Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Apr. 2014 - 14 U 10/14

bei uns veröffentlicht am28.04.2014

Tenor

Der Senat weist auf Folgendes hin:

1. Zu Recht dürfte das Landgericht die auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen haben.

Zwar besteht ein Feststellungsinteresse grundsätzlich auch zum Zwecke der Hemmung der Verjährung, wenn künftige Schadensfolgen möglich sind, es sei denn, die Beklagtenseite hat ihre Haftung anerkannt und auf die Verjährungseinrede verzichtet. Derartige künftige Schadensfolgen wären in der vorliegenden Konstellation aber nur denkbar, wenn der Kläger, der bislang den aus dem Verkehrsunfall vom 31.03.2010 resultierenden Fahrzeugschaden fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet hat, tatsächlich beabsichtigt, das Fahrzeug noch reparieren zu lassen und hierbei Kosten anfallen, die die von seinem Gutachter auf Basis der Verrechnungssätze einer Markenwerkstatt berechneten Netto-Reparaturkosten übersteigen. Für eine solche Absicht fehlt es aber an jeglichem Vortrag.

2. Dem Kläger dürfte auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühr für die Einholung einer Deckungszusage nicht zustehen.

Rechtsanwaltskosten, die der Geschädigte im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage seines Rechtsschutzversicherers verursacht hat, sind nur zu erstatten, wenn sie aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2012, 919).

Bevor der Klägervertreter mit Schreiben vom 04.05.10 (Anlage K 4) eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung des Klägers eingeholt hat, hatte er sich bereits für den Kläger gegenüber der Beklagten aufgrund des zuvor ihm erteilten Auftrages legitimiert und ein Anspruchsschreiben gefertigt (Anlage K 2). Die für die Erteilung der Deckungszusage maßgeblichen Gesichtspunkte ergaben sich dabei bereits aus dem Anspruchsschreiben, was sich schon daraus ergibt, dass der Klägervertreter zur Begründung im Schreiben gegenüber der Rechtsschutzversicherung auch nur das Anspruchsschreiben in Kopie beigefügt hat. Bei einer solchen Sachlage ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht erforderlich. Es ist dem Geschädigten in aller Regel zuzumuten, mit Hilfe des bereits gefertigten Anspruchsschreibens die Rechtsschutzversicherung selbst um Erteilung einer Deckungszusage zu ersuchen (vgl. BGH NJW 2012, 919).

3. Auch dürfte ein Anspruch auf Erstattung der Auslagen für die Akteneinsicht mit der Begründung des Landgerichts mangels Erforderlichkeit nicht bestehen.

4. Die Entscheidung des Landgerichts zu den im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung der Parteien stehenden restlichen fiktiven Reparaturkosten und der Verweisungsmöglichkeit auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit begegnet indes Bedenken.

a. Diese Bedenken ergeben sich allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte ihn, den Kläger, erst nach Klagerhebung auf günstigere Reparaturmöglichkeiten verwiesen hat. Wie der BGH in seinem Urteil vom 14. 5. 2013 - VI ZR 320/12 festgestellt hat, kann eine solche Verweisung auch noch im Rechtsstreit erfolgen, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegen stehen. Die Beklagte hat aber bereits in der Klagerwiderung vom 28.07.2010 auf die drei angeblich günstigeren Reparaturmöglichkeiten hingewiesen, so dass prozessuale Gründe einer Verweisung nicht entgegenstehen. Dass das zitierte Urteil des BGH im Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht bekannt war, ist entgegen der wohl von dem Kläger mit der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung rechtlich unerheblich, da die Entscheidung des BGH die Rechtslage nur festgestellt, nicht aber erst begründet hat.

b. Soweit das Landgericht nach Beweisaufnahme allerdings zu der Feststellung gelangt ist, bei der Fa … GmbH handele es sich um eine hinreichend qualifizierte Werkstatt mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen, so dass dem Kläger nur die auf der Grundlage der behaupteten Stundenverrechnungssätze der Fa … GmbH berechneten Reparaturkosten zustünden, beruht diese Entscheidung bereits auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Hinsichtlich der Höhe der Stundenverrechnungssätze berücksichtigt das Landgericht nämlich die von der Nachfolgefirma … GmbH & Co KG als Reaktion auf die Ladung des Zeugen … eingereichte Preisübersicht der Fa. ... ebenso wenig wie das Beweisangebot des Klägers zu der Behauptung, der Klägervertreter habe bei der Fa. … angerufen und hierbei höhere Stundenverrechnungssätze genannt erhalten. Keine Erwähnung findet schließlich der Umstand, dass der hierzu vernommene Zeuge … zunächst mitgeteilt hat, dass die von ihm genannten Stundenverrechnungssätze ausschließlich Versicherungen eingeräumt würden und erst auf Nachfrage seiner ursprünglichen Aussage widersprechend erklärt hat, dass das Unternehmen seinerzeit auch für Privatkunden mit den gleichen Konditionen gearbeitet habe. Auffällig ist auch, dass die Inhaber der beiden weiteren freien Werkstätten ebenfalls höhere als von der Beklagten behauptete Stundenverrechnungssätze in ihren schriftlichen Zeugenaussagen angegeben haben.

Die Feststellungen zur Gleichwertigkeit der Qualität der Fa … sind ebenfalls nicht ausreichend. Die hierzu von der Beklagten aufgestellten Behauptungen sind von dem Kläger bestritten worden. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass die protokollierte Aussage des Zeugen … insoweit den Nachweis der Gleichwertigkeit nicht hat erbringen können. Insbesondere ist die in der Klagerwiderung aufgestellte Behauptung des Beklagten, die Firma gehöre den Eurogarant-Fachbetrieben an, deren Qualitätsstandard zweimal pro Jahr durch Überprüfung einer vollständigen Unfallinstandsetzung von TÜV oder DEKRA kontrolliert werde, nicht bestätigt worden. Ob ein von Beklagtenseite angebotenes Gleichwertigkeitsgutachten den erforderlichen Nachweis noch wird erbringen können, dürfte im Hinblick darauf, dass die Firma … GmbH ihre Tätigkeit bereits vor längerer Zeit eingestellt hat, zweifelhaft sein.

Vor dem Hintergrund der spontanen Aussage des Zeugen …, die Fa. … habe ausschließlich für Versicherungen gearbeitet, hält der Senat die Fa. … GmbH allerdings ohnehin nicht für eine geeignete Verweisungswerkstatt. Im Schadensersatzrecht anerkannt ist, dass der Geschädigte im Falle einer Sachbeschädigung von dem Schädiger statt der Herstellung den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zweck dieser Regelung ist, dass der Geschädigte das verletzte Rechtsgut nicht dem Schädiger zur Wiederherstellung anvertrauen sollen muss (Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage zu § 249 Rd. 357). Der Geschädigte ist Herr des Restitutionsgeschehens und darf grundsätzlich selbst bestimmen, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (BGH NJW 2010, 606). Die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis, die ihm die Möglichkeit der Schadenbehebung in eigener Regie eröffnet, würde nicht nur dann unterlaufen werden, wenn er sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen müsste (so BGH NJW 2010, 606), sondern auch dann, wenn er sich auf die Konditionen von Werkstätten verweisen lassen müsste, die nahezu ausschließlich im Rahmen von Vereinbarungen für Haftpflichtversicherer tätig werden, auch wenn diese Werkstatt vereinzelt auch für Privatauftraggeber nach den gleichen Konditionen tätig wird. Auch in diesen Fällen handelt es sich bei den Verrechnungssätzen der nahezu ausschließlich für Versicherungen tätigen Werkstätten nicht um marktübliche Preise, sondern um Konditionen, die allein vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit den Versicherungen sich unter Marktniveau bewegen.

Auch die Fa. … kommt nach Auffassung des Senats als Verweisungswerkstatt nach der schriftlichen Zeugenaussage des Inhabers nicht in Betracht. Als Qualitätsmerkmal ist allein die Mitgliedschaft im Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik genannt. Die von Beklagtenseite behauptete Zugehörigkeit zu den zweimal jährlich überprüften Eurogarant-Fachbetrieben ist von dem Zeugen … dagegen verneint worden.

Es bleibt die dritte von der Beklagten genannte Verweisungswerkstatt …. Auf der Grundlage der schriftlichen Zeugenaussage des Inhabers dieser Werkstatt, insbesondere des der Aussage beigefügten -im Auftrag der Allianz Versicherung AG (!) - erstellten Gutachtens, spricht zwar durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine qualitative Gleichwertigkeit. Auch der Zeuge … gibt allerdings höhere als von der Beklagten behauptete Verrechnungssätze an.

Darüber hinaus bestätigt der Zeuge … eine Vereinbarung über eine Kooperation und über Stundenverrechnungssätze mit zahlreichen Versicherern, auch der Beklagten, und einem Schadenssteuerer. Derzeit ist offen, ob und in welchem Umfang die Preiskalkulation der Werkstatt durch die Kooperation mit den Versicherern beeinflusst ist. Besteht ein solcher und nicht nur unwesentlicher Einfluss, würde ein Sondertarif vorliegen, auf den sich der Geschädigte nach dem oben Gesagten nicht verweisen lassen muss. Nicht entscheidungserheblich ist, ob innerhalb desselben Betriebes unterschiedliche Preise existieren, etwa für "Versicherungskunden" oder "normale" Privatkunden; dies zeigt sich etwa für Fälle, in denen ausschließlich für Versicherer repariert wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 BGB Herr des Restitutionsgeschehens ist und nicht nur die sich daraus ergebende Befugnis unterlaufen würde, wenn die Versicherung dem Geschädigten ihr genehme und mit ihr vertraglich verbundene Werkstätten zuweisen dürfte. Vielmehr erscheint es dem Geschädigten auch nicht als zumutbar im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB, auf eine Werkstatt verwiesen zu werden, die im Lager der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung zu stehen scheint. Darlegungs- und beweisbelastet ist die Beklagte.

Vor diesem Hintergrund sowie den noch offenen tatsächlichen Fragen schlägt das Gericht den Parteien einen Vergleich dahingehend vor, dass die Beklagte sich verpflichtet, an den Kläger 70 % des streitigen Sachschadens von € 2031,37, mithin € 1.421,95 bei Kostenaufhebung zu zahlen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.

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Gutachten: Recht auf Schadengutachten erst recht bei altem Fahrzeug

27.08.2014

Bei einem Fahrzeug, dessen Wiederbeschaffungswert niedrig ist, ist ein Schadengutachten erforderlich, um erkennen zu können, ob eine Reparatur noch lohnt.
andere
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem
Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Apr. 2014 - 14 U 10/14 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

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Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Apr. 2014 - 14 U 10/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2013 - VI ZR 320/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 320/12 Verkündet am: 14. Mai 2013 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 320/12 Verkündet am:
14. Mai 2013
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten kann der Verweis
des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und
ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt
noch im Rechtsstreit erfolgen, soweit dem nicht prozessuale Gründe,
wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 320/12 - LG Bremen
AG Bremerhaven
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner sowie die Richterinnen Diederichsen und von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 31. Mai 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall den ihm entstandenen Fahrzeugschaden geltend. Der beklagte Versicherer ist unstreitig eintrittspflichtig. Der Kläger hat eine Reparatur in Eigenregie durchgeführt. Er hat den Schaden gegenüber der Beklagten fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet. Die Beklagte hat den Schadensbetrag aufgrund eines eigenen Prüfgutachtens um 1.197,22 € gekürzt (davon entfallen 107,40 € auf fiktive Verbringungskosten). Vorprozessual hat sie den Kläger auf günstigere Stundenverrechnungssätze von Referenzwerkstätten verwiesen, ohne diese konkret zu benennen. In erster Instanz hat sie sodann konkrete Werkstätten benannt, die unstreitig zu den von der Beklagten angesetzten Kosten repariert hätten.
2
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger noch im vorliegenden Rechtsstreit auf die preisgünstigeren Referenzwerkstätten verwiesen werden konnte, ferner über die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten fiktiven Verbringungskosten.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Verweisung des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers auf kostengünstigere Referenzwerkstätten im Fall der fiktiven Schadensabrechnung noch im Rechtsstreit möglich. Eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten sei weder im Allgemeinen ersichtlich noch im vorliegenden Fall vorgetragen. Der Kläger trage bereits nicht vor, dass er sich bei einem Hinweis der Beklagten zu einem vor Durchführung der Reparatur gelegenen Zeitpunkt zu einem abweichenden Vorgehen bei der Schadensbehebung entschieden hätte.
5
Der Anspruch auf fiktive Verbringungskosten bestehe bereits deshalb nicht, weil der Kläger dazu weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren substantiiert vorgetragen habe.

II.

6
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
7
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Schädiger den Geschädigten , der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, ist nicht zu beanstanden.
8
a) Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 - Porsche-Urteil; vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f. - VW-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 - Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6 - Mercedes-A 170-Urteil). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. März 1976 - VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder "freien" Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt un- zumutbar machen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, aaO Rn. 12 ff. - VW-Urteil; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11 - BMW-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 - Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7 - Mercedes-A 170-Urteil; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 7 - Mercedes-A 140-Urteil).
9
b) Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Vertreten wird etwa, der KfzHaftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen (z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 27. Juli 2010 - 7 U 51/08, juris Rn. 18). Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (LG Frankfurt, Urteil vom 19. Januar 2011 - 2-16 S 121/10, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 19. Juli 2010 - 4 S 48/10, juris Rn. 14; AG Flensburg, Urteil vom 8. Januar 2013 - 62 C 131/12, juris Rn. 8 ff.; AG Nordhorn, Urteil vom 19. Juni 2012 - 3 C 1596/11, juris Rn. 28 ff.). Die Möglichkeit , erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall (vgl. LG Kiel, Urteil vom 25. November 2011 - 1 S 37/11, juris Rn. 23 ff.; LG Frankenthal, Urteil vom 7. März 2012 - 2 S 180/11, juris Rn. 7 ff.; AG Hechingen, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 416/11, juris Rn. 16 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 - I-1 U 246/07, DAR 2008, 523, 525; Nugel, jurisPR-VerkR 18/2008 Anm. 1).
10
c) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der Verweis noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften , entgegenstehen.
11
Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.
12
2. Die Revision greift das Berufungsurteil hinsichtlich der fiktiven Verbringungskosten nur mit grundsätzlichen Erwägungen an. Damit kann sie keinen Erfolg haben.
13
Sie stellt das Berufungsurteil nicht in Frage, soweit dort ausgeführt ist, der Kläger habe zu den Verbringungskosten in den Tatsacheninstanzen nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen. Ohne Erfolg macht sie geltend, der Kläger habe auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags gemäß § 139 ZPO hingewiesen werden müssen. Die Beklagte hatte bereits in der Klageerwiderung zu den Verbringungskosten vorgetragen. Im Hinblick darauf und auf die aufgrund zahlreicher Fundstellen ersichtliche Rechtslage (vgl. etwa OLG Düsseldorf , Urteil vom 16. Juni 2008 - 1 U 246/07, DAR 2008, 523, 526; Urteil vom 6. März 2012 - 1 U 108/11, Schaden-Praxis 2012, 324, 325; LG Kiel, Urteil vom 15. Februar 2010 - 1 S 107/09, DAR 2010, 270; LG Dortmund, Urteil vom 28. November 2008 - 17 S 68/08, ZfS 2009, 265, 266; AG Ansbach, Urteil vom 15. Juni 2009 - 2 C 1085/08, Schaden-Praxis 2010, 190; AG Nürnberg, Urteil vom 24. Juli 2009 - 35 C 785/09, Schaden-Praxis 2010, 190; MünchKomm BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 372; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2007, 141, 144) waren die Vorinstanzen zu einem Hinweis nicht verpflichtet. Galke Zoll Wellner Diederichsen von Pentz
Vorinstanzen:
AG Bremerhaven, Entscheidung vom 11.10.2011 - 52 C 922/11 -
LG Bremen, Entscheidung vom 31.05.2012 - 6 S 323/11 -

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.