Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 10. Nov. 2011 - 10 U 771/11

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2011:1110.10U771.11.0A
bei uns veröffentlicht am10.11.2011

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 19. Dezember 2011.

Gründe

1

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

2

Das Landgericht hat der Klage zu Recht vollumfänglich stattgegeben. Der Beklagte hat Anspruch auf die geltend gemachte Versicherungsleistung, da er den Beweis eines Nachschlüsseldiebstahls seiner hochwertigen Herrenarmbanduhren geführt hat. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

3

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, entgegen der landgerichtlichen Auffassung seien nicht genügend Beweisanzeichen vorhanden, denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls entnommen werden könne. Denn der Kläger habe den Beweis, dass die vorhandenen Originalschlüssel als Tatwerkzeug ausscheiden, nicht erbracht. Das Landgericht habe die Tatsache, dass der Kläger seinen Schlüssel zeitweilig im Rahmen von KFZ-Werkstattbesuchen einem dortigen Mitarbeiter übergeben habe, nicht ausreichend gewürdigt. Ebenso sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger und seine Ehefrau oftmals den Schlüsselbund ausgetauscht hätten und die Ehefrau des Klägers nach eigenen Angaben den Schlüssel im Sportstudio lediglich in einen Spind einschließe. Sonach bestehe die nicht fernliegende Möglichkeit, dass im Rahmen von Werkstattbesuchen oder im Rahmen von Sportstudiobesuchen die Anfertigung eines Nachschlüssels jedenfalls grob fahrlässig begünstigt und hierdurch der Versicherungsfall wegen der unterlassenen Auswechslung der Schlösser grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Hinzu komme, dass unstreitig ein bei der Hausverwaltung hinterlegter Generalschlüssel zeitweise, und dies in unmittelbarem zeitlichem Rahmen des Einbruchtatgeschehens, nicht auffindbar gewesen sei.

4

Nach den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung hat er den Wohnungsschlüssel bei KFZ-Werkstattbesuchen zwar gelegentlich dem Werkstatt-mitarbeiter übergeben, jedoch nicht dergestalt, dass der Schlüssel in der Werkstatt für eine längere Zeit unbeaufsichtigt verblieben wäre. Vielmehr erklärte der Kläger, dass er sich jeweils im Wartebereich der Werkstatt aufgehalten habe, während sein Fahrzeug dort repariert worden sei. Damit erscheint die Möglichkeit, dass innerhalb dieses relativ kurzen Zeitraums eine Kopie des Wohnungsschlüssels angefertigt worden sei, als fernliegend. Dies gilt auch für die rein theoretische Möglichkeit, dass in dem von der Ehefrau des Klägers besuchten Sportstudio deren Spindschloss - von ihr unbemerkt - geöffnet worden sein soll, um den darin befindlichen Wohnungsschlüssel zu kopieren. Auch aus dem Umstand, dass ein bei der Hausverwaltung hinterlegter Generalschlüssel zeitweise nicht auffindbar war, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass dieser Originalschlüssel für das Eindringen in die klägerische Wohnung benutzt worden wäre. Die Zeugin A. hat nämlich angegeben, den Schlüssel in einer abgeschlossenen Kassette vorgefunden zu haben, die nur durch sie habe geöffnet werden können.

5

Da der Kläger keine Kenntnis von dem erfolgten Kopieren des Wohnungsschlüssels hatte, kann das Unterlassen des Schlossaustauschs auch nicht als grob fahrlässig angesehen werden. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte mangels Anpassung ihrer Versicherungsbedingungen an das neue VVG sich ohnehin nicht auf die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten berufen kann (BGH Urteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10 -).

6

Die Beklagte verweist weiterhin erfolglos auf § 21 der Allgemeinen Hauratsversicherungsbedingungen AHR 2004, wonach die Entschädigungsgrenze für Wertsachen 20.000 € beträgt. Bei den vorliegend entwendeten Herrenarmbanduhren handelt es sich nicht um Wertsachen im Sinne des § 21 AHR 2004. Nach dieser Klausel zählen zu Wertsachen unter anderem Schmucksachen sowie alle Sachen aus Gold oder Platin (§ 21 Nr. 1 c AHR 2004). Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich auch bei hochwertigen Herrenarmbanduhren nicht um Schmucksachen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Uhren die Funktion der Zeitmessung zukommt und der Schmuckcharakter nicht der Hauptzweck des Gegenstandes ist. Etwas anderes kann auch nicht im Hinblick darauf gelten, dass es sich um teure Uhren handelt, die teilweise mit Edelmetallen verziert sind. Wie sich aus dem Begriff „Schmucksachen“ ergibt, umfasst dieser jegliche Form von Schmuck, also auch wertlosen Modeschmuck, solange der Gegenstand Schmuckcharakter hat. Folglich kann es auf den Wert des Gegenstandes für die Einordnung als „Schmucksache“ nicht ankommen. Maßgebend muss vielmehr nach dem allgemeinen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers sein, ob ein Gegenstand primär zu Schmuckzwecken getragen wird oder - wie zum Beispiel eine Brille - nur als Sekundärzweck auch Schmuckzwecken dienen soll. Demnach fallen die entwendeten Uhren des Klägers nicht unter den Begriff „Schmucksachen“. Die Uhren waren auch nicht aus Gold oder Platin, selbst wenn sie in untergeordneten Bereichen mit derartigen Edelmetallen besetzt waren.

7

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 43.832 € festzusetzen.

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Hausratversicherung: Entschädigungsgrenze gilt nicht für Armbanduhr aus Gold/Platin

01.10.2012

da sie nicht unter den Begriff Schmuck fällt, sondern lediglich der Zeitmessung dient- OLG Köln vom 13.06.05-Az:9 U 36/05
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Okt. 2011 - IV ZR 199/10

bei uns veröffentlicht am 12.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 199/10 Verkündet am: 12. Oktober 2011 Bott Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja EGVVG Art.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 199/10 Verkündet am:
12. Oktober 2011
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 1 Abs. 3; VVG §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 81 Abs. 2; VGB 88 § 11 Nr. 2
1. Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten
(hier: § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88) ist unwirksam, wenn der Versicherer
von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen
Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung
vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28
Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen.
2. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten (hier: grob fahrlässige Herbeiführung
des Versicherungsfalles gemäß § 81 Abs. 2 VVG) kann sich der Versicherer
weiterhin berufen.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
12. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einem Haus. Er trat im März 2007 in einen bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag über eine Wohngebäudeversicherung ein und verlangt Versicherungsleistungen für einen Leitungswasserschaden vom Januar

2009.


2
Dem Versicherungsverhältnis liegen "Allgemeine WohngebäudeVersicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Januar 1995" zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 11 Sicherheitsvorschriften 1. Der Versicherungsnehmer hat …
c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
d) in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und diese genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten; 2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten , so ist der Versicherer nach Maßgabe von § 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. Eine Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam. Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Führt die Verletzung zu einer Gefahrerhöhung, so gelten die §§ 23 bis 30 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein."
3
Die Beklagte nahm keine Anpassung der VGB 88 an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631 - VVG 2008) gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG vor.
4
Das versicherte Haus stand leer und wurde zur Vermietung vorgehalten. Eine Entleerung der wasserführenden Leitungen fand nicht statt. Am 8. Januar 2009 wurde ein Leitungswasserschaden festgestellt.

5
Die Beklagte berief sich vorgerichtlich auf eine Verletzung der Obliegenheit zur regelmäßigen Kontrolle des Gebäudes und zur Entleerung aller wasserführenden Anlagen. Unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers sagte sie eine hälftige Zahlung der Schadenbeseitigungsaufwendungen zu, die während des anhängigen Berufungsverfahrens erfolgte. Im Prozess hat sie im Hinblick auf eine von ihr behauptete unzureichende Beheizung des Gebäudes zudem geltend gemacht, dass der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, eine Gefahrerhöhung vorgenommen und den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
6
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von Reparaturaufwendungen in Höhe von 6.210,34 € bis auf die eingeklagte Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese eine Abweisung der Klage in Höhe von 3.105,17 € begehrte, blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
7
Während des Revisionsverfahrens wurde das Zwangsverwaltungsverfahren nach rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Kläger zur Fortführung des Rechtsstreits ermächtigt.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2010, 1592 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass die Beklagte den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen habe, da sie sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 11 Nr. 1 VGB 88 und eine quotale Leistungskürzung berufen könne. § 11 Nr. 2 VGB 88 sei gemäß § 32 VVG, wonach von den §§ 19 bis 29 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden könne, unwirksam. Die Klausel berücksichtige nicht die in § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG statuierte quotale Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und weiche deshalb von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.
10
Sie könne wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Für eine ergänzende Vertragsauslegung sei kein Raum, da es die Beklagte durch eine Anpassung ihrer Bedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst in der Hand gehabt habe, das Entstehen von Regelungslücken zu verhindern.
11
Schließlich könne sich die Beklagte nicht unmittelbar auf ein Leistungskürzungsrecht nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG stützen, da dieses eine wirksame vertragliche Vereinbarung einer Obliegenheit voraussetze, an der es wegen der Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung des § 11 VGB 88 fehle.
12
Eine allgemeine Aufklärungspflichtverletzung durch falsche Darstellung des Schadenhergangs scheide mangels einschlägiger vertraglicher Regelung i.S. des § 28 Abs. 2 VVG aus.

13
Der Vortrag der Beklagten zu einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles und zu einer Gefahrerhöhung sei nicht hinreichend substantiiert.
14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
Zutreffend hat das Berufungsgericht ein Leistungskürzungsrecht der Beklagten sowohl wegen Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit als auch aufgrund einer Gefahrerhöhung verneint. Dagegen hat es die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG überspannt.
16
1. Der Kläger, dessen Prozessführungsbefugnis in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, ist nach Beendigung der Zwangsvollstreckung infolge der rechtskräftigen Zuschlagserteilung weiterhin prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 181/08, NJW 2010, 3033 Rn. 13 ff.).
17
2. Die Bestimmungen des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 sind unwirksam.
18
a) Da der Versicherungsfall im Jahr 2009 eingetreten ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das Sanktionensystem in § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Denn § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 nimmt Bezug auf die Kündigung und die Leistungsfreiheit in § 6 VVG a.F., wonach eine grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die volle Leistungsfreiheit zur Folge hat.
19
b) Dies führt zur Unwirksamkeit der Regelung gemäß § 307Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1995 - IV ZR 19/94, unter I 3 c bb), da die Leistungsfreiheit des Versicherers bei lediglich grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht zu vereinbaren ist.
20
3. Die Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit der Regelung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung entstanden ist, kann nicht geschlossen werden.
21
Allerdings ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob sich der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer auf ein quotales Leistungskürzungsrecht berufen kann, wenn in einem Altvertrag i.S. des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EGVVG die dortigen Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten durch Inkrafttreten und Anwendbarkeit des VVG 2008 unwirksam geworden sind, weil der Versicherer auf eine Anpassung seiner Versicherungsbedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG verzichtet hat. Hiernach konnte der Versicherer bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abwichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilte.
22
a) Zum Teil wird vertreten, dass die vereinbarte Obliegenheit im Sinne einer Verhaltensnorm weiterhin wirksam bleibt und die gesetzliche Bestimmung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Sanktionsregelung tritt.
23
aa) Dabei wird das Weiterbestehen der Obliegenheit trotz Unwirksamkeit der hierzu in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffenen Sanktionsregelung unterschiedlich begründet:
24
(1) Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Verhaltensnorm und der Sanktionsregelung um inhaltlich trennbare Regelungen handele, wobei die Verhaltensnorm aus sich heraus verständlich sei. Deshalb sei eine derartige Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht insgesamt, sondern nur teilweise hinsichtlich der dort bestimmten Rechtsfolgen unwirksam (Hövelmann, VersR 2008, 612, 616; Schnepp/Segger, VW 2008, 907, 909).
25
(2) Überwiegend wird für Allgemeine Versicherungsbedingungen, die Obliegenheiten vertraglich festlegen und deren Verstoß mit den Rechtsfolgen des § 6 VVG a.F. sanktionieren, eine Ausnahme vom Ver- bot der geltungserhaltenden Reduktion befürwortet. Denn der Schutzzweck dieses Prinzips passe nicht für Allgemeine Versicherungsbedingungen , die bei Vertragsschluss wirksam gewesen und erst durch eine spätere Gesetzesänderung unwirksam geworden seien (MünchKommVVG /Looschelders, Art. 1 EGVVG Rn. 27; Funck, VersR 2008, 163, 168; Hövelmann aaO).
26
(3) Schließlich wird vereinzelt eine Parallele zur Behandlung verhüllter Obliegenheiten gezogen. Bei diesen halte die Sanktionsregelung der Klausel den gesetzlichen Vorgaben nicht stand; dennoch betrachte die Rechtsprechung die Obliegenheiten als wirksam und wende hierauf unmittelbar das Obliegenheitenrecht an. Gleiches müsse hier gelten (Segger/Degen, VersR 2011, 440, 445).
27
bb) Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen finden sich unterschiedliche Begründungsansätze:
28
(1) Teilweise wird das Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung bei grob fährlässiger Begehungsweise als unschädlich betrachtet, da es sich bei § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG um ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht handele, das unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien bestehe (LG Erfurt VersR 2011, 335; HK-VVG/Muschner, Art. 1 EGVVG Rn. 17; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG Art. 1 EGVVG Rn. 21; Honsel, VW 2008, 480, 481; Muschner/Wendt, MDR 2008, 949, 951; Segger/Degen aaO 441).
29
(2) Überwiegend wird angenommen, dass die Lücke bezüglich der Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch die gesetzliche Rege- lung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zu schließen sei (LG Ellwangen VersR 2011, 62; Funck aaO; Hövelmann aaO). Teilweise wird auch hier wiederum auf die Lückenfüllung durch Anwendung des Obliegenheitenrechts auf verhüllte Obliegenheiten verwiesen (Segger/Degen aaO 445).
30
b) Nach anderer Auffassung führt unabhängig von der Frage der Teilwirksamkeit einer vertraglichen Obliegenheitsvereinbarung ohne entsprechende Sanktionsregelung - also auch bei Gesamtnichtigkeit einer solchen Klausel - eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Obliegenheit mit den Sanktionen des § 28 VVG als vereinbart gelten soll (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 39; nur für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: Brand in Looschelders/ Pohlmann aaO; HK-VVG/Muschner aaO Rn. 24; Muschner/Wendt aaO

952).


31
c) Schließlich wird eine Korrektur der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge abgelehnt. Wenn der Versicherer von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch gemacht habe, so müsse es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit bleiben (LG Nürnberg-Fürth r+s 2010, 145, 147; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht § 12 Rn. 2; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 391 ff.; Fahl/Kassing, VW 2009, 320, 322 f.; von Fürstenwerth , r+s 2009, 221, 223 ff.; Fitzau, VW 2008, 448; Höra, r+s 2008, 89, 90; Knappmann, VRR 2007, 408, 409; Maier, VW 2008, 986, 987 ff.; Rogler, r+s 2010, 1, 4 f.; ders. jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; Staudinger/ Kassing, ZGS 2011, 411, 412 ff.; Wagner, VersR 2008, 1190, 1193 f.).
32
d) Letztgenannte Auffassung trifft zu. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die durch Unwirksamkeit der Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entstandene Vertragslücke nicht geschlossen werden kann. Ob die vertragliche Obliegenheit in § 11 Nr. 1 VGB 88 als teilbare Klausel oder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion weiter besteht, obwohl § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3VGB 88 zwar eine Sanktion anordnet, jedoch ein unwirksames Sanktionensystem enthält, kann deshalb dahinstehen.
33
aa) Eine quotale Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG setzt voraus, dass neben einer vertraglichen Obliegenheit auch eine Sanktion für den Fall ihrer Verletzung im Versicherungsvertrag vereinbart ist. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG enthält kein gesetzliches Leistungskürzungsrecht.
34
Der Senat hält an der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., wonach der Versicherungsvertrag eine Vereinbarung über die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung enthalten muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1989 - II ZR 34/89, NJW-RR 1990, 405 unter 3), auch für das neue Recht fest. Für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG ausdrücklich, dass der Vertrag bestimmen muss, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Systematisch knüpft § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG unmittelbar an die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG an und ersetzt lediglich die vollständige Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VVG für den Fall der groben Fahrlässigkeit durch ein Kürzungsrecht des Versicherers (MünchKomm-VVG/Wandt, § 28 Rn. 214; Schimikowski, r+s 2010, 195; Staudinger/Kassing aaO). Weiterhin finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3945, S. 69) keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung zwar für eine vollständige Leistungsfreiheit, nicht jedoch für teilweise Leistungsfreiheit erforderlich sein soll (MünchKomm-VVG/Wandt aaO).
35
bb) Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG kann nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden. Bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt.
36
(1) Das Gesetzgebungsverfahren belegt, dass der Gesetzgeber die Schließung von Vertragslücken, die durch die Anwendung der Regelungen des VVG 2008 entstehen, allein durch eine Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG seitens des Versicherers zulassen wollte, um die erforderliche Transparenz des vertraglichen Regelwerkes zu gewährleisten (vgl. von Fürstenwerth aaO 224 f.; Rogler aaO). Zur Vermeidung des Aufwands für die Anpassung von Altverträgen an das VVG 2008 hatte der Bundesrat eine Regelung vorgeschlagen, "die bestehende Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage auslegt" (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen, sondern an der Anpassungsmöglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten. Damit hat er nicht nur einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Absage erteilt, sondern auch deutlich gemacht, dass es ohne eine Anpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG für den Versicherer keine Möglichkeit geben soll, aus der Verletzung vertraglicher Obliegen- heiten in Altverträgen nachteilige Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer abzuleiten.
37
(2) Die Heranziehung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB widerspräche der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgenommenen Interessenabwägung zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern bei der Anpassung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen an das VVG 2008.
38
Hauptanliegen des Gesetzgebers bei der Reform des Versicherungsvertragsrechts war es, die Stellung des Versicherungsnehmers deutlich zu stärken und die Transparenz von Versicherungsbedingungen zu verbessern (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/3945, S. 1). Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des Art. 1 Abs. 3 EGVVG gesehen werden. Dem Gesetzgeber war das Problem der Unwirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Altverträgen durch Inkrafttreten des neuen Rechts bewusst. Deshalb hat er den Versicherern die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt. Ein Versicherer kann die Unwirksamkeitsfolgen hiernach jedoch nur durch eine Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen abwenden, indem er den Versicherungsnehmer in der durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG geregelten Weise über die geänderte Vertragslage informiert (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 118, wo die Bedingungsanpassung als "geboten" bezeichnet wird). Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber auch um eine rasche Umstellung auf transparente, neue Vertragswerke ging und er eine unterbliebene Vertragsumstellung durch den Wegfall der unwirksam gewordenen Vertragsbestimmung sanktionieren wollte (vgl. von Fürstenwerth aaO).
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Dieses Regelungsgefüge würde unterlaufen, wenn dem Versicherer auch ohne Umstellung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Anwendung der Rechtsfolgen des VVG 2008 auf Obliegenheitsverletzungen gestattet wäre. Das Anpassungsverfahren nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG wäre in diesem Falle letztlich überflüssig. Eine Lückenfüllung durch § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB hätte entgegen dem Zweck des Art. 1 Abs. 3 EGVVG zur Folge, dass für den Versicherungsnehmer mangels Übersendung angepasster Allgemeiner Versicherungsbedingungen eine völlig intransparente Sanktionsregelung Bestand hätte, bei der er dem Vertrag insbesondere nicht seine nach § 28 VVG 2008 erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten entnehmen kann.
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(3) Dem steht nicht entgegen, dass eine Vertragsumstellung mit hohen Kosten verbunden ist. Der hohe Umstellungsaufwand der Versicherer wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Von der Bundesregierung wurde die Übergangsregelung mit Blick auf den erheblichen Anpassungsbedarf nochmals geprüft (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 133). Danach hat der Gesetzgeber an Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten.
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Nicht durchdringen kann die Beklagte damit, dass es ihr auf Grund besonderer Umstände wie einem hohen Vertragsbestand, vieler unterschiedlicher Allgemeiner Versicherungsbedingungen und mehrerer EDVPlattformen faktisch unmöglich gewesen sei, alle Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG umzustellen, folglich der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine zu kurze Umstellungsfrist bemessen habe und deshalb zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips an eine unterbliebene Umstellung keine negativen Folgen geknüpft werden dürften. Der Gesetzge- ber ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Art. 1 EGVVG statuierte Anwendung des neuen Rechts auf Altverträge lediglich unechte Rückwirkung entfaltet (BT-Drucks. 16/3945, S. 118), da eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (vgl. BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Gemessen am Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ist die unechte Rückwirkung in der Regel zulässig (BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt das Erfordernis angemessener Übergangsregelungen (BVerfGE 67, 1, 15). Ob und in welchem Umfang Übergangsregelungen notwendig sind, muss einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen entnommen werden. Dabei steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung (BVerfGE 67, 1, 15). Überdies ist er bei Massenerscheinungen zu Typisierungen verfassungsrechtlich befugt (BVerfGE 103, 271, 290).
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Indem der Gesetzgeber die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG festgelegte Frist für angemessen erachtet hat, hat er weder seinen Gestaltungsspielraum überschritten noch den Bereich zulässiger Typisierung verlassen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte für einige Versicherungssparten branchenweit eine weitgehende Umstellung der Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt hat und auch für die Sachversicherung nicht geltend macht, dass sämtliche oder die Mehrzahl der Versicherer die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht hätten wahrnehmen können. Zum anderen beruft sich die Beklagte auf Umstände , die gerade ihren spezifischen Vertragsbestand betreffen und unter anderem durch die Übernahme zahlreicher kleinerer Versicherer mit jeweils abweichenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine besondere Situation bei der EDV-Ausstattung bedingt sind. Derartige spezifische Einzelumstände muss der Gesetzgeber im Rahmen zulässiger Typisierung nicht in Rechnung stellen. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG kein Raum. Daher hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Beklagten zu Recht als unerheblich betrachtet und auf eine weitere Sachaufklärung verzichtet.
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(4) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Art. 1 Abs. 3 EGVVG keine Verpflichtung zur Umstellung enthält, sondern der Gesetzgeber den Versicherern lediglich die Möglichkeit einräumt, ihre Bedingungen anzupassen. Damit hat der Gesetzgeber die Weiterverwendung der bisherigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge zugelassen. Er hat jedoch zugleich an den Verzicht auf eine Vertragsanpassung die dargestellten Rechtsfolgen gekoppelt. Hierfür war es nicht notwendig, in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine besondere Unwirksamkeitsfolge bei nicht angepassten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu statuieren. Diese ergibt sich über Art. 1 Abs. 1 EGVVG aus der Anwendung des VVG 2008 auf Altverträge mit den Folgen der § 32 VVG und § 307 BGB.
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(5) Entgegen der Ansicht der Revision steht die Nichtanwendung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG in den Fällen unterbliebener Bedingungsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht in Widerspruch zur Anwendung des Obliegenheitsrechts auf verhüllte Obliegenheiten. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des Senats bei verhüllten Obliegenheiten auf die gesetzliche Regelung des § 6 VVG a.F. zurückgegriffen wurde, obwohl es in den zu beurteilenden Klauseln keine Sanktionsregelung gab, da diese als Risikobegrenzung formuliert waren (Senatsurteile vom 24. Mai 2000 - IV ZR 186/99, VersR 2000, 969 unter 1 c; vom 29. No- vember 1972 - IV ZR 162/71, NJW 1973, 284 unter II 2). Indes stellt die Anwendung des § 6 VVG a.F. auf verhüllte Obliegenheiten nichts anderes als eine Lückenfüllung i.S. von § 306 Abs. 2 BGB dar. Die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB wird jedoch für den speziellen Bereich der erst durch Inkrafttreten des VVG 2008 unwirksam gewordenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Sondervorschrift des Art. 1 Abs. 3 EGVVG verdrängt, die für die unwirksame Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gerade keine Schließung der Vertragslücke durch Rückgriff auf gesetzliche Regelungen zulässt. Aus dem dargestellten Zweck der Regelung und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens folgt, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift eine Lückenfüllung bei unterbliebener Bedingungsanpassung ausgeschlossen ist.
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cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus.
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(1) Grundsätzlich ist sie bei Unwirksamkeit einer Klausel in einem vorformulierten Vertrag möglich, wenn dispositive Gesetzesbestimmungen nicht zur Verfügung stehen, so dass das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 - IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92 unter 5). Voraussetzung hierfür ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicher Weise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 aaO unter 6).
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(2) Eine planwidrige Vertragslücke ist hier nicht anzunehmen. Die am hypothetischen Parteiwillen orientierte richterliche Vertragsergänzung soll eine Regelung herbeiführen, die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst hätten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass für eine richterliche Vertragsergänzung dann kein Raum ist, wenn der Verwender von der Unwirksamkeit der Klausel wusste und eine mögliche Vorsorge hiergegen nicht getroffen hat (vgl. Staudinger/Kassing aaO; Ulmer, NJW 1981, 2025, 2031). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt, wenn der Verwender einer Klausel diese in Kenntnis ihrer Unwirksamkeit weiter verwendet (Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229 unter B II 2 c). Gleiches muss gelten, wenn der Verwender in Kenntnis der Unwirksamkeit einer Klausel die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zu ihrer einseitigen Ersetzung durch eine gültige Regelung nicht wahrnimmt (insoweit abweichend der Sachverhalt in BGH, Urteil vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74). Für eine richterliche Vertragsergänzung ist dann kein Raum mehr.
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Den Versicherern war spätestens mit Verkündung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts im November 2007 (BGBl. I S. 2631) bekannt, dass das neue Versicherungsvertragsgesetz gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab 1. Januar 2009 auf Altverträge anzuwenden sein wird. Damit war klar, dass die an § 6 VVG a.F. orientierten Klauseln über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten im Hinblick auf §§ 28, 32 VVG, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB künftig unwirksam werden. Gleichzeitig bestand Kenntnis von der Möglichkeit, über die Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst Vorsorge durch Anpassung der betroffenen Klauseln zu treffen. Wenn der Verwender eine derartige Möglichkeit zur Schließung einer Vertragslücke nicht ergreift und diese Lücke - etwa wegen der hiermit verbundenen Umstellungskosten - hinnimmt, dann kann von einer planwidrigen Vertragslücke, die durch subsidiäre richterliche Vertragsergänzung geschlossen werden müsste, nicht mehr die Rede sein (vgl. Staudinger /Kassing, aaO).
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(3) Gesetzesgeschichte und Regelungssystematik des Art. 1 Abs. 3 EGVVG sprechen wie oben unter bb) (1) dargelegt gegen die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Situation ist anders als bei den Übergangsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (zur ergänzenden Vertragsauslegung dort BAG NJW 2005, 1820), da in Art. 229 § 5 EGBGB die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumte Anpassungsoption für Altverträge gerade nicht vorgesehen wurde (Fahl/Kassing aaO; Maier aaO; Staudinger/Kassing aaO). Die sich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ergebende Frage, wie mit langfristig angelegten Formularverträgen ohne die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen umzugehen ist, stellt sich daher hier nicht.
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(4) Dem Versicherer ist es nicht unzumutbar, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
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Ob eine unzumutbare Härte vorliegt, ist im Wege der Interessenabwägung zu ermitteln; zu berücksichtigen ist nicht nur die nachteilige Veränderung der Austauschbedingungen für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136 unter II 3). Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 aaO).
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Versicherer aus der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten keine Sanktionen mehr herleiten kann. Denn das Gesetz bietet dem Versicherer zahlreiche Auffangregelungen , zu denen die Regelungen über die Gefahrerhöhung gemäß §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gehören (vgl. Päffgen, VersR 2011, 837, 838 ff.; Stockmeier, VersR 2011, 312, 315 ff.). Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelungen nicht das gesamte Spektrum möglicher vertraglicher Obliegenheiten abbilden , von anderen Tatbestandsvoraussetzungen abhängen und für den Versicherer verglichen mit den vertraglichen Obliegenheiten prozessuale Nachteile wie das Fehlen gesetzlicher Vermutungen zu grober Fahrlässigkeit und Kausalität bei § 81 Abs. 2 VVG mit sich bringen. Insofern verschiebt sich das Vertragsgleichgewicht zu Ungunsten des Versicherers. Die genannten gesetzlichen Auffangregelungen verhindern jedoch, dass das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist (vgl. Schimikowski aaO 196). Zudem spricht die bewusst getroffene Entscheidung, die gesetzlich eingeräumte Anpassungsmöglichkeit nicht wahrzunehmen, ebenfalls gegen die Unzumutbarkeit.
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4. Die Beklagte kann ihre Leistung auch nicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG wegen einer Gefahrerhöhung kürzen. Das Berufungsgericht hat zu Recht bemängelt, dass der Sachvortrag der Beklagten zu den Voraussetzungen des §§ 23 ff. VVG keine Ausführungen zur Dauerhaftigkeit der von ihr behaupteten Gefahrerhöhung enthält.
54
5. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG durch den Kläger sei nicht hinreichend substantiiert , hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand.
55
Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 152/08, IPRspr. 2009 Nr. 216 unter II 2 m.w.N.). Die Beklagte hat unter Benennung konkreter Außentemperaturen am Ort des Gebäudes und unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass die zum Schadenhergang notwendige Auskühlung des Gebäudes nur deshalb erreicht werden konnte, weil das Gebäude bereits vor dem vom Kläger behaupteten Heizungsausfall nicht ordnungsgemäß beheizt war. Damit hat sie eine grob fahrlässige Herbeiführung des Leitungswasserschadens seitens des Klägers in ausreichender Weise geltend gemacht. An diesem Sachvortrag war sie nicht dadurch gehindert, dass sie ihre vorgerichtliche Leistungsablehnung noch nicht auf die grob fahrlässige Herbeiführung eines Ver- sicherungsfalles gemäß § 81 VVG gestützt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 unter II 2 b).
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Das Berufungsgericht wird daher den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Bei den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung des versicherten Gebäudes in der kalten Jahreszeit wird es dabei zu berücksichtigen haben, dass das jeweils erforderliche Kontrollintervall vom Tatrichter an Hand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen und dabei allein zu Grunde zu legen ist, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise , regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches kontrolliert werden muss; unerheblich ist dagegen, welcher Zeitablauf nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Fall bis zum Schadeneintritt zu erwarten ist (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn. 14 ff.).
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2010- 24 O 458/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.08.2010 - 9 U 41/10 -