Oberlandesgericht Hamm Urteil, 16. Dez. 2014 - 26 U 81/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02. Mai 2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin am ####1937 geboren nimmt die Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlung in den Jahren 2003 und 2004 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
4Am 09.12.2002 inserierte der Streithelfer, Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Klägerin sechs Implantate für die Zähne 11, 14, 21, 22, 24 und 26. Die Beklagte zu 1) assistierte bei diesem Eingriff. Die Implantate wurden danach am 13.03.2003 vom Streithelfer freigelegt, der auch noch die eigenen Zähne 13 und 17 der Klägerin überkronte.
5Die prothetische Versorgung dieser Zähne wurde daraufhin vom Beklagten zu 2) übernommen und in dessen Praxis durch die Beklagte zu 1) durchgeführt.
6Der Implantation vorausgegangen war ein am 14.10.2002 mit der Klägerin geführtes (Planungs-)Gespräch, nach dem der Oberkiefer mit einer teleskopierenden Modellgussprothese auf sechs Implantaten versorgt werden sollte. Von den Beklagten waren die Zähne 11, 12, 21, 22 und 23 für extraktionswürdig befunden worden, die daraufhin am 29.10.2002 von dem Streithelfer gezogen worden waren.
7Die Beklagte zu 1) setzte der Klägerin anschließend am 22.05.2003 die prothetische Versorgung ein, bei der es sich um festsitzenden Zahnersatz im Oberkiefer unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der sechs Implantate handelte.
8Bei einem Kontrollterminen am 15.10.2003 behandelte die Beklagte zu 1) anschließend eine an diesem Tag festgestellte Überempfindlichkeit an Zahn 17, die am 12.11.2003 eine weitere Behandlung erforderlich machte. Bis Februar 2006 stellte sich die Klägerin zu insgesamt sechs weiteren Kontrolluntersuchungen vor.
9Am 04.06.2006 suchte die Klägerin mit akuten Beschwerden im Notdienst die Zahnärztin Dr. I in I2 auf. Die Untersuchung einschließlich einer Röntgenaufnahme und eines OPG ergab eine apikale Ostitis an Zahn 13.
10Etwas sieben Monate später – am 26.01.2007 – stellte sich die Klägerin bei dem Zahnarzt Dr. X in X2 vor. Der – anschließend entfernte – Zahn 13 zeigte sich bei einer Sondierungstiefe von 7 mm tief zerstört mit einem deutlich apikalen Entzündungsbefund. Die Konstruktion auf den Implantaten der Zähne 11, 14, 21, 22 24 und 26 imponierte durch eine fast vollständige Freilegung der Mesostruktur hauptsächlich im vestibülären Bereich, wobei die Gingiva um die Implantate hoch entzündet war. Dr. X nahm deshalb bei der Klägerin die Kronenkonstruktion ab und fertigte für die Kronen neue Langzeitprovisorien an, welche die Klägerin im Juli und November 2007 erhielt.
11Die Klägerin hat mit der Begründung fehlerhaft behandelt und unzureichend aufgeklärt worden zu sein, ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 €, Ersatz von Fahrtkosten und Aufwendungen von 4.000,26 €, die Feststellung der Ersatzverpflichtung weiterer materieller und immaterieller Schäden und Ersatz vorgerichtlicher Kosten verlangt. Sie habe nach der prothetischen Versorgung im März 2003 unter erheblichen Beschwerden und Schmerzen auch an den beiden überkronten Zähnen gelitten, die bis Pfingsten 2006 sehr stark geworden seien. Die Schraubenköpfe, die die Mesostruktur auf den Implantaten befestigt hätten, seien teilweise bis zur Hälfte abgeschnitten bzw. abgeschliffen gewesen. Die Behandlung sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen. Die Beklagte zu 1) habe nicht fachgerechte Änderungen und Manipulationen an den Implantaten vorgenommen. Diese hätte zudem für die Verbindung zwischen Implantaten und Suprakonstruktion abgeknickte Abutments verwenden müssen und erst darauf den Zahnersatz eingliedern dürfen. Wegen der falsch sitzenden Abutments habe die Prothese nicht hoch genug eingesetzt werden können, woraufhin die Beklagte zu 1) die deshalb bestehende Lücke zum Oberkiefer mit zahnfleischfarbigem Material ausgefüllt habe, was ebenfalls fehlerhaft sei. Der implantatgetragene Zahnersatz sei viel zu starr gewesen und habe keine physiologische Bewegung zugelassen. Vor diesem Hintergrund habe der eigene Zahn 13 überhaupt nicht in die starre prothetische Versorgung einbezogen werden dürfen. Die Beklagte zu 1) habe die gebotenen Röntgenuntersuchungen nicht durchgeführt und deshalb einen – erst anschließend von Dr. X festgestellten – Fremdkörper an der Wurzel des Zahns 14 nicht gesehen, der indes sofort hätte entfernt werden müssen.
12Sie sei schließlich nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Beklagte zu 1) habe ihr zwar festsitzenden Zahnersatz mittels Implantaten vorgeschlagen und dabei dessen Vorteile, nicht aber die damit verbundenen Nachteile geschildert. Tatsächlich hätte die Beklagte zu 1) darüber aufklären müssen, dass sich der Zahnersatz auf einem Implantat nicht bewegen dürfe. Im Falle der gebotenen Aufklärung hätte sie einem festsitzenden Zahnersatz mit Implantaten nicht zugestimmt. Sie hätte dann die vom Nebenintervenienten vorgeschlagene Versorgung durchführen lassen, der von Anfang an keinen festsitzenden Zahnersatz habe durchführen wollen.
13Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
14Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines zahnmedizinischen Gutachtens teilweise stattgegeben und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 €, einen weiteren Betrag in Höhe von 3.987,32 € sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.275,68 € zugesprochen und die Haftung der Beklagten für zukünftige materielle und derzeit nicht vorhersehbare immaterielle Schäden festgestellt. Die Klägerin sei nicht fachgerecht behandelt worden. An den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 seien die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments angeschliffen worden. Die Abutments und die Schraubenköpfe seien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (98 %) durch das zahntechnische Laboratorium entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insb. der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden sei, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen lasse. Die Abutments hätten entfernt werden müssen, was zwangsläufig dazu geführt habe, dass schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung erforderlich gewesen sei. Die vorhandene Konstruktion hätte nicht weiter verwandt werden können.
15Unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung hätten die parodontal geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung einbezogen werden dürfen. Die hier gewählte Lösung sei daher nur medizinisch vertretbar, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung vom Arzt aufgeklärt worden sei. Die vorgeschädigten Zähne 13 und 17 als strategische Pfeiler seien eben nicht gleichwertig mit den eingebrachten Implantaten gewesen. Es sei auch Aufgabe des Hauszahnarztes gewesen, die Behandlungsalternativen (2 getrennte Brückenkonstruktionen oder Ersatz der zu extrahierenden Zähne 13 und 17 durch Implantate) mitzuteilen und die Lösung zu entwickeln. Bei der hier gewählten prothetischen Versorgung sei zudem erforderlich gewesen, die parodontale Schädigung der Zähne 13 und 17 (weiter) zu behandeln. Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten sei darin zu sehen, dass die Beklagten das höhere Risiko durch die damit verbundenen Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet hätten. Die gewählte Versorgung habe nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen. Soweit die Beklagten demgegenüber den Fremdkörper in regio 14 (möglicherweise Amalgamrest) auf den OPG- Bildern erkannt hätten, sei es nicht unbedingt behandlungsfehlerhaft, diesen nicht zu entfernen, wenn er wie im vorliegenden Fall unter ständiger röntgenologischer Beobachtung keinerlei Veränderungen zeige. Trotzdem wäre aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Implantat sinnvoll gewesen, diesen während der Implantatinsertion auszufräsen und zeitgleich aufzufüllen. Folge der Behandlungsfehler sei zunächst die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Langzeitprovisorium sowie anschließend eine definitive Neuversorgung. Bei dieser Sachlage könne die Klägerin, die nach Feststellung des Sachverständigen keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten habe, ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € beanspruchen. Die Klägerin könne auch die Kosten für das Langzeitprovisorium nach Heil- und Kostenplan (3.770,72 €) sowie für die Nachbehandlung angefallene Fahrtkosten (216,60 €) und vorgerichtliche Anwaltskosten nach einer 2,0 Geschäftsgebühr (1.275,68 €) verlangen.
16Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Hinsichtlich der Kosten des nachbehandelnden Zahnarztes Dr. X fehle ein Differenzbetrag von 12,94 €. Der Gesamtbetrag von 3.783,66 € sei bereits in der Klageschrift nach der Rechnung vom 17.01.2008 und nicht nach dem Heil- und Kostenplan beziffert worden. Es sei ein gerichtlicher Hinweis geboten gewesen, die Rechnung einzureichen. In der Zeit nach Klageerhebung seien für Behandlungen vom 15.08.2011 bis 13.05.2013 weitere Kosten bei Dr. X entstanden; der noch offene Gesamtbetrag errechne sich mit 18.401,03 €. Das zugebilligte Schmerzensgeld sei viel zu gering angesetzt. Sie habe jahrelang das Provisorium tragen müssen. Daran habe sich eine zeitlich langdauernde intensive Behandlung angeschlossen. Ferner komme hinzu, dass die beiden Zähne 13 und 17 aufgrund eines Behandlungsfehlers in die Versorgung mit Zahnersatz einbezogen worden seien, deswegen frühzeitig verloren gegangen seien und durch Implantate hätten ersetzt werden müssen. Dies sei in die Bewertung der Schmerzensgeldhöhe nicht einbezogen worden. In der Gesamtschau liege ein grober Behandlungsfehler vor, der zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen müsse. Es sei ein Betrag von mindestens 20.000,00 € angemessen und gerechtfertigt. Der Beginn der Verzinsung sei fehlerhaft mit dem 12.12.2008 angesetzt worden. Verzug sei – wie die Klägerin neu vorträgt – bereits mit Ablauf der im Anspruchsschreiben vom 29.04.2008 gesetzten Frist am 10.05.2008 eingetreten. Die Geschäftsgebühr sei aufgrund der überdurchschnittlichen Schwierigkeit und der äußerst umfangreichen vorgerichtlichen Tätigkeit mit 2,5 zu bemessen.
17Die Klägerin beantragt,
18das am 02.05.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 449/08 – abzuändern und nach ihren in I. Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.
19Hilfsweise,
20das am 02.05.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 449/08 – aufzuheben und die Sache einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zurückzuweisen.
21Die Beklagten zu 1) und 2) und der Streithelfer beantragen,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Die Beklagten zu 1) und 2) verteidigen das angefochtene Urteil soweit die Klage abgewiesen worden ist. Das Schmerzensgeld sei mit 4.000,00 € der Höhe nach mehr als angemessen. Die Klägerin habe keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten. Die nach Auffassung des Sachverständigen medizinisch bessere Lösung wäre ohnehin mit Schmerzen für die Klägerin verbunden gewesen. Ein Schmerzensgeldanspruch bestünde nur insoweit, als die Klägerin durch die fehlerhafte Behandlung Schmerzen gehabt hätte, welche über die bei ordnungsgemäßer Behandlung/Aufklärung ohnehin entstandenen Schmerzen hinausgingen. Die Klägerin könne auch unter keinen Umständen Schmerzensgeld für die Extraktion der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 und das Einsetzen von Implantaten verlangen. Diese Zähne hätten nach Vorstellung des Sachverständigen von vornherein extrahiert und durch Implantate ersetzt werden müssen. Von einem von den Beklagten verschuldeten frühzeitigen Verlust der Zähne könne keine Rede sein. Hinsichtlich des materiellen Schadens habe die Klägerin allein einen Heil- und Kostenplan vorgelegt, der einen Betrag von 3.770,72 € aufgewiesen habe. Der Beklagte zu 2) rügt hinsichtlich des geltend gemachten Zinsschadens Verspätung. Diesen habe die Klägerin erstinstanzlich nicht begründet. Es liege auch kein grober Behandlungsfehler vor. Die Versorgung habe zwar nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen, sei jedoch als noch vertretbare medizinische Lösung anzusehen, sofern dies zuvor mit der Klägerin besprochen worden wäre.
24Der Senat hat die Klägerin sowie die Beklagte zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen implantatprothetischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Q. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Senatstermins und den Berichterstattervermerk vom 16.12.2014 verwiesen.
25Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26II.
27Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
28Der Klägerin steht gegen die Beklagten über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus kein weitergehender Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu.
291.
30Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden nach den §§ 611, 280, 249, 278, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 823, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.
31Nach den im Berufungsverfahren bindenden Feststellungen des Landgerichts ist die zahnprothetische Behandlung der Klägerin durch die Beklagten zu 1) und 2) ab Mai 2003 fehlerhaft gewesen. An den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 sind die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insb. der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden ist, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen ließ. Die Abutments mussten entfernt werden, was schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung der Konstruktion erforderlich gemacht hat. Hinsichtlich der Gesamtplanung ist die Klägerin fehlerhaft nicht über die zeitliche Limitierung der gewählten Lösung aufgeklärt worden. Unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung hätten die parodontal geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung einbezogen werden dürfen. Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten liegt darin, dass sie das höhere Risiko durch die damit verbundenen Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet haben. Die gewählte Versorgung hat damit nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen.
322.
33Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Landgericht die festgestellten Behandlungsfehler zu Recht nicht als grobe Fehler eingestuft.
34Ein Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und dadurch einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 139/10, VersR 2012, 362; BGH Urt. v. 20.09.2011 – VI ZR 55/09, VersR 2011, 1569; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. B. Rdn. 252).
35Der Sachverständige hat im Rahmen seiner schriftlichen und mündlichen Ausführungen das behandlungsfehlerhafte Vorgehen nicht als grob fehlerhaft beurteilt. Im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige nochmals klargestellt, dass seinerzeit hinsichtlich der Zähne 13 und 17 kein evident bedrohlicher Befund bestanden hat, der es aus zahnmedizinischer Sicht unbedingt erforderlich gemacht hätte, diese Zähne aus der prothetischen Versorgung herauszuhalten. Die an den beiden Zähnen festgestellten Befunde, Parodonatalspalt und Zahntasche, lassen danach keinen sicheren Schluss auf eine sofortige Indikation zur Extraktion der Zähne zu. Bei den Zähne 13 und 17 handelte es sich seinerzeit um leicht vorgeschädigte Zähne. Insbesondere bei Zahn 17 ist zu beachten, dass er im Anschluss an die streitgegenständliche prothetische Versorgung noch 10 Jahre in situ verblieben ist. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die von ihm als „Plan 1c“ bezeichnete Lösung bei entsprechender Aufklärung sogar als noch fachgerecht anzusehen gewesen wäre, wenn die parodontale Nachbehandlung der Zähne sichergestellt worden wäre. Insgesamt war der Befund seinerzeit nicht so bedrohlich, dass man zur Annahme eines groben Behandlungsfehlers gelangen müsste. Auch in der Gesamtbetrachtung bestehen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen groben Behandlungsfehler.
363.
37Als Folge der Behandlungsfehler ist eine komplette prothetische Neuversorgung erforderlich, wobei die bestehenden Implantate weiter verwendet werden können. Hierfür müssen nach Einschätzung des Sachverständigen nach erfolgter Extraktion der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 zwei weitere Implantate in regio 13 und 15/16 bei gleichzeitiger Entfernung des Fremdkörpers inseriert werden. Die zuvor 2007 erfolgte Implantierung eines Langzeitprovisoriums hat der Sachverständige ebenfalls als erforderlich angesehen. Dies steht im Rahmen des Berufungsverfahrens zwischen den Parteien auch nicht mehr im Streit.
38Vorzuwerfen ist den Beklagten aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht der „frühzeitige Verlust“ der Zähne 13 und 17. Der Sachverständige hat insoweit vielmehr angegeben, dass diese im Rahmen einer optimalen Versorgung bereits 2003 hätten extrahiert und durch zwei weitere Implantate ersetzt werden müssen (wodurch seinerzeit Mehrkosten von 2.500,00 bis 3.000,00 € angefallen wären). Lediglich bei Nutzung der vorgeschädigten Zähne als Pfeiler hätten diese behandelt werden müssen. Die Indikation zum Ziehen der Zähne war somit bereits 2003 gegeben.
394.
40Der Senat hält das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von insgesamt 4.000,00 € für die erlittenen gesundheitlichen Folgen für angemessen. Ein höheres Schmerzensgeld kann die Klägerin, die einen Betrag in Höhe von mindestens 20.000,00 € fordert, nicht verlangen.
41Das Schmerzensgeld weist eine Doppelfunktion auf. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zugleich soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat (Palandt/Heinrichs BGB, 73. Aufl., § 253 Rdn. 11). Bei der Bemessung der nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewährenden billigen Entschädigung sind die Schwere der Verletzungen, das dadurch bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers in Betracht zu ziehen, wobei der Grad des Verschuldens in Arzthaftungssachen regelmäßig nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. OLG Oldenburg, VersR 2010, 1221; OLG Bremen, VersR 2003, 779; OLG Köln, VersR 2003, 602).
42Das Landgericht hat zutreffend auf die konkreten Beschwerden abgestellt, die auf die fehlerhafte prothetische Behandlung zurückzuführen sind. Es hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zum einen auch berücksichtigt, dass die Klägerin im Jahr 2007 mit einem Langzeitprovisorium versorgt werden musste; zum anderen hat es die mit der erforderlichen Neuversorgung verbundenen Beeinträchtigungen in die Schmerzensgeldbemessung einbezogen. Dies schließt auch die von der Klägerin wiedergegebenen Unannehmlichkeiten bei der Entfernung der fehlerhaften Prothese ein.
43Hinsichtlich der von der Klägerin erlittenen Schmerzen hat der Sachverständige basierend auf den eigenen Angaben der Klägerin ausgeführt, dass diese keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten hat. Diese hat hauptsächlich Schmerzen an dem vorgeschädigten Zahn 13 gehabt, bis dieser nach etwa sieben Monaten im Januar 2007 von Dr. X extrahiert worden ist. Dabei ist es weder zu lang anhaltenden Wundschmerzen gekommen, noch musste die Klägerin Schmerztabletten einnehmen.
44Die bei der Extraktion der Zähne 13 und 17 sowie der Einbringung zweier weiterer Implantate erlittenen Schmerzen hätte die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Behandlung erleiden müssen. Diese Zähne hätten nach Vorstellung des Sachverständigen von vornherein extrahiert und durch Implantate ersetzt werden müssen. Der Zahnverlust führt damit nicht zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes.
45Die zu berücksichtigen Schmerzen und die umfangreiche prothetische Neuversorgung mit einer Vielzahl erforderlicher Behandlungstermine rechtfertigen die Zahlung des vom Landgericht als angemessen erachteten Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 €.
465.
47Zutreffend ist das Landgericht dem Feststellungsbegehren der Klägerin hinsichtlich der immateriellen Schäden nur eingeschränkt nachgekommen, indem es eine Ersatzverpflichtung der Beklagten auf die zukünftigen, derzeit aber nicht voraussehbaren immateriellen Schäden beschränkt hat. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes sind zukünftige voraussehbare immaterielle Schäden – im Streitfall insbesondere im Zuge der prothetischen Neuversorgung zu erwartende Unannehmlichkeiten und Schmerzen – in die Schmerzensgeldbemessung einzubeziehen.
486.
49Der Klägerin steht kein weiterer Schadensersatzanspruch hinsichtlich der vom Landgericht nicht zugesprochenen 12,94 € für die Kosten des Langzeitprovisoriums gegen die Beklagten zu. Das Landgericht hat den der Klägerin zugesprochenen Betrag (3.770,72 €) zu Recht dem Heil- und Kostenplan vom 21.06.2007 entnommen, da die Klägerin selbst ausschließlich auf diesen Bezug genommen und den höheren Betrag (3.783,66 €) gerade nicht durch Vorlage der entsprechenden Rechnung belegt hat. Soweit die Klägerin diese Rechnung nunmehr im Berufungsverfahren vorlegt, hat sie ihr Begehren erst in zweiter Instanz schlüssig gemacht und ist insoweit präkludiert, § 531 ZPO. Es hätte insoweit auch keines Hinweises des Landgerichts bedurft. Es ist Sache der Klägerin gewesen, den geltend gemachten Betrag hinreichend zu belegen.
507.
51Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Verzugszinsen jeweils erst ab Klagezustellung zugesprochen hat. Einen früheren Verzugszeitpunkt hat die Klägerin erstinstanzlich überhaupt nicht schlüssig dargelegt. Vielmehr hat sie ohne Angaben von Gründen erstinstanzlich noch Zinsen ab 21.12.2007 verlangt. Mit ihrem neuen Vorbringen, mit dem sie erstmals unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 29.04.2008 Zinsen ab dem 10.05.2008 verlangt, ist sie daher nunmehr ausgeschlossen.
528.
53Hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltskosten ist der vom Landgericht vorgenommene Ansatz einer 2,0 Geschäftsgebühr ausreichend. Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entfaltete außergerichtliche Tätigkeit rechtfertigt jedenfalls im Streitfall keine höhere Gebühr.
54III.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 101 ZPO.
56Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713, 543 ZPO.
57Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 16. Dez. 2014 - 26 U 81/14
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Oberlandesgericht Hamm Urteil, 16. Dez. 2014 - 26 U 81/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € zu zahlen, das mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009 verzinst wird. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf das ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 einen Betrag in Höhe von 3.987,32 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 3.987,22 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen und zukünftigen, derzeit aber nicht voraussehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.275,68 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 1.275,68 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 62% und die Beklagten zu 38%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Streithelfers tragen die Beklagten zu 38%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 62%. Im übrigen tragen die Parteien und der Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Streithelfers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund einer vermeintlichen zahnärztlichen Fehlbehandlung in der Praxis des Beklagten zu 2), in der die Beklagte zu 1) vom 30.11.2002 bis zum 31.12.2004 tätig war.
3Der Klägerin wurden am 09.12.2002 von ihrem Streithelfer – einem Zahnarzt und Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – sechs Implantate im Bereich der Zähne 14, 11, 21, 22, 24 und 26 inseriert. Die Beklagte zu 1) assistierte bei diesem Eingriff.
4Der Implantation vorausgegangen war ein am 14.10.2002 mit der Klägerin geführtes (Planungs-) Gespräch, nach dem der Oberkiefer mit einer teleskopierenden Modellgussprothese auf sechs Implantaten versorgt werden sollte. Von den Beklagten waren die Zähne 12, 11, 21, 22 und 23 für extraktionswürdig befunden worden, die daraufhin am 29.10.2002 von dem Streithelfer der Klägerin gezogen worden waren.
5Die Implantate selbst wurden danach am 13.03.2003 wiederum von dem Streithelfer der Klägerin freigelegt, der auch noch ihre eigenen Zähne 13 und 17 überkronte. Die Behandlung der Klägerin durch ihren Streithelfer war damit abgeschlossen, so dass deren weitere zahnärztliche Betreuung nunmehr durch die Beklagten erfolgte.
6Die Beklagte zu 1) setzte der Klägerin anschließend am 22.05.2003 die prothetische Versorgung ein, bei der es sich um einen festsitzenden Zahnersatz im Oberkiefer unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der sechs Implantate handelte. Der Beklagte zu 2) berechnete der Klägerin für diese Arbeiten insgesamt 9.205,02 €.
7Bei einem Kontrolltermin am 15.10.2003 behandelte die Beklagte zu 1) anschließend eine an diesem Tag festgestellte Überempfindlichkeit an Zahn 17, die am 12.11.2003 noch eine weitere Behandlung erforderlich machte. Weitere Kontrolluntersuchungen erfolgten danach am 19.04. und 29.04.2004.
8Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin zu weiteren Kontrollterminen und Zahnsteinentfernungen am 28.10.2004, am 28.02.2005, am 02.08.2005 sowie am 14.02.2006 in der Praxis des Beklagten zu 2) vor.
9Am 04.06.2006 musste die Klägerin schließlich mit akuten Beschwerden im Notdienst die Zahnärztin Dr. I. in C. aufsuchen. Die Untersuchung einschließlich einer Röntgenaufnahme sowie eines OPG ergab eine apikale Ostitis an Zahn 13, die daraufhin behandelt wurde.
10Etwa sieben Monate später – am 26.01.2007 – stellte sich die Klägerin nunmehr bei dem Zahnarzt Dr. V. in H. vor. Der – anschließend entfernte - Zahn 13 zeigte sich jetzt bei einer Sondierungstiefe von 7 mm tief zerstört mit einem deutlichen apikalen Entzündungsbefund und die Konstruktion auf den Implantaten der Zähne 14, 11, 21, 22, 24 und 26 imponierte durch eine fast vollständige Freilegung der Mesostruktur hauptsächlich im vestibulären Bereich, wobei die Gingiva um die Implantate hoch entzündet war. Dr. V. nahm bei der Klägerin deshalb die Kronenrekonstruktion ab und fertigte für die Kronen neue Langzeitprovisorien an. Im Juli und November 2007 erhielt die Klägerin schließlich die Provisorien.
11Die Klägerin wirft den Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler vor.
12Sie behauptet, sie habe nach der prothetischen Versorgung im März 2003 unter erheblichen Beschwerden und Schmerzen auch an den beiden überkronten Zähnen gelitten. Die Beklagte zu 1) habe ihr jedoch immer wieder versichert, dass alles in Ordnung sei. Selbst bei dem (Kontroll-) Termin am 29.04.2004 habe sie – die Klägerin – allerdings noch unter einer Überempfindlichkeit an Zahn 13 gelitten, woraus sich anschließend erhebliche Beschwerden und Schmerzen entwickelt hätten, die bis Pfingsten 2006 sehr stark geworden seien.
13Als Dr. V. die Kronenkonstruktion schließlich wieder abgenommen habe, seien die Schraubenköpfe, die die Mesostruktur auf den Implantaten befestigt hätten, teilweise bis zur Hälfte abgeschnitten bzw. abgeschliffen gewesen. Ein Austausch der Verbindungselemente sei deshalb nur sehr schwer möglich gewesen, was deren Neuanfertigung sowie ein Langzeitprovisorium für die Kronen erforderlich gemacht habe.
14Ihre Behandlung in der Praxis des Beklagten zu 2) sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen.
15Die Beklagte zu 1) habe nicht fachgerechte Änderungen und nicht gerechtfertigte Manipulationen an den Implantaten vorgenommen, was sich insbesondere daran zeige, dass die Schraubenköpfe der Implantate teilweise bis zur Hälfte abgeschliffen worden seien.
16Der unpassende Zahnersatz hätte zudem niemals in der gewählten Form auf die Implantate gesetzt werden dürfen. Die Beklagte zu 1) hätte für die Verbindung zwischen Implantaten und Suprakonstruktion vielmehr abgeknickte Abutments verwenden müssen und erst darauf den Zahnersatz bzw. die Prothetik eingliedern dürfen. Da die Abutments bei ihr – der Klägerin – jedoch auch nicht richtig gesessen hätten, habe die Prothese nicht hoch genug eingesetzt werden können, woraufhin die Beklagte zu 1) die deshalb bestehende Lücke zum Oberkiefer mit zahnfleischfarbigem Material ausgefüllt habe, was ebenfalls fehlerhaft gewesen sei.
17Der implantatgetragene Zahnersatz sei darüber hinaus viel zu starr gewesen und habe keine physiologische Bewegung zugelassen. Vor diesem Hintergrund habe der – eigene – Zahn 13 überhaupt nicht in die starre prothetische Versorgung einbezogen werden dürfen.
18Die Beklagte zu 1) habe daneben aber auch die gebotenen Röntgenuntersuchungen nicht durchgeführt und deshalb einen – anschließend erst von Dr. V. festgestellten – Fremdkörper an der Wurzel des Zahnes 14 nicht gesehen, der indes sofort hätte entfernt werden müssen.
19Vor der prothetischen Versorgung sei sie schließlich nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Beklagte zu 1) habe ihr zwar festsitzenden Zahnersatz mittels Implantaten vorgeschlagen und dabei dessen Vorteile, nicht aber die damit verbundenen Nachteile geschildert. Tatsächlich aber hätte sie von der Beklagten zu 1) (auch) darüber aufgeklärt werden müssen, dass sich der Zahnersatz auf einem Implantat nicht bewegen dürfe. Im Falle der demnach gebotenen Aufklärung über Nachteile und Risiken des implantatgetragenen Zahnersatzes hätte sie einem festsitzenden Zahnersatz mit Implantaten jedoch nicht zugestimmt. Sie hätte dann vielmehr die von ihrem Streithelfer vorgeschlagene Versorgung durchführen lassen, der von Anfang an keinen festsitzenden Zahnersatz habe durchführen wollen.
20Unter den Folgen der damit insgesamt fehlerhaften Behandlung in der Praxis des Beklagten zu 2) habe sie schließlich erheblich zu leiden. Die Implantate seien unbrauchbar und hätten erhebliche Veränderungen am Zahnhalteapparat sowie an den Zähnen 13 und 17 verursacht. Insgesamt sei deshalb nunmehr eine komplette Neuversorgung erforderlich geworden.
21Die Beklagten seien ihr demnach insgesamt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000,00 € sowie zum Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 4.000,26 € verpflichtet, der sich aus Fahrtkosten (216,60 €) und den bei Dr. V. angefallenen Behandlungskosten (3.783,66 €) zusammensetze.
22Der Streithelfer der Klägerin behauptet, sie - die Klägerin - habe das der Implantation vorausgegangene Planungsgespräch am 14.10.2002 mit den Beklagten geführt. Er selbst habe ein solches Gespräch schon deshalb gar nicht führen können, weil die Übernahme und Ausführung einer (späteren) Behandlung nur auf der Grundlage einer eigenen adäquaten Behandlung fachgerecht vorgenommen werden könne. (Auch) die folgende Extraktion der Zähne habe er demnach nur im Auftrag der Beklagten vorgenommen.
23Am 01.04.2003 habe die Klägerin dann abweichend von der vorherigen Planung mit den Beklagten ein Gespräch über die Möglichkeit einer Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz auf sechs Implantaten und zwei eigenen Zähnen geführt, von denen er – der Streithelfer jedoch nichts erfahren habe.
24Die Klägerin und ihr Streithelfer beantragen,
251. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und das mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 21.12.2007 verzinst wird;
262. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 einen Betrag in Höhe von 4.000,26 € zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung;
273. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen anderen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht;
284. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.278,85 € zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung.
29Die Beklagten beantragen,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte zu 1) behauptet, die Implantatversorgung bei der Klägerin habe deren Streithelfer selbständig und in eigener Verantwortung durchgeführt. Sie selbst habe anschließend (nur) die Versorgung des Lückengebisses übernommen, nachdem der Streithelfer der Klägerin zunächst noch die vom Zahntechniker angefertigten bzw. angepassten Abutments aufgeschraubt und festgezogen habe. Veränderungen und Arbeiten an den Implantaten oder Abutments habe sie – die Beklagte zu 1) – demnach nicht vorgenommen.
32Den Zahnersatz selbst habe sie im März 2003 anschließend passend und fachgerecht eingegliedert. Die Klägerin habe sich (daher) auch bis zu ihrem – der Beklagten zu 1) – Ausscheiden aus der Praxis des Beklagten zu 2) am 31.12.2004 nicht mehr mit Schmerzen oder nennenswerten Beschwerden vorgestellt, die demnach frühestens Ende 2005 erstmals überhaupt aufgetreten sein könnten. Die Ursache der im Jahr 2006 diagnostizierten Ostitis an Zahn 13 könne dabei der schon im Oktober 2002 vorhandene, örtlich unmittelbar im Wurzelbereich des Zahnes 13 gelegene Fremdkörper gewesen sein. Die daneben festgestellte entzündliche Gingiva könne dann ihrerseits ohne weiteres auch auf einen Keimbefall oder schlechte Zahnpflege zurückzuführen sein.
33(Auch) bei dem Kontrolltermin nach der prothetischen Versorgung am 29.04.2004 sei die Klägerin demnach beschwerdefrei gewesen. Der bereits im Zeitpunkt der Implantatversorgung an der Wurzel des Zahnes 14 befindliche Fremdkörper sei damals ebenfalls unauffällig gewesen.
34Daneben sei aber auch der Vorwurf abgeschnittener bzw. abgeschliffener Schraubenköpfe nicht nachvollziehbar. Die Schraubenköpfe seien nach der Bissnahme durch den Zahntechniker angefertigt bzw. angepasst worden. Ein Beschleifen durch den Zahntechniker sei aber nicht zu beanstanden und völlig üblich, wobei diese Maßnahmen auch noch einzig und allein die Implantatversorgung beträfen, die sie – die Beklagte zu 1) – nicht vorgenommen habe.
35Vor der prothetischen Versorgung sei die Klägerin schließlich im März 2003 über die bestehenden Möglichkeiten der Versorgung mit Zahnersatz und insbesondere darüber aufgeklärt worden, dass für eine festsitzende Versorgung im Oberkiefer 8 Pfeiler erforderlich seien. Die Klägerin habe sich daraufhin für festsitzenden Zahnersatz unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der 6 Implantate entschieden.
36Der Beklagte zu 2), der die Klägerin selbst nie behandelt hat, behauptet weiter, die Klägerin habe das Planungsgespräch vom 14.10.2002 mit ihrem Streithelfer geführt.
37Die Klägerin sei zudem während der gesamten Behandlung in seiner Praxis insgesamt beschwerdefrei gewesen und fachgerecht betreut worden. So sei etwa die Entfernung des Fremdkörpers an der Wurzel des Zahnes 14 ohne Befund nicht indiziert gewesen. Die Schraubenköpfe könnten ferner – wenn überhaupt – nur bei der Entfernung des festsitzenden Zahnersatzes durch Dr. V. zerstört bzw. beschädigt worden sein.
38Vor ihrer Versorgung sei die Klägerin schließlich über die Risiken, Vor- und Nachteile der durchgeführten Behandlungen sowie über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden.
39Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Q. sowie durch dessen mündliche Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30.08.2011 (Bl. 125ff d.A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 28.02.2014 (Bl. 255ff d.A.) Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe
41Die Klage ist (nur) zum Teil begründet, wobei es für die Entscheidung nicht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.02.2014 ankommt.
42I.
43Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 € aus den §§ 280 I, 278, 421, 253 II BGB und den §§ 823 I, 831, 840, 253 II BGB.
44Die Beklagte zu 1) hat in der Zeit vom 22.05.2003 bis zum 31.12.2004 die zahnärztliche Behandlung der Klägerin übernommen. Die Beklagten haben deshalb für die Schäden einzustehen, die ihr – der Klägerin – in diesem Zeitraum widerrechtlich durch einen Verstoß gegen die Regeln der zahnärztlichen Heilkunde zugefügt worden sind.
45Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin von der Beklagten zu 1) nicht fachgerecht behandelt worden.
46Der Sachverständige hat festgestellt, dass an den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments angeschliffen worden seien. Diese Maßnahme sei möglicherweise jedoch vom zuständigen Dentallabor beim Präparieren der Abutments vorgenommen worden, da nach entsprechender Erstellung der Zahnfleischmaske vom zuständigen Zahntechniker nach vorliegender Bissnahme entschieden werde, welche Kronenabutments (gerade, abgeknickt) genommen werden müssten, um eine entsprechende prothetische Versorgung unter funktionellen und ästhetischen Gesichtspunkten herstellen zu können.
47Bei der Klägerin liege eine progrene Verzahnungstendenz vor. Das heiße, die Unterkieferfrontzähne lägen mit ihrer Schneidekante vor den Oberkieferfrontzähnen. Somit kämen die vom zahntechnischen Labor der Beklagten zu 1) gewählten Abutments hinter den Unterkieferfront- und Seitenzähnen zu liegen, was nicht einer physiologischen Verzahnung entspreche.
48Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob abgeknickte Abutments vom Zahntechniker gewählt worden seien oder nicht. Wenn rein hypothetisch doch abgeknickte Abutments gewählt worden wären, wären diese Abutments eindeutig vom Zahntechniker von der Lippenseite her (vestibulär) zu weit beschliffen und damit die Schraubenköpfe gleichzeitig angeschliffen worden. Auch wenn damals vom zahntechnischen Labor der Beklagten zu 1) gerade Abutments gewählt worden seien, seien diese zu weit vestibulär angeschliffen, so dass die Schraubenköpfe angeschliffen worden seien. Es entspreche nicht dem zahnmedizinischen Standard, dass ein Schraubenkopf so stark angeschliffen worden sei, dass die Schraube selbst unter Einsatz verschiedener Schraubenzieher nicht mehr zu entfernen sei.
49Insgesamt seien daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (über ca. 98 Prozent) die Abutments und die Schraubenköpfe vom zahntechnischen Laboratorium entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insbesondere der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden sei, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen lasse.
50Die Abutments hätten (deshalb) entfernt werden müsse, was zwangsläufig dazu geführt habe, dass schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung erforderlich gewesen sei. Die vorhandene Konstruktion hätte nicht weiter verwandt werden können.
51Zum Zeitpunkt der klinischen gutachterlichen Untersuchung sei die streitgegenständliche Brücke im Oberkiefer nicht mehr eingegliedert gewesen. Die in Folie eingeschweißte streitgegenständliche Brücke sei von Dr. V. im Jahre 2007 an sechs Stellen aufgetrennt und in drei Segmente unterteilt worden und in keinster Weise mehr verwendbar. Soweit eine Beurteilung nur von einer reinen Fotodokumentation möglich sei, könne festgehalten werden, dass die streitgegenständliche Oberkieferbrücke zumindest nach funktionellen Gesichtspunkten weitestgehend funktionsgerecht auf den Implantaten von der Beklagten zu 1) eingegliedert worden zu sein scheine. Allerdings zeige die Fotodokumentation auch deutlich, dass die Brücke ästhetischen Ansprüchen nicht gerecht werde.
52Ob der Zahnersatz insbesondere ausschließlich nur auf abgeknickten Abutments auf den Implantaten hätte eingliedert werden dürfen, sei aufgrund der fehlenden klinischen Untersuchungsmöglichkeit nicht zu beantworten.
53Ob die Prothese zu hoch eingesetzt worden sei, könne aufgrund der fehlenden klinischen Untersuchungsmöglichkeiten und den obigen Ausführungen ebenfalls in keinster Weise mehr gutachterlicherseits beurteilt werden. Auf einem Foto erkenne man allerdings leicht eingefärbte rosafarbene Keramik. Diese zahntechnischen Maßnahmen seien jedoch durchaus üblich, um zum Beispiel bei entsprechend hoher Lachlinie den Zahnfleischverlauf zu simulieren. Diese Vorgehensweise sei auf keinen Fall fehlerhaft und werde von vielen Zahntechnikern, insbesondere bei fortgeschrittener dreidimensionaler Alveolarfortsatzatrophie und gleichzeitig hoher Lachlinie angewendet, um das ästhetische Erscheinungsbild der Restaurationen zu verbessern.
54Der Beklagte zu 2) habe hier entsprechend seinem Rechnungsbeleg vom 22.05.2003 über 9.205,02 € entsprechend den Vorgaben der inserierten Implantate von Dr. D. in regio 14, 11, 21, 22, 24 und 25 im rechten Seitenzahnsegment (14 – 17) und Frontzahnsegment (13 – 23) eine Verbundbrückenkonstruktion gewählt. Dass heißt, hier seien eigene Zähne 17 und 13 mit Implantaten in einer Konstruktion verbunden worden.
55Bei diesem sog. implantologischen Konzept der strategischen Pfeilervermehrung von Zähnen mittels Implantaten sei es von Bedeutung, dass strategisch gleichwertige Pfeiler miteinander verbunden würden. Implantatkörper seien, wenn sie osseointegriert seien, ankylotisch eingeheilt, dass heiße, sie hätten keinen – auch nicht im Millimeterbereich – Auslenkungswinkel und seien starr im Knochen verankert. Dagegen seien generell Zähne immer mit elastischen Fasern im Knochen aufgehängt, so dass selbst bei parodontal absolut gesunden Zähnen eine elastische Dämpfung und Auslenkung des Zahnes bei Einwirkung von Kaudruck passiere. Ankylotisch/osseointegrierte Implantate hätten diese Erscheinung jedoch nicht. Wenn also Zähne in eine Verbundbrückenkonstruktion mit Implantaten einbezogen werden sollten, sei darauf zu achten, dass die betreffenden Zähne keine parodontale Vorschädigung hätten, ansonsten wäre die Auslenkung bei diesen Zähnen entsprechend noch größer, so dass die im Verbund mit einbezogenen Implantate eine noch größere Stützungsfunktion und damit höhere Beanspruchung für diese Zähne hätten.
56Bei Betrachtung des OPGs vom 09.12.2002 erkenne man hier bereits am Zahn 17 mesial einen vertikalen Knocheneinbruch mit ca. 5 mm und distal von ca. 3 mm. Auch der Zahn 13 habe einen deutlich erweiterten Parodontalspalt. Insofern wäre es von der chirurgisch/prothetischen Planung besser gewesen, wenn der parodontal geschwächte Zahn 17 mit dem pathologisch veränderten PA-Spalt Zahn 13 in eine zusammenhängende Brückenkonstruktion gebracht worden wäre. Das Implantat 14 wäre dann in regio 12 gekommen und es hätte auf 6 Implantaten von regio 12 bis regio 25 eine auf gleichwertigen Implantatpfeilern verbundene Brückenkonstruktion angefertigt werden können. Dazu hätte vom Behandlerteam Dr. Dr. D. und den Beklagten eine entsprechende Aufklärung erfolgen müssen, dass diese auf einem parodontal geschädigten und mit einem PA-Spalt erweiterten Zahn versorgte Brücke nicht die gleichen Langzeiterfolge haben würde wie eine reine Implantatbrücke auf osseointegrierten Implantaten.
57Alternativ wäre bei der Planung vom Behandlerteam auch zu überlegen gewesen, ob vor Implantation die beiden mit pathologisch unterschiedlichem Ausmaß veränderten Zähne 13 und 17 extrahiert worden wären und gleichzeitig bei der Implantation durch Implantate ersetzt worden wären. Somit wäre eine rein implantatgetragene Brücke auf acht Implantaten und damit gleichwertigen Pfeilern möglich gewesen. Allerdings hätte diese Konstruktion aufgrund zweier zusätzlich zu inserierender und prothetisch zu versorgender Implantate deutlich mehr Kosten verursacht, worüber der Patient mit Hilfe von Kostenplänen natürlich hätte aufgeklärt werden müssen.
58Hier sei vom Behandlerteam Dr. Dr. D. und den Beklagten ein „alternativer Plan C“ gewählt worden. Dass heiße, es sei hier in regio 14 von Dr. Dr. D. ein Ankylos-Implantat gesetzt worden, um den parodontal geschwächten Zahn 17 mithilfe einer Verbundbrückenkonstruktion zu stützen. Das gleiche gelte für die Implantate in regio 22, 21, 11, diese Implantate sollten den PA-Spalt erweiterten Eckzahn 13 stützen und stabilisieren. Wenn möglicherweise auf Kostenersparnisgründen nach entsprechender Aufklärung so eine risikoreichere Planung gewählt werde, sei natürlich der Patient entsprechend aufzuklären, insbesondere über möglicherweise kurz- und mittelfristig anfallende Reparaturen an derartigen Verbundbrückenkonstruktionen.
59Laut Rechnung vom 22.05.2003 über 9.205,02 € sei am 22.05.2003 die streitgegenständliche Brücke eingesetzt worden.
60Am 06.12.2007 sei aus der Praxis Dres. M., V.. L. und I. zu erkennen, dass am 04.06.2006, also drei Jahre nach Eingliederung, der Zahn 13 aufgrund einer apikalen Ostitis im Notdienst bei Frau Dr. I. habe behandelt werden müssen. Das entsprechende am 13.04.2006 gemachte Röntgenbild zeige eine Sekundärkaries unter der Krone mit einer apikalen Ostitis. Daraufhin sei korrekterweise von Frau Dr. I. eine Wurzelbehandlung angefangen worden. Auf dem Kleinröntgenbild vom 16.05.2007 sei sogar zu erkennen, dass die klinische Zahnkrone von 13 nicht mehr vorhanden sei, so dass hier die Indikation für eine Extraktion mit weiter bestehender apikaler Ostitis eindeutig gegeben sei.
61Desweiteren sei von Dr. V. mit Schriftsatz vom 15.01.2008 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin festgehalten worden, dass an dem Zahn 17 zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung am 26.01.2007 in der Praxis Dr. V. bereits ein Sondierungsbefund von ca. 7 mm nachweisbar gewesen sei. Korrekterweise sei von Dr. V. der Zahn 13 entfernt worden. Auch bezüglich des Zahnes 17 sei die Prognose zum Erhalt desselben mehr als fragwürdig.
62Abschließend müsse zur Beantwortung des Fragenkomplexes festgehalten werden, dass unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung die geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung hätten einbezogen werden dürfen. Die hier gewählte Lösung sei daher nur dann medizinisch vertretbar, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung vom Arzt aufgeklärt worden sei. Die Zähne 13 und 17 als strategische Pfeiler seien eben nicht gleichwertig mit den eingebrachten Implantaten gewesen. Angesichts des Umstandes, dass die Zähne 13 und 17 parodontal vorgeschädigt gewesen seien, seien sie in keinster Weise vergleichbar gewesen mit Implantaten als Pfeiler. Es sei dabei auch Aufgabe des Hauszahnarztes gewesen, die Behandlungsalternativen mitzuteilen und die Lösung zu entwickeln.
63Bei der hier gewählten prothetischen Versorgung sei zudem erforderlich gewesen, dass die parodontale Schädigung der Zähne 13 und 17 (weiter) behandelt werde. Es sei nicht zu erkennen, dass diese Behandlung in dem erforderlichen und notwendigen Umfang durchgeführt worden sei. Eine bloße Zahnsteinentfernung reiche dafür jedenfalls nicht aus.
64Die Erhebung von Röntgenbefunden mit OPG vom 14.10.2002, 09.12.2002, 13.12.2002 und 19.04.2004 sei suffizient und ausreichend für eine präimplantologische/prothetische Neuversorgung.
65Die Beklagten hätten mit dem Eintrag vom 19.04.2004 „OPG-Kontrolle der Implantate 1 Jahr nach Eingliederung des ZE, Fremdkörper distal der Wurzel des Implantates regio 14 unverändert vorhanden, ohne Befund, kein Behandlungsbedarf, Patient beschwerdefrei“ zu erkennen gegeben, dass sie den Fremdkörper (möglicherweise Amalgamrest) auch in den vorherigen Bildern erkannt hätten. Röntgenologisch sei auf allen vier oben erwähnten OPGs kein pathologischer Befund um diesen Fremdkörper herum zu erkennen.
66Natürlich hätte bei Implantatinsertion in der entsprechenden regio der Fremdkörper mit entfernt werden können. Jedoch wäre dann weiteres Knochenersatzmaterial und eine entsprechende Membran notwendig gewesen, um den entstandenen Knochendefekt nach Entfernung des Fremdkörpers wiederum aufzufüllen. Wenn ein Fremdkörper unter ständiger röntgenologischer Beobachtung keinerlei Veränderungen zeige, wie im vorliegenden Fall, sei es nicht unbedingt behandlungsfehlerhaft, denselbigen nicht zu entfernen. Trotzdem wäre es aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Implantat 14 medizinisch sinnvoll gewesen, diesen während der Implantatinsertion auszufräsen und zeitgleich aufzufüllen. Somit wäre dann auch die mögliche zukünftige Gefahr einer späteren Infektion des Fremdkörpers mit Überschreiten auf das Implantat nicht mehr vorhanden gewesen.
67Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten sei hier demnach darin zu sehen, dass die Beklagten das höhere Risiko durch die damit verbundene Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet hätten.
68Die Implantate seien bei der gutachterlichen Befundung am 29.03.2011 laut OPG-Röntgenbefund im Knochen gut verankert gewesen. Sie könnten weiter verwendet werden. Der Zahn 13 sei korrekterweise von Dr. V. entfernt worden. Der Zahn 17 müsse bei weiter bestehender Knochentasche von ca. 7 mm kurz- bis mittelfristig entfernt werden.
69Bezüglich der Neuversorgung sei auszuführen, dass das von Dr. V. gewählte Langzeitprovisorium von 21 – 26 und 11 – 17 mit Trennung in der Mitte medizinisch notwendig geworden sei nach korrekter Extraktion des Zahnes 13. Die voraussichtlichen Gesamtkosten von ca. 3.770,72 € seien für den nunmehr dreijährigen Sitz des Langzeitprovisoriums angemessen und gerechtfertigt. Bei der definitiven Neuversorgung müssten zwei weitere Implantate in regio 13 und 15/16 bei gleichzeitiger Entfernung des Fremdkörpers inseriert werden.
70Naturgemäß träten schließlich nach einer chirurgischen Operation Schmerzen auf, die hier aber nicht in einem außergewöhnlichen Umfang aufgetreten seien.
71Die Kammer folgt den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde nicht zu zweifeln ist. Dr. Q. hat seinem Gutachten alle vorhandenen Krankenunterlagen einschließlich der Ergebnisse bildgebender Untersuchungsverfahren sowie die Befunde einer eigenen Untersuchung der Klägerin zugrunde gelegt, die er am 29.03.2011 durchgeführt hat. Aus den damit vollständig ermittelten Befund- und Anknüpfungstatsachen hat unter verständiger Darlegung der zahnmedizinischen Vorgaben in jeder Hinsicht nachvollziehbare und widerspruchsfreie Schlussfolgerungen gezogen.
72Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch demnach auf Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) stützen.
73Die Abutments sind - unabhängig davon, ob es sich um gerade oder ungerade Abutments handelt – zu stark angeschliffen worden. Der Grund dafür liegt entweder in einer falschen Bissnahme durch die Beklagte zu 1) oder in einer nachfolgend falschen Einartikulierung durch das Dentallabor. Folge dieses Fehlers ist, dass nunmehr eine Neuanfertigung der Prothetik erforderlich ist.
74Die Beklagte zu 1) hat hier für die fehlerhaften Abutments auch dann einzustehen, wenn sie Folge einer fehlerhaften Einartikulierung durch das Dentallabor sind. Auch im Falle mangelhafter zahntechnischer Leistungen haftet allein der Zahnarzt dem Patienten auf Schadensersatz (vgl. Heidemann, Haftpflichtrecht für Zahnärzte, S. 109/110), so dass sich Schadensersatzansprüche der Klägerin unabhängig davon gegen die Beklagten richten, ob die Ursache für die zu stark angeschliffenen Abutments von ihnen oder später vom Dentallabor gesetzt worden ist.
75Weiter fehlerhaft war die Einbeziehung der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 in die Brückenkonstruktion. Das damit verbundene erhöhte Risiko für kurz- und mittelfristig anfallende Reparaturen (an der Brücke) hat sich anschließend verwirklicht, als der Zahn 13 wegen einer apikalen Ostitis extrahiert werden musste. Die von den Beklagten gewählte Versorgung hat daher nicht dem fachzahnärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war sie allenfalls dann eine medizinisch noch vertretbare Lösung, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung aufgeklärt worden ist. Ein solche Aufklärung aber haben die Beklagten nicht dargelegt.
76Die Beklagten haben sich zunächst auf die bloße und ohne jede Substanz vorgetragene Behauptung beschränkt, die Klägerin sei „umfassend aufgeklärt“ worden, soweit diese Aufklärung nicht ohnehin durch den Streitverkündeten zu leisten gewesen sei bzw. geleistet worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte zu 1) dann dargestellt, dass sie davon ausgehe, mit der Klägerin besprochen zu haben, dass in die Behandlung einkalkuliert worden sei, dass die eigenen Zähne eher gehen als die Implantate. Selbst eine solche Erläuterung genügt den bestehenden Anforderungen indes nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war es vielmehr schon aus medizinischen Gründen erforderlich, der Klägerin eindrücklich vor Augen zu führen, dass die eigenen Zähne als strategische Pfeiler in keinster Weise mit Implantaten zu vergleichen seien und deshalb eine Prothese möglicherweise nur zwei Jahre halten werde. Eine solche Aufklärung aber ergibt sich weder aus der Dokumentation der Beklagten noch aus der Erklärung der Beklagten zu 1), man habe pauschal kalkuliert, dass die eigenen Zähne eher gehen würden.
77Es entlastet die Beklagten dabei auch nicht, dass sie von einer Aufklärung durch den Streithelfer Dr. Dr. D. ausgegangen sein mögen. Auch hilft es der Beklagten zu 1) nicht, dass sie erst ab dem 30.11.2002 in der Praxis des Beklagten zu 2) beschäftigt war.
78Die Übernahme der Aufklärungspflicht durch einen anderen Arzt entlastet den behandelnden Arzt (noch) nicht von der auf einem Aufklärungsversäumnis beruhenden Haftung. Zwar kann die Haftung des Behandlers mangels Verschulden entfallen, wenn er – ohne, dass dieser Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht – eine Einwilligung des Patienten angenommen hat. Das aber ist nur der Fall, wenn der nicht selbst aufklärende Arzt durch geeignete organisatorische Maßnahmen und Kontrollen sichergestellt hat, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den damit betrauten Arzt gewährleistet ist. An die Kontrollpflicht des behandelnden Arztes, der einem anderen Arzt die Aufklärung überlässt, sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. In einem Arzthaftungsprozess muss er deshalb darlegen, ob er sich etwa in einem Gespräch mit dem Patienten über dessen ordnungsgemäße Aufklärung und/oder durch einen Blick in die Krankenakte vom Vorhandensein einer von Patient und aufklärendem Arzt unterzeichneten Einverständniserklärung vergewissert hat, dass eine für einen medizinischen Laien verständliche Aufklärung erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2006, VI ZR 206/05). Diese Voraussetzungen aber haben die Beklagten mit ihrem bloßen Verweis auf eine etwaig durch den Streithelfer erfolgte Aufklärung ebenfalls nicht dargelegt.
79Folge der dargestellten Behandlungsfehler ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Langzeitprovisorium sowie anschließend eine definitive Neuversorgung.
80Bei dieser Sachlage kann die Klägerin von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € beanspruchen.
81Der Bemessung dieses Betrages hat die Kammer zugrunde gelegt, dass die Klägerin im Jahr 2007 mit einem Langzeitprovisorium versorgt werden musste, wobei sie indes nach den Feststellungen des Sachverständigen keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten hat. Weiter abzugelten sind zudem die mit der Neuversorgung verbundenen Beeinträchtigungen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 17.02.2010 – 5 U 156/09: 4.000,00 € für Behandlungsfehler beim Einsatz von Zahnimplantaten mit der Folge von Kieferknochenrückbildung und späterer Implantatentfernung mit allen damit verbundenen erneuten Beeinträchtigungen).
82II.
83Aufgrund der festgestellten Behandlungsfehler kommt es nicht mehr darauf an, ob und inwieweit die Beklagten der Klägerin auch aufgrund eines (weitergehenden) Aufklärungsversäumnisses zum Schadensersatz verpflichtet sind. Etwaig daraus resultierende Ansprüche der Klägerin gehen jedenfalls nicht über die Ansprüche hinaus, die ihr bereits wegen der fehlerhaft durchgeführten Behandlung zustehen.
84III.
85Neben einem Schmerzensgeld kann die Klägerin weiter den Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 3.987,32 € verlangen.
86Die Beklagten sind der Klägerin – wie ausgeführt – dem Grunde nach zum Ersatz aller aus den Fehlbehandlung entstandenen Schäden verpflichtet. Dazu zählen zunächst die für die Nachbehandlung bisher allein bezifferten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angemessenen Kosten für das Langzeitprovisorium in Höhe von 3.770,72 € (vgl. den von Dr. V. erstellten Heil- und Kostenplan vom 21.06.2007).
87Die Klägerin kann weiter den Ersatz der Fahrtkosten verlangen, die ihr aufgrund der notwendigen Nachbehandlung entstanden sind. Der Höhe nach bemisst die Kammer diese Kosten auf Grundlage der Aufstellung der Klägerin nach § 287 ZPO auf die geltend gemachten 216,60 €.
88IV.
89Die Klägerin kann weiter die Feststellung verlangen, dass ihr die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz sämtlicher materiellen und derzeit nicht voraussehbaren immateriellen Schäden verpflichtet sind, die ihr aus der fehlerhaften Behandlung zukünftig noch entstehen werden.
90Es steht zu erwarten, dass der Klägerin etwa aufgrund der zusätzlich erforderlichen Behandlungen noch weitere materielle Schäden entstehen oder bereits entstanden sind. Auch ist ohne weiteres denkbar, dass ihr in Zukunft noch immaterielle Schäden entstehen, die – weil sie derzeit noch nicht voraussehbar sind – bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt werden konnten. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes waren zukünftige voraussehbare immaterielle Schäden der Klägerin demgegenüber schon in die Bemessung des ausgeurteilten Schmerzensgeldes einzustellen, so dass sie nun nicht mehr zusätzlich in den Feststellungstenor aufgenommen werden können.
91V.
92Die Klägerin kann aus den §§ 280 I, 278, 421 BGB und den §§ 823 I, 831, 840 BGB schließlich noch den Ersatz ihrer nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten verlangen, die Teil ihres materiellen Schadens sind. Bei einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 4.000,00 €, einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 3.987,32 € sowie einem überwiegend begründeten Feststellungsantrag belaufen sie sich bei einem dann anzunehmenden Gesamtwert von 10.500,00 € der Höhe nach auf insgesamt 1.275,68 €, wobei allein eine 2,0 Geschäftsgebühr (noch) billigem Ermessen nach § 14 I 4 RVG entspricht:
932,0 Geschäftsgebühr, §§ 2, 13, 14, VV Nr. 2300 RVG 1.052,00 €
94Auslagenpauschale, VV Nr. 7002 RVG 20,00 €
951.072,00 €
9619% MwSt., VV Nr. 7008 RVG 203,68 €
971.275,68 €
98Die Klägerin kann dabei die Zahlung ihrer außergerichtlichen Anwaltskosten auch dann verlangen, wenn sie selbst ihre Prozessbevollmächtige noch nicht bezahlt hat. Da die Beklagten jedes Schadensersatzverlangen zurückgewiesen haben, ist die Klägerin selbst in diesem Fall nicht auf einen (bloßen) Freistellungsanspruch zu verweisen (vgl. OLG Hamm, MMR 2013, 171).
99VI.
100Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 BGB, da die Klägerin einen weitergehenden Anlageschaden nicht schlüssig dargelegt hat.
101Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 I, 101, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung von den Beklagten aus übergegangenem Recht die Erstattung von Aufwendungen , die sie für ihre Versicherte A. R. erbracht hat.
- 2
- Die damals 19-jährige Versicherte hatte sich am 28. Januar 2000 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus die Mandeln entfernen lassen. Am 4. und 5. Februar 2000 traten Nachblutungen auf, weshalb der zuständige Oberarzt Dr. R. am 5. Februar 2000 um 10.00 Uhr eine umgehende Nachoperation zur Blutstillung anordnete. Gegen 11.15 Uhr wurde die nicht nüchterne, adipöse Patientin Blut spuckend in den Operationssaal gebracht.
schen 29 und 55 %. Gegen 12.10 Uhr wurde der 6,0-Tubus durch einen 8,0Tubus ersetzt. Danach lagen die Werte zwischen 62 und 74 %. Erst nachdem die Patientin um 12.25 Uhr durch die Beklagte zu 2, Dr. M. und den in der Zwischenzeit hinzugekommenen diensthabenden Oberarzt Dr. D. bronchoskopiert worden war, bewegte sich die Sauerstoffsättigung zwischen 63 und 98 %. Nach einer um 13.00 Uhr durchgeführten Tracheotomie war die Sauerstoffsättigung wieder im Normbereich. Im Anschluss an die Operation zeigte sich bei der Patientin ein schweres neurologisches Defizit mit Vigilanzstörungen, epileptischen Anfällen und posthypoxischen Myoklonien. Sie leidet unter hypoxiebedingten Hirnfunktionsstörungen und ist als Patientin der Pflegestufe 3 anerkannt.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Berufung gegen die Beklagte zu 2 hat die Klägerin zurückgenommen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen die Beklagte zu 1 weiter.
I.
- 4
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 zu. Das Behandlungsgeschehen von Beginn der Anästhesie bis zur Koniotomie sei als fachgerecht und fehlerfrei zu beurteilen. Es sei insbesondere nicht fehlerhaft gewesen, dass die Beklagte zu 2 die Narkose eingeleitet habe, obwohl weder ein zweiter Anästhesist noch der Operateur im Operationssaal anwesend gewesen seien. Zwar habe es sich um eine ausgesprochene Risikokonstellation gehandelt, da die Patientin adipös und nicht nüchtern gewesen und wegen der Blutansammlung im Nasen-Rachen-Raum mit unübersichtlichen Verhältnissen zu rechnen gewesen sei. Nach dem in Deutschland geltenden Standard müsse jedoch auch in einer solchen Risikokonstellation kein zweiter Anästhesist anwesend sein. Der Operateur sei nur wenige Meter entfernt im OP-Trakt gewesen, so dass mit seiner Anwesenheit bei Bedarf habe gerechnet werden können. Die Beklagte zu 2 habe von einer ausreichenden Präoxygenierung der Patientin ausgehen dürfen, auch wenn die Maske bei der permanent Blut spuckenden Patientin immer wieder habe abgenommen werden müssen. Der erste Intubationsversuch sei fachgerecht durchgeführt worden. Auch die Schritte zwischen dem ersten und dem zweiten Intubationsversuch sowie die Vornahme eines zweiten Intubationsversuchs seien nicht zu beanstanden. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. wäre auch in seiner Klinik niemand auf die Idee gekommen, nach einer ersten fehlgeschlagenen Intubation sofort eine Koniotomie durchzuführen, selbst wenn eine akute Blutung aufgetreten, Blut erbrochen worden und die Sauerstoffsättigung stark abgefallen sei. Trotz der vorangegangenen Probleme habe die erhebliche Chance bestanden, dass die zweite Intubation glücke und die Sauerstoffversorgung für die Patientin schnell verbessert werden könne. Auch im Zusammenhang mit der Durchführung der Koniotomie seien Behandlungsfehler nicht festzustellen.
- 5
- Behandlungsfehlerhaft sei es allerdings gewesen, dass die Bronchoskopie erst ca. 45 Minuten nach der Koniotomie durchgeführt worden sei und der 6,0-Tubus erst nach ca. 25 Minuten durch einen 8,0-Tubus ersetzt worden sei. Angesichts der anhaltenden Probleme beim Absaugen zahlreicher größerer Blutkoagel sei es fachlich geboten gewesen, nach einer kürzeren Zeit einen Austausch der Tuben vorzunehmen. Wegen der anhaltend schlechten Sättigungswerte hätte jedenfalls ab 11.50 Uhr ein Bronchoskop eingesetzt werden müssen. Hiermit habe man sich einen besseren Überblick über das Ausmaß und die Lokalisation der Koagel verschaffen und gezielter arbeiten können. Diese Behandlungsfehler seien aber nicht als grob zu bewerten. Zwar hätten sowohl Prof. Dr. P. als auch Prof. Dr. R. im Zusammenhang mit dem festgestellten Fehlverhalten der Ärzte den Begriff "unverständlich" verwendet. Prof. Dr. P. habe seine Einschätzung aber später relativiert und erklärt, es sei völlig normal, dass der Anästhesist in der Situation zunächst versucht habe, abzusaugen. Auch Prof. Dr. R. habe einen groben, schlechterdings unverständlichen Fehler verneint. Bei der Patientin sei nämlich eine äußerst dramatische und schwierige Komplikation aufgetreten. Die richtige Vorgehensweise in dieser Situation werde in keinem Lehrbuch und in keiner Handlungsanweisung näher beschrieben. Da es keine klaren und feststehenden Vorgaben dazu gebe, wie in einer Situation wie der vorliegend aufgetretenen vorzugehen sei, fehle es an einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, wie schwierig und außergewöhnlich die Bewältigung der eingetretenen Komplikation im konkreten Fall gewesen sei. Die Ärzte hätten die gebotenen und nahe liegenden Maßnahmen ergriffen, indem sie versucht hätten, das zentrale Problem der Blockade der Atemwege durch intensives Absaugen, Abhören und Einsatz ver- schiedener Beatmungsmittel zu bewältigen. Ohne zu wissen, wann die Verbesserung der Sättigungswerte gelinge, hätten sie abwägen müssen, wie lange sie eine bestimmte Problemlösung versuchen sollten und wann sie einen Tubenwechsel bzw. den Einsatz des Bronchoskops wagten. Auch wenn die Zeitabschnitte betreffend den Tubenwechsel und die Bronchoskopie für sich genommen sehr lang erschienen, sei die Fehleinschätzung der Ärzte zur Frage des richtigen Zeitpunkts beider Maßnahmen nicht als Fehler anzusehen, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheine, weil er einem Facharzt in der konkreten Situation schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Den Beweis, dass die festgestellten Behandlungsfehler kausal für die gesundheitlichen Schäden der Patientin gewesen seien, habe die Klägerin nicht geführt.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht den verspäteten Austausch des 6,0-Tubus durch einen 8,0-Tubus und die Verzögerung der Bronchoskopie nicht als grobe, sondern als einfache Behandlungsfehler eingestuft und deshalb eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit dieses Fehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden der Versicherten verneint hat.
- 8
- a) Zwar richtet sich die Bewertung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls, deren Würdigung weitgehend im tatrichterlichen Bereich liegt. Revisionsrechtlich ist jedoch sowohl nachzuprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt, als auch, ob es bei der Gewichtung dieses Fehlers erhebli- chen Prozessstoff außer Betracht gelassen oder verfahrensfehlerhaft gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1027; vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 24; vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267 Rn. 8).
- 9
- b) Ein solcher Rechtsfehler ist hier gegeben.
- 10
- aa) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Behandlungsfehler nur dann als grob zu bewerten ist, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (Senatsurteile vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 53; vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 25; vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267 Rn. 15; Beschluss vom 22. September 2009 - VI ZR 32/09, VersR 2010, 72 Rn. 6).
- 11
- bb) Soweit das Berufungsgericht jedoch weiter meint, ein Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse komme nur dann in Betracht, wenn es für den konkreten Einzelfall klare und feststehende Vorgaben bzw. Handlungsanweisungen gebe, steht dies mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht im Einklang. Gesicherte medizinische Erkenntnisse, deren Missachtung einen Behandlungsfehler als grob erscheinen lassen kann, sind nicht nur die Erkenntnisse, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen gefunden haben. Hierzu zählen vielmehr auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84, VersR 1986, 366, 367; vom 8. Februar 2000 - VI ZR 325/98, VersR 2000, 1107, 1108; Senatsbeschlüsse vom 9. Juni 2009 - VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406 Rn. 11 und - VI ZR 138/08, VersR 2009, 1405 Rn. 3, 6, 8; Gerda Müller, VersR 2009, 1145, 1148; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., B Rn. 252; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht , 11. Auf., Rn. 640, jeweils mwN.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/ Lipp, Arztrecht, 6. Aufl., XI Rn. 60). Wie die Revision unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. mit Recht geltend macht, gehört hierzu auch der Grundsatz, dass ein Anästhesist bei jeder seiner Handlungen sicherzustellen hat, dass das Sauerstoffangebot den Sauerstoffbedarf des Patienten deckt, da die oberste Richtschnur bei Durchführung einer Anästhesie stets die optimale Sauerstoffversorgung des Patienten ist.
- 12
- c) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des Falles gelangt wäre, wenn es diese Grundsätze berücksichtigt hätte. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten ausgeführt, nach der Koniotomie sei es zu einer weiteren sehr lang anhaltenden Phase von mindestens 40 Minuten der schwersten Hypoxie gekommen. In der für die Patientin lebensbedrohlichen Situation sei es darum gegangen, die Blutkoageln, die die Atemwege verlegt hätten, "schnellst möglich" zu entfernen. Vor diesem Hintergrund hat es der Sachverständige mehrfach als "unverständlich" bzw. "völlig unverständlich" bezeichnet, dass der Wechsel auf einen größeren Tubus erst 25 Minuten und die Bronchoskopie erst 45 Minuten nach der Koniotomie erfolgt seien. Er hat die Fehler in der Gesamtbetrachtung letztlich nur deshalb als "nicht vollkommen unverständlich" bewertet, weil er weder Leitlinien noch wissenschaftliche Veröffentlichungen kenne, die Handlungsrichtlinien für einen solchen Sachverhalt enthielten, und man den erstmals mit einer solchen Situation konfrontierten Ärzten deshalb subjektiv nicht den Vorwurf machen könne, dass ihre Handlungsweise vollkommen unverständlich sei. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit kommt es aber nicht an. Die Annahme einer Beweislastumkehr nach einem groben Behandlungsfehler ist keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden, sondern knüpft daran an, dass die Aufklärung des Behandlungsgeschehens wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt nach Treu und Glauben dem Patienten den Kausalitätsbeweis nicht zumuten kann (vgl. Senatsurteile vom 26. November 1991 - VI ZR 389/90, VersR 1992, 238, 239; vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 25; vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267, 1268; vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 24/09, VersR 2009, 1668, 1670; vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, VersR 2010, 627 Rn. 18). Erforderlich aber auch genügend ist deshalb ein Fehlverhalten, das nicht aus subjektiven, in der Person des handelnden Arztes liegenden Gründen, sondern aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1991 - VI ZR 389/90, VersR 1992, 238, 239).
- 13
- 2. Das Berufungsurteil war allein aus diesem Grund aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich gegebenenfalls auch mit den weiteren Einwänden der Revision - insbesondere zur Fehlerhaftigkeit der Vornahme eines zweiten Intubationsversuchs - zu befassen und zu prüfen, ob die Häufung mehrerer an sich nicht grober Fehler die Behandlung insgesamt als grob fehlerhaft erscheinen lässt (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 303 f.; vom 29. Mai 2001 - VI ZR 120/00, VersR 2001, 1030, 1031; Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406, 1407).
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.02.2006 - 9 O 22942/03 -
OLG München, Entscheidung vom 22.01.2009 - 1 U 2357/06 -
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.