die Beklagte im Jahre 2009 von ihrem Arbeitgeber in größerem Umfang Mehrarbeitsstunden und Urlaubsabgeltung habe auszahlen lassen, seien diese zusätzlichen Einkünfte als Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit anzusehen und bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen.
- 14
- Schließlich sei es der Beklagten zwei Jahre nach Erhebung der Abänderungsklage zuzumuten, dass sich der "angemessene Lebensbedarf" seit Juli 2010 in einer zweiten Stufe nochmals um die Hälfte reduziere.
II.
- 15
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
- 16
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass Gegenstand der Abänderungsklage der am 1. Juni 2006 vor dem Oberlandesgericht geschlossene Prozessvergleich und nicht das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts vom 8. Dezember 2004 ist. Denn der im Vergleich zum Ausdruck gekommene Willen der Parteien stellte seit dem Vergleichsschluss den einzigen Geltungsgrund für die in erster Instanz ausgeworfenen Unterhaltsbeträge dar. Bei einem Prozessvergleich erfolgt die nach § 323 Abs. 4 aF i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehene Anpassung an veränderte tatsächliche Verhältnisse nach den Regeln des materiellen Rechts, mithin in erster Linie nach den Vereinbarungen der Parteien über die Abänderbarkeit und im Übrigen nach den gesetzlichen Regeln über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrund- lage gemäß § 313 BGB (Senatsurteile vom 21. September 2011 - XII ZR 173/09 - FamRZ 2012, 699 Rn. 28 und vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ 1997, 811, 813).
- 17
- a) Die Parteien können eine Abänderung des Vergleiches erleichtern oder erschweren. Aus der Vereinbarung selbst oder aus dem zugrundeliegenden Parteiwillen kann sich deshalb ergeben, dass der Vergleich jederzeit, d.h. ohne einen Zusammenhang mit einer Änderung der bei Vergleichsschluss obwaltenden Verhältnisse, abgeändert werden kann. Zwar wird eine solche Auslegung von Unterhaltsvereinbarungen mit Rücksicht auf die von den Vertragsparteien beim Vergleichsschluss typischerweise erstrebte Rechtssicherheit oftmals nicht in Betracht kommen; ausgeschlossen ist ein solcher Parteiwille allerdings nicht (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 23 ff.). Er kann insbesondere dann zu erwägen sein, wenn die Parteien wesentliche Streitpunkte des durch Vergleichsschluss beendeten Verfahrens nicht beilegen konnten und sich für die Zukunft nur im Sinne einer einstweiligen Regelung an den Vergleich binden wollen.
- 18
- Die Parteien haben sich im Vergleich ausdrücklich die "Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte" und damit die erneute Geltendmachung aller Einwendungen vorbehalten, die bereits Gegenstand des ersten Abänderungsverfahrens gewesen sind. Dieser uneingeschränkte Vorbehalt betraf sowohl die Frage der Unterhaltsbegrenzung als auch die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse, insbesondere den streitigen Umfang der Erwerbsobliegenheit der Beklagten. Wenn sich die Vertragsparteien alle Streitpunkte eines Verfahrens in solcher Weise bewusst offenhalten wollten, entspricht es regelmäßig ihrem Willen, den Vergleich nach Ablauf einer nach Treu und Glauben bemessenen oder - wie hier - ausdrücklich vereinbarten Stillhaltefrist zur Überprüfung in einem Abänderungsverfahren stellen zu können, ohne dass es dazu einer zwischenzeitlichen Änderung der Verhältnisse bedarf. Diese Auslegung wird im vorliegenden Fall auch durch die bei Vergleichsschluss verwendete Formulierung gestützt, wonach ab März 2007 "jede Partei eine Abänderung beantragen" könne.
- 19
- b) Ferner können die Parteien im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsfreiheit auch das Ausmaß der Abänderung bestimmen. Es kann daher dem Parteiwillen entsprechen, dass der Unterhalt im Falle einer Abänderung von vornherein ohne jede Bindung an Vergleichsgrundlagen in freier Neuberechnung bemessen werden soll (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 1884, 1885; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 239 Rn. 54; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 323 Rn. 102; Johannsen/Henrich/Brudermüller Familienrecht 5. Aufl. § 239 FamFG Rn. 15; Haußleiter/Fest FamFG § 239 Rn. 30).
- 20
- Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsvergleich der Parteien vom 1. Juni 2006 in diesem Sinne ausgelegt, wogegen aus Rechtsgründen keine Bedenken zu erheben sind. Auch die Revisionen der Parteien erinnern dagegen nichts.
- 21
- 2. Jedenfalls im Ergebnis richtig ist die - wenngleich nicht näher begründete - Annahme des Berufungsgerichts, dass sich ein Unterhaltsanspruch der Beklagten nur aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB) ergeben kann. Allerdings setzt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB nach der Systematik des Gesetzes voraus, dass der geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben könnte und daher nicht bereits aufgrund eines anderen gesetzlichen Tatbestandes (§§ 1570 bis 1572, 1573 Abs. 1 und 4 BGB) Anspruch auf Unterhalt hat (vgl. Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16 und vom 16. März 1988 - IVb ZR 40/87 - FamRZ 1988, 701, 702). Soweit die Revision der Beklagten in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die Beklagte nach § 1573 Abs. 1 BGB wegen (teilweiser) Erwerbslosigkeit unterhaltsberechtigt sei, bleibt diese Rüge ohne Erfolg.
- 22
- a) Nach § 1573 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte, der keinen Unterhaltsanspruch aus §§ 1570 bis 1572 BGB hat, Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Als die Ehe der Parteien im Jahre 1996 geschieden wurde, standen einer vollschichtigen Tätigkeit der Beklagten insbesondere keine Belange der Kindesbetreuung mehr entgegen, nachdem der gemeinsame Sohn im Anschluss an seinen Auslandsaufenthalt nach der Trennung der Parteien in den Haushalt des Klägers gezogen war. Die Beklagte war zu jener Zeit im zeitlichen Umfang von 25 Wochenstunden als angestellte Pflegerin bei der Diakonie beschäftigt. Ein teilzeitbeschäftigter Ehegatte muss sich grundsätzlich um eine Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemühen.
- 23
- Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es der seinerzeit im mittleren Erwerbsalter stehenden Beklagten schon damals nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sein sollte, alsbald nach der Scheidung ihre Tätigkeit bei der Diakonie auszuweiten oder bei einem anderen Pflegedienst auf eine Vollzeitstelle zu wechseln. Die Revision der Beklagten macht auch nicht geltend , dass diesbezüglicher Vortrag übergangen worden sei.
- 24
- b) Im Übrigen kann von einem teilschichtig beschäftigten Ehegatten selbst dann, wenn er zur Aufgabe seines Teilzeitarbeitsplatzes nicht verpflichtet ist, grundsätzlich verlangt werden, dass er zur Sicherung seines Unterhalts eine weitere Teilzeittätigkeit aufnimmt (vgl. Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 276; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 6. Aufl. Teil IV Rn. 277; MünchKommBGB/Maurer 5. Aufl. § 1573 Rn. 16; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1573 BGB Rn. 13). Denn auch die Übernahme von zwei Teilzeitbeschäftigungen kann grundsätzlich eine "angemessene" Erwerbstätigkeit im Sinne von §§ 1573 Abs. 1, 1574 BGB sein (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 202).
- 25
- Tatsächlich hatte die Beklagte schon im Jahre 1995 eine Nebenbeschäftigung als Pflegerin in einem Privathaushalt aufgenommen. Unstreitig übte sie diese Tätigkeit noch mindestens bis zum Jahre 2000 aus. Eine durch den Wegfall dieser Nebenbeschäftigung eingetretene (teilweise) Erwerbslosigkeit der Beklagten wäre so lange nach der Scheidung im Jahre 1996 eingetreten, dass der für den Einsatzzeitpunkt des § 1573 Abs. 1 BGB erforderliche, relativ enge zeitliche Zusammenhang (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684, 687) zwischen beiden Ereignissen ersichtlich fehlt. Auf die zwischen den Parteien im ersten Abänderungsverfahren streitige Frage, ob die pflegerische Tätigkeit in einem Privathaushalt wegen des ihr innewohnenden Risikos, aufgrund des Todes der zu pflegenden Person oder einer plötzlichen Änderung ihrer Pflegebedürfnisse jederzeit kurzfristig beendet zu werden, überhaupt zu einer nachhaltigen Sicherung des Unterhalts (§ 1573 Abs. 4 Satz 1 BGB) geeignet war, kommt es dabei nicht an. Denn es hätte der Beklagten oblegen, sich auch im Rahmen einer Nebenbeschäftigung um einen gesicherten Dauerarbeitsplatz zu bemühen. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass solche Arbeitsplätze für sie nach der Scheidung im Jahre 1996 nicht zu erlangen waren. Wenn sie sich demgegenüber für eine Beschäftigung entschieden hat, die absehbar nicht auf Dauer ausgeübt werden kann, hat der Kläger das Risiko, dass später eine vergleichbare Anschlussbeschäftigung nicht mehr gefunden werden kann, rund vier Jahre nach der Scheidung nicht mehr mitzutragen.
- 26
- 3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen demgegenüber die Erwägungen, die das Berufungsgericht im Rahmen der Einkommensermittlung zu den Erwerbsobliegenheiten der Parteien angestellt hat.
- 27
- a) Soweit es das Einkommen des Klägers betrifft, erweist sich schon der gedankliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht als tragfähig, es sei dem Kläger "im Rahmen der Bestimmung des nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB angemessenen Unterhalts" ohne weiteres zuzugestehen, seine Einkünfte durch den Abschluss einer Altersteilzeit- und Aufhebungsvereinbarung zu reduzieren.
- 28
- aa) Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass die unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit (erst) mit Erreichen der Regelaltersgrenzen nach §§ 35, 235 SGB VI bzw. § 51 BBG endet. Durch die aufgeführten gesetzlichen Bestimmungen legt die Rechtsordnung den Rahmen für die Erwerbsbiographie des Einzelnen fest. Solange die gesetzlichen Regelungen dabei nicht offensichtlich auf berufsbezogenen Besonderheiten beruhen oder ansonsten von der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit des Einzelnen abweichen, können sie als tauglicher Maßstab auch für das Unterhaltsrecht herangezogen werden. Beim Ehegattenunterhalt gilt der Maßstab der gesetzlichen Regelaltersgrenze nicht nur für den Unterhaltsberechtigten, sondern in gleicher Weise auch für den Unterhaltspflichtigen (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 20).
- 29
- bb) Solange und soweit das Gesetz einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vorsieht, darf der Unterhaltspflichtige diesen nicht unterhaltsbezogen mutwillig oder leichtfertig gefährden. Beruhen Einkommensminderungen auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen oder sind sie durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst und hätten sie von diesem durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können, bleiben sie deswegen unberücksichtigt mit der Folge, dass stattdessen fiktive Einkünfte anzusetzen sind (Senatsurteile BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 45 und vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255).
- 30
- Nach den Maßstäben unterhaltsbezogener Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit ist auch die Frage zu beurteilen, ob der Unterhaltspflichtige sein Einkommen durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit oder von Vorruhestandsregelungen reduzieren darf. Bei der Vereinbarung von Altersteilzeit wird eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit regelmäßig nicht vorliegen, wenn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten schon durch eigene Einkünfte und einen gegebenenfalls fortbestehenden Unterhaltsanspruch auf einem relativ hohen Niveau sichergestellt ist. Im Übrigen wird die Vereinbarung von Altersteilzeit dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige dafür auf betriebliche, persönliche oder gesundheitliche Gründe berufen kann, die bei einer Gesamtabwägung aller Umstände eine mit der Reduzierung seines Einkommens verbundene Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit auch gegenüber dem Unterhaltsberechtigten als angemessen erscheinen lässt (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 749 mwN.). Ähnliche Maßstäbe gelten auch für Vereinbarungen, durch die ein Unterhaltspflichtiger seinen Arbeitsplatz wegen der Möglichkeit des Zugangs zu einem vorgezogenen Altersruhegeld bereits vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze aufgibt. In diesen Fällen kann es auch darauf ankommen, inwieweit es dem Unterhaltspflichtigen möglich ist, das Niveau seines bisherigen Erwerbseinkommens über seine Frühpensionierung hinaus durch eine andere berufliche Tätigkeit (Senatsurteil vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255; vgl. für den Unterhaltsberechtigten: Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 710) oder durch die Umlage einer Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Regelaltersgrenze zu halten.
- 31
- cc) Der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung nach den vorgenannten Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Offensichtlich meint das Berufungsgericht, es komme auf Seiten des Klägers auf eine besondere Rechtfertigung für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht mehr an, weil der Unterhalt der Beklagten im gesamten streitigen Unterhaltszeitraum ohnehin auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen sei. Dagegen hat das Berufungsgericht den Unterhalt der Beklagten aber jedenfalls im Zeitraum bis Juni 2010 ungekürzt im Wege der Differenzmethode aus dem (reduzierten) Einkommen des Klägers abgeleitet. Es stellt sich schon die Frage, worin die Herabsetzung des Unterhalts liegen sollte, wenn dem Kläger bei der Reduzierung seines Einkommens tatsächlich keine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit vorgeworfen werden könnte. Das Berufungsgericht hat im Übrigen - worauf noch weiter einzugehen sein wird - den Begriff des "angemessenen Lebensbedarfs" im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB verkannt.
- 32
- Die bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob der Kläger unterhaltsrechtlich zum Abschluss der Vereinbarung vom November 2006 berechtigt war. Zwar ist auf Seiten des Klägers die mit dem Eintritt in die Altersteilzeit verbundene Nettoeinkommenseinbuße in Höhe von 15 % (zuzüglich des Wegfalls einiger Sonderzahlungen in der passiven Phase der Altersteilzeit) vergleichsweise moderat ausgefallen, was als Indiz gegen die unterhaltsbezogene Mutwilligkeit einer Altersteilzeitvereinbarung gewertet werden kann (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2010, 381 [Ls.], im Übrigen veröffentlicht bei juris; KG Urteil vom 17. Juni 2005 - 25 UF 101/04 - juris). Dies gilt umso mehr, als sich der Unterhaltsberechtigte in der passiven Phase der Altersteilzeit keine berufsbedingten Aufwendungen und keinen Erwerbstätigenbonus mehr entgegenhalten lassen muss. Indessen muss in die unterhaltsrechtliche Bewertung der Vereinbarung auch die darin enthaltene Abrede über die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses drei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze einfließen, welche erkennbar auf den Zugang des Klägers zu einer vorgezogenen Altersrente für langjährig Versicherte (§ 236 Abs. 3 SGB VI) zugeschnitten war. Die mit einem (vorgezogenen) Renteneintritt verbundene Einkommenseinbuße würde durch die nach § 13 der Vereinbarung zu gewährende Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (brutto 300 € für jeweils 0,3 Prozentpunkte des im Rentenbescheid ausgewiesenen Versorgungsabschlages wegen vorzeitigen Rentenbeginns) nur in geringem Umfange kompensiert, so dass mögliche Unterhaltsinteressen der Beklagten für den Zeitraum nach September 2011 in weitaus stärkerem Umfang berührt werden.
- 33
- b) Ebenfalls von Rechtsirrtum beeinflusst sind die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Erwerbsobliegenheit der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allein aus dem Umstand, dass der Unterhaltspflichtige nur eine Tätigkeit ausübt, welche die für eine vollschichtige Tätigkeit übliche Stundenzahl nicht erreicht, noch keine Reduzierung der Erwerbsobliegenheit auf Seiten des Unterhaltsberechtigten hergeleitet werden (Senatsurteil vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 12). Nichts anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, dass der Unterhaltspflichtige ein Blockaltersteilzeitmodell in Anspruch nimmt. Der Umfang der regelmäßig erforderlichen Erwerbstätigkeit und eventuelle Abweichungen davon bestimmen sich vielmehr nach den individuellen Verhältnissen des betroffenen Ehegatten. Feststellungen dazu, ob etwa gesundheitliche oder arbeitsmarktbedingte Gründe einer Ausweitung der von der Beklagten ausgeübten Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnten, hat das Oberlandesgericht - unabhängig davon, ob sich der Kläger solche Gründe im Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte der §§ 1572, 1573 Abs. 1 BGB überhaupt entgegenhalten lassen müsste - nicht getroffen.
- 34
- Das Berufungsgericht durfte deshalb auch nicht davon ausgehen, dass es sich bei den im Jahre 2009 erzielten zusätzlichen Einkünften der Beklagten insgesamt um Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit handelt. Dies ist nur in Bezug auf die Abgeltung des von der Beklagten nicht genommenen Erholungsurlaubs richtig (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1992 - XII ZR 127/91 - NJW-RR 1992, 1282, 1283). Dagegen lassen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Schluss darauf zu, dass die von der Beklagten über ihre Vertragsarbeitszeit von 25 Wochenstunden hinaus geleistete Mehrarbeit bei der Diakonie auf überobligatorischen Anstrengungen beruhte. Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, ein von der Beklagten erzieltes Einkommen aus überobligationsmäßiger Tätigkeit bei Anwendung der Differenzmethode vollständig unberücksichtigt zu lassen, steht mit der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang. Selbst ein überobligatorisch erzieltes Einkommen ist mit seinem nach Billigkeitskriterien (§§ 1577 Abs. 2, 242 BGB) zu ermittelnden unterhaltsrelevanten Teil in die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen einzubeziehen (Senatsurteile BGHZ 162, 384 = FamRZ 2005, 1154, 1157 f. und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 17).
- 35
- 4. Rechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Berufungsgericht die von dem Kläger erzielten Kapitaleinkünfte ohne weiteres in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) einbezogen hat.
- 36
- Das Berufungsgericht geht davon aus, dass diese Kapitaleinkünfte auf den Zinserträgen eines geerbten Geldvermögens beruhen, soweit dies beim Kläger noch vorhanden ist. Im Ausgangspunkt trifft es zu, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch Erwerbseinkünfte, sondern ebenso durch Kapital- und andere Vermögenserträge sowie sonstige wirtschaftliche Nutzungen geprägt werden, soweit diese bereits während der Ehezeit zur Verfügung standen. Davon können auch Erträge aus dem durch Erbfall erworbenen Vermögen eines Ehegatten nicht ausgenommen werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 68/87 - FamRZ 1988, 1145, 1146). Vorliegend ist der Erbfall allerdings erst im Jahre 1998 und damit nach der Scheidung der Parteien eingetreten. Der nacheheliche Erwerb schließt eine bedarfssteigernde Berücksichtigung der aus dem geerbten Vermögen gezogenen Kapitaleinkünfte zwar nicht von vornherein aus. Ein hinreichender Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen besteht aber nur dann, wenn die Erwartung eines künftigen Erbes schon während bestehender Ehe so wahrscheinlich war, dass die Eheleute ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einrichten konnten und sich auch tatsächlich - etwa durch den Verzicht auf eine an sich angemessene Altersvorsorge und den Verbrauch der dadurch ersparten Mittel zur Erhöhung des ehelichen Lebensstandards - darauf eingerichtet haben (Senatsurteil vom 23. November 2005 - XII ZR 51/03 - FamRZ 2006, 387, 390; OLG Celle NJW 2010, 79, 83). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Waren Kapitaleinkünfte aber nicht in der Ehe angelegt, können sie beim Unterhaltspflichtigen nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden (vgl. Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 420 und 972).
- 37
- Im Übrigen hätten die vom Berufungsgericht bedarfssteigernd berücksichtigten Kapitaleinkünfte nicht um einen Erwerbstätigenbonus gekürzt werden dürfen, den das Berufungsgericht dem Kläger bis zum Ende der aktiven Phase seiner Altersteilzeit im August 2009 gutgebracht hat.
- 38
- 5. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB sind mit Rechtsfehlern behaftet.
- 39
- a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB hängt zunächst davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes , aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
- 40
- aa) Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, von welcher Verteilung der Darlegungs- und Beweislast das Berufungsgericht im Rahmen des § 1578 b BGB ausgegangen ist. Im Ausgangspunkt trägt der Kläger als Unterhaltsschuldner , der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Nach diesen Grundsätzen trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 22 ff.).
- 41
- Soweit dafür regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat, sind diesbezügliche Schwierigkeiten im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen (Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 24). Deshalb kann der Unterhaltsberechtigte im Einzelfall seiner sekundären Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten oder vor der ehebedingten Berufspause ausgeübten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit üblich seien. Wenn indessen ein beruflicher Aufstieg behauptet werden soll, muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, aufgrund welcher Umstände (Fortbildungsbereitschaft , besondere Befähigungen, Neigungen oder Talente) er eine entsprechende Karriere gemacht hätte (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.).
- 42
- Solche Umstände hat das Berufungsgericht dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen; vielmehr hat es - von der Revision der Beklagten insoweit unbeanstandet - festgestellt, dass die von der Beklagten nach dem Ende ihrer Berufsausbildung im Jahre 1969 bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1978 ausgeführten Büro- und Buchführungstätigkeiten einfachen Zuschnitts waren und sich in eher untergeordneten Bereichen entfalteten. Es ist deshalb nicht ohne weiteres ersichtlich, worauf das Berufungsgericht seine weitergehende Erwägung stützt, dass der Beklagten durch die Berufspause die Möglichkeit genommen worden sei, sich eine andere und besser dotierte Position zu erarbeiten. Der von der Beklagten mit Hinweis auf den identischen Ausbildungshintergrund (abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung) ange- stellte Vergleich zur Erwerbsbiographie des Klägers vermag insoweit nicht zu verfangen. Zwar kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen , um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 24). Ein solcher Vergleich kann aber einen substanziierten Vortrag dazu, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich für den Unterhaltsberechtigten in seinem Berufsfeld konkret ergeben haben, nicht ersetzen. Darüber hinaus dürften die Erwerbsbiographien der beiden Parteien, die nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung in unterschiedlichen Branchen tätig waren, auch kaum genügend Berührungspunkte aufweisen, um den von der Beklagten gezogenen Schluss zu rechtfertigen, sie könne ohne die durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Berufspause die gleichen Einkünfte erzielen wie der Kläger.
- 43
- bb) Das Berufungsgericht ist demgegenüber auch ohne substanziierten Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass ehebedingte Nachteile deshalb entstanden seien, weil die Beklagte ohne Eheschließung und Kinderbetreuung eine vollschichtige Tätigkeit mit den im kaufmännischen Bereich üblichen Gehältern ausüben würde.
- 44
- Allein diese Ausführungen vermögen die Annahme ehebedingter Nachteile von vornherein nicht zu tragen. Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass zwar exakte Feststellungen zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht notwendig sind. Der Tatrichter kann vielmehr beim Vorliegen einer geeigneten Schätzungsgrundlage, die er unter anderem aus der Anwendung von Erfahrungssätzen im jeweiligen Berufsfeld und aus der Heranziehung tariflicher Regelwerke gewinnen kann, entsprechend § 287 ZPO verfahren , sofern in der Entscheidung die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angegeben sind (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Das Berufungsgericht hat indessen überhaupt keine Feststellungen dazu getroffen, wie hoch es die üblichen Gehälter im kaufmännischen Bereich einschätzt, zu denen die Beklagte nach seiner Auffassung bei einer ununterbrochenen Erwerbsbiographie Zugang gehabt hätte. Damit fehlt es an jeder Begründung, warum die heutige Erwerbstätigkeit der Beklagten als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst ihr nicht das gleiche Einkommensniveau bieten kann, das sie ohne Ehe und Kinderbetreuung bei einer kaufmännischen Tätigkeit erzielt hätte. Auf den Umstand, dass die Beklagte tatsächlich nur 25 Wochenstunden arbeitet und deshalb lediglich Teilzeiteinkünfte erzielt, käme es in diesem Zusammenhang nur dann an, wenn die Gründe, die der Ausübung einer Vollzeittätigkeit entgegenstehen, ihrerseits ehebedingte Ursachen haben (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 27 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 31). Auch hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
- 45
- b) Die gegenüber der Feststellung ehebedingter Nachteile zu erhebenden Beanstandungen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, im Grundsatz nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte; dabei muss es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln, der das Existenzminimum wenigstens erreicht (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 27 und vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 27 f.). Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebensbedarf der Beklagten zu veran- schlagen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass seine Herabsetzungsentscheidung insgesamt nicht nachvollzogen werden kann.
III.
- 46
- Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil es hierzu weiterer tatrichterlicher Feststellungen und Würdigungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 47
- Für das weitere Verfahren wird noch auf folgendes hingewiesen:
- 48
- Die Billigkeitsabwägung nach § 1578 b BGB erschöpft sich nicht in der Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt darüber hinaus das Maß der nachehelichen Solidarität; dies gilt auch für den Aufstockungsunterhalt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 35). Sollten im vorliegenden Fall keine ehebedingten Nachteile festzustellen sein, so dürften die verbleibenden, besonders gewichtig gegen eine Unterhaltsbegrenzung sprechenden Billigkeitsgesichtspunkte - zum einen die lange Ehedauer und zum anderen die von der Beklagten behaupteten, allerdings vom Berufungsgericht bislang nicht aufgeklärten herausgehobenen Vermögensverhältnisse des Klägers - es nicht rechtfertigen können, der Beklagten einen dauerhaften Aufstockungsunterhalt zuzusprechen.
- 49
- Die Zurückverweisung gibt dem Kläger auch Gelegenheit, zur Unterhaltsbedürftigkeit seiner zweiten Ehefrau vorzutragen. Sollte hiernach festgestellt werden können, dass eine weitere, nach § 1609 BGB gleichrangige Unterhaltsverbindlichkeit besteht, wäre diese nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen (Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - FamRZ 2012, 281 Rn. 41 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu berücksichtigen.
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 22.01.2009 - 354 F 55/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.04.2010 - 12 UF 40/09 -
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der 1949 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage Abänderung eines zugunsten seiner von ihm geschiedenen und am 2. Juni 2013 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) titulierten Unterhaltsanspruchs. Aus der 1977 geschlossenen Ehe sind die 1979 und 1981 geborenen Söhne hervorgegangen ; diese haben als Erben der Ehefrau den Rechtsstreit aufgenommen (im Folgenden: Beklagte).
- 2
- Nach ihrer Trennung im Jahr 1991 schlossen die Eheleute am 19. September 1996 einen notariellen Vertrag (im Folgenden: Ehevertrag), in dem sie neben einer umfassenden Vermögens- und güterrechtlichen Auseinandersetzung den Unterhalt der Ehefrau regelten.
- 3
- In Ziffer VII. des Ehevertrages vereinbarten die Eheleute, dass die Ehefrau 50 % der bereinigten Einnahmen aus der Zahnarztpraxis des Klägers als Unterhalt erhalten sollte. Mit Wegfall der Unterhaltsverpflichtung den Kindern gegenüber sollte sich die Quote auf 40 % verringern, wobei die Unterhaltszahlung lebenslang erfolgen und eigenes Erwerbseinkommen der Ehefrau - anders als Renteneinkommen - nicht auf die Unterhaltsleistung angerechnet werden sollte.
- 4
- Nachdem die Ehe auf den im Jahr 1998 zugestellten Scheidungsantrag im Jahr 1999 geschieden worden war, verurteilte das Berufungsgericht den Kläger zuletzt auf der Grundlage des vorgenannten Vertrages, an die Ehefrau ab Januar 2004 monatlich 2.810,83 € zu zahlen.
- 5
- Der Abänderungsklage, mit der der Kläger eine Herabsetzung und Befristung des Unterhalts begehrt, hat das Amtsgericht in Anbetracht des weggefallenen Kindesunterhalts insoweit stattgegeben, als er ab 1. April 2008 an die Ehefrau 2.248,66 € monatlich zu zahlen hat. Die hiergegen von den Parteien jeweils eingelegten Berufungen und den vom Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrag hat das Berufungsgericht im Wesentlichen zurückgewiesen.
- 6
- Der Senat hat mit Urteil vom 25. Januar 2012 (XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers für die Zeit ab dem 8. April 2008 zurückgewiesen und seine Feststellungsklage abgewiesen worden ist.
- 7
- Nachdem im Oktober 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden war, hat das Berufungsgericht das Verfahren für die Zeit vom 8. April 2008 bis 31. Oktober 2011 gemäß § 240 ZPO als unterbrochen angesehen. Im Übrigen hat es die Berufung für die Zeit ab 1. November 2011 durch Teilurteil erneut zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Mit ihr begehrt er nunmehr eine Reduzierung des titulierten Unterhalts für die Zeit bis zum Tod der Ehefrau auf 350 € monatlich.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist teilweise begründet.
A.
- 9
- Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 10
- Auch bei Anwendung des § 1578 b Abs. 2 i.V.m. § 313 BGB sei der Unterhalt der Ehefrau nicht zu befristen. Sie habe erhebliche, nicht mehr zu kompensierende ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten. Die Ehefrau habe ihren bereits drei Jahre lang ausgeübten Beruf als Bankkauffrau zu Beginn der Ehe im Alter von 23 Jahren aufgegeben. Ihre fehlende Berufspraxis von nahezu 30 Jahren habe sie nicht mehr aufholen können. Wäre sie weiterhin in ihrem Berufsfeld tätig geblieben, hätte sie mittlerweile eine zumindest mittlere Position in diesem Berufsfeld bekleiden können, während sie nunmehr aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters lediglich geringfügig qualifiziert mit entsprechend niedrigem Einkommen tätig sein könnte.
- 11
- Allerdings sei der Unterhalt nach § 1578 b Abs. 1 BGB gemäß § 313 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, nachdem der Kläger nahezu zwölf Jahre lang Ehegattenunterhalt orientiert an den ehelichen Lebensverhältnissen habe zahlen müssen. Maßgeblich sei dabei das Einkommen, das die Ehefrau ohne die ehebedingten Nachteile jetzt erzielen könnte und zwar als Bankkauffrau in mittlerer Position. Nach dem ab 1. Juli 2012 gültigen Tarifvertrag für das private und öffentliche Bankgewerbe müsse bei ihr von einem Monatsdurchschnittsnettoeinkommen - bereinigt um die Werbungskostenpauschale von 5 % - von etwa 1.950 € ausgegangen werden.
- 12
- Darauf, dass die Ehefrau in der Lage sei, ein Erwerbseinkommen von bis zu 800 € netto zu erzielen, komme es nicht an. Denn Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit sei auf den eigenangemessenen Bedarf nicht bedarfsmindernd anzurechnen. Zwar werde der Unterhaltsanspruch der Ehefrau über § 313 BGB unter Heranziehung des neuen Unterhaltsrechtes auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Andererseits sei der Ehevertrag über § 313 BGB nur insoweit an die neue Rechtslage anzupassen, als sie gegenüber der damals geltenden Rechtslage zu einer anderen Beurteilung führe. Dies sei hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit der Ehefrau jedoch nicht der Fall. Nach damaliger Rechtslage wäre nach der Anrechnungsmethode erzieltes oder erzielbares Einkommen auf den zugebilligten Unterhaltsbedarf anzurechnen gewesen. Hiervon hätten die vertragsschließenden Parteien jedoch abgesehen, da nach dem Ehevertrag eigenes Einkommen der Ehefrau "durch Erwerbstätigkeit" auf die Unterhaltsleistung nicht angerechnet werden solle. Weil sich die Rechtslage insoweit mit Ausnah- me des Wechsels von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode nicht verändert habe, könne eine Vertragsanpassung auch über § 313 BGB nicht zu einer Anrechnung jetziger Erwerbseinkünfte und erst recht nicht zur Anrechnung fiktiver Erwerbseinkünfte führen.
- 13
- Allerdings sei der Ehefrau wegen des mietfreien Wohnensein objektiver Mietwert von 800 € anzurechnen. Damit reduziere sich der angemessene, nicht gedeckte Unterhaltsbedarf der Ehefrau auf 1.150 €.
- 14
- Diesem Betrag sei der Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe eines Beitrages für eine private Krankenversicherung entsprechend dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, mithin der Basistarif, zuzurechnen. Gleiches gelte für den Pflegeversicherungsbedarf. Dies ergebe sich nicht nur aus § 1578 Abs. 2 BGB, sondern auch aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs des ehebedingten Nachteils nach § 1578 b BGB. Denn die Ehefrau wäre ohne den ehebedingten Ausstieg aus dem Berufsleben gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Der angemessene Unterhaltsbedarf der Ehefrau erhöhe sich daher um Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € bzw. 535 €.
- 15
- Weiterhin sei ihr ein Mehrbedarf als Altersvorsorgebedarf in Höhe des Rentenversicherungsaufwands zuzubilligen. Bei einem ohne den ehebedingten Nachteil erzielbaren Bruttoeinkommen von 40.534 € wäre dies mit einem Rentenversicherungsbeitrag von 19 % ein monatlicher Betrag von 642 €.
- 16
- Damit ergebe sich insgesamt ein noch geschuldeter Unterhalt, der über dem vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 2.248,66 € monatlich liege, weshalb die Berufung des Klägers nicht durchdringen könne.
- 17
- In Höhe dieses Unterhalts sei Leistungsfähigkeit des Klägers (§ 1581 BGB) zumindest zu unterstellen. Es sei nicht ersichtlich, warum zugunsten des Klägers nunmehr von einem geringeren Gewinn vor Steuern als im Durchschnitt für die Jahre 2004 bis 2007 mit 244.781 € ausgegangen werden solle. Insbesondere die vom Kläger konstruierte Praxisgemeinschaft mit der GmbH seiner jetzigen Ehefrau könne dies nicht begründen. Der Kläger sei nach wie vor allein Leistungsträger dieser Praxisgemeinschaft. Die unterschiedliche Verteilung der Kosten zwischen der GmbH und ihm als niedergelassenem Kassenarzt lasse nur aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung sein zahnärztliches Einkommen geschmälert erscheinen, während die GmbH erhebliche Gewinne erziele. Diese vertragliche Gewinnverlagerung zugunsten seiner jetzigen Ehefrau könne eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen. Die Umsatzund Gewinnzahlen für 2009 sowohl des Klägers selbst als auch der Praxisgemeinschaft zeigten, dass ohne die gewählte und damit unbeachtliche Gewinnverlagerung von einer zumindest gleichen Einkommenssituation wie in den Vorjahren auszugehen sei. Auch könne die Tatsache, dass mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht begründen, da nicht nachvollziehbar sei, wie es bei der dargestellten Ertragslage der Praxis zu dieser Insolvenz habe kommen müssen. Jedenfalls habe der Kläger nicht vorgetragen , dass die Insolvenz unvermeidbar gewesen sei. Wenn der Kläger durch Ansparabschreibungen vorübergehend seine Steuerlast reduziert habe, um damit seine Liquidität zu erhöhen, so könne er die Belastung aus den erhöhten Steuernachforderungen bei Auflösung der Ansparabschreibungen dem Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht entgegenhalten, da bei der Bemessung dieses Unterhaltsanspruchs bereits von der regelmäßigen und nicht reduzierten Steuerlast ausgegangen worden sei.
B.
- 18
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
I.
- 19
- Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht und ist mithin nach § 323 ZPO aF zu beurteilen (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 19 mwN).
II.
- 20
- Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Verfahren hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche der Ehefrau für die Zeit ab 1. November 2011 nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist; Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils ergeben sich nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 170/06 - MDR 2012, 180 Rn. 15 mwN).
III.
- 21
- Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht von einer Befristung des Unterhalts abgesehen und den Bedarf der Ehefrau auf ihren angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht erzielbares Erwerbseinkommen der Ehefrau nicht auf ihren Bedarf angerechnet und den Kläger für leistungsfähig erachtet hat. Demgegenüber ist die Behandlung des Vorsorgeunterhalts nicht rechtsbedenkenfrei.
- 22
- 1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der titulierte Unterhaltsanspruch der Ehefrau aus dem Ehevertrag von 1996 im Rahmen der vom Kläger erhobenen Abänderungsklage einer Anpassung nach § 313 BGB unter Berücksichtigung der Regelungen des § 1578 b BGB unterliegt, wird von den Parteien nicht angegriffen und ist im Ergebnis auch sonst revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 49 f.; s. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senatsbeschluss vom 11. Februar 2015 - XII ZB 66/14 - zur Veröffentlichung bestimmt
).
- 23
- 2. Dagegen, dass das Berufungsgericht eine Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB abgelehnt hat, weil der Ehefrau ehebedingte Nachteile entstanden seien, ist revisionsrechtlich ebenfalls nichts zu erinnern; dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
- 24
- a) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB ist bei der Billigkeitsabwägung, ob der nacheheliche Unterhalt zu befristen ist, vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Liegen ehebedingte Nachteile vor, scheidet eine Befristung des Unterhalts regelmäßig aus (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 50 mwN).
- 25
- b) Das Berufungsgericht hat solche Nachteile in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Es hat namentlich darauf abgestellt, dass die Ehefrau ehebedingt ihre Berufstätigkeit als Bankkauffrau eingestellt hat und sie wegen ihrer Berufspause von nahezu 30 Jahren nur noch in einer geringfügig qualifizierten Beschäftigung tätig sein kann, während sie bei ununterbrochener Beschäftigung in ihrem Berufsfeld zumindest eine mittlere Position einnehmen könnte.
- 26
- 3. Es liegt im Rahmen rechtsfehlerfreier Ermessensausübung des Tatrichters , dass das Berufungsgericht den unterhaltsrechtlichen Bedarf der Ehefrau im Wege des § 313 i.V.m. § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Gegen diese für den Kläger günstige Würdigung werden seitens der Beklagten im Übrigen keine Einwendungen erhoben.
- 27
- Zwar erlaubte § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon bei Abschluss des Ehevertrages im Jahre 1996 eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf. Bei langer Ehedauer wurde von der Herabsetzung allerdings regelmäßig kein Gebrauch gemacht (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 21 und Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 17 zum Krankheitsunterhalt). Mit § 1578 b BGB hat der Gesetzgeber zudem die bis dahin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände ebenfalls in die Befristungsmöglichkeit einbezogen. Auch insoweit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder auch alternativ möglichen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den Unterhalt zu begrenzen, stellt sie jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 21 mwN).
- 28
- 4. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf den festgestellten Bedarf im Hinblick auf die Anrechnungsregelungen im Ehevertrag kein (fiktives) Einkommen der Ehefrau angerechnet hat.
- 29
- a) Bei der Anpassung an die veränderten Verhältnisse muss die Grundlage der Vereinbarung möglichst beibehalten werden, für die in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 784). Deshalb ist im Rahmen der Prüfung des § 1578 b BGB von den Regelungen des notariellen Vertrages auszugehen, die bei einer etwaigen Abänderung hieran anzupassen sind (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 51).
- 30
- b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Es verweist auf den Ehevertrag, nach dem zwar das Renteneinkommen der Ehefrau, nicht aber eigenes Erwerbseinkommen auf die Unterhaltsleistung angerechnet wird (Ziffer VII. 3. und 4. EV). Zu Recht nimmt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die damalige Rechtslage Bezug, wonach Erwerbseinkommen - ohne eine solche Regelung - auf den Unterhalt anzurechnen war (so genannte Anrechnungsmethode, s. etwa Senatsurteil BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986, 988). Daraus folgt, dass sich die Ehegatten bereits damals insoweit von der Gesetzeslage gelöst haben, als der Ehefrau ihr Erwerbseinkommen anrechnungsfrei verbleiben sollte. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen.
- 31
- 5. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den auf 800 € monatlich geschätzten Wohnvorteil auf den Bedarf der Ehefrau angerechnet. Diese Behandlung (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 17) ist für den Kläger vorteilhaft und wird auch von den Beklagten hingenommen.
- 32
- 6. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht allerdings bei der Berücksichtigung des Vorsorgeunterhalts. Weder hat es diesen im Tenor gesondert ausgewiesen, noch ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils, aus welchen konkreten Beträgen sich dieser im Rahmen des zugesprochenen Unterhalts zusammensetzt.
- 33
- a) Zwar gehören zum Lebensbedarf des Berechtigten gemäß § 1578 Abs. 2 und Abs. 3 BGB dem Grunde nach auch die Kosten für die entsprechenden Versicherungen. Dabei kann der Unterhaltsberechtigte auch im Falle einer Herabsetzung seines Bedarfs auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsorgeunterhalt beanspruchen (vgl. zum Altersvorsorgeunterhalt Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 18 mwN).
- 34
- Weil etwaiges Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit nach der Vereinbarung der Parteien nicht anzurechnen ist und sie deshalb keine Erwerbsobliegenheit trifft, kann sie - entgegen der Auffassung der Revision - auch im Rahmen eines von ihr erzielbaren Einkommens nicht fiktiv so gestellt werden , als wäre damit auch ihr Vorsorgebedarf in entsprechender Höhe gedeckt.
- 35
- b) Das Berufungsgericht hat es indes verabsäumt, den Vorsorgeunterhalt im Tenor gesondert auszuweisen.
- 36
- Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Zweckbindung des Vorsorgeunterhalts, dass der darauf entfallende Betrag im Entscheidungssatz des Urteils besonders auszuweisen ist und der Unterhaltsberechtigte den ihm zustehenden Gesamtunterhalt nicht nach freiem Ermessen auf den Elementar - und Vorsorgeunterhalt verteilen darf sowie den letzteren zweckbestimmt zu verwenden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ 1982, 1187, 1188). Damit und mit den - für den Fall der Zweckentfrem- dung - einhergehenden Sanktionen soll sichergestellt werden, dass der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt zweckentsprechend verwendet (Wendl/ Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4 Rn. 868 ff., 924 ff. und 927).
- 37
- c) Schließlich lässt sich auch der Begründung der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen, aus welchen konkreten Beträgen sich der zuerkannte Vorsorgeunterhalt zusammensetzt.
- 38
- Das Berufungsgericht ist für die Zeit bis einschließlich Dezember 2012 von einem Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510 € sowie einem Altersvorsorgebedarf von 642 € monatlich ausgegangen. Für die Zeit ab Januar 2013 hat das Berufungsgericht den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf auf 535 € erhöht. Damit liegt der Vorsorgebedarf unter Hinzurechnung des Elementarunterhaltsbedarfs von 1.150 € mit insgesamt 2.302 € bzw. 2.327 € aber über dem zuerkannten Gesamtunterhalt von 2.248,66 €. Deshalb hätte klargestellt werden müssen, welcher konkrete Teil des Vorsorgeunterhalts auf den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf und welcher auf den Altersvorsorgebedarf entfällt (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 35. Aufl. § 253 Rn. 9 mwN).
- 39
- 7. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Leistungsfähigkeit und die hierzu von ihm getroffenen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen , wonach der Kläger hinsichtlich des im Streit stehenden Unterhaltsbetrags als leistungsfähig im Sinne von § 1581 BGB anzusehen sei, halten sich im Rahmen der Senatsrechtsprechung (s. etwa Senatsurteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815, 817).
IV.
- 40
- Hinsichtlich des im Tenor ausgewiesenen Unterhaltsbetrags kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden, weil dieser Betrag den Beklagten in jedem Falle als Elementarunterhalt zusteht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 35/09 - FamRZ 2012, 945). Allerdings ist im Tenor klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Unterhaltspflicht gemäß § 1586 Abs. 1 BGB mit dem Tod der Ehefrau am 2. Juni 2013 ihr Ende gefunden hat.
- 41
- Im Übrigen ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht abschließend entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 02.07.2008 - 511 F 938/08 UE -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.04.2013 - 2 UF 208/08 -
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des in einem Prozessvergleich von 1995 geregelten Ehegattenunterhalts.
- 2
- Der 1940 geborene Kläger und die 1944 geborene Beklagte schlossen im November 1967 die Ehe. Der Kläger war damals Student, die Beklagte angestellte Sport- und Gymnastiklehrerin. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Juli 1971 setzte die Beklagte ihre Tätigkeit für drei Jahre aus und nahm sie anschließend als Teilzeitkraft wieder auf. Die Parteien trennten sich erstmals im Jahr 1974 und endgültig zum Jahreswechsel 1978/1979. Auf den im Dezember 1980 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe der Parteien im März 1982 geschieden. Seit 1987 arbeitete die Beklagte bis zum Renteneintritt annähernd in Vollzeit.
- 3
- Im Juli 1995 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die Beklagte Aufstockungsunterhalt in Höhe von 1.100 DM = 562,42 € monatlich zu zahlen. Seit Oktober 2005 ist der - inzwischen wiederverheiratete - Kläger pensioniert. Die Beklagte trat zum August 2007 in den Ruhestand.
- 4
- Das Amtsgericht hat der Abänderungsklage, mit der der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab August 2007 begehrt, teilweise stattgegeben und den Kläger u. a. verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt von 396 € ab Juli 2008 zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil teilweise dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2009 einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 200 € zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
- 6
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abänderung des gerichtlichen Vergleichs. Mit dem Eintritt der Beklagten in den Ruhestand und den damit einhergehenden Auswirkungen des Versorgungsausgleichs hätten sich die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Das Renteneinkommen des Klägers habe sich um monatlich 362,26 € vermindert und die Beklagte erziele nunmehr Renteneinkünfte, die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen lägen. Darüber hinaus habe sich seit dem Abschluss des Vergleichs die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs u. a. zur Begrenzung und Befristung des - hier im Streit stehenden - Aufstockungsunterhalts geändert, und es gelte ab Januar 2008 die Neuregelung des § 1578 b BGB.
- 7
- Der Beklagten seien ehebedingte Nachteile in Form von Rentennachteilen entstanden, weil sie nach der Zustellung des Scheidungsantrages bis Ende 1986 wegen der Kindesbetreuung nicht voll erwerbstätig gewesen sei. Diese Nachteile dürften sich ausweislich des Versicherungsverlaufs für die Beklagte in einer geschätzten Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich belaufen. Die vorübergehende Erwerbslosigkeit der Beklagten in Zeiten der Schwangerschaft, des Mutterschutzes und der Kinderbetreuung (von Juni 1971 bis Januar 1974) und die nur eingeschränkte Tätigkeit in der Zeit von Februar 1974 bis zur Zustellung des Scheidungsantrages im Dezember 1980, habe ersichtlich zu keinen ehebedingten Nachteilen geführt, da die Nachteile in der Versorgungsbilanz durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden seien. Aus dem Gesichtspunkt einer nicht stattgefundenen Karriereentwicklung lägen ehebedingte Nachteile eher fern. Die Beklagte habe seit 1974 ohne Unterbrechung bis zu ihrem Renteneintritt wieder in ihrem erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf gearbeitet, wobei ihre Ausbildung als bloße Gymnastiklehrerin keine besonderen Karrieresprünge habe erwarten lassen. Soweit die Beklagte behaupte , dass sie ein verkürztes Studium an der pädagogischen Hochschule hätte absolvieren können, um anschließend als "richtige" Lehrerin mit besserem Einkommen und Chancen auf eine Verbeamtung eingestellt zu werden, lasse sich darüber im Nachhinein nur noch spekulieren. Nach den vorgelegten Zeugnissen erscheine es nicht zwingend anzunehmen, dass die Beklagte ohne Heirat und Kindererziehung tatsächlich ein Zusatzstudium in Angriff genommen, erfolgreich abgeschlossen und als Lehrerin für Grund- und Hauptschulen eine Anstellung gefunden oder gar Beamtenstatus erreicht hätte.
- 8
- Auch wenn danach konkrete ehebedingte Nachteile nur in einer Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich feststellbar seien, rechtfertige dies keine vollständige Herabsetzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs. § 1578 b BGB beschränke sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtige auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Dieser Umstand könne insbesondere bei Altehen, bei denen die Ehepartner sich bereits im Rentenalter befinden, an Bedeutung gewinnen. Die Parteien hätten bis zum Abschluss des Studiums des Klägers Ende 1968 das Einkommen der Beklagten zur Erlangung eines angemessenen Lebensstandards benötigt. Die Erbschaft der Beklagten sei zumindest in die Ausstattung eines angemessenen Haushalts geflossen. Es habe dem übereinstimmenden Willen beider Parteien entsprochen, dass die Beklagte nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes zunächst (zumindest für drei Jahre) nicht habe arbeiten sollen. Mit ihrer mehrjährigen überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit habe die Beklagte den Kläger in Bezug auf den damals geschuldeten Betreuungsunterhalt entlastet. Gerade durch den früheren Wiedereinstieg in den erlernten Beruf und den Verzicht auf eine Zusatzausbildung habe sie die ehebedingten Nachteile gering gehalten. Die Erwerbsbiografie der Beklagten zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind und mit der Geburt des Kindes die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Zudem habe sich die Beklagte seit der Scheidung bis zu ihrer Verrentung auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch eingerichtet und einrichten dürfen. Daneben habe sich die Beklagte auch die Unterhaltsansprüche der neuen Ehefrau ent- gegenhalten lassen müssen, was bereits zu einer Reduzierung des Unterhalts geführt habe. Die Kontrollberechnung ergebe insoweit, dass der Kläger der Beklagten (ohne Berücksichtigung der zweiten Ehefrau) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 448,74 € ab Juli 2008 geschuldet hätte. Die Beklagte habe außerdem keinerlei Chancen mehr, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen.
- 9
- Danach entspreche eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 200 € ab Januar 2009 der Billigkeit. Der Kläger verfüge immer noch über Renteneinkünfte , die mit 2.890 € wesentlich über den Renteneinkünften der Beklagten mit monatlich 1.656 € lägen. Auch bei fortdauernder Zahlung von monatlich 200 € sei der Kläger immer noch finanziell wesentlich besser gestellt als die Beklagte, wobei seine derzeitige Ehefrau über nahezu gleich hohe Renteneinkünfte wie die Beklagte verfüge. Die zeitlich unbefristete Zahlung erscheine auch im Hinblick darauf nicht unangemessen.
- 10
- Entgegen der Ansicht des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden , dass die Beklagte auf den Unterhalt für die Zeit ab Renteneintritt verzichtet habe. Ihr Unterhaltsanspruch sei schließlich auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.
II.
- 11
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 12
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des Prozessvergleichs richtet sich somit nach § 323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG - Senats- urteile BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 10 und vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 13).
- 13
- 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Abänderungsklage zulässig ist. Allerdings findet entgegen seiner Ansicht die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines Prozessvergleiches richtet sich allein nach materiellrechtlichen Kriterien (Senatsurteile BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN und vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 107 Rn. 15).
- 15
- a) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit ein Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.
- 16
- b) Gemessen hieran ist eine Abänderung des im Streit stehenden Vergleichs eröffnet.
- 17
- Zum einen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vor allem durch ihren Eintritt in den Ruhestand wesentlich verändert haben. Zudem haben sich nach Ab- schluss des Vergleichs die rechtlichen Verhältnisse bezogen auf die Möglichkeit , den nachehelichen Unterhalt zu begrenzen, geändert.
- 18
- aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Unterhaltsanspruch hinsichtlich des im Streit stehenden Abänderungszeitraumes ab August 2007 allerdings nicht als Aufstockungsunterhaltsanspruch im Sinne von § 1573 Abs. 2 BGB, sondern als Altersunterhaltsanspruch nach § 1571 BGB zu qualifizieren. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten ist, anstatt - wie zu diesem Zeitpunkt noch üblich - mit 65 Jahren (vgl. dazu Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709; Palandt/Brudermüller BGB 71. Aufl. § 1571 Rn. 3). Dass die, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu 50 % schwerbehinderte Beklagte noch einer Erwerbsobliegenheit unterlegen hätte, ist nicht festgestellt, von der Revision nicht eingewandt und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
- 19
- Ist ein Unterhaltsberechtigter - wie hier - altersbedingt nicht mehr erwerbstätig , richtet sich sein Unterhalt für den durch die Rente nicht gedeckten Bedarf allein nach § 1571 BGB (Altersunterhalt). Demgegenüber setzt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte (altersbedingt) eine - zumindest teilweise - Erwerbstätigkeit ausübt (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709).
- 20
- bb) Die vom Kläger begehrte Befristung des - somit ab Renteneintritt der Beklagten als Altersunterhalt zu qualifizierenden - Anspruchs ist erstmals durch § 1578 b BGB, also mit dem zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsänderungsgesetz ermöglicht worden.
- 21
- Allerdings hätte auch eine - gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon vor der Unterhaltsrechtsreform mögliche - Herabsetzung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf im Ergebnis einer Befristung gleichstehen können, nämlich dann, wenn der Unterhaltsberechtigte Letzteren selbst erwirtschaften kann (vgl. zu § 1578 b BGB Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 22). Aber auch insoweit ist nach dem Vergleichsabschluss eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten, und zwar durch die Änderung der Senatsrechtsprechung zu §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (beginnend mit Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006). Danach ist nunmehr für die Begrenzung des Unterhalts vorrangig auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile und nicht mehr allein auf die Ehedauer abzustellen; Letztere hätte bis zu jener Rechtsprechungsänderung nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung der Zeit der Kindesbetreuung (§ 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF) einer Begrenzung entgegengestanden. Von daher ist der Kläger mit einer entsprechenden Herabsetzung für die Zeit vor Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes (hier zweites Halbjahr 2007) gemäß § 313 BGB nicht ausgeschlossen.
- 22
- 3. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht - vor einer Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB - zunächst den Unterhaltsbedarf nach § 1578 BGB ermittelt. Dabei ist es - dem Amtsgericht folgend - von der Rechtsprechung des Senats zur Dreiteilung ausgegangen, so dass der Unterhalt der Beklagten im Hinblick auf die zweite Ehefrau des Klägers zu reduzieren war. Ohne diese Kürzung (auf 396 € für die Zeit ab Juli 2008) beliefe sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten nach der vom Berufungsgericht angestellten Kontrollberechnung (s. dazu Senatsurteil vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Rn. 32 f.) auf rund 449 €.
- 23
- Wie der Senat aber nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, hält er an der Dreiteilungsmethode im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht mehr fest. Nach seiner geänderten Rechtsprechung hat der Unterhaltsanspruch der nachfolgenden Ehefrau keine Auswirkungen auf den Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau nach § 1578 BGB; dieser Anspruch ist allein im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zu berücksichtigen , wobei es maßgeblich auf die Rangverhältnisse ankommt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - FamRZ 2012, 281Rn. 37 ff. und XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288 Rn. 34). Danach hat das Berufungsgericht den Bedarf der Beklagten rechtsfehlerhaft ermittelt.
- 24
- 4. Die im Rahmen des § 1578 b BGB vom Berufungsgericht durchgeführte Billigkeitserwägung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 25
- a) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußerst sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 25 mwN).
- 26
- b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil nicht gerecht.
- 27
- Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht allerdings daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN). Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN).
- 28
- aa) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte ehebedingte Nachteile erlitten habe, soweit sie in der Zeit von der Zustellung des Scheidungsantrags bis Ende 1986 nicht voll erwerbstätig gewesen sei und infolge dessen Einbußen bei der Rente zu beklagen habe, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
- 29
- Zwar wird der hier in Rede stehende Nachteil in der Altersversorgung, den das Oberlandesgericht auf 50 € bis 60 € geschätzt hat, nicht unmittelbar von dem Versorgungsausgleich erfasst (s. hierzu Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 29 mwN), weil er nicht mehr in die Ehezeit fällt. Jedoch hat das Berufungsgericht verkannt, dass diese Einbuße auch anderweit kompensiert werden kann.
- 30
- Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert worden sein (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33).
- 31
- Der Kläger hat der Beklagten ausweislich des Unterhaltsvergleichs keinen Altersvorsorgeunterhalt geschuldet, weshalb der Nachteil nicht auf diese Weise kompensiert worden ist (s. dazu Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33). Jedoch erzielt die Beklagte ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts infolge des Versorgungsausgleichs Renteneinkünfte, die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen liegen. Danach drängt sich der Schluss auf, dass die Beklagte wegen des Versorgungsausgleichs eine höhere Rente erzielt, als sie dies ohne Heirat bei durchgehender Erwerbstätigkeit getan hätte. Damit wären die vom Oberlandesgericht angenommenen Rentennachteile zumindest kompensiert.
- 32
- Soweit das Berufungsgericht ehebedingte Nachteile aus dem Gesichtspunkt einer "nicht stattgefundenen Karriereentwicklung" unberücksichtigt gelassen hat, ist der Kläger hierdurch nicht beschwert.
- 33
- bb) Ebenso wenig hält die unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität durchgeführte Billigkeitsabwägung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 34
- (1) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 31 mwN).
- 35
- (2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
- 36
- (a) Nicht zu beanstanden ist jedoch, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Abwägung zugunsten der Beklagten berücksichtigt hat, dass diese den Kläger am Anfang der Ehe durch ihr eigenes Erwerbseinkommen sowie mit ihrer Erbschaft unterstützt hat und dass sie sich um die Kindesbetreuung gekümmert hat.
- 37
- Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht das Vertrauen der Beklagten auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch und den Umstand, dass die Beklagte keinerlei Chancen mehr habe, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen, zu ihren Gunsten gewürdigt hat. Bereits bei der Überprüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch durch Vereinbarung festgelegt ist. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen des § 1578 b BGB nicht. Weil die Beurteilung der Begrenzung hiernach vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 32).
- 38
- (b) Im Übrigen ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Billigkeitsabwägung jedoch fehlerhaft.
- 39
- (aa) Das Berufungsgericht hat für die Bemessung der nachehelichen Solidarität darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund des seinerzeit vorherrschenden Rollenverständnisses auf eine eigene berufliche Karriere verzichtet habe. Dabei hat es verkannt, dass dieser Aspekt allein für die Frage von Bedeutung ist, ob die Beklagte einen - insoweit vom Berufungsgericht verneinten - ehebedingten Nachteil erlitten hat. Der Gesetzgeber wollte mit der entsprechenden Regelung des § 1578 b BGB einen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 28). Der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität erfasst demgegenüber andere Umstände, die unabhängig von ehebedingten Nachteilen Auswirkungen auf den konkreten Unterhaltsanspruch haben.
- 40
- Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Aspekt des Karriereverzichts widersprüchlich gewürdigt hat. Einerseits hat es im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte einen ehebedingten Nachteil erlitten hat, die Aufnahme eines Lehramtsstudiums als Spekulation zurückgewiesen. Andererseits hat es eine solche - hypothetische - Karriere bei der Bemessung der nachehelichen Solidarität zugunsten der Beklagten berücksichtigt. Dazu hat es ausgeführt, dass die Beklagte auf eine Zusatzausbildung verzichtet und damit die ehebedingten Nachteile gering gehalten habe und dass die Erwerbsbiografie der Beklagten zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Diese Ausführungen sind in sich widersprüchlich. Der Verzicht auf eine Zusatzausbildung bedeutet im Umkehrschluss, dass die Beklagte diese - vom Berufungsgericht noch beim ehebedingten Nachteil als Spekulation verneinte - Option überhaupt gehabt hätte. Überdies ist auch der weitere, vom Berufungsgericht hieraus gezogene Schluss, wonach die Beklagte mit dem Verzicht auf eine solche Zusatzausbildung die ehebedingten Nachteile "gering gehalten" habe, nicht nachvollziehbar. Denn die Aufgabe einer möglichen Karriere lässt die ehebedingten Nachteile erst entstehen.
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- (bb) Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung zudem nicht die vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen gewürdigt hat. Denn im Rahmen von § 1578 b BGB ist die Gesamtbelastung des Unterhaltspflichtigen durch den Unterhalt ebenfalls ein Billigkeitskriterium (Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 37 und vom 30. März 2011 - XII ZR 63/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 22).
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- Den Gründen des Berufungsurteils lässt sich entnehmen, dass der Kläger erstmals 1974 Trennungsunterhalt gezahlt hat. Genaue Feststellungen zu Höhe und Zeitraum vor allem auch der Leistung nachehelichen Unterhalts fehlen indes, obgleich der Kläger im instanzgerichtlichen Verfahren hierzu konkret vorgetragen hat. Aus dem Prozessvergleich vom 21. Juli 1995 ergibt sich jedenfalls , dass der Kläger eine Unterhaltsnachzahlung von 49.000 DM und seit August 1995 laufenden Unterhalt von monatlich 1.050 DM und ab Januar 1996 von 1.100 DM zu zahlen hatte.
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- (cc) Überdies hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinander gesetzt, wie sehr die Parteien wirtschaftlich noch miteinander verflochten sind.
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- Durch eine zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten, die umso gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, wird das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 37; vom 29. Juni 2011 - XII ZR 157/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 23 f. und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 36).
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- Anlass für eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bestand schon deshalb, weil die Beklagte durch die frühe Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit im Jahr 1974 und ihre kontinuierliche Tätigkeit bis zum Renteneintritt im Jahr 2007 an ihre Lebensstellung, die sie bereits vor der Geburt des Kindes innehatte, anknüpfte. Hinzu kommt, dass die Ehe, die bis zur Zustellung des Scheidungsantrages lediglich rund 13 Jahre dauerte, bezogen auf den vom Kläger begehrten Abänderungszeitpunkt (August 2007) bereits seit über 25 Jahren geschieden war.
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- (dd) Schließlich hätte das Berufungsgericht bei der Billigkeitsabwägung auch nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die Beklagte durch den Versorgungsausgleich eine erhebliche Aufbesserung ihrer Rente erfahren hat, die nunmehr deutlich über ihrem angemessenen Lebensbedarf liegt. Dass die Beklagte hinsichtlich ihres Vertrauens auf den Unterhalt Dispositionen getroffen hätte, denen zufolge sie auf den Unterhalt angewiesen wäre, ist demgegenüber nicht festgestellt.
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- 5. Nicht zu beanstanden - und von der Revision auch nicht gerügt - sind hingegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte auf den Unterhalt für die Zeit ab Renteneintritt verzichtet habe und ihr Unterhaltsanspruch auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen sei.
III.
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- Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO.
IV.
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- Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, den Unterhalt der Beklagten nach Maßgabe der geänderten Senatsrechtsprechung (s. dazu Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09 - MDR 2012, 156 Rn. 37 ff. und XII ZR 159/09 - MDR 2012, 161 Rn. 34) gemäß §§ 1578, 1581 BGB erneut zu bestimmen, bevor es über die Frage der Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b BGB entscheidet. Dabei wird es zunächst zu prüfen haben, ob die von ihm angenommenen Rentennachteile durch den Versorgungsausgleich kompensiert worden sind. Daneben wird sich das Oberlandesgericht im Zusammenhang mit der Frage, ob die Beklagte durch die Nichtaufnahme eines Lehramtsstudiums - wie vom Amtsgericht bejaht - ehebedingte Nachteile erlitten hat, mit der Senatsrechtsprechung zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten auseinanderzusetzen haben, wonach u. a. die hieran zu stel- lenden Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 - FamRZ 2012, 93 Rn. 23 f. und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht der Beklagten Gelegenheit geben müssen, die konkreten Auswirkungen des von ihr geschilderten hypothetischen Lebenslaufs darzulegen und auf die Einwände des Klägers einzugehen, wonach sie selbst bei einer Verbeamtung hinsichtlich der Altersvorsorge keine Nachteile erlitten hätte. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
AG Braunschweig, Entscheidung vom 23.12.2008 - 247 F 108/08 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 04.08.2009 - 2 UF 24/09 -
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.
(1) Das Gericht entscheidet in Familiensachen durch Beschluss.
(2) Endentscheidungen in Ehesachen werden mit Rechtskraft wirksam.
(3) Endentscheidungen in Familienstreitsachen werden mit Rechtskraft wirksam. Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit anordnen. Soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält, soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen.
(1) Mit einem Antrag und einem Widerantrag geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Verfahren verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder des Satzes 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Verfahren verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht ein Beteiligter hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Wert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Verfahrens durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.