Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 U 8/10 - 1

bei uns veröffentlicht am08.12.2010

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.12.2009 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 76.751,92 EUR festgesetzt.

6. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Vertrag wurde im Mai 2000 geschlossen (Versicherungsschein Nr. ... vom 16.5.2000, Bl. 20 d. A.). Ihm wurden die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Grunde gelegt (Bl. 24 d. A. im Folgenden: BBUZ). Für den Fall der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit schuldet die Beklagte Zahlung einer dynamischen Barrente bis längstens zum 1.5.2012, außerdem Freistellung von der Beitragszahlungspflicht (§ 1 Abs. 1 a, b BBUZ). Die bei Eintritt des Versicherungsfalls an den Kläger zu zahlende Berufsunfähigkeitrente beträgt seit dem 1.5.2005 monatlich 1.313,19 EUR. Der monatliche Tarifbeitrag beläuft sich gemäß Nachtrag zum Versicherungsschein vom 15.3.2004 (Bl. 19 d. A.) auf 94,34 EUR.

Der Kläger war von April 1997 bis zur betriebsbedingten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.1.2005 als Schweißer bei der Firma K. + B. in M. tätig gewesen. Im Jahr 1996 hatte er einen Kurs zur Ausbilder-Eignungsprüfung bei der Industrie- und Handelskammer G. belegt und einen Ausbilderschein erworben (Bl. 113 d. A.).

Im April 2005 wurde der Kläger wegen einer schweren Lungenembolie und Venenthrombose stationär behandelt und erhielt zur Blutverdünnung das Medikament Marcumar. Eine Untersuchung in der hämostasiologischen Ambulanz der Universitätsklinik F. am 22.9.2005 ergab zunächst keinen Hinweis auf ein erhöhtes ererbtes oder erworbenes Thromboserisiko. Es wurde empfohlen, die orale Antikoagulation für 12 Monate fortzuführen und die Beinvenen regelmäßig duplexsonografisch zu kontrollieren (siehe Schreiben der Beklagten vom 24.1.2006, Bl. 49 d. A.).

Als der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragte, übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 14.10.2005 (Bl. 32 d. A.) einen Fragebogen, den der Kläger unter dem 12.11.2005 ausgefüllt zurücksandte (Bl. 33 d. A.). Mit Schreiben vom 24.1.2006 (Bl. 47 d. A.) lehnte die Beklagte Zahlungen mit der Begründung ab, es liege keine Berufsunfähigkeit vor. Der Kläger forderte über seine Rechtsanwälte zur Anerkennung der Leistungspflicht auf. Daraufhin gab die Beklagte ein internistisch-pneumologisches Gutachten in Auftrag. Der Gutachter Dr. K. verwies auf eine durch die Marcumar-Therapie erhöhte Blutungsgefahr bei Stürzen oder Verletzungen und schloss daraus auf eine 100-prozentige Berufsunfähigkeit für die Dauer der Einnahme (Gutachten vom 29.5.2006, Bl. 60, 61 d. A.). Die Beklagte erklärte sich "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" bereit, Leistungen für den Zeitraum November 2005 bis August 2006 zu erbringen (Schreiben vom 12.7.2006, Bl. 62 d. A., in Verbindung mit der dem Schreiben beigefügten "Außervertragliche[n] Vereinbarung" zwischen den Parteien, Bl. 82 d. A.). Es wurde um Beachtung gebeten, dass "diese Vorgehensweise keine bedingungsgemäße Anerkennung einer möglichen Berufsunfähigkeit" beinhalte, und eine erneute Aufnahme der Leistungsprüfung für den Fall angekündigt, dass sich bei einer für August 2006 – nach Einstellung der Marcumar-Behandlung im Mai 2006 (siehe hierzu das Gutachten Dr. S. vom 27.5.2008, Bl. 220, 222 d. A.) – vorgesehenen Untersuchung das Erfordernis einer weiteren Marcumar-Einnahme herausstellen werde (Bl. 63 d. A.).

Anfang Oktober des Jahres 2006 trat erneut eine tiefe Beinvenenthrombose auf, infolge deren die gerinnunghemmende Therapie mit Marcumar wieder begonnen wurde (Bl. 16 d. A.; Arztbrief der Klinikum O. GmbH vom 1.10.2006, Bl. 65 d. A.). Die Beklagte richtete nach Erhalt hierauf bezogener Unterlagen weitere Fragen an den Kläger (Schreiben vom 30.10.2006, Bl. 69 d. A.). Sie lehnte mit Schreiben vom 10.1.2007 (Bl. 77 d. A.) die Erbringung von Versicherungsleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, das Verletzungsrisiko sei bei der eigentlichen Schweißarbeit als gering einzuschätzen. Etwas anderes gälte wegen der Absturzgefahr nur dann, wenn Schweißarbeiten in großer Höhe ausgeführt werden müssten. Entsprechendes sei nicht nachgewiesen worden (Bl. 79, 80 d. A.). Außerdem sei der Kläger auf den Beruf eines Schweißers mit stehender Tätigkeit in einer Werkhalle oder den Beruf des Ausbilders zu verweisen (Bl. 80 d. A.).

Der Kläger hat behauptet, er müsse lebenslang Marcumar einnehmen (Bl. 126 d. A.). Er hat die Ansicht vertreten, der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit sei bereits im April 2005 eingetreten, so dass die Beklagte ihm ab Mai 2005 die fälligen und nicht geleisteten sowie die zukünftigen Rentenzahlungen schulde, außerdem Beitragsbefreiung und Rückzahlung der gezahlten Beträge für die Zeiträume Mai 2005 bis Oktober 2005 und September 2006 bis März 2007 (Bl. 17 d. A.).

Er hat sich darauf gestützt, dass die von ihm als Schweißer zu verrichtenden Einzeltätigkeiten eine hohe Verletzungsgefahr trügen und wegen der Marcumar-Einnahme ein drastisches Verblutungsrisiko bestehe (Bl. 125 d. A.). Die damit verbundene Berufsunfähigkeit sei bereits im März 2005 prognostizierbar gewesen, weil man schon damals nicht habe von einer bloß vorübergehenden Marcumarisierung ausgehen können.

Ferner hat der Kläger behauptet, seine Lungenfunktion sei eingeschränkt und er leide bei Belastung unter Atemnot. Er dürfe keine Tätigkeiten mit Entwicklung atemwegsreizender Dämpfe oder unter Hitzeeinwirkung und keine Tätigkeiten unter Zeitdruck oder ungünstigen klimatischen Bedingungen ausführen. (Bl. 14, 126 d. A.; Gutachten der Dipl.-Med. H. für die Agentur für Arbeit O. vom September 2005, Bl. 29 d. A.; Attest des Dr. L.-L. vom 17.2.2006, Bl. 31 d. A.).

Zur – von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen (Bl. 148 d. A.) – Ausgestaltung seiner beruflichen Tätigkeit hat der Kläger vorgetragen, abhängig von der Höhe der im Einzelnen zu verrichtenden Arbeiten sei ein Gerüst oder eine Leiter benötigt worden (Bl. 13 d. A. i. V. m. der Aufstellung im "Arbeitsplatz: Gefährdung und Maßnahmen – tätigkeitsbezogen", Bl. 26 d. A.). Im Übrigen hat er eine Aufstellung über Art und Umfang der Einzelverrichtungen zur Akte gereicht (Bl. 125, 129 d. A.).

Der Kläger hat in Abrede gestellt, dass der von der Beklagten aufgezeigte Verweisungsberuf einer Tätigkeit als Schweißer ohne Arbeiten auf Gerüsten und Leitern existiere – hilfsweise die Vergleichbarkeit der Einkommen – und sich zudem auf auch dort drohende Verletzungsrisiken berufen (Bl. 126, 127 d. A.). Zur Tätigkeit als Ausbilder für den Beruf des Schweißers hat er darauf aufmerksam gemacht, dass das Prüfungszeugnis der IHK G. vom 17.12.1996 über den Nachweis der "berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse gemäß § 2 der Ausbilder-Eignungsverordnung" (Bl. 137 d. A.) nur einen Ausbilderschein darstelle und dass er – unstreitig – nie als Ausbilder gearbeitet und sich auch nicht weiter fortgebildet habe; dessen ungeachtet bestehe auch hier im Rahmen der anleitenden Tätigkeit ein Verletzungsrisiko (Bl. 127 d. A.).

Der Kläger hat Ansprüche auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitrente und Beitragsfreistellung geltend gemacht (Bl. 12 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. aus der zur Versicherungsschein-Nr. ... bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung ab dem 1.4.2007 monatlich im Voraus eine Berufsunfähigkeitrente in Höhe von 1.313,19 EUR längstens bis zum 1.5.2012 zu zahlen;

2. an ihn rückständige Rentenleistungen in Höhe von 17.071,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 1.313,19 EUR seit 1.5.2005, 1.6.2005, 1.7.2005, 1.8.2005, 1.9.2005, 1.10.2005, 1.9.2006, 1.10.2006, 1.11.2006, 1.12.2006, 1.1.2007, 1.2.2007 und 1.3.2007 zu zahlen;

3. ihm ab dem 1.4.2007 eine Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge, derzeit 94,34 EUR, längstens bis zum 1.5.2012 zu gewähren;

4. an ihn weitere 564,19 EUR an zu Unrecht eingezogenen Versicherungsbeiträgen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bestritten. Eine besondere, im Hinblick auf das Marcumar-bedingte Blutungsrisiko problematische Verletzungsgefahr bestehe nicht. Die Tätigkeit als solche berge – auch im Hinblick auf die zu treffenden Schutzvorkehrungen und die zu tragende Schutzkleidung – keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehenden Gefahren. Unabhängig davon seien etwaige Schürf- oder Schnittwunden auch für einen mit Marcumar behandelten Patienten unbedenklich (Bl. 161 d. A.). Eine erhöhte Absturzgefahr dadurch, dass der Kläger – was sie vorsorglich mit Nichtwissen bestritten hat (Bl. 96 d. A.) – Leitern oder Gerüste besteigen müsse, sei nicht gegeben. Nach Ansicht der Beklagten wäre Voraussetzung der Berufsunfähigkeit, dass die Tätigkeit einen gesundheitlichen Schaden als wahrscheinlich befürchten lasse (Bl. 94 d. A.). Das sei nicht der Fall.

Das Vorbringen des Klägers in Bezug auf Einschränkungen wegen einer reduzierten Lungenfunktion hat die Beklagte als unschlüssig erachtet, da nicht dargelegt sei, in welchem Umfang er mit atemwegsreizenden Dämpfen in Berührung komme, größerer Hitze ausgesetzt sei, unter Zeitdruck oder ungünstigen klimatischen Bedingungen arbeiten müsse und wieso ihm das nicht mehr möglich oder zumutbar sein solle (Bl. 91, 95/96 d. A.). Außerdem hat sie auf der Grundlage des erstinstanzlich eingeholten lungenfachärztlichen Gutachtens des Dr. v. B. eine relevante Einschränkung der Lungenfunktion bestritten (Bl. 255 d. A.).

Die Beklagte hat den Kläger auf eine Tätigkeit als Schweißer ohne Arbeiten auf Gerüsten und Leitern verwiesen (Bl. 97, 256 d. A.). Außerdem auf eine Tätigkeit als Ausbilder für den Beruf des Schweißers (Bl. 97-99, 113, 256 d. A.). Sie hat die Feststellungen des vom Landgericht bestellten berufskundlichen Sachverständigen M. als evident und unauflösbar unschlüssig und widersprüchlich gerügt (Bl. 435, 444 d. A.).

Vorsorglich hat die Beklagte bestritten, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bereits ab April 2005 gegeben gewesen sei, und vorgetragen, damals sei noch mit einer Besserung des Gesundheitszustandes zu rechnen gewesen (Bl. 99 d. A.).

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Tätigkeit des Klägers durch Vernehmung des Zeugen Dr. K. (Bl. 152 d. A.). Weiter hat es gemäß Beweisbeschluss vom 11.10.2007, ergänzt mit Beschluss vom 14.1.2008 (Bl. 165, 175 d. A.), ein fachinternistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. S. (Bl. 210 d. A., Ergänzungen des Gutachtens Bl. 271, 398 d. A.) und ein lungenfachärztliches Zusatzgutachten des Dr. v. B. (Bl. 186 d. A.; Ergänzungen des Gutachtens Bl. 290, 408 d. A.) eingeholt, schließlich gemäß Beweisbeschluss vom 5.3.2009 (Bl. 364 d. A.) ein berufskundliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen M. (Bl. 376 d. A., mündlich erläutert im Termin vom 5.11.2009, Bl. 431 d. A.).

Das Landgericht hat in seinem am 10.12.2009 verkündeten Urteil (Bl. 450 d. A.) zwar eine bedeutsame Einschränkung der Lungen- oder Bronchialfunktion als nicht nachgewiesen erachtet, ist aber aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen S. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei nachgewiesener Thrombophilie mit zweimaliger Beinvenenthrombose – davon einmal mit Lungenembolie – einer lebenslangen Behandlung mit Marcumar bedürfe, welche die Berufsausübung unzumutbar mache (Seite 8 des Urteils, Bl. 457 d. A.). Es hat dem Kläger Ansprüche zugebilligt auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitrente in Höhe von monatlich 1.313,19 EUR seit dem 1.11.2006 bis längstens zum 1.5.2012. Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger ab dem 1.4.2007 bis längstens zum 1.5.2012 von der Pflicht zur Zahlung der monatlichen Versicherungsbeiträge zu befreien und ihm zu viel gezahlte Beiträge für die Monate November 2006 bis März 2007 zurückzuzahlen. Im Hinblick auf Ansprüche für die Monate Mai 2005 bis Oktober 2005 hat es die Klage abgewiesen.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, der Kläger Anschlussberufung.

Die Beklagte hält eine Berufsunfähigkeit des Klägers nicht für gegeben. Sie rügt die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts dahin, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit mit Schweißarbeiten auf Gerüsten und Leitern verbunden gewesen sei; mit Rücksicht auf die Bekundungen des Zeugen K. im Termin vom 13.9.2007 sei diese Annahme nicht gerechtfertigt (Bl. 497 d. A.).

Dessen ungeachtet sind nach ihrer Einschätzung Schweißarbeiten auf Leitern oder Gerüsten zumutbar. Es komme nicht darauf an, ob ein Absturz aus einer größeren Höhe mit der Gefahr lebensgefährlicher Verletzungen oder "nur" mit der Gefahr weniger schwer wiegender Verletzungen wie Knochenbrüchen verbunden sei. Dies beruhe darauf, dass die Gefahr des Absturzes aufgrund der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen denkbar gering sei. Die Beklagte meint, der Kläger müsse das allgemeine Lebensrisiko eines Absturzes hinnehmen. Eine gesundheitliche Überforderung bei Fortsetzung der Berufstätigkeit setze ein Mindestmaß an Prognosesicherheit voraus (Bl. 498 d. A.). Vorliegend könne nicht angenommen werden, dass der Kläger bei Ausübung seines Berufs als Schweißer aufgrund der Marcumar-Behandlung mit Wahrscheinlichkeit zu Schaden komme. Nach ihrer Einschätzung ist die Gefahr schwerer Verletzungen im Straßenverkehr größer als bei einer Tätigkeit als Schweißer auf einer Leitung oder einem Gerüst. Es könne aber nicht sein, dass jeder mit Marcumar behandelte Versicherte, der zu seinem Arbeitsplatz fahren müsse, berufsunfähig sei (Bl. 499 d. A.).

Die Beklagte verweist den Kläger auf den Beruf eines Schweißers, der nicht auf Leitern oder Gerüsten arbeitet (Bl. 500 d. A.). Zum Entkräften der Feststellungen des berufskundlichen Sachverständigen M. hat die Beklagte ein Parteigutachten des Sachverständigen H. vom 8.1.2010 vorgelegt (Bl. 501 i. V. m. Bl. 505 ff. d. A.). Sie macht darauf aufmerksam, dass es dem Kläger durchaus möglich sei, auch auf Leitern oder Arbeitsbühnen mit einem Niveauunterschied von weniger als zwei Metern zu arbeiten. Dies sei etwa bei der Montage von Gas-, Wasser- und Heizungsanlagen in Wohngebäuden mit einer lichten Raumhöhe von regelmäßig nicht mehr als 2,5 Metern denkbar. Außerdem seien dem Kläger Arbeiten auf festen Stahlkonstruktionen mit hohen Sicherheitsstandards möglich, wie sie in industriellen Produktionsunternehmen verwendet würden. Die Beklagte behauptet, der Anteil der als Schweißer Beschäftigten, die nicht auf Leitern oder Gerüsten arbeiteten, sei höher als die vom Sachverständigen M. geschätzten 8 bis 10% (Bl. 502 d. A.). Das folge schon aus den dem Gutachten des Sachverständigen H. beigefügten Stellenangeboten in der Region des Wohnsitzes des Klägers, in denen jeweils keine Montagetätigkeit und somit auch kein Klettern auf Leitern oder Gerüsten verlangt werde (Bl. 503 d. A.).

In Bezug auf die von ihr als Verweisungsberuf weiter genannte Tätigkeit als Ausbilder für den Beruf des Schweißers rügt die Beklagte die Feststellungen des Sachverständigen M., wonach der Kläger keine Erfahrungen aufweise für "die so genannten Softskills", als nicht nachvollziehbar, weil der Sachverständige die soziale Kompetenz in seinem Aktengutachten nicht habe beurteilen können (Bl. 501 d. A.). Sie stützt sich auf das von der IHK Gießen ausgestellte Prüfzeugnis vom 17.12.1996 (Bl. 503 d. A.).

Schließlich verweist die Beklagte den Kläger noch auf eine Tätigkeit als Einrichter und Bediener von Orbitalschweißvorrichtungen sowie eine Tätigkeit als Handlöter im Sinne der Ausführungen des Sachverständigen H. in dessen Gutachten vom 8.1.2010 (dort S. 7-9 nebst den Anlagen 8-15).

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 10.12.2009 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit seiner Anschlussberufung beantragt der Kläger sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Saarbrücken abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn aus der zur Versicherungsscheinnummer ... bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung ab dem 1.6.2010 monatlich im Voraus eine Berufsunfähigkeitrente in Höhe von 1.313,19 EUR längstens bis zum 1.5.2012 zu zahlen;

2. an ihn 66.972,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 1.313,19 EUR seit 1.5.2005, 1.6.2005, 1.7.2005, 1.8.2005, 1.9.2005, 1.10.2005 sowie aus je weiteren 1.313,19 EUR monatlich ab dem 1.9.2006 bis zum 1.5.2010 zu zahlen;

3. an ihn ab dem 1.6.2010 eine Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge längstens bis zum 1.5.2012 zu gewähren;

4. an ihn weitere 3.584,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 564,19 EUR seit 28.3.2007 sowie aus 3.020,73 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das landgerichtliche Urteil, soweit es seiner Klage stattgegeben hat, für zutreffend (Bl. 548 d. A.). Zur Verweisungstätigkeit trägt er vor, eine Tätigkeit als Schweißer, der ausschließlich am Boden tätig sei, betreffe allenfalls einen Nischenarbeitsplatz (Bl. 549 d. A.). Den Sachvortrag der Beklagten im Zusammenhang mit dem berufskundlichen Parteigutachten vom 8.1.2010 hält der Kläger gemäß § 531 ZPO für unzulässig (Bl. 550 d. A.).

Mit der Anschlussberufung wendet er sich gegen die Annahme des Landgerichts, Berufsunfähigkeit habe nicht schon ab Mai 2005 vorgelegen. Er verweist auf das von ihm vorgelegte internistisch-pneumologische Gutachten vom 27.5.2006 und die dortige Feststellung einer hundertprozentigen Berufsunfähigkeit. Der Kläger rügt, dass das Landgericht sich über seinen Antrag im Schriftsatz vom 1.9.2009, den Sachverständigen Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, hinweggesetzt und zu seiner Überraschung Berufsunfähigkeit erst ab November 2006 angenommen habe (Bl. 551 d. A. i. V. m. S. 12 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 461 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 13.9.2007 (Bl. 151 d. A.) und vom 5.11.2009 (Bl. 430 d. A.) und des Senats vom 27.10.2010 (Bl. 558 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 10.12.2009 (Bl. 450 d. A.) Bezug genommen.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, nur die Berufung der Beklagten ist begründet.

1.

Das landgerichtliche Urteil ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben, weil Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht bestehen und die Klage deshalb richtigerweise abzuweisen ist.

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er infolge einer nach den Vertragsbedingungen relevanten Erkrankung berufsunfähig ist (zur Beweislast für die Unfähigkeit zur Ausübung des [bisherigen] Berufs Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl. 2009, § 46, Rdn. 136).

a.

Eine Leistungspflicht der Beklagten – von der sie sich nur im Wege der Nachprüfung lösen könnte – ergibt sich nicht schon aus der "Außervertraglichen Vereinbarung", die dem Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 12.7.2006 übersandt worden ist (Bl. 62, 82 d. A.).

Allerdings sind solche Vereinbarungen nur unter der besonderen Voraussetzung wirksam, dass sie Ausdruck eines lauteren und vertrauensvollen Zusammenwirkens der Vertragspartner sind, auf ein Ergebnis zielen, das der wahren tatsächlichen und rechtlichen Lage entspricht und der Versicherer den Versicherungsnehmer über seine Rechtsposition und ihre Veränderung durch die Abrede unmissverständlich hinweist (BGH 7.2.2007 – IV ZR 244/03 – VersR 2007, 633; BGH 28.2.2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777).

Ob insoweit Bedenken gegen die dem Kläger am 12.7.2006 übersandte "Außervertragliche Vereinbarung" bestehen – die Beklagte hat zwar darauf hingewiesen, dass sie sich nicht für verpflichtet hielt, Leistungen zu erbringen und lediglich aus Kulanz und ohne Abgabe eines Anerkenntnisses zu vorübergehenden Zahlungen bereit sei, sie hat aber erhebliche Missverständnisse dadurch begründet, dass sie auf § 2 Abs. 3 B-BUZ hingewiesen und ihn unzutreffend und widersprüchlich interpretiert hat – kann dahinstehen.

Denn die Unwirksamkeit einer "Außervertraglichen Vereinbarung" führt nicht dazu, dass trotz eines ausdrücklichen Hinweises auf die Kulanz von Zahlungen und die Verneinung einer Leistungspflicht von der Abgabe eines die Beklagte bindenden Anerkenntnisses (§ 5 BBUZ) auszugehen ist (BGH, Urt. v. 28.2.2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777; siehe auch – für die Krankentagegeldversicherung – BGH, Urt. v. 30.6.2010 – IV ZR 163/09 – zfs 2010, 513: selbst wenn es dem Versicherer verwehrt sei, sich auf eine einvernehmliche Regelung seiner Leistungspflicht zu berufen, weil er sie unter Ausnutzung seiner besonderen Sach- und Rechtskenntnis treuwidrig erlangt habe, bedeute das nicht, dass der Versicherungsnehmer in jedem Fall einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hätte, ohne dass es auf den tatsächlichen Eintritt einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit ankäme). Die von der Rechtsprechung des BGH in einem solchen Fall erwogenen Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer helfen dem Kläger nicht, weil es hier allein um eine Rechtsfrage, nicht aber um durch Zeitablauf infolge der "Außervertraglichen Vereinbarung" möglicherweise eingetretene Aufklärungsschwierigkeiten geht.

b.

Nach dem Versicherungsvertrag liegt (vollständige) Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, wobei die zu berücksichtigenden Kenntnisse und Fähigkeiten auf die Ausbildung und Erfahrung begrenzt sind (§ 2 Abs. 1 BBUZ). Für den Fall, dass Berufsunfähigkeit in diesem Sinne über einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen gegeben war, fingiert § 2 Abs. 3 BBUZ die Fortdauer des Zustandes als Berufsunfähigkeit.

c.

Der Kläger ist nicht aus gesundheitlichen Gründen außer Stande, seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit weiter nachzugehen.

(1)

Die in erster Instanz behaupteten leistungsrelevanten Einschränkungen der Lungenfunktion haben sich in der dortigen Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Sachverständige Dr. v. B. ist in seinem lungenfachärztlichen Zusatzgutachten vom 24.4.2008 aufgrund der durchgeführten Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe eine Restriktion der Lungenfunktion von maximal 30%, die weder regulatorische noch ventilatorische Einschränkungen zur Folge habe und die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht beeinflusse. Ebenso wenig konnte er eine bronchiale Hyperreaktivität feststellen (S. 10, 11 des Gutachtens, Bl. 195, 196 d. A.). Bei der vom Sachverständigen Dr. S. durchgeführten Lungenfunktionsprüfung erzielte der Kläger sogar noch bessere Werte als bei der Untersuchung durch Dr. v. B. (nur circa 15-prozentige Einschränkung).

Das Landgericht hat dementsprechend – knapp – festgestellt, dass eine wesentliche Einschränkung der Lungen- oder Bronchialfunktionen nicht bestehe (S. 8 des Urteils, Bl. 457 d. A.). Der Kläger stellt das in der Berufungsinstanz nicht in Frage.

(2)

Demgegenüber ist die vom Sachverständigen Dr. S. festgestellte, durch einen Protein-S-Mangel bedingte Thrombophilie eine Krankheit im Sinne des § 2 Abs. 1 BBUZ. Sie hindert den Kläger indessen nicht daran, seinen Beruf auszuüben, weil sie als solche die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit nicht beeinflusst.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Erkrankung des Klägers eine lebenslange Marcumar-Einnahme indiziert und die dadurch bedingte Blutverdünnung die Blutgerinnung verzögert.

(a)

Ob der Versicherte wegen seiner Gesundheitsbeeinträchtigung außerstande ist, seinen Beruf weiter auszuüben, ist nach Klärung des konkreten Tätigkeitsbildes zu entscheiden, wobei es darauf ankommt, ob der Versicherte seinen Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung nicht mehr ausüben kann. Grundsätzlich sind die nicht mehr ausübbaren Teile der Tätigkeit für die Frage des Umfangs der Berufsunfähigkeit in zeitlicher Hinsicht zu analysieren. Sind nur einzelne Verrichtungen nicht mehr möglich, darf allerdings dann nicht ausschließlich auf deren Zeitanteil abgestellt werden, wenn sie nicht abtrennbare Teile eines Gesamtvorgangs der Arbeit sind. Führt die Tätigkeit ohne den nicht mehr ausübbaren Teil nicht zu einem sinnvollen Arbeitsergebnis, liegt vollständige Berufsunfähigkeit unabhängig davon vor, welchen Zeitanteil sie eingenommen hat (siehe BGH, Urt. v. 26.2.2003 – IV ZR 238/01 – VersR 2003, 631; Senat, Urt. v. 19.11.2003 – 5 U 168/00 – VersR 2004, 1401; Lücke in: Prölss/Martin, 28. Aufl. 2010, BU § 2 Rdn. 28). Nicht mehr ausübbar im vorgenannten Sinne ist eine Tätigkeit nicht nur dann, wenn der Versicherungsnehmer zu ihr nicht mehr im Stande ist. Es genügt, wenn das zu Leistende als überobligationsmäßig zu betrachten ist, weil die festgestellte Gesundheitsbeeinträchtigung die Fortsetzung der Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen der Zumutbarkeit nicht mehr gestattet (OLG Koblenz, r+s 2000, 301; Lücke in: Prölss/Martin. 28. Aufl. 2010, BU § 2 Rdn. 29). Eine Unzumutbarkeit kann sich auch daraus ergeben, dass – wie hier – zwar nicht unmittelbar die Krankheit selbst, wohl aber eine durch sie indizierte und durchgeführte medikamentöse Therapie die berufliche Tätigkeit als mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden erscheinen lässt.

(b)

Die Voraussetzungen einer Unzumutbarkeit im vorstehend dargelegten Sinne wegen zu gewärtigender gesundheitlicher Risiken sind nicht gegeben.

i.

Für die Frage der Berufsunfähigkeit unerheblich ist zunächst der Umstand, dass der Kläger während der von ihm zu errichtenden Einzeltätigkeiten äußere Verletzungen erleiden könnte. Der Sachverständige Dr. S. hat die im Hinblick auf Verletzungsgefahren bei Schweißarbeiten durch Schnitt- oder Platzwunden bestehenden Gefahren als unerheblich bzw. genauso behandelbar wie bei einem Menschen mit normaler Blutgerinnung betrachtet. Bei einem marcumarisierten Patienten sei die Blutungszeit lediglich verlängert, so dass selbst bei einer größeren Schnittwunde die Anlage eines Kompressionsverbands ausreichend oder eine chirurgische Versorgung ohne weiteres möglich sei (Bl. 226, Ergänzungen des Gutachtens Bl. 274, 400 d. A.). Das Landgericht hat aufgrund dieser Feststellungen die Überzeugung gewonnen, dass die Gefahr äußerer Verletzungen beim Kläger nicht geeignet sei, eine medizinische Notfall- oder gar eine lebensbedrohliche Situation herbeizuführen, und eine Berufsunfähigkeit wegen Unzumutbarkeit unter diesem Gesichtspunkt verworfen (S. 7 des Urteils, Bl. 456 d. A.). Der Kläger richtet sich hiergegen in zweiter Instanz nicht.

ii.

Auch der – hier als gegeben unterstellte – Umstand, dass der Kläger auch Leitern oder Gerüste in einer Höhe von bis zu sechs Metern besteigen muss und dass ein Sturz für ihn lebensbedrohlich sein könnte, begründet entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Berufsunfähigkeit.

Das Landgericht hat die Berufsunfähigkeit des Klägers damit begründet, dass er – was von der Beklagten zweitinstanzlich nicht mehr in Zweifel gezogen wird – aufgrund der festgestellten Thrombophilie auf Dauer mit dem blutverdünnenden Medikament Marcumar behandelt werden müsse (siehe die Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. im fachinternistisch-arbeitsmedizinischen Gutachten vom 27.5.2008, Bl. 222, 223 d. A.) und zumutbarerweise keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten verrichten könne. Ein Abstürzen liege jedenfalls nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, und es sei dann mit inneren Verletzungen mit der Gefahr von Hirnblutungen zu rechnen (Seite 8 des Urteils, Bl. 457 d. A.).

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit Recht.

Der Kläger wäre sicher nicht gehalten, sich mit Gewissheit realisierende erhebliche Gesundheitsgefahren hinzunehmen (vgl. Senat, Urt. v. 29.10.2003 – 5 U 451/02 – VersR 2004, 1165). Davon kann aber keine Rede sein. Ansonsten gilt Folgendes: Ohne einen bestimmten Grad von Wahrscheinlichkeit festlegen zu müssen, ab welchem eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder eine Lebensgefahr zu gewärtigen sein müsste, um eine Unzumutbarkeit weiterer Tätigkeit zu begründen, ist doch jedenfalls ein Mindestmaß an Prognosesicherheit im Sinne einer rational begründbaren Vorhersehbarkeit, einer ernsthaften Befürchtung erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2000 – IV ZR 208/99 – VersR 2001, 89; Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl. 2009, § 46 Rdn. 72; Lücke in: Prölss/Martin. 28. Aufl. 2010, BU § 2 Rdn. 30). Sähe man das anders, würde jedes letztlich nie auszuschließende, theoretische Risiko zur Annahme einer Berufsunfähigkeit genügen, und, zugespitzt formuliert, wäre schon der Beruf des auf hohen Gerüsten tätigen Schweißers als solcher unzumutbar, denn Stürze aus solchen Höhen sind nach allgemeiner Lebenserfahrung auch für Menschen ohne blutverdünnende medikamentöse Therapie lebensbedrohlich. Von einer ernsthaft und konkret zu befürchtenden Absturzgefahr für jeden, der bei seiner Arbeit Leitern oder Gerüste besteigen muss, ist aber schon nach allgemeiner Lebenserfahrung und damit offenkundig nicht auszugehen. Hinzu kommt, dass in den wertend auszulegenden Begriff der Unzumutbarkeit auch Erwägungen der Vermeidbarkeit einfließen (siehe hierzu mit Blick auf dem Versicherungsnehmer zuzumutende Schutzmaßnahmen OLG Hamm, r+s 1991, 178; Lücke in: Prölss/Martin. 28. Aufl. 2010, BU § 2 Rdn. 33). Jeder, der Arbeiten in größerer – hier nach dem Sachvortrag des Klägers bis zu sechs Metern – Höhe verrichtet, ist im eigenen Interesse gehalten, Vorsicht walten zu lassen und die Gefahr eines Absturzes zu minimieren. Die verbleibende, eher theoretische Möglichkeit, gleichwohl zu Fall zu kommen und hierbei innere Verletzungen zu erleiden, wird den Anforderungen eines für die Berufsunfähigkeit bedeutsamen Mindestmaßes an Prognosesicherheit nicht gerecht.

Soweit eine gewisse Kategorie von Unfällen – wie etwa "normale" Stürze, bei denen der Kopf auf einen harten Gegenstand aufschlägt oder eine tiefe Verletzung durch einen spitzen Gegenstand verursacht wird – Gesundheit und Leben des Klägers weit gravierender gefährden mag als einen nicht mit gerinnungshemmenden Medikamenten behandelten Menschen, lässt sich auch hieraus eine Berufsunfähigkeit nicht herleiten. Die Unzumutbarkeit der Berufsausübung muss einen spezifischen Zusammenhang mit den gerade durch die Tätigkeit verbundenen Gefahren aufweisen. Wer, wie der Kläger, insgesamt durch Unfälle und Verletzungen stärker gefährdet ist, trägt ein erhöhtes allgemeines Lebensrisiko (zu vergleichsweise "banalen" alltäglichen Unfällen, die wegen einer Marcumar-Behandlung schwer wiegende gesundheitliche Folgen hatten, siehe etwa BGH, Urt. v. 3.12.1997 – IV ZR 43/97 – VersR 1998, 308 [50-prozentige Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Beins aufgrund eines Einblutens in den Wadenmuskel nach einem Sturz in der Dusche]; OLG Koblenz, VersR 2008, 67 [Gehirnblutung nach Sturz in der Küche mit Aufschlagen des Kopfes auf eine Schrankkante]). Insoweit überzeugt der Einwand der Beklagten, dass, sähe man das anders, jeder unter Marcumar gestellte Patient schon dann berufsunfähig wäre, wenn er im Zusammenhang mit seiner Arbeit am Straßenverkehr teilnehmen müsste. Die Absicherung solcher, in dieser Form und im selben Maß auch im gewöhnlichen Alltag zu gewärtigender Lebensrisiken ist nicht Vertragszweck der Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung.

2.

Weil, wie ausgeführt, Berufsunfähigkeit insgesamt nicht gegeben ist, ist die Anschlussberufung des Klägers wegen der erstinstanzlichen teilweisen Klageabweisung in Bezug auf Ansprüche für den Zeitraum Mai 2005 bis Oktober 2005 unbegründet und zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Es ist eine grundsätzlich bedeutsame Frage, ob Berufsunfähigkeit im versicherungsvertraglichen Sinne ausscheidet, wenn die auf Dauer notwendige medikamentöse Behandlung des erkrankten Versicherten (Marcumar-Behandlung) im Falle unfallbedingter Verletzungen zwar die Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden oder gar des Todes birgt, diese Risiken aber keine spezifisch berufsbezogenen sind, sondern sich auch im gewöhnlichen Lebensalltag (etwa in Form von Autounfällen) verwirklichen können.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens (Berufung der Beklagten und Anschlussberufung des Klägers) entspricht dem erstinstanzlichen Streitwert und wird entsprechend dem Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23.12.2009 (Bl. 471 d. A.) auf 76.751,92 EUR festgesetzt.

Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 U 8/10 - 1

Urteilsbesprechungen zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 U 8/10 - 1

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 U 8/10 - 1 zitiert 6 §§.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Ausbilder-Eignungsverordnung - AusbEignV 2009 | § 2 Berufs- und arbeitspädagogische Eignung


Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung umfasst die Kompetenz zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren der Berufsausbildung in den Handlungsfeldern: 1. Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen,2. Ausbildung vorbere

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Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2007 - IV ZR 46/06

bei uns veröffentlicht am 28.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 46/06 Verkündetam: 28.Februar2007 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Berufsunfähigk

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Feb. 2003 - IV ZR 238/01

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09

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Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung umfasst die Kompetenz zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren der Berufsausbildung in den Handlungsfeldern:

1.
Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen,
2.
Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken,
3.
Ausbildung durchführen und
4.
Ausbildung abschließen.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 46/06 Verkündetam:
28.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) § 5
Der Versicherer kann sich nach Treu und Glauben nicht auf eine mit dem Versicherungsnehmer
geschlossene Vereinbarung berufen, durch die gegen befristete Leistungen
der für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt
hinausgeschoben wird, wenn es an einer Aufklärung des Versicherungsnehmers über
die damit für ihn verbundenen Nachteile fehlt (Fortführung des Senatsurteils vom
7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 46/06 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. Januar 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Klägerin Die macht Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend, die sie im Jahre 1995 mit der Beklagten abgeschlossen hat. Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen (im Folgenden: B-BUZ) entsprechen, soweit hier von Interesse , im Wesentlichen dem bei Prölss/Martin (VVG 27. Aufl. S. 1985 ff.) abgedruckten Text.
2
Im September 1999 stellte die Klägerin, eine Versicherungsfachwirtin , einen Leistungsantrag, der sich auf Zahlung der vereinbarten Monatsrente , Überschussbeteiligung sowie Beitragsfreistellung seit Juli 1999 richtete und mit chronischer Depression, Erschöpfung mit Angstzu- ständen, Schlafstörungen, Magen- und Darmproblemen, Kopfschmerzen und Migräne begründet wurde. Sie sei seit 28. Juni 1999 arbeitsunfähig und könne ihre berufliche Tätigkeit als Sachbearbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in einem Unternehmen mit dem Aufgabenbereich Altersversorgung von industriellen Führungskräften wegen ihrer Erkrankung nicht mehr wahrnehmen. Im Mai 2000 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde ab 30. Juli 2000 auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren und wolle etwa halbtags arbeiten. Zur Vermeidung einer langwierigen , aufwendigen Begutachtung der Klägerin schlug die Beklagte den Abschluss einer von ihr formulierten, "Außervertraglichen Vereinbarung" zum Versicherungsvertrag vor. Darin erklärte sie sich bereit, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Berufsunfähigkeitsrenten für die Zeit von Januar bis Juli 2000 als einmaligen Kapitalbetrag zu zahlen und in diesem Zeitraum auf Beitragszahlungen zu verzichten. Weiter heißt es u.a.: Die [Beklagte] einerseits und [die Klägerin] andererseits sind sich einig, dass damit ein Leistungsanerkenntnis der [Beklagten] nicht gegeben ist. … Sofern sich der Gesundheitszustand [der Klägerin] bis zum 01.08.2000 nicht bessern wird, kann [die Klägerin] jederzeit einen neuen Antrag auf weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung einreichen. Die [Beklagte] wird dann ihre Leistungsprüfung unverzüglich wieder aufnehmen.
3
Die Klägerin stimmte dieser Vereinbarung im Juni 2000 zu. Sie übte ihre ursprüngliche berufliche Tätigkeit ab dem 30. Juli 2000 im zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich aus; vom 1. Oktober 2000 an arbeitete sie in vollem Umfang, ab 1. Januar 2001 schränkte sie die Arbeit jedoch wieder auf eine Halbtagstätigkeit ein. Zum 30. September 2001 schied sie aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Klägerin beantragte im Anschluss an die erste Außervertragliche Vereinbarung eine Verlänge- rung des Leistungszeitraums und schloss mit der Beklagten entsprechende weitere Vereinbarungen zunächst für die Zeit bis Oktober 2000 und dann bis Dezember 2001.
4
Im September 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Beklagte nahm die Leistungsprüfung auf und erfuhr, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: BfA) eine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess plante und dazu ein Gutachten einholte. Um die Kosten und den Zeitaufwand für ein weiteres Gutachten zu sparen, kamen die Parteien überein, eine vierte Außervertragliche Vereinbarung nach dem Muster der drei vorhergehenden für die Zeit von Januar bis Juli 2002 zu schließen, die noch einmal für Juli und August 2002 verlängert wurde. In dieser letzten, fünften Vereinbarung finden sich u.a. noch folgende Sätze: Zwischen den betroffenen Parteien besteht außerdem Einigkeit darüber, dass die Leistungsprüfung bislang noch nicht abgeschlossen ist. Die [Beklagte] behält sich in diesem Zusammenhang sowohl die abschließende Prüfung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit als auch die Prüfung einer Verweisung vor. Hierzu sind jedoch noch weitere Informationen erforderlich. Nach Erhalt dieser wird sich die [Beklagte] bezüglich weitergehender Leistungen, über den 01.09.2002, äußern.
5
Mit Schreiben vom 8. August 2002 lehnte die Beklagte unter Berufung auf das von der BfA eingeholte Gutachten Leistungen ab, da es an einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit von mindestens 50% fehle; sie verzichtete auf die Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen, zog aber ab September 2002 wieder die fälligen Beiträge ein.
6
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die vertraglich zugesagten Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 1999, also vor Erhalt von Zahlungen aufgrund der mit der Beklagten geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen, sowie für die Zeit ab September 2002.
7
Das Landgericht hat die Beklagte wegen der für das Jahr 1999 begehrten Leistungen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden; auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch in Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Teils abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
I. Das Berufungsgericht nimmt an, die Klägerin habe nicht bewiesen , dass sie berufsunfähig sei. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen leide sie zwar phasenweise an einer Störung der Fähigkeit zur Anpassung an belastende Lebensereignisse. Das habe in den Jahren 1997 bis 2000 zu zahlreichen Beschwerden geführt , sich seither aber wesentlich gebessert. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin je infolge Krankheit außerstande gewesen sei, ihren zuletzt ausgeübten beruflichen Verpflichtungen nicht zu wenigstens etwas mehr als der Hälfte nachzukommen. Da ihre Erkrankung in einzelnen Episoden verlaufe, könne jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sie je "voraus- sichtlich dauernd" oder länger als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sei, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten.
10
Entgegen der Ansicht der Klägerin könne den Außervertraglichen Vereinbarungen der Parteien keine Bindungswirkung wie einem Anerkenntnis nach § 5 Abs. 1 B-BUZ mit der Folge beigemessen werden, dass die Beklagte zur Einstellung ihrer Rentenzahlungen erst aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 B-BUZ berechtigt gewesen wäre. Vielmehr müssten die hier aufgrund der Vertragsfreiheit abweichend von der Regelungssystematik der Bedingungen vereinbarten Außervertraglichen Vereinbarungen von einem einseitig nach § 5 Abs. 1 B-BUZ erteilten Leistungsanerkenntnis, dessen Befristung unzulässig sei, unterschieden werden. Bei streitigen Diagnosen oder eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen wie hier liege es im beiderseitigen Interesse, bis zu einer abschließenden Klärung zunächst nur zeitlich begrenzte, vorläufige Regelungen zu treffen. Solche Abreden könnten zwar im Einzelfall gegen § 138 BGB verstoßen; davon könne hier aber nicht die Rede sein. Darüber hinaus dürfe der Versicherer seine überlegene Sachund Rechtskenntnis wegen der existenziellen Bedeutung seiner Leistungen für den Versicherten und der für diesen schwer zu durchschauenden Systematik der Versicherungsbedingungen nicht zu dessen Nachteil nutzen , sondern müsse gemäß § 242 BGB lauter und vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten.
11
Diesen Anforderungen würden die ersten drei der hier geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen gerecht. Die Klägerin habe bis zum September 2001 Arbeitseinkünfte erzielt, sich bis zu diesem Zeitpunkt also nicht in einer wirtschaftlichen Notlage befunden. Aufgrund ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit sei sie versicherungstechnisch nicht unerfahren. Aus den Vereinbarungen sei klar zu erkennen, dass sich die Beklagte nur aus Kulanz zu zeitlich begrenzten Zahlungen verpflichtet habe. Zugleich habe es dem rechtlich nicht zu beanstandenden Sinn und Zweck der Außervertraglichen Vereinbarungen entsprochen, dass es für die Prüfung, ob Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vorliege, auf die Zeit nach Ablauf der Außervertraglichen Vereinbarungen, also auf den Beginn des Jahres 2002, habe ankommen sollen. Auf eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen Berufsunfähigkeit für die nach Antragstellung in Betracht kommenden wenigen Monate des Jahres 1999 habe die Klägerin verzichtet.
12
Erst als die Klägerin im September 2001 die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands mitgeteilt habe, hätte es der vertraglich gebotenen Rücksicht auf die Interessen der Klägerin entsprochen, von einer Fortsetzung der Außervertraglichen Vereinbarungen abzusehen. Nach rund zwei Jahren befristet gewährter Leistungen habe sich die Beklagte bewusst sein müssen, dass ungeachtet der von der BfA geplanten stufenweisen Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess mit einer alsbaldigen Besserung ihres Gesundheitszustands nicht zu rechnen sei. Außerdem habe die Klägerin nach Beendung ihres Arbeitsverhältnisses um ihren Lebensunterhalt besorgt sein müssen. Für ein weiteres Aufschieben der abschließenden Leistungsprüfung hätten daher nur noch die Interessen der Beklagten gesprochen. Deshalb könne sie sich auf die im Dezember 2001 und Juni 2002 geschlossenen letzten beiden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht berufen. Dennoch könne nicht von einem zeitlich unbegrenzten Anerkenntnis der Leistungspflicht durch die Beklagte ausgegangen werden.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
14
1. Allerdings ist der Anspruch der Klägerin nicht schon - wie die Revision meint - aus einem den Außervertraglichen Vereinbarungen zu entnehmenden Anerkenntnis begründet. Aus deren insoweit unmissverständlichem Wortlaut musste der Klägerin vielmehr deutlich werden, dass sich die Beklagte rechtlich hinsichtlich des Vorliegens von Berufsunfähigkeit gerade nicht binden wollte, und zwar auch nicht in Gestalt eines etwa unzulässig befristeten Anerkenntnisses (zu letzterem vgl. BGHZ 121, 284, 290; Senatsurteile vom 12. Juni 1996 - IV ZR 106/95 - VersR 1996, 958 unter 2 a; vom 12. November 2003 - IV ZR 173/02 - VersR 2004, 96 unter II 1 a). Dass die Klägerin gleichwohl die Zahlung der für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbarten Leistungen über einen Zeitraum von insgesamt mehr als zweieinhalb Jahren hinweg nur dahin habe verstehen können, dass die Beklagte auch ohne formelles Anerkenntnis tatsächlich von einer ihre vertragliche Leistungspflicht begründenden Berufsunfähigkeit der Klägerin ausgehe, lässt sich mit Wortlaut und Sinn der den Zahlungen jeweils zugrunde liegenden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht vereinbaren. Darin hat sich die Beklagte eine abschließende Leistungsprüfung immer wieder vorbehalten. Der Klägerin konnte danach nicht verborgen bleiben, dass sie Leistungen von der Beklagten nur erhielt, wenn es zum Abschluss der jeweils für bestimmte Zeitabschnitte geltenden, bezeichnenderweise ausdrücklich als "außervertraglich" charakterisierten Vereinbarungen kam. Sie wären überflüssig gewesen, wenn ihr schon nach dem Versicherungsvertrag ein Leistungsanspruch zugestanden hätte.
15
2. Dennoch ist dem Berufungsgericht nicht in seiner Beurteilung der Außervertraglichen Vereinbarungen zu folgen. Die Beklagte kann sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass es für die Prüfung des Eintritts von Berufsunfähigkeit auch nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten ersten drei der hier getroffenen Vereinbarungen auf den Zeitpunkt eines "neuen", nach Ablauf der jeweiligen Vereinbarung zu stellenden Antrags der Klägerin ankommen soll.
16
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es den Parteien einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf der Grundlage der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, die Leistungspflicht einvernehmlich zu regeln. Über insoweit bestehende Schranken des allgemeinen Zivilrechts hinaus ist der Versicherer aber wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Für diesen hat die Berufsunfähigkeitsversicherung häufig existenzielle Bedeutung. Die dem Versicherer geläufige Regelung der §§ 5-7 B-BUZ über die Erklärung eines Leistungsanerkenntnisses , dessen Reichweite und das Nachprüfungsverfahren ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nur schwer durchschaubar. Deshalb setzt eine beiderseits interessengerechte Vereinbarung über die Leistungspflicht ein lauteres und vertrauensvolles Zusammenwirken der Vertragspartner voraus, das auf Ergebnisse abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen (Senatsurteil vom 12. November 2003 aaO unter II 1 b). Ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist regelmäßig anzunehmen, wenn die nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch ins Gewicht fallend verschlechtert wird. Der Versicherer handelt u.a. dann objektiv treuwidrig, wenn er bei nahe liegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Ku- lanzleistung hinausschiebt und so das nach Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft. Vereinbarungen, die derartige Nachteile für den Versicherungsnehmer zur Folge haben, sind ohne Rechtsmissbrauch nur in engen Grenzen möglich: Sie setzen eine - aus verständiger Sicht - noch unklare Sach- und Rechtslage voraus. Sie erfordern vor ihrem Abschluss klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers darauf , wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt - unter II 1). Daran hält der Senat fest.
17
b) Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im September 1999 geltend gemacht, bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein, und Leistungen ab Juli 1999 verlangt. Vertragsgemäßem Vorgehen der Beklagten hätte es danach entsprochen, den Eintritt eines Versicherungsfalles zu dem von der Klägerin behaupteten Zeitpunkt zu prüfen und sich zu erklären, ob und von welchem Zeitpunkt an sie eine Leistungspflicht anerkenne (§ 5 Abs. 1 B-BUZ). Die von der Beklagten verwendeten Bedingungen sehen - abgesehen von einer hier nicht in Rede stehenden Verweisung (§ 5 Abs. 2 B-BUZ) - nur die Möglichkeit vor, Berufsunfähigkeit zu verneinen oder zu bejahen. Liegt Berufsunfähigkeit vor, hat der Versicherer seine Leistungspflicht anzuerkennen; davon kann er sich nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 B-BUZ) wieder lösen.
18
war Hier bei Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ungeklärt, ob Berufsunfähigkeit - wie von der Klägerin behauptet - eingetreten war. Der in den Bedingungen zugesagten Entscheidung dieser Frage hat sich die Beklagte durch den Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen entzogen, die sie zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse erst auf einen neuen Antrag und auf der Grundlage der dann gegebenen Sachlage verpflichteten. Die Beklagte hat sich damit eine Rechtsposition wie bei einer Leistungsablehnung verschafft. Der Klägerin war damit verwehrt, sich auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit schon zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt im September 1999 und den daraus folgenden Anspruch auf ein Anerkenntnis zu berufen, von dem sich die Beklagte erst bei Änderung der Gesundheitsverhältnisse - nach bis dahin fortbestehender Leistungspflicht - im Nachprüfungsverfahren hätte lösen können.
19
Die vereinbarte Verschiebung der Prüfung des Eintritts eines Versicherungsfalles auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der jeweils befristet geschlossenen Vereinbarungen stellt sich für die Klägerin - unabhängig von den ihr zwischenzeitlich zugute kommenden Kulanzleistungen der Beklagten - für den Fall als nachteilig dar, dass sie den Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 2 Abs. 1 oder 3 B-BUZ zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt hätte nachweisen können. Während es in einem solchen Fall nach den Bedingungen Sache der Beklagten gewesen wäre, ihre Leistungspflicht anzuerkennen mit der Folge, dass sie eine zum Wegfall der Berufsunfähigkeit führende Veränderung der für ihr Anerkenntnis maßgebenden Gesundheitsverhältnisse im Nachprüfungsverfahren hätte beweisen müssen, wurde der Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen das Risiko aufgebürdet, den vollen Beweis eines Eintritts des Versicherungsfalles für einen Zeitpunkt nach dem Ende der zugesagten Kulanzleistungen zu führen. Die mit den Außervertraglichen Vereinbarungen bezweckten Abweichungen von der Rechtslage nach den Versicherungsbedingungen bringen mithin für die Klägerin erhebliche Nachteile mit sich.

20
c) Diese werden im Wortlaut der Außervertraglichen Vereinbarungen nicht aufgedeckt oder auch nur angesprochen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin, mag sie auch über Kenntnisse und Erfahrungen im Versicherungsrecht verfügt haben, diese Auswirkungen durchschaut hätte oder sie ihr hinreichend erläutert worden wären. Im Gegenteil dürften Überlegungen in Richtung auf die weiteren Folgen der Außervertraglichen Vereinbarungen bei einem Fortbestehen der gesundheitlichen Störungen der Klägerin eher fern gelegen haben, weil die eingeleiteten Therapien sie zu der Hoffnung ermutigten, sie werde ihre psychischen Probleme und Ängste gänzlich bewältigen können.
21
Hinzu kommt, dass im Sommer 2000, nachdem die Klägerin schon etwa ein Jahr lang wegen ihrer Krankheit nicht hatte arbeiten können, ein Eingreifen der Vermutung des § 2 Abs. 3 B-BUZ für die Dauerhaftigkeit einer Berufsunfähigkeit der Klägerin nahe lag. Zwar mögen im Hinblick auf die Art der gesundheitlichen Störungen und die halbschichtige Wiederaufnahme der Berufstätigkeit ab August 2000 Zweifel bestanden haben , die eine Abklärung durch Einholung weiterer Gutachten erforderlich erscheinen lassen konnten. Die befristeten Zahlungen der Beklagten wiegen aber den Nachteil nicht auf, der sich aus der Verlagerung des für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitraums durch die Außervertraglichen Vereinbarungen für die Klägerin ergab. Denn sie trug das Risiko, dass aufgrund einer Besserung der aktuellen Krankheitssymptome eine Berufsunfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar war, obwohl die Ursachen ihrer Erkrankung unverändert fortbestanden und daher mit einem erneuten Auftreten der Symptome gerechnet werden musste.
22
d) Mithin kann sich die Beklagte hier nach Treu und Glauben auf die Außervertraglichen Vereinbarungen insoweit nicht darauf berufen, als bei Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit die Gesundheitsverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt eines neuen Antrags maßgebend sein sollen. Ebenso wenig kann von einem Verzicht der Klägerin auf Leistungen für das Jahr 1999 ausgegangen werden. Die mit Hilfe schon der ersten Außervertraglichen Vereinbarungen mittelbar erstrebte Erledigung des Leistungsantrags der Klägerin vom September 1999 entsprach in ihrem Ergebnis nicht den Tatsachen und der Rechtslage, wie sie sich bei lauterer, die Interessen der kranken Versicherungsnehmerin nicht vernachlässigender Betrachtung darstellten. Nichts anderes gilt für die nachfolgenden Vereinbarungen, von denen das Berufungsgericht die letzten beiden mit Recht auch aus weiteren Gründen beanstandet hat. Vielmehr bleibt der Leistungsanspruch der Klägerin nach den in der Zeit ihrer ersten Antragstellung maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das ändert nichts daran, dass sie die von der Beklagten auf der Grundlage der Außervertraglichen Vereinbarungen geleisteten Zahlungen behalten darf.
23
3. Das Berufungsgericht hat ungeachtet seiner Auffassung, wegen der Wirksamkeit der drei ersten Außervertraglichen Vereinbarungen komme es für die Prüfung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auf die Zeit vor dem Jahre 2002 nicht mehr an, auch im Hinblick auf die Zeit der Antragstellung im Jahr 1999 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit geprüft. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin überhaupt infolge Krankheit außerstande war, ihren Beruf mehr als halbschichtig auszuüben; davon ist im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin auszugehen. Das Berufungsgericht ist aber zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht feststellen , dass die Klägerin "je" voraussichtlich dauernd oder mehr als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen wäre, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit auf den gerichtlichen Sachverständigen, der schon in seinem ersten Gutachten vom 13. November 2003 darauf hingewiesen habe , dass die psychische Erkrankung der Klägerin in einzelnen Episoden verlaufe und die Klägerin "phasenweise" "bis zu" 50% berufsunfähig gewesen sei. Diese Einschätzung habe der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, dahin erläutert , dass die Klägerin bei einem "gesunden Mix" ihrer Aufgaben an jedem Tag die Hälfte der Arbeitszeit habe bewältigen können.
24
Diese a) Feststellungen des Berufungsgerichts werden von den schriftlichen Gutachten und den in den Gerichtsprotokollen festgehaltenen mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen nicht getragen. Die Revision rügt mit Recht, dass in dem ersten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen an der vom Berufungsgericht zitierten Stelle nicht etwa zu lesen ist, die Klägerin sei in der Zeit von 1997 bis ca. 2002 phasenweise bis zu 50% "berufsunfähig" gewesen, sondern vielmehr, sie sei auch während des akuten Beschwerdebildes ihrer Erkrankung sicherlich phasenweise bis zu 50% "berufstätig" gewesen. Es kann sich insoweit auch nicht um einen Schreibfehler handeln, wie die Beklagte meint. Denn der Sachverständige hat seine Einschätzung, die Klägerin sei in dem genannten Zeitraum durchschnittlich zu 50% berufsunfähig gewesen, in seinen beiden schriftlichen Ergänzungsgutachten bestätigt. Vor dem Landgericht hat er bekundet, jedenfalls bis zum Jahre 2000 sei eine Besserung der "Berufsfähigkeit" über 50% hinaus nicht anzunehmen. Deshalb ist das Landgericht in seinem Urteil von einer Berufsunfähigkeit zu wenigstens 50% in der Zeit von Mitte 1997 bis höchstens Ende 2000 ausgegangen, die sich erst danach auf 30% reduziert habe. Auch in sei- ner Anhörung vor dem Berufungsgericht hat der Sachverständige angegeben , nach seiner Einschätzung sei die Klägerin in der Zeit von Mitte /Ende 1997 bis 2000 zu 50% berufsunfähig gewesen, aber im Zeitpunkt seiner Untersuchung im Jahre 2003 nur noch zu allenfalls 20%. Soweit der Sachverständige von einer "phasenweise auftretenden Anpassungsstörung" ausgegangen ist, hat er dies dahin erläutert, es könne sich um wenige Tage bis maximal mehrere Monate handeln. Auch wenn er die Klägerin bereits in den Jahren 1997/1998 untersucht hätte, würde er eine relativ günstige Prognose gestellt haben, nämlich dass sie nach einem halben Jahr oder längstens 9 Monaten wieder vollschichtig in ihrem Beruf würde arbeiten können. Bei dieser Prognose setzte der Sachverständige allerdings voraus, dass sich die Klägerin auf die von ihm für Erfolg versprechend gehaltene Art der Therapie eingelassen und in dieser Zeit lebenswichtige Entscheidungen (wie etwa die Heirat im Jahre 1998) vermieden hätte.
25
Danach b) ist bisher nicht festzustellen, dass die Klägerin - abweichend von den Feststellungen des Landgerichts - seit der krankheitsbedingten Einstellung ihrer Berufstätigkeit ab 28. Juni 1999 etwa nicht ununterbrochen zumindest sechs Monate lang zu wenigstens 50% berufsunfähig gewesen sei, und zwar ohne dass dieser Zustand Ende 1999 schon beendet gewesen wäre. Er dauerte vielmehr trotz längerer Behandlungen der Klägerin im Jahr 2000 an. Auch die halbschichtige Tätigkeit , die die Klägerin ab August 2000 aufgenommen hat, belegt nicht, dass sie etwa zu mehr als 50% berufsfähig und damit nicht mehr zu mindestens 50% berufsunfähig gewesen wäre. Dass sich gleichwohl für eine fernere Zukunft, d.h. eine Zeit, die über den Zeitraum einer sechs Monate ununterbrochen bestehenden und danach für absehbare Zeit weiter fortdauernden Berufsunfähigkeit hinausgeht, möglicherweise eine güns- tige Prognose hätte ergeben können, wie sie der gerichtliche Sachverständige annimmt, steht der Annahme von Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 3 B-BUZ nicht entgegen. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Sachverständiger wie hier nachträglich die Meinung vertritt, die bisherigen Behandlungsansätze hätten die Auslösesituation verkannt und deshalb ihr Ziel verfehlt; mit anderer Therapie hätte es schon gar nicht zu einer mehr als sechs Monate dauernden Berufsunfähigkeit in der Zeit ab Juli 1999 kommen müssen. Die Fiktion des § 2 Abs. 3 B-BUZ soll den Versicherungsnehmer gerade vor Nachteilen schützen, die daraus entstehen , dass sich die für § 2 Abs. 1 B-BUZ erforderliche Prognose einer voraussichtlichen Dauerhaftigkeit in angemessener Zeit nach Antragstellung noch nicht stellen lässt; deshalb hat der Versicherer mit § 2 Abs. 3 B-BUZ zugesagt, dass von einer ungünstigen Prognose schon dann auszugehen ist, wenn lediglich feststeht, dass die versicherte Person seit sechs Monaten gesundheitsbedingt ganz oder teilweise außerstande ist, die in § 2 Abs. 1 umschriebenen Tätigkeiten auszuüben, und dieser Zustand andauert (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 - IVa ZR 74/88 - VersR 1989, 903 unter 3 c; vom 11. Oktober 2006 - IV ZR 66/05 - r+s 2007, 31 unter II 1 b).
26
Die Revisionserwiderung meint, aus den Hinweisen des Sachverständigen auf das nur "phasenweise" Auftreten der Anpassungsstörung und den daraus "durchschnittlich" abzuleitenden Grad der Berufsunfähigkeit von 50% sei zu entnehmen, dass die Beeinträchtigung der Klägerin nie ununterbrochen bestanden habe. Dem steht jedoch entgegen, dass der Sachverständige vor dem Berufungsgericht bekundet hat, wenn er von "Phasen" spreche, könne es sich auch um Zeiträume von maximal mehreren Monaten handeln. Selbst wenn es nur um kurzfristige Phasen von jeweils wenigen Tagen gegangen sein sollte, können solche krank- heitsbedingten Beeinträchtigungen, insbesondere wenn sie häufiger und unvorhersehbar auftreten, die Berufsfähigkeit mangels Verlässlichkeit dauerhaft in Frage stellen.
27
c) Da das Berufungsgericht eigene Sachkunde nicht darlegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - NJW 1995, 1619 unter II), kann sein Urteil nicht bestehen bleiben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
28
4. Sollte sich das Berufungsgericht dabei hinsichtlich der schon im Jahre 1999 bestehenden gesundheitlichen Störungen nicht mehr die für den Beweis der Berufsunfähigkeit erforderliche Gewissheit verschaffen können, ist in Betracht zu ziehen, ob dies auf Beweisschwierigkeiten beruht , zu denen es nicht gekommen wäre, wenn die Beklagte nicht wegen des Aufwands und der Kosten von der ihr bereits nach Antragstellung bedingungsgemäß obliegende Aufklärung (§ 4 Abs. 2 B-BUZ) abgesehen und die Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen davon abgehalten hätte, den erhobenen Anspruch zu einem früheren Zeitpunkt gerichtlich geltend zu machen. Ist der Klägerin dadurch der Beweis der Berufsunfähigkeit unmöglich gemacht oder erschwert worden, kann dies zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05 - NJW 2006, 434 unter II 1 b bb; vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 - NJW 2004, 222 unter II 1 a, jeweils m.w.N.).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.12.2004 - 12 O 47/03 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 25.01.2006 - 5 U 28/05-3 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 163/09 Verkündetam:
30.Juni2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AVB Krankentagegeldversicherung (MB/KT 1978) §§ 1 (3), 15 lit. b
Bei einer Krankentagegeldversicherung ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer
, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen
und zu beweisen hat; die Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
nach § 4 (7) MB/KT 1978 reicht dafür nicht aus.
Hingegen ist es Aufgabe des Versicherers, darzulegen und zu beweisen, dass seine
Leistungspflicht zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt wegen Berufsunfähigkeit der
versicherten Person geendet hat.
Zu den Anforderungen an die Prognose, ob die versicherte Person nach medizinischem
Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 %
erwerbsunfähig ist.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09 - OLG Düsseldorf
LG Krefeld
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter Wendt,
die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Felsch, Dr. Karczewski und
Lehmann auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Rechtsmittel gegen die Entscheidung zugelassen worden ist.
Die Sache wird im Umfang ihrer Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Klägerin aus einer bei ihr zum Tarif TA 6 genommenen Krankentagegeldversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen der Klägerin für die Krankentagegeldversicherung nach den Tarifen TA in der Fassung 1984 zugrunde, die in ihrem Teil I den Musterbedingungen 1978 des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (im folgenden MB/KT) entsprechen. Sie lauten auszugsweise wie folgt: "§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes (1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Er gewährt im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang. (2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. … (3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. § 15 Sonstige Beendigungsgründe Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen …
b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit."
2
Die in Teil II der Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Tarifbedingungen für die Tarife TA sehen in § 15 Nr. 2 ergänzend vor, dass das Versicherungsverhältnis spätestens mit Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit endet.
3
Der Beklagte ist Physiker und war zuletzt - bis zum 30. Juni 2004 - als Accountmanager tätig. Wegen einer psychischen Erkrankung machte er im Jahre 2002 einen Anspruch auf Krankentagegeld geltend. Die Klägerin lehnte diesen nach einer Nachuntersuchung durch den von ihr beauftragten Arzt Dr. W. zunächst ab, leistete später aber für den Zeitraum vom 7. August 2002 bis zum 28. Februar 2003 eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 17.000 €. Auch in der Zeit danach erbrachte sie Versicherungsleistungen. Am 15. März 2003 beantragte der Beklagte bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Beklagte sei mit Beginn des Monats der Antragstellung als bedingungsgemäß berufsunfähig zu betrachten; ihre Leistungspflicht bestehe daher nur noch bis zum 31. August 2003.
4
Am 1. Oktober 2003 unterzeichnete der Beklagte eine von der Klägerin vorgefertigte Erklärung: "Ich bin durch die S. darüber informiert worden, dass aufgrund Berufsunfähigkeit kein Anspruch auf die Zahlung von Krankentagegeld nach dem 31.08.2003 mehr besteht. Am 15.03.2003 habe ich einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellt. Mir ist bekannt, dass eine Rentenzahlung rückwirkend zum Beginn des Monats der Antragstellung erfolgt. Eine Entscheidung über den Antrag ist mir bisher nicht zugegangen. Das Angebot der S. , auch über den 31.08.2003 hinaus freiwillig Krankentagegeld in Höhe des bisher versicherten Tarifes zu zahlen, nehme ich an. Gleichzeitig verpflichte ich mich, die ab dem 01.09.2003 erhaltenen Beträge nach der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente an die S. zurück zu zahlen."
5
Nachdem die BfA dem Kläger mit Bescheid vom 17. Januar 2005 rückwirkend zum 1. Januar 2003 und befristet bis zum 31. Dezember 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hatte, stellte die Klägerin ihre Leistungen zum 29. Januar 2005 ein. Mit ihrer Klage hat sie zuletzt die an den Beklagten vom 1. September 2003 bis zum 28. Januar 2005 - abzüglich in diesem Zeitraum gezahlter Prämien - geflossenen Zahlungen in Höhe von 72.913,67 € nebst Zinsen zurückverlangt. Darüber hinaus hat sie die Feststellung begehrt, dass wegen Berufsunfähigkeit des Beklagten nach § 15 lit. b MB/KT keine Leistungspflicht aus einer Krankentagegeldversicherung seit dem 1. August 2007 mehr bestehe, hilfsweise seit dem 18. April 2008, weiter hilfsweise seit dem 1. Juni 2008.
6
Beklagte Der hat Widerklage erhoben. Er hat für die Zeiträume vom 7. August 2002 bis zum 28. März 2003 und vom 1. August 2004 bis zum 28. Januar 2005 ein höheres als das von der Klägerin gezahlte Krankentagegeld verlangt und insgesamt 29.529 € nebst Zinsen geltend gemacht. Daneben hat er Versicherungsleistungen für die Zeiträume vom 1. Februar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von 25.050 € nebst Zinsen , vom 1. Juli 2005 bis zum 14. September 2006 in Höhe von 82.467 € nebst Zinsen und vom 15. September 2006 bis zum 31. Juli 2007 in Höhe von 59.840 € nebst Zinsen begehrt. Ferner hat er die Feststellung der Unwirksamkeit einer seitens der Klägerin am 20./23. Juli 2007 erklärten Kündigung der - von ihr zum 1. September 2003 auf eine Anwartschaftsversicherung umgestellten - Krankentagegeldversicherung beantragt.

7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von insgesamt 169.248,32 € sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision gegen das Berufungsurteil bis auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 20./23. Juli 2007 zugelassen.

Entscheidungsgründe:


8
Das Rechtsmittel hat im Umfang seiner Zulassung Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
9
I. Dieses hat, soweit für das Revisionsverfahren noch erheblich, ausgeführt: Die Klägerin könne sich nicht auf die Verpflichtungserklärung vom 1. Oktober 2003 stützen, ohne gegen die Grundsätze von Treu und Glauben zu verstoßen. Sie habe weder in dem vorangegangenen Schriftverkehr noch in der Erklärung vom 1. Oktober 2003 selbst hinreichend deutlich gemacht, dass die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen einem Anspruch des Beklagten auf Krankentagegeld nicht zwingend entgegenstand und zudem die übereinstimmende Anerkennung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auch über den Zeitraum einer befristeten Rentenbewilligung hinaus fortgelten sollte. Die Klägerin als Versicherer wäre aber verpflichtet gewesen, den Beklagten, der mit der Erklärung auf erhebliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ver- zichtet habe, über diese rechtlichen und tatsächlichen Ungewissheiten aufzuklären; ohne dies sei ihr ein Berufen auf die Vereinbarung nach § 242 BGB verwehrt.
10
Entscheidend für die Beurteilung der wechselseitig geltend gemachten Ansprüche und Rechte seien daher die vereinbarten Versicherungsbedingungen. Die Voraussetzungen des § 15 lit. b MB/KT seien nicht bereits durch den Bescheid der BfA vom 17. Januar 2005 erfüllt, der keinen medizinischen Befund im Sinne der Bedingung darstelle. Es komme allein darauf an, ob sonst aus einem medizinischen Befund folge, dass der Beklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt berufsunfähig gewesen sei; eine rückwirkende medizinische Befundung scheide dabei aus. Frühestens ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines medizinischen Befundes sei die Feststellung von Berufsunfähigkeit möglich, was nicht ausschließe, dass auf seiner Grundlage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend auf den Eintritt von Berufsunfähigkeit geschlossen werden könne.
11
Diesen Anforderungen genüge keine der bei den Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen. Die Nachuntersuchung durch Dr. W. am 6. August 2002 habe nicht ergeben, dass der Beklagte bereits im Zeitpunkt der Untersuchung auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen sei. Auch die zu den Akten gereichten Atteste des den Beklagten behandelnden Arztes Dr. S. ließen die rechtlich erforderliche ärztliche Prognose einer auf Dauer angelegten mehr als 50%-igen Erwerbsunfähigkeit nicht erkennen. Den Attesten seien Einzelheiten der erhobenen Befunde und ihrer Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Beklagten nicht zu entnehmen, eine Überprüfung durch den Versicherten daher nicht einmal ansatzweise möglich. Auf die erstinstanzliche Zeugenaussage von Dr. S. vom 4. September 2008 komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Selbst wenn mit ihr der notwendige medizinische Befund für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit festgestellt werden könne, was indessen nach dem Inhalt der Aussage nicht einmal der Fall gewesen sei, wäre er wegen des Ausschlusses einer rückwirkenden Befundung schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr relevant. Die aus dem im sozialgerichtlichen Prozess, den der Beklagte mit der BfA geführt habe, eingeholten Gutachten Dr. R. vom 30. November 2004 ersichtlichen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen erfüllten die aufgezeigten rechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht. Auch der Gutachter selbst habe letztlich keine dauerhafte, sondern nach seinen im Untersuchungszeitpunkt gewonnenen Erkenntnissen allenfalls für einen Zeitraum von zwei Jahren feststellbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Beklagten im Erwerbsleben prognostizieren können. Das genüge nicht, um eine bedingungsgemäß relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" anzunehmen.
12
Die Klägerin bestreite ferner ohne Erfolg eine durchgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit des Beklagten. Die Aussage des hierzu vernommenen Zeugen Dr. S. werde durch das Gutachten Dr. R. nicht in Zweifel gezogen, sondern zusätzlich bestätigt. Angesichts des schon vor dem Landgericht erzielten eindeutigen Beweisergebnisses bestehe kein Anlass mehr für das von der Klägerin beantragte Sachverständigengutachten , zumal eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 2003 bis zum 28. Januar 2005 nicht streitig und damit nicht beweisbedürftig sei. Die Klägerin habe für diesen Zeitraum freiwillig geleistet. Sie habe ihre Zahlungen in der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003, deren Unwirksamkeit sie nicht geltend mache, nur unter den Vor- behalt der Rückforderung bei Bewilligung der beantragten Rente wegen Berufsunfähigkeit gestellt; dieser Anspruch sei indes ausgeschlossen, weil die Klägerin insoweit treuwidrig handele. Es bestehe insoweit ein Rechtsgrund für ihre Zahlungen; auf eine mangelnde Arbeitsunfähigkeit des Beklagten komme es für diesen Zeitraum nicht an.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
1. Für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien kann nicht auf die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 abgestellt werden.
15
a) Mit ihr hat sich der Beklagte wesentlicher Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag begeben, soweit es die Leistungspflicht der Klägerin ab dem 1. September 2003 betraf, denn es war eine Rückzahlung der Versicherungsleistungen vorgesehen, sollte dem Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt werden. Ein Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schließt den Anspruch auf Krankentagegeld indes nicht in jedem Fall aus, sondern nur, wenn er als Beendigungsgrund in den Bedingungen der Krankentagegeldversicherung ausdrücklich vorgesehen ist (Senatsurteil vom 5. Februar 1997 - IV ZR 67/96 - VersR 1997, 481 unter 2 b). Eine solche Klausel fehlt in den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen der Klägerin; an einen Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit werden darin keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Darauf und auf die mit der Erklärung vom 1. Oktober 2003 deshalb verbundenen Nachteile hätte die Klägerin den Beklagten angesichts ihrer überlegenen Sach- und Rechtskenntnis hinweisen müssen (Senatsurteile vom 28. Februar 2007 - IV ZR 46/06 - VersR 2007, 777 Tz. 16; vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - VersR 2007, 633 Tz. 13 f.). Da dies nicht geschehen ist, kann sie sich nach Treu und Glauben nicht auf eine am 1. Oktober 2003 erfolgte einvernehmliche Regelung ihrer Leistungspflicht berufen. Das hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ausgangspunkt richtig gesehen; die Revision nimmt diese rechtliche Bewertung hin.
16
b) Es ist indes nicht nur der Klägerin verwehrt, Vorteile aus einer Vereinbarung zu ziehen, die eine nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages bestehende Rechtsposition des Versicherungsnehmers auffallend verschlechtert; auch der Beklagte kann die Klägerin nicht darauf verweisen , sie müsse sich gemäß der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 auf einen Rechtsgrund für die von ihr ab dem 1. September 2003 erbrachten Zahlungen festschreiben lassen.
17
Die Klägerin hat - für den Beklagten erkennbar - die "Freiwilligkeit" der Fortzahlung des Krankentagegeldes hervorgehoben und ihre Leistung ausdrücklich unter den Vorbehalt der Rückzahlbarkeit bei Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt; durch die Vereinbarung sollte unter den darin im Einzelnen genannten Voraussetzungen eine abschließende Klärung der Sach- und Rechtslage herbeigeführt werden. Wenn aber die Klägerin den Vorbehalt gegenüber dem Beklagten nicht geltend machen kann, weil sie ihn unter Ausnutzung ihrer besonderen Sach- und Rechtskenntnis treuwidrig erlangt hat, bedeutet dies - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - nicht, dass sie dem Beklagten das "freiwillig" gewährte Krankentagegeld in jedem Fall belassen muss, ohne dass es auf den tatsächlichen Eintritt einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit noch ankäme; es fehlt der Vereinbarung die dafür erforderliche abschließende Regelungswirkung.
18
Vielmehr c) enthalten weder die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 noch der von der Klägerin auch außerhalb der Vereinbarung eingenommene Standpunkt, ihre Leistungspflicht habe wegen Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit geendet, zugleich ein Zugeständnis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit. Die Berufsunfähigkeit schließt in einer Krankentagegeldversicherung, der die MB/KT zugrunde liegen, die Arbeitsunfähigkeit - als Minus - nicht denknotwendig ein, denn nach den in den Versicherungsvertrag einbezogenen Bedingungen sind Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit in ihren Voraussetzungen nicht deckungsgleich. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ist gegeben, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht mehr absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit setzt dagegen voraus, dass die berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausgeübt werden kann, ferner dass sie nicht ausgeübt wird und der Versicherte auch keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Die zwei letztgenannten Voraussetzungen fehlen bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit. Demnach kann in der Abgrenzung von Berufs- und Arbeitsunfähigkeit im Sinne der MB/KT nicht allein auf das Vergleichspaar "vorübergehend - auf nicht mehr absehbare Zeit" abgestellt werden (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - IV ZR 163/89 - VersR 1991, 451, 452). Schon deshalb verbietet es sich, eine Arbeitsunfähigkeit des Beklagten jedenfalls für den Zeitraum ab dem 1. September 2003 als unstreitig zu behandeln.
19
2. Es kommt nach alledem, wie das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend erkannt hat, auf die in den MB/KT enthaltenen Regelungen an, die die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit einerseits und einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit andererseits für das Rechtsverhältnis der Parteien verbindlich festlegen.
20
Bei a) einer Krankentagegeldversicherung mit Bedingungen, wie sie die MB/KT enthalten, gewährt der Versicherer im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld im vertraglich vereinbarten Umfang (§ 1 (1) MB/KT). Der Versicherungsfall ist gemäß § 1 (2) MB/KT die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen eines Versicherungsfalles ist danach die zur medizinischen Heilbehandlung hinzutretende und in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit, deren Voraussetzungen in § 1 (3) MB/KT näher bestimmt werden. Dabei ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen hat, also Eintritt und Fortbestand der Voraussetzungen des § 1 (3) MB/KT, soweit er vom Versicherer mit dieser Begründung Versicherungsleistungen begehrt (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - IV ZR 110/99 - VersR 2000, 841 unter II 1). Mit Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 4 (7) MB/KT allein hat er allerdings noch nicht bewiesen, dass er bedingungsgemäß arbeitsunfähig war; es genügt also nicht, dass er - in Erfüllung seiner Anzeigepflicht aus § 9 (1) i.V. mit § 4 (7) MB/KT - dem Versicherer Bescheinigungen des ihn behandelnden Arztes vorlegt, in denen das (Fort-)Bestehen von Arbeitsunfähigkeit attestiert worden ist. Zwar setzt der Eintritt des Versicherungsfalles unter anderem voraus, dass Arbeitsunfähigkeit während der Heilbehandlung "ärztlich festgestellt" wird; eine Beweisregel, nach der es dem Versicherer verwehrt sein könnte, (später) die inhaltliche Richtigkeit dieses Nachweises zu bestreiten, ergibt sich daraus aber nicht. Vielmehr eröffnet dem Versicherer erst der vom Versicherungsnehmer vorzulegende Nachweis die Möglichkeit der Prüfung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, ohne dass er an diesen gebunden oder auch nur gehalten wäre, eine Nachuntersuchung gemäß § 9 (3) MB/KT zu verlangen (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 aaO unter II 2 a).
21
b) Das bedeutet hier: Es ist Aufgabe des Beklagten, soweit er mit seiner Widerklage Versicherungsleistungen für bestimmte Zeiträume verlangt , über die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hinaus den Nachweis zu erbringen, dass er für die geltend gemachten Zeiträume arbeitsunfähig i.S. des § 1 (3) MB/KT war. Das gilt auch, soweit er Zahlungen verlangt, die der Höhe nach über die von der Klägerin in dem betreffenden Zeitraum erbrachten Versicherungsleistungen hinausgehen. Nur soweit die Klägerin bereits geleistete Zahlungen zurückfordert, ist es ihre Sache, darzulegen und zu beweisen, dass sie diese ohne Rechtsgrund erbracht hat. Das kann sie dadurch erreichen, dass sie den vom Beklagten behaupteten Rechtsgrund einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit widerlegt.
22
Die 3. Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen und der Dauer der vom Beklagten behaupteten Arbeitsunfähigkeit sind verfahrensfehlerhaft getroffen.
23
a) Schon das Landgericht hätte sich nicht darauf beschränken dürfen , den behandelnden Arzt Dr. S. zur Frage einer Arbeitsunfähigkeit des Beklagten als Zeugen zu hören. Dessen Bekundungen laufen auf eine Bestätigung der eigenen, zuvor gestellten ärztlichen Prognose hinaus, der Beklagte könne seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben. Wird allein diese Aussage der Feststellung, der Beklagte sei arbeitsunfähig gewesen, zugrunde gelegt, führte dies zu einer Bindung der Klägerin als Versicherer an die durch den behandelnden Arzt damals gestellte und später von ihm als Zeuge bekräftigten Prognose, die nach den Versicherungsbedingungen mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gerade nicht einhergehen soll. Der Klägerin darf es - im Rahmen ihres Rückforderungsbegehrens - nicht verwehrt werden, die Richtigkeit der ärztlichen Prognose überprüfen zu lassen, was regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten zu geschehen hat, dessen Einholung die Klägerin wiederholt beantragt hat; über diesen Beweisantrag hat sich das Berufungsgericht hinweggesetzt.
24
b) Der Senat hat für den Versicherungsfall in der Krankenversicherung bereits entschieden, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer notwendigen Heilbehandlung auf einen objektiven, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängigen Maßstab ankommt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein die des behandelnden Arztes entscheidend ist. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung jedenfalls dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (Senat in BGHZ 133, 208, 212 f.; Senatsurteil vom 29. Novem- ber 1978 - IV ZR 175/77 - VersR 1979, 221 unter III); das Urteil des behandelnden Arztes ist deshalb einer Überprüfung durch einen neutralen Sachverständigen zu unterziehen.
25
Für den Anspruch auf Krankentagegeld und den dafür anzusetzenden Maßstab gilt nichts anderes, denn auch hier ist Versicherungsfall nach § 1 (2) MB/KT eine medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf die ärztlich festzustellende Arbeitsunfähigkeit hinzutritt. Das Berufungsgericht hätte den erforderlichen Sachverständigenbeweis mithin erheben müssen.
26
c) Das danach gebotene gerichtliche Sachverständigengutachten konnte nicht durch die Äußerungen des Sachverständigen Dr. R. in dem vor dem Sozialgericht geführten Prozess ersetzt werden, auf die das Berufungsgericht zwar Bezug nimmt, mit deren Inhalt es sich jedoch für die Frage einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit des Beklagten nicht näher auseinandersetzt. Das Gutachten ist aufgrund einer gerichtlichen Beweisanordnung erstellt worden, die sich an den Anforderungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI ausrichtet, die nicht mit den Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit nach den MB/KT übereinstimmen. Insbesondere stellt die Arbeitsunfähigkeit nach § 1 (3) MB/KT auf die berufliche Tätigkeit der versicherten Person ab, während sich der Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Sozialversicherung abstrakt an einer generellen Erwerbsfähigkeit orientiert, die nicht zu einem konkret ausgeübten Beruf in Beziehung steht, sondern die Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherten im gesamten Bereich des Arbeitslebens zum Ausgangspunkt nimmt (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Zu- dem legt sich das Gutachten Dr. R. für die hier entscheidende Frage, ob eine (nur) vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bestand, nicht fest. Stattdessen führt der Sachverständige aus, die beim Beklagten vorliegenden Störungen brauchten "nicht dauernder Natur zu sein"; die depressiven Phasen einer endogenen Depression verliefen schicksalhaft, ihre Beendigung sei zeitlich nicht voraussehbar. Schließlich hat sich das Berufungsgericht nicht damit befasst, dass die Aussage des Sachverständigen Dr. R , es habe beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeit - im Sinne des Sozialrechts - im Januar 2003 "und vier Monate zuvor" , d.h. im September 2002, vorgelegen, nicht in Einklang zu bringen ist mit dem zeitnah zum Monat September 2002 erstellten Gutachten Dr. W. vom 9. August 2002, demzufolge die Arbeitsunfähigkeit des Beklagten nach § 1 (3) MB/KT "ab sofort" als beendet zu betrachten war.
27
d) Hat aber eine Partei ein medizinisches Gutachten vorgelegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen eines anderen Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall den Streit der - privaten oder gerichtlichen - Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Vielmehr muss er Einwände, die sich aus einem privaten Gutachten gegen ein anderes Gutachten ergeben, ernst nehmen; er muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08 - VersR 2009, 975 Tz. 7; Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 250/06 - VersR 2008, 1676 Tz. 11; vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa).
28
e) Dies hat das Berufungsgericht versäumt. Es ist seiner tatrichterlichen Pflicht zur Überprüfung des Urteils der Vorinstanz nicht ausrei- chend nachgekommen; es hat dadurch verkannt, dass konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz begründet waren. In einem solchen Fall sind erneute Feststellungen des Berufungsgerichts i.S. von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwingend geboten (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05 - VersR 2009, 1213 Tz. 15 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte deshalb unter Verwertung des gesamten Prozessstoffes auch der ersten Instanz neue Feststellungen treffen und den Vortrag und die Beweisanträge der Klägerin vollständig zur Kenntnis nehmen und prozessordnungsgemäß bescheiden müssen.
29
4. Auch die Voraussetzungen einer von der Klägerin behaupteten Berufsunfähigkeit des Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verneint. Der Vortrag der Klägerin, ihre Leistungspflicht habe gemäß § 15 lit. b MB/KT (spätestens) zu den angegebenen Zeitpunkten geendet , kann zum einen Grundlage für einen Anspruch auf Rückgewähr erbrachter Leistungen sein (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1992 - IV ZR 339/90 - VersR 1992, 479 unter II 4 c). Zum anderen kann die Klägerin damit ihrer Darlegungs- und Beweislast für den Antrag auf Feststellung genügen, es habe ab dem 1. August 2007, hilfsweise ab dem 18. April 2008, weiter hilfsweise ab dem 1. Juni 2008 wegen Berufsunfähigkeit ein Anspruch des Beklagten auf Versicherungsleistungen nicht mehr bestanden.
30
a) Nach § 15 lit. b Satz 2 MB/KT liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Es geht nach dieser Begriffsbestimmung um einen Zustand (Erwerbsunfähigkeit ), dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann. Denn es lässt sich eine ins Gewicht fallende Besserung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nicht selten weder zuverlässig voraussagen noch ausschließen (Senatsurteil vom 26. Februar 1992 aaO unter II 4 b). Die erforderliche Prognose kann nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen gestellt werden; sie ist abhängig von individuellen Umständen, wie etwa dem Alter des Versicherten, der Art und Schwere seiner Erkrankung und den Anforderungen der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Ein bestimmter Zeitraum, für den die Prognose zu stellen ist, im Sinne einer festen zeitlichen Grenze - etwa von drei Jahren (so OLG Hamm VersR 1997, 1087; OLG Köln VersR 1995, 284; OLG Koblenz r+s 1993, 473) - für die Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" lässt sich dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht entnehmen; sie ist daher der Prognose auch nicht zugrunde zu legen (zutreffend Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 4. Aufl. § 15 MB/KT Rdn. 27 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 15 MB/KT 94 Rdn. 25; Ahlburg in Handbuch des Fachanwalts, Versicherungsrecht 3. Aufl. S. 1188 Rdn. 225).
31
b) Die Prognose ist - gegebenenfalls rückschauend - für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die "medizinischen Befunde" - d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse - heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist es gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben wurden ; auch müssen sie keine - ausdrückliche oder wenigstens stillschwei- gende - ärztliche Feststellung der Berufsunfähigkeit enthalten (zutreffend Schubach in Münchener Anwaltshandbuch, Versicherungsrecht 2. Aufl. § 23 Rdn. 362).
32
Nur eine derartige Sichtweise entspricht dem auch insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des § 15 lit. b MB/KT, der aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nicht anders aufgefasst werden kann; für die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist deshalb kein Raum. Für den medizinischen Befund nach § 15 lit. b MB/KT, auf dessen Grundlage die Prognose einer Erwerbsunfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" erfolgt, können keine strengeren Anforderungen gelten, als für den medizinischen Befund i.S. von § 1 (3) MB/KT, da sich die Prognose "vorübergehend" und die Prognose "auf nicht absehbare Zeit" spiegelbildlich zueinander verhalten. Zudem ist in § 15 lit. b MB/KT - anders als in § 1 (2) MB/KT für die Arbeitsunfähigkeit - eine zusätzliche "ärztliche Feststellung" der Berufsunfähigkeit nicht vorgesehen. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dient - was sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wiederum ohne weiteres erschließt - einem bestimmten Zweck: Sie ist Voraussetzung für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 4 (7) MB/KT, die der Versicherungsnehmer dem Versicherer nach § 9 (1) MB/KT vorzulegen hat, nicht zuletzt um die Fälligkeit der Versicherungsleistung nach § 6 (1) MB/KT herbeizuführen; eine vergleichbare Konstellation findet sich für die den Leistungsbezug beendende bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit hingegen nicht (anders Tschersich in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 45 Rdn. 44 f).
33
c) Daneben gibt das Merkmal "nach medizinischem Befund" auch hier den Maßstab vor, nach dem eine bedingungsgemäße Berufsunfähig- keit beurteilt werden soll, d.h. objektiv durch Einholung eines neutralen (gerichtlichen) Sachverständigengutachtens unter Beiziehung aller verfügbaren medizinischen Unterlagen (Wilmes aaO Rdn. 27; Prölss aaO Rdn. 26). Der weitere Krankheitsverlauf, wie er sich für die Zeit nach dem behaupteten Ende der Leistungspflicht des Versicherers ergibt, kann grundsätzlich keine Berücksichtigung finden, da es dem Wesen einer - rückschauend auf ihre Richtigkeit überprüften - Prognoseentscheidung widerspräche, die Entwicklung nach dem entscheidenden Stichtag und damit einen späteren Erkenntnisstand in die Bewertung einzubeziehen ; der weitere Krankheitsverlauf kann deshalb auch nicht - wie dies zum Teil angenommen wird (vgl. OLG Zweibrücken VersR 1991, 292 f.; Prölss aaO m.w.N.) - als Indiz für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der zum maßgeblichen Zeitpunkt gestellten Prognose herangezogen werden.
34
d) Das Berufungsgericht hat bislang davon abgesehen, einen gerichtlichen Sachverständigen unter Beachtung der sich aus § 15 lit. b MB/KT ergebenden Vorgaben zur Klärung der Frage zu beauftragen, ob bei dem Beklagten zu den von der Klägerin behaupteten Zeitpunkten eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit gegeben war. Das wird nachzuholen sein.
Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch
Dr. Karczewski Lehmann

Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 23.10.2008 - 5 O 512/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2009 - I-4 U 215/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 238/01 Verkündet am:
26. Februar 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin
Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Ver-
handlung vom 5. Februar 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, mitarbeitender Inhaber eines Automatenaufstellbetriebes , begehrt von der beklagten Versicherungsgesellschaft über die von dieser freiwillig gezahlte Rente für eine 40%ige Berufsunfähigkeit hinaus die volle vereinbarte Rente (monatlich 4.453 DM) für die Zeit ab 1. Januar 1994.
Nach den Vertragsbedingungen der 1976 von den Parteien vereinbarten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gewährt die Beklagte bei

teilweiser Berufsunfähigkeit die für vollständige Berufsunfähigkeit festgesetzten Leistungen nur in der Höhe, die dem Grad der Berufsunfähigkeit entspricht. Teilweise Berufsunfähigkeit von weniger als einem Viertel gibt keinen Anspruch. Ab einer teilweisen Berufsunfähigkeit von mindestens Dreiviertel werden die vollen Leistungen erbracht.
Der Kläger ist seit 1975 selbständiger Automatenaufsteller, der in Gaststätten Geldspielgeräte, Billardtische und Musikboxen aufstellt, die Geräte wartet und auswechselt und jeden seiner etwa 80 bis 100 Kunden alle 14 Tage aufsucht, um die Automaten zu leeren, das Geld mit Hilfe einer Geldzählmaschine zu zählen, dem Gastwirt seinen Anteil auszukehren und den eigenen Anteil mitzunehmen. Die Abrechnungstätigkeit übte der Kläger persönlich und allein aus, bis er zum 1. Mai 1989 zusätzlich zu den bis dahin von ihm beschäftigten Mitarbeitern (zwei Monteure und für die Büroarbeiten seine Ehefrau) seinen Sohn einstellte, der ihn seitdem auf seinen Abrechnungsfahrten begleitet und ihm das Tragen schwerer Gegenstände abnimmt (Laptop, das eingesammelte Hartgeld , insbesondere aber die 20 kg schwere Geldzählmaschine).
1986 wurde bei dem Kläger wegen einer Ulcus-Erkrankung eine 2/3-Magenresektion vorgenommen. Seit 1987 zahlt die Beklagte ihm eine Berufsunfähigkeitsrente. Vom 1. Oktober 1987 bis zum 1. Oktober 1990 betrug sie 60% der vollen Rente; vom 2. Oktober 1990 bis zum 1. Januar 1994 35%, und seit dem 1. Oktober 1990 zahlt die Beklagte 40%. Demgegenüber begehrt der Kläger ab 1. Januar 1994 die volle Rente mit der Begründung, er sei spätestens seit Anfang 1989 zu mindestens 75% berufsunfähig. Nicht nur habe er nach wie vor erhebliche Magenbeschwerden , deretwegen er täglich fünf kleine Mahlzeiten einnehmen und an-

schließend jeweils eine halbstündige Ruhepause einhalten müsse, sondern er leide auch an Erkrankungen des Bewegungsapparates, vor allem der Wirbelsäule, der Knie- und der Hüftgelenke, die sich seit den 70er Jahren kontinuierlich verschlimmert und ihm spätestens seit Anfang 1989 das Tragen schwerer Gegenstände, insbesondere der Geldzählmaschine , unmöglich gemacht hätten. Allein aus diesem Grund habe er zum 1. Mai 1989 seinen Sohn als Begleiter bei den Abrechnungsfahrten eingestellt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Klageabweisung nicht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger sei nicht zu mehr als 40% berufsunfähig. Aufgrund des vom Landgericht eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachtens stehe zwar zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger keine schweren Gegenstände tragen dürfe. Auch sei bewiesen, daß der Kläger früher Geräte aufgestellt und vor Ort oder in seiner Werkstatt repariert und daß er die Geräte entleert und mit den Gastwirten den Gewinn abgerechnet habe, wozu er die

schweren Spielgeräte bzw. die schwere Geldzählmaschine, habe heben und tragen müssen. Durch seine krankheitsbedingte Unfähigkeit zu diesen für seinen Beruf prägenden, wesentlichen Einzelverrichtungen sei der Kläger als mitarbeitender Betriebsinhaber jedoch noch nicht berufsunfähig. Dazu genüge nicht, daß er Einzelverrichtungen, die er sich bisher ausgesucht hatte, nicht mehr ausüben könne. Der Kläger übe vielmehr immer noch eine angemessene Tätigkeit aus, weil er weiter seine Mitarbeiter überwache und einsetze, die Kundenwerbung weiterbetreibe und die Spielgeräte entleere und mit seinen Kunden abrechne. Wegen dieser fortdauernden Erledigung seiner alten Aufgaben habe er, ungeachtet der Einstellung eines neuen Mitarbeiters, seinen Betrieb auch nicht umorganisiert. Der Kläger falle zwar bei dem Transport und der Reparatur der Spielgeräte völlig aus, jedoch mache dieser Teil seiner Tätigkeit nach seinen eigenen Angaben nur 10% seiner Arbeitszeit aus, während er 80% für das Abkassieren und die Abrechnung verwende. Beim Abkassieren und Abrechnen sei ihm aber nur das Tragen der Geldzählmaschine und das Tragen des eingesammelten Hartgeldes zur Bank unmöglich. Er habe nicht nachgewiesen, daß diese beiden Tragevorgänge mehr als 30% seiner gesamten Arbeitszeit ausmachten, so daß nicht davon ausgegangen werden könne, daß er zu mehr als 40% berufsunfähig sei.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Berufsunfähigkeit liegt nach den Vertragsbedingungen vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit oder Körperverletzung ganz oder teilweise außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, die seiner Lebensstellung, seinen Kenntnissen und Fähig-

keiten angemessen ist. Bei einem mitarbeitenden Betriebsinhaber muß zunächst, genau wie bei jedem anderen Versicherten, die Voraussetzung erfüllt sein, daß er zu seiner konkreten beruflichen Tätigkeit, so wie sie bis zum Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgestaltet war, in einem Ausmaß nicht mehr imstande ist, das nach den Versicherungsbedingungen einen Rentenanspruch begründet. Darüber hinaus muß der mitarbeitende Betriebsinhaber aber darlegen und erforderlichenfalls beweisen , daß ihm eine zumutbare Betriebsorganisation keine gesundheitlich noch zu bewältigende Betätigungsmöglichkeit eröffnen kann, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließen würde (BGH, Urteil vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090 unter II 3 a). Bei der Prüfung der ersten Voraussetzung ist dem Berufungsgericht ein Rechtsfehler unterlaufen, der dazu geführt hat, daß es die - erforderliche - Prüfung der zweiten Voraussetzung unterlassen hat.
1. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Feststellung, daß der Kläger keine schweren Gegenstände mehr tragen könne, dem insoweit rechtsirrtümlichen Beweisbeschluß des Landgerichts folgend, auf einen falschen Stichtag abgestellt hat, nämlich auf den 1. Januar 1994, der den Beginn des vom Kläger geltend gemachten Leistungszeitraums markiert. Sollte die Unfähigkeit des Klägers, schwer zu tragen, tatsächlich erst an diesem Tage eingetreten sein, so hätte sie keine Berufsunfähigkeit herbeigeführt. Denn bei dieser geht es darum, wie sich gesundheitliche Beeinträchtigungen bei einer konkreten Berufsausübung auswirken (BGH, Urteil vom 12. Juni 1996 - IV ZR 116/95 - VersR 1996, 959 unter II 1). Dabei ist maßgebend die letzte konkrete Berufsausübung, so wie sie noch in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des

Versicherten noch nicht beeinträchtigt war (BGH, Urteil vom 22. September 1993 - IV ZR 203/92 - VersR 1993, 1470 unter 3). Die Abrechnungstätigkeit des Klägers war aber bereits lange vor dem 1. Januar 1994, nämlich schon seit dem 1. Mai 1989, dem Tage der Einstellung seines Sohnes als Begleiter, so ausgestaltet, daß er gar nicht mehr schwer zu tragen brauchte; denn dies nahm ihm seitdem sein Sohn ab. Falls der Kläger seinen Sohn noch "in gesunden Tagen" eingestellt hatte, hat eine nachträglich eingetretene Unfähigkeit zum Tragen ihn also nicht berufsunfähig gemacht. Der Kläger hat aber substantiiert behauptet, daß er bereits seit Anfang 1989 nicht mehr in der Lage sei, schwere Lasten zu heben, und allein aus diesem Grund seinen Sohn als Gehilfen eingestellt habe. Dieser Vortrag ist indessen durch das gerichtliche Sachverständigengutachten noch nicht bewiesen, weil das Landgericht dem Gutachter fälschlich die Frage vorgelegt hat, ob der Kläger seit dem 1. Januar 1994 nicht mehr schwer tragen könne, und der Sachverständige dementsprechend auch eine auf dieses Datum bezogene bejahende Antwort gegeben hat.
Ist aber somit bislang offen, ob und wie sich die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers Anfang 1989 auf seine Fähigkeit zur weiteren Berufsausübung auswirkten, so fehlt es an einer Beurteilungsgrundlage dafür, wie hoch der Grad seiner Berufsunfähigkeit anzusetzen ist und ob der Kläger sich durch Umorganisation ein Berufsunfähigkeit ausschließendes Tätigkeitsfeld verschaffen konnte.
Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben. Es war aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen weiteren Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

2. Dabei wird das Berufungsgericht die folgenden rechtlichen Ge- sichtspunkte berücksichtigen müssen:

a) Falls der Kläger schon vor der Einstellung seines Sohnes nicht mehr schwer tragen konnte, darf das Berufungsgericht bei der Bemessung des Grades der hierdurch hervorgerufenen Berufsunfähigkeit des Klägers nicht nur auf den - vom Berufungsgericht nicht bezifferten - Zeitanteil abstellen, der auf das Tragen der Geldzählmaschine entfiel. Das Tragen der Geldzählmaschine war keine abtrennbare und deshalb gesondert zu veranschlagende berufliche Einzelverrichtung, sondern ein untrennbarer Bestandteil des Abrechnungsvorgangs, der aus An- und Abfahrt, der Leerung der Automaten, dem Zählen des Hartgeldes mittels der Geldzählmaschine, der Berechnung des Anteils des jeweiligen Gastwirts , der Auszahlung dieses Anteils an den Gastwirt und dem Abtransport des eigenen Anteils des Klägers bestand. Diese Abrechnung war ein einheitlicher Lebensvorgang, zu dem das Tragen der Geldzählmaschine dazugehörte; denn ohne diese konnte der Kläger nicht abrechnen.

b) Bei der etwaigen Prüfung, ob der Kläger die Tätigkeiten in seinem Betrieb auch nicht auf zumutbare Weise so umschichten kann, daß ihm eine die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließende Tätigkeit verbleibt (BGH, Urteil vom 12. Juni 1996, aaO unter 3), wird zu beachten sein, daß der Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts , eine Umorganisation seines Betriebes bereits vorgenommen hat, indem er seinen Sohn einstellte (zur Umorganisation durch Einstellung weiterer Mitarbeiter vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1991 - IV ZR 145/90 - VersR 1998, 1358 unter 2 b). Es kommt deshalb darauf an, ob

diese Umorganisation für ihn unzumutbar war. Eine Umorganisation ist für den Versicherten nur dann zumutbar, wenn sie nicht mit auf Dauer ins Gewicht fallenden Einkommenseinbußen verbunden ist (BGH, Urteile vom 5. April 1989 - IV ZR 35/88 - VersR 1989, 579 und vom 25. September 1991 - IV ZR 145/90 - VersR 1991, 1358).

c) Schließlich darf das Berufungsgericht das Magenleiden des Klägers nicht unberücksichtigt lassen. Sollte der Kläger aus orthopädischer Sicht Anfang 1989 zu weniger als 75% berufsunfähig oder sollte ihm die Umorganisation zumutbar gewesen sein, so müßte das Berufungsgericht die Frage klären, ob, seit wann und inwieweit ihn sein Magenleiden an der Fortsetzung seiner früheren Tätigkeit hindert.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.