Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09

bei uns veröffentlicht am30.06.2010
vorgehend
Landgericht Krefeld, 5 O 512/05, 23.10.2008
Oberlandesgericht Düsseldorf, 4 U 215/08, 25.06.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 163/09 Verkündetam:
30.Juni2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AVB Krankentagegeldversicherung (MB/KT 1978) §§ 1 (3), 15 lit. b
Bei einer Krankentagegeldversicherung ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer
, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen
und zu beweisen hat; die Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
nach § 4 (7) MB/KT 1978 reicht dafür nicht aus.
Hingegen ist es Aufgabe des Versicherers, darzulegen und zu beweisen, dass seine
Leistungspflicht zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt wegen Berufsunfähigkeit der
versicherten Person geendet hat.
Zu den Anforderungen an die Prognose, ob die versicherte Person nach medizinischem
Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 %
erwerbsunfähig ist.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09 - OLG Düsseldorf
LG Krefeld
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter Wendt,
die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Felsch, Dr. Karczewski und
Lehmann auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Rechtsmittel gegen die Entscheidung zugelassen worden ist.
Die Sache wird im Umfang ihrer Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Klägerin aus einer bei ihr zum Tarif TA 6 genommenen Krankentagegeldversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen der Klägerin für die Krankentagegeldversicherung nach den Tarifen TA in der Fassung 1984 zugrunde, die in ihrem Teil I den Musterbedingungen 1978 des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (im folgenden MB/KT) entsprechen. Sie lauten auszugsweise wie folgt: "§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes (1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Er gewährt im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang. (2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. … (3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. § 15 Sonstige Beendigungsgründe Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen …
b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit."
2
Die in Teil II der Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Tarifbedingungen für die Tarife TA sehen in § 15 Nr. 2 ergänzend vor, dass das Versicherungsverhältnis spätestens mit Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit endet.
3
Der Beklagte ist Physiker und war zuletzt - bis zum 30. Juni 2004 - als Accountmanager tätig. Wegen einer psychischen Erkrankung machte er im Jahre 2002 einen Anspruch auf Krankentagegeld geltend. Die Klägerin lehnte diesen nach einer Nachuntersuchung durch den von ihr beauftragten Arzt Dr. W. zunächst ab, leistete später aber für den Zeitraum vom 7. August 2002 bis zum 28. Februar 2003 eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 17.000 €. Auch in der Zeit danach erbrachte sie Versicherungsleistungen. Am 15. März 2003 beantragte der Beklagte bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Beklagte sei mit Beginn des Monats der Antragstellung als bedingungsgemäß berufsunfähig zu betrachten; ihre Leistungspflicht bestehe daher nur noch bis zum 31. August 2003.
4
Am 1. Oktober 2003 unterzeichnete der Beklagte eine von der Klägerin vorgefertigte Erklärung: "Ich bin durch die S. darüber informiert worden, dass aufgrund Berufsunfähigkeit kein Anspruch auf die Zahlung von Krankentagegeld nach dem 31.08.2003 mehr besteht. Am 15.03.2003 habe ich einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellt. Mir ist bekannt, dass eine Rentenzahlung rückwirkend zum Beginn des Monats der Antragstellung erfolgt. Eine Entscheidung über den Antrag ist mir bisher nicht zugegangen. Das Angebot der S. , auch über den 31.08.2003 hinaus freiwillig Krankentagegeld in Höhe des bisher versicherten Tarifes zu zahlen, nehme ich an. Gleichzeitig verpflichte ich mich, die ab dem 01.09.2003 erhaltenen Beträge nach der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente an die S. zurück zu zahlen."
5
Nachdem die BfA dem Kläger mit Bescheid vom 17. Januar 2005 rückwirkend zum 1. Januar 2003 und befristet bis zum 31. Dezember 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hatte, stellte die Klägerin ihre Leistungen zum 29. Januar 2005 ein. Mit ihrer Klage hat sie zuletzt die an den Beklagten vom 1. September 2003 bis zum 28. Januar 2005 - abzüglich in diesem Zeitraum gezahlter Prämien - geflossenen Zahlungen in Höhe von 72.913,67 € nebst Zinsen zurückverlangt. Darüber hinaus hat sie die Feststellung begehrt, dass wegen Berufsunfähigkeit des Beklagten nach § 15 lit. b MB/KT keine Leistungspflicht aus einer Krankentagegeldversicherung seit dem 1. August 2007 mehr bestehe, hilfsweise seit dem 18. April 2008, weiter hilfsweise seit dem 1. Juni 2008.
6
Beklagte Der hat Widerklage erhoben. Er hat für die Zeiträume vom 7. August 2002 bis zum 28. März 2003 und vom 1. August 2004 bis zum 28. Januar 2005 ein höheres als das von der Klägerin gezahlte Krankentagegeld verlangt und insgesamt 29.529 € nebst Zinsen geltend gemacht. Daneben hat er Versicherungsleistungen für die Zeiträume vom 1. Februar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von 25.050 € nebst Zinsen , vom 1. Juli 2005 bis zum 14. September 2006 in Höhe von 82.467 € nebst Zinsen und vom 15. September 2006 bis zum 31. Juli 2007 in Höhe von 59.840 € nebst Zinsen begehrt. Ferner hat er die Feststellung der Unwirksamkeit einer seitens der Klägerin am 20./23. Juli 2007 erklärten Kündigung der - von ihr zum 1. September 2003 auf eine Anwartschaftsversicherung umgestellten - Krankentagegeldversicherung beantragt.

7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von insgesamt 169.248,32 € sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision gegen das Berufungsurteil bis auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 20./23. Juli 2007 zugelassen.

Entscheidungsgründe:


8
Das Rechtsmittel hat im Umfang seiner Zulassung Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
9
I. Dieses hat, soweit für das Revisionsverfahren noch erheblich, ausgeführt: Die Klägerin könne sich nicht auf die Verpflichtungserklärung vom 1. Oktober 2003 stützen, ohne gegen die Grundsätze von Treu und Glauben zu verstoßen. Sie habe weder in dem vorangegangenen Schriftverkehr noch in der Erklärung vom 1. Oktober 2003 selbst hinreichend deutlich gemacht, dass die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen einem Anspruch des Beklagten auf Krankentagegeld nicht zwingend entgegenstand und zudem die übereinstimmende Anerkennung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auch über den Zeitraum einer befristeten Rentenbewilligung hinaus fortgelten sollte. Die Klägerin als Versicherer wäre aber verpflichtet gewesen, den Beklagten, der mit der Erklärung auf erhebliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ver- zichtet habe, über diese rechtlichen und tatsächlichen Ungewissheiten aufzuklären; ohne dies sei ihr ein Berufen auf die Vereinbarung nach § 242 BGB verwehrt.
10
Entscheidend für die Beurteilung der wechselseitig geltend gemachten Ansprüche und Rechte seien daher die vereinbarten Versicherungsbedingungen. Die Voraussetzungen des § 15 lit. b MB/KT seien nicht bereits durch den Bescheid der BfA vom 17. Januar 2005 erfüllt, der keinen medizinischen Befund im Sinne der Bedingung darstelle. Es komme allein darauf an, ob sonst aus einem medizinischen Befund folge, dass der Beklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt berufsunfähig gewesen sei; eine rückwirkende medizinische Befundung scheide dabei aus. Frühestens ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines medizinischen Befundes sei die Feststellung von Berufsunfähigkeit möglich, was nicht ausschließe, dass auf seiner Grundlage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend auf den Eintritt von Berufsunfähigkeit geschlossen werden könne.
11
Diesen Anforderungen genüge keine der bei den Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen. Die Nachuntersuchung durch Dr. W. am 6. August 2002 habe nicht ergeben, dass der Beklagte bereits im Zeitpunkt der Untersuchung auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen sei. Auch die zu den Akten gereichten Atteste des den Beklagten behandelnden Arztes Dr. S. ließen die rechtlich erforderliche ärztliche Prognose einer auf Dauer angelegten mehr als 50%-igen Erwerbsunfähigkeit nicht erkennen. Den Attesten seien Einzelheiten der erhobenen Befunde und ihrer Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Beklagten nicht zu entnehmen, eine Überprüfung durch den Versicherten daher nicht einmal ansatzweise möglich. Auf die erstinstanzliche Zeugenaussage von Dr. S. vom 4. September 2008 komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Selbst wenn mit ihr der notwendige medizinische Befund für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit festgestellt werden könne, was indessen nach dem Inhalt der Aussage nicht einmal der Fall gewesen sei, wäre er wegen des Ausschlusses einer rückwirkenden Befundung schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr relevant. Die aus dem im sozialgerichtlichen Prozess, den der Beklagte mit der BfA geführt habe, eingeholten Gutachten Dr. R. vom 30. November 2004 ersichtlichen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen erfüllten die aufgezeigten rechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht. Auch der Gutachter selbst habe letztlich keine dauerhafte, sondern nach seinen im Untersuchungszeitpunkt gewonnenen Erkenntnissen allenfalls für einen Zeitraum von zwei Jahren feststellbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Beklagten im Erwerbsleben prognostizieren können. Das genüge nicht, um eine bedingungsgemäß relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" anzunehmen.
12
Die Klägerin bestreite ferner ohne Erfolg eine durchgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit des Beklagten. Die Aussage des hierzu vernommenen Zeugen Dr. S. werde durch das Gutachten Dr. R. nicht in Zweifel gezogen, sondern zusätzlich bestätigt. Angesichts des schon vor dem Landgericht erzielten eindeutigen Beweisergebnisses bestehe kein Anlass mehr für das von der Klägerin beantragte Sachverständigengutachten , zumal eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 2003 bis zum 28. Januar 2005 nicht streitig und damit nicht beweisbedürftig sei. Die Klägerin habe für diesen Zeitraum freiwillig geleistet. Sie habe ihre Zahlungen in der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003, deren Unwirksamkeit sie nicht geltend mache, nur unter den Vor- behalt der Rückforderung bei Bewilligung der beantragten Rente wegen Berufsunfähigkeit gestellt; dieser Anspruch sei indes ausgeschlossen, weil die Klägerin insoweit treuwidrig handele. Es bestehe insoweit ein Rechtsgrund für ihre Zahlungen; auf eine mangelnde Arbeitsunfähigkeit des Beklagten komme es für diesen Zeitraum nicht an.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien kann nicht auf die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 abgestellt werden.
15
a) Mit ihr hat sich der Beklagte wesentlicher Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag begeben, soweit es die Leistungspflicht der Klägerin ab dem 1. September 2003 betraf, denn es war eine Rückzahlung der Versicherungsleistungen vorgesehen, sollte dem Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt werden. Ein Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schließt den Anspruch auf Krankentagegeld indes nicht in jedem Fall aus, sondern nur, wenn er als Beendigungsgrund in den Bedingungen der Krankentagegeldversicherung ausdrücklich vorgesehen ist (Senatsurteil vom 5. Februar 1997 - IV ZR 67/96 - VersR 1997, 481 unter 2 b). Eine solche Klausel fehlt in den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen der Klägerin; an einen Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit werden darin keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Darauf und auf die mit der Erklärung vom 1. Oktober 2003 deshalb verbundenen Nachteile hätte die Klägerin den Beklagten angesichts ihrer überlegenen Sach- und Rechtskenntnis hinweisen müssen (Senatsurteile vom 28. Februar 2007 - IV ZR 46/06 - VersR 2007, 777 Tz. 16; vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - VersR 2007, 633 Tz. 13 f.). Da dies nicht geschehen ist, kann sie sich nach Treu und Glauben nicht auf eine am 1. Oktober 2003 erfolgte einvernehmliche Regelung ihrer Leistungspflicht berufen. Das hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ausgangspunkt richtig gesehen; die Revision nimmt diese rechtliche Bewertung hin.
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b) Es ist indes nicht nur der Klägerin verwehrt, Vorteile aus einer Vereinbarung zu ziehen, die eine nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages bestehende Rechtsposition des Versicherungsnehmers auffallend verschlechtert; auch der Beklagte kann die Klägerin nicht darauf verweisen , sie müsse sich gemäß der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 auf einen Rechtsgrund für die von ihr ab dem 1. September 2003 erbrachten Zahlungen festschreiben lassen.
17
Die Klägerin hat - für den Beklagten erkennbar - die "Freiwilligkeit" der Fortzahlung des Krankentagegeldes hervorgehoben und ihre Leistung ausdrücklich unter den Vorbehalt der Rückzahlbarkeit bei Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt; durch die Vereinbarung sollte unter den darin im Einzelnen genannten Voraussetzungen eine abschließende Klärung der Sach- und Rechtslage herbeigeführt werden. Wenn aber die Klägerin den Vorbehalt gegenüber dem Beklagten nicht geltend machen kann, weil sie ihn unter Ausnutzung ihrer besonderen Sach- und Rechtskenntnis treuwidrig erlangt hat, bedeutet dies - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - nicht, dass sie dem Beklagten das "freiwillig" gewährte Krankentagegeld in jedem Fall belassen muss, ohne dass es auf den tatsächlichen Eintritt einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit noch ankäme; es fehlt der Vereinbarung die dafür erforderliche abschließende Regelungswirkung.
18
Vielmehr c) enthalten weder die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 noch der von der Klägerin auch außerhalb der Vereinbarung eingenommene Standpunkt, ihre Leistungspflicht habe wegen Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit geendet, zugleich ein Zugeständnis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit. Die Berufsunfähigkeit schließt in einer Krankentagegeldversicherung, der die MB/KT zugrunde liegen, die Arbeitsunfähigkeit - als Minus - nicht denknotwendig ein, denn nach den in den Versicherungsvertrag einbezogenen Bedingungen sind Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit in ihren Voraussetzungen nicht deckungsgleich. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ist gegeben, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht mehr absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit setzt dagegen voraus, dass die berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausgeübt werden kann, ferner dass sie nicht ausgeübt wird und der Versicherte auch keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Die zwei letztgenannten Voraussetzungen fehlen bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit. Demnach kann in der Abgrenzung von Berufs- und Arbeitsunfähigkeit im Sinne der MB/KT nicht allein auf das Vergleichspaar "vorübergehend - auf nicht mehr absehbare Zeit" abgestellt werden (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - IV ZR 163/89 - VersR 1991, 451, 452). Schon deshalb verbietet es sich, eine Arbeitsunfähigkeit des Beklagten jedenfalls für den Zeitraum ab dem 1. September 2003 als unstreitig zu behandeln.
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2. Es kommt nach alledem, wie das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend erkannt hat, auf die in den MB/KT enthaltenen Regelungen an, die die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit einerseits und einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit andererseits für das Rechtsverhältnis der Parteien verbindlich festlegen.
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Bei a) einer Krankentagegeldversicherung mit Bedingungen, wie sie die MB/KT enthalten, gewährt der Versicherer im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld im vertraglich vereinbarten Umfang (§ 1 (1) MB/KT). Der Versicherungsfall ist gemäß § 1 (2) MB/KT die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen eines Versicherungsfalles ist danach die zur medizinischen Heilbehandlung hinzutretende und in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit, deren Voraussetzungen in § 1 (3) MB/KT näher bestimmt werden. Dabei ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen hat, also Eintritt und Fortbestand der Voraussetzungen des § 1 (3) MB/KT, soweit er vom Versicherer mit dieser Begründung Versicherungsleistungen begehrt (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - IV ZR 110/99 - VersR 2000, 841 unter II 1). Mit Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 4 (7) MB/KT allein hat er allerdings noch nicht bewiesen, dass er bedingungsgemäß arbeitsunfähig war; es genügt also nicht, dass er - in Erfüllung seiner Anzeigepflicht aus § 9 (1) i.V. mit § 4 (7) MB/KT - dem Versicherer Bescheinigungen des ihn behandelnden Arztes vorlegt, in denen das (Fort-)Bestehen von Arbeitsunfähigkeit attestiert worden ist. Zwar setzt der Eintritt des Versicherungsfalles unter anderem voraus, dass Arbeitsunfähigkeit während der Heilbehandlung "ärztlich festgestellt" wird; eine Beweisregel, nach der es dem Versicherer verwehrt sein könnte, (später) die inhaltliche Richtigkeit dieses Nachweises zu bestreiten, ergibt sich daraus aber nicht. Vielmehr eröffnet dem Versicherer erst der vom Versicherungsnehmer vorzulegende Nachweis die Möglichkeit der Prüfung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, ohne dass er an diesen gebunden oder auch nur gehalten wäre, eine Nachuntersuchung gemäß § 9 (3) MB/KT zu verlangen (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 aaO unter II 2 a).
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b) Das bedeutet hier: Es ist Aufgabe des Beklagten, soweit er mit seiner Widerklage Versicherungsleistungen für bestimmte Zeiträume verlangt , über die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hinaus den Nachweis zu erbringen, dass er für die geltend gemachten Zeiträume arbeitsunfähig i.S. des § 1 (3) MB/KT war. Das gilt auch, soweit er Zahlungen verlangt, die der Höhe nach über die von der Klägerin in dem betreffenden Zeitraum erbrachten Versicherungsleistungen hinausgehen. Nur soweit die Klägerin bereits geleistete Zahlungen zurückfordert, ist es ihre Sache, darzulegen und zu beweisen, dass sie diese ohne Rechtsgrund erbracht hat. Das kann sie dadurch erreichen, dass sie den vom Beklagten behaupteten Rechtsgrund einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit widerlegt.
22
Die 3. Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen und der Dauer der vom Beklagten behaupteten Arbeitsunfähigkeit sind verfahrensfehlerhaft getroffen.
23
a) Schon das Landgericht hätte sich nicht darauf beschränken dürfen , den behandelnden Arzt Dr. S. zur Frage einer Arbeitsunfähigkeit des Beklagten als Zeugen zu hören. Dessen Bekundungen laufen auf eine Bestätigung der eigenen, zuvor gestellten ärztlichen Prognose hinaus, der Beklagte könne seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben. Wird allein diese Aussage der Feststellung, der Beklagte sei arbeitsunfähig gewesen, zugrunde gelegt, führte dies zu einer Bindung der Klägerin als Versicherer an die durch den behandelnden Arzt damals gestellte und später von ihm als Zeuge bekräftigten Prognose, die nach den Versicherungsbedingungen mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gerade nicht einhergehen soll. Der Klägerin darf es - im Rahmen ihres Rückforderungsbegehrens - nicht verwehrt werden, die Richtigkeit der ärztlichen Prognose überprüfen zu lassen, was regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten zu geschehen hat, dessen Einholung die Klägerin wiederholt beantragt hat; über diesen Beweisantrag hat sich das Berufungsgericht hinweggesetzt.
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b) Der Senat hat für den Versicherungsfall in der Krankenversicherung bereits entschieden, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer notwendigen Heilbehandlung auf einen objektiven, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängigen Maßstab ankommt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein die des behandelnden Arztes entscheidend ist. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung jedenfalls dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (Senat in BGHZ 133, 208, 212 f.; Senatsurteil vom 29. Novem- ber 1978 - IV ZR 175/77 - VersR 1979, 221 unter III); das Urteil des behandelnden Arztes ist deshalb einer Überprüfung durch einen neutralen Sachverständigen zu unterziehen.
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Für den Anspruch auf Krankentagegeld und den dafür anzusetzenden Maßstab gilt nichts anderes, denn auch hier ist Versicherungsfall nach § 1 (2) MB/KT eine medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf die ärztlich festzustellende Arbeitsunfähigkeit hinzutritt. Das Berufungsgericht hätte den erforderlichen Sachverständigenbeweis mithin erheben müssen.
26
c) Das danach gebotene gerichtliche Sachverständigengutachten konnte nicht durch die Äußerungen des Sachverständigen Dr. R. in dem vor dem Sozialgericht geführten Prozess ersetzt werden, auf die das Berufungsgericht zwar Bezug nimmt, mit deren Inhalt es sich jedoch für die Frage einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit des Beklagten nicht näher auseinandersetzt. Das Gutachten ist aufgrund einer gerichtlichen Beweisanordnung erstellt worden, die sich an den Anforderungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI ausrichtet, die nicht mit den Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit nach den MB/KT übereinstimmen. Insbesondere stellt die Arbeitsunfähigkeit nach § 1 (3) MB/KT auf die berufliche Tätigkeit der versicherten Person ab, während sich der Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Sozialversicherung abstrakt an einer generellen Erwerbsfähigkeit orientiert, die nicht zu einem konkret ausgeübten Beruf in Beziehung steht, sondern die Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherten im gesamten Bereich des Arbeitslebens zum Ausgangspunkt nimmt (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Zu- dem legt sich das Gutachten Dr. R. für die hier entscheidende Frage, ob eine (nur) vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bestand, nicht fest. Stattdessen führt der Sachverständige aus, die beim Beklagten vorliegenden Störungen brauchten "nicht dauernder Natur zu sein"; die depressiven Phasen einer endogenen Depression verliefen schicksalhaft, ihre Beendigung sei zeitlich nicht voraussehbar. Schließlich hat sich das Berufungsgericht nicht damit befasst, dass die Aussage des Sachverständigen Dr. R , es habe beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeit - im Sinne des Sozialrechts - im Januar 2003 "und vier Monate zuvor" , d.h. im September 2002, vorgelegen, nicht in Einklang zu bringen ist mit dem zeitnah zum Monat September 2002 erstellten Gutachten Dr. W. vom 9. August 2002, demzufolge die Arbeitsunfähigkeit des Beklagten nach § 1 (3) MB/KT "ab sofort" als beendet zu betrachten war.
27
d) Hat aber eine Partei ein medizinisches Gutachten vorgelegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen eines anderen Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall den Streit der - privaten oder gerichtlichen - Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Vielmehr muss er Einwände, die sich aus einem privaten Gutachten gegen ein anderes Gutachten ergeben, ernst nehmen; er muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08 - VersR 2009, 975 Tz. 7; Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 250/06 - VersR 2008, 1676 Tz. 11; vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa).
28
e) Dies hat das Berufungsgericht versäumt. Es ist seiner tatrichterlichen Pflicht zur Überprüfung des Urteils der Vorinstanz nicht ausrei- chend nachgekommen; es hat dadurch verkannt, dass konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz begründet waren. In einem solchen Fall sind erneute Feststellungen des Berufungsgerichts i.S. von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwingend geboten (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05 - VersR 2009, 1213 Tz. 15 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte deshalb unter Verwertung des gesamten Prozessstoffes auch der ersten Instanz neue Feststellungen treffen und den Vortrag und die Beweisanträge der Klägerin vollständig zur Kenntnis nehmen und prozessordnungsgemäß bescheiden müssen.
29
4. Auch die Voraussetzungen einer von der Klägerin behaupteten Berufsunfähigkeit des Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verneint. Der Vortrag der Klägerin, ihre Leistungspflicht habe gemäß § 15 lit. b MB/KT (spätestens) zu den angegebenen Zeitpunkten geendet , kann zum einen Grundlage für einen Anspruch auf Rückgewähr erbrachter Leistungen sein (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1992 - IV ZR 339/90 - VersR 1992, 479 unter II 4 c). Zum anderen kann die Klägerin damit ihrer Darlegungs- und Beweislast für den Antrag auf Feststellung genügen, es habe ab dem 1. August 2007, hilfsweise ab dem 18. April 2008, weiter hilfsweise ab dem 1. Juni 2008 wegen Berufsunfähigkeit ein Anspruch des Beklagten auf Versicherungsleistungen nicht mehr bestanden.
30
a) Nach § 15 lit. b Satz 2 MB/KT liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Es geht nach dieser Begriffsbestimmung um einen Zustand (Erwerbsunfähigkeit ), dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann. Denn es lässt sich eine ins Gewicht fallende Besserung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nicht selten weder zuverlässig voraussagen noch ausschließen (Senatsurteil vom 26. Februar 1992 aaO unter II 4 b). Die erforderliche Prognose kann nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen gestellt werden; sie ist abhängig von individuellen Umständen, wie etwa dem Alter des Versicherten, der Art und Schwere seiner Erkrankung und den Anforderungen der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Ein bestimmter Zeitraum, für den die Prognose zu stellen ist, im Sinne einer festen zeitlichen Grenze - etwa von drei Jahren (so OLG Hamm VersR 1997, 1087; OLG Köln VersR 1995, 284; OLG Koblenz r+s 1993, 473) - für die Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" lässt sich dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht entnehmen; sie ist daher der Prognose auch nicht zugrunde zu legen (zutreffend Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 4. Aufl. § 15 MB/KT Rdn. 27 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 15 MB/KT 94 Rdn. 25; Ahlburg in Handbuch des Fachanwalts, Versicherungsrecht 3. Aufl. S. 1188 Rdn. 225).
31
b) Die Prognose ist - gegebenenfalls rückschauend - für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die "medizinischen Befunde" - d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse - heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist es gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben wurden ; auch müssen sie keine - ausdrückliche oder wenigstens stillschwei- gende - ärztliche Feststellung der Berufsunfähigkeit enthalten (zutreffend Schubach in Münchener Anwaltshandbuch, Versicherungsrecht 2. Aufl. § 23 Rdn. 362).
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Nur eine derartige Sichtweise entspricht dem auch insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des § 15 lit. b MB/KT, der aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nicht anders aufgefasst werden kann; für die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist deshalb kein Raum. Für den medizinischen Befund nach § 15 lit. b MB/KT, auf dessen Grundlage die Prognose einer Erwerbsunfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" erfolgt, können keine strengeren Anforderungen gelten, als für den medizinischen Befund i.S. von § 1 (3) MB/KT, da sich die Prognose "vorübergehend" und die Prognose "auf nicht absehbare Zeit" spiegelbildlich zueinander verhalten. Zudem ist in § 15 lit. b MB/KT - anders als in § 1 (2) MB/KT für die Arbeitsunfähigkeit - eine zusätzliche "ärztliche Feststellung" der Berufsunfähigkeit nicht vorgesehen. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dient - was sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wiederum ohne weiteres erschließt - einem bestimmten Zweck: Sie ist Voraussetzung für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 4 (7) MB/KT, die der Versicherungsnehmer dem Versicherer nach § 9 (1) MB/KT vorzulegen hat, nicht zuletzt um die Fälligkeit der Versicherungsleistung nach § 6 (1) MB/KT herbeizuführen; eine vergleichbare Konstellation findet sich für die den Leistungsbezug beendende bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit hingegen nicht (anders Tschersich in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 45 Rdn. 44 f).
33
c) Daneben gibt das Merkmal "nach medizinischem Befund" auch hier den Maßstab vor, nach dem eine bedingungsgemäße Berufsunfähig- keit beurteilt werden soll, d.h. objektiv durch Einholung eines neutralen (gerichtlichen) Sachverständigengutachtens unter Beiziehung aller verfügbaren medizinischen Unterlagen (Wilmes aaO Rdn. 27; Prölss aaO Rdn. 26). Der weitere Krankheitsverlauf, wie er sich für die Zeit nach dem behaupteten Ende der Leistungspflicht des Versicherers ergibt, kann grundsätzlich keine Berücksichtigung finden, da es dem Wesen einer - rückschauend auf ihre Richtigkeit überprüften - Prognoseentscheidung widerspräche, die Entwicklung nach dem entscheidenden Stichtag und damit einen späteren Erkenntnisstand in die Bewertung einzubeziehen ; der weitere Krankheitsverlauf kann deshalb auch nicht - wie dies zum Teil angenommen wird (vgl. OLG Zweibrücken VersR 1991, 292 f.; Prölss aaO m.w.N.) - als Indiz für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der zum maßgeblichen Zeitpunkt gestellten Prognose herangezogen werden.
34
d) Das Berufungsgericht hat bislang davon abgesehen, einen gerichtlichen Sachverständigen unter Beachtung der sich aus § 15 lit. b MB/KT ergebenden Vorgaben zur Klärung der Frage zu beauftragen, ob bei dem Beklagten zu den von der Klägerin behaupteten Zeitpunkten eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit gegeben war. Das wird nachzuholen sein.
Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch
Dr. Karczewski Lehmann

Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 23.10.2008 - 5 O 512/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2009 - I-4 U 215/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge
Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09 zitiert 5 §§.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2007 - IV ZR 46/06

bei uns veröffentlicht am 28.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 46/06 Verkündetam: 28.Februar2007 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Berufsunfähigk

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05

bei uns veröffentlicht am 13.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 211/05 Verkündetam: 13.Mai2009 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2012 - IV ZR 141/11

bei uns veröffentlicht am 20.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 141/11 Verkündet am: 20. Juni 2012 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Krankenta

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 29. Juni 2011 - 5 U 297/09 - 76

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Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14.05.2009 - Az: 14 O 413/08 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 20.976,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten üb

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 U 8/10 - 1

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.12.2009 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen 3. Die Kosten des Rechtsstreits bei

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 46/06 Verkündetam:
28.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) § 5
Der Versicherer kann sich nach Treu und Glauben nicht auf eine mit dem Versicherungsnehmer
geschlossene Vereinbarung berufen, durch die gegen befristete Leistungen
der für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt
hinausgeschoben wird, wenn es an einer Aufklärung des Versicherungsnehmers über
die damit für ihn verbundenen Nachteile fehlt (Fortführung des Senatsurteils vom
7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 46/06 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. Januar 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Klägerin Die macht Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend, die sie im Jahre 1995 mit der Beklagten abgeschlossen hat. Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen (im Folgenden: B-BUZ) entsprechen, soweit hier von Interesse , im Wesentlichen dem bei Prölss/Martin (VVG 27. Aufl. S. 1985 ff.) abgedruckten Text.
2
Im September 1999 stellte die Klägerin, eine Versicherungsfachwirtin , einen Leistungsantrag, der sich auf Zahlung der vereinbarten Monatsrente , Überschussbeteiligung sowie Beitragsfreistellung seit Juli 1999 richtete und mit chronischer Depression, Erschöpfung mit Angstzu- ständen, Schlafstörungen, Magen- und Darmproblemen, Kopfschmerzen und Migräne begründet wurde. Sie sei seit 28. Juni 1999 arbeitsunfähig und könne ihre berufliche Tätigkeit als Sachbearbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in einem Unternehmen mit dem Aufgabenbereich Altersversorgung von industriellen Führungskräften wegen ihrer Erkrankung nicht mehr wahrnehmen. Im Mai 2000 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde ab 30. Juli 2000 auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren und wolle etwa halbtags arbeiten. Zur Vermeidung einer langwierigen , aufwendigen Begutachtung der Klägerin schlug die Beklagte den Abschluss einer von ihr formulierten, "Außervertraglichen Vereinbarung" zum Versicherungsvertrag vor. Darin erklärte sie sich bereit, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Berufsunfähigkeitsrenten für die Zeit von Januar bis Juli 2000 als einmaligen Kapitalbetrag zu zahlen und in diesem Zeitraum auf Beitragszahlungen zu verzichten. Weiter heißt es u.a.: Die [Beklagte] einerseits und [die Klägerin] andererseits sind sich einig, dass damit ein Leistungsanerkenntnis der [Beklagten] nicht gegeben ist. … Sofern sich der Gesundheitszustand [der Klägerin] bis zum 01.08.2000 nicht bessern wird, kann [die Klägerin] jederzeit einen neuen Antrag auf weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung einreichen. Die [Beklagte] wird dann ihre Leistungsprüfung unverzüglich wieder aufnehmen.
3
Die Klägerin stimmte dieser Vereinbarung im Juni 2000 zu. Sie übte ihre ursprüngliche berufliche Tätigkeit ab dem 30. Juli 2000 im zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich aus; vom 1. Oktober 2000 an arbeitete sie in vollem Umfang, ab 1. Januar 2001 schränkte sie die Arbeit jedoch wieder auf eine Halbtagstätigkeit ein. Zum 30. September 2001 schied sie aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Klägerin beantragte im Anschluss an die erste Außervertragliche Vereinbarung eine Verlänge- rung des Leistungszeitraums und schloss mit der Beklagten entsprechende weitere Vereinbarungen zunächst für die Zeit bis Oktober 2000 und dann bis Dezember 2001.
4
Im September 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Beklagte nahm die Leistungsprüfung auf und erfuhr, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: BfA) eine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess plante und dazu ein Gutachten einholte. Um die Kosten und den Zeitaufwand für ein weiteres Gutachten zu sparen, kamen die Parteien überein, eine vierte Außervertragliche Vereinbarung nach dem Muster der drei vorhergehenden für die Zeit von Januar bis Juli 2002 zu schließen, die noch einmal für Juli und August 2002 verlängert wurde. In dieser letzten, fünften Vereinbarung finden sich u.a. noch folgende Sätze: Zwischen den betroffenen Parteien besteht außerdem Einigkeit darüber, dass die Leistungsprüfung bislang noch nicht abgeschlossen ist. Die [Beklagte] behält sich in diesem Zusammenhang sowohl die abschließende Prüfung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit als auch die Prüfung einer Verweisung vor. Hierzu sind jedoch noch weitere Informationen erforderlich. Nach Erhalt dieser wird sich die [Beklagte] bezüglich weitergehender Leistungen, über den 01.09.2002, äußern.
5
Mit Schreiben vom 8. August 2002 lehnte die Beklagte unter Berufung auf das von der BfA eingeholte Gutachten Leistungen ab, da es an einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit von mindestens 50% fehle; sie verzichtete auf die Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen, zog aber ab September 2002 wieder die fälligen Beiträge ein.
6
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die vertraglich zugesagten Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 1999, also vor Erhalt von Zahlungen aufgrund der mit der Beklagten geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen, sowie für die Zeit ab September 2002.
7
Das Landgericht hat die Beklagte wegen der für das Jahr 1999 begehrten Leistungen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden; auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch in Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Teils abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
I. Das Berufungsgericht nimmt an, die Klägerin habe nicht bewiesen , dass sie berufsunfähig sei. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen leide sie zwar phasenweise an einer Störung der Fähigkeit zur Anpassung an belastende Lebensereignisse. Das habe in den Jahren 1997 bis 2000 zu zahlreichen Beschwerden geführt , sich seither aber wesentlich gebessert. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin je infolge Krankheit außerstande gewesen sei, ihren zuletzt ausgeübten beruflichen Verpflichtungen nicht zu wenigstens etwas mehr als der Hälfte nachzukommen. Da ihre Erkrankung in einzelnen Episoden verlaufe, könne jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sie je "voraus- sichtlich dauernd" oder länger als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sei, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten.
10
Entgegen der Ansicht der Klägerin könne den Außervertraglichen Vereinbarungen der Parteien keine Bindungswirkung wie einem Anerkenntnis nach § 5 Abs. 1 B-BUZ mit der Folge beigemessen werden, dass die Beklagte zur Einstellung ihrer Rentenzahlungen erst aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 B-BUZ berechtigt gewesen wäre. Vielmehr müssten die hier aufgrund der Vertragsfreiheit abweichend von der Regelungssystematik der Bedingungen vereinbarten Außervertraglichen Vereinbarungen von einem einseitig nach § 5 Abs. 1 B-BUZ erteilten Leistungsanerkenntnis, dessen Befristung unzulässig sei, unterschieden werden. Bei streitigen Diagnosen oder eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen wie hier liege es im beiderseitigen Interesse, bis zu einer abschließenden Klärung zunächst nur zeitlich begrenzte, vorläufige Regelungen zu treffen. Solche Abreden könnten zwar im Einzelfall gegen § 138 BGB verstoßen; davon könne hier aber nicht die Rede sein. Darüber hinaus dürfe der Versicherer seine überlegene Sachund Rechtskenntnis wegen der existenziellen Bedeutung seiner Leistungen für den Versicherten und der für diesen schwer zu durchschauenden Systematik der Versicherungsbedingungen nicht zu dessen Nachteil nutzen , sondern müsse gemäß § 242 BGB lauter und vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten.
11
Diesen Anforderungen würden die ersten drei der hier geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen gerecht. Die Klägerin habe bis zum September 2001 Arbeitseinkünfte erzielt, sich bis zu diesem Zeitpunkt also nicht in einer wirtschaftlichen Notlage befunden. Aufgrund ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit sei sie versicherungstechnisch nicht unerfahren. Aus den Vereinbarungen sei klar zu erkennen, dass sich die Beklagte nur aus Kulanz zu zeitlich begrenzten Zahlungen verpflichtet habe. Zugleich habe es dem rechtlich nicht zu beanstandenden Sinn und Zweck der Außervertraglichen Vereinbarungen entsprochen, dass es für die Prüfung, ob Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vorliege, auf die Zeit nach Ablauf der Außervertraglichen Vereinbarungen, also auf den Beginn des Jahres 2002, habe ankommen sollen. Auf eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen Berufsunfähigkeit für die nach Antragstellung in Betracht kommenden wenigen Monate des Jahres 1999 habe die Klägerin verzichtet.
12
Erst als die Klägerin im September 2001 die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands mitgeteilt habe, hätte es der vertraglich gebotenen Rücksicht auf die Interessen der Klägerin entsprochen, von einer Fortsetzung der Außervertraglichen Vereinbarungen abzusehen. Nach rund zwei Jahren befristet gewährter Leistungen habe sich die Beklagte bewusst sein müssen, dass ungeachtet der von der BfA geplanten stufenweisen Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess mit einer alsbaldigen Besserung ihres Gesundheitszustands nicht zu rechnen sei. Außerdem habe die Klägerin nach Beendung ihres Arbeitsverhältnisses um ihren Lebensunterhalt besorgt sein müssen. Für ein weiteres Aufschieben der abschließenden Leistungsprüfung hätten daher nur noch die Interessen der Beklagten gesprochen. Deshalb könne sie sich auf die im Dezember 2001 und Juni 2002 geschlossenen letzten beiden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht berufen. Dennoch könne nicht von einem zeitlich unbegrenzten Anerkenntnis der Leistungspflicht durch die Beklagte ausgegangen werden.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
14
1. Allerdings ist der Anspruch der Klägerin nicht schon - wie die Revision meint - aus einem den Außervertraglichen Vereinbarungen zu entnehmenden Anerkenntnis begründet. Aus deren insoweit unmissverständlichem Wortlaut musste der Klägerin vielmehr deutlich werden, dass sich die Beklagte rechtlich hinsichtlich des Vorliegens von Berufsunfähigkeit gerade nicht binden wollte, und zwar auch nicht in Gestalt eines etwa unzulässig befristeten Anerkenntnisses (zu letzterem vgl. BGHZ 121, 284, 290; Senatsurteile vom 12. Juni 1996 - IV ZR 106/95 - VersR 1996, 958 unter 2 a; vom 12. November 2003 - IV ZR 173/02 - VersR 2004, 96 unter II 1 a). Dass die Klägerin gleichwohl die Zahlung der für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbarten Leistungen über einen Zeitraum von insgesamt mehr als zweieinhalb Jahren hinweg nur dahin habe verstehen können, dass die Beklagte auch ohne formelles Anerkenntnis tatsächlich von einer ihre vertragliche Leistungspflicht begründenden Berufsunfähigkeit der Klägerin ausgehe, lässt sich mit Wortlaut und Sinn der den Zahlungen jeweils zugrunde liegenden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht vereinbaren. Darin hat sich die Beklagte eine abschließende Leistungsprüfung immer wieder vorbehalten. Der Klägerin konnte danach nicht verborgen bleiben, dass sie Leistungen von der Beklagten nur erhielt, wenn es zum Abschluss der jeweils für bestimmte Zeitabschnitte geltenden, bezeichnenderweise ausdrücklich als "außervertraglich" charakterisierten Vereinbarungen kam. Sie wären überflüssig gewesen, wenn ihr schon nach dem Versicherungsvertrag ein Leistungsanspruch zugestanden hätte.
15
2. Dennoch ist dem Berufungsgericht nicht in seiner Beurteilung der Außervertraglichen Vereinbarungen zu folgen. Die Beklagte kann sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass es für die Prüfung des Eintritts von Berufsunfähigkeit auch nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten ersten drei der hier getroffenen Vereinbarungen auf den Zeitpunkt eines "neuen", nach Ablauf der jeweiligen Vereinbarung zu stellenden Antrags der Klägerin ankommen soll.
16
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es den Parteien einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf der Grundlage der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, die Leistungspflicht einvernehmlich zu regeln. Über insoweit bestehende Schranken des allgemeinen Zivilrechts hinaus ist der Versicherer aber wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Für diesen hat die Berufsunfähigkeitsversicherung häufig existenzielle Bedeutung. Die dem Versicherer geläufige Regelung der §§ 5-7 B-BUZ über die Erklärung eines Leistungsanerkenntnisses , dessen Reichweite und das Nachprüfungsverfahren ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nur schwer durchschaubar. Deshalb setzt eine beiderseits interessengerechte Vereinbarung über die Leistungspflicht ein lauteres und vertrauensvolles Zusammenwirken der Vertragspartner voraus, das auf Ergebnisse abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen (Senatsurteil vom 12. November 2003 aaO unter II 1 b). Ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist regelmäßig anzunehmen, wenn die nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch ins Gewicht fallend verschlechtert wird. Der Versicherer handelt u.a. dann objektiv treuwidrig, wenn er bei nahe liegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Ku- lanzleistung hinausschiebt und so das nach Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft. Vereinbarungen, die derartige Nachteile für den Versicherungsnehmer zur Folge haben, sind ohne Rechtsmissbrauch nur in engen Grenzen möglich: Sie setzen eine - aus verständiger Sicht - noch unklare Sach- und Rechtslage voraus. Sie erfordern vor ihrem Abschluss klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers darauf , wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt - unter II 1). Daran hält der Senat fest.
17
b) Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im September 1999 geltend gemacht, bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein, und Leistungen ab Juli 1999 verlangt. Vertragsgemäßem Vorgehen der Beklagten hätte es danach entsprochen, den Eintritt eines Versicherungsfalles zu dem von der Klägerin behaupteten Zeitpunkt zu prüfen und sich zu erklären, ob und von welchem Zeitpunkt an sie eine Leistungspflicht anerkenne (§ 5 Abs. 1 B-BUZ). Die von der Beklagten verwendeten Bedingungen sehen - abgesehen von einer hier nicht in Rede stehenden Verweisung (§ 5 Abs. 2 B-BUZ) - nur die Möglichkeit vor, Berufsunfähigkeit zu verneinen oder zu bejahen. Liegt Berufsunfähigkeit vor, hat der Versicherer seine Leistungspflicht anzuerkennen; davon kann er sich nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 B-BUZ) wieder lösen.
18
war Hier bei Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ungeklärt, ob Berufsunfähigkeit - wie von der Klägerin behauptet - eingetreten war. Der in den Bedingungen zugesagten Entscheidung dieser Frage hat sich die Beklagte durch den Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen entzogen, die sie zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse erst auf einen neuen Antrag und auf der Grundlage der dann gegebenen Sachlage verpflichteten. Die Beklagte hat sich damit eine Rechtsposition wie bei einer Leistungsablehnung verschafft. Der Klägerin war damit verwehrt, sich auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit schon zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt im September 1999 und den daraus folgenden Anspruch auf ein Anerkenntnis zu berufen, von dem sich die Beklagte erst bei Änderung der Gesundheitsverhältnisse - nach bis dahin fortbestehender Leistungspflicht - im Nachprüfungsverfahren hätte lösen können.
19
Die vereinbarte Verschiebung der Prüfung des Eintritts eines Versicherungsfalles auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der jeweils befristet geschlossenen Vereinbarungen stellt sich für die Klägerin - unabhängig von den ihr zwischenzeitlich zugute kommenden Kulanzleistungen der Beklagten - für den Fall als nachteilig dar, dass sie den Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 2 Abs. 1 oder 3 B-BUZ zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt hätte nachweisen können. Während es in einem solchen Fall nach den Bedingungen Sache der Beklagten gewesen wäre, ihre Leistungspflicht anzuerkennen mit der Folge, dass sie eine zum Wegfall der Berufsunfähigkeit führende Veränderung der für ihr Anerkenntnis maßgebenden Gesundheitsverhältnisse im Nachprüfungsverfahren hätte beweisen müssen, wurde der Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen das Risiko aufgebürdet, den vollen Beweis eines Eintritts des Versicherungsfalles für einen Zeitpunkt nach dem Ende der zugesagten Kulanzleistungen zu führen. Die mit den Außervertraglichen Vereinbarungen bezweckten Abweichungen von der Rechtslage nach den Versicherungsbedingungen bringen mithin für die Klägerin erhebliche Nachteile mit sich.

20
c) Diese werden im Wortlaut der Außervertraglichen Vereinbarungen nicht aufgedeckt oder auch nur angesprochen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin, mag sie auch über Kenntnisse und Erfahrungen im Versicherungsrecht verfügt haben, diese Auswirkungen durchschaut hätte oder sie ihr hinreichend erläutert worden wären. Im Gegenteil dürften Überlegungen in Richtung auf die weiteren Folgen der Außervertraglichen Vereinbarungen bei einem Fortbestehen der gesundheitlichen Störungen der Klägerin eher fern gelegen haben, weil die eingeleiteten Therapien sie zu der Hoffnung ermutigten, sie werde ihre psychischen Probleme und Ängste gänzlich bewältigen können.
21
Hinzu kommt, dass im Sommer 2000, nachdem die Klägerin schon etwa ein Jahr lang wegen ihrer Krankheit nicht hatte arbeiten können, ein Eingreifen der Vermutung des § 2 Abs. 3 B-BUZ für die Dauerhaftigkeit einer Berufsunfähigkeit der Klägerin nahe lag. Zwar mögen im Hinblick auf die Art der gesundheitlichen Störungen und die halbschichtige Wiederaufnahme der Berufstätigkeit ab August 2000 Zweifel bestanden haben , die eine Abklärung durch Einholung weiterer Gutachten erforderlich erscheinen lassen konnten. Die befristeten Zahlungen der Beklagten wiegen aber den Nachteil nicht auf, der sich aus der Verlagerung des für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitraums durch die Außervertraglichen Vereinbarungen für die Klägerin ergab. Denn sie trug das Risiko, dass aufgrund einer Besserung der aktuellen Krankheitssymptome eine Berufsunfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar war, obwohl die Ursachen ihrer Erkrankung unverändert fortbestanden und daher mit einem erneuten Auftreten der Symptome gerechnet werden musste.
22
d) Mithin kann sich die Beklagte hier nach Treu und Glauben auf die Außervertraglichen Vereinbarungen insoweit nicht darauf berufen, als bei Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit die Gesundheitsverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt eines neuen Antrags maßgebend sein sollen. Ebenso wenig kann von einem Verzicht der Klägerin auf Leistungen für das Jahr 1999 ausgegangen werden. Die mit Hilfe schon der ersten Außervertraglichen Vereinbarungen mittelbar erstrebte Erledigung des Leistungsantrags der Klägerin vom September 1999 entsprach in ihrem Ergebnis nicht den Tatsachen und der Rechtslage, wie sie sich bei lauterer, die Interessen der kranken Versicherungsnehmerin nicht vernachlässigender Betrachtung darstellten. Nichts anderes gilt für die nachfolgenden Vereinbarungen, von denen das Berufungsgericht die letzten beiden mit Recht auch aus weiteren Gründen beanstandet hat. Vielmehr bleibt der Leistungsanspruch der Klägerin nach den in der Zeit ihrer ersten Antragstellung maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das ändert nichts daran, dass sie die von der Beklagten auf der Grundlage der Außervertraglichen Vereinbarungen geleisteten Zahlungen behalten darf.
23
3. Das Berufungsgericht hat ungeachtet seiner Auffassung, wegen der Wirksamkeit der drei ersten Außervertraglichen Vereinbarungen komme es für die Prüfung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auf die Zeit vor dem Jahre 2002 nicht mehr an, auch im Hinblick auf die Zeit der Antragstellung im Jahr 1999 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit geprüft. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin überhaupt infolge Krankheit außerstande war, ihren Beruf mehr als halbschichtig auszuüben; davon ist im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin auszugehen. Das Berufungsgericht ist aber zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht feststellen , dass die Klägerin "je" voraussichtlich dauernd oder mehr als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen wäre, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit auf den gerichtlichen Sachverständigen, der schon in seinem ersten Gutachten vom 13. November 2003 darauf hingewiesen habe , dass die psychische Erkrankung der Klägerin in einzelnen Episoden verlaufe und die Klägerin "phasenweise" "bis zu" 50% berufsunfähig gewesen sei. Diese Einschätzung habe der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, dahin erläutert , dass die Klägerin bei einem "gesunden Mix" ihrer Aufgaben an jedem Tag die Hälfte der Arbeitszeit habe bewältigen können.
24
Diese a) Feststellungen des Berufungsgerichts werden von den schriftlichen Gutachten und den in den Gerichtsprotokollen festgehaltenen mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen nicht getragen. Die Revision rügt mit Recht, dass in dem ersten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen an der vom Berufungsgericht zitierten Stelle nicht etwa zu lesen ist, die Klägerin sei in der Zeit von 1997 bis ca. 2002 phasenweise bis zu 50% "berufsunfähig" gewesen, sondern vielmehr, sie sei auch während des akuten Beschwerdebildes ihrer Erkrankung sicherlich phasenweise bis zu 50% "berufstätig" gewesen. Es kann sich insoweit auch nicht um einen Schreibfehler handeln, wie die Beklagte meint. Denn der Sachverständige hat seine Einschätzung, die Klägerin sei in dem genannten Zeitraum durchschnittlich zu 50% berufsunfähig gewesen, in seinen beiden schriftlichen Ergänzungsgutachten bestätigt. Vor dem Landgericht hat er bekundet, jedenfalls bis zum Jahre 2000 sei eine Besserung der "Berufsfähigkeit" über 50% hinaus nicht anzunehmen. Deshalb ist das Landgericht in seinem Urteil von einer Berufsunfähigkeit zu wenigstens 50% in der Zeit von Mitte 1997 bis höchstens Ende 2000 ausgegangen, die sich erst danach auf 30% reduziert habe. Auch in sei- ner Anhörung vor dem Berufungsgericht hat der Sachverständige angegeben , nach seiner Einschätzung sei die Klägerin in der Zeit von Mitte /Ende 1997 bis 2000 zu 50% berufsunfähig gewesen, aber im Zeitpunkt seiner Untersuchung im Jahre 2003 nur noch zu allenfalls 20%. Soweit der Sachverständige von einer "phasenweise auftretenden Anpassungsstörung" ausgegangen ist, hat er dies dahin erläutert, es könne sich um wenige Tage bis maximal mehrere Monate handeln. Auch wenn er die Klägerin bereits in den Jahren 1997/1998 untersucht hätte, würde er eine relativ günstige Prognose gestellt haben, nämlich dass sie nach einem halben Jahr oder längstens 9 Monaten wieder vollschichtig in ihrem Beruf würde arbeiten können. Bei dieser Prognose setzte der Sachverständige allerdings voraus, dass sich die Klägerin auf die von ihm für Erfolg versprechend gehaltene Art der Therapie eingelassen und in dieser Zeit lebenswichtige Entscheidungen (wie etwa die Heirat im Jahre 1998) vermieden hätte.
25
Danach b) ist bisher nicht festzustellen, dass die Klägerin - abweichend von den Feststellungen des Landgerichts - seit der krankheitsbedingten Einstellung ihrer Berufstätigkeit ab 28. Juni 1999 etwa nicht ununterbrochen zumindest sechs Monate lang zu wenigstens 50% berufsunfähig gewesen sei, und zwar ohne dass dieser Zustand Ende 1999 schon beendet gewesen wäre. Er dauerte vielmehr trotz längerer Behandlungen der Klägerin im Jahr 2000 an. Auch die halbschichtige Tätigkeit , die die Klägerin ab August 2000 aufgenommen hat, belegt nicht, dass sie etwa zu mehr als 50% berufsfähig und damit nicht mehr zu mindestens 50% berufsunfähig gewesen wäre. Dass sich gleichwohl für eine fernere Zukunft, d.h. eine Zeit, die über den Zeitraum einer sechs Monate ununterbrochen bestehenden und danach für absehbare Zeit weiter fortdauernden Berufsunfähigkeit hinausgeht, möglicherweise eine güns- tige Prognose hätte ergeben können, wie sie der gerichtliche Sachverständige annimmt, steht der Annahme von Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 3 B-BUZ nicht entgegen. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Sachverständiger wie hier nachträglich die Meinung vertritt, die bisherigen Behandlungsansätze hätten die Auslösesituation verkannt und deshalb ihr Ziel verfehlt; mit anderer Therapie hätte es schon gar nicht zu einer mehr als sechs Monate dauernden Berufsunfähigkeit in der Zeit ab Juli 1999 kommen müssen. Die Fiktion des § 2 Abs. 3 B-BUZ soll den Versicherungsnehmer gerade vor Nachteilen schützen, die daraus entstehen , dass sich die für § 2 Abs. 1 B-BUZ erforderliche Prognose einer voraussichtlichen Dauerhaftigkeit in angemessener Zeit nach Antragstellung noch nicht stellen lässt; deshalb hat der Versicherer mit § 2 Abs. 3 B-BUZ zugesagt, dass von einer ungünstigen Prognose schon dann auszugehen ist, wenn lediglich feststeht, dass die versicherte Person seit sechs Monaten gesundheitsbedingt ganz oder teilweise außerstande ist, die in § 2 Abs. 1 umschriebenen Tätigkeiten auszuüben, und dieser Zustand andauert (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 - IVa ZR 74/88 - VersR 1989, 903 unter 3 c; vom 11. Oktober 2006 - IV ZR 66/05 - r+s 2007, 31 unter II 1 b).
26
Die Revisionserwiderung meint, aus den Hinweisen des Sachverständigen auf das nur "phasenweise" Auftreten der Anpassungsstörung und den daraus "durchschnittlich" abzuleitenden Grad der Berufsunfähigkeit von 50% sei zu entnehmen, dass die Beeinträchtigung der Klägerin nie ununterbrochen bestanden habe. Dem steht jedoch entgegen, dass der Sachverständige vor dem Berufungsgericht bekundet hat, wenn er von "Phasen" spreche, könne es sich auch um Zeiträume von maximal mehreren Monaten handeln. Selbst wenn es nur um kurzfristige Phasen von jeweils wenigen Tagen gegangen sein sollte, können solche krank- heitsbedingten Beeinträchtigungen, insbesondere wenn sie häufiger und unvorhersehbar auftreten, die Berufsfähigkeit mangels Verlässlichkeit dauerhaft in Frage stellen.
27
c) Da das Berufungsgericht eigene Sachkunde nicht darlegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - NJW 1995, 1619 unter II), kann sein Urteil nicht bestehen bleiben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
28
4. Sollte sich das Berufungsgericht dabei hinsichtlich der schon im Jahre 1999 bestehenden gesundheitlichen Störungen nicht mehr die für den Beweis der Berufsunfähigkeit erforderliche Gewissheit verschaffen können, ist in Betracht zu ziehen, ob dies auf Beweisschwierigkeiten beruht , zu denen es nicht gekommen wäre, wenn die Beklagte nicht wegen des Aufwands und der Kosten von der ihr bereits nach Antragstellung bedingungsgemäß obliegende Aufklärung (§ 4 Abs. 2 B-BUZ) abgesehen und die Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen davon abgehalten hätte, den erhobenen Anspruch zu einem früheren Zeitpunkt gerichtlich geltend zu machen. Ist der Klägerin dadurch der Beweis der Berufsunfähigkeit unmöglich gemacht oder erschwert worden, kann dies zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05 - NJW 2006, 434 unter II 1 b bb; vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 - NJW 2004, 222 unter II 1 a, jeweils m.w.N.).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.12.2004 - 12 O 47/03 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 25.01.2006 - 5 U 28/05-3 -

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 211/05 Verkündetam:
13.Mai2009
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom
13. Mai 2009

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 14. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Invaliditätsleistungen aus zwei Unfallversicherungsverträgen sowie Genesungsgeld aus dem einen Vertrag. Die Beklagte fordert mit der Widerklage die Rückzahlung von Vorschüssen auf die Invaliditätsleistung.
2
Die Klägerin erlitt am 3. April 1998 bei einem Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion. Beim Halt an einer Ampel war ein LKW auf ihr Fahrzeug aufgefahren. Wegen Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich suchte sie einen Arzt auf, erhielt eine Schanz'sche Krawatte verordnet und wurde in der Zeit vom 7. bis 10. April 1998 stationär behandelt.
3
Im Unfallzeitpunkt bestand zwischen den Parteien ein Vertrag über eine Unfallversicherung nach Maßgabe der Allgemeinen Unfallversicherungs -Bedingungen 1988 (AUB 88), der bei Vollinvalidität eine Leistung von 300.000 DM vorsah. Außerdem war sie Versicherte in einer Gruppenunfallversicherung , die die Beklagte als ihr Arbeitgeber abgeschlossen hatte und der die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen 1961 (AUB 61) zugrunde lagen. Danach bestand bei Vollinvalidität ein Anspruch in Höhe von 110.000 DM.
4
Beklagte Die holte zunächst ein Gutachten des Privatdozenten Dr. N. über den Gesundheitszustand der Klägerin ein, das dieser nach Untersuchung vom 18. August 1999 am 8. Dezember 1999 erstattete. In seinem ressortübergreifenden Zusammenhangsgutachten kam er zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Invalidität von insgesamt 70% vorliege, wobei ein Anteil von 3/7 auf unfallunabhängigen Ursachen beruhe und die Klägerin demgemäß aufgrund reiner Unfallfolgen zu 40% in ihrer normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei. Er empfahl eine abschließende Nachuntersuchung in etwa einem Jahr. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 teilte die Beklagte dem Rechtsanwalt der Klägerin unter Übersendung des Gutachtens mit, aufgrund reiner Unfallfolgen bestehe derzeit eine Invalidität von 40%. Da ein Endzustand noch nicht erreicht sei, werde sie im Dezember 2000 nochmals eine Nachuntersuchung veranlassen. Sie rechnete dann bei beiden Verträgen das Unfallkrankenhaustagegeld ab und zahlte vorbehaltlich einer abschließenden Festsetzung unter Vorbehalt der Rückforderung auf die zu erwartende Invalidität aus dem Einzelvertrag einen Vorschuss in Höhe von 40.000 DM und aus der Gruppenunfallversicherung von 30.000 DM.
5
Am 20. November 2000 beauftragte die Beklagte Dr. N. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens, das dieser nach Untersuchung der Klägerin am 10. Januar 2001 wiederum als ressortübergreifendes Zusammenhangsgutachten am 27. Juni 2001 vorlegte. Darin gelangt er zu einer unfallbedingten Beeinträchtigung der normalen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und der Arbeitsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte von 100%, wobei die Beeinträchtigung zu 30% durch psychische Reaktionen bedingt sei. Er nimmt eine dauernde Beeinträchtigung der Augen durch Doppelbilder und Verschwommensehen mit einem Invaliditätsgrad von 20% an, ferner eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der HWS mit 20%, Gleichgewichtsstörungen und beidseitigem Tinnitus mit 40%, stärker behindernde psychoreaktive Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit 30% und Sensibilitätsstörungen im Bereich des Gesichts und der rechten Körperhälfte mit 10%. Eine weitere Verbesserung oder Verschlechterung dieses Krankheitszustandes sei nicht zu erwarten.
6
Mit Schreiben vom 8. August 2001 lehnte die Beklagte unter Berufung auf ein Gutachten von Dr. S. vom Institut für ärztliche Begutachtung jegliche Invaliditätsentschädigung ab, weil das Gutachten von Dr. N. fehlerhaft und nicht nachvollziehbar sei. Für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung behielt sie sich die Rückforderung der Vorschussleistungen vor.
7
Mit der im Oktober 2001 eingereichten Klage macht die Klägerin weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 330.000 DM (168.726,32 €) sowie Genesungsgeld in Höhe von 1.100 DM (562,42 €) geltend. Sie geht von einem Invaliditätsgrad von 100% aus und beruft sich dafür auf die Neubemessung in dem Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001, insbesondere auf dessen Feststellungen zu den dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Beklagte bestreitet den Eintritt unfallbedingter Invalidität. Mit der Widerklage verlangt sie Vorschüsse auf die Invaliditätsleistungen in Höhe von 34.030,04 € zurück.
8
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin (ohne Beweisaufnahme ) zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche und die Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10
I. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass der Beweisbeschluss des Landgerichts vom 18. Dezember 2001 fehlerhaft war, weil dem Sachverständigen unrichtige Vorgaben gemacht worden waren. Es habe dem Sachverständigen nicht vorgegeben, seine Beurteilung der Invalidität auf den Schluss des dritten Jahres nach dem Unfall auszurichten. Das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis werde dadurch aber nicht verfälscht. Er habe sich mit einer Vielzahl von innerhalb des Dreijahreszeitraums erhobenen Befunden und insbesondere auch mit dem Privatgutachten Dr. N. auseinandergesetzt. Dabei habe er bei der Klägerin aufgrund des Unfallereignisses auf nervenärztlichem Gebiet keine Unfallfolgen feststellen können. Es sei zu keiner Schädigung nervaler Strukturen gekommen. Die Veränderungen an der Halswirbelsäule der Klägerin seien degenerativ bedingt. Der Senat gebe dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Nu. den Vorzug vor dem Gutachten des Privatsachverständigen Dr. N. , weil Letztgenannter von Beschwerden und Symptomkomplexen ausgegangen sei und sodann versucht habe , unfallbedingte Ursachen ausfindig zu machen, während Dr. Nu. geprüft habe, ob Primärschädigungen vorlägen und was an Folgen der Primärverletzungen überhaupt ernsthaft in Betracht komme.
11
Zwar habe das Landgericht dem Sachverständigen auch nicht das Beweismaß des § 287 ZPO für die Beurteilung des Umfangs des eingetretenen Schadens vorgegeben. Gleichwohl habe sich auch dieser Fehler nicht ausgewirkt, nachdem der Sachverständige das Vorliegen von Unfallfolgen definitiv ausgeschlossen habe. Deshalb habe sich die Frage, ob im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen würde, nicht gestellt. Angesichts der eindeutigen Feststellungen schließe der Senat aus, dass der Sachverständige zu einem anderem Ergebnis gelangt wäre, wenn ihm, wie dargestellt, das Beweismaß des § 287 ZPO vorgegeben worden wäre.
12
Dagegen habe das Landgericht zu Recht die Beweisaufnahme nicht auf die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Gebiet erstreckt. Schon nach dem Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001 liege insoweit eine psychoreaktive Störung vor, wel- che gemäß § 2 Abs. 4 AUB 88 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werde.
13
Ein Anspruch auf Genesungsgeld sei im gewählten Tarif nicht vereinbart.
14
II. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsurteil auf verfahrensfehlerhaften Feststellungen und einer teilweise unzutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage beruht.
15
Das 1. Berufungsgericht ist insbesondere seiner tatrichterlichen Pflicht zur Überprüfung des Urteils der Vorinstanz nicht nachgekommen. Es hätte unter Verwertung des gesamten Prozessstoffs auch der ersten Instanz neue Feststellungen treffen und den Vortrag und die Beweisanträge der Parteien zur Kenntnis nehmen und prozessordnungsgemäß bescheiden müssen. Dies war deshalb geboten, weil nicht nur konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz begründet waren, sondern weil das Urteil des Landgerichts wegen schwerwiegender Fehler keine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstellt. In einem solchen Fall sind erneute Feststellungen des Berufungsgerichts i.S. von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erst recht zwingend geboten (vgl. BGHZ 158, 269, 277 f.; BVerfG NJW 2003, 2524).
16
2. Nach dem Beschluss des Landgerichts vom 18. Dezember 2001 war durch Einholung eines medizinischen Gutachtens Beweis zu erheben über die bestrittene Behauptung der Klagepartei, sie sei aufgrund der medizinischen Folgen aus dem Unfall vom 3. April 1998 ohne Berück- sichtigung der psychischen bzw. psychiatrischen Folgen zu 100% arbeits - bzw. berufs- bzw. erwerbsunfähig, die Beklagte werde zum Gegenbeweis zugelassen.
17
a) Das Landgericht hat schon nicht beachtet, dass nach dem unstreitigen Parteivortrag den Verträgen unterschiedliche Bedingungen zugrunde liegen. Es hat damit die Feststellung des Vertragsinhalts als grundlegender Voraussetzung für eine sachgerechte Behandlung und Entscheidung des Rechtsstreits versäumt. § 8 II (1) Satz 1 AUB 61 definiert Invalidität als dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, § 7 I (1) Satz 1 AUB 88 als dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Auf diese unterschiedliche Definition mag es im Ergebnis häufig nicht ankommen. Erhebliche Unterschiede bestehen jedoch, soweit es um Risikoausschlüsse für Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung und für Folgen psychischer und nervöser Störungen im Anschluss an einen Unfall (§ 2 (3) b und § 10 (5) AUB 61) und krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, gleichgültig, wodurch diese verursacht sind (§ 2 IV AUB 88), geht. Der Ausschluss des § 2 IV AUB 88 geht erheblich über den der AUB 61 hinaus (Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 AUB 94 Rdn. 41; vgl. zu den jeweiligen Risikoausschlüssen Senatsurteile vom 29. September 2004 - IV ZR 233/03 - VersR 2004, 1449 unter 2 a m.w.N.; BGHZ 159, 360, 363 ff.; vom 27. September 1995 - IV ZR 283/94 - VersR 1995, 1433 unter 3 und 4 und vom 19. April 1972 - IV ZR 50/71 - VersR 1972, 582 unter II). Das Berufungsgericht hat ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen, dass der Gruppenversicherung die AUB 61 zugrunde liegen. Das Landgericht hat im Übrigen ebenso wie das Berufungsgericht nicht gesehen, dass psychische Leiden, die auf einer organischen Schädigung oder Reaktion beruhen , nach der Rechtsprechung des Senats weder nach den AUB 88 noch nach den AUB 61 unter den Ausschlusstatbestand fallen. Es war deshalb verfehlt, "psychische bzw. psychiatrische" Unfallfolgen von der Beweiserhebung auszunehmen, zumal die Beweislast für den Risikoausschluss nach der zitierten Rechtsprechung des Senats und allgemeiner Auffassung der Versicherer trägt. Es erscheint im Übrigen widersprüchlich , dass sich das Berufungsgericht für das Vorliegen einer "psychoreaktiven Störung" auf das Gutachten Dr. N. beruft, dem es zuvor die Überzeugungskraft unter Hinweis auf das gerichtliche Gutachten Dr. Nu. abgesprochen hat, und sich zudem nicht damit auseinandersetzt , dass Dr. Nu. den Ausführungen von Dr. N. zu psychischen , neuropsychologischen und psychoreaktiven Störungen nicht beizupflichten vermochte (Gutachten S. 173, GA I 216).
18
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass für die Beurteilung der Invalidität das Ende des dritten Jahres nach dem Unfall maßgeblich ist. Nach beiden hier einschlägigen Bedingungswerken kommt es auf den zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren Dauerzustand an, wenn eine Erstfeststellung stattgefunden hat und die Neubemessung bedingungsgemäß möglich ist (Senatsbeschluss vom 16. Januar 2008 - IV ZR 271/06 - VersR 2008, 527 f.; Senatsurteile vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03 - VersR 2005, 927 unter II 1 und vom 16. Juli 2003 - IV ZR 310/02 - VersR 2003, 1165 unter B I 1 b). Das Schreiben der Beklagten vom 20. Dezember 1999 ist als eine Erstfeststellung der Invalidität dem Grunde nach mit der Folge einer Vorschusszahlung nach §§ 11 Satz 1, 13 (2) Satz 1 AUB 61, § 11 III AUB 88 anzusehen mit der Erklärung des Vorbehalts der Neubemessung nach einem Jahr.
19
Das c) Berufungsgericht hat auch richtig gesehen, dass für den Beweis der Kausalität zwischen dem (nach § 286 ZPO zu beweisenden) unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden und der (ebenfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden) Invalidität der Maßstab des § 287 ZPO gilt (BGHZ 159, 360, 368 f.; Senatsurteil vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - VersR 2001, 1547 unter II 1 und 2 a). Darauf hätte das Landgericht den Sachverständigen hinweisen müssen. Das Verkennen des Beweismaßes führt zur Unvollständigkeit des Gutachtens und damit zu Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen der Vorinstanz (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - VersR 2004, 1477 unter II 2 a und b). Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen ist nach der gesetzlichen Neuregelung eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten (BVerfG NJW 2003, 2524). Es war rechtsfehlerhaft, die gebotene Beweisaufnahme mit der eigene Sachkunde nicht ausweisenden Leerformel zu unterlassen, der Senat schließe aus, dass der Sachverständige zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn ihm, wie dargestellt, das Beweismaß des § 287 ZPO vorgegeben worden wäre.
20
d) Erneute Feststellungen des Berufungsgerichts waren auch deshalb geboten, weil das Landgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die mehrfachen Anträge der Klägerin auf Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen ignoriert hat. Einem solchen Antrag ist auch dann stattzugeben, wenn das Gericht selbst keinen Erläuterungsbedarf sieht und nicht erwartet, dass der Gutachter seine Auffassung ändert (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - VersR 2005, 1555 unter 2 a m.w.N. und Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6; BVerfG NJW 1998, 2273 f.). Da das Berufungsgericht , wie erwähnt, bei seinen erneuten Feststellungen auch den ge- samten Prozessstoff der ersten Instanz zu berücksichtigen hat, muss es den Sachverständigen auch ohne dahingehende Rüge laden, wenn es seine Entscheidung auf das Gutachten dieses Sachverständigen stützen will und die Partei nach einem Hinweis darauf nicht ausdrücklich auf die Ladung verzichtet (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - VersR 2008, 479 Tz. 15; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 aaO; BGHZ 158, 269, 278 ff.).
21
e) Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts ergeben sich auch aus der widersprüchlichen Beweiswürdigung. Es meint einerseits, unfallbedingte Verletzungen seien nicht feststellbar und nicht nachgewiesen. Damit wird verkannt, wie das Landgericht an anderer Stelle selbst sieht, dass das Unfallereignis und eine dadurch eingetretene Gesundheitsschädigung, die HWS-Distorsion jedenfalls nach dem Grad ACIR I, unstreitig sind. Es bleibt auch offen, ob das Landgericht die von der Klägerin behaupteten dauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen , wie sie im Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001 festgestellt sind, für unstreitig, bewiesen oder nicht bewiesen hält. Das Berufungsgericht hält dies ebenso wie die von Dr. N. geprüfte Frage der Unfallbedingtheit der festgestellten Dauerfolgen für unerheblich , weil es den von den Primärschädigungen ausgehenden Ansatz des Gerichtssachverständigen für vorzugswürdig hält und mangels entsprechender Primärverletzungen unfallbedingte Dauerschäden ausschließt. Es ist nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht über die erforderliche Sachkunde verfügt zu beurteilen, ob der methodische Ansatz des Gerichtssachverständigen oder des von der Beklagten zunächst zugezogenen Sachverständigen Dr. N. richtig ist. Das Berufungsurteil enthält auch im Übrigen keine den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügende Auseinandersetzung mit dem Gutachten Dr. N. (vgl. zu diesen Anforderungen Senatsurteile vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - VersR 2008, 479 Tz. 17, 18 und vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b; BGH, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79 - VersR 1981, 576 unter II 1 b). Weiter wird darauf hingewiesen, dass das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Januar 2003 vorgelegte, für das Sozialgericht erstattete Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. bisher nicht zur Kenntnis genommen und auch vom Gerichtssachverständigen nicht berücksichtigt worden ist. Dr. S. geht von wesentlich schwereren (primären) Unfallverletzungen und unfallbedingten Dauerschäden aus. Zu den vom Gerichtssachverständigen angesprochenen fehlenden technischen Erkenntnissen zum Unfallhergang ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ein Schadensgutachten über ihr Fahrzeug zu den Akten gegeben hat. Zur so genannten Harmlosigkeitsgrenze bei HWS-Verletzungen wird auf das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2003 hingewiesen (VI ZR 139/02 - NJW 2003, 1116 ff.).
22
Soweit 3. das Berufungsgericht einen Anspruch auf Genesungsgeld ablehnt, hat es nicht zur Kenntnis genommen, dass sich ein solcher Anspruch aus Ziff. 2 der Besonderen Bedingungen für Mehrleistung bei einem Invaliditätsgrad ab 90% in der Gruppenunfallversicherung ergeben kann.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.10.2004 - 28 O 18942/01 -
OLG München, Entscheidung vom 12.08.2005 - 25 U 5545/04 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.