Oberlandesgericht München Endurteil, 18. Jan. 2017 - 20 U 4062/16

bei uns veröffentlicht am18.01.2017

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Tenor des Urteils des Landgerichts München II vom 2. September 2016, Az. 14 O 3548/15, in Ziffer 1 abgeändert und - teilweise zur Klarstellung - neu gefasst:

„Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 75% aller materiellen Schäden sowie die immateriellen Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 29. Dezember 2014 in der W.-Filiale der Beklagten in G., B.str. 37, … G. unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 25% zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 2. September 2016, Az. 14 O 3548/15, zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz aus einem Unfallgeschehen.

Am 29. Dezember 2014 gegen 11 Uhr kam die Klägerin, die beidseitig eine Kniegelenksprothese trägt, beim Verlassen der Filiale der Beklagten in der B.straße 37, … G., ca. 1,5 bis 2 m vor der im Ausgangsbereich ausgelegten Schmutzfangmatte zu Fall und verletzte sich schwer. Am Unfalltag hatte es in G. seit dem frühen Morgen stark geschneit, die Neuschneedecke betrug in der B.straße ca. 15 cm. In der Filiale der Beklagten hatte seit Ladenöffnung um 9 Uhr starker Kundenandrang geherrscht, wodurch es zum Eintrag von Schneematsch und Nässe in den mit Fliesen oder einem fliesenähnlichen Belag ausgestatteten Eingangsbereich des Geschäfts gekommen war. Eingetragener Matsch und Nässe beschränkten sich dabei nicht auf den Bereich der Schmutzfangmatten. Die Beklagte hat über ihre Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche der Klägerin dem Grunde nach zurückweisen lassen.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, dass die Beklagte für das Sturzgeschehen verantwortlich sei, weil sie zu wenig Schmutzfangmatten ausgelegt und diese nicht regelmäßig ausgetauscht habe. Ein Trockenwischen des Bodens durch Mitarbeiter der Beklagten sei vor dem Unfall nicht erfolgt. Auch sei in der Filiale kein geeigneter Fußboden verlegt gewesen. Der Gehweg vor dem Geschäft sei keineswegs geräumt worden, sondern lediglich die Schneedecke mit Splitt bestreut. Die Klägerin war deshalb der Ansicht, dass die Beklagte den gesamten aus dem Sturzgeschehen entstandenen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen habe. Sie hat gemeint, ihr könne kein Mitverschulden angelastet werden. Denn sie habe angemessenes Schuhwerk getragen, die eingetragene Nässe, aufgrund derer sie ausgerutscht sei, sei transparent und nicht deutlich sichtbar gewesen. Warnschilder habe es am Unfallort nicht gegeben. Die Klägerin hat behauptet, sie habe durch den Sturz eine Luxation des künstlichen Kniegelenks sowie einen Einriss der im Bereich der Kniekehle verlaufenden Schlagader erlitten und sich langwierig stationär sowie in einer Pflegeeinrichtung behandeln lassen müssen. Auch heute noch leide sie an behandlungsbedürftigen Nervenschmerzen und sei gehbehindert. Eine Prognose sei nicht möglich.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht vorgetragen, ihre Mitarbeiter hätten am Unfalltag den Gehweg vor dem Geschäft freigeräumt und diesen laufend von Schnee frei gehalten. Zum Unfallzeitpunkt habe sich im Anschluss an das Schmutzfanggitter eine zusätzliche Schmutzfangmatte befunden, die Mitarbeiter hätten ständig den Boden an den verschmutzten Stellen, insbesondere im Ausgangsbereich, trocken gewischt. Es habe sich ein gelber Warnaufsteller am Ende der Schneefangmatte befunden. Darüber hinaus sei der verlegte Fußboden speziell für Supermärkte geeignet und rutschhemmend. Jedenfalls treffe die Klägerin ein so überwiegendes Mitverschulden, dass eine etwaige Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten dahinter gänzlich zurücktrete: Matsch und Wasser hätten eine gräuliche bis schwarze Farbe gehabt und seien deutlich sichtbar gewesen. Die Klägerin habe ungeeignetes Schuhwerk, nämlich wattierte Winterstiefel mit Rillenprofil, getragen. Darüber hinaus habe bei der Klägerin angesichts ihrer unstreitigen Vorerkrankungen erhebliche Gangunsicherheit bestanden, sie aber gleichwohl keine Gehhilfe benutzt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 2. September 2016 hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen P., B., W. und K. die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin 75% ihrer materiellen und immateriellen Schäden aus dem fraglichen Vorfall zu ersetzen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Feststellungsklage zulässig sei, weil die Klägerin ein besonderes Feststellungsinteresse habe und der Schaden in der Fortentwicklung begriffen sei. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe gem. § 280 Abs. 1 iVm §§ 433 ff. BGB sowie aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte. Bei der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Witterung seien die Vorkehrungen der Beklagten zur Beseitigung des von den Kunden eingetragenen Schneematsches nicht ausreichend gewesen. Denn es wäre jedenfalls erforderlich gewesen, einen Reinigungs- und Wischdienst einzusetzen. Dass eingetragene Nässe seit Geschäftsöffnung bis zum Unfallzeitpunkt regelmäßig oder überhaupt beseitigt worden wäre oder dies in irgendeiner Weise organisiert gewesen sei, sei nach der Beweisaufnahme nicht ersichtlich. Die Klägerin sei auch infolge der Pflichtverletzung der Beklagten zu Sturz gekommen. Allerdings seien die klägerischen Ansprüche wegen Mitverschuldens um 25% zu kürzen, da es sich bei den damals herrschenden Witterungsverhältnissen aufgedrängt habe, dem Zustand des Bodens mehr Beachtung zu schenken. Ein höheres Mitverschulden sei nicht anzunehmen. Es sei bereits nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ungeeignetes Schuhwerk getragen habe. Dies könne allerdings dahinstehen, da die Schuhe der Klägerin für einen Aufenthalt in einem Kaufhaus jedenfalls nicht ungeeignet gewesen seien. Auch die von der Beklagten behauptete Pflicht der Klägerin, eine Gehhilfe mitzuführen, sei nicht ersichtlich. Nach den Angaben des Zeugen P., des Ehemannes der Klägerin, sei die Klägerin vor dem Unfall nicht auf eine Gehhilfe angewiesen gewesen. Geeigneten Beweis für das Gegenteil habe die hierfür beweispflichtige Beklagte nicht angeboten.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils im Umfang ihrer Verurteilung und die Abweisung der Klage insgesamt begehrt. Sie macht geltend, die erhobene Feststellungsklage sei unzulässig, weil ein Großteil des Schadens bereits entstanden sei und insoweit abgrenzbare Schadenspositionen vorlägen, die mit einem Leistungsantrag geltend gemacht hätten werden müssen. Darüber hinaus sei der Antrag, der Klägerin sämtliche immateriellen Schäden zu ersetzen, zu weit gefasst, da ein Ersatz solcher Schäden nur in gesetzlich bestimmten Fällen möglich sei. Im Übrigen berücksichtige der erstinstanzliche Ausspruch die höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, dass der Mitverschuldensanteil bereits bei der Bemessung eines Schmerzensgeldes zum Tragen kommt, nicht. Bei der Festlegung der Mitverschuldensquote sei das Landgericht fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, die Beschaffenheit des von der Klägerin getragenen Schuhwerks aufgrund widersprüchlicher Zeugenangaben nicht klären zu können, wohingegen es richtigerweise der Aussage der Zeuginnen B. und W. hätte folgen müssen, dass das Schuhwerk eine glatte, profillose Sohle hatte. Auch komme es entgegen der Ansicht des Landgerichts durchaus darauf an, ob das Schuhwerk der Klägerin für den Außenbereich geeignet war. Denn Schuhe mit einer glatten Sohle seien nach längerem Gehen im Außenbereich feucht und nass und daher für das Betreten von feuchten oder nassen gefliesten Innenflächen ungeeignet. Zur Frage, ob die Klägerin Gehhilfen hätte benutzen müssen, hätte das Landgericht von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen müssen, mindestens aber die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass es eines ausdrücklichen Beweisangebotes der Beklagten dafür bedürfe, dass die Klägerin in Anbetracht ihrer Vorerkrankungen am Unfalltag eine Gehhilfe hätte benutzen müssen. Die Berufung meint, dass das Landgericht bei der Bemessung des klägerischen Mitverschuldens deshalb auch hätte berücksichtigen müssen, dass die Klägerin ungeeignetes Schuhwerk trug und sie die Witterungsverhältnisse kannte, sowie bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die erheblichen Vorerkrankungen der Klägerin und den von der Beklagten nicht verursachten Umstand des Krankenhauskeims.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung unter Berücksichtigung der mit Hinweis vom 26. Oktober 2016 (Bl. 108 ff.) mitgeteilten Rechtsauffassung des Senats zur Formulierung des Tenors.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat unter dem 26. Oktober 2016 (Bl. 108 ff.) einen Hinweis zu den voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Berufung erteilt und mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 mit Zustimmung der Parteien vom 17. November 2016 (Bl. 113) bzw. vom 28. November 2016 (Bl. 116 ff., 120) gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in das schriftliche Verfahren übergeleitet.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat mit der Ausnahme, dass der Senat diese zum Anlass genommen hat, Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung klarstellend umzuformulieren, in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte ohne Rechtsfehler für verpflichtet gehalten, der Klägerin 75% des aus dem Vorfall vom 29. Dezember 2014 erlittenen materiellen Schadens zu ersetzen soweit kein Übergang auf den Sozialversicherungsträger stattgefunden hat oder stattfindet. Darüber hinaus ist die Beklagte unter denselben Voraussetzungen verpflichtet, den immateriellen Schaden der Klägerin aus diesem Vorfall unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 25% zu tragen.

1. Dass das Landgericht auf der Grundlage der Beweisaufnahme eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte angenommen hat, die kausal zu dem Sturz und zu Verletzungen der Klägerin geführt hat, greift die Berufung nicht an. Hieran ist auch nichts zu erinnern, weshalb grundsätzlich eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten und aus Delikt besteht.

2. Soweit die Berufung die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage für unzulässig hält, geht sie fehl. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kläger nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 19. April 2016, VI ZR 506/14, juris Rn. 6). Es besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn - wie hier unstreitig - eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (BGH, Urteil vom 19. April 2016, VI ZR 506/14, juris Rn. 6 mwN). Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar (BGH, Urteil vom 19. April 2016, VI ZR 506/14, juris LS).

3. Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Tenor des erstinstanzlichen Urteils auch nicht zu weit gefasst. Insbesondere kann aus der ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten schon nicht gefolgert werden, dass damit auch nach dem Gesetz überhaupt nicht ersatzfähige Schäden zugesprochen würden. Zudem wird der Anspruch durch das im Betragsverfahren zu berücksichtigende Kausalitätserfordernis begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2005, VI ZR 108/04, juris Rn. 6 f. mwN).

4. Soweit die Berufung meint, die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage des von der Klägerin beim Unfall getragenen Schuhwerks sei fehlerhaft gewesen, trifft dies nicht zu.

Anders als die Beklagte behauptet, waren die Aussagen der Zeuginnen B. und W. zur Beschaffenheit der von der Klägerin getragenen Schuhe tatsächlich widersprüchlich. Denn ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 (Bl. 53 ff.) hat die Zeugin B. angegeben, dass die Klägerin „Winterschuhe, wie man sie vielleicht im Norden trägt, wattiert, aber letztlich mit einem Rillprofil“ getragen hat, die Zeugin W. von „Stiefeln oder Stiefeletten“ mit breiterem Absatz von ca. 5-8 cm und glatter Sohle gesprochen, wobei sie die Schuhe nur kurz gesehen habe. Dies aber ist ersichtlich die Beschreibung verschiedenen Schuhwerks. Warum bei dieser Sachlage davon auszugehen wäre, dass die Schuhe der Klägerin eine „glatte profillose Sohle“ hatten, begründet die Berufung nicht. Unerheblich ist auch, zu welchem Zeitpunkt die Zeugin W. die Schuhe der Klägerin „nur kurz“ gesehen hat.

Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe die Frage, wie das von der Klägerin getragene Schuhwerk im Einzelnen beschaffen war, offen gelassen hat. Vielmehr hat es Schuhwerk der von den Zeuginnen beschriebenen Art unterstellt und trotzdem ein Mitverschulden unter dem Gesichtspunkt ungeeigneten Schuhwerks verneint. Denn es komme nicht darauf an, ob die Schuhe der Klägerin für die Witterungsverhältnisse am betreffenden Tag draußen geeignet waren, sondern darauf, ob sie dies für einen Aufenthalt in einem Kaufhaus der Fall war. Hieran ist nichts zu erinnern. Denn dass die fraglichen Schuhe, bei denen es sich nach übereinstimmender Aussage der Zeuginnen jedenfalls um Stiefeletten oder Winterstiefel handelte, für den Gebrauch innerhalb eines Kaufhauses - auch bei Schneefall draußen mit der Folge eingetragener Feuchtigkeit - nicht geeignet waren, hat die Beklagte erstinstanzlich schon nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Der insoweit gehaltene beweisbewehrte Vortrag in zweiter Instanz ist verspätet, § 531 Abs. 2 ZPO. Die Ausführung der Beklagten, bereits erstinstanzlich „in erster Linie“ auf die Ungeeignetheit der Schuhe im Innenbereich abgestellt zu haben, trifft ersichtlich nicht zu. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die nunmehr als unstreitig getragen bezeichneten Schuhe gemäß Anlage B 2 auch nach einem Aufenthalt im Freien für den Innenbereich ungeeignet gewesen wären. Die von der Beklagten angeführte Gefahr, dass sich Schnee im Profil festsetzt, besteht generell bei Schuhen mit Profil. Zudem hat sich die Klägerin unstreitig etwa 30 Minuten im Kaufhaus aufgehalten hat, was nach allgemeiner Lebenserfahrung zum Schmelzen etwaig in den Rillen vorhandenen Schnees und zum Sturzzeitpunkt zu keiner weiteren Gefahrerhöhung geführt hat.

5. Es trifft nicht zu, dass das Landgericht von Amts wegen Beweis darüber hätte erheben müssen, ob die Klägerin ständig auf eine Gehhilfe angewiesen war.

Die Beweislast für das Verschulden des Geschädigten und dessen Ursächlichkeit trägt nach allgemeinen Regeln der Ersatzpflichtige (Palandt, BGB, § 254 Rn. 72 mwN), worauf das Landgericht nicht gesondert hinzuweisen hatte. Dass es gehalten gewesen wäre, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Frage der Erforderlichkeit einer Gehhilfe einzuholen, geht schon deshalb fehl, weil keine Tatsachen vorlagen oder vorgebracht wurden, die von einem Sachverständigen hätten ausgewertet werden können. Darauf, ob grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass eine Person mit den Vorerkrankungen der Klägerin einer ständigen Gehhilfe bedarf, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles ersichtlich nicht an.

Nach dem Prozessstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung war die Klägerin nach Aussage des Zeugen P. nicht auf eine Gehhilfe angewiesen und hat im täglichen Leben auch keine benutzt. Dieses Vorbringen hat die Beklagte lediglich mit Nichtwissen bestritten.

6. Anders als die Berufung meint, hat das Landgericht die Tatsache, dass die Klägerin die Witterungsverhältnisse kannte, berücksichtigt. Denn es hat ausweislich der Urteilsgründe „bei entsprechenden Witterungsverhältnissen“ eine Pflicht der Klägerin angenommen hat, „ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit“ auf den Zustand des Bodens zu legen. Die vom Landgericht angenommene Mitverschuldensquote ist nach allem daher nicht zu beanstanden.

Da das Landgericht ein Schmerzensgeld der Höhe nach schon nicht festgelegt hat, gehen die Ausführungen der Berufung, was hierbei zu berücksichtigen wäre, ins Leere.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Bemessung des Streitwerts folgt der von den Parteien nicht angegriffenen Schätzung des Landgerichts.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 18. Jan. 2017 - 20 U 4062/16

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V

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Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2005 - VI ZR 108/04

bei uns veröffentlicht am 28.06.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 108/04 Verkündet am: 28. Juni 2005 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Landgericht München II Endurteil, 02. Sept. 2016 - 14 O 3548/15

bei uns veröffentlicht am 02.09.2016

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 75 % ihrer materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 29.12.2014 in der ...-Filiale der Beklagten in G.-P., B. str. 37, 82467 G.-P.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2016 - VI ZR 506/14

bei uns veröffentlicht am 19.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 506/14 Verkündet am: 19. April 2016 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 75 % ihrer materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 29.12.2014 in der ...-Filiale der Beklagten in G.-P., B. str. 37, 82467 G.-P., zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund eines Unfalls vom 29.12.2014 in der ...-Filiale in G.-P..

Am 29.12.2014 gegen 11 Uhr hielt sich die Klägerin vormittags in Begleitung ihres Ehemannes in der ...-Filiale in G.-P., B. str. 37, auf. Die Klägerin verfügte über eine Kniegelenksprothese in beiden Knien. Vom Eingang der B. straße in die Filiale in Geradeausrichtung befand sich im Bereich des Aus-/Eingangs eine Schmutzfangmatte bzw. ein Schmutzfanggitter mit einer Breite von ca. 1,50 m und einer Länge von ca. 2–3 m (vgl. Lichtbilder Nr. 1–5 der klägerischen Anlagen und Anlage B 1). Am Unfalltag hatte es bereits seit dem frühen Morgen stark geschneit, die Neuschneedecke betrug auf der B. straße ca. 15 cm. In der Filiale herrschte aufgrund des Feuerwerkskörperverkaufs seit Ladenöffnung um 09:00 Uhr in den ersten Verkaufsstunden sehr starker Kundenandrang. Aufgrund des Schneefalls kam es zum Eintrag von Schneematsch und Nässe in den Ein-/Ausgangsbereich der Filiale. Die Klägerin näherte sich mit ihrem Ehemann aus einem Seitengang dem Ein-/Ausgangsbereich; der Bodenbelag besteht hierbei aus Fliesen oder einem fliesenähnlichen Belag. In dem Seitengang waren keine weiteren Schmutzfangmatten ausgelegt. Durch die Witterungsverhältnisse hatten sich Schnee und Schneematsch sowie Feuchtigkeit nicht nur auf die vorhandene Schmutzfangmatte, sondern auch auf den linksseitig des Eingangs vorhandenen Seitenweg eingetragen. Ca. 1,5 bis 2 m vor der Schmutzfangmatte rutschte die Klägerin aus und verletzte sich schwer. Die Beklagte hat über ihre Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche der Klägerin dem Grunde nach zurückweisen lassen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe angemessenes Schuhwerk mit witterungsangepasstem Profil getragen. Eine Gehhilfe benötige sie aufgrund ihrer Vorerkrankungen nicht. Warnschilder seien nicht aufgestellt gewesen. Der Gehweg vor dem Ladenlokal sei nicht frei geräumt gewesen, vielmehr sei auf der Schneedecke lediglich Splitt gestreut gewesen. Die eingetragene Nässe, aufgrund derer sie ausgerutscht sei, sei transparent und nicht deutlich sichtbar gewesen. Offenbar habe die Beklagte auch einen nicht ausreichend „griffigen“ Fußboden verlegt. Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, weitere Schmutzfangmatten auszulegen, diese regelmäßig kurzfristig auszutauschen oder ggf. den Seitengang für den Kundenverkehr zu sperren. Sie habe durch den Sturz eine Luxation des vorhandenen künstlichen Kniegelenks sowie einen Einriss der im Bereich der Kniekehle verlaufenden Schlagader erlitten. Die Klägerin habe sich zunächst im Klinikum G.-P. und sodann im Universitätsklinikum Göttingen langwierig (bis 09.04.2015) stationär behandeln lassen müssen mit mehrfachen Operationen. Sie habe sich zudem mit einem sog. „Krankenhauskeim“ infiziert, was zu einer mehrwöchigen Verzögerung der Wundheilung und zur Notwendigkeit der langen stationären Krankenhausbehandlung geführt habe. Im Anschluss an die Krankenhausaufenthalte habe sie drei Wochen in einer Pflegeeinrichtung leben müssen. Die Klägerin leide bis heute an behandlungsbedürftigen Nervenschmerzen und sei auch heute noch gehbehindert. Die Klägerin habe im September 2015 ein neues künstliches Kniegelenk erhalten. Die Klägerin werde noch lange Zeit an den Folgen des Unfalls leiden und ggf. auch einen Dauerschaden erleiden. Eine Prognose sei noch nicht möglich.

Die Klägerin beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 29.12.2014 in der ...-Filiale der Beklagten in G.-P., B. str. 37, 82467 G.-P., zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, die Mitarbeiter der Beklagten hätten den Gehweg vor dem Ladenlokal freigeräumt und diesen laufend von Schnee frei gehalten. Im Anschluss an das Schmutzfanggitter habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls eine zusätzliche Schmutzfangmatte befunden. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten ständig den Boden an den verschmutzten Stellen trocken gewischt, insbesondere im Ausgangsbereich, in dem die Klägerin stürzte. Weiterhin habe sich, wie auf dem Lichtbild Anlage B 1 zu sehen, auch am Unfalltag ein gelber Warnaufsteller am Ende der Schneefangmatte befunden. Der Schneematsch und das sich bildende Schmelzwasser hätten eine gräuliche bis schwarze Farbgebung gehabt und seien deutlich sichtbar gewesen. Der verlegte Fußboden sei speziell für Supermärkte geeignet und rutschhemmend. Die Klägerin habe ungeeignetes Schuhwerk, nämlich wattierte Winterstiefel mit einem Rillenprofil getragen. Bei der Klägerin müsse angesichts der unstrittigen Vorerkrankungen (Prothesen bei beiden Kniegelenken, Bluthochdruck, Adipositas, Schlaganfall) eine erhebliche Gangunsicherheit bestanden haben.

Ergänzend wird hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 (Bl. 43/48 d.A.) und vom 27.06.2016 (Bl. 52/62 d.A.). Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Pl., Bi., We. und Kr. Hinsichtlich des Ergebnisses der Einvernahme wird verwiesen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München II nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 32 ZPO örtlich zuständig zur Entscheidung über die Klage.

Das besondere Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben; die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an alsbaldiger Feststellung, da die Beklagte über ihre Haftpflichtversicherung die Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz bereits dem Grunde nach außergerichtlich bestritten hat, und das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, die gegebene Unsicherheit zu beseitigen (vgl. Zöller, 27. Auflage, § 256 ZPO Rdnr. 7). Es ist auch kein Vorrang einer Leistungsklage anzunehmen, da sich der anspruchsbegründende Sachverhalt (der Schaden) zur Zeit der Klageerhebung nach dem Vortrag der Klägerin noch in der Fortentwicklung befindet und allenfalls teilweise beziffert werden könnte (vgl. Zöller, a.a.O., Rdnr. 7 a). Dann aber ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig.

2. Die Klage ist teilweise begründet.

a) Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 433 ff. BGB sowie aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten.

Inhalt und Umfang der Nebenpflichten aus dem Kaufvertrag und der Verkehrssicherungspflichten des Inhabers eines Kaufhauses erstrecken sich auch darauf, dass die Fußböden der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume während der Geschäftszeiten frei von Gefahren zu halten sind. An die Sorgfaltspflichten der Inhaber großer Kaufhäuser und Verbrauchermärkte sind sogar hinsichtlich der Auswahl und der Unterhaltung des Fußbodens strenge Anforderungen zu stellen. Dieser Verpflichtung ist in der Regel genügt, wenn die Gewähr besteht, dass sich der Kaufhausbesucher bei normalem vernünftigem Verhalten sicher in den freigegebenen Räumen bewegen kann; der Kaufhausinhaber hat nur diejenige Sicherheit zu schaffen und zu bieten, die man bei Berücksichtigung der jeweils gegebenen Verhältnisse und der Art und Weise des in Frage kommenden Publikumsverkehr allgemein erwarten darf und muss (vgl. BGH NJW 1994, 2617 m.w.N.).

Die Vorkehrungen, die die Beklagte hier zur Beseitigung von durch die Kunden eingetragenem Schneematsch/eingetragener Schneenässe getroffen hat, waren nicht ausreichend.

Zwar hatte die Beklagte unstreitig eine Schneefangmatte/ein Schneefanggitter im Ein-/Ausgangsbereich ausgelegt und war zum Unfallzeitpunkt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch eine zweite Schmutz- bzw. Schneefangmatte im weiteren Verlauf des Eingangsbereichs (unstreitig aber nicht im Seitengang zu den Kassen hin/von den Kassen weg) ausgelegt. Dies haben die Zeugen Bi., We. und Kr. eindeutig, widerspruchsfrei und übereinstimmend bekundet. Der Zeuge Pl. hat dies zwar verneint, seine Aufmerksamkeit war aber (aufgrund des nachfolgenden Unfalls) möglicherweise auch nicht auf diesen Umstand besonders gerichtet.

Jedoch war dies allein nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich des Seitengangs eine weitere Schmutzfangmatte erforderlich gewesen wäre und ob diese den Unfall verhindert hätte. Jedenfalls wäre – nachdem eine solche zusätzliche Matte am Aus-/Eingang zur Seite Richtung Kassenbereich hin nicht vorhanden war – ein Reinigungs- und Wischdienst erforderlich gewesen, der von Zeit zu Zeit die hereingetragene Nässe beseitigte, vgl. BGH NJW 1994, 2617. Denn an diesem Tag herrschte für die Verantwortlichen bei der Beklagten erkennbar durch die Witterungsverhältnisse und den starken (von der Beklagten gerade gewünschten) Kundenandrang aufgrund des Feuerwerkskörperverkaufs die dauernde Gefahr des Eintrags von Schmutz und Nässe durch Schnee/Schneematsch gerade im Ein- und Ausgangsbereich.

Ein entsprechendes regelmäßiges Aufwischen war durch die Beklagte nicht hinreichend organisiert bzw. sichergestellt worden. Ein fester Reinigungsturnus bei entsprechenden Witterungsverhältnissen oder das Vorhandensein eines eigenen Putzdienstes wird von der Beklagten schon nicht vorgetragen und ist auch nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht ersichtlich. Vielmehr gab es nach den Angaben der Zeugin Bi., Filialleiterin bei der Beklagten, einen Putzplan offenbar für die Grundreinigung vor Ladeneröffnung. Mit dem Aufwischen nach Bedarf sei „meistens“ die „zweite Kasse“ (damals die Verkäuferin Frau Sa.) betraut gewesen. Nach dem Unfall sei die Zeugin We. dazu abgestellt worden, dass hier immer wieder gewischt wird. Die Zeugin We., Verkäuferin bei der Beklagten, hat zwar angegeben, sie hätten ja „permanent gewischt“. Sie hat dann aber auch bekundet, sie habe das erste Mal nach dem Unfall gewischt. Ganz früh habe die Kollegin gewischt. Normal übernehme das ja in der Folge die „zweite Kasse“. Die zweite Kasse sei geöffnet gewesen, als sie nach dem Unfall herunter gekommen sei. Übereinstimmend wird von den Zeuginnen ein starker Kundenandrang zu den Zeitpunkten ihres Hinzukommens (nach dem Unfall) berichtet. Auch der Zeuge Kr. gab an, es sei dann „richtig voll“ gewesen.

Inwiefern die „zweite Kasse“ bei entsprechendem Kundenandrang gleichzeitig das Aufwischen hätte übernehmen können sollen bzw. welche Weisungen/Vorgaben hier bestanden, wer wann von wem mit dem entsprechenden Aufwischen betraut hätte werden sollen, wenn die Verkäuferin der zweiten Kasse mit Kassieren beschäftigt war, ist völlig unklar. Dass etwa die Zeugin We. oder eine andere Verkaufskraft angewiesen gewesen wäre, in regelmäßigem Turnus hinzu zu kommen, um zu überprüfen, ob ihre Mithilfe gebraucht wird, ist weder dargetan noch aus den Angaben der einvernommenen Zeugen ableitbar. Dass bei entsprechendem Kundenandrang sowohl Verstärkungsbedarf an der Kasse besteht als auch erhöhter Eintrag von Schneematsch/Schneenässe eben durch die vielen Kunden, ist im Übrigen offensichtlich.

Der Unfall hat auch nicht bereits so kurz nach Ladenöffnung stattgefunden, dass ein bestehender Aufwischbedarf für die Beklagte nicht erkennbar gewesen wäre. Im Grunde ist die Unfallzeit „gegen 11 Uhr“ unbestritten. Die Zeuginnen Bi. und We. gaben eine Unfallzeit „zwischen 09:30 Uhr und 10:30 Uhr“ an, der Zeuge Kr. gab an, sie seien zwischen „09:30 Uhr und 10:00 Uhr“ zum Unfall gerufen worden. Der Zeuge Pl. gab an, der Unfall sei wohl zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr gewesen. Aus dem Protokoll des Notarztes vom 24.03.2015, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 04.08.2016, ergibt sich als Verständigungszeitpunkt des Notarztes 10:57 Uhr Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass der Zeuge Kr. hinsichtlich der Uhrzeit einem Irrtum unterlegen ist (mit seiner Ankunftszeit 08:30 Uhr wollte er sich auch nicht festlegen) und der Unfall jedenfalls nicht vor 10:00 Uhr, eher gegen 10:30 Uhr stattgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Filiale der Beklagten aber mindestens schon eine Stunde geöffnet, ohne dass ein Aufwischen stattgefunden hatte.

Mangels entsprechender ausreichender Organisation eines „Aufwischens nach Bedarf“ ist auch von einem Verschulden der Beklagtenseite ohne weiteres auszugehen.

Die Klägerin ist auch infolge der Pflichtverletzung der Beklagtenseite zu Sturz gekommen. Es ist nach den Angaben des Zeugen Pl., aber auch der weiteren Zeugen, davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt (bzw. unmittelbar danach) Nässeeintrag durch Schneematsch/Schneenässe vorlag, und zwar auch im Bereich nach den Kassen (Seitengang zum Ein-/Ausgangsbereich hin). Es ist insoweit von einem Anscheinsbeweis auszugehen, dass die Klägerin auf dem feuchtem Boden aufgrund der Feuchtigkeit ausgerutscht ist, vgl. BGH, a.a.O.

b) Die Ansprüche der Klägerin sind aber aufgrund Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB i.H.v. 25 % zu kürzen.

Es ist allgemein bekannt und offensichtlich, dass es bei entsprechenden Witterungsverhältnissen zu dem Eintrag von Schneematsch/Schneenässe in den Ein-/Ausgangsbereich eines Warenhauses kommt. Diese Umstände verlangen dem Kunden ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit ab, wenn er sich in den Abteilungen des Ladenlokals aufhält, die diese Gefahren aufweisen können. Er ist gehalten, dem Zustand des Bodens mehr Beachtung zu schenken und sich darüber zu vergewissern, ob er sich in einem sicheren Zustand befindet. Die örtlichen Verhältnisse waren für die Klägerin insoweit ersichtlich. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass die Nässe eher transparent war (wie die Zeugen bekundet haben) und ob ein Warnschild aufgestellt war. Auch bei „nicht schmutziger“ Nässe und nicht aufgestelltem Warnschild ergibt sich für den verständigen Warenhausbesucher die Gefahr entsprechenden Nässeeintrags im Aus-/Eingangsbereich (wenn dieser wie hier zusammenfällt) ohne weiteres. Ein Warnschild bringt hier letztlich keine gesteigerte Erkenntnis.

Dem Gericht erscheint es zutreffend, die Mitverschuldensquote insoweit auf 25 % zu bemessen (vgl. zu Mitverschuldensquoten etwa OLG Köln, Urteil vom 25.06.1998 – 12 U 271/97, BeckRS 1999, 02237 für Ausrutschen auf Obst-/Gemüseblatt; OLG Bremen, NZV 2014, 181 beim Winterglätteunfall; OLG München, Urteil vom 28.07.2011 – 1 U 3579/10 zum Glatteisunfall).

Ein höheres Mitverschulden ist nicht anzunehmen.

Es ist bereits nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ungeeignetes Schuhwerk trug. Beweispflichtig insoweit wäre die Beklagte, die sich auf das Mitverschulden beruft, vgl. Palandt, 74. Auflage 2015, § 254 BGB Rdnr. 72. Der Zeuge Pl. hat angegeben, die Klägerin habe die in Anlage B 2 ersichtlichen Winterschuhe getragen (die ein ausreichendes Profil jedenfalls ausweisen). Die Zeuginnen Binder und Weber haben unterschiedliche Angaben zum Schuhwerk der Klägerin gemacht, übereinstimmend nur insoweit, als es sich um helle Winterschuhe (entgegen Anlage B 2) gehandelt haben soll. Der Zeuge Kr. gab überdies an, die Klägerin auch sofort zugedeckt zu haben, dabei habe er auch die Füße zugedeckt. Die Zeugin We., die erst nach den Zeugen Bi. und Kr. zum Unfallort kam, hätte demnach Wahrnehmungen zum Schuhwerk der Klägerin gar nicht machen können. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben kann sich das Gericht keine Überzeugung bilden, wie das von der Klägerin getragene Schuhwerk im Einzelnen beschaffen war. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen. Auch das Tragen der von den Zeuginnen geschilderten Schuhe würde kein Mitverschulden im konkreten Fall begründen. Es ist nämlich unerheblich, ob die Klägerin Schuhe trug, die für die Witterungsverhältnisse draußen am damaligen Tag geeignet waren. Denn der Mitverschuldenseinwand kann sich nur auf den konkreten Unfallverlauf im Inneren des Warenhauses beziehen. Für einen Aufenthalt in einem Kaufhaus waren die Winterschuhe der Klägerin jedenfalls nicht ungeeignet.

Auch ist kein Mitverschulden insoweit anzunehmen, als die Klägerin keine Gehhilfe (Krücken, Rollator o.ä.) vor dem Unfall mit sich geführt hat (wie die Klägerin vorgetragen hat und alle Zeugen übereinstimmend bekundet haben). Eine entsprechende Pflicht hierzu bzw. Obliegenheit ist nicht ersichtlich. Der Zeuge Pl. hat angegeben, dass seine Frau, die Klägerin, vor dem Unfall auf Gehhilfen nicht angewiesen gewesen sei. Die Knieoperationen seien lange her und soweit ausgestanden gewesen. Auch sonst habe es keine Einschränkungen im Hinblick auf die Sicherheit des Gehens gegeben. Geeigneten Beweis für eine entsprechende Obliegenheit der Klägerin hat die Beklagte als Beweispflichtige nicht angeboten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, 709 Satz 1 und 2 ZPO.

IV. Die Streitwertbemessung folgt aus § 3 ZPO.

Angesichts des klägerseits geschilderten Leidensweges stehen vorliegend erhebliche Schmerzensgeldansprüche der Klägerin im Räume; es ist auch mit materiellen Schäden zu rechnen. Mangels konkreteren Sachvortrags hierzu kann nur eine grobe Schätzung hauptsächlich unter dem Aspekt der immateriellen Schäden erfolgen; unter Berücksichtigung des bei einer positiven Feststellungsklage zu machenden Abschlags (vgl. Zöller, a.a.O., § 3 ZPO Rdnr. 16) erachtet das Gericht die Festsetzung auf 30.000,– € für angemessen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

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1. Es ist anerkannt, dass der Kläger grundsätzlich nicht gehalten ist, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Fest- stellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (st. Rspr., BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733 mwN; vom 21. Februar 1991 - III ZR 204/89, VersR 1991, 788 f. mwN; Senat, Urteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, NJW 2003, 2827 unter II 1 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 108/04 Verkündet am:
28. Juni 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden
eingetreten ist, betrifft den Umfang des Unfallschadens,
also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraft eines vorausgegangenen
Feststellungsurteils betreffend die Ersatzpflicht sämtlicher
materieller Schäden aus dem Unfallereignis nicht erfaßt (Bestätigung des Senatsurteils
vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470).
BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - VI ZR 108/04 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. März 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz von Verdienstausfallschaden wegen eines Verkehrsunfalls vom 3. September 1995, bei dem er erheblich verletzt wurde und an dem die Beklagte zu 1 mit einem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug beteiligt war. In einem - rechtskräftig abgeschlossenen - Vorprozeß mit gleichem Rubrum hat
das Landgericht Aachen in einem Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 2. Dezember 1997 - 10 O 564/96 - unter Klageabweisung im übrigen auf ein Anerkenntnis der Beklagten hin festgestellt, daß diese verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zur Hälfte zu ersetzen, soweit sie infolge des Verkehrsunfalls zukünftig entstehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen. Das Landgericht hat der vorliegenden Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war nur teilweise erfolgreich. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten lediglich teilweise abgeändert und dem Kläger im übrigen ebenfalls Ersatz von Verdienstausfall zugesprochen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten seien mit ihrer Behauptung, der Verkehrsunfall sei für den Erwerbsschaden des Klägers nicht kausal gewesen, sondern habe bereits vor dem Unfallgeschehen aufgrund chronischen Alkoholmißbrauchs und einer hierauf beruhenden chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung unfallunabhängig vorgelegen, im Hinblick auf die Rechtskraft des vorausgegangenen Feststellungsurteils des Landgerichts Aachen präkludiert. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die
Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden sei, führe dazu, daß Einwendungen, die das Bestehen des festgestellten Anspruchs beträfen und sich auf Tatsachen stützten, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten, nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Durch den Einwand der Beklagten, der Unfall sei für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers und dementsprechend für dessen Verdienstausfallschaden nicht kausal gewesen, werde ebenso wie bei der Geltendmachung eines Mitverschuldenseinwands im Sinne des § 254 BGB der Grund der Forderung in Frage gestellt. Einwendungen, die den Grund des Schadensersatzanspruchs beträfen, hätten jedoch beim Erlaß des Feststellungsurteils beschieden werden müssen. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils führe mithin dazu , daß die Ersatzpflicht der Beklagten nicht mehr in Zweifel zu ziehen und nicht mehr zu überprüfen sei. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Beweisaufnahme zu den angeblichen Vorerkrankungen des Klägers. Zwar sprächen gewisse Gesichtspunkte gegen eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Letztlich könne dies aber aus den dargelegten Gründen dahinstehen.

II.


Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Revision macht mit Recht geltend, daß die Behauptung der Beklagten, der Verkehrsunfall sei für die Erwerbsunfähigkeit und dementsprechend für den Verdienstausfall des Klägers nicht ursächlich gewesen , durch die Rechtskraft des vorausgegangenen Feststellungsurteils zwischen den Parteien nicht präkludiert ist.
1. Zwar führt die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden ist, dazu, daß Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, welche schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juni 1982 - VI ZR 179/80 - VersR 1982, 877 und vom 14. Juni 1988 - VI ZR 279/87 - VersR 1988, 1139). Um die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens des Klägers aus jenem Unfall, die das vorausgegangene Urteil festgestellt hat, geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr betrifft die Frage, ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist, den Umfang des Unfallschadens, also die Höhe des Anspruchs, und wird deshalb von der Rechtskraft eines vorausgegangenen Feststellungsurteils nicht erfaßt (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93 - VersR 1995, 469, 470). 2. Durch den Einwand der Beklagten, der Unfall sei für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers und dementsprechend für dessen Verdienstausfall nicht kausal gewesen, wird - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht wie bei der Geltendmachung eines Mitverschuldenseinwands im Sinne des § 254 BGB der Grund des rechtskräftig festgestellten Schadensersatzanspruchs in Frage gestellt (vgl. hierzu die oben genannten Senatsurteile vom 15. Juni 1982 - VI ZR 179/80 - und vom 14. Juni 1988 - VI ZR 279/87 - aaO), sondern die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der unfallbedingten Verletzung und einem vom Kläger behaupteten (vermögensmäßigen) Folgeschaden bestritten. Daran vermag auch der Hinweis des Berufungsgerichts nichts zu ändern, das Landgericht habe in den Entscheidungsgründen des Urteils im
Vorprozeß bezüglich des Feststellungsinteresses ausgeführt, daß mit weiteren Unfallfolgeschäden, insbesondere Verdienstausfallschäden, gerechnet werden könne. Ob diese tatsächlich eingetreten sind, ist im Folgeprozeß zu entscheiden und bedarf dort tatrichterlicher Feststellungen. Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben und sich im Rahmen seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO mit dem substantiierten Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität des Unfallereignisses für den geltend gemachten Erwerbsschaden auseinandersetzen müssen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.