Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - VI ZR 171/07

bei uns veröffentlicht am04.11.2008
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 12 O 204/05, 20.11.2006
Oberlandesgericht Düsseldorf, 1 U 278/06, 18.06.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 171/07 Verkündet am:
4. November 2008
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Rücksichtnahme von Radfahrern gegenüber Fußgängern auf - lediglich farblich
getrennten - Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5
BGH, Urteil vom 6. November 2008 - VI ZR 171/07 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner
, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Fahrradunfalls vom 1. September 2004 auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Kläger fuhr mit seinem Fahrrad auf einem farblich markierten Radweg auf eine Bushaltestelle zu, die sich aus seiner Sicht links neben dem Radweg befand. Die Beklagte stand zu diesem Zeitpunkt auf der gepflasterten Freifläche der Bushaltestelle mit dem Rücken zum Kläger dicht am Radweg und unterhielt sich mit zwei Personen, die sich rechts vom Radweg auf dem Gehweg in Höhe eines Kiosks aufhielten. Als sich der Kläger der Personengruppe bis auf eine Entfernung von 10 m genähert hatte, klingelte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Seine Geschwindigkeit reduzierte er nicht. Im Zuge seiner weiteren Annäherung machte die Beklagte eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg, wobei sie diesen nur leicht mit dem Fuß berührte. Der Kläger machte infolgedessen eine Vollbremsung, bei der das Vorderrad blockierte , das Fahrrad vornüber kippte und der Kläger über den Fahrradlenker zu Boden stürzte.
3
Der Kläger, der keinen Fahrradhelm trug, erlitt einen Unfallschock, eine Schürfwunde am Stirnbein rechts, eine Risswunde am rechten Ohr durch einen Brillenbügel, eine Prellung und Hämatome an der Schulter, eine Quetschung der Rotatorenmanschette sowie eine Prellung des linken Zeigefingers. Bereits vor dem Unfall war der Kläger auf dem rechten Ohr völlig taub und auf dem linken teilweise hörgeschädigt. Der Kläger hat zunächst mit seiner Klage ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.000 €, sowie eine Verurteilung der Beklagten zum Ersatz seines materiellen Schadens in Höhe von 120,67 € geltend gemacht. Das Landgericht hat dem Kläger unter Berücksichtigung eines mit 70 % bewerteten Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 300 € und auf den geltend gemachten materiellen Schaden einen Betrag von 36,20 € zuerkannt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er den Mindestbetrag des Schmerzensgeldes auf 3.000 € reduziert hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € und den geltend gemachten materiellen Schaden von 120,67 € in vollem Umfang zugesprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils , soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NZV 2007, 614 veröffentlicht ist, meint, die Beklagte hafte in vollem Umfang für alle unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden des Klägers; dieser müsse sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Beklagte, die hinsichtlich eines Mitverschuldens des Klägers darlegungs- und beweisbelastet sei, habe nicht bewiesen , dass der Kläger unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO ein höheres Ausgangstempo als die von ihm eingeräumte Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h innehatte. Die von der Beklagten beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis ihrer Behauptung, der Kläger sei annähernd doppelt so schnell wie von ihm behauptet gefahren, sei nicht veranlasst, denn es fehle an den für eine unfallanalytische Auswertung notwendigen Anknüpfungstatsachen. Die Höhe der vom Kläger eingeräumten Annäherungsgeschwindigkeit von 15 km/h sei nicht zu beanstanden. Dem Kläger könne nicht angelastet werden, in einer Überreaktion fehlerhaft gebremst zu haben. Der Umstand, dass die Reaktion des Klägers zur Vermeidung einer befürchteten Kollision möglicherweise heftiger ausgefallen sei als nach den Umständen objektiv erforderlich, gereiche dem Kläger nicht zum Vorwurf eines mitwirkenden Verschuldens. Der Kläger habe aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert, weil die Beklagte in einer für den herannahenden Kläger überraschenden - weil unter Missachtung des vorherigen Klingelzeichens erfolgenden - Weise eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg gemacht habe, nachdem sie sich zuvor gefahrenneutral verhalten habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Kläger auf die sich ihm darbietende Situation nicht mit einer Verlangsamung seines Tempos reagieren müssen. Zwar treffe es zu, dass sich der Kläger im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle und Radweg einer Verkehrssituation genähert habe, aus der sich potentiell eine Begegnungs - und Kollisionsgefahr hätte ergeben können. Es hätten jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beklagte den Fahrradweg überqueren werde. Deshalb habe der Kläger davon ausgehen können, dass die Beklagte sein Klingelzeichen hören und sich weiterhin verkehrsgerecht verhalten werde. Eine Pflicht zu einer gesteigerten Rücksichtnahme auf die Beklagte als Fußgängerin habe nicht bestanden. Zwar hätten auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Im vorliegenden Fall habe es sich jedoch um einen getrennten Rad- und Fußweg gehandelt. Da die Beklagte ihren gefahrenneutralen Standort zunächst unverändert beibehalten habe, sei keine weitergehende Rücksichtnahme seitens des Klägers geboten gewesen. Dem Kläger könne auch keine Obliegenheitsverletzung aufgrund des Umstandes angelastet werden, dass er bei dem Unfallereignis keinen Fahrradhelm getragen habe. Zum einen habe der Kläger nicht zu den besonders gefährdeten Radfahrergruppen gehört, von welchen ohne weiteres abverlangt werden könne, zum eigenen Schutz vor Unfallverletzung einen Fahrradhelm zu tragen. Zum anderen lasse sich nicht feststellen, dass der Eintritt der durch den Kläger sturzbedingt erlittenen Verletzungen durch den Schutz eines Helms hätte verhindert werden können.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen liegt ein Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz vom Fahrrad vor.
6
1. Allerdings hat die Revision keinen Erfolg, soweit sie dem Kläger im Gegensatz zum Berufungsgericht ein Mitverschulden anlasten will, weil dieser schneller als die vom Berufungsgericht festgestellten 15 km/h gefahren sei und zudem keinen Fahrradhelm getragen habe.
7
a) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft das beantragte verkehrstechnische Sachverständigengutachten zu der behaupteten höheren Geschwindigkeit nicht eingeholt, scheitert bereits daran, dass hierfür - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die notwendigen Anknüpfungstatsachen fehlten. Allein die Tatsache, dass der Kläger bei seiner Notbremsung mit blockierendem Vorderrad vornüber vom Fahrrad stürzte , reicht hierfür nicht aus. Dass dies auch bei einer "normalen" Geschwindigkeit von 15 km/h geschehen kann, liegt auf der Hand und bedarf nicht - wie die Revision vom Berufungsgericht verlangt - der Darlegung besonderer Sachkunde.
8
b) Auch das Nichttragen eines Fahrradhelms vermag unter den Umständen des vorliegenden Falles kein Mitverschulden des Klägers zu begründen. Nach der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung begründet das Radfahren ohne Schutzhelm - zumindest bei Erwachsenen - nicht oder zumindest nicht ohne weiteres - den Vorwurf des Mitverschuldens (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129, 131; OLG Stuttgart VRS 97 (1999), 15, 18; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Düsseldorf NZV 2007, 619; OLG Saarbrücken NZV 2008, 202, 303). Das Berufungsgericht hat hierzu - insbesondere bedingt durch die zunehmende Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen - einen differenzierten Standpunkt eingenommen, indem es zwischen dem "normalen" Freizeitfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt und sportlich ambitionierteren Fahrern, wie etwa Rennradfahrern, unterscheiden und nur bei letzteren eine Obliegenheitsverletzung beim Nichttragen von Schutzhelmen annehmen will. Ob dieser Auffassung zu folgen ist (zur Kritik vgl. etwa Kettler, Recht für Radfahrer , 2. Aufl., S. 151 f.), kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben. Denn nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Tragen eines Fahrradhelms nicht den Eintritt der Verletzungen verhindern können, die der Kläger durch seinen Sturz erlitten hat. Danach wurde der beim Kläger linksseitig eingetretene Hörsturz durch das Unfallgeschehen lediglich psychisch vermittelt. Für die übrigen Verletzungen kommt ein Ursachenzusammenhang mit dem Nichttragen eines Fahrradhelms nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht in Betracht.
9
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich in einer für ihn "gefahrenneutralen" Situation mit der Abgabe eines Klingelzeichens begnügen und ohne Reduzierung seiner Geschwindigkeit weiterfahren dürfen. Soweit das Berufungsgericht meint, seine Überreaktion gereiche dem Kläger deshalb nicht zum Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB, kann dem aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
10
a) Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers - hier in Form einer zu heftigen und objektiv nicht erforderlichen Bremsreaktion - dann kein Verschulden darstellt, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (vgl. das vom Berufungsgericht zitierte Senatsurteil vom 16. März 1976 - VI ZR 62/75 - VersR 1976, 734 m.w.N. zum plötzlichen Platzen eines Reifens während der Fahrt sowie Senatsurteile vom 7. Februar 1967 - VI ZR 132/65 - VersR 1967, 457, 458; vom 24. Februar 1987 - VI ZR 19/86 - VersR 1988, 291 und vom 18. November 2003 - VI ZR 31/02 - VersR 2004, 392). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lag jedoch eine solche ohne Verschulden des Klägers eingetretene und für ihn nicht voraussehbare Gefahrenlage nach den Umständen des Streitfalles nicht vor (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2003 - VI ZR 31/02 - aaO).
11
b) Es handelte sich nämlich nicht - wie das Berufungsgericht meint - um eine "gefahrenneutrale" Situation, bei welcher der Kläger ohne Verlangsamung seiner Geschwindigkeit mit gleich bleibendem Tempo weiterfahren durfte im Vertrauen darauf, die Beklagte werde sich nicht weiter in Richtung Fahrradweg bewegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Bereich der Unfallstelle der Radweg von den angrenzenden - dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen - Verkehrsflächen, links von der Bushaltestelle und rechts von dem relativen schmalen Gehweg, weder räumlich noch baulich abgetrennt. Vielmehr ist der Radweg als Sonderweg allein durch eine anders farbige Aufpflasterung von den übrigen Verkehrsflächen abgesetzt. Die Beklagte stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus Sicht des Klägers im Bereich der Bushaltestelle bereits dicht am Radweg, wandte ihm den Rücken zu und unterhielt sich mit zwei Personen, die rechts neben dem Radweg auf dem Fußweg in der Nähe eines dort befindlichen Kiosks standen. Nach der eigenen Einschätzung des Berufungsgerichts näherte sich der Kläger damit im Grenzbereich zwischen Bushaltestelle, Radweg und Fußgängerweg einer Verkehrssituation, aus der sich potentiell eine Begegnungs- und Kollisionsgefahr ergeben konnte. Die dicht neben dem Radweg stehende Beklagte hatte keinen Sichtkontakt zum Kläger und war durch ein Gespräch abgelenkt. Der Kläger sah sich durch die Situation veranlasst, 10 Meter vor der besagten Stelle ein Klingelzeichen abzugeben, was darauf schließen lässt, dass er sich einer Kollisionsgefahr durchaus bewusst war. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe unter diesen Umständen davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte auf sein aus der Entfernung abgegebenes Klingelzeichen hören und keine weitere Bewegung in Richtung Radweg machen werde, wird - wie die Revision mit Recht rügt - von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Denn diesen ist nicht zu entnehmen , dass der Kläger durch eine Reaktion der Beklagten - etwa durch Aufnahme von Blickkontakt - davon ausgehen konnte, dass diese sein Klingelzeichen wahrgenommen hatte. Unter diesen Umständen bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keiner weiteren konkreten Anhaltspunkte für ein bevorstehendes Überqueren des Radweges durch die Beklagte. Es reichte vielmehr aus, dass die konkrete Gefahr bestand, dass sie - abgelenkt durch das Gespräch - bereits durch eine geringfügige Körperbewegung auf den Radweg gelangen konnte.
12
c) Nicht frei von Rechtsfehlern sind schließlich auch die Ausführungen des Berufungsgerichts betreffend die Sorgfaltsanforderungen an Radfahrer bei - wie im vorliegenden Fall - getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO, bei denen das Fahrradsymbol von dem Fußgängersymbol durch einen senkrechten weißen Strich getrennt ist. Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass es in § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. c StVO lediglich heißt, auf einem "gemeinsamen" Rad- und Gehweg (Zeichen 240 mit einer Trennung des Fußgänger- und Fahrradsymbols durch einen waagrechten Strich) hätten Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass auf getrennten Rad- und Fußwegen im Sinne des Zeichens 241 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO Radfahrer auf Fußgänger (generell) keine Rücksicht zu nehmen hätten.
13
Nach § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Darüber hinaus gilt auch für einen Fahrradfahrer, dass dieser nur so schnell fahren darf, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht und innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann (vgl. § 3 Abs. 1 StVO).
14
Werden Rad- und Fußgängerwege auf jeweils nur optisch voneinander getrennten Verkehrsflächen so dicht aneinander vorbeigeführt, dass - wie das Berufungsgericht selbst zutreffend ausführt - im innerstädtischen Begegnungsverkehr abstrakt gefährliche Situationen zwangsläufig zu erwarten sind, können ähnliche Situationen entstehen wie auf gemeinsamen Rad- und Gehwegen. Solche Situationen begründen eine vergleichbare Pflicht zur Rücksichtnahme von Radfahrern auf Fußgänger jedenfalls dann, wenn sich das abstrakte Gefährdungspotential zu einer kritischen Situation verdichtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dies nach den vorstehenden Ausführungen der Fall. Der mithin nach § 1 Abs. 2 StVO gebotenen Rücksichtsnahme hat der Kläger nicht schon - wie das Berufungsgericht meint - dadurch Genüge getan, dass er in einer Entfernung von 10 Metern durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam machen wollte. Ohne erkennbare Reaktion der Beklagten auf dieses Klingelzeichen war er vielmehr gehalten, seine Geschwindigkeit zu reduzieren und sich bremsbereit zu verhalten. Dies wird das Berufungsgericht bei seiner erneuten Abwägung zu berücksichtigen haben.
15
3. Bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das Maß der Verursachung maßgeblich, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. etwa Senatsurteil vom 9. Juli 1968 - VI ZR 171/67 - VersR 1968, 1093, 1094 m.w.N.; vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475). Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - aaO; vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238, 1239 m.w.N.). Die unter diesem Gesichtpunkt vorzunehmende Abwägung kann zwar in besonderen Fallgestaltungen zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - aaO). Unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung gemäß § 254 BGB ist eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten aber nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (Senatsurteile vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - VersR 1995, 583, 584 und vom 7. Februar 2006 - VI ZR 20/05 - VersR 2006, 663). Ob ein vollständiger Haftungsausschluss gerechtfertigt ist, kann jeweils nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372 und vom 7. Februar 2006 - VI ZR 20/05 - aaO). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist eine völlige Haftungsfreistellung des Klägers im Streitfall nicht gerechtfertigt.
16
Danach beschränkt sich der Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeitrag der Beklagten darauf, dass sie mit dem Rücken zum Kläger dicht am Fahrradweg stand und aus Unaufmerksamkeit eine Bewegung machte, durch die sie mit einem Fuß den Radweg leicht berührte. Demgegenüber fallen dem Kläger mehrere Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeiträge für seinen Sturz vom Fahrrad zur Last. Zum einen hat er die in der konkreten Situation gebotene Sorgfalt nicht beachtet, seine Geschwindigkeit nicht herabgesetzt und sich nicht bremsbereit verhalten. Danach hat er eine seinen Sturz verursachende Vollbremsung vorgenommen, obwohl die Beklagte den Radweg tatsächlich gar nicht überquert oder betreten hat. Dabei hat er in einer Art und Weise gebremst, dass das Vorderrad blockierte und das Hinterrad fast senkrecht über dem Vorderrad stand, was nach dem ersten Anschein jedenfalls dafür spricht, dass der Kläger Vorder- und Hinterradbremse nicht gleichzeitig und gleichmäßig betätigt hat. Und schließlich äußert das Berufungsgericht aufgrund seiner Berechnungen selbst Bedenken gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, auf der ihm nach einer "Schrecksekunde" verbliebenen Restdistanz von nur noch knapp 6 m zu der Position der Beklagten wäre es - wenn diese den Radweg betreten hätte - ohne seine Vollbremsung mit dem anschließenden Sturz vom Fahrrad unweigerlich zu einem Zusammenprall gekommen.

III.

17
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil die Bewertung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Deshalb ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.11.2006 - 12 O 204/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.06.2007 - I-1 U 278/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - VI ZR 171/07

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(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder
Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - VI ZR 171/07 zitiert 7 §§.

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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 05. Juni 2013 - 7 U 11/12

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Tenor Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 80 % des materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 7. April 2011 in G. entstanden ist und noc

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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 31/02 Verkündet am:
18. November 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage, ob der Halter eines Kraftfahrzeugs trotz Überschreitens der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit wegen eines grob verkehrswidrigen Verhaltens eines 14jährigen
Radfahrers bei einem Verkehrsunfall nach §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB völlig
von der Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG a.F. freigestellt werden
kann.
BGH, Urteil vom 18. November 2003 - VI ZR 31/02 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die
Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 19. Dezember 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall vom 28. November 1999, den er - damals im Alter von 14 Jahren - erlitten hat. Er gehörte zu einer Radsportgruppe, die mit ihren Rennrädern auf dem aus ihrer Sicht links neben einer Landstraße verlaufenden Radweg fuhr. Kurz vor dem Erreichen einer Ortschaft mußten die Radfahrer die von links in die vorfahrtsberechtigte Landstraße einmündende Seitenstraße überqueren. Die dem
Kläger als letztem Fahrer vorausfahrenden Mitglieder der Gruppe taten dies unter Ausnutzung einer Querungshilfe durch eine in der Fahrbahnmitte der Straße gelegene Verkehrsinsel und setzten sodann ihre Fahrt auf dem Radweg links der Landstraße fort. Der Kläger dagegen fuhr - möglicherweise um abzukürzen - auf die einmündende Querstraße und bog von dieser nach links in die vorfahrtsberechtigte Landstraße ein, die aus der Gegenrichtung in einer leichten S-Kurve auf den Einmündungsbereich zuläuft. Dort kam ihm der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW entgegen und leitete, nachdem er das Verhalten des Klägers bemerkt hatte, eine Vollbremsung ein. Dabei rutschte das Fahrzeug mit blockierten Rädern über eine an dieser Stelle die Fahrbahnhälften trennende schraffierte Sperrfläche, wo es den Kläger mit dessen Rennrad erfaßte. Der Kläger erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen mit bleibenden schweren gesundheitlichen Folgen. Das Landgericht hat seine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens ausgeführt, die Tatsache, daß der Beklagte zu 1 mit seinem PKW auf die Sperrfläche geraten sei, sei allein fahrtechnisch bedingt und dem Beklagten zu 1 nicht vorzuwerfen. Nachdem die Räder des PKW infolge der durch das Verhalten des Klägers veranlaßten sofortigen Vollbrem-
sung des Beklagten zu 1 blockiert hätten, habe dieser das Fahrzeug nicht mehr lenken und damit nicht mehr dem leichten Rechtsschwenk der Fahrbahn folgen können. Ob es zweckmäßiger gewesen wäre, den PKW nur dosiert abzubremsen und damit dessen Lenkfähigkeit zu erhalten, könne dahinstehen. Mit Blick darauf, daß die vom Kläger geschaffene Gefahrensituation für den Beklagten zu 1 in Anbetracht der Zeit-/Wegeverhältnisse unvermittelt entstanden sei, könne ihm auch eine unzweckmäßige Reaktion in Form der zur Lenkunfähigkeit seines PKW führenden Vollbremsung nicht vorgeworfen werden. Dem Kläger sei zwar zuzugeben, daß nach den Berechnungen des Sachverständigen die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1 von mindestens 78,5 km/h über der damals für die Unfallstelle geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h gelegen habe. Des weiteren wäre die Kollision anders verlaufen, wenn der Beklagte zu 1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte. Im Rahmen seiner Vermeidbarkeitsbetrachtungen sei der Sachverständige zu dem Schluß gekommen, daß zwar keine wegmäßige, wohl aber - jedenfalls bei einer Berechnungsvariante - sogar eine zeitliche Vermeidbarkeit angenommen werden könne. Gleichwohl sei es nicht gerechtfertigt, zumindest eine anteilige Haftung der Beklagten für den Schaden des Klägers aus dem Verkehrsunfall zu bejahen, denn der - durch die geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung leicht erhöhten - Betriebsgefahr des PKW des Beklagten zu 1 stehe das grob fahrlässige Fehlverhalten des Klägers gegenüber, der mit seiner Leichtfertigkeit beim Einfahren in die vorfahrtsberechtigte Straße trotz Erkennbarkeit des sich in bedrohlicher Weise nähernden PKW des Beklagten zu 1 dessen Vorfahrt in völlig unverständlicher Weise mißachtet habe. Das Alter des zum Unfallzeitpunkt 14-jährigen Klägers führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt rund 1,75 m groß und etwa 65 kg schwer gewesen und habe eher "erwachsen" gewirkt. Mit den Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs sei er als radsportbegeisterter Rennradfahrer vertraut gewesen und kön-
ne deshalb nicht mit Personen gleichgesetzt werden, die aufgrund ihres Alters in den Straßenverkehr noch nicht voll integriert seien. Die Einbindung des Klägers in eine Radfahrergruppe lasse seine subjektive Pflichtverletzung gleichfalls nicht als weniger schwer erscheinen. Daß die vier Rennradfahrer unter "Wettkampfbedingungen" unterwegs gewesen seien, sei nicht ersichtlich. Zudem habe sich der Kläger aus eigenem Entschluß vor seinem verhängnisvollen Einfahren in die Landstraße von der Gruppe gelöst und sei nicht etwa unvermittelt und unbedacht einem ihn "ziehenden" Vordermann gefolgt.

II.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Die Revision verkennt zwar nicht, daß die Bewertung der verschiedenen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge auf Seiten des Verletzten und des Ersatzpflichtigen grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und damit revisionsrechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich ist. Sie macht jedoch im Rahmen der verbleibenden revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht nicht alle Umstände und für die Abwägung geltenden Maßstäbe berücksichtigt hat (vgl. hierzu etwa Senatsurteil vom 12.1.1993 - VI ZR 75/92 - VersR 1993, 442, 443). 2. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - VI ZR 126/99 - VersR 2000, 1294, 1296 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 20/99 - VersR 2000, 199, 200) begründet ein unfallursächliches Verschulden des Fahrzeugführers eine Erhöhung der Betriebsgefahr , die im Rahmen der Abwägung nach §§ 254 BGB, 9 StVG zu Gunsten des
Verletzten zu berücksichtigen ist, denn eine völlige Haftungsfreistellung des Kfz-Halters von der Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG a.F. kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG a.F. vorliegt. Ein unabwendbares Ereignis liegt aber nur dann vor, wenn der Unfall auch bei äußerst möglicher Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können (vgl. etwa Senatsurteil vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 268/99 - VersR 2000, 1556, 1557).
a) Im vorliegenden Fall wäre bereits ohne Berücksichtigung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Beklagten das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses fraglich. Das Berufungsgericht hat selbst erwogen, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, den PKW nur dosiert abzubremsen und damit dessen Lenkfähigkeit zu erhalten. Diese Überlegung gewinnt Bedeutung vor dem Hintergrund, daß sich der Kläger zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits auf der die Fahrbahnhälften trennenden markierten Sperrfläche befand, als er von dem mit blockierten Rädern rutschenden PKW des Beklagten zu 1, der dem Fahrbahnverlauf nicht mehr folgen konnte, erfaßt wurde.
b) Darüber hinaus ist nach ebenfalls ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. Urteile vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91 - VersR 1992, 1015, 1016; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 126/99 - aaO S. 1295 und vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 268/99 - aaO) ein unfallursächliches Verschulden des Fahrzeugführers dann anzunehmen, wenn der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwar nicht räumlich, wohl aber zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn es dem Fahrer bei einer verkehrsordnungsgemäßen Fahrweise zwar nicht gelungen wäre, das Fahrzeug noch vor der späteren Unfallstelle zum Stehen zu bringen, wenn er den PKW aber so stark hätte abbremsen können, daß dem Verletzten Zeit geblieben wäre, den Gefahrenbe-
reich noch rechtzeitig zu verlassen. Entsprechendes gilt auch dann, wenn es dabei zumindest zu einer deutlichen Abmilderung des Unfallverlaufes und der erlittenen Verletzung gekommen wäre (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 126/99 - und vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 268/99 - jeweils aaO).
c) Das Berufungsgericht stellt im Anschluß an die Ausführungen des Sachverständigen fest, daß die Ausgangsgeschwindigkeit des PKW des Beklagten zu 1 mit mindestens 78,5 km/h über der für die Unfallstelle geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h lag und daß bei deren Einhaltung - jedenfalls bei einer Berechnungsvariante - sogar eine zeitliche Vermeidbarkeit angenommen werden könne. Die Revision weist insoweit zutreffend darauf hin, daß nach dem Sachverständigengutachten selbst bei der ungünstigsten Berechnungsvariante das Fahrrad des Klägers von dem Fahrzeug des Beklagten mit einer deutlich geringeren Kollisionsgeschwindigkeit gerade noch im Endbereich des Fahrradhinterrades berührt worden wäre, so daß der Kläger - falls es überhaupt zu einer Kollision gekommen wäre - womöglich erheblich geringere Verletzungen davon getragen hätte als tatsächlich geschehen. Ob man dies bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung annehmen kann, wie die Revision meint, kann dabei dahinstehen, denn das Berufungsgericht hätte hierzu zumindest Feststellungen treffen müssen. Unter diesen Umständen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Geschwindigkeitsüberschreitung habe lediglich eine leichte Gefahrerhöhung bewirkt, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
d) Die Revision beanstandet weiter mit Recht die Wertung des Berufungsgerichts , die Vollbremsung des Beklagten zu 1 könne diesem nicht vorgeworfen werden, auch wenn es tatsächlich besser gewesen wäre, die Lenkfähigkeit des PKW zu erhalten und dem Kläger auszuweichen. Dabei weist sie zutreffend darauf hin, daß die vom Berufungsgericht insoweit angeführte Senats-
rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. Februar 1967 - VI ZR 132/65 - VersR 1967, 457, 458; vgl. weiterhin Senatsurteil vom 24. Februar 1987 - VI ZR 19/86 - VersR 1988, 291) Fälle betrifft, in denen ein Kraftfahrer in einer plötzlichen, von ihm nicht verschuldeten und nicht vorhersehbaren Gefahrenlage nicht die bestmögliche Reaktion gezeigt hat. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu 1 jedoch die an der Unfallstelle im Einmündungsbereich einer Seitenstraße zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, was sich unter Umständen bei einer Vollbremsung mit blockierten Rädern auswirken kann. Zumindest kann - mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts - nicht ausgeschlossen werden, daß der Beklagte zu 1 - im für ihn ungünstigen Fall der Berechnungsvarianten - bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit die Bremsung noch in einem Bereich hätte halten können, die ihm eine - wenn auch geringe - Lenkreaktion ermöglicht hätte, um dem Hinterrad des Klägers auszuweichen. 3. Schließlich beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht bei seiner Abwägung nicht hinreichend das jugendliche Alter des Klägers berücksichtigt hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 13. Februar 1990 - VI ZR 128/89 - VersR 1990, 535, 536 und vom 12. Januar 1993 - VI ZR 75/92 - VersR 1993, 442, 443, jeweils m.w.N.) ist ein Mitverschulden von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB in der Regel geringer zu bewerten als das entsprechende Mitverschulden eines Erwachsenen. Eine völlige Freistellung von der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG a.F. wegen eines grob verkehrswidrigen Verhaltens setzt bei Kindern und Jugendlichen voraus, daß der Sorgfaltsverstoß altersspezifisch auch subjektiv besonders vorwerfbar ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 128/89 - aaO). Hierbei kann das äußere Erscheinungsbild des Klägers keine Rolle spielen, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung sein, ab welchem Zeitpunkt der Beklagte zu 1 mit einem Fehlver-
halten des Klägers im Rahmen des § 3 Abs. 2a StVO rechnen mußte. Auch reicht es nicht aus, daß das Berufungsgericht im Rahmen seiner Feststellungen zur subjektiven Vorwerfbarkeit des Unfallbeitrages des Klägers auf dessen Alter und dessen Radsportbegeisterung abgestellt hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger der letzte Fahrer der Radsportgruppe. Auch wenn die vier Rennradfahrer nicht unter "Wettkampfbedingungen" unterwegs gewesen sein sollten, so könnte es durchaus noch dem altersspezifischen Leichtsinn eines Vierzehnjährigen entsprechen, wenn er in einer solchen Situation versucht abzukürzen und dabei unachtsam ist. Auch insoweit kann von Bedeutung sein, daß der Kläger beim Zusammenstoß schon die schraffierte Sperrfläche erreicht hatte. 4. Nach alledem konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird im Rahmen der erneuten Verhandlung Gelegenheit haben, unter Beachtung der aufgezeigten Beurteilungsmaßstäbe die noch ausstehenden Feststellungen zu treffen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 20/05 Verkündet am:
7. Februar 2006
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Haftung bei der Beteiligung an einem gemeinsamen gefährlichen Tun ("Rempeltanz"
).
BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 - VI ZR 20/05 - OLG Celle
LG Bückeburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Januar 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger und die Beklagten gerieten beim Tanzen anlässlich der Geburtstagsfeier des Beklagten zu 1 zu Fall. Alle drei stürzten, dabei fielen die Beklagten über bzw. auf den Kläger. Dieser zog sich erhebliche Beinverletzungen zu.
2
Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten den sogenannten "Tanz op de Deel" ausgeführt, bei dem sie sich mit ihren Armen nebeneinander eingehakt und sich so in einer recht wilden Art hüpfend und springend vor- und rückwärts bewegt hätten. Er, der Kläger, sei ihnen in dem - bis auf ein Sofa, die Musikanlage und einen Bistro-Tisch leergeräumten - Tanzraum in den Bereich zwischen dem Sofa und der Musikanlage ausgewichen und habe dort für sich alleine getanzt. Die Beklagten hätten sich auf ihn zu bewegt. Plötzlich habe er einen Schlag von der Seite an seine linke Schulter bekommen. Dadurch sei er ins Taumeln geraten und gestürzt. Unmittelbar darauf sei der Beklagte zu 1 auf seinen ausgestreckten rechten Oberschenkel und der Beklagte zu 2 auf seinen rechten Unterschenkel gestürzt.
3
Die Beklagten haben behauptet, sie hätten gemeinsam mit dem Kläger eine Art "Rempeltanz" vollzogen. Sie hätten sich mit dem Kläger wechselseitig an den Schultern geschubst und versucht, sich die Beine wegzutreten. Der Kläger sei gestürzt und habe den Beklagten zu 1 mit sich gerissen, beide hätten den Beklagten zu 2 mitgezogen. Der Kläger sei unten zu liegen gekommen, der Beklagte zu 1 sei auf dessen Oberkörper gestürzt, und der Beklagte zu 2 sei auf das Knie des Klägers gefallen, weil dieser sich mit seinem Fuß verhakt gehabt habe. Der Kläger sei erheblich alkoholisiert gewesen und habe seine Bewegungen nicht mehr kontrollieren können.
4
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Umfang seiner Beschwer weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er die Verletzungen durch den von ihm behaupteten Geschehensablauf erlitten habe. An der Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts bestünden erhebliche Zweifel; sie könnten deshalb keinen Bestand haben. Das Landgericht habe das Ergebnis der gemäß § 141 ZPO durchgeführten Parteianhörungen verfahrensfehlerhaft wie Parteivernehmungen gewürdigt. Die Voraussetzungen dafür lägen nicht vor, da keine Partei gegenüber der anderen einen Beweisvorsprung habe. Die in zweiter Instanz vernommene Zeugin H., die Ehefrau des Klägers, habe dessen Vortrag nämlich nicht bestätigt. Auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses seien beide Hergangsvarianten gleichermaßen plausibel und wahrscheinlich. Lasse sich aber nicht feststellen, dass die Beklagten den Kläger fahrlässig verletzt hätten, sei für deren Haftung kein Raum. Denn wenn ihre Behauptung richtig sei, wonach der Kläger sich an dem wilden "Rempeltanz" beteiligt habe und die Parteien versucht hätten, sich wechselseitig zu Fall zu bringen, hätte sich - zufällig - ein Risiko verwirklicht, dem alle Teilnehmer in gleichem Maße ausgesetzt gewesen seien. Bei dieser Sachlage verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn derjenige , zu dessen Lasten sich das allen Teilnehmern drohende Risiko realisiert habe, gegenüber den anderen Teilnehmern Ersatzansprüche geltend mache.

II.

6
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft verkannt, dass die Beklagten bei ihrer persönlichen Anhörung zugestanden hätten, den Kläger vorsätzlich rechtswidrig angegriffen und dabei erheblich körperlich verletzt zu haben. Es trifft zwar zu, dass beide Beklagte gegenüber dem Landgericht angegeben haben, sie hätten versucht , dem Kläger die Beine wegzutreten, wobei dieser gefallen sei. Diese Erklärungen stellen indessen kein wirksames Geständnis im Sinne von § 288 ZPO dar. Ob eine Parteierklärung im Rahmen einer Anhörung gemäß § 141 ZPO ein Geständnis enthalten kann, ist streitig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 288 Rn. 3c m.w.N.; offen gelassen in Senatsurteil BGHZ 129, 108, 112). Für Parteierklärungen im Rahmen einer Parteivernehmung gemäß § 445 ZPO hat der erkennende Senat die Annahme eines Geständnisses verneint (Senatsurteil BGHZ 129, 108, 109 ff.). Es spricht nichts dafür, einer Erklärung, die eine Partei bei ihrer persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO abgibt, verfahrensrechtlich eine weiterreichende Wirkung beizumessen. Im Übrigen liegt ein wirksames Geständnis im Streitfall auch deshalb nicht vor, weil dieses, sofern - wie hier - Anwaltszwang besteht, von der nicht postulationsfähigen Partei nicht erklärt werden kann (RG JW 1936, 1778, 1179; Zöller/Greger, aaO, m.w.N.; a.A.: Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 78 Rn. 40; Rosenberg /Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 111 I 3 Rn. 8). Jedenfalls aber wäre eine derartige von einer Partei abgegebene Erklärung, soweit sie von den Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten abweicht, vom Gericht frei zu würdigen (BGH, Urteil vom 1. März 1957 - VIII ZR 286/56 - LM ZPO § 141 Nr. 2).
8
2. Das Berufungsurteil kann jedoch aus anderen Gründen keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht verweist in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zunächst auf die Feststellungen des Landgerichts und führt sodann aus, der vom Kläger behauptete Geschehensablauf sei nicht bewiesen. Aufgrund der in zweiter Instanz nachgeholten Tatsachenfeststellung lasse sich nicht feststellen, dass die Beklagten den Kläger fahrlässig verletzt hätten. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Sie beruht, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf einer Verkennung der Beweislast. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass die Beklagten eingeräumt haben, gemeinsam mit dem Kläger eine Art "Rempeltanz" ausgeführt zu haben, bei dem der Kläger zu Fall gekommen sei. Nach ihrem Vorbringen haben sie sich wechselseitig an den Schultern geschubst und versucht, sich die Beine wegzutreten. Ist der Kläger dabei gestürzt, war das gefährliche Verhalten der Beklagten dafür aber möglicherweise mitursächlich. In diesem Fall wäre der Tatbestand einer fahrlässig herbeigeführten Körperverletzung erfüllt, denn eine Haftung gemäß § 823 BGB setzt nicht voraus, dass ein Verhalten des Schädigers die alleinige Ursache für die Schadenszufügung war. Eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur "Auslöser" neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282, 1283; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201 und vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946). Bei dieser Sachlage müssten die Beklagten ihrerseits den Nachweis für die Voraussetzungen erbringen, unter denen eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an einem gemeinsamen gefährlichen Tun ausnahmsweise entfällt. Das bedeutet, dass sie die Behauptung des Klägers, er habe sich an dem gemeinsamen Tanz nicht beteiligt, zu widerlegen hätten.
9
Bei der nach Zurückverweisung vorzunehmenden neuen Beweiswürdigung wird gegebenenfalls auch das Ergebnis der in erster Instanz gemäß § 141 ZPO durchgeführten Parteianhörungen beider Parteien zu berücksichtigen sein. Das Berufungsgericht führt zwar mit Recht aus, dass eine Vernehmung des Klägers als Partei nicht in Betracht komme, denn § 448 ZPO setzt voraus, dass Anhaltspunkte gegeben sind, die seine Behauptungen in gewissem Maße wahrscheinlich machen. Von diesem Erfordernis Abstriche zu machen, rechtfertigt die Beweisnot nicht (BGHZ 110, 363, 366; BGH, Urteil vom 24. April 1991 - IV ZR 172/90 - VersR 1991, 917, 918). Das Berufungsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, es genüge für die Anwendung von § 448 ZPO nicht, dass der Klagevortrag ebenso gut wahr wie unwahr sein könne. Indessen kann der Tatrichter im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen aber auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (BGH, Urteile vom 28. November 1979 - IV ZR 34/78 - VersR 1980, 229 f.; vom 24. April 1991 - IV ZR 172/90 - VersR 1991, 917, 918 und vom 25. März 1992 - IV ZR 54/91 - VersR 1992, 867). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht bisher, soweit ersichtlich, nur das Ergebnis der in zweiter Instanz nachgeholten Beweisaufnahme gewürdigt. Den Ausführungen in den Urteilsgründen ist nämlich nicht zu entnehmen, ob und inwieweit es im Rahmen seiner tatrichterlichen Beurteilung auch die in erster Instanz erfolgten Parteierklärungen berücksichtigt hat. Dies hätte aber in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise dargelegt werden müssen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 - IV ZR 172/90 - aaO) und wird bei einer neuen Entscheidung zu beachten sein.
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3. Das Berufungsurteil begegnet auch in einem weiteren Punkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne - die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten unterstellt - aufgrund seiner Teilnahme an diesem gefährlichen Tun keinen Ersatz verlangen; zu seinen Lasten hätte sich dann nämlich - zufällig - ein Risiko verwirklicht, dem alle Teilnehmer des "Rempeltanzes" in gleichem Maße ausgesetzt gewesen seien. Es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und sei deshalb unbillig, wenn derjenige, zu dessen Lasten sich das den Teilnehmern drohende Risiko realisiert habe, gegenüber den anderen Teilnehmern Ersatz- ansprüche geltend mache. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Erwägungen des Berufungsgerichts können jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen einen vollständigen Haftungsausschluss zu Lasten des Klägers unter dem Gesichtspunkt der bewussten Risikoübernahme nicht rechtfertigen.
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a) Zutreffend sieht das Berufungsgericht die Grundlage des Rechtsinstituts der bewussten Risikoübernahme oder des Handelns auf eigene Gefahr in dem Grundsatz von Treu und Glauben. Danach ist es anstößig, wenn der jeweilige Geschädigte versucht, denjenigen Schaden auf einen anderen abzuwälzen , den er bewusst in Kauf genommen hat, obschon er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich nun der Schädiger befindet, sich dann aber mit Recht dagegen gewehrt haben würde, diesem Ersatz leisten zu müssen (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 316, 323 ff. m.w.N.). Es ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"), das es nicht zulässt, dass der Geschädigte den beklagten Schädiger in einem solchen Fall in Anspruch nimmt. Allerdings handelt es sich dabei um eng begrenzte Ausnahmefälle , wie etwa die Teilnahme an Boxkämpfen oder anderen besonders gefährlichen Sportarten, in denen die Rechtsprechung das bewusste Sich-Begeben in eine Situation drohender Eigengefährdung als Grundlage für eine vollständige Haftungsfreistellung des Schädigers in Betracht gezogen hat. Nur bei derartiger Gefahrexponierung kann von einer bewussten Risikoübernahme und einer Einwilligung des Geschädigten in die als möglich vorgestellte Rechtsgutverletzung mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für den Schädiger ausgegangen werden (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363 ff.; 39, 156, 161; 63, 140, 144; vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - VersR 1995, 583, 584 und vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - zur Veröffentlichung bestimmt). Bei sportlichen Kampfspielen findet die entschädigungslose Inkaufnahme von Verletzungen , wie der erkennende Senat stets betont hat, ihre innere Rechtfertigung dar- in, dass dem Spiel bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zugrunde liegen, die von vornherein feststehen, unter denen somit die Teilnehmer zum Spiel antreten und die insbesondere durch das Verbot sogenannter "Fouls" auch auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler ausgerichtet sind (Senatsurteile BGHZ 63, 140, 142 ff.; vom 5. November 1974 - VI ZR 125/73 - VersR 1975, 155, 156; vom 10. Februar 1976 - VI ZR 32/74 - VersR 1976, 591 und vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - aaO). Dass dem "Rempeltanz" der Parteien derart feste und anerkannte Regeln zugrunde gelegen hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
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b) Die tatrichterlichen Feststellungen vermögen die völlige Haftungsfreistellung der Beklagten auch nicht in Anwendung der Vorschrift des § 254 BGB zu rechtfertigen. Das Berufungsurteil enthält keine nachprüfbaren Ausführungen zur Gewichtung und Abwägung der jeweiligen Verursachungsanteile der Parteien bezüglich des konkreten Schadensereignisses. Unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung gemäß § 254 BGB ist die vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten aber nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (Senatsurteil vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - aaO). Ob ein vollständiger Haftungsausschluss gerechtfertigt ist, kann jeweils nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372). Der angefochtenen Entscheidung ist die erforderliche umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht begründet den vollständigen Haftungsausschluss allein damit, dass sich zu Lasten des Klägers ein Risiko verwirklicht habe, dem alle Teilnehmer des "Rempeltanzes" in gleichem Maße ausgesetzt gewesen seien. Dieser Umstand allein genügt jedoch gerade nicht für die Annahme einer gänzlichen Haftungs- freistellung des Schädigers (Senatsurteil vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - aaO). Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 13.05.2004 - 2 O 196/03 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.01.2005 - 9 U 101/04 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.