Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 05. Juni 2013 - 7 U 11/12

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2013:0605.7U11.12.0A
bei uns veröffentlicht am05.06.2013

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 80 % des materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 7. April 2011 in G. entstanden ist und noch entsteht soweit er nicht bereits auf Dritte übergegangen ist bzw. übergehen wird.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 80 % und die Klägerin 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aus einem Verkehrsunfall, der sich am 7. April 2011 in der C.-Straße in G. ereignete.

2

Am Unfalltage befuhr die Klägerin gegen 15:45 Uhr mit ihrem Fahrrad die C.-Straße in G. in Richtung Zentrum auf dem Weg zu ihrer dort befindlichen physiotherapeutischen Praxis. Die Klägerin trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw BMW, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist. Die Beklagte zu 1) öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Klägerin die Fahrertür ihres PKW, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte und gegen die Fahrertür fuhr. Die Klägerin stürzte zu Boden, fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, nämlich einen zweifachen Schädeldachbruch am Stirnbein und hohen Scheitelbein linksseitig und Blutungen sowie Hirnquetschungen rechtsseitig.

3

Sie befand sich bis zum 16. Juni 2011 in stationärer Krankenhausbehandlung - zunächst in Flensburg und ab dem 18. April 2011 in Hamburg/Boberg.

4

Zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils dauerte die Behandlung der Klägerin in ambulanter Weise fort. Ab dem 8. August 2011 hatte die Klägerin mit einem täglichen Arbeitseinsatz von 4 Stunden ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin im Rahmen einer Belastungsprobe, vergleichbar dem Hamburger Modell, wieder aufgenommen.

5

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 1) den Unfall allein verursacht hat. Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft, weil sie beim Fahrradfahren keinen Helm getragen hatte.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Verkehrsunfall vom 07.04.2011 in G. entstanden ist und noch entsteht und soweit er nicht bereits auf Dritte übergegangen ist bzw. übergehen wird.

8

Die Beklagten haben beantragen,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, dass die Klägerin an der Entstehung der Kopfverletzung ein Mitverschulden von 50 % treffe, weil sie keinen Schutzhelm getragen habe. Ihre hälftige Eintrittspflicht hat die Beklagte außergerichtlich anerkannt.

11

Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme vollumfänglich stattgegeben mit der Begründung, die Klägerin treffe kein Mitverschulden, da es eine allgemeine Helmpflicht nicht gäbe und sie ihr Fahrrad (im Gegensatz zu Rennradfahrern) als gewöhnliches Fortbewegungsmittel genutzt habe.

12

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, dass die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Schädel-Hirntrauma erlitten hätte, wenn sie einen geeigneten Fahrradhelm getragen hätte.

13

Es entspreche dem Alltagswissen, dass das Risiko von Kopfverletzungen beim Fahrradfahren durch das Tragen eines Helms vermindert werden könne. Gerade der "normale" Radfahrer im alltäglichen Straßenverkehr sei den größten Risiken eines Unfalls ausgesetzt, so dass gerade er gehalten sei, einen Fahrradhelm zu tragen. Ein Mitverschulden setze nicht voraus, dass eine gesetzliche Helmpflicht bestehe, vielmehr käme es darauf an, dass die Klägerin durch das Unterlassen des Tragens eines Helmes beim Radfahren im öffentlichen Straßenverkehr dem Gebot, die eigenen Interessen zu wahren und dabei Sorgfalt walten zu lassen, in vorwerfbarer Weise zuwider gehandelt habe.

14

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen.

15

Der Senat hat zu der Frage, ob die von der Klägerin als Radfahrerin bei dem Unfall vom 7. April 2011 erlittenen Kopfverletzungen auch dann ebenso schwer gewesen wären, wenn die Klägerin einen Helm getragen hätte, Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens des Leitenden Arztes für Neurologie Dr. A. G (…).

II.

16

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

17

1.) Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist nach wie vor zulässig, da ihr Feststellungsinteresse zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im Dezember 2011 vorgelegen hat. Zu jenem Zeitpunkt war es der Klägerin noch nicht möglich, eine bezifferte Leistungsklage zu erheben, weil ihre ärztliche Behandlung und ihre berufliche Wiedereingliederung noch nicht abgeschlossen waren.

18

Dies hat sich inzwischen geändert, denn es sind seither anderthalb Jahre vergangen und die Klägerin übt mittlerweile wieder vollumfänglich ihren Beruf als selbständige Physiotherapeutin aus. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruchsteller aber - jedenfalls in zweiter Instanz - nicht gezwungen, zu bezifferter Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich geworden ist (BGH, Urt. v. 17.10.2003, V ZR 84/02, NJW-RR 2004,79 mwN).

19

2.) Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die Beklagten aus §§ 7, 18 StVG und bzgl. der Beklagten zu 2) zusätzlich aus § 115 VVG, bejaht.

20

Die Beklagte zu 1) hat gegen ihre Sorgfaltspflichten aus § 14 Abs. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hatte sie sich beim Aussteigen aus ihrem Kraftfahrzeug so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Es handelt sich dabei um die höchste Sorgfaltsanforderung, die das Straßenverkehrsrecht kennt. Vor dem Öffnen der Fahrertür hätte die Beklagte zu 1) den rückwärtigen Verkehrsraum beobachten müssen, etwa durch Blicke in den Rück- und Außenspiegel und nach hinten über die Schulter, um festzustellen, ob sich jemand von hinten nähert. Dies hat sie unstreitig nicht getan, sondern unmittelbar vor der herannahenden Klägerin die Fahrertür vollständig geöffnet, so dass die Klägerin mit dem Fahrrad gegen die sich öffnende Pkw-Tür fuhr und zu Boden stürzte. Dies stellt ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten zu 1) dar.

21

3.) Zu Unrecht hat das Landgericht aber ein Mitverschulden der Klägerin nach §§ 9 StVG, 254 Abs. 2 BGB an dem Zustandekommen des konkreten Schadens, hier der Kopfverletzung, verneint. Vielmehr liegt ein Mitverschulden der Klägerin darin begründet, dass sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen hat (sog. Verschulden gegen sich selbst).

22

a) Das Nichttragen eines Schutzhelmes war kausal für das Ausmaß der Kopfverletzungen, die die Klägerin durch den Unfall vom 07.04.2011 erlitten hat. So ist schon mit der herrschenden Meinung (BGH, Urt. v. 25.01.1983, VI ZR 92/81, NJW 1983, 1380; OLG Stuttgart VRS 97, 15; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 21 a StVO, Rn 22 mwN) davon auszugehen, dass der Anscheinsbeweis für einen Kausalzusammenhang zwischen Nichtbenutzung des Helmes und der eingetretenen Kopfverletzung spricht, wenn ein Radfahrer bei einem Unfall - wie im vorliegenden Fall - Kopfverletzungen erleidet, vor denen der Schutzhelm gerade schützen soll.

23

Zudem steht der Kausalzusammenhang nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie Dr. G vom 26.11.2012 und seinen ergänzenden Erläuterungen vom 08.03.2013 fest. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die Verletzungsfolgen mit Blutungen innerhalb und außerhalb des Schädels, sowie die Hirnverletzung des Scheitellappens und beider Schläfenlappen und insbesondere die Schädelbrüche auf eine massive Gewalteinwirkung auf den Kopf der Klägerin hindeuteten mit dem Ergebnis eines mittelschweren bis schweren Schädel-Hirn-Traumas. Das Verletzungsmuster spreche dabei für eine überwiegend lineare Akzeleration und Krafteinwirkung in Längsrichtung des Kopfes. Gerade bei linearen Krafteinwirkungen mit entsprechenden Hirnquetschungen an den Grenzen des Schädels und bei Schädelbrüchen böten Fahrradhelme (im Gegensatz zu Verletzungen durch Rotationsbeschleunigungen des Kopfes oder durch penetrierende Gewalteinwirkung) den größten Schutz. Die Helme hätten die Funktion einer Knautschzone, welche die stumpf einwirkenden Energien absorbierten. Die Kraft des Aufpralls würde auf eine größere Fläche verteilt und dadurch abgemildert.

24

Damit wäre die Wahrscheinlichkeit eines Schädelbruchs verringert und die Bewegung des Gehirns gebremst, das auf der gegenüberliegenden Seite eine weniger starke Quetschung erführe (sog. Contre-coup-Verletzung). Da Fahrradhelme naturgemäß ihre größte Schutzwirkung bei leichten bis mittelgradigen Traumen entfalten würden und beim Fahrradsturz der Klägerin nach Art und Schwere eine starke Krafteinwirkung auf den Kopf stattgefunden habe, hätte ein Helm das Trauma zwar nicht verhindern, aber zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.

25

b) Entgegen der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Stuttgart VRS 97, 15, 18; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129, 131;OLG Düsseldorf NZV 2007, 619; OLG Saarbrücken NZV 2008, 202, 303) begründet nach Auffassung des Senats das Radfahren ohne Schutzhelm bei einer Kopfverletzung durch Fahrradsturz auch den Vorwurf des Mitverschuldens eines Radfahrers, wenn er am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.

26

aa) Das Hauptargument derjenigen, die - zumindest bei Erwachsenen - ein Mitverschulden ablehnen, besteht in dem Fehlen einer gesetzlichen Verpflichtung, da das Tragen eines Helmes bisher nach § 21 a Abs. 2 StVO nur für Fahrer von Krafträdern mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h vorgeschrieben ist. Dafür würden Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprechen, die der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 10.04.1979, VI ZR 146/78, NJW 1979, 1363-1366; ebenso Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1985, Band 2, § 9 Rn 37 f) für die Frage der Anschnallpflicht in Personenkraftwagen als entscheidend betrachtet habe (vgl. OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Stuttgart VRS 97, 15).

27

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein Mitverschulden des Geschädigten auch ohne das Bestehen gesetzlicher Vorschriften angenommen hat, wenn dieser „diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt“ (BGH, Urt. v. 30.01.1979, VI ZR 144/77, NJW 1979, 980 mwN); er müsse sich insoweit „verkehrsrichtig“ verhalten, was sich nicht nur durch die geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung bestimme, sondern auch durch die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar sei, um diese Gefahr möglichst gering zu halten (BGH aaO.).

28

So hatte es für die Mithaftung eines geschädigten Motorradfahrers, der Kopfverletzungen erlitten und keinen Schutzhelm getragen hatte, lange vor Einführung der Helmpflicht im Januar 1976 ausgereicht, dass sich bereits zur Unfallzeit im Juli 1961 ein „allgemeines Verkehrsbewusstsein“ dahingehend gebildet hatte, dass dem Schutzhelm größte Bedeutung zur Abwehr und Minderung von Unfallverletzungen zukam (BGH, Urt. v. 09.02.1965, VI ZR 253/63, NJW 1965, 1075).

29

Diese Ansicht hat sich auch ganz überwiegend in der Literatur durchgesetzt, die es für sinnvoll erachtet, den Fortschritt der Sicherheitstechnik bei § 254 BGB auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber (noch) schweigt (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rn 51 mwN).

30

Im Bereich sportlicher Betätigungen wie Reiten oder Skifahren, wo es ebenfalls an einer gesetzlich geregelten Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms fehlt, hat sich nach der Rechtsprechung dagegen seit langem eine Obliegenheit zum Tragen von Helmen im Sinne des § 254 BGB gebildet. Dies wird damit begründet, dass sich z.B. auf den Skipisten die Anzahl der Skifahrer und die dort gefahrenen Geschwindigkeiten stark erhöht hätten, so dass die Mehrzahl der Skifahrer inzwischen mit einem Helm unterwegs sei (OLG München DAR 2012, 205). Warum dies bei einem Radfahrer, der im Straßenverkehr einer erhöhten Sturzgefahr ausgesetzt ist, anders sein soll, erschließt sich nicht.

31

bb) Dass sich das „allgemeine Verkehrsbewusstsein“ in Bezug auf das Tragen von Schutzhelmen beim Fahrradfahren in den letzten Jahren ebenfalls stark gewandelt hat, dürfte außer Frage stehen. Dies wird auch vom OLG Düsseldorf (NZV 2007, 614), auf welches sich das Landgericht in seiner Entscheidung stützt, hervorgehoben.

32

Es hat - insbesondere bedingt durch die zunehmende Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen - einen differenzierten Standpunkt eingenommen und zwischen dem "normalen" Freizeitfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt und sportlich ambitionierteren Fahrern, wie etwa Rennradfahrern, unterschieden und nur bei letzteren eine Obliegenheitsverletzung beim Nichttragen von Schutzhelmen angenommen.

33

Der Bundesgerichtshof hat in seiner anschließenden Revisionsentscheidung (BGH, Urt. v. 04.11.2008, VI ZR 171/07, VersR 2009, 234-236) diese Frage offen gelassen, da nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf der Kläger keine Kopfverletzungen erlitten hatte, mithin das Tragen eines Fahrradhelms nicht den Eintritt seiner sturzbedingten Verletzungen hätte verhindern können.

34

Die Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten von Radfahrern, die gleichsam am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, ist wegen der durch sie aufgeworfenen Abgrenzungsschwierigkeiten nachvollziehbaren Bedenken ausgesetzt (Kettler NZV 2007, 603). Schon angesichts des Umstandes, dass die technische Entwicklung bei modernen Tourenfahrrädern heute derart fortgeschritten ist, dass man auch, wenn es sich nicht um spezielle Renn- oder Geländeräder handelt, hohe Geschwindigkeiten erreichen und sein Fahrverhalten überaus flexibel gestalten kann, überzeugt diese Unterscheidung nicht.

35

Entscheidend ist vielmehr das besondere Verletzungsrisiko, dem Fahrradfahrer heutzutage im täglichen Straßenverkehr ausgesetzt sind, wie dieser Streitfall plastisch zeigt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, fehlender Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker, der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Gerade dagegen soll der Helm schützen. Dass der Helm diesen Schutz auch bewirkt, entspricht der einmütigen Einschätzung der Sicherheitsexperten und wird auch nicht ernsthaft angezweifelt. Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, soweit er sich in den öffentlichen Straßenverkehr mit dem dargestellten besonderen Verletzungsrisiko begibt (Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, Rn 3).

36

Die immer größere Verbreitung des Tragens eines Sturzhelms ist im täglichen Straßenbild auch inzwischen so deutlich wahrzunehmen, dass man von einer allgemeinen Überzeugung im Sinne dieser von der Rechtsprechung gebrauchten Formel sprechen kann (Staudinger/Schiemann BGB § 254 Rn 51).

37

Da die Klägerin die im eigenen Interesse gebotene Umsicht nicht gewahrt und dem Risiko, beim Radfahren eine Kopfverletzung zu erleiden, nicht nach - zumutbarer - Möglichkeit vorgebeugt hat, ist ihr ein Mitverschulden an der Schadensentstehung anzulasten ist.

38

c) Den Mitverschuldensanteil der Klägerin bemisst der Senat mit 20 %. Dies berücksichtigt zum einen, dass ein Helm nach den Feststellungen des Sachverständigen die Kopfverletzung der Klägerin zwar in einem gewissen Umfang hätte verringern, aber nicht verhindern können und zum anderen, dass das grob fahrlässige Verhalten der Beklagten zu 1) den Mitverschuldensanteil der Klägerin deutlich überwiegt.

39

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

40

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Revision zugelassen, § 543 ZPO.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 05. Juni 2013 - 7 U 11/12

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 05. Juni 2013 - 7 U 11/12 zitiert 13 §§.

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 84/02 Verkündet am: 17. Oktober 2003 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtsho

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 84/02 Verkündet am:
17. Oktober 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Zahlungsantrag des Klägers in Höhe von 5.121.379,88 DM (= 2.618.519,95 nsen und der Feststellungsantrag abgewiesen worden sind, soweit es um die Blöcke 1, 5 und 6b geht.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte, deren Anteile von der Stadt Köln und dem Land Nordrhein -Westfalen gehalten werden, ist mit der Verwirklichung des Stadtentwicklungsprojekts "M. P. " auf einem etwa 20 ha großen, ehemals als Güterbahnhof genutzten Gelände in Köln befaßt. Ihr oblag die Projektsteuerung. Ziel war es, das Gesamtprojekt bis Anfang 1993 fertigzustellen. Zu diesem Zweck
wurde den Investoren zusammen mit dem Grundstückserwerb Bauverpflichtun- gen mit engen zeitlichen Vorgaben, gesichert durch Vertragsstrafen, auferlegt.
Der Kläger erwarb 1990 ein Grundstück aus dem Gesamtareal und errichtete dort den Block 4, den er zu großen Teilen an die A. -G. AG vermietet hat. Wegen Schlechterfüllung bei der Realisierung und Koordinierung des Gesamtprojekts und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, nämlich wegen Täuschung über die Defizite hinsichtlich des Entwicklungsstands des Gesamtprojekts , hat der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangt, und zwar durch Zahlungsklage in Höhe von 13.378.232,06 DM nebst Zinsen sowie im Wege der Feststellungsklage hinsichtlich weiterer noch nicht bezifferbarer Schäden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 13 Mio. DM dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß stattgegeben. Den Feststellungsantrag hat es als nicht gestellt betrachtet. Der Senat hat die Revisionen beider Parteien gegen dieses Urteil nicht angenommen und klargestellt, daß die angefochtene Entscheidung so zu verstehen sei, daß über den auf positive Forderungsverletzung gestützten Feststellungsantrag noch nicht entschieden sei.
Der Kläger hat im Betragsverfahren seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 19.518.084 DM weiter verfolgt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichtfertigstellung bzw. der nicht vertragsgemäßen Nutzung der Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 bzw. aus der nicht- oder nicht ordnungsgemäßen
Erfüllung der sonstigen von der Beklagten eingegangenen Vertragspflichten entsteht.
Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 14.396.704,12 DM stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den bezifferten Klageantrag im Umfang der Abweisung weiter. Den weiteren Antrag hat er eingeschränkt und auf die Feststellung präzisiert, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren mit der Entscheidung über den Zahlungsantrag nicht verbrauchten Schaden zu ersetzen, der entstehe, solange die Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 nicht fertiggestellt seien oder nach Errichtung nicht gemäß den vertraglichen Vereinbarungen , insbesondere nicht nach der vertraglich vorgesehenen Nutzungsbindung, genutzt würden.
Der Senat hat die Revision des Klägers hinsichtlich des Zahlungsantrags und hinsichtlich des Feststellungsantrags angenommen, soweit es um eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b geht. Im übrigen hat er die Revision des Klägers wie auch die Revision der Beklagten, die die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


A. Zahlungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger entsprechend dem rechtskräftigen Grundurteil Schadensersatz wegen unzutreffender vorvertraglicher Erklärungen der Beklagten bezüglich Block 2 und Block 5 in Höhe des Wertes zu, um den der Kläger das von ihm mit Block 4 bebaute Grundstück infolge seiner Fehlvorstellungen zu teuer erworben hat. Es schätzt diese Wertdifferenz , sachverständig beraten, auf 10,7 Mio. DM und zieht davon im Wege des Vorteilsausgleichs einen sogenannten Overrent-Ertrag von (rund) 1,7 Mio. DM ab. Denn der Kläger habe von der A. -G. AG einen um 2 DM/qm höheren Mietzins erhalten, als es dem von dem Sachverständigen als lageangemessen veranschlagten Mietzins entspreche.
2. Als Schaden spricht das Berufungsgericht dem Kläger hilfsweise geltend gemachte kapitalisierte Verzugszinsen in Höhe von 5.396.704,12 DM zu, versagt ihm aber den in erster Linie verfolgten Anspruch auf Ersatz des Zinsaufwandes , der dem Kläger zur Finanzierung des von ihm bei vertragsgerechtem Verhalten nicht geschuldeten Kaufpreisanteils erwachsen ist und den er mit 8.818.084 DM beziffert hat. Es meint, es fehle an einer hinreichenden Darlegung dieses Anspruchs, da der Kläger nichts zu anrechenbaren Steuervorteilen vorgetragen habe, die er infolge der Kreditbelastung gehabt habe.
3. Hinsichtlich des weiterhin hilfsweise geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " (Ansiedlung von Künstlern und Kulturschaffenden in Block 4) verneint das Berufungsgericht einen Schaden mit der Begründung, der Kläger habe nicht dargelegt, daß er überhaupt einen Mietausfall erlitten habe.

II.


Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.
1. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten nicht angenommen hat, ist davon auszugehen, daß der Kläger das Grundstück infolge der unzutreffenden , von der Beklagten zu vertretenden Angaben zum Entwicklungsstand des Gesamtprojekts bezüglich Block 2 und Block 5 um 10,7 Mio. DM zu teuer erworben hat. Daß dieser Betrag, der den nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß zu ersetzenden Schaden beziffert, nach den Regeln der Vorteilsausgleichung gemindert sein kann, steht außer Zweifel. Die für die Schadensberechnung maßgebliche Differenzhypothese (BGHZ 98, 212, 217) bedingt die den Schaden mindernde Berücksichtigung von Vorteilen, die dem Geschädigten infolge des Schadensereignisses zugeflossen sind. Dabei besteht heute Einigkeit, daß nicht generell jeder Vorteil den Schaden mindert, sondern daß eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entsprechen muß, mithin den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen darf. Der einzelne Vorteil muß, soll er zur Anrechnung führen, mit dem einzelnen Nachteil kongruent sein, d.h. ihm seiner Art nach entsprechen (Senat, Urt. v. 6. Juni 1997, V ZR 115/96, NJW 1997, 2378 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen gegen die von dem Berufungsgericht vorgenommene Vorteilsausgleichung an sich keine Bedenken. Da der den Schaden bestimmende Minderwert auf der von dem noch nicht intakten Umfeld geprägten Ertragseinbuße beruht, ist es grundsätzlich gerechtfertigt,
Mehrerträge im Einzelfall schadensmindernd zu berücksichtigen. Zwar hätte dies, worauf die Revision zu Recht hinweist, bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu unterbleiben, wenn der Mehrertrag auf eine besondere Geschäftstüchtigkeit des Klägers zurückzuführen wäre, die dem Schädiger nicht zugute kommen dürfte (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Band 2a, § 249 Rdn. 263). Die Revision verweist aber nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , wonach die über dem lageangemessenen Durchschnitt liegende Miete der Geschäftstüchtigkeit des Klägers zuzuschreiben ist. Möglich, wenn nicht sogar näher liegend ist, daß die Miete im Hinblick auf die Vorstellung von Mieter und Vermieter vereinbart wurde, daß das Stadtentwicklungsprojekt in dem vorgesehenen zeitlichen Rahmen verwirklicht werden würde. Dann aber gäbe es keinen Grund, den Vorteil dem Kläger zu belassen.
Etwas anderes gilt aber, wenn der Vortrag des Klägers zutrifft, er habe den höheren Mietzins von der A. -G. AG nur deswegen bekommen, weil er im Hinblick auf sonst gerechtfertigte Mietminderungen finanzielle Zugeständnisse bei einem früheren Mietverhältnis in Düsseldorf gemacht habe. Diese Zugeständnisse überstiegen den in Köln erwirtschafteten "Overrent". Trifft dies zu, so hat sich der Kläger den ursprünglichen Vorteil nur durch anderweitige wirtschaftliche Zugeständnisse erhalten können. Im Saldo bliebe kein anrechenbarer Vorteil.
Dem kann man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen halten, eine Mietminderung sei gar nicht gerechtfertigt gewesen. Wenn der Sachverständige wegen der Situation im Umfeld einen geringeren Mietertrag zugrunde legt, so deswegen, weil die noch fehlende Fertigstellung des Gesamtprojekts Einfluß auf den angemessenen Mietzins hat. Das beruht
nicht lediglich auf der rein subjektiven Einschätzung potentieller Mieter, sondern auf Umständen, die die Nutzung objektiv erschweren und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Gründe dafür sind beschwerlichere Zugänge, fehlende Einbindung in eine funktionierende Infrastruktur und ein insgesamt weniger attraktives Erscheinungsbild. Solche Nachteile können die Abläufe in einem Gewerbebetrieb erschweren, seine Außendarstellung beeinträchtigen und sein Ansehen mindern. Der Mieter, der Büro- oder Gewerberäume unter der vertragsgemäßen Voraussetzung eines intakten Umfelds mietet, kann daher die Miete mindern, wenn solche Umstände die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinflußen (§ 536 Abs. 1 BGB a.F.). Daß dies hier der Fall war, liegt angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten allgemeinen Ertragseinbußen nicht fern. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht einen solchen Nachteil für den Kläger deswegen nicht verneinen, weil er und die Mieterin dem von dieser geltend gemachten Minderungsrecht wirtschaftliche Bedeutung beigemessen und dies - nach dem Klägervortrag - zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht haben. Danach verzichtete der Kläger auf Forderungen aus dem früheren Mietverhältnis mit der A. -G. AG, und diese verzichtete auf Minderungsansprüche. Dies dokumentiert den wirtschaftlichen Wert dieser Ansprüche. Mit Blick darauf kann auch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht in analoger Anwendung des § 539 Satz 1 BGB a.F. von einem Verlust des Minderungsrechts wegen fehlender Geltendmachung ausgegangen werden. Die Mietvertragsparteien sind, wie der Vergleich zeigt, nicht von einem Verlust des Minderungsrechts ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr seinem Vortrag zufolge mit Rücksicht auf die angedrohte Minderung auf Mietzinsforderungen in erheblichem Umfang verzichtet. Dies läßt, wenn es zutrifft, den von dem Sachverständigen ermittelten "Over-
rent-Ertrag" wieder entfallen und steht einer Berücksichtigung im Wege des Vorteilsausgleichs entgegen.
2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Zinsaufwand, der auf den Kaufpreisanteil entfällt, der bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wäre, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Soweit es indes eine nicht hinreichende Darlegung des Klägers zu anrechenbaren Steuervorteilen bemängelt, verkennt es - wie die Revision zu Recht rügt - die Darlegungs- und Beweislast.
Für Vorteile, die den Schaden mindern, ist grundsätzlich der Schädiger, hier also die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig (Senat, Urt. v. 3. Mai 2002, V ZR 115/01, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Zwar gibt es Beweiserleichterungen , die bis zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gehen können, wenn es sich um Geschehnisse aus dem Vermögensbereich der anderen Partei handelt. Das ist insbesondere bei der Berücksichtigung von Steuervorteilen angenommen worden (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814, 1815; Senat, Urt. v. 15. April 1983, V ZR 152/82, NJW 1983, 2137, 2139). Doch muß zunächst der Schädiger überhaupt geltend machen, daß ein Vorteil anzurechnen ist. Diese Darlegung ist ihm nicht erlassen (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86 aaO). Daran fehlt es. Die Revisionserwiderung verweist zwar auf Tatsachenvortrag, in dem darauf hingewiesen wird, daß nach einer Entscheidung des Senats vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, WM 1997, 2309) bei der Ermittlung des Schadens eine Gesamtbetrachtung stattzufinden habe. Darin liegt jedoch auf den konkreten Fall bezogen keine Geltendmachung von Steuervorteilen, die dem Kläger infolge seines durch den Zinsaufwand entstandenen Schadens zugeflossen sein sollten. Eine nähere
Darlegung hätte dazu schon deswegen erfolgen müssen, weil ein etwaiger Steuervorteil des Klägers dadurch wieder ausgeglichen sein kann, daß der zugesprochene Schadensersatzbetrag seinerseits zu versteuern ist (vgl. BGHZ 74, 103, 114; BGH, Urt. v. 25. Februar 1988, VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788; Urt. v. 9. Dezember 1987, IVa ZR 204/86, NJW-RR 1988, 856).
3. Sollte es nach den nachzuholenden Feststellungen des Berufungsgerichts gleichwohl bei einer Nichtberücksichtigung des von dem Kläger auf 8.818.084 DM bezifferten Schadensbetrages bleiben, gilt für die hilfsweise geltend gemachten Forderungen folgendes:
Die kapitalisierten Verzugszinsen, die das Berufungsgericht in Höhe von 5.396.704,12 DM berücksichtigt hat, würden sich erhöhen, wenn der Grundschadensbetrag nicht 9 Mio. DM - wie vom Berufungsgericht angenommen -, sondern 10,7 Mio. DM betragen sollte. Der Kläger beziffert sie auf 6.321.244,44 DM.
Hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " bleiben die Angriffe der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts ohne Erfolg. Zwar ist es richtig, daß § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten die Darlegungslast erleichtert. Die Revision verweist aber nicht auf Tatsachenvortrag, dem zu entnehmen wäre, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, daß der Markt eine Vermietung zu einem Quadratmeterpreis von 29 DM, den der Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, überhaupt hergegeben hätte. Wie der Sachverständige festgestellt hat, war ein Quadratmeterpreis von 29 DM angesichts der besonderen Situati-
on mehr, als man an sich hätte erzielen können. Nur die A. -G. AG war bereit, diesen Mietzins zu zahlen. Daß der Kläger wegen der unzureichenden Projektbegleitung der Beklagten nicht mehr an Miete erzielen konnte (vom "Overrent-Ertrag" abgesehen), mag richtig sein. Diesen Schaden deckt aber der Anspruch aus culpa in contrahendo ab; denn der Kläger erhält die auf dem geringeren Ertragswert beruhende Werteinbuße erstattet.
B. Feststellungsantrag

I.


1. Das Berufungsgericht verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse, soweit der Feststellungsantrag noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, sich also auf die nicht bzw. nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b bezieht. Der Kläger habe den Schaden beziffern und daher zur Leistungsklage übergehen können.
2. Im übrigen hält es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aber auch für nicht begründet.

a) Hinsichtlich Block 1 fehle es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Fehlverhalten der Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten des Investors hätten auch vertraglich geschuldete frühere Bemühungen der Beklagten, die Bauverpflichtung durchzusetzen, keinen Erfolg gehabt.

b) Hinsichtlich Block 5 und 6b verneint das Berufungsgericht ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten.

II.


1. Der Umstand, daß der Schaden während des Prozesses bezifferbar geworden sein mag, führt nicht dazu, daß der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses nicht mehr zulässig wäre. Ist eine Feststellungsklage - wie hier - in zulässiger Weise erhoben worden, so ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (BGH, Urt. v. 31. Januar 1952, III ZR 131/51, LM ZPO § 256 Nr. 5; Urt. v. 15. November 1977, VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, bei BGHZ 70, 39 nicht abgedruckt).
2. a) Bei der Frage, ob die nicht rechtzeitige Fertigstellung von Block 1 auf eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, verkennt das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast, wenn es annimmt, daß nichts dafür spreche, daß die Beklagte eine Fertigstellung bis zum 31. Dezember 1994 durchgesetzt hätte, wenn sie frühzeitig, und nicht erst im September 1995 eine Vertragsstrafe verhängt hätte. Denn es ist nicht Sache des Klägers darzulegen, daß der Schaden bei vertragsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre. Vielmehr muß die Beklagte darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, daß der Investor auch dann, wenn sie sich rechtzeitig um eine zügige Bebauung gekümmert hätte, wegen seiner Liquiditätsschwierigkeiten außerstande gewesen wäre, den Block vertragsgemäß zu erstellen (vgl. BGHZ 143, 362, 365 f.; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2001, III ZR 288/00, NJW 2002, 888, 890; MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rdn. 218 m.w.N.). Daran fehlt es, und davon geht auch das Berufungsgericht nicht aus. Es erwägt selbst, daß die Beklagte auch von ihrem Rücktrittsrecht hätte Gebrauch machen und den Block - wie später auch geschehen - anderweit vergeben kön-
nen. Mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose läßt sich aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall die Kausalität des Fehlverhaltens der Beklagten verneinen. Hierzu bedarf es konkreter Feststellungen.

b) Hinsichtlich Block 5 macht die Revision zu Recht geltend, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten Sachvorbringen des Klägers übergangen.
Das gilt allerdings nicht für den unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellten Vortrag, die Entscheidung, den Block in Teilen zu vermarkten, sei falsch gewesen. Dem brauchte das Berufungsgericht , weil dieses Vorbringen zu wenig auf die konkrete Situation eingeht, nicht nachzugehen. Die Beklagte hatte - wie sie im einzelnen unter Beweisantritt dargelegt hat - zunächst versucht, den Block als solchen zu vermarkten, was aber wegen des großen Volumens nicht gelang. Die Revision verweist nicht auf Vortrag des Klägers, der hierauf eingegangen wäre. Die Frage, ob eine Vermarktung durch Aufteilung sachgerecht ist, kann aber nicht generell, etwa durch Sachverständigengutachten, geklärt werden, sondern muß vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse beurteilt werden.
Berechtigt ist die Rüge aber hinsichtlich des Vortrags, wonach die Beklagte eine sichere Möglichkeit der Vermarktung habe scheitern lassen, um eine vage Hoffnung auf ein anderes Geschäft (mit R. ) aufrechterhalten zu können. Wenn das Berufungsgericht meint, daß es der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wenn sie an R. festgehalten habe, da dies dem Gesamtkonzept des "M. -P. " entsprochen habe, so ist dies zwar eine mögliche Erwägung, die aber nicht ohne vorherige Aufklärung der Tatsa-
chen angestellt werden durfte. Der Kläger behauptet hierzu nämlich unter Beweisantritt , daß das Geschäft mit einem Investor deswegen gescheitert sei, weil die Beklagte ihn abgelehnt habe, obwohl dieser auch an R. habe vermieten wollen. Trifft dies zu, kommt eine schuldhafte Pflichtverletzung in Betracht, durch die eine erhebliche Verzögerung eingetreten wäre. Die Ablehnung soll nämlich im Mai 1992 erklärt worden sein; die jetzige Realisierung des Projekts hat das Berufungsgericht für 2003 angenommen.
Bei der Schadensberechnung wird, soweit das Berufungsgericht dem Grunde nach zu einem Anspruch kommen wollte, zu berücksichtigen sein, daß nur der Schaden erfaßt wird, der nicht schon Gegenstand der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist. Ein solcher weiterer Schaden, der durch eine verzögerte Fertigstellung des Blocks 5 verursacht wurde, ist nicht von vornherein notwendigerweise mit dem von der culpa in contrahendo verursachten Vertrauensschaden deckungsgleich.
Hinsichtlich von Block 6b läßt das Berufungsgericht vom rechtlichen Ansatz her die Haftung der Beklagten zwar daran scheitern, daß es an einer schuldhaften Pflichtverletzung fehle. Es heißt nämlich, es könne nicht von Versäumnissen der Beklagten ausgegangen werden. Die weiteren Ausführungen zeigen aber, daß es - wie bei Block 1 - um Fragen der Kausalität geht. Insoweit leidet das Urteil an demselben Rechtsfehler, wie er zu Block 1 unterlaufen ist.

III.


Soweit Ansprüche wegen positiver Forderungsverletzung von dem Kläger "äußerst hilfsweise" auch zur Auffüllung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht und vom Berufungsgericht abgewiesen worden sind, geht die Revision hierauf nicht gesondert ein, da es aus ihrer Sicht darauf nicht ankommt. Der Senat brauchte daher nicht im einzelnen zu prüfen, ob solche Ansprüche bestehen und insbesondere der Höhe nach schlüssig dargelegt sind. Soweit es um den Haftungsgrund geht, kommen Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b in Betracht. Das hierzu bei der Behandlung des Feststellungsantrags Ausgeführte gilt in gleicher Weise auch für daraus abgeleitete Zahlungansprüche.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.

(2) Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.

(3) Ist in den Fällen des § 17 auch der Führer eines Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so sind auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnis zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Kraftfahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer die Vorschriften des § 17 entsprechend anzuwenden.

(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

(1) Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist.

(2) Wer ein Fahrzeug führt, muss die nötigen Maßnahmen treffen, um Unfälle oder Verkehrsstörungen zu vermeiden, wenn das Fahrzeug verlassen wird. Kraftfahrzeuge sind auch gegen unbefugte Benutzung zu sichern.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 171/07 Verkündet am:
4. November 2008
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Rücksichtnahme von Radfahrern gegenüber Fußgängern auf - lediglich farblich
getrennten - Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5
BGH, Urteil vom 6. November 2008 - VI ZR 171/07 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner
, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Fahrradunfalls vom 1. September 2004 auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Kläger fuhr mit seinem Fahrrad auf einem farblich markierten Radweg auf eine Bushaltestelle zu, die sich aus seiner Sicht links neben dem Radweg befand. Die Beklagte stand zu diesem Zeitpunkt auf der gepflasterten Freifläche der Bushaltestelle mit dem Rücken zum Kläger dicht am Radweg und unterhielt sich mit zwei Personen, die sich rechts vom Radweg auf dem Gehweg in Höhe eines Kiosks aufhielten. Als sich der Kläger der Personengruppe bis auf eine Entfernung von 10 m genähert hatte, klingelte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Seine Geschwindigkeit reduzierte er nicht. Im Zuge seiner weiteren Annäherung machte die Beklagte eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg, wobei sie diesen nur leicht mit dem Fuß berührte. Der Kläger machte infolgedessen eine Vollbremsung, bei der das Vorderrad blockierte , das Fahrrad vornüber kippte und der Kläger über den Fahrradlenker zu Boden stürzte.
3
Der Kläger, der keinen Fahrradhelm trug, erlitt einen Unfallschock, eine Schürfwunde am Stirnbein rechts, eine Risswunde am rechten Ohr durch einen Brillenbügel, eine Prellung und Hämatome an der Schulter, eine Quetschung der Rotatorenmanschette sowie eine Prellung des linken Zeigefingers. Bereits vor dem Unfall war der Kläger auf dem rechten Ohr völlig taub und auf dem linken teilweise hörgeschädigt. Der Kläger hat zunächst mit seiner Klage ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.000 €, sowie eine Verurteilung der Beklagten zum Ersatz seines materiellen Schadens in Höhe von 120,67 € geltend gemacht. Das Landgericht hat dem Kläger unter Berücksichtigung eines mit 70 % bewerteten Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 300 € und auf den geltend gemachten materiellen Schaden einen Betrag von 36,20 € zuerkannt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er den Mindestbetrag des Schmerzensgeldes auf 3.000 € reduziert hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € und den geltend gemachten materiellen Schaden von 120,67 € in vollem Umfang zugesprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils , soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NZV 2007, 614 veröffentlicht ist, meint, die Beklagte hafte in vollem Umfang für alle unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden des Klägers; dieser müsse sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Beklagte, die hinsichtlich eines Mitverschuldens des Klägers darlegungs- und beweisbelastet sei, habe nicht bewiesen , dass der Kläger unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO ein höheres Ausgangstempo als die von ihm eingeräumte Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h innehatte. Die von der Beklagten beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis ihrer Behauptung, der Kläger sei annähernd doppelt so schnell wie von ihm behauptet gefahren, sei nicht veranlasst, denn es fehle an den für eine unfallanalytische Auswertung notwendigen Anknüpfungstatsachen. Die Höhe der vom Kläger eingeräumten Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h sei nicht zu beanstanden. Dem Kläger könne nicht angelastet werden, in einer Überreaktion fehlerhaft gebremst zu haben. Der Umstand, dass die Reaktion des Klägers zur Vermeidung einer befürchteten Kollision möglicherweise heftiger ausgefallen sei als nach den Umständen objektiv erforderlich, gereiche dem Kläger nicht zum Vorwurf eines mitwirkenden Verschuldens. Der Kläger habe aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert, weil die Beklagte in einer für den herannahenden Kläger überraschenden - weil unter Missachtung des vorherigen Klingelzeichens erfolgenden - Weise eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg gemacht habe, nachdem sie sich zuvor gefahrenneutral verhalten habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Kläger auf die sich ihm darbietende Situation nicht mit einer Verlangsamung seines Tempos reagieren müssen. Zwar treffe es zu, dass sich der Kläger im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle und Radweg einer Verkehrssituation genähert habe, aus der sich potentiell eine Begegnungs - und Kollisionsgefahr hätte ergeben können. Es hätten jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beklagte den Fahrradweg überqueren werde. Deshalb habe der Kläger davon ausgehen können, dass die Beklagte sein Klingelzeichen hören und sich weiterhin verkehrsgerecht verhalten werde. Eine Pflicht zu einer gesteigerten Rücksichtnahme auf die Beklagte als Fußgängerin habe nicht bestanden. Zwar hätten auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Im vorliegenden Fall habe es sich jedoch um einen getrennten Rad- und Fußweg gehandelt. Da die Beklagte ihren gefahrenneutralen Standort zunächst unverändert beibehalten habe, sei keine weitergehende Rücksichtnahme seitens des Klägers geboten gewesen. Dem Kläger könne auch keine Obliegenheitsverletzung aufgrund des Umstandes angelastet werden, dass er bei dem Unfallereignis keinen Fahrradhelm getragen habe. Zum einen habe der Kläger nicht zu den besonders gefährdeten Radfahrergruppen gehört, von welchen ohne weiteres abverlangt werden könne, zum eigenen Schutz vor Unfallverletzung einen Fahrradhelm zu tragen. Zum anderen lasse sich nicht feststellen, dass der Eintritt der durch den Kläger sturzbedingt erlittenen Verletzungen durch den Schutz eines Helms hätte verhindert werden können.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen liegt ein Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz vom Fahrrad vor.
6
1. Allerdings hat die Revision keinen Erfolg, soweit sie dem Kläger im Gegensatz zum Berufungsgericht ein Mitverschulden anlasten will, weil dieser schneller als die vom Berufungsgericht festgestellten 15 km/h gefahren sei und zudem keinen Fahrradhelm getragen habe.
7
a) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft das beantragte verkehrstechnische Sachverständigengutachten zu der behaupteten höheren Geschwindigkeit nicht eingeholt, scheitert bereits daran, dass hierfür - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die notwendigen Anknüpfungstatsachen fehlten. Allein die Tatsache, dass der Kläger bei seiner Notbremsung mit blockierendem Vorderrad vornüber vom Fahrrad stürzte , reicht hierfür nicht aus. Dass dies auch bei einer "normalen" Geschwindigkeit von 15 km/h geschehen kann, liegt auf der Hand und bedarf nicht - wie die Revision vom Berufungsgericht verlangt - der Darlegung besonderer Sachkunde.
8
b) Auch das Nichttragen eines Fahrradhelms vermag unter den Umständen des vorliegenden Falles kein Mitverschulden des Klägers zu begründen. Nach der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung begründet das Radfahren ohne Schutzhelm - zumindest bei Erwachsenen - nicht oder zumindest nicht ohne weiteres - den Vorwurf des Mitverschuldens (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129, 131; OLG Stuttgart VRS 97 (1999), 15, 18; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Düsseldorf NZV 2007, 619; OLG Saarbrücken NZV 2008, 202, 303). Das Berufungsgericht hat hierzu - insbesondere bedingt durch die zunehmende Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen - einen differenzierten Standpunkt eingenommen, indem es zwischen dem "normalen" Freizeitfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt und sportlich ambitionierteren Fahrern, wie etwa Rennradfahrern, unterscheiden und nur bei letzteren eine Obliegenheitsverletzung beim Nichttragen von Schutzhelmen annehmen will. Ob dieser Auffassung zu folgen ist (zur Kritik vgl. etwa Kettler, Recht für Radfahrer , 2. Aufl., S. 151 f.), kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben. Denn nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Tragen eines Fahrradhelms nicht den Eintritt der Verletzungen verhindern können, die der Kläger durch seinen Sturz erlitten hat. Danach wurde der beim Kläger linksseitig eingetretene Hörsturz durch das Unfallgeschehen lediglich psychisch vermittelt. Für die übrigen Verletzungen kommt ein Ursachenzusammenhang mit dem Nichttragen eines Fahrradhelms nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht in Betracht.
9
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich in einer für ihn "gefahrenneutralen" Situation mit der Abgabe eines Klingelzeichens begnügen und ohne Reduzierung seiner Geschwindigkeit weiterfahren dürfen. Soweit das Berufungsgericht meint, seine Überreaktion gereiche dem Kläger deshalb nicht zum Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB, kann dem aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
10
a) Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers - hier in Form einer zu heftigen und objektiv nicht erforderlichen Bremsreaktion - dann kein Verschulden darstellt, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (vgl. das vom Berufungsgericht zitierte Senatsurteil vom 16. März 1976 - VI ZR 62/75 - VersR 1976, 734 m.w.N. zum plötzlichen Platzen eines Reifens während der Fahrt sowie Senatsurteile vom 7. Februar 1967 - VI ZR 132/65 - VersR 1967, 457, 458; vom 24. Februar 1987 - VI ZR 19/86 - VersR 1988, 291 und vom 18. November 2003 - VI ZR 31/02 - VersR 2004, 392). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lag jedoch eine solche ohne Verschulden des Klägers eingetretene und für ihn nicht voraussehbare Gefahrenlage nach den Umständen des Streitfalles nicht vor (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2003 - VI ZR 31/02 - aaO).
11
b) Es handelte sich nämlich nicht - wie das Berufungsgericht meint - um eine "gefahrenneutrale" Situation, bei welcher der Kläger ohne Verlangsamung seiner Geschwindigkeit mit gleich bleibendem Tempo weiterfahren durfte im Vertrauen darauf, die Beklagte werde sich nicht weiter in Richtung Fahrradweg bewegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Bereich der Unfallstelle der Radweg von den angrenzenden - dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen - Verkehrsflächen, links von der Bushaltestelle und rechts von dem relativen schmalen Gehweg, weder räumlich noch baulich abgetrennt. Vielmehr ist der Radweg als Sonderweg allein durch eine anders farbige Aufpflasterung von den übrigen Verkehrsflächen abgesetzt. Die Beklagte stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus Sicht des Klägers im Bereich der Bushaltestelle bereits dicht am Radweg, wandte ihm den Rücken zu und unterhielt sich mit zwei Personen, die rechts neben dem Radweg auf dem Fußweg in der Nähe eines dort befindlichen Kiosks standen. Nach der eigenen Einschätzung des Berufungsgerichts näherte sich der Kläger damit im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle, Radweg und Fußgängerweg einer Verkehrssituation, aus der sich potentiell eine Begegnungs- und Kollisionsgefahr ergeben konnte. Die dicht neben dem Radweg stehende Beklagte hatte keinen Sichtkontakt zum Kläger und war durch ein Gespräch abgelenkt. Der Kläger sah sich durch die Situation veranlasst, 10 Meter vor der besagten Stelle ein Klingelzeichen abzugeben, was darauf schließen lässt, dass er sich einer Kollisionsgefahr durchaus bewusst war. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe unter diesen Umständen davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte auf sein aus der Entfernung abgegebenes Klingelzeichen hören und keine weitere Bewegung in Richtung Radweg machen werde, wird - wie die Revision mit Recht rügt - von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Denn diesen ist nicht zu entnehmen , dass der Kläger durch eine Reaktion der Beklagten - etwa durch Aufnahme von Blickkontakt - davon ausgehen konnte, dass diese sein Klingelzeichen wahrgenommen hatte. Unter diesen Umständen bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keiner weiteren konkreten Anhaltspunkte für ein bevorstehendes Überqueren des Radweges durch die Beklagte. Es reichte vielmehr aus, dass die konkrete Gefahr bestand, dass sie - abgelenkt durch das Gespräch - bereits durch eine geringfügige Körperbewegung auf den Radweg gelangen konnte.
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c) Nicht frei von Rechtsfehlern sind schließlich auch die Ausführungen des Berufungsgerichts betreffend die Sorgfaltsanforderungen an Radfahrer bei - wie im vorliegenden Fall - getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO, bei denen das Fahrradsymbol von dem Fußgängersymbol durch einen senkrechten weißen Strich getrennt ist. Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass es in § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. c StVO lediglich heißt, auf einem "gemeinsamen" Rad- und Gehweg (Zeichen 240 mit einer Trennung des Fußgänger- und Fahrradsymbols durch einen waagrechten Strich) hätten Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass auf getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO Radfahrer auf Fußgänger (generell) keine Rücksicht zu nehmen hätten.
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Nach § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Darüber hinaus gilt auch für einen Fahrradfahrer, dass dieser nur so schnell fahren darf, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht und innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann (vgl. § 3 Abs. 1 StVO).
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Werden Rad- und Fußgängerwege auf jeweils nur optisch voneinander getrennten Verkehrsflächen so dicht aneinander vorbeigeführt, dass - wie das Berufungsgericht selbst zutreffend ausführt - im innerstädtischen Begegnungsverkehr abstrakt gefährliche Situationen zwangsläufig zu erwarten sind, können ähnliche Situationen entstehen wie auf gemeinsamen Rad- und Gehwegen. Solche Situationen begründen eine vergleichbare Pflicht zur Rücksichtnahme von Radfahrern auf Fußgänger jedenfalls dann, wenn sich das abstrakte Gefährdungspotential zu einer kritischen Situation verdichtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dies nach den vorstehenden Ausführungen der Fall. Der mithin nach § 1 Abs. 2 StVO gebotenen Rücksichtsnahme hat der Kläger nicht schon - wie das Berufungsgericht meint - dadurch Genüge getan, dass er in einer Entfernung von 10 Metern durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam machen wollte. Ohne erkennbare Reaktion der Beklagten auf dieses Klingelzeichen war er vielmehr gehalten, seine Geschwindigkeit zu reduzieren und sich bremsbereit zu verhalten. Dies wird das Berufungsgericht bei seiner erneuten Abwägung zu berücksichtigen haben.
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3. Bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das Maß der Verursachung maßgeblich, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. etwa Senatsurteil vom 9. Juli 1968 - VI ZR 171/67 - VersR 1968, 1093, 1094 m.w.N.; vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475). Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - aaO; vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238, 1239 m.w.N.). Die unter diesem Gesichtpunkt vorzunehmende Abwägung kann zwar in besonderen Fallgestaltungen zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - aaO). Unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung gemäß § 254 BGB ist eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten aber nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (Senatsurteile vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - VersR 1995, 583, 584 und vom 7. Februar 2006 - VI ZR 20/05 - VersR 2006, 663). Ob ein vollständiger Haftungsausschluss gerechtfertigt ist, kann jeweils nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372 und vom 7. Februar 2006 - VI ZR 20/05 - aaO). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist eine völlige Haftungsfreistellung des Klägers im Streitfall nicht gerechtfertigt.
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Danach beschränkt sich der Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeitrag der Beklagten darauf, dass sie mit dem Rücken zum Kläger dicht am Fahrradweg stand und aus Unaufmerksamkeit eine Bewegung machte, durch die sie mit einem Fuß den Radweg leicht berührte. Demgegenüber fallen dem Kläger mehrere Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeiträge für seinen Sturz vom Fahrrad zur Last. Zum einen hat er die in der konkreten Situation gebotene Sorgfalt nicht beachtet, seine Geschwindigkeit nicht herabgesetzt und sich nicht bremsbereit verhalten. Danach hat er eine seinen Sturz verursachende Vollbremsung vorgenommen, obwohl die Beklagte den Radweg tatsächlich gar nicht überquert oder betreten hat. Dabei hat er in einer Art und Weise gebremst, dass das Vorderrad blockierte und das Hinterrad fast senkrecht über dem Vorderrad stand, was nach dem ersten Anschein jedenfalls dafür spricht, dass der Kläger Vorder- und Hinterradbremse nicht gleichzeitig und gleichmäßig betätigt hat. Und schließlich äußert das Berufungsgericht aufgrund seiner Berechnungen selbst Bedenken gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, auf der ihm nach einer "Schrecksekunde" verbliebenen Restdistanz von nur noch knapp 6 m zu der Position der Beklagten wäre es - wenn diese den Radweg betreten hätte - ohne seine Vollbremsung mit dem anschließenden Sturz vom Fahrrad unweigerlich zu einem Zusammenprall gekommen.

III.

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Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil die Bewertung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Deshalb ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.11.2006 - 12 O 204/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.06.2007 - I-1 U 278/06 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.