Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13

bei uns veröffentlicht am18.02.2016

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Dezember 2012 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 71.400,00 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von jeweils acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB für den Zeitraum vom 30. August 2011 bis zum 16. März 2012 sowie seit dem 21. April 2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.580,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 5. September 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln zu tragen.

Das Urteil des Senats ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mehrvergütung für Bauarbeiten am L. Kanal in B. .

2

Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung des Bauauftrags für das Bauvorhaben „...“, betreffend das rechte Ufer des L. Kanals im Bereich von km 2,5 bis km 2,95, erhielt die Klägerin von der Beklagten am 29.10.2010 den Zuschlag auf ihr Angebot vom 04.10.2010. Die Bauarbeiten beinhalteten im Wesentlichen das Einbringen einer Spundwand; die Brutto-Auftragssumme betrug 824.578,13 €. Die Bauausführung sollte in der Zeit vom 08.11.2010 bis zum 18.03.2011 stattfinden. Als Baubevollmächtigter der Auftraggeberin wurde der technische Angestellte des Wasser- und Schifffahrtsamtes B. (künftig: WSA) Herr H. benannt.

3

Der Ausschreibung lagen u.a. ein konstruktives Leistungsverzeichnis mit Baubeschreibung und die VOB/B in der Ausgabe 2009 zugrunde. In dem Leistungsverzeichnis für einen Einheitspreisvertrag waren unter Abschnitt 1.2. verschiedene Positionen für die - einmalige - Baustelleneinrichtung (Pos. 1.2.10), deren - viermonatige - Vorhaltung (Pos. 1.2.20) und für die - einmalige - Räumung der Baustelle (Pos. 1.2.70) enthalten. In der Baubeschreibung wurden die örtlichen Verhältnisse, darunter unter Ziffer 2.3 die Zugänge und Zufahrten zur Baustelle, beschrieben. Darin hieß es:

4

„... Aufgrund der geplanten Baumaßnahmen wird der L. Kanal vom 01.11.2010 - 21.04.2011 für den gesamten Schiffsverkehr gesperrt. ...“ (S. 7)

5

„Bei Sperrungen des L. Kanals wegen Eis müssen die Arbeiten eingestellt werden. Dieser Umstand ist bei der Aufstellung des Bauzeitenplanes und der Kalkulation (VOB/B § 6) entsprechend zu berücksichtigen. Durch Witterungsverhältnisse entstandene Stillstandskosten werden nicht gesondert vergütet.“ (S. 8)

6

Unter Ziffer 2.8 wurde zu den Witterungsverhältnissen angegeben:

7

„Der AN hat sich über die Witterungsverhältnisse im B. er Raum selbst zu informieren. Durch Witterungsverhältnisse entstandene Stillstandskosten werden nicht gesondert vergütet.“ (S. 10)

8

Zur Ausführung der Bauleistungen legte die Auftraggeberin unter Ziffer 3.1 fest, dass Verkehrsregelungen auf dem L. Kanal nicht auf den Auftragnehmer übertragen werden dürfen und vom Wasser- und Schifffahrtsamt B. auf Antrag angeordnet werden; hierfür wurde der Außenbezirk N. als zuständige Schifffahrtsbehörde benannt (S. 13).

9

Schließlich enthielt die Baubeschreibung unter Ziffer 3.9 eine Regelung zu Winterbaumaßnahmen, die wie folgt lautete:

10

„Winterbaumaßnahmen werden vom AG nicht gesondert vergütet. Bei Sperrungen des L. Kanals wegen Eis müssen die Arbeiten eingestellt werden. Durch die Witterungsverhältnisse entstandene Stillstandskosten werden nicht gesondert vergütet. Dieser Umstand ist bei der Aufstellung des Bauzeitenplanes und der Kalkulation (VOB/B § 6) entsprechend zu berücksichtigen.“ (S. 20)

11

Nach Beginn der Bauarbeiten erhielt die Klägerin Anfang Dezember 2010 ein an sie gerichtetes Schreiben des Leiters des Außenbezirks N. des Wasser- und Schifffahrtsamtes B. vom 29.11.2010 (künftig: WSA AB N.), in dem es u.a. hieß:

12

„BV L. Kanal C. Ufer Bereich km 2,7 re. Ufer...

13

Aufgrund der vorhergesagten winterlichen Temperaturen ab der KW 50 und der bisherigen Erfahrungen fordere ich Sie auf, die eingesetzten Wasserfahrzeuge rechtzeitig vor der zu erwartenden Sperre des L. Kanals durch Eis, aus dem Baustellenbereich zu fahren. Zum Einen ist die Verringerung des Abflussprofils nicht hinnehmbar. Zum Anderen sind Schäden am Ufer und Fahrzeugen tatsächlich zu erwarten. ...“

14

Daraufhin führte der Bauleiter der Klägerin Herr Sch. fernmündlich Gespräche am 29.11.2010 mit dem stellvertretenden Leiter des Außenbezirks N. sowie am 30.11.2010 mit dem Baubevollmächtigten der Beklagten Herrn H., deren Inhalte im Einzelnen zwischen den Prozessparteien streitig sind.

15

Am 01. oder 02.12.2010 baute die Klägerin die gesamte Baustelleneinrichtung ab und verbrachte ihre Wasserfahrzeuge in den etwa 7 km entfernten Westhafen. Unter dem 02.12.2010 richtete die Klägerin eine Baubehinderungsanzeige ab dem 01.12.2010 unter Hinweis auf etwaige terminliche und kostenmäßige Folgen an die Beklagte.

16

Nach der Verbesserung der Witterungsverhältnisse richtete die Klägerin am 01.03.2011 die Baustelle wieder ein und nahm am 07.03.2011 ihre Bauarbeiten wieder auf.

17

Mit ihrem Nachtragsangebot Nr. 1 vom 30.03.2011 bezifferte die Klägerin die Kosten der zusätzlichen Räumung und Wiedereinrichtung der Baustelle mit 115.311,65 €. Dem Angebot war die zugehörige Angebotskalkulation beigefügt. Die Beklagte nahm das Nachtragsangebot Nr. 1 nicht an. Im Hinblick auf einen Vorbehalt zur Auftragsbestätigung eines weiteren Nachtrags übernahm die Beklagte lediglich die Kosten für einen Arbeitsstillstand von sieben Stunden in Höhe von 8.312,59 € brutto (entspricht 6.985,37 € netto).

18

Am 30.06.2011 nahm die Beklagte die Bauarbeiten der Klägerin als vertragsgerecht erbracht ab.

19

Die Klägerin erteilte der Beklagten am 16.03.2012 eine Schlussrechnung i.H.v. 941.663,80 € brutto, welche von der Beklagten bis auf einen Restbetrag von 133.372,17 € brutto ausgeglichen wurde. Die Beklagte lehnte insbesondere die Bezahlung der geltend gemachten Kosten für die Räumung und Wiedereinrichtung der Baustelle ab.

20

Die Klägerin hat mit ihrer der Beklagten am 05.09.2012 zugestellten Klage einen Anspruch auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages in genannter Höhe aus dem Restbetrag der Schlussrechnung vom 16.03.2012 geltend gemacht; hierbei handelt es sich um die auf den Nachtrag Nr. 1 entfallende Restforderung nach Abzug der Teilzahlung von 8.312,59 €.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

22

Das Landgericht Magdeburg hat die Klage mit seinem am 20.12.2012 verkündeten Urteil vollständig als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der zwischen den Prozessparteien geschlossene Bauvertrag eine Vergütung von Leistungen der vorübergehenden Winter-Baustellenberäumung weder ausdrücklich beinhalte noch deren Vergütung auf der Grundlage einer der Vorschriften des § 2 VOB/B verlangt werden könne. Für einen Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B fehle es an einer der Beklagten zurechenbaren Anordnung, die Vorschrift des § 2 Abs. 6 VOB/B sei nicht einschlägig, weil es sich bei den abgerechneten Leistungen nicht um zusätzliche, außerhalb des Vertrags liegende Leistungen handele, und einem Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B stehe entgegen, dass das Risiko der witterungsbedingten Baustellenberäumung von der vertraglichen Leistungspflicht der Klägerin bereits erfasst sei.

23

Die Klägerin hat gegen das ihr am 02.01.2013 zugestellte Urteil mit einem am 28.01.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

24

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlich geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch weiter. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts im Hinblick auf die Voraussetzungen der Vorschriften in § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B und vertritt insbesondere die Ansicht, dass die vorübergehende Beräumung der Baustelle eine Abweichung vom vertraglichen Bausoll darstellte, dass sie, die Klägerin, im Vertrag das Risiko witterungsbedingter Mehraufwendungen nicht vollständig, sondern nur im Hinblick auf Stillstandskosten übernommen habe, und dass die Anordnung des WSA AB N. der Beklagten als eigene Anordnung zuzurechnen sei.

25

Die Klägerin beantragt,

26

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

27

die Beklagte zu verurteilen,

28

a) einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 106.999,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 30.08.2011 bis zum 16.03.2012 und seit dem 21.04.2012 sowie

29

b) weitere 1.780,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit

30

zu zahlen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt insbesondere weiter die Ansicht, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt sei, weil es sich bei der Beräumung und Wiedereinrichtung der Baustelle um sog. Winterbaumaßnahmen gehandelt habe, welche kalkulatorisch bereits in der ursprünglichen Auftragssumme berücksichtigt worden seien.

34

Der Senat hat auf der Grundlage seines Beweisbeschlusses vom 21.11.2013, ergänzt am 03.04.2014, seines Auflagen- und Beweisbeschlusses vom 21.11.2014 und seines 3. Beweisbeschlusses vom 07.04.2015 eine Beweisaufnahme über die Erforderlichkeit der Baustellenberäumung insgesamt sowie der von der Klägerin durchgeführten Einzelmaßnahmen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 12.09.2014 und des Ergänzungsgutachtens vom 03.06.2015 des gerichtlich bestellten Sachverständige Dr.-Ing. J. K. aus B. Bezug genommen.

35

Der Senat hat am 20.01.2016 erneut mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.

36

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 08.02.2016 ist Gegenstand der abschließenden Beratung des Senats gewesen.

B.

37

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache überwiegend Erfolg.

38

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weitere Vergütung ihrer Leistungen im Bauvorhaben „...“ in Höhe von 71.400,00 € brutto sowie auf Ersatz ihrer Verzögerungsschäden. Die weiter gehende Klage und damit auch das weiter gehende Rechtsmittel sind unbegründet.

39

I. Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Mehrvergütungsanspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach gerechtfertigt nach § 2 Abs. 5 VOB/B 2009.

40

1. Zwischen den Prozessparteien wurde ein Bauvertrag als Einheitspreisvertrag geschlossen, für den daneben wirksam die Geltung der VOB/B 2009 als Ganzes vereinbart worden ist. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

41

2. Der ursprüngliche Bauvertrag enthält keine Leistungsposition, auf welche die Klägerin die Klageforderungen, ggf. auch unter Verweis auf § 2 Abs. 3 VOB/B, stützen kann.

42

a) Die Leistungsposition 1.2.70 beinhaltet die endgültige Beräumung der Baustelle nach Abschluss aller Bauarbeiten, d.h. einschließlich des Abtransports aller eingesetzten Arbeitsgeräte zu einem von der Klägerin bestimmten neuen Verwahrungsort (neue Baustelle, Betriebsgelände o.ä.). Sie sollte nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien nur einmal erbracht und abgerechnet werden. Die hier streitgegenständliche vorübergehende Beräumung der Baustelle einschließlich der Verbringung aller schwimmenden Arbeitsgeräte an einen Winter-Liegeplatz wird von dieser Leistungsposition nicht erfasst.

43

b) Die Leistungsposition 1.2.10 umfasst die erstmalige Einrichtung der Baustelle vor Beginn aller Bauarbeiten, d.h. einschließlich des Antransports aller eingesetzten Arbeitsgeräte von ihrem aktuellen Standort (z.T. aus den Niederlanden) zur Baustelle. Diese Leistung unterscheidet sich von der hier streitgegenständlichen Wiedereinrichtung der Baustelle nach dem Verlassen des Winter-Liegeplatzes und sollte nach dem übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner ebenfalls nur einmal erbracht und abgerechnet werden.

44

3. Die vorübergehende Beräumung der Baustelle und die Wiedereinrichtung der Baustelle sind entgegen der Auffassung der Beklagten aber auch nicht als Gemeinkosten vom ursprünglichen Bauvertrag i.S. von § 2 Abs. 1 u. 2 VOB/B erfasst.

45

a) aa) Allerdings hat die Beklagte in ihrer Baubeschreibung ausdrücklich und zwingend vorgegeben, dass Kosten der Winterbaumaßnahmen in die Einheitspreise der vorhandenen Leistungspositionen einzukalkulieren seien. Diese Vorgabe ist dahin zu verstehen, dass solche Kosten als Gemeinkosten zu kalkulieren und demnach kalkulatorisch entweder einzelnen Leistungspositionen (z. Bsp. Position 2.1.20 zur viermonatigen Vorhaltung der Baustelleneinrichtung) zugeschlagen oder über alle Leistungspositionen des Vertrags gleichermaßen verteilt werden durften. Als Kosten der Winterbaumaßnahmen waren nach dem Inhalt der Baubeschreibung jedoch nur die sog. Stillstandskosten erfasst, d.h. die Kosten der Vorhaltung von Personal und Ausrüstung während der Unmöglichkeit bzw. der Untersagung der Fortsetzung der Bauarbeiten wegen der winterlichen Witterungsverhältnisse (vgl. Ziffern 2.3, 2.8 und 3.9). Solche Stillstandskosten werden mit der Klage nicht geltend gemacht.

46

bb) Dem gegenüber enthielten die Vergabeunterlagen keine unmittelbaren Aussagen über die Risikoverteilung im Hinblick auf Witterungseinflüsse und auch keine Angaben, die Rückschlüsse auf die gewollte Risikoverteilung zuließen, beispielsweise die im Verlaufe des Rechtsstreits vorgelegten Unterlagen über mögliche Winter-Liegeplätze im L. Kanal in räumlicher Nähe zur Baustelle. Hieran änderte auch der Umstand nichts, dass die Baubeschreibung die Aufforderung an die Bieter enthielt, sich über die Witterungsverhältnisse vor Ort jeweils selbst zu informieren. Nach dem Inhalt der Vergabeunterlagen war insoweit von der üblichen Risikoverteilung im Bauvertrag auszugehen, welche sich u.a. in der Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B widerspiegelt und wonach Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen ein Bauunternehmer bei Abgabe seines Angebots normalerweise nicht rechnen musste, in den Risikobereich des Bestellers fallen (vgl. auch OLG Brandenburg, Urteil v. 26.06.2013, 11 U 36/12, in juris Tz. 38).

47

cc) Das Ergebnis dieser Auslegung der Vergabeunterlagen, also der nicht uneingeschränkten Abgeltung von zusätzlichen Kosten wegen Winterschutzmaßnahmen durch den ursprünglichen Vertrag, wird gestützt durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12.09.2014, der davon ausgeht, dass anders, als das Landgericht meint, aus seiner fachlichen Sicht zusätzliche Leistungen wie die vorübergehende Beräumung der Baustelle von der Leistungsbeschreibung nicht erfasst worden seien (vgl. S. 27).

48

b) Der Baubeschreibung war auch sonst aus dem für öffentliche Ausschreibungen maßgeblichen Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters, welcher die besonderen Gepflogenheiten des Auftraggebers nicht kennt (vgl. BGH, Urteil v. 11.03.1999, VII ZR 179/98, NJW 1999, 2432, in juris Tz. 12 f.), nicht zu entnehmen, dass im Falle der Untersagung der Fortführung der Arbeiten auch ein Abtransport aller Arbeitsgeräte aus dem Baustellenbereich erforderlich werden könnte.

49

aa) Schon der Umstand, dass die Baubeschreibung keine Leistungspositionen für eine vorübergehende Baustellenberäumung und -wiedereinrichtung enthält, spricht dafür, dass die Beklagte selbst ursprünglich davon ausging, dass eine solche Maßnahme nicht erforderlich werden würde, dass jedenfalls aber ein potenzieller Bieter davon ausgehen durfte, dass ein vorübergehendes Beräumen der Baustelle vor Abschluss der Bauarbeiten nicht erforderlich sein würde (vgl. BGH, Urteil v. 22.12.2011, VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172, in juris Tz. 21; Urteil v. 21.03.2013, VII ZR 122/11, NJW 2013, 1957, in juris Tz. 21). Die Beklagte macht selbst auch nicht etwa geltend, dass sich aus der Baubeschreibung unmittelbar ein Anhaltspunkt für die Notwendigkeit einer vorübergehenden Beräumung der Baustelle ergebe. Die Baubeschreibung enthielt unmittelbar nur den Hinweis, dass im Hinblick auf extreme Witterungsverhältnisse die vorübergehende Einstellung der Arbeiten einzukalkulieren sei. Die Einstellung der Arbeiten ist typischerweise nicht mit einer Baustellenberäumung verbunden.

50

bb) Allerdings werden von einem Bauvertrag auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an die Aufstellung einer eindeutigen und erschöpfenden Baubeschreibung nach § 9 VOB/A missachtet, gleichwohl alle Leistungen und Erschwernisse umfasst, mit denen der potenzielle Bieter nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen Unternehmens rechnen musste (vgl. BGH, Urteil v. 22.12.2011, a.a.O., in juris Tz. 22; OLG Schleswig, Urteil v. 31.10.2006, 3 U 28/05, BauR 2007, 1879). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt.

51

(1) In der Baubeschreibung wies die Beklagte darauf hin, dass für einen längeren Zeitraum als die Ausführungszeit lt. Vertrag und in einem räumlich längeren Abschnitt als dem Baustellenbereich der L. Kanal für jeglichen Verkehr (mit Ausnahme hoheitlich tätiger Wasserfahrzeuge) gesperrt sein werde (Ziffer 2.3). Hieraus durfte ein fachkundiger Bieter den Schluss ziehen, dass eine Beräumung der Baustelle während der Bauausführungszeit aus Gründen der Sicherheit des Schiffsverkehrs nicht erforderlich sein werde.

52

(2) Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Beräumung der Baustelle vor Abschluss der Arbeiten, insbesondere aus Witterungsgründen, ergaben sich auch nicht aus bautechnischen Gründen.

53

Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 03.06.2015 ausgeführt, dass es in der konkreten Situation Anfang Dezember 2010 „bautechnisch erforderlich“ gewesen sei, die schwimmenden Baustellenfahrzeuge aus dem Baustellenbereich zu entfernen, um Schäden am Ufer und an den Fahrzeugen abzuwenden (S. 17). Er hat aber nicht ausgeführt, dass mit der Notwendigkeit der Beräumung der Baustelle auf einer innerstädtischen Wasserstraße allgemein aus bautechnischen Gründen zu rechnen gewesen sei (die Klägerin hat insoweit auch vorgetragen, dass dies nicht üblich sei), sondern hat die Aussage nur darauf gestützt, dass die auf konkreten Erfahrungswerten in B. aufbauende Verfahrensweise auf dem L. Kanal bereits in den vorhergehenden Jahren praktiziert worden sei (ebenda). Über derartige Erfahrungswerte musste die Klägerin jedoch nicht verfügen; ohne konkrete Hinweise der Beklagten in den Vergabeunterlagen musste sie insoweit auch keine Nachforschungen anstellen (vgl. BGH, Urteil v. 12.09.2013, VII ZR 227/11, NJW 2013, 3511). Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen in Abschnitt II.3. a) bb) dieser Gründe Bezug genommen.

54

Soweit der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten Schäden bezeichnet hat, die am Ufer der Baustelle durch Eis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstanden wären, waren diese Schadensrisiken zum Zeitpunkt der Durchführung der öffentlichen Ausschreibung für die Klägerin als Bieterin nicht erkennbar und verpflichteten nicht zu einer vorsorglichen kalkulatorischen Berücksichtigung der Kosten einer Beräumung der Baustelle vor Abschluss der Arbeiten. Denn an dem bereits hergestellten Teil der Spundwand wären Schäden nicht zu besorgen gewesen (vgl. Ergänzungsgutachten S. 18). Gleiches gilt für die Wasserfahrzeuge selbst. Schadensbedroht wären allenfalls die z. Zt. der Einstellung der Arbeiten noch nicht hergestellten Uferbereiche gewesen; insoweit fehlt es an Anhaltspunkten, dass diese Schadensgefahr primär von der nicht geräumten Baustelle ausgegangen wäre.

55

4. Unter Berücksichtigung der Vorausführungen ist die kostenaufwendige Beräumung und Wiedereinrichtung der Baustelle als eine Zusatzleistung zu bewerten, welche in technischer Hinsicht mit der Ausführung der vereinbarten Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang stand, was dazu führt, dass die Voraussetzungen eines Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu prüfen waren (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.08.2002, 22 U 25/02, nachgehend BGH, Beschluss v. 30.09.2004, VII ZR 165/04, in juris Tz. 56), und nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 VOB/B für eine nachträglich geforderte selbständige Leistung, die nur anlässlich der Ausführung der beauftragten Leistungen erbracht wurde. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B sind hier gegeben.

56

a) Allerdings wurde eine Änderung des Bauentwurfs i.S. von § 1 Abs. 3 VOB/B nicht angeordnet, die nach § 2 Abs. 5 Alt. 1 VOB/B einen Mehrvergütungsanspruch zu rechtfertigen geeignet wäre. Der Bauentwurf selbst blieb unverändert.

57

b) Die Klägerin kann sich jedoch mit Erfolg auf eine „andere Anordnung" i.S. von § 1 Abs. 4 VOB/B berufen und damit auf die Voraussetzungen des Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Abs. 5 Alt. 2 VOB/B (vgl. OLG Naumburg, Urteil v. 23.06.2011, 2 U 113/09, BauR 2012, 255).

58

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als Anordnung des Auftraggebers i.S. von §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 5 Alt. 2 VOB/B nicht nur jede eigene Erklärung des Auftraggebers anzusehen, sondern auch jede fremde Erklärung, die eine Anweisung über die Modalitäten der Auftragsausführung enthält und hinsichtlich der objektiv erkennbar ist, dass sie dem Auftraggeber zurechenbar ist und dass der Auftraggeber die Befolgung dieser Anweisung erreichen will (vgl. Senat, a.a.O.).

59

bb) Die Beklagte hat in der Baubeschreibung, dort in Ziffer 3.1, ausdrücklich angeordnet, dass den Weisungen der WSA AB N. als zuständiger Behörde für den Wasserstraßenverkehr unbedingt Folge zu leisten sei. Aufgrund dieser Vorgabe waren die Weisungen dieser Behörde der Beklagten unmittelbar zurechenbar.

60

cc) Selbst wenn man aus der Baubeschreibung eine unmittelbare Anordnung der Beklagten, wonach die Weisungen des WSA AB N. in schifffahrtsverkehrsrechtlicher Hinsicht zu befolgen seien, nicht ableitete, läge zumindest eine konkludente Genehmigung der Beklagten zur Befolgung dieser Anweisung des WSA AB N. vor. Denn ungeachtet des Streits der Prozessparteien über die Einzelheiten der am 29./30.11.2010 geführten Telefonate ist jedenfalls unstreitig, dass die Klägerin den verantwortlichen Bauleiter der Beklagten vor Befolgung der Weisung des WSA AB N. über deren Inhalt und die möglichen Kostenfolgen informiert und die Beklagte der Befolgung dieser Weisung durch die Klägerin zumindest nicht widersprochen hat, so dass die generelle Anordnung aus Ziffer 3.1 der Baubeschreibung Wirksamkeit entfaltete.

61

5. Nur vorsorglich ist darauf zu verweisen, dass dann, wenn man entgegen der Auffassung des Senats die Weisung des WSA AB N. nicht als eine andere Anordnung i.S. von §§ 2 Abs. 5 Alt. 2 i.V.m. 1 Abs. 4 VOB/B ansähe, sich ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B ergäbe.

62

a) Die vom Landgericht vertretene Auffassung, wonach die Anwendung dieser allgemeinen Vertragsbedingung bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil die Beräumung der Baustelle wegen der Witterungsverhältnisse von der Leistungspflicht des Vertrags erfasst sei, trifft nach den Vorausführungen nicht zu.

63

b) Bei Annahme einer Leistungsausführung der Klägerin ohne eine der Beklagten zurechenbare Anordnung, d.h. ohne Auftrag, besteht zwar nach § 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B grundsätzlich keine Vergütungspflicht. Etwas Anderes gilt jedoch nach Abs. 8 Nr. 2 u.a. ausnahmsweise dann, wenn die Leistung für die Erfüllung des Vertrags notwendig war, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprach und ihm unverzüglich angezeigt wurde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

64

Die Notwendigkeit der Beräumung der Baustelle nach dem Ergehen der schifffahrtspolizeilichen Anordnung vom 29.11.2010 hat der gerichtliche Sachverständige bestätigt (vgl. Gutachten v. 12.09.2014, S. 21 f.). Selbst wenn man nicht davon ausginge, dass die Anordnung der Beklagten zurechenbar war und die Beklagte deren Befolgung wollte, so entsprach die Beräumung der Baustelle zum Beginn der Frostperiode und das Wiedereinrichten der Baustelle bei Möglichkeit der Fortsetzung der Arbeiten zumindest dem mutmaßlichen Willen der Beklagten. Hiergegen hat die Beklagte auch im Rechtsstreit keine Einwendungen erhoben. Die Klägerin zeigte die möglichen Zusatzkosten auch unverzüglich mit der Baubehinderungsanzeige unter dem 02.12.2010 an. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügte die vorgenannte Baubehinderungsanzeige der Klägerin den rechtlichen Anforderungen, welche auch der Senat als konstitutiv ansieht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Mitteilung der Anordnung des WSA AB N. und der hierauf bezogenen Baubehinderungsanzeige einerseits und aus der Ankündigung von Mehrvergütungsansprüchen für die Beräumung und die spätere Wiedereinrichtung der Baustelle andererseits war ohne weiteres darauf zu schließen, worin die zusätzlichen Leistungen bestehen würden, deren Anfall die Klägerin anzeigte.

65

II. Im Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist festzustellen, dass der Anspruch auf Mehrvergütung in Höhe von 60.000,00 € netto bzw. 71.400,00 € brutto begründet ist. Die Nebenforderungen sind in Anpassung an diesen Hauptanspruch begründet.

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1. Besteht ein Anspruch nach § 2 Abs. 5 Alt. 2 VOB/B, so ist der Preis für beide Leistungen unter Berücksichtigung der Grundlagen der Preisermittlung des ursprünglichen Angebots, hier also der Leistungspositionen 2.1.10 und 2.1.70 als sachnächste Leistungspositionen, zu bestimmen. Besteht (bei hilfsweiser Betrachtung) statt dessen ein Anspruch nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B, ist nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 3 VOB/B die Vorschrift des § 2 Abs. 5 VOB/B entsprechend anzuwenden. Auf den ortsüblichen Preis für die streitgegenständlichen Zusatzleistungen kommt es deswegen nicht an, sondern auf eine Fortentwicklung des Vertragspreises. Diese Grundsätze hat der gerichtliche Sachverständige bei seiner Preisermittlung zutreffend berücksichtigt.

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2. Die Preisermittlungen des gerichtlichen Sachverständigen, welche zu einem Nettobetrag in Höhe von 60.000,00 € geführt haben, sind auch geeignet, hierauf eine gerichtliche Entscheidung zu stützen.

68

a) Die von der Klägerin geltend gemachten höheren Mehrvergütungsansprüche sind nicht gerechtfertigt. Der gerichtliche Sachverständige hat letztlich eine Verbringung der Arbeitsgeräte in den Westhafen, wie geschehen, nicht für erforderlich erachtet, sondern es als notwendig, aber ausreichend erachtet, die Geräte Nr. 2 und Nr. 10 an der Liegestelle bei km 1,8, die Geräte Nr. 1, Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 7 an der Liegestelle km 3,2 und die Geräte Nr. 4, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 11 und Nr. 12 an der Liegestelle km 7,5 festzumachen (vgl. Gutachten v. 12.09.2014, S. 23). Die Verbringung der Geräte dorthin war Anfang Dezember 2010 auch möglich (Ergänzungsgutachten v. 03.06.2015, S. 14 ff.). Gegen diese Feststellungen, welche sich der Senat zu Eigen macht, hat die Klägerin zuletzt keine Einwendungen mehr erhoben.

69

b) Der gerichtliche Sachverständige hat aus den Liegestellen abgeleitet, dass der Kalkulation des Nachtragsangebots NA 1 ein zu hoher Aufwand für die Überführung zugrunde gelegt wurde (Ergänzungsgutachten S. 19) und hat stattdessen den erforderlichen Aufwand mit etwa zwei bis drei Stunden Fahrzeit mit zwei Schubbooten angegeben. Die Personal- und Gerätekostenaufwendungen der Klägerin im Nachtragsangebot NA 1 hat er hingegen nicht bezweifelt; sie entsprechen den Kostenansätzen in der Ursprungskalkulation des Gesamtauftrags. Gegen diese Einzelerwägungen des Sachverständigen, die der Senat übernimmt, hat die Beklagte keine Einwendungen mehr erhoben.

70

c) Im Übrigen hat der gerichtliche Sachverständige die Preisermittlung zwar nicht im Einzelnen dargestellt; das Ergebnis seiner Preisermittlung ist jedoch bei einem Vergleich der Urkalkulation des Angebots und der Kalkulation des Nachtrags NA 1 hinreichend nachvollziehbar. Die Höhe der jeweiligen Aufwendungen für den Abbau und Wiederaufbau der schwimmenden Arbeitsgeräte ist unabhängig davon, wie lang die Transportwege zum jeweiligen Winter-Liegeplatz sind; sie werden letztlich schon durch die Höhe der ersten zu unterquerenden Brücke bestimmt. Gleiches gilt für die An- und Abtransporte der Arbeitsmittel (Spezialkran etc.) für diesen Abbau bzw. Wiederaufbau. Zu kürzen sind vor allem die mit den Wassertransporten zusammenhängenden Kosten. Diese Kürzungen sind aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu entnehmen und als sachgerecht zu bewerten.

71

d) Die gegen die Berechnung des Sachverständigen gerichtete singuläre Einwendung der Beklagten ist unerheblich. Die Beklagte hat sich allein gegen die angebliche Unschlüssigkeit des Ergebnisses gewandt, sie ist aber von der (ungekürzten) Nachtragsberechnung der Klägerin und nicht von dem auf ca. 52 % reduzierten Betrag des Sachverständigen ausgegangen. Insoweit unterstützen diese Erwägungen die Tendenz des gutachterlichen Ergebnisses, ohne dessen Größenordnung in Frage stellen zu können. Nur ergänzend ist darauf zu verweisen, dass auch keine der Prozessparteien eine Anhörung des Sachverständigen beantragt hat.

72

3. Der Zinsanspruch der Klägerin ist nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB begründet. Die Klägerin hat die Kosten des Nachtrags NA 1 bereits mit der 5. Abschlagsrechnung geltend gemacht, welche der Beklagten am 29.07.2011 zuging, so dass der Zahlungsverzug der Beklagten spätestens am 30.08.2011 eintrat. Mit der Erstellung der Schlussrechnung erlosch der selbständige Anspruch der Klägerin auf Abschlagszahlung. Mit Ablauf der Zahlungsfrist der Schlussrechnung trat erneut ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung ein.

73

4. Die mit dem Antrag zu lit. b) geltend gemachten Verzögerungsschäden in Gestalt vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sind - hinsichtlich des Gegenstandswerts entsprechend des geringeren Betrags der zuerkannten Hauptforderung reduziert - gerechtfertigt. Bei einem Gegenstandswert von 71.400,00 € ergibt sich eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 RVG in Höhe von 1.560,00 € und eine Telekommunikationspauschale nach VV Nr. 7002 RVG in Höhe von 20,00 €, woraus sich der im Urteilsausspruch bezifferte Betrag ergibt.

C.

74

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO.

75

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

76

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

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Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 18. Feb. 2016 - 2 U 17/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Sept. 2013 - VII ZR 227/11

bei uns veröffentlicht am 12.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 227/11 Verkündet am: 12. September 2013 Anderer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 08. Feb. 2006 - 3 U 28/05

bei uns veröffentlicht am 08.02.2006

Tenor I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.

Referenzen

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Januar 2005 - Az.: 2 O 157/03 - wie folgt

abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.04.2003 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fuchshengstes … nebst Pferdepass und Eigentumsurkunde.

2. Es wird festgestellt, dass

a) sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Hengstes in Verzug befindet und

b) der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen für das vorbezeichnete Pferd, insbesondere die Kosten für Stall, Futter, Misten, artgerechte Bewegung, Hufschmied, Tierarzt, zu ersetzen.

II.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Der Streithelfer der Beklagten trägt die durch die Streithilfe verursachten Kosten.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert:

Kaufpreiserstattung

150.000,00 Euro

Feststellungsbegehren   

        

Annahmeverzug

500,00 Euro

Kostenersatz

  25.000,00 Euro

insgesamt

175.500,00 Euro

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro für ein Dressurpferd sowie Feststellung des Annahmeverzugs und der Ersatzpflicht für die seit Übernahme angefallenen Haltungskosten.
1.
Die Klägerin suchte im November 2002 ein Reitpferd zum Kauf und anschließenden Gebrauch durch die damals 16-jährigen Tochter des Geschäftsführers ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin auch für hochklassige Dressur-Wettbewerbe der Klassen M und S. Tätig wurde hierzu für die Klägerin die Ehefrau des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin, die Zeugin …. Im Rahmen ihrer Bemühungen kam die Zeugin Mitte November 2002 in Kontakt zum Beklagten, einem Pferdehändler, der ihr mehrere Pferde vorführte, darunter den seinerzeit 8-jährigen, gekörten Hannoveraner-Hengst " … ", der sodann nach verschiedenen Proberitten käuflich erworben werden sollte. Vor Abschluss des Kaufvertrages, für den die Zeugin … und der Beklagte sich auf den Kaufpreis des Pferdes von 150.000,00 Euro verständigt hatten, wünschte die Zeugin eine Untersuchung des Gesundheitszustandes des Pferdes.
Am 18.11.2002 wurde hierzu unter zwischen den Parteien umstrittenen Umständen, jedenfalls aber auf Veranlassung des Beklagten, der Tierarzt Dr. … , Streithelfer des Beklagten, Mitinhaber der vom Standort des Pferdes ca. 80 km entfernt gelegenen - Klinik, aufgesucht, der ehedem verschiedentlich Pferde des Beklagten untersucht bzw. behandelt hatte. Im Rahmen der hiernach durch die Zeugin … am 18.11.2002 beauftragten und in Anwesenheit der Zeugin durchgeführten Untersuchung wurde das Pferd u.a. geröntgt. Zum Untersuchungsbefund wurde auf dem standardisierten Formular "Protokoll zur Untersuchung eines Pferdes" (Anlage K1 - Bl.6f.d.A.) u.a. festgehalten:
"Röntgen Gliedmaßen:
17 Aufnahmen liegen zur Begutachtung bei. Nach unserer tierärztlichen Erfahrung ohne krankhafte Befunde.
Röntgenklasse I - II"
Weiter ist die vorgedruckte Passage im Formular "Bei der heutigen Untersuchung konnten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt werden" nicht gestrichen.
Umstritten ist zwischen den Parteien insbesondere, ob und - wenn ja - welche mündlichen Ausführungen der Streithelfer des Beklagten sowie dessen ebenfalls konsultierter Kollege Dr. … zu gewissen Abnormitäten am Mittelfußknochen des rechten Hinterbeines des Pferdes gemacht hätten und ob der Streithelfer ergänzende Untersuchungen empfohlen habe.
Der Beklagte überbrachte das Pferd am 20. November 2002 nach Stuttgart und übergab es der Klägerin, welche den Betrag von 150.000,00 Euro bezahlte.
10 
Bereits kurze Zeit nach Erhalt des Pferdes will die Klägerin "Taktunreinheiten" im Gang des Pferdes bemerkt und diese Anfang des Jahres 2003 gegenüber dem Beklagten beanstandet haben. Wegen nach Auffassung der Klägerin eingetretener Lahmheit erfolgte am 21.01.2003 eine Untersuchung des Pferdes durch die Dres. … und … , welche hierüber am 11.04.2003 schriftlich Bericht erstatteten (Anlage K7 - Bl.23d.A.). Es folgten weitere Untersuchungen durch die Tierärzte Dr. … am 27.01.2003, der am 03.02.2003 ein diesbezügliches Attest (Bl.58d.A.) erteilte, durch Prof. Dr. … , der am 07.03.2003 einen Befundbericht verfasste (Bl.59f.d.A.) und am 07.05.2003 durch Dr. … , der am 04.06.2003 ebenfalls ein schriftliches Attest erteilte (Bl.61d.A.).
11 
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.01.2003 wegen "Spat" (Anlage K3 - Bl.17d.A.) und - über ihren früheren Prozessbevollmächtigten - vom 02.04.2003 wegen "Taktunreinheiten" (Anlage K6 - Bl. 21 d.A.) den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Rückzahlung des Kaufpreises verlangt, damals noch zuzüglich eines an den Bereiter des Pferdes, den Zeugen …, bezahlten Betrages von 5.000,00 Euro.
12 
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2.
13 
Das Landgericht hat entsprechend Beschlusses vom 08.09.2003 (Bl.51f.d.A.) zunächst Beweis erhoben zu der umstrittenen Behauptung der Klägerin, zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges habe eine Spat-Erkrankung des Pferdes bestanden, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Prof. Dr. … hat in seinem Gutachten vom 23. Februar 2004 (Bl.94ffd.A.) die Beweisbehauptung bejaht. Auf Einwendungen des Beklagten hin hat das Landgericht den Sachverständigen im Termin vom 03.05.2004 ergänzend gehört (Protokoll Bl.129ff.d.A.). Ferner hat das Landgericht in Ausführung des Beweisbeschlusses vom 12. Juli 2004 (Bl.144ffd.A.) im Termin vom 15.11.2004 die Zeugen … , … , Dr. … , Dr. … und … vernommen (Protokoll Bl.175ff.d.A).
14 
Mit seinem am 10.01.2005 verkündeten Urteil (Bl.215ff.d.A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe mit einem Sachmangel behaftet gewesen sei. Das Pferd sei aber selbst unter Einbeziehung des Befundes des Sachverständigen Prof. Dr. … jedenfalls nicht grundsätzlich für den Dressursport untauglich, da es nicht zwingend taktunrein, sondern lediglich "immer wieder einmal taktunrein" bzw. "immer mal wieder lahm" gehe. Dies könne aber auf sich beruhen bleiben, weil jedenfalls ein Rücktritt nach § 442 BGB ausgeschlossen sei. Die Ehefrau des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin habe gewusst, dass die Röntgenbilder des fraglichen Gelenks "nicht der Röntgenklasse 1" entsprochen hätten. Sie habe ausreichend Gelegenheit gehabt, diese Röntgenbilder einem weiteren Arzt zu zeigen. Die Unterlassung ziehe den Haftungsausschluss nach sich.
3.
15 
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung der Klage. Neben der bereits erstinstanzlich geltend gemachten Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro zuzüglich Zinsen und Feststellung des Annahmeverzugs begehrt sie nunmehr auch Feststellung des Anspruchs auf Ersatz der Aufwendungen für das Pferd. Zur Begründung führt sie aus:
16 
Der Befund des Sachverständigen habe ergeben, dass das Pferd mangelhaft gewesen sei. Das Beweisergebnis habe exakt den Beweisbehauptungen der Klägerin entsprochen, welche mit dem Beweisbeschluss als entscheidungserheblich eingestuft worden seien. Deshalb sei es unverständlich, wie das Landgericht zu der Auffassung gelangen könne, der Hengst sei zu Dressurzwecken geeignet und zu Recht in die Röntgenklasse I bis II eingeordnet worden. Denn dies habe nicht dem tatsächlichen Zustand des Pferdes zum  Zeitpunkt der Untersuchung entsprochen. Geschuldet gewesen sei ein hochklassiges Pferd, welches auf Turnieren in Dressurprüfungen der Klasse S (schwer) vorgestellt hätte werden können. Tatsächlich sei das Pferd aber entsprechend dem Befund des Sachverständigen in die Röntgenklasse II bis III einzustufen und wegen seines taktunreinen Ganges für derartige Turniere nicht brauchbar.
17 
§ 442 BGB sei nicht einschlägig. Weder die Klägerin noch der Geschäftsführer oder dessen Ehefrau, die nicht einmal Organ der Klägerin sei, hätten positive Kenntnis von der Erkrankung des Pferdes gehabt. Weiter sei der Mangel auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unerkannt geblieben. Hierzu sei auf die im Einzelfall erforderliche Sorgfalt abzustellen, d.h. auf das Mindestmaß an Information und Aufmerksamkeit. Dieses müsse der Käufer in besonders schwerem Maße vernachlässigt haben. Die Klägerin habe das Pferd aber untersuchen lassen. Hierbei sei nicht allein kein pathologischer Befund festgestellt worden. Wie ein roter Faden ziehe sich vielmehr durch den Untersuchungsbericht, dass das Pferd als völlig gesund eingestuft worden sei. Zu einer weiteren Untersuchung sei die Klägerin insbesondere deswegen nicht verpflichtet gewesen, weil der Streithelfer der Beklagten entgegen seinen Bekundungen als Zeuge das Wort "Spat" nicht verwandt und auch keine weitergehenden Maßnahmen empfohlen habe.
18 
Der Kaufvertrag sei unter der aufschiebenden Bedingung der völligen Gesundheit des Pferdes geschlossen worden. Infolge des Vorliegens der Erkrankung sei der zunächst schwebend unwirksam gewesene Vertrag irreversibel unwirksam geworden. Insofern ergebe sich der Rückzahlungsanspruch bereits aus § 812 BGB.
19 
Mit Schriftsatz vom 06.11.2005 (Bl.433ff.d.A.) hat die Klägerin eine Erkrankung des rechten Hüftgelenks behauptet, diese Behauptung aber im Termin vom 20.01.2006 fallen gelassen (vgl. Bl.656d.A.).
20 
Die Klägerin beantragt,
1.
21 
das am 10.01.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart (2 O 157/03) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 150.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 22.01.2003 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe des Fuchshengstes … nebst Pferdepass und Eigentumsurkunde, ferner
2.
22 
festzustellen, dass
a)
23 
sich der Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Hengstes in Verzug befindet und
b)
24 
der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen für das vorbezeichnete Pferd, insbesondere die Kosten für Stall, Futter, Misten, artgerechte Bewegung, Hufschmied, Tierarzt usw. zu ersetzen,
3.
25 
hilfsweise nach den in erster Instanz gestellten Schlussanträgen der Klägerin zu erkennen.
26 
Der Beklagtenvertreter beantragt,
27 
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
28 
Der Streithelfer des Beklagten beantragt,
29 
die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.01.2004 Az: 2 O 157/03 zurückzuweisen.
30 
Der Beklagte verteidigt die landgerichtliche Entscheidung mit folgender Begründung:
31 
Es sei zum Vertragsschluss gekommen, zumal das Tier auf Geheiß der Zeugin … nach Stuttgart verbracht worden und daraufhin die Kaufpreisabwicklung erfolgt sei.
32 
Ein Sachmangel liege nicht vor. Die Beurteilung, ob dies der Fall sei oder nicht, sei anhand der Beschaffenheitsvereinbarung zu beurteilen. Die Vereinbarung sei bestimmt von dem Ergebnis der Ankaufsuntersuchung, bei der sich nach dem Beweisergebnis Beeinträchtigungen gezeigt hätten, welche der Zeugin … auch mitgeteilt worden seien. Der Streithelfer des Beklagten habe glaubhaft bekundet, dass er der Ehefrau des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin deutlich gesagt habe, der Befund gehe "in Richtung Spat" und sie solle sich nochmals mit einem Tierarzt ihres Vertrauens besprechen, um sie auf diese Weise in die Mitverantwortung über die Entscheidung zu nehmen.
33 
Zumindest begründe dieser Kenntnisstand die Anwendung des § 442 BGB. Die Zeugin habe grob fahrlässig gehandelt, indem sie die mögliche und angeratene weitere veterinärmedizinische Befundung durch einen Tierarzt ihres Vertrauens unterlassen habe. Der Streithelfer Dr. … habe der Zeugin … mehrfach verdeutlicht, dass der Befund in das große Raster der Spat-Erkrankungen gehöre. Damit habe der Beklagte alles getan, was in seiner Macht gestanden habe, die gesundheitliche Situation des Tieres zu klären.
34 
Im Übrigen folge aus § 377 HGB der Haftungsausschluss. Die genannte Vorschrift sei auch in den Kontext des § 442 BGB zu stellen. Mit geringsten Informationsanstrengungen würde die Klägerin weitere Befundungen vorgenommen haben können.
35 
Den Feststellungsantrag hält der Beklagte schon wegen einer möglichen Leistungsklage für unzulässig.
36 
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
4.
37 
Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund der Beschlüsse vom 22.06.2005 (Bl.327d.A.) und 27.07.2005 (Bl.388ff.d.A.) durch Vernehmung der bereits erstinstanzlich gehörten Zeugen … , Dr. … , Dr. … und … . Wegen der Aussagen der Zeugen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.06.2005 (Bl.327ff.d.A.) und vom 16.11.2005 (Bl.447ff.d.A.) Bezug genommen. Er hat ferner aufgrund Beschlüssen vom 22.06.2005 (Bl.333d.A.), vom 16.11.2005 (Bl. 453f d.A.) und vom 20.01.2006 (Bl.655d.A.) den Sachverständigen Prof. Dr. … zu ergänzenden mündlichen und schriftlichen Erläuterungen seines Gutachtens veranlasst. Hierzu wird auf den Inhalt der Verhandlungsprotokolle (vgl. Bl. 333ff.d.A. und Bl.655ff.d.A.) und das schriftliche Gutachten vom 09.01.2006 (Bl. 592ff d.A.) Bezug genommen.
38 
Der Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung noch den Antrag gestellt, ihm ein Schriftsatzrecht zur Stellungnahme auf das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 17.01.2006 zu gewähren.
II.
39 
Die zulässige Berufung hat mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg. Die Klägerin kann vom Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises für das Pferd " … " und Feststellung des Annahmeverzugs verlangen. Zulässigerweise und in der Sache zu Recht macht die Klägerin auch den Feststellungsanspruch hinsichtlich der Ersatzpflicht des Beklagten für die seit der Übernahme entstandenen laufenden Kosten der Haltung des Pferdes geltend.
40 
1. Das erstmals in der Berufungsbegründung erhobene Feststellungsbegehren ist zulässig.
41 
a. Nur hinsichtlich des Zusatzes im Text des Antrages "usw." als Abkürzung von "und so weiter" entspricht der Antrag nicht den Anforderungen des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Der Antrag ist insofern unbestimmt und lässt den Umfang der Verpflichtung nicht erkennen, deren Feststellung die Klägerin begehrt.
42 
b. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 533 Nr. 2 ZPO sind gegeben. Die Klageerweiterung kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Entscheidung nach § 529 ZPO zugrunde legen kann. Dass das Pferd die im Antrag bezeichneten laufenden Kosten - ohne Festlegung zu Umfang und Höhe und im Rahmen des Erforderlichen - verursacht, hat der Beklagte nicht bestritten. Die Kostenentstehung liegt auch auf der Hand, nachdem das Pferd untergebracht, verpflegt und - zumindest im Rahmen einer artgerechten Haltung - bewegt werden muss.
43 
c. Das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht ebenfalls. Die bislang entstandenen Kosten könnten zwar beziffert werden. Hierauf ist die Klägerin aber nicht zu verweisen. Die Klägerin ist nicht gehalten, ihre Klage hinsichtlich der entstandenen und immer wieder neu entstehenden Kosten - während des Prozesses fortlaufend - in ein Leistungs- und ein Feststellungsbegehren aufzuspalten, solange mit der Entstehung weiteren Aufwandes noch zu rechnen ist (vgl. BGH NJW 2003, 2827; BGH NJW 1999, 3774).
44 
2. Hinsichtlich des Begehrens, den Annahmeverzug des Beklagten festzustellen, ergibt sich das Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Erleichterungen für die Vollstreckung des Zahlungstitels gem. §§ 322 Abs.2, 274 Abs.2 BGB.
45 
3. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 150.000,00 Euro ergibt sich aus §§ 434 Abs.1 Satz 2 Nr.1, 437 Nr.2, 440 S. 1 i.V.m. §§ 323 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 346 Abs. 1 BGB.
46 
a) Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen. Entgegen der Ansicht der Klägerin stand der Vertragsschluss nicht unter der aufschiebenden Bedingung gem. § 158 Abs.1 BGB, dass das Pferd vollkommen gesund sei. Zur Beurteilung der Frage, ob die Parteien eine solche Bedingung vereinbart haben, sind die Erklärungen der Parteien nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Entscheidend sind die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten. Nach der Würdigung des Senats entspricht eine Auslegung der Erklärungen der Beteiligten in dem Sinne, dass die Geltung der Vereinbarung von der Gesundheit des Pferdes hätte abhängen sollen, nicht dem von den Parteien Gewollten. Vielmehr ist es umgekehrt: die Parteien haben die Einigung vollzogen, nachdem - vermeintlich - ein guter Gesundheitszustand des Pferdes festgestellt worden war. Vorliegend wurde der Leistungsaustausch vollständig durchgeführt. Konsequenter Weise hat die Klägerin von Anfang an Gewährleistungsrechte geltend gemacht und ist bis zur Berufung selbst von der Wirksamkeit des Vertrages ausgegangen. Schließlich ist die von ihr angeführte Entscheidung des OLG Köln (MDR 1995, 31) nicht einschlägig. Anders als in dem Fall, welchen das OLG Köln entschieden hat, wurde vorliegend die Ankaufuntersuchung durchgeführt, mit scheinbar positivem Ausgang, das Pferd verblieb nicht beim Verkäufer und wurde vollständig bezahlt.
47 
b) Das Pferd war zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel behaftet. Ihm fehlte eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs.1 Satz 2 Nr.1 BGB, indem es zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gem. § 446 BGB an der Krankheit Spat im Bereich der rechten Hintergliedmaße litt und daran auch jetzt noch leidet. Diese Erkrankung hat eine chronische gering- bis mittelgradige Lahmheit zur Folge, wodurch das Pferd für die vorausgesetzte Verwendung im Dressursport ungeeignet ist.
48 
aa) Der Umstand, dass das Pferd an Spat - also an einer deformierenden Gelenkentzündung - leidet und zum Zeitpunkt der Übergabe bereits litt, ist unter den Begriff der Beschaffenheit des Tieres im Sinne des Gesetzes zu subsumieren. Der Begriff umfasst jedenfalls die der Sache anhaftenden Eigenschaften (z.B. neu oder gebraucht, Größe, Gewicht, Alter), die nicht zusicherungsfähig sein müssen. Die weitere Reichweite des Begriffes ist allerdings umstritten. Nach einer Auffassung gehören hierzu auch äußere Umstände, wirtschaftliche und rechtliche Bezüge, die ihren Grund im tatsächlichen Zustand der Sache selbst haben und ihr auf eine gewisse Dauer anhaften (Palandt/Putzo, BGB, § 434, Rn. 10f. zum neuen Recht unter Berufung auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1992, 2564) zu § 459 a.F.). Andere Auffassungen wollen nur physische Merkmale der Sache selbst zulassen (Nachweise bei Jauernig/Berger, BGB, § 434 Rn.7). Die Streitfrage braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn die Frage, ob das Pferd an der Erkrankung leidet bzw. zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits gelitten hat, beschreibt ein physisches Merkmal des Tieres und damit eine Eigenschaft auch im Sinne der engeren Sichtweise.  
49 
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine nachteilige Veränderung des Sprunggelenks in der Weise, wie es der Streithelfer der Beklagten in Einklang mit dem Vortrag des Beklagten als Inhalt der Befundung im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung der Zeugin … mit dem Hinweis auf sich daraus für die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes des Pferdes dargelegt haben will, nicht Vertragsinhalt geworden. Der Beklagte und sein Streithelfer haben bereits nicht bewiesen, dass Letzterer und der ebenfalls konsultierte Zeuge Dr. … im auf die Untersuchung folgenden Gespräch zum Gesundheitszustand des Pferdes vom schriftlich niedergelegten Untersuchungsergebnis nachteilig abweichende Angaben gemacht haben.
50 
(1) Der Senat teilt insofern die Auffassungen des Landgerichts nicht und legt seiner Entscheidung auch nicht den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde, weil er die erhobenen Beweise nach erneuter umfassender Beweisaufnahme abweichend würdigt (vgl. BGH NJW 2005, 1583). Die Zeugin … hat nach Auffassung des Senats plausibel bekundet, dass sie während und im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung nicht auf die Gefahr oder Möglichkeit einer Spat- oder sonstigen erheblichen Gelenkerkrankung hingewiesen worden, ihr vielmehr durchweg der Eindruck vermittelt worden sei, das Pferd sei auch nach den Röntgenbildern gesundheitlich einwandfrei und die als unbedenklich dargestellte Einstufung "Röntgenklasse I - II" erfolge nur zur Sicherheit wegen einer Kleinigkeit. Die Zeugin hat zudem glaubhaft bekundet, dass sie nicht nur den Beklagten vor den Kaufverhandlungen, sondern auch den Streithelfer vor Beginn der Ankaufsuntersuchung auf den beabsichtigten Einsatz des Pferdes bei Dressurwettbewerben der Klassen M und S hingewiesen hat. Damit hat sie diese Verwendung nicht nur zum Maßstab für die Untersuchung, sondern auch für den Kaufvertrag gemacht.
51 
(2) Der Senat ist nach Würdigung aller Zeugenaussagen der Überzeugung, dass selbst dann, wenn bei der Ankaufsuntersuchung das Wort "Spat" gefallen sein sollte, was der Senat ausdrücklich offen lässt, dies allenfalls im Sinne der negativen Abgrenzung des Zustandes des Pferdes hierzu geschehen sei, also dergestalt, dass erklärt worden sei, bei dem Pferd liege eine Spat-Erkrankung oder ein Risiko für eine solche Erkrankung nicht vor. Ebenso wenig ist erwiesen, dass weitere Untersuchungen empfohlen worden sind. Die anders lautenden Angaben der Zeugen Dr. … , … und des Streithelfers des Beklagten bei seiner Zeugeneinvernahme, wonach hinsichtlich der Gesundheit des Pferdes Einschränkungen gemacht oder diesbezüglich Probleme aufgezeigt worden seien, sind nicht überzeugend. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar und stellt nach seiner Auffassung einen nicht auflösbaren Widerspruch in der Argumentation des Beklagten und dessen Streithelfer dar, dass derart wichtige Einschränkungen die Gesundheit des - namentlich für den Streithelfer des Beklagten als Fachmann unschwer erkennbar - besonders wertvollen und damit teuren Tieres betreffend, wie sie der Beklagte und dessen Streithelfer behaupten, keinen Eingang in das schriftliche Untersuchungsprotokoll gefunden haben sollten. Für diese Würdigung spricht auch der Umstand, dass im Ankaufsprotokoll zu dem Punkt "Allgemeinzustand des Pferdes" selbst belanglose Kleinigkeiten, wie ein mit Heftpflaster verklebter Hornspalt am vorderen rechten Huf, handschriftlich vermerkt wurden. Wäre die Problematik des auf den Röntgenbildern sichtbaren Knochenauszugs an hinteren rechten Sprunggelenk mit der Zeugin  tatsächlich ernsthaft erörtert worden, so hätte diese Auffälligkeit nach Überzeugung des Senats auch Eingang in das Protokoll gefunden. Hierauf hätte die Zeugin … angesichts ihrer kritischen, vorsichtigen Einstellung, die auch in ihrer Anweisung zur Anfertigung weiterer Röntgenbilder im Halsbereich zum Ausdruck kam, mit Sicherheit bestanden.
52 
(3) Der Streithelfer der Beklagten hat bei seinen schriftlichen Ausführungen im Untersuchungsprotokoll das "Ergebnisprotokoll der Röntgenkommission" aus dem Jahre 1993 (Anlage K2 - Bl.8ff.d.A.) zum Maßstab genommen, das eine Einteilung in Röntgengruppen vorsieht, auch wenn die Diktion des Streithelfers des Beklagten im Untersuchungsprotokoll der erst im Jahre 2003 veröffentlichten Neueinteilung in "Röntgenklassen" entspricht. Der Streithelfer hat das Pferd als "Röntgenklasse I bis II" klassifiziert. Dabei bedeutet die Einordnung in die Röntgenklasse II, die nach der neuen Eingruppierung der Röntgenkommission der Röntgengruppe 2 entspricht: "von der Norm abweichend, klinische Bedeutung unklar oder unsicher oder unbekannt". Diese negative Eingruppierung wurde aber gleichzeitig durch die Zwischenstufung "I bis II" wieder neutralisiert, zumindest aber stark abgeschwächt und bagatellisiert, da die Röntgengruppe 1 "ohne oder unbedeutender Befund" bedeutet, so dass die Zeugin … zu Recht keine Befürchtung haben musste, das Pferd sei für den Einsatz in Dressurprüfungen der Klassen M und S ungeeignet. Nach dem … überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. … wäre eine Einordnung in die Röntgengruppe 3, allenfalls aber in die Röntgengruppe 2 - ohne Zwischenstufe vertretbar gewesen. Unter solchen Umständen aber würde die Zeugin … nach ihren glaubhaften Angaben vom Kauf Abstand genommen haben.
53 
(4) Die Angaben des Zeugen Dr. … , der als Mitinhaber der … klinik und Sozius des Streithelfers im Hinblick auf diesem drohende Schadensersatzansprüche ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, haben diesen Widerspruch deutlich aufgezeigt. Einerseits bemühte sich der Zeuge - anders als noch in erster Instanz - hervorzuheben, dass das Wort "Spat" sowohl durch ihn, als auch durch den Streithelfer des Beklagten genannt worden sei. Das Wort sei dabei zur "Abgrenzung" der beim Pferd gegebenen "physiologischen Variante" zu einer nicht gegebenen Spat-Erkrankung verwandt worden. Andererseits hat er angegeben, man habe die Zeugin … nicht aus der "Verantwortung entlassen" wollen. Nach Auffassung des Senats gibt es nicht ernstlich einen Anlass, eine "Verantwortung" zu übernehmen, wenn der Gesundheitszustand des Pferdes als unproblematisch angesehen wird. Auf den Vorhalt dessen vermochte der Zeuge in nicht überzeugender Weise als Anknüpfungspunkt für den Vorbehalt, welcher gegenüber der Zeugin … hinsichtlich des Befundes gemacht worden sein soll, lediglich das allgemeine Lebensrisiko des Pferdes anzuführen. Auch die Angaben des Zeugen … , der an dem Verkaufsgeschäft wirtschaftlich interessiert war - er war ausweislich des Pferdepasses Miteigentümer des verkauften Pferdes und hat auch eine Verkaufsprovision erhalten - sind jedenfalls insofern nicht überzeugend, als er angegeben hat, der Streithelfer des Beklagten habe zwischen dem Zustand des Pferdes und dem Wort "Spat" eine Verbindung hergestellt. Zu dem dieser Darstellung innewohnenden Wertungswiderspruch gilt das oben Ausgeführte entsprechend.
54 
(5) Bei der Würdigung der Aussage der Zeugin … ist berücksichtigt, dass sie faktisch als Käuferin agierte und am Ausgang des Rechtsstreits ein hohes Eigeninteresse hat. Für den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage spricht aber vor allem ihr auf der Hand liegendes Interesse am Erwerb eines gesunden, dressurtauglichen Spitzenpferds, weshalb eine Nichtbeachtung warnender Hinweise völlig unverständlich erscheinen müsste. Zudem  stützen die vorhandenen schriftlichen Unterlagen zur Abwicklung des Kaufs ihre Angaben zu einem sofortigen mündlichen Abschluss des Kaufvertrags im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung. Das per Fax übermittelte Schreiben der Klägerin vom 19.11.2002 (Bl. 69 d.A.), in dem lediglich noch der Rechnungsadressat und der Rechnungstext dem Beklagten bekannt gegeben wurden, setzt einen bereits geschlossenen Kaufvertrag voraus. Dies wird durch die umgehende Ausstellung der Rechnung des Beklagten unter dem Datum vom 20.11.2002 (Anlage K 11 - Bl. 30 d.A.) bestätigt.
55 
cc) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet das Pferd an Spat und wies diese Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Übergabe am 20.11.2002 auf. Bei der Spat-Erkrankung eines Pferdes handelt es sich nach der Auffassung des Senats jedenfalls insofern um eine nachteilige Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit, als das Tier damit für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung in Dressur-Turnieren der Klassen M und S nicht geeignet war und ist.
56 
(1) Spat (Osteoarthrose tarsi) stellt eine chronisch-deformierende Entzündung dar, welche im Laufe der Zeit zur Zerstörung der Gelenkknorpel, zur "spitzzackigen, riffeligen oder blättrigen Knochenzubildung bis hin zur kompletten knöchernen Durchbauung der Gelenkspalten der straffen Sprunggelenksabteilungen" führt. Infolge der Erkrankung kann das Pferd Schmerzen erleiden, denen es durch die Einnahme einer Schonhaltung zu entgehen sucht. In der Folge können Muskelschwund und Lahmheit auftreten.
57 
2) Infolge dieser Erkrankung kann das Pferd jedenfalls für hochklassige Dressur-Wettbewerbe der Klassen M oder S nicht eingesetzt werden. Wenn das Pferd, wie der Zeuge         vor dem Landgericht bekundet hat, auch an einzelnen Dressurprüfungen mit Erfolg hat teilnehmen können, so kann gleichwohl nicht von einer Mangelfreiheit ausgegangen werden. Die durch die Spat-Erkrankung herbeigeführten chronischen Lahmheitserscheinungen können bei einem hochklassigen Dressurpferd nicht toleriert werden, auch wenn - wie der Sachverständige Prof. Dr. … darlegte - eine Lahmheit durch sog. "Einlaufen" vorübergehend unterdrückt werden kann. Dabei kann offen bleiben, ob die Lahmheit selbst bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war oder nicht. Denn für ausschlaggebend erachtet der Senat, dass der Erkrankungsprozess zum Zeitpunkt der Übergabe zumindest bereits im Gange war, so dass nach Übergabe eine leichte bis mittelgradige Lahmheit des Pferdes jederzeit auftreten konnte und nachgewiesenermaßen auch aufgetreten ist. Der Senat setzt sich mit seiner Ansicht, dass es für das Vorliegen eines Mangels solchermaßen ausreiche, wenn die Lahmheit erst nach Gefahrübergang eintrete, auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.10.2004 - Az. 19 U 75/04. Denn in dem dort entschiedenen Fall wurde die Relevanz einer späteren Lahmheit infolge von beim Gefahrübergang vorhanden gewesenen degenerativen Veränderungen unter dem Blickwinkel des § 442 BGB verneint.
58 
(3) Der Senat gründet seine Überzeugung auf den Befund des Sachverständigen Prof. Dr. …. Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend das Vorhandensein der Spat-Erkrankung des Pferdes bereits bei Übergabe befundet. Demnach waren zum Zeitpunkt der Übergabe nicht nur Veränderungen am Knochen des Sprunggelenks des rechten Hinterbeines gegeben, sondern auch die umgebenden Weichteile waren nachteilig verändert. Der Sachverständige verfügt als ordentlicher Professor an der Universität München und Leiter der dortigen Klinik für Pferde im Bereich der Tiermedizin über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem fraglichen Gebiet. Er hat alle maßgeblichen Röntgenbilder ab der Ankaufsuntersuchung analysiert und ausgewertet, das Pferd mehrfach eingehend untersucht und dabei sämtliche zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden angewandt, zuletzt auch die vom Beklagten und dessen Streithelfer geforderte diagnostische Anästhesie, also der Versuch, mittels lokaler Betäubung Schmerzregionen im Bein näher einzugrenzen. Zwar waren die Ergebnisse speziell dieser Untersuchung für den Senat auf den vorgeführten Videosequenzen nicht aus sich heraus deutlich erkennbar, insbesondere nicht die Auswirkungen der einzelnen Injektionen auf den Gang des Pferdes. Der Sachverständige hat indes seine unmittelbaren, besondere Sachkunde erfordernden Beobachtungen nachvollziehbar geschildert und ausgeführt, dass die gering- bis mittelgradige Lahmheit hinten rechts, vor allem unter Longenbelastung, zunächst gut sichtbar war, und diese Lahmheit nach diagnostischen Injektionen auf das Sprunggelenk hinten rechts eingegrenzt werden konnte, wenngleich die diagnostische Betäubung nicht zur vollkommenen Lahmheitsfreiheit führte.
59 
Die Angriffe des Beklagten gegen den Befund schlagen nicht durch. Die momentane, relativ geringe Intensität der Taktunreinheit im Gang des Pferdes bei der Untersuchung am 05.01.2006 war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auf die Bewegungsarmut zurück zu führen, welche infolge der seit Anfang Dezember 2005 anhaltenden - verfahrensbedingten - Verwahrung des Pferdes im Stall bestand. Der Sachverständige hat die seit der Ankaufsuntersuchung unveränderte Situation anhand des ebenso unveränderten Erscheinungsbildes der Gelenkknochen belegt, wie es seit der Ankaufsuntersuchung immer wieder in neu gefertigten Röntgenbildern dokumentiert worden ist. Er hat nicht allein den - unstreitig gegebenen - Osteophyten berücksichtigt, der für sich gesehen tatsächlichen unbedenklich sein mag, sondern auch die sonstigen Veränderungen im Weichteilbereich, insbesondere der Mehrung des Sprunggelenksumfangs. Dabei hatte der Sachverständige auch aufgrund der selbst durchgeführten Untersuchungen im Abstand von zwei Jahren beste Vergleichmöglichkeiten und Erkenntnisquellen. Er hat alle weiteren - neben der festgestellten Spat-Erkrankung - in Betracht kommenden Ursachen für die chronische Hinterfußlahmheit - auch eine denkbare Hüfterkrankung - sicher ausgeschlossen.
60 
Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Privatgutachters Dr. … gem. der Schriftsätze des Beklagten und dessen Streithelfers vom 16.01.2006 (Bl.603ff. und 612ff.d.A.) nicht überzeugend. Dabei können die Einwendungen der Klägerin gegen die Person des Privatsachverständigen und dessen gutachterlicher Einschätzung gem. Schriftsatz vom 17.01.2006 (Bl.629ff.d.A.) unbeachtet bleiben, weswegen dem Beklagten auch das beantragte Schriftsatzrecht zu versagen ist. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat sich mit der Ansicht des Privatgutachters im Termin vom 20.01.2006 auseinandergesetzt und vor allem zur Lahmheitsfrage - wie oben dargelegt - überzeugend Stellung bezogen. Es liegt auf der Hand, dass der gerichtlich bestellte Gutachter, der das Pferd mehrmals selbst untersucht hat, die Situation ungleich besser als der Privatgutachter beurteilen kann, der das Pferd lediglich auf einer Videoaufnahme gesehen hat. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer weiteren Begutachtung (§ 412 ZPO) liegen nicht vor. Das Gutachten von Prof. Dr. … enthält weder Mängel noch nicht aufklärbare Widersprüche. Überlegene Forschungsmittel eines anderen Gutachters wurden nicht aufgezeigt.
61 
c) Die Klägerin ist von dem Kauf wirksam zurückgetreten. Die Klägerin hat den Rücktritt mit ihrem Schreiben vom 22.01.2003 (Anlage K 3 - Bl.17d.A.) ausdrücklich erklärt. Ein Abhilfeverlangen vor Erklärung des Rücktritts war gem. § 323 Abs.2 Nr.3 BGB nicht erfordert. Zum einen kann die Erkrankung nach dem Befund des Sachverständigen nicht geheilt werden, so dass Abhilfe gar nicht möglich ist. Zum anderen hat der Beklagte von Anfang an die Erkrankung in Abrede gestellt und später auch die Rücknahme verweigert, so dass ein Abhilfeverlangen eine unnötige Förmelei dargestellt haben würde.
62 
d) Die Ausübung des Rücktrittsrechts war nicht nach § 442 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
63 
aa) Die notwendige grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden bzw. das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1108) oder wenn Umstände vorhanden sind, die zur besonderen Vorsicht mahnen (Jauernig/Berger, BGB, § 443, Rn.5). Dabei wird gem. § 166 BGB das Wissen des Vertreters der Vertragspartei zugerechnet (Palandt/Putzo, BGB, § 442, Rn.10). Nach der bereits angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm - 19 U 75/04 - soll grobe Fahrlässigkeit dann gegeben sein, wenn bei dem untersuchten Pferd bei Gefahrübergang degenerative Veränderungen vorliegen, diese im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung anhand von Röntgenbildern erläutert und die Risiken aufgezeigt werden und erst danach die Lahmheit auftritt.
64 
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin nicht erfüllt.
65 
(1) Der Senat ist an die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gebunden. Auf die obigen Ausführungen unter b) bb) (1) wird Bezug genommen.
66 
(2) Infolge der bei der Ankaufsuntersuchung selbst gewonnenen Erkenntnisse musste sich der Zeugin … nicht aufdrängen, dass das Pferd an Spat leide. Der Beklagte und sein Streithelfer haben ihre Behauptungen betreffen die Mitteilung eines nachteiligen Befunds oder von Risiken hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Pferdes nicht bewiesen. Wegen der Würdigung der Aussagen der Zeugen Dr. … , … und des Streithelfers des Beklagten wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Demnach hatte die Zeugin … keine Veranlassung, von gesundheitlichen Einschränkungen oder auch nur von Gefahren für die Gesundheit des Pferdes auszugehen. Sie musste deshalb von sich aus keinen weiteren Tierarzt konsultieren.
67 
(3) Auch die möglicherweise gegebene Fehlleistung des Streithelfers des Beklagten bei der Befundung des Pferdes im Rahmen der Ankaufsuntersuchung ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Zwar war die Zeugin als Auftraggeberin der Ankaufsuntersuchung Vertragspartnerin des Streithelfers der Beklagten. Gegen eine Zurechnung in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 166 BGB spricht bereits, dass der Streithelfer nicht die Stellung eines Vertreters der Klägerin oder ihres Repräsentanten hatte. Der Rechtsgedanke, welcher der Vorschrift des § 442 BGB innewohnt, nämlich der, dass eigenes, grundlegendes Versagen dem Käufer zum Schaden gereicht, sofern der Verkäufer nicht arglistig handelt oder sonst uneingeschränkt die Gewähr für die verkaufte Sache übernimmt, entspricht neueren und durchaus berechtigten Bestrebungen, dem Käufer vor allem im Unternehmenskaufbereich vollen Einblick und umfassende Prüfmöglichkeiten einzuräumen, ihm als Kehrseite dessen aber auch die Gefahr einer Fehleinschätzung aufzubürden (sog due diligence; vgl. Müller, NJW 2004, 2196). § 442 BGB ist aber im vorliegenden Fall bereits deswegen nicht einschlägig, weil der Beklagte - entsprechend der obigen Ausführungen - das Pferd betreffende nachteilige Äußerungen seines Streithelfers oder des Zeugen Dr. … nicht bewiesen sowie der Beklagte und dessen Streithelfer bis zuletzt eine Erkrankung des Pferdes auch zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung und damit einen Fehler bei der Befundung in Abrede gestellt haben. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich auch von dem, welcher der bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zugrunde lag. Denn in dem dort entschiedenen Fall wurde der Käufer über bestehende Risiken zutreffend informiert. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sieht sich der Senat auch nicht veranlasst, generell zur Frage der Auswirkung einer Ankaufsuntersuchung auf die Frage der Anwendung des § 442 BGB Stellung zu nehmen.
68 
e) Die Klägerin hat ihre Untersuchungs- und Rügepflicht gem. § 377 HGB nicht verletzt. Sie hat durch die Zeugin … eine Ankaufsuntersuchung mit sachverständiger Hilfe durchführen lassen. Dass diese Begutachtung - möglicherweise infolge einer Fehlleistung des Streithelfers des Beklagten - den tatsächlichen Zustand des Pferdes nicht zutreffend wiedergab, ist entsprechend der obigen Ausführungen wegen der fehlenden Vertreterstellung des Streithelfers für die Klägerin nicht dem Risikobereich der Klägerin zuzurechnen. Eine fehlerhafte, unsorgfältige Untersuchung durch den mit der Ankaufsuntersuchung beauftragten Streithelfer kann auch nicht gem. § 278 BGB der Klägerin zugerechnet werden. § 278 BGB gilt nur bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit, nicht bei der Beachtung von Obliegenheiten wie im Fall des § 377 HGB. § 377 HGH begründet keine Verpflichtung des Käufers gegenüber dem Verkäufer. Nur bei besonderer gesetzlicher Regelung, wie z.B. im Fall des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB, gilt § 278 BGB auch im Bereich von Obliegenheiten. Für die Verletzung sonstiger Obliegenheiten gilt § 278 BGB dagegen nicht (s. Palandt/Heinrichs BGB, 65. Aufl. § 278 RN 24). Der Streithelfer hatte jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Kontakt zu dem die Ankaufsuntersuchung durchführenden Arzt vom Beklagten geknüpft wurde, keine vertreterähnliche Stellung gegenüber der Klägerin, über die möglicherweise - in Anlehnung an die im Versicherungsrecht eingeführte Figur des "Repräsentanten" -  einer hiervon "repräsentierten" Person auch die Verletzung von Obliegenheiten zugerechnet werden könnte.
69 
4. Der Zinsanspruch folgt im tenorierten Umfang aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, sie habe den Beklagten mit Schreiben vom 02.04.2003 (Anl. K 6 - Bl.21f.d.A.) unter Fristsetzung zum 16.04.2003 zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Rücknahme des Pferdes aufgefordert. Ein Rechtsgrund für einen zeitlich früher einsetzenden Zinsanspruch (seit dem 22.01.2003)  ist nicht ersichtlich.
70 
5. Der Feststellungsanspruch hinsichtlich des Annahmeverzugs folgt aus § 295 BGB. Das Schreiben vom 02.04.2003 (Anl. K 6) begründet den Annahmeverzug. Ein tatsächliches Angebot war nicht erfordert, da der Beklagte das Pferd abzuholen hat. Beim Rücktritt ist der Leistungsort der Ort, an dem die Sache sich vertragsgemäß befindet (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 269, Rn.16 m.z.N.), also der Standort des Pferdes bei der Klägerin.
71 
6. Der in der Berufungsinstanz neu gestellte Feststellungsantrag ist - soweit er zulässig ist - begründet. Der Anspruch ergibt sich aus § 347 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Haltungs- und der Pflegeaufwand stellen notwendige Verwendungen dar, die zu ersetzen sind. Im Übrigen ergibt sich der dem Grunde nach geltend gemachte Anspruch ab dem Verzugszeitpunkt auch aus § 286 Abs. 1 BGB.
72 
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.2 Nr.1, 101 ZPO. Grundlage der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bilden §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
73 
8. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 543 ZPO sind nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
74 
9. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 01.02.2006 und des Streithelfervertreters vom 06.02.2006 veranlassen des Senat nicht, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 227/11 Verkündet am:
12. September 2013
Anderer,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 B; VOB/A § 9 Nr. 3

a) Kann ein Bieter der Ausschreibung entnehmen, dass eine für den
verkehrsüblichen Einsatz eines Kranes hinderliche Hochspannungsleitung vom
Auftraggeber wegen der vorgesehenen Bohrpfahlarbeiten ohnehin zum Beginn
der Arbeiten abgebaut werden muss, so muss er ohne einen entsprechenden
Hinweis in der Ausschreibung nicht annehmen, dass die Hochspannungsleitung
nur für die Dauer der Bohrpfahlarbeiten entfernt bleibt. Ein solcher Hinweis
wäre nach § 9 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A a.F. geboten gewesen.

b) Das Ergebnis der Auslegung eines Bauvertrages aufgrund öffentlicher
Ausschreibung wird nicht dadurch beeinflusst, dass der Auftragnehmer etwaige
Unklarheiten der Ausschreibung nicht aufgeklärt hat (Bestätigung von BGH,
Urteil vom 13. März 2008 - VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23 Rn. 38).
BGH, Urteil vom 12. September 2013 - VII ZR 227/11 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und
die Richter Dr. Eick, Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 14. Juli 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land eine Vergütung aus einem Nachtrag über einen Vertrag über Bauarbeiten aus Anlass der Erneuerung eines Brückenbauwerks. Der Nachtrag wird damit begründet, dass der nach der Ausschreibung vorgesehen Abbau der Hochspannungsleitung nicht vorgenommen worden ist und deshalb die Klägerin einen Baukran nicht einsetzen konnte, so dass Mehrkosten entstanden sind.
2
Das beklagte Land schrieb Ende 2002/Anfang 2003 Brückenbauarbeiten zur Erneuerung des Überbaus einer DB-Überführung bei I. aus.
3
Inhalt der Ausschreibung war ein Lageplan über die Örtlichkeiten. Diesem Plan war zu entnehmen, was der Klägerin auch nicht entging, dass sich im Bereich der Brücke Hochspannungsleitungen befanden, die den Einsatz eines Krans an der Baustelle unmöglich machten. Des Weiteren war Gegenstand der Ausschreibungsunterlagen die Erstellung einer Bohrpfahlwand. Diese Wand hätte nur errichtet werden können, wenn die Hochspannungsfreileitung in einer Höhe von acht Meter beseitigt worden wäre.
4
Auf der örtlichen Einweisung nach Abschluss des Vertrages wurde festgestellt , dass die Hochspannungsleitungen die Arbeiten behinderten. Die Beklagte ließ die Leitungen nicht entfernen, sondern ordnete zur Vermeidung der hohen Kosten dieser Entfernung an, dass an Stelle der Bohrpfahlwand eine Stützwand mit Fuß errichtet werden soll. Die dadurch unmittelbar verursachten Mehrkosten von 14.545,87 € sind abgerechnet und von dem beklagten Land der Klägerin erstattet.
5
Die Klägerin verlangt, ihr auch der Höhe nach streitige Mehrkosten von 98.368,14 € zu erstatten, weil die Beklagte den Bau ohne Entfernung der Hochspannungsleitung angeordnet habe. Sie habe nach der Ausschreibung davon ausgehen können, dass die Bauarbeiten durch diese Leitung nicht behindert werde, weil sie ohnehin habe entfernt werden müssen. Sie habe deshalb unstreitig mit dem Einsatz eines Krans kalkuliert. Dieser habe infolge der Anordnung der Beklagten nicht eingesetzt werden können, so dass die geltend gemachten Mehrkosten entstanden seien.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg gewesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht aus § 2 Nr. 5 VOB/B zu. Zwar habe die Klägerin entgegen ihrer Urkalkulation die Arbeiten nicht mit einem Kran ausführen können. Das begründe aber einen weiteren Vergütungsanspruch nicht, da sich aus den vertraglich vereinbarten Bauumständen keine Verpflichtung des beklagten Landes zur Herstellung der luftseitigen Baufreiheit ergebe. Zwar hätten die Bieter davon ausgehen können, dass das beklagte Land die erforderliche luftseitige Baufreiheit des Baufeldes für die Bohrpfahlarbeiten herstellen würde. Die Klägerin habe jedoch nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Hochspannungsleitungen während der gesamten Dauer der Bauarbeiten entfernt würden, zumal nach der Ausschreibung ihr die Verantwortung hinsichtlich der Feststellung und der Sicherung der im Baubereich verlegten Leitungen zugewiesen worden sei. Zu einer dauerhaften Entfernung der Hochspannungsleitung enthielten die Ausschreibungsunterlagen keine Angaben. Sie enthielten nicht einmal einen Hinweis darauf, dass die Beklagte die Notwendigkeit der Entfernung der Leitungen erkannt habe. Bei der gebotenen Klarheit der Ausschreibung hätten zu der vorgesehenen Entfernung Angaben gemacht werden müssen.
9
Anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Reihenfolge und die Abwicklung der nicht verkehrsbehindernden Bauarbeiten dem Bieter oblegen haben.
Nach eigener Darstellung der Klägerin bedürfe die Herstellung der luftseitigen Baufreiheit eines längeren Vorlaufs. Die Klägerin habe deswegen nicht davon ausgehen können, die Leitungen würden bereits zu Beginn der Bauarbeiten verlegt. Denn unstreitig sei eine Ausführung der Arbeiten auch am Ende der Arbeiten möglich gewesen. Es sei also der Absprache der Parteien überlassen geblieben, die Ausführung der Arbeiten entsprechend zu terminieren. Mangels eindeutiger Angaben sei die Ausschreibung vom objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters nicht dahin zu verstehen, die Herstellung der luftseitigen Baufreiheit würde während der gesamten Brückenbauarbeiten zu den vertraglich vorausgesetzten Bauumständen gehören, also Gegenstand des vertraglichen Leistungsumfangs sein. Durch das Ersetzen der geplanten Bohrpfahlwand durch eine Stützwand mit Fuß hätten sich die Bauumstände in Bezug auf die Brückenarbeiten also nicht verändert, da von Anfang an nicht festgestanden habe, die Brückenbauarbeiten könnten mit einem Kran ausgeführt werden. Da die Klägerin die sich ihr aufdrängenden Unklarheiten durch Nachfrage nicht ausgeräumt habe, müsse sie es hinnehmen, dass die Auslegung des Vertrages zu ihren Gunsten zu dem Ergebnis kommt, dass ein Kraneinsatz von vornherein nicht möglich gewesen ist.

II.

10
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
Die Auslegung, welche Leistung von der Preisabrede in einem Bauvertrag erfasst wird, obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 21. März 2013 - VII ZR 122/11, BauR 2013, 1126 Rn. 15 = NZBau 2013, 428 Rn. 15; Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rn. 12). Das Berufungsurteil beruht auf derartigen Auslegungsfehlern.
12
1. Noch richtig geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Bieter die Ausschreibung der Beklagten dahin verstehen mussten, dass diese die erforderliche luftseitige Baufreiheit des Baufeldes für die Bohrpfahlarbeiten herstellen würde. Dieses Verständnis der Ausschreibung ist richtig, denn diese enthielt Hinweise auf die Hochspannungsfreileitung im Baufeld und gleichzeitig die Aufforderung , ein Angebot zu Bauleistungen abzugeben, die die vorherige Entfernung der Hochspannungsfreileitung durch die Beklagte zwingend erforderlich machten. Die ausgeschriebene Herstellung der Bohrpfähle wäre ohne Entfernung der Hochspannungsleitung nicht möglich gewesen. Die Bieter durften ohne weiteres davon ausgehen, dass die Beklagte während der der Ausschreibung zugrunde liegenden Planung das Problem erkannt hat und bereit und in der Lage war, die Herstellung der Bohrpfähle durch Entfernung der Hochspannungsfreileitung zu ermöglichen. Sie durften die Ausschreibung in ihrer Gesamtheit dahin verstehen, dass die Beklagte für die Baufreiheit sorgen würde, andernfalls die Ausschreibung eine nicht durchführbare Leistung gefordert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1999 - VII ZR 179/98, BauR 1999, 897, 898 unter III. 1. c). Dies hat die Beklagte in den Instanzen auch nicht anders gesehen.
13
2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Prüfung des Berufungsgerichts, ob die Bieter aus dem Umstand, dass die Hochspannungsleitung für einen Teil der Bauarbeiten entfernt werden musste, schließen durften, die Baufreiheit sei während der gesamten Bauphase gewährleistet. Allein der Umstand, dass das nicht zwingend ist, sich dazu in der Leistungsbeschreibung keine Angaben finden , die Klägerin für die Sicherung der Leitungen verantwortlich und die Herstellung der Bohrpfahlwand auch am Ende der Bauzeit möglich war, rechtfertigt nicht das gefundene Auslegungsergebnis. Das Berufungsgericht hätte den Grundsatz einer interessengerechten Auslegung und auch berücksichtigen müssen, dass im Zweifel der öffentliche Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A entsprechend so ausschreiben will, dass der Bieter die Preise sicher kalkulieren kann (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rn. 15; Urteil vom 21. März 2013 - VII ZR 122/11, aaO Rn. 16).
14
Der Senat kann, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, die Auslegung selbst vornehmen. Sie führt dazu, dass die Ausschreibung und dementsprechend das von der Beklagten unverändert angenommene Angebot der Klägerin so zu verstehen sind, dass die ausgeschriebenen Leistungen unter der Voraussetzung angeboten werden, dass die Hochspannungsleitung während der gesamten Bauphase entfernt ist und deshalb der Einsatz eines Baukrans für die gesamten Brückenbauarbeiten möglich ist.
15
a) Konnten die Bieter davon ausgehen, dass die Beklagte die Hochspannungsleitungen abbauen würde, so stellt sich nur die Frage, ob sie redlicherweise auch davon ausgehen durften, dass die Hochspannungsleitung sofort und für die gesamte Dauer der Bauarbeiten abgebaut würde. Das ist der Fall. Die Bieter durften davon ausgehen, dass die Hochspannungsleitung auf ihre Anforderung sofort entfernt würde. Denn die Reihenfolge und Abwicklung der nicht verkehrsbehindernden Bauarbeiten, wozu die Brückenbauarbeiten und die Errichtung der Bohrpfahlwand gehören, war nach der Ausschreibung den Bietern überlassen. Nach dieser Ausschreibung hätten die Bieter die Errichtung der Bohrpfahlwand zu Beginn der Arbeiten vorsehen und dementsprechend auch verlangen können, dass die Hochspannungsleitung sofort entfernt wird. Dass diese Arbeiten eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, steht der Auslegung nicht entgegen. Die Bieter durften (erneut) darauf vertrauen, dass die ausschreibende Beklagte die damit verbundenen Probleme erkannt und entspre- chende Vorbereitungen getroffen hat. Das dies nicht der Fall war, weil die Beklagte das mit der Hochspannungsleitung verbundene Problem möglicherweise überhaupt nicht gesehen hat, kann die Auslegung des Vertrages nicht beeinflussen. Maßgeblich ist die objektive Sicht der potentiellen Bieter und nicht das subjektive Verständnis des Auftraggebers von seiner Ausschreibung (BGH, Urteil vom 11. März 1999 - VII ZR 179/98, BauR 1999, 897, 898 unter III. 1. d).
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b) Die Bieter durften zudem davon ausgehen, dass die einmal zu Beginn der Bauarbeiten abgebaute Hochspannungsleitung für die Dauer der Bauarbeiten entfernt bliebe. Es bestand aus Sicht der Bieter kein vernünftiger Grund für die Beklagte, die Hochspannungsleitung vor Beendigung der Bauarbeiten wieder zu installieren. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass der hauptsächliche Kostenaufwand durch die Entfernung der Leitung entstand. Dem entspricht es, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die Änderung der Gründung zur Vermeidung der erheblichen Kosten für den Abbau und die Verlegung der Hochspannungsleitung angeordnet wurde. Wenn die Hochspannungsleitung erst einmal entfernt war, musste die Stromversorgung anderweitig sicher gestellt worden sein. Es kam dann aus Sicht der Bieter nicht wesentlich darauf an, wie lange diese anderweitige Stromversorgung aufrechthalten werden musste. Aus ihrer Sicht musste zudem auch die Beklagte redlicherweise davon ausgehen, dass die Bieter mit dem bei Brückenbauarbeiten verkehrsüblichen Einsatz eines Kranes kalkulierten, nachdem fest stand, dass die Hochspannungsleitung ohnehin abgebaut werden musste. Im Übrigen hätte die sofortige Installation der Hochspannungsleitung nach Beendigung der Bohrpfahlarbeiten das Bauvorhaben unnötig verteuert. Dass die Beklagte dies wollte, mussten die Bieter nicht annehmen.
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c) Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Ausschreibung insoweit keine Angaben enthält und möglicherweise nicht klar ist. Entgegen der Auf- fassung des Berufungsgerichts geht diese Unklarheit nicht zu Lasten der Klägerin. Die interessengerechte und an den Vorgaben der VOB/A orientierte Auslegung der Ausschreibung ergibt, dass die Bauarbeiten nicht durch die Hochspannungsleitung behindert werden. Es ist die Beklagte, die ihre Ausschreibung hätte präzisieren müssen, wenn sie dieses Ergebnis hätte vermeiden wollen. Sie war verpflichtet die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend sicher beurteilen kann. Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, mussten in der Ausschreibung alle sie beeinflussenden Umstände festgestellt und in den Bedingungsunterlagen angegeben werden, vgl. § 9 Nr. 3 Abs. 1 und Abs. 3 VOB/A. Im Zweifel ist eine Ausschreibung so zu verstehen, dass die ausschreibende Stelle diesen Vorgaben gerecht geworden ist. Eine einwandfreie Preisermittlung ist auf der Grundlage der dargestellten Auslegung möglich, denn sie erlaubt es, von dem Einsatz eines Krans für die gesamte Dauer der Bauzeit auszugehen. Sie wäre jedoch nicht möglich, wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass die Ausschreibung keine Aussagen dazu enthielte, ob die Hochspannungsleitung dauerhaft entfernt würde. Es reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, die den Kran behindernde Hochspannungsleitung in einen Ausführungsplan einzuzeichnen, wenn sich aus den sonstigen Unterlagen ergibt, dass diese abgebaut werden muss. Vielmehr hätte die Beklagte, hätte sie den Eindruck vermeiden wollen, dass die Hochspannungsleitung die üblicherweise mit einem Kran vorzunehmenden Arbeiten nicht behindern werden, darauf hinweisen müssen, dass die Baufreiheit nur für den Zeitraum der Bohrpfahlarbeiten garantiert ist, unabhängig davon, wann diese vorgenommen werden. Da diese notwendigen Hinweise unterblieben sind, ist die Ausschreibung (im Zweifel) so zu verstehen, dass die Baufreiheit während der gesamten Bauphase gesichert ist. Unerheblich ist, dass der Auftragnehmer die Feststellung und Sicherung von Leitungen und Kabeln in der Baustelle übernommen hat. Diese Regelung betrifft die Sicherung von Leitungen und Kabeln , die nicht vollständig entfernt werden müssen. Es ist unstreitig, dass die Beklagte für die Entfernung der Hochspannungsleitung verantwortlich war. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin sich nicht bemüht hat, die Unklarheiten der Ausschreibung durch Nachfrage zu beseitigen. Dieser Umstand kann das Ergebnis einer objektiven Auslegung der Ausschreibung nicht beeinflussen (BGH, Urteil vom 13. März 2008 - VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23 Rn. 38). Es ist deshalb zu beanstanden, wenn das Landgericht und zuvor auch schon die vorgesetzte Dienststelle im Rahmen des Verfahrens nach § 18 Nr. 2 VOB/B im Zusammenhang mit der Auslegung der Ausschreibung maßgeblich darauf abstellen , dass die Klägerin eine Aufklärung nicht betrieben hat. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts scheinen nicht ganz frei von dem Irrtum, dass dieses Unterlassen Einfluss auf das Auslegungsergebnis hat. Es gibt keine Auslegungsregel , wonach ein Vertrag mit einer unklaren Leistungsbeschreibung allein deshalb zu Lasten des Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der Abgabe seines Angebots nicht aufklärt (BGH, Urteil vom 13. März 2008 - VII ZR 194/06, aaO).

III.

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Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Im Hinblick darauf , dass die Beklagte nicht nur angeordnet hat, dass die Bohrpfahlwand durch eine Stützwand mit Fuß ersetzt wird, sondern gleichzeitig zur Vermeidung der hohen Kosten auf der Durchführung der Arbeiten trotz Fortbestands der Hochspannungsleitung bestanden hat, kommt ein Anspruch der Klägerin nach § 2 Nr. 5 VOB/B in Betracht. In welcher Höhe der Anspruch besteht, kann der Se- nat nicht entscheiden. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 19.04.2010 - 15 O 56/09 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 14.07.2011 - 8 U 256/10-67- -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.