Gutachten: Recht auf Schadengutachten erst recht bei altem Fahrzeug

bei uns veröffentlicht am27.08.2014

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Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Bei einem Fahrzeug, dessen Wiederbeschaffungswert niedrig ist, ist ein Schadengutachten erforderlich, um erkennen zu können, ob eine Reparatur noch lohnt.
So entschied es das Amtsgericht Heidenheim im Fall eines Geschädigten, der einen 16 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 250.206 km und mehreren Vorschäden fuhr. Bei einer Parkplatzkollision wurden der Stoßfänger und eine Blinkleuchte beschädigt. Der Geschädigte hatte ein Schadengutachten eingeholt. Der Versicherer verweigerte jedoch die Erstattung der Kosten. Er argumentierte, es liege ja nur ein Bagatellschaden vor. Auch sei das Gutachten unzutreffend, denn es habe Reparaturkosten in Höhe von 955,75 EUR prognostiziert, wohingegen die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten nur 911,12 EUR (jeweils brutto) betragen hätten. Diese Argumente überzeugten das AG nicht. Es sprach dem Geschädigten die Kosten für das Gutachten zu. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass hinter einer großflächigen Eindellung des Stoßfängers weitere Schäden verborgen sein könnten. Das mache dem Laien eine eigenständige Abschätzung unmöglich (AG Heidenheim, 14 U 10/14).


Urteile

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Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Apr. 2014 - 14 U 10/14

bei uns veröffentlicht am 28.04.2014

Tenor Der Senat weist auf Folgendes hin: 1. Zu Recht dürfte das Landgericht die auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen haben. Zwar besteht ein Feststellungsinteresse grundsätzlich auch zum Zwecke der Hemmung der Verjährung, wenn kü

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Tenor

Der Senat weist auf Folgendes hin:

1. Zu Recht dürfte das Landgericht die auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen haben.

Zwar besteht ein Feststellungsinteresse grundsätzlich auch zum Zwecke der Hemmung der Verjährung, wenn künftige Schadensfolgen möglich sind, es sei denn, die Beklagtenseite hat ihre Haftung anerkannt und auf die Verjährungseinrede verzichtet. Derartige künftige Schadensfolgen wären in der vorliegenden Konstellation aber nur denkbar, wenn der Kläger, der bislang den aus dem Verkehrsunfall vom 31.03.2010 resultierenden Fahrzeugschaden fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet hat, tatsächlich beabsichtigt, das Fahrzeug noch reparieren zu lassen und hierbei Kosten anfallen, die die von seinem Gutachter auf Basis der Verrechnungssätze einer Markenwerkstatt berechneten Netto-Reparaturkosten übersteigen. Für eine solche Absicht fehlt es aber an jeglichem Vortrag.

2. Dem Kläger dürfte auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühr für die Einholung einer Deckungszusage nicht zustehen.

Rechtsanwaltskosten, die der Geschädigte im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage seines Rechtsschutzversicherers verursacht hat, sind nur zu erstatten, wenn sie aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2012, 919).

Bevor der Klägervertreter mit Schreiben vom 04.05.10 (Anlage K 4) eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung des Klägers eingeholt hat, hatte er sich bereits für den Kläger gegenüber der Beklagten aufgrund des zuvor ihm erteilten Auftrages legitimiert und ein Anspruchsschreiben gefertigt (Anlage K 2). Die für die Erteilung der Deckungszusage maßgeblichen Gesichtspunkte ergaben sich dabei bereits aus dem Anspruchsschreiben, was sich schon daraus ergibt, dass der Klägervertreter zur Begründung im Schreiben gegenüber der Rechtsschutzversicherung auch nur das Anspruchsschreiben in Kopie beigefügt hat. Bei einer solchen Sachlage ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht erforderlich. Es ist dem Geschädigten in aller Regel zuzumuten, mit Hilfe des bereits gefertigten Anspruchsschreibens die Rechtsschutzversicherung selbst um Erteilung einer Deckungszusage zu ersuchen (vgl. BGH NJW 2012, 919).

3. Auch dürfte ein Anspruch auf Erstattung der Auslagen für die Akteneinsicht mit der Begründung des Landgerichts mangels Erforderlichkeit nicht bestehen.

4. Die Entscheidung des Landgerichts zu den im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung der Parteien stehenden restlichen fiktiven Reparaturkosten und der Verweisungsmöglichkeit auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit begegnet indes Bedenken.

a. Diese Bedenken ergeben sich allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte ihn, den Kläger, erst nach Klagerhebung auf günstigere Reparaturmöglichkeiten verwiesen hat. Wie der BGH in seinem Urteil vom 14. 5. 2013 - VI ZR 320/12 festgestellt hat, kann eine solche Verweisung auch noch im Rechtsstreit erfolgen, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegen stehen. Die Beklagte hat aber bereits in der Klagerwiderung vom 28.07.2010 auf die drei angeblich günstigeren Reparaturmöglichkeiten hingewiesen, so dass prozessuale Gründe einer Verweisung nicht entgegenstehen. Dass das zitierte Urteil des BGH im Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht bekannt war, ist entgegen der wohl von dem Kläger mit der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung rechtlich unerheblich, da die Entscheidung des BGH die Rechtslage nur festgestellt, nicht aber erst begründet hat.

b. Soweit das Landgericht nach Beweisaufnahme allerdings zu der Feststellung gelangt ist, bei der Fa … GmbH handele es sich um eine hinreichend qualifizierte Werkstatt mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen, so dass dem Kläger nur die auf der Grundlage der behaupteten Stundenverrechnungssätze der Fa … GmbH berechneten Reparaturkosten zustünden, beruht diese Entscheidung bereits auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Hinsichtlich der Höhe der Stundenverrechnungssätze berücksichtigt das Landgericht nämlich die von der Nachfolgefirma … GmbH & Co KG als Reaktion auf die Ladung des Zeugen … eingereichte Preisübersicht der Fa. ... ebenso wenig wie das Beweisangebot des Klägers zu der Behauptung, der Klägervertreter habe bei der Fa. … angerufen und hierbei höhere Stundenverrechnungssätze genannt erhalten. Keine Erwähnung findet schließlich der Umstand, dass der hierzu vernommene Zeuge … zunächst mitgeteilt hat, dass die von ihm genannten Stundenverrechnungssätze ausschließlich Versicherungen eingeräumt würden und erst auf Nachfrage seiner ursprünglichen Aussage widersprechend erklärt hat, dass das Unternehmen seinerzeit auch für Privatkunden mit den gleichen Konditionen gearbeitet habe. Auffällig ist auch, dass die Inhaber der beiden weiteren freien Werkstätten ebenfalls höhere als von der Beklagten behauptete Stundenverrechnungssätze in ihren schriftlichen Zeugenaussagen angegeben haben.

Die Feststellungen zur Gleichwertigkeit der Qualität der Fa … sind ebenfalls nicht ausreichend. Die hierzu von der Beklagten aufgestellten Behauptungen sind von dem Kläger bestritten worden. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass die protokollierte Aussage des Zeugen … insoweit den Nachweis der Gleichwertigkeit nicht hat erbringen können. Insbesondere ist die in der Klagerwiderung aufgestellte Behauptung des Beklagten, die Firma gehöre den Eurogarant-Fachbetrieben an, deren Qualitätsstandard zweimal pro Jahr durch Überprüfung einer vollständigen Unfallinstandsetzung von TÜV oder DEKRA kontrolliert werde, nicht bestätigt worden. Ob ein von Beklagtenseite angebotenes Gleichwertigkeitsgutachten den erforderlichen Nachweis noch wird erbringen können, dürfte im Hinblick darauf, dass die Firma … GmbH ihre Tätigkeit bereits vor längerer Zeit eingestellt hat, zweifelhaft sein.

Vor dem Hintergrund der spontanen Aussage des Zeugen …, die Fa. … habe ausschließlich für Versicherungen gearbeitet, hält der Senat die Fa. … GmbH allerdings ohnehin nicht für eine geeignete Verweisungswerkstatt. Im Schadensersatzrecht anerkannt ist, dass der Geschädigte im Falle einer Sachbeschädigung von dem Schädiger statt der Herstellung den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zweck dieser Regelung ist, dass der Geschädigte das verletzte Rechtsgut nicht dem Schädiger zur Wiederherstellung anvertrauen sollen muss (Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage zu § 249 Rd. 357). Der Geschädigte ist Herr des Restitutionsgeschehens und darf grundsätzlich selbst bestimmen, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (BGH NJW 2010, 606). Die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis, die ihm die Möglichkeit der Schadenbehebung in eigener Regie eröffnet, würde nicht nur dann unterlaufen werden, wenn er sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen müsste (so BGH NJW 2010, 606), sondern auch dann, wenn er sich auf die Konditionen von Werkstätten verweisen lassen müsste, die nahezu ausschließlich im Rahmen von Vereinbarungen für Haftpflichtversicherer tätig werden, auch wenn diese Werkstatt vereinzelt auch für Privatauftraggeber nach den gleichen Konditionen tätig wird. Auch in diesen Fällen handelt es sich bei den Verrechnungssätzen der nahezu ausschließlich für Versicherungen tätigen Werkstätten nicht um marktübliche Preise, sondern um Konditionen, die allein vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit den Versicherungen sich unter Marktniveau bewegen.

Auch die Fa. … kommt nach Auffassung des Senats als Verweisungswerkstatt nach der schriftlichen Zeugenaussage des Inhabers nicht in Betracht. Als Qualitätsmerkmal ist allein die Mitgliedschaft im Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik genannt. Die von Beklagtenseite behauptete Zugehörigkeit zu den zweimal jährlich überprüften Eurogarant-Fachbetrieben ist von dem Zeugen … dagegen verneint worden.

Es bleibt die dritte von der Beklagten genannte Verweisungswerkstatt …. Auf der Grundlage der schriftlichen Zeugenaussage des Inhabers dieser Werkstatt, insbesondere des der Aussage beigefügten -im Auftrag der Allianz Versicherung AG (!) - erstellten Gutachtens, spricht zwar durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine qualitative Gleichwertigkeit. Auch der Zeuge … gibt allerdings höhere als von der Beklagten behauptete Verrechnungssätze an.

Darüber hinaus bestätigt der Zeuge … eine Vereinbarung über eine Kooperation und über Stundenverrechnungssätze mit zahlreichen Versicherern, auch der Beklagten, und einem Schadenssteuerer. Derzeit ist offen, ob und in welchem Umfang die Preiskalkulation der Werkstatt durch die Kooperation mit den Versicherern beeinflusst ist. Besteht ein solcher und nicht nur unwesentlicher Einfluss, würde ein Sondertarif vorliegen, auf den sich der Geschädigte nach dem oben Gesagten nicht verweisen lassen muss. Nicht entscheidungserheblich ist, ob innerhalb desselben Betriebes unterschiedliche Preise existieren, etwa für "Versicherungskunden" oder "normale" Privatkunden; dies zeigt sich etwa für Fälle, in denen ausschließlich für Versicherer repariert wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 BGB Herr des Restitutionsgeschehens ist und nicht nur die sich daraus ergebende Befugnis unterlaufen würde, wenn die Versicherung dem Geschädigten ihr genehme und mit ihr vertraglich verbundene Werkstätten zuweisen dürfte. Vielmehr erscheint es dem Geschädigten auch nicht als zumutbar im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB, auf eine Werkstatt verwiesen zu werden, die im Lager der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung zu stehen scheint. Darlegungs- und beweisbelastet ist die Beklagte.

Vor diesem Hintergrund sowie den noch offenen tatsächlichen Fragen schlägt das Gericht den Parteien einen Vergleich dahingehend vor, dass die Beklagte sich verpflichtet, an den Kläger 70 % des streitigen Sachschadens von € 2031,37, mithin € 1.421,95 bei Kostenaufhebung zu zahlen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.