Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05

bei uns veröffentlicht am13.05.2009
vorgehend
Landgericht München I, 28 O 18942/01, 26.10.2004
Oberlandesgericht München, 25 U 5545/04, 12.08.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 211/05 Verkündetam:
13.Mai2009
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom
13. Mai 2009

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 14. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Invaliditätsleistungen aus zwei Unfallversicherungsverträgen sowie Genesungsgeld aus dem einen Vertrag. Die Beklagte fordert mit der Widerklage die Rückzahlung von Vorschüssen auf die Invaliditätsleistung.
2
Die Klägerin erlitt am 3. April 1998 bei einem Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion. Beim Halt an einer Ampel war ein LKW auf ihr Fahrzeug aufgefahren. Wegen Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich suchte sie einen Arzt auf, erhielt eine Schanz'sche Krawatte verordnet und wurde in der Zeit vom 7. bis 10. April 1998 stationär behandelt.
3
Im Unfallzeitpunkt bestand zwischen den Parteien ein Vertrag über eine Unfallversicherung nach Maßgabe der Allgemeinen Unfallversicherungs -Bedingungen 1988 (AUB 88), der bei Vollinvalidität eine Leistung von 300.000 DM vorsah. Außerdem war sie Versicherte in einer Gruppenunfallversicherung , die die Beklagte als ihr Arbeitgeber abgeschlossen hatte und der die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen 1961 (AUB 61) zugrunde lagen. Danach bestand bei Vollinvalidität ein Anspruch in Höhe von 110.000 DM.
4
Beklagte Die holte zunächst ein Gutachten des Privatdozenten Dr. N. über den Gesundheitszustand der Klägerin ein, das dieser nach Untersuchung vom 18. August 1999 am 8. Dezember 1999 erstattete. In seinem ressortübergreifenden Zusammenhangsgutachten kam er zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Invalidität von insgesamt 70% vorliege, wobei ein Anteil von 3/7 auf unfallunabhängigen Ursachen beruhe und die Klägerin demgemäß aufgrund reiner Unfallfolgen zu 40% in ihrer normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei. Er empfahl eine abschließende Nachuntersuchung in etwa einem Jahr. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 teilte die Beklagte dem Rechtsanwalt der Klägerin unter Übersendung des Gutachtens mit, aufgrund reiner Unfallfolgen bestehe derzeit eine Invalidität von 40%. Da ein Endzustand noch nicht erreicht sei, werde sie im Dezember 2000 nochmals eine Nachuntersuchung veranlassen. Sie rechnete dann bei beiden Verträgen das Unfallkrankenhaustagegeld ab und zahlte vorbehaltlich einer abschließenden Festsetzung unter Vorbehalt der Rückforderung auf die zu erwartende Invalidität aus dem Einzelvertrag einen Vorschuss in Höhe von 40.000 DM und aus der Gruppenunfallversicherung von 30.000 DM.
5
Am 20. November 2000 beauftragte die Beklagte Dr. N. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens, das dieser nach Untersuchung der Klägerin am 10. Januar 2001 wiederum als ressortübergreifendes Zusammenhangsgutachten am 27. Juni 2001 vorlegte. Darin gelangt er zu einer unfallbedingten Beeinträchtigung der normalen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und der Arbeitsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte von 100%, wobei die Beeinträchtigung zu 30% durch psychische Reaktionen bedingt sei. Er nimmt eine dauernde Beeinträchtigung der Augen durch Doppelbilder und Verschwommensehen mit einem Invaliditätsgrad von 20% an, ferner eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der HWS mit 20%, Gleichgewichtsstörungen und beidseitigem Tinnitus mit 40%, stärker behindernde psychoreaktive Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit 30% und Sensibilitätsstörungen im Bereich des Gesichts und der rechten Körperhälfte mit 10%. Eine weitere Verbesserung oder Verschlechterung dieses Krankheitszustandes sei nicht zu erwarten.
6
Mit Schreiben vom 8. August 2001 lehnte die Beklagte unter Berufung auf ein Gutachten von Dr. S. vom Institut für ärztliche Begutachtung jegliche Invaliditätsentschädigung ab, weil das Gutachten von Dr. N. fehlerhaft und nicht nachvollziehbar sei. Für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung behielt sie sich die Rückforderung der Vorschussleistungen vor.
7
Mit der im Oktober 2001 eingereichten Klage macht die Klägerin weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 330.000 DM (168.726,32 €) sowie Genesungsgeld in Höhe von 1.100 DM (562,42 €) geltend. Sie geht von einem Invaliditätsgrad von 100% aus und beruft sich dafür auf die Neubemessung in dem Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001, insbesondere auf dessen Feststellungen zu den dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Beklagte bestreitet den Eintritt unfallbedingter Invalidität. Mit der Widerklage verlangt sie Vorschüsse auf die Invaliditätsleistungen in Höhe von 34.030,04 € zurück.
8
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin (ohne Beweisaufnahme ) zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche und die Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10
I. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass der Beweisbeschluss des Landgerichts vom 18. Dezember 2001 fehlerhaft war, weil dem Sachverständigen unrichtige Vorgaben gemacht worden waren. Es habe dem Sachverständigen nicht vorgegeben, seine Beurteilung der Invalidität auf den Schluss des dritten Jahres nach dem Unfall auszurichten. Das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis werde dadurch aber nicht verfälscht. Er habe sich mit einer Vielzahl von innerhalb des Dreijahreszeitraums erhobenen Befunden und insbesondere auch mit dem Privatgutachten Dr. N. auseinandergesetzt. Dabei habe er bei der Klägerin aufgrund des Unfallereignisses auf nervenärztlichem Gebiet keine Unfallfolgen feststellen können. Es sei zu keiner Schädigung nervaler Strukturen gekommen. Die Veränderungen an der Halswirbelsäule der Klägerin seien degenerativ bedingt. Der Senat gebe dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Nu. den Vorzug vor dem Gutachten des Privatsachverständigen Dr. N. , weil Letztgenannter von Beschwerden und Symptomkomplexen ausgegangen sei und sodann versucht habe , unfallbedingte Ursachen ausfindig zu machen, während Dr. Nu. geprüft habe, ob Primärschädigungen vorlägen und was an Folgen der Primärverletzungen überhaupt ernsthaft in Betracht komme.
11
Zwar habe das Landgericht dem Sachverständigen auch nicht das Beweismaß des § 287 ZPO für die Beurteilung des Umfangs des eingetretenen Schadens vorgegeben. Gleichwohl habe sich auch dieser Fehler nicht ausgewirkt, nachdem der Sachverständige das Vorliegen von Unfallfolgen definitiv ausgeschlossen habe. Deshalb habe sich die Frage, ob im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen würde, nicht gestellt. Angesichts der eindeutigen Feststellungen schließe der Senat aus, dass der Sachverständige zu einem anderem Ergebnis gelangt wäre, wenn ihm, wie dargestellt, das Beweismaß des § 287 ZPO vorgegeben worden wäre.
12
Dagegen habe das Landgericht zu Recht die Beweisaufnahme nicht auf die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Gebiet erstreckt. Schon nach dem Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001 liege insoweit eine psychoreaktive Störung vor, wel- che gemäß § 2 Abs. 4 AUB 88 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werde.
13
Ein Anspruch auf Genesungsgeld sei im gewählten Tarif nicht vereinbart.
14
II. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsurteil auf verfahrensfehlerhaften Feststellungen und einer teilweise unzutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage beruht.
15
Das 1. Berufungsgericht ist insbesondere seiner tatrichterlichen Pflicht zur Überprüfung des Urteils der Vorinstanz nicht nachgekommen. Es hätte unter Verwertung des gesamten Prozessstoffs auch der ersten Instanz neue Feststellungen treffen und den Vortrag und die Beweisanträge der Parteien zur Kenntnis nehmen und prozessordnungsgemäß bescheiden müssen. Dies war deshalb geboten, weil nicht nur konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz begründet waren, sondern weil das Urteil des Landgerichts wegen schwerwiegender Fehler keine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstellt. In einem solchen Fall sind erneute Feststellungen des Berufungsgerichts i.S. von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erst recht zwingend geboten (vgl. BGHZ 158, 269, 277 f.; BVerfG NJW 2003, 2524).
16
2. Nach dem Beschluss des Landgerichts vom 18. Dezember 2001 war durch Einholung eines medizinischen Gutachtens Beweis zu erheben über die bestrittene Behauptung der Klagepartei, sie sei aufgrund der medizinischen Folgen aus dem Unfall vom 3. April 1998 ohne Berück- sichtigung der psychischen bzw. psychiatrischen Folgen zu 100% arbeits - bzw. berufs- bzw. erwerbsunfähig, die Beklagte werde zum Gegenbeweis zugelassen.
17
a) Das Landgericht hat schon nicht beachtet, dass nach dem unstreitigen Parteivortrag den Verträgen unterschiedliche Bedingungen zugrunde liegen. Es hat damit die Feststellung des Vertragsinhalts als grundlegender Voraussetzung für eine sachgerechte Behandlung und Entscheidung des Rechtsstreits versäumt. § 8 II (1) Satz 1 AUB 61 definiert Invalidität als dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, § 7 I (1) Satz 1 AUB 88 als dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Auf diese unterschiedliche Definition mag es im Ergebnis häufig nicht ankommen. Erhebliche Unterschiede bestehen jedoch, soweit es um Risikoausschlüsse für Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung und für Folgen psychischer und nervöser Störungen im Anschluss an einen Unfall (§ 2 (3) b und § 10 (5) AUB 61) und krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, gleichgültig, wodurch diese verursacht sind (§ 2 IV AUB 88), geht. Der Ausschluss des § 2 IV AUB 88 geht erheblich über den der AUB 61 hinaus (Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 AUB 94 Rdn. 41; vgl. zu den jeweiligen Risikoausschlüssen Senatsurteile vom 29. September 2004 - IV ZR 233/03 - VersR 2004, 1449 unter 2 a m.w.N.; BGHZ 159, 360, 363 ff.; vom 27. September 1995 - IV ZR 283/94 - VersR 1995, 1433 unter 3 und 4 und vom 19. April 1972 - IV ZR 50/71 - VersR 1972, 582 unter II). Das Berufungsgericht hat ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen, dass der Gruppenversicherung die AUB 61 zugrunde liegen. Das Landgericht hat im Übrigen ebenso wie das Berufungsgericht nicht gesehen, dass psychische Leiden, die auf einer organischen Schädigung oder Reaktion beruhen , nach der Rechtsprechung des Senats weder nach den AUB 88 noch nach den AUB 61 unter den Ausschlusstatbestand fallen. Es war deshalb verfehlt, "psychische bzw. psychiatrische" Unfallfolgen von der Beweiserhebung auszunehmen, zumal die Beweislast für den Risikoausschluss nach der zitierten Rechtsprechung des Senats und allgemeiner Auffassung der Versicherer trägt. Es erscheint im Übrigen widersprüchlich , dass sich das Berufungsgericht für das Vorliegen einer "psychoreaktiven Störung" auf das Gutachten Dr. N. beruft, dem es zuvor die Überzeugungskraft unter Hinweis auf das gerichtliche Gutachten Dr. Nu. abgesprochen hat, und sich zudem nicht damit auseinandersetzt , dass Dr. Nu. den Ausführungen von Dr. N. zu psychischen , neuropsychologischen und psychoreaktiven Störungen nicht beizupflichten vermochte (Gutachten S. 173, GA I 216).
18
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass für die Beurteilung der Invalidität das Ende des dritten Jahres nach dem Unfall maßgeblich ist. Nach beiden hier einschlägigen Bedingungswerken kommt es auf den zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren Dauerzustand an, wenn eine Erstfeststellung stattgefunden hat und die Neubemessung bedingungsgemäß möglich ist (Senatsbeschluss vom 16. Januar 2008 - IV ZR 271/06 - VersR 2008, 527 f.; Senatsurteile vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03 - VersR 2005, 927 unter II 1 und vom 16. Juli 2003 - IV ZR 310/02 - VersR 2003, 1165 unter B I 1 b). Das Schreiben der Beklagten vom 20. Dezember 1999 ist als eine Erstfeststellung der Invalidität dem Grunde nach mit der Folge einer Vorschusszahlung nach §§ 11 Satz 1, 13 (2) Satz 1 AUB 61, § 11 III AUB 88 anzusehen mit der Erklärung des Vorbehalts der Neubemessung nach einem Jahr.
19
Das c) Berufungsgericht hat auch richtig gesehen, dass für den Beweis der Kausalität zwischen dem (nach § 286 ZPO zu beweisenden) unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden und der (ebenfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden) Invalidität der Maßstab des § 287 ZPO gilt (BGHZ 159, 360, 368 f.; Senatsurteil vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - VersR 2001, 1547 unter II 1 und 2 a). Darauf hätte das Landgericht den Sachverständigen hinweisen müssen. Das Verkennen des Beweismaßes führt zur Unvollständigkeit des Gutachtens und damit zu Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen der Vorinstanz (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - VersR 2004, 1477 unter II 2 a und b). Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen ist nach der gesetzlichen Neuregelung eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten (BVerfG NJW 2003, 2524). Es war rechtsfehlerhaft, die gebotene Beweisaufnahme mit der eigene Sachkunde nicht ausweisenden Leerformel zu unterlassen, der Senat schließe aus, dass der Sachverständige zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn ihm, wie dargestellt, das Beweismaß des § 287 ZPO vorgegeben worden wäre.
20
d) Erneute Feststellungen des Berufungsgerichts waren auch deshalb geboten, weil das Landgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die mehrfachen Anträge der Klägerin auf Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen ignoriert hat. Einem solchen Antrag ist auch dann stattzugeben, wenn das Gericht selbst keinen Erläuterungsbedarf sieht und nicht erwartet, dass der Gutachter seine Auffassung ändert (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - VersR 2005, 1555 unter 2 a m.w.N. und Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6; BVerfG NJW 1998, 2273 f.). Da das Berufungsgericht , wie erwähnt, bei seinen erneuten Feststellungen auch den ge- samten Prozessstoff der ersten Instanz zu berücksichtigen hat, muss es den Sachverständigen auch ohne dahingehende Rüge laden, wenn es seine Entscheidung auf das Gutachten dieses Sachverständigen stützen will und die Partei nach einem Hinweis darauf nicht ausdrücklich auf die Ladung verzichtet (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - VersR 2008, 479 Tz. 15; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 aaO; BGHZ 158, 269, 278 ff.).
21
e) Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts ergeben sich auch aus der widersprüchlichen Beweiswürdigung. Es meint einerseits, unfallbedingte Verletzungen seien nicht feststellbar und nicht nachgewiesen. Damit wird verkannt, wie das Landgericht an anderer Stelle selbst sieht, dass das Unfallereignis und eine dadurch eingetretene Gesundheitsschädigung, die HWS-Distorsion jedenfalls nach dem Grad ACIR I, unstreitig sind. Es bleibt auch offen, ob das Landgericht die von der Klägerin behaupteten dauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen , wie sie im Gutachten Dr. N. vom 27. Juni 2001 festgestellt sind, für unstreitig, bewiesen oder nicht bewiesen hält. Das Berufungsgericht hält dies ebenso wie die von Dr. N. geprüfte Frage der Unfallbedingtheit der festgestellten Dauerfolgen für unerheblich , weil es den von den Primärschädigungen ausgehenden Ansatz des Gerichtssachverständigen für vorzugswürdig hält und mangels entsprechender Primärverletzungen unfallbedingte Dauerschäden ausschließt. Es ist nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht über die erforderliche Sachkunde verfügt zu beurteilen, ob der methodische Ansatz des Gerichtssachverständigen oder des von der Beklagten zunächst zugezogenen Sachverständigen Dr. N. richtig ist. Das Berufungsurteil enthält auch im Übrigen keine den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügende Auseinandersetzung mit dem Gutachten Dr. N. (vgl. zu diesen Anforderungen Senatsurteile vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - VersR 2008, 479 Tz. 17, 18 und vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b; BGH, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79 - VersR 1981, 576 unter II 1 b). Weiter wird darauf hingewiesen, dass das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Januar 2003 vorgelegte, für das Sozialgericht erstattete Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. bisher nicht zur Kenntnis genommen und auch vom Gerichtssachverständigen nicht berücksichtigt worden ist. Dr. S. geht von wesentlich schwereren (primären) Unfallverletzungen und unfallbedingten Dauerschäden aus. Zu den vom Gerichtssachverständigen angesprochenen fehlenden technischen Erkenntnissen zum Unfallhergang ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ein Schadensgutachten über ihr Fahrzeug zu den Akten gegeben hat. Zur so genannten Harmlosigkeitsgrenze bei HWS-Verletzungen wird auf das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2003 hingewiesen (VI ZR 139/02 - NJW 2003, 1116 ff.).
22
Soweit 3. das Berufungsgericht einen Anspruch auf Genesungsgeld ablehnt, hat es nicht zur Kenntnis genommen, dass sich ein solcher Anspruch aus Ziff. 2 der Besonderen Bedingungen für Mehrleistung bei einem Invaliditätsgrad ab 90% in der Gruppenunfallversicherung ergeben kann.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.10.2004 - 28 O 18942/01 -
OLG München, Entscheidung vom 12.08.2005 - 25 U 5545/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05 zitiert 5 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2004 - VI ZR 230/03

bei uns veröffentlicht am 08.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 230/03 Verkündet am: 8. Juni 2004 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja B

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2008 - IV ZR 271/06

bei uns veröffentlicht am 16.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 271/06 vom 16. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2005 - IV ZR 237/03

bei uns veröffentlicht am 20.04.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 237/03 Verkündet am: 20. April 2005 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ AUB 61

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07

bei uns veröffentlicht am 23.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 10/07 Verkündetam: 23.Januar2008 Fritz Justizangestellte alsUrkundsbeamtin derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Berufsu

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04

bei uns veröffentlicht am 10.05.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 245/04 vom 10. Mai 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 397, 402, 411 Abs. 3 Hat das Erstgericht dem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2006 - IV ZR 182/05

bei uns veröffentlicht am 15.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 182/05 vom 15. März 2006 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und Dr. Franke am 15. März 2006 b

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2004 - IV ZR 200/03

bei uns veröffentlicht am 22.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 200/03 Verkündet am: 22. September 2004 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vors

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2004 - IV ZR 233/03

bei uns veröffentlicht am 29.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 233/03 Verkündet am: 29. September 2004 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ AUB 88 § 2 I

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Okt. 2001 - IV ZR 205/00

bei uns veröffentlicht am 17.10.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 205/00 Verkündet am: 17. Oktober 2001 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ___________

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2003 - VI ZR 139/02

bei uns veröffentlicht am 28.01.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 139/02 Verkündet am: 28. Januar 2003 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 286 B Al

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2003 - IV ZR 310/02

bei uns veröffentlicht am 16.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 310/02 Verkündet am: 16. Juli 2003 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein __________________
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09

bei uns veröffentlicht am 21.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 216/09 vom 21. Juli 2011 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und d

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - IV ZR 36/10

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 36/10 vom 13. April 2011 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und d

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09

bei uns veröffentlicht am 30.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 163/09 Verkündetam: 30.Juni2010 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja AVB Kr

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 25. Feb. 2013 - 5 U 224/11 - 34

bei uns veröffentlicht am 25.02.2013

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5.5.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12 O 157/07 – wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstr

Referenzen

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 233/03 Verkündet am:
29. September 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 88 § 2 IV
Krankhafte Störungen, die eine organische Ursache haben, sind nicht gemäß § 2 IV
AUB 88 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, auch wenn im Einzelfall das
Ausmaß, in dem sich die organische Ursache auswirkt, von der psychischen Verarbeitung
durch den Versicherungsnehmer abhängt (hier: Tinnitus).
BGH, Urteil vom 29. September 2004 - IV ZR 233/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
29. September 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Unfallvers icherung mit einer Grundversicherungssumme für den Invaliditätsfall in Höhe von 500.000 DM (255.645,94 €) in Anspruch. Dem Versicherungsverhältnis liegen unter anderem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88) zugrunde.
Am 9. April 1998 wollte der Kläger einem Polizeibe amten zu Hilfe kommen, der von einem Hund zu Fall gebracht und in den Oberschenkel

gebissen worden war. Als der Kläger sich bückte, um den Hund wegzuziehen , erschoß der Polizeibeamte das Tier mit seiner Dienstwaffe. Durch den in seiner unmittelbaren Nähe abgegebenen Schuß erlitt der Kläger ein Knalltrauma. Eine dadurch bedingte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, die die Funktion des Sinnesorgans zu 10% beeinträchtigte, entschädigte die Beklagte gemäß § 7 I (2) a und b AUB 88 in Höhe von 15.000 DM (7.669,38 €). Darüber hinausgehende Versicherungsleistungen lehnte sie ab.
Der Kläger macht als weitere Unfallfolge beidseiti ge Ohrgeräusche geltend, die sein Gehör um zusätzliche 15% beeinträchtigten. Er legt für den vollständigen Verlust des Gehörs auf beiden Ohren einen Invaliditätsgrad von 45% zugrunde, so daß eine der teilweisen Funktionsbeeinträchtigung entsprechende Entschädigung von 33.750 DM (17.256,10 €) zu zahlen sei. Der Tinnitus seinerseits habe zu schweren Schlafstörungen , Antriebslosigkeit, Depressionen und ähnlichem geführt. Dadurch sei eine dauernde Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit von 15% eingetreten; dafür verlangt der Kläger eine Entschädigung von 75.000 DM (38.346,89 €). Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf den Leistungsausschluß in § 2 IV AUB 88, wonach krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen nicht unter den Versicherungsschutz fallen, gleichgültig, wodurch diese verursacht sind.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1 7.256,10 € verurteilt , weil der Tinnitus keine lediglich psychische Reaktion auf das Unfallgeschehen darstelle, sondern auf einer Haarzellenschädigung im Innenohr beruhe. Die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen; insoweit lägen allenfalls psychische Fernwirkungen vor, die sich nicht

zweifelsfrei dem Unfallereignis zuordnen ließen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben; auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefocht enen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Nach den widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und überzeugenden Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen b edinge der Tinnitus für sich gesehen keine weitere, über den bereits berücksichtigten Hörverlust auf dem linken Ohr hinausgehende Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers. Er beziehe seinen Charakter vielmehr aus seinen psychischen Auswirkungen und führe erst über diese zu einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Damit sei die Beeinträchtigung Folge psychischer Reaktionen auf den Tinnitus, die der in § 2 IV AUB 88 enthaltenen Beschränkung des gegebenen Leistungsversprechens unterfielen. Die vom Kläger glaubhaft geschilderten Belästigungen durch die Ohrgeräusche beruhten auf einer Dekompensation des Tinnitus, die sich in verschiedenen Störungen - wie zum Beispiel Schlaflosigkeit - manifestierten. Es handele sich auch insoweit um krankhafte und auf eine psychische Fehl-

verarbeitung zurückgehende Reaktionen, für die § 2 IV AUB 88 eine Einstandspflicht der Beklagten ausschließe.
2. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Allerdings ist der Revision nicht darin zu folg en, daß die Bestimmung des § 2 IV AUB 88 schlechthin unwirksam ist, weil sie einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 2 Ziff. 2 AGBG (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) nicht standhält. Der Senat hat diese Frage in seinem Urteil vom 23. Juni 2004 (IV ZR 130/03 - VersR 2004, 1039 - für BGHZ vorgesehen), das zum gleichlautenden Leistungsausschluß für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen in § 2 IV AUB 94 ergangen ist, bereits entschieden.
(1) Der verständige Versicherungsnehmer (vgl. BGHZ 123, 83, 85) wird dem Wortlaut der AUB 88 entnehmen, daß die Versicherungsbedingungen zunächst generell und umfassend Leistungen für Unfallfolgen einschließlich psychischer Folgen zusagen. Bei Durchsicht des in § 2 AUB 88 enthaltenen Katalogs der "Ausschlüsse" wird er sodann erkennen , daß diese allgemeine Leistungszusage nicht uneingeschränkt gelten soll, vielmehr der Versicherungsschutz bei einer genau umschriebenen Art von Unfällen und Gesundheitsschädigungen (I, II), bei speziellen Verletzungsfolgen (III) und bei psychisch vermittelten Krankheitszuständen (IV) nicht gelten soll. Bei letzteren wird ihm die weite Fassung dieses Ausschlusses vor Augen geführt, mit dem krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen gleichgültig, wodurch diese verursacht worden sind, vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Das erfaßt Gesundheitsschädigungen infolge psychischer Reaktionen, die so-

wohl auf Einwirkungen von außen über Schock, Schreck, Angst und ähnliches erfolgen, als auch auf unfallbedingter Fehlverarbeitung beruhen (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 283/02 - VersR 2003, 634 unter II 2).
Damit werden ihm die für den Versicherungsschutz v orausgesetzten Zusammenhänge zwischen den Gesundheitsschäden und ihren Ursachen deutlich. Fehlt es an einem körperlichem Trauma oder kann die krankhafte Störung des Körpers nur mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden, will der Versicherer keinen Versicherungsschutz übernehmen. Anders dagegen soll Versicherungsschutz bestehen, wenn er durch den Unfall beispielsweise hirnorganisch beeinträchtigt wird, was dann seine Psyche krankhaft verändert. Die organische Schädigung oder Reaktion, die zu einem psychischen Leiden führt, vermag den Ausschlußtatbestand also nicht auszulösen; diese seelischen Beschwerden beruhen nicht, wie von der Klausel wörtlich verlangt, ihrerseits auf psychischen Reaktionen, sondern sind physisch hervorgerufen und mithin nicht vom Ausschluß erfaßt (Senatsurteil vom 23. Juni 2004 aaO unter II 1 b).
(2) In dieser Auslegung ist die Klausel in § 2 IV AUB 88 wirksam.
Entgegen der Auffassung der Revision gefährdet die Ausgrenzung psychisch reaktiver Gesundheitsschäden nicht den Vertragszweck im Sinne von § 9 Abs. 2 Ziff. 2 AGBG (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nichtjede Leistungsbegrenzung bedeutet schon eine Vertragszweckgefährdung, sondern ist zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer nicht falsche Vorstellun-

gen erweckt (BGHZ 141, 137, 143). Eine Gefährdung ist daher erst dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (BGHZ 137, 174, 176 und ständig).
Das ist bei § 2 IV AUB 88 nicht der Fall. Der zuge sagte Unfallversicherungsschutz für von außen auf den Körper wirkende Ereignisse (§ 1 III AUB 88) bleibt von der Klausel für alle Gesundheitsschäden - also einschließlich psychischer Leiden - unangetastet, soweit sich die Beschwerden nicht als Folge psychischer Reaktionen darstellen. Für den gesamten Bereich physisch vermittelter Unfallschädigungen greift der Ausschluß nicht. Bereits deswegen scheidet eine Aushöhlung des Unfallversicherungsvertrages aus; sein Zweck, Schutz vor Unfallrisiken zu bieten, wird in diesem weit gespannten Bereich ausreichend erfüllt (Senatsurteil vom 23. Juni 2004 aaO unter II 2 b aa).

b) Hingegen rügt die Revision zu Recht, daß das Be rufungsgericht von einem unrichtigen Verständnis des § 2 IV AUB 88 ausgegangen ist; nach den von ihm getroffenen Feststellungen sind die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nicht gegeben.
(1) Das Berufungsgericht möchte die vom Kläger vor getragenen Beschwerden einer psychischen Fehlverarbeitung des durch das Unfallereignis hervorgerufenen Tinnitus zuordnen. Der Tinnitus führe allein deshalb zu einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit , weil er durch den Kläger dekompensiert sei. Die geltend gemachte Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfä-

higkeit stelle eine psychische Reaktion auf den Tinnitus dar, die dem Ausschlußtatbestand des § 2 IV AUB 88 unterfalle.
(2) Das verkennt, daß die Klausel in § 2 IV AUB 88 zwar eine umfassende Beschränkung des Leistungsversprechens des Versicherers für alle krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen beinhaltet, gleich durch welche Ursache sie hervorgerufen werden, nicht aber für organische Schädigungen, die ihrerseits zu einem psychischen Leiden führen. Krankhafte Störungen, die eine organische Ursache haben, sind nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß, in dem sich die organische Ursache auswirkt, von der psychischen Verarbeitung durch den Versicherungsnehmer abhängt.
(3) Wenn das Berufungsgericht - anders als noch da s Landgericht - eine organische Schädigung beim Kläger außer Betracht läßt, ist dies mit den gutachterlichen Äußerungen des gericht lichen Sachverständigen nicht zu vereinbaren. Nach dessen Ausführungen, denen sich das Berufungsgericht ausdrücklich angeschlossen hat, hat der Tinnitus eine organische, durch den Unfall hervorgerufene Ursache. Der Sachverständige hat eine knalltraumatische Schädigung der Haarzellen im Innenohr bejaht, die zu Ohrgeräuschen führt. Er hat keinen Zweifel daran gelassen , daß es sich bei der Sinnzellenschädigung um eine organische Schädigung handelt. Darüber hat das Berufungsgericht sich hinweggesetzt , wenn es ausschließlich auf die Dekompensation des Tinnitus durch den Kläger abstellt, ohne zugleich die organische Schädigung des Innenohres zu berücksichtigen, und seine Entscheidung allein darauf stützt, das vom Kläger geschilderte Beschwerdebild beruhe auf einer psychischen Fehlverarbeitung der Ohrgeräusche. Mit dieser Begründung

läßt sich ein Leistungsausschluß nach § 2 IV AUB 88 nicht bejahen. Vielmehr hat die Beklagte bislang den ihr als Versicherer obliegenden (Senatsurteil vom 23. Juni 2004 aaO unter II 2 b cc) Nachweis nicht erbracht , daß der krankhafte Zustand des Klägers in einer psychischen Reaktion und nicht in einer organischen - wenngleich psychische Folgen auslösenden - Schädigung seine Ursache hat.
3. Vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus folger ichtig, fehlt es bislang an ausreichenden Feststellungen zum Grad der durch das Unfallereignis hervorgerufenen Invalidität. Das wird nachzuholen sein. Dabei hat der Versicherungsnehmer den Nachweis unfallbedingter Invalidität zu erbringen, wobei für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitsschadens und seine Dauerhaftigkeit der Maßstab des § 286 ZPO und da

für, ob der unfallbedingte Gesundheitsschaden für die bewiesene Invalidität ursächlich war, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gilt (Senatsurteile vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - NJW-RR 2002, 166; vom 12. November 1997 - IV ZR 191/96 - r+s 1998, 80; jeweils m.w.N.).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 271/06
vom
16. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 16. Januar 2008
einstimmig beschlossen:
1. Es ist beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28. September 2006 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen.

Gründe:


1
I. Der Kläger, der bei der Beklagten eine Unfallversicherung hält, welcher Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen der Beklagten (im Folgenden: AUB 94) zugrunde liegen, begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auf ihre Kosten die im Rahmen des Verfahrens zur Neufestsetzung einer Invalidität (§ 11 IV AUB 94) erforderlichen Nachuntersuchungen zu veranlassen.
2
Der Kläger erlitt bei einem Unfall am 14. Oktober 2004 Quetschungen des Unterbauches und des Steißbeines. Am 13. Oktober 2005 lehnte die Beklagte die vom Kläger begehrten Invaliditätsleistungen ab, weil die zur Begründung von Invalidität behauptete Gebrauchsbeeinträchtigung seines rechten Beines nicht vorliege. Noch im Oktober 2005 verlangte der Kläger eine erneute ärztliche Bemessung der Invalidität. Hierzu sieht sich die Beklagte nicht verpflichtet, weil ihrer Rechtsauffassung nach eine Neubemessung der Invalidität ausscheidet, wenn es an einer vorangegangenen Feststellung von Invalidität dem Grunde nach fehlt.
3
Das Amtsgericht hat dem Feststellungsbegehren - abgesehen von der Frage der Kostentragung - im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
4
II. Der Senat beabsichtigt, die Revision nach § 552a ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision des Klägers auch keine Aussicht auf Erfolg hat.
5
1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob - wie das Landgericht angenommen hat - die Neufestsetzung der Invalidität nach § 11 IV AUB 94 ausgeschlossen ist, solange es - wie hier - an einer Erst-Feststellung der Invalidität durch Anerkenntniserklärung des Versicherers nach § 11 I AUB 94 oder durch gerichtliche Entscheidung fehlt. Das Landgericht meint, die Frage der Auslegung von § 11 IV AUB 94 sei insoweit von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
6
2. Das trifft jedoch nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klä- http://www.juris.de/jportal/portal/t/fqq/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=7&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313242002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/fqq/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=7&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313242002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/akc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=10&numberofresults=33&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300589300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - rungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat (BGHZ 152, 182, 190 f.; 151, 221, 223; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZR 75/02 - WM 2002, 1811 m.w.N.). An einer Klärungsbedürftigkeit fehlt es hier aber deshalb, weil die genannte Rechtsfrage durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt erscheint und es umgekehrt - wie die Revisionsbegründung einräumt - nicht ersichtlich ist, dass die vom Kläger geäußerte Rechtsauffassung, § 11 IV AUB 94 ermögliche auch bei Fehlen einer primären Invaliditätsfeststellung die Neufestsetzung der Invalidität, in Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird.
7
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85 und ständig

).


8
Der b) verständige Versicherungsnehmer geht regelmäßig zunächst vom Wortlaut der Klausel aus.
9
§ 11 AUB 94 lautet auszugsweise: "I. Sobald uns die Unterlagen zugegangen sind, die Sie zum Nachweis des Unfallherganges und der Unfallfolgen sowie über den Abschluß des für die Bemessung der Invalidität notwendigen Heilverfahrens beibringen müssen, sind wir verpflichtet, innerhalb eines Monats - beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten - zu erklären, ob und in welcher Höhe wir einen Anspruch anerkennen. … IV. Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach Eintritt des Unfalles , erneut ärztlich bemessen zu lassen. … Dieses Recht muss von uns mit Abgabe einer Erklärung entsprechend I., von Ihnen innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Erklärung ausgeübt werden. Ergibt die endgültige Bemessung eine höhere Invaliditätsleistung als wir sie bereits erbracht haben, so ist der Mehrbetrag mit 5 Prozent jährlich zu verzinsen."
10
Diesen Bestimmungen kann der Versicherungsnehmer entnehmen, dass zunächst der Versicherer verpflichtet ist, sich nach Eingang der erforderlichen Nachweise innerhalb der in § 11 I AUB 94 genannten Dreimonatsfrist verbindlich dazu zu äußern, ob er eine bedingungsgemäße Invalidität des Versicherungsnehmers anerkennt und mit welchem Grad er diese bemisst. Der Versicherungsnehmer erkennt weiter, dass die Erklärung des Versicherers nach § 11 I AUB 94 dessen Leistungsverpflichtung nicht unabänderlich festschreibt, sondern auf der Grundlage der anerkannten Invalidität die Möglichkeit besteht, den "Grad der Invalidität" , welcher sich ändern kann, binnen der in § 11 IV AUB 94 genannten Frist durch eine erneute ärztliche Prüfung neu bestimmen zu lassen. Eine solche erneute Bestimmung der Invalidität setzt aber schon begrifflich voraus, dass bereits zuvor eine bedingungsgemäße, und das heißt auch: binnen Jahresfrist eingetretene (§ 7 I AUB 94), Invalidität festgestellt worden ist, wie im Übrigen auch die Anknüpfung an die "Erklärung entsprechend I" hinreichend deutlich macht. Denn nur wenn der Versicherer bereits eine bedingungsgemäße Invalidität anerkannt hat oder dieses Anerkenntnis durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist, kann die so dem Grunde nach feststehende Invalidität unter den Vorbe- halt einer späteren Neubemessung gestellt werden. Anderenfalls fehlt für eine Neubemessung jeder Anknüpfungspunkt.
11
Wegen c) dieses Verständnisses der Klausel unterscheidet der Senat in ständiger Rechtsprechung zwischen der Erstfeststellung der Invalidität und ihrer Neufestsetzung (vgl. nur Senatsurteil vom 4. Mai 1994 - IV ZR 192/93 - VersR 1994, 971), ferner hat er mehrfach ausgesprochen , dass in der Unfallversicherung die Neufestsetzung der Invalidität stets (lediglich) den Invaliditätsgrad betreffe (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03 - VersR 2005, 927 unter II 1). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist zudem bereits entschieden worden , das Verfahren zur Neufestsetzung der Invalidität diene allein der Überprüfung der Erstentscheidung des Versicherers über die Feststellung der Invalidität (OLG Saarbrücken VersR 2001, 1271, 1272) und der Versicherer dürfe das Verfahren zur Neubemessung der Invalidität nicht betreiben, solange es an einer Ersterklärung über die Anerkennung der Invalidität fehle (OLG Hamm r+s 1998, 302, vgl. dazu auch Grimm, Unfallversicherung 3. Aufl. § 11 Rdn. 25; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27 Aufl. § 11 AUB 94 Rdn. 9, 10; Lehmann VersR 1995, 902 f.). Damit ist - da Gegenstimmen in Literatur und Rechtsprechung insoweit ersichtlich nicht erhoben werden - die vom Landgericht für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage hinreichend geklärt.
12
3. Da dem Neufestsetzungsbegehren des Klägers unstreitig keine Erstfeststellung bedingungsgemäßer Invalidität durch den Versicherer vorausgegangen ist, hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen und die Revision des Klägers keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 552a ZPO.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
AG Düren, Entscheidung vom 12.04.2006 - 45 C 579/05 -
LG Aachen, Entscheidung vom 28.09.2006 - 2 S 130/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 237/03 Verkündet am:
20. April 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
AUB 61 § 13 (3) a
Ist vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 eine Heilbehandlung eingeleitet
, aber nicht abgeschlossen, so hat ein nur zeitweise eingetretener Erfolg oder ein
zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch ungewisser Erfolg der Behandlung bei der Bewertung
der Invalidität außer Betracht zu bleiben. Demgegenüber ist eine mit der
Heilbehandlung notwendigerweise verbundene, vor Ablauf der Dreijahresfrist eingetretene
Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten (hier: Verlust
des körpereigenen Knies im Rahmen einer Knietransplantation) zu berücksichtigen
(Fortführung der Senatsurteile vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89 - VersR 1990,
478 und vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57).
BGH, Urteil vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2005

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2002 wird (insgesamt) zurückgewiesen.
2. Die Anschlußrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hält bei der Beklagten eine Unfallversi cherung, der u.a. die AUB 61, eine Progressionsstaffel (225%) und Besondere Bedingungen für die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Är zten, Zahnärzten und Heilpraktikern zugrunde liegen. Er hat am 21. Juni 1995 bei einem Unfall einen kniegelenksnahen Oberschenkelbruch mit Begleitverletzungen am rechten Kniegelenk (Abriß des vorderen Kreuz- und des Außenbandes ) erlitten und fordert von der Beklagten eine über - vorgerichtlich geleistete - 208.334 DM hinausgehende Invaliditätsentschädigung, nachdem das verletzte Bein inzwischen in Höhe des Oberschenkels amputiert werden mußte.
Mit ärztlichem Attest vom 31. Juli 1996 wurde dem Kläger bescheinigt , daß unfallbedingte Dauerschäden eingetreten waren. Eine posttraumatische Infektion des verletzten Kniegelenks führte im weiteren zum Verlust der Kniescheibe. Ein von der Beklagten eingeholtes ärztliches Gutachten gelangte im November 1996 zu dem Ergebnis, das rechte Bein des Klägers werde um zwei Drittel im Gebrauch gemindert bleiben , falls es nicht gelinge, die Belastbarkeit durch eine operative Versteifung des Kniegelenks zu erhöhen und die - mittlerweile chronische - Infektion zur Ruhe zu bringen. Bei Erfolg dieser Maßnahme werde die Gebrauchsbeeinträchtigung des Beines voraussichtlich noch 50% betragen.
Anstelle der operativen Versteifung des Kniegelenk s entschloß sich der Kläger dazu, am 31. Juli 1997 die Transplantation eines menschlichen Kniegelenks durchführen zu lassen, deren postoperativer Verlauf sich zunächst unauffällig gestaltete. Der operierende Arzt führte

am 10. Februar 1998 im Rahmen eines von der Beklagten eingeholten Gutachtens aus, derzeit bestehe nach erfolgreicher Transplantation eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins von einem Drittel, jedoch sei ein Endzustand noch nicht erreicht. Sofern das Transplantat langfristig nicht abgestoßen werde und die Osteotomien (operativen Knochendurchtrennungen ) knöchern konsolidiert seien, werde voraussichtlich eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung von einem Viertel zurückbleiben.
Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 übersandte die Bekl agte dem Kläger zwei von ihr eingeholte ärztliche Stellungnahmen. In dem Schreiben heißt es weiter: "… Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sind wir bereit, den Schaden auf der Basis 1/3 Gebrauchsbeeinträchtigung für das rechte Bein abzurechnen. Nach § 8 II (2) der AUB gilt bei vollständiger Gebrauchsunfähigkeit des betroffenen Körperteils ein Invaliditätsgrad von 70%. Aufgrund der festgestellten Teilbeeinträchtigung ergibt sich somit ein Invaliditätsgrad von 23,333%. … außerdem … wird als Unfallfolge die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aufgrund der andauernden Immunsuppression mit Medikamenten mit 10% eingeschätzt. Der festgestellte Gesamtinvaliditätsgrad beträgt somit 33,333%. Unter Berücksichtigung der zum Unfallzeitpunkt versicherten Invaliditätssumme von DM 500.000,00 sowie der vertraglich vereinbarten progressiven Invaliditätsstaffel (225%) ergibt sich folgende Leistungsabrechnung: 25,00% aus der einfachen Versicherungssumme = 25,00% von DM 500.000,00 = DM 125.000,00

8,33% aus der 2fachen Versicherungssumme = 8,33% von DM 1.000.000,00 = DM 83.334,00 Leistungsbetrag DM 208.334,00 - bereits gezahlt DM 100.000,00 verbleibender Leistungsbetrag DM 108.334,00 Damit wir Ihnen den obigen Leistungsbetrag per Überweisung zur Verfügung stellen können, bitten wir um Bekanntgabe Ihrer aktuellen Bankverbindung in Deutschland … Vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen …" Unter dem 26. Mai 1998 erwiderte der Kläger: "… Ich bin bereit, den vorliegenden Regulierungsvorschlag anzunehmen. Bitte überweisen Sie auf mein Konto … Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch für die Kooperation Ihrerseits bedanken. Besonders für die geleistete Vorauszahlung …" Ab September 1998 kam es zu Komplikationen bei der knöchernen Konsolidierung des eingesetzten Knies. Am 28. März 2000 mußte das rechte Bein des Klägers in Höhe des Oberschenkels amputiert werden.
Der Kläger hat die Neufestsetzung seiner Invalidit ät begehrt. Nunmehr ausgehend von einem Invaliditätsgrad von insgesamt 80% (voller Beinwert von 70% plus 10% wegen medikamentöser Immunsuppression), welcher nach der vereinbarten Progressionsstaffel die Versicherungsleistung auf 165% der Versicherungssumme erhöht, hat der Kläger eine Versicherungsleistung von insgesamt 825.000 DM errechnet und deshalb die Zahlung weiterer 616.666 DM gefordert. Dazu trägt er vor, die dro-

hende Amputation seines Beines sei zum Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 bereits absehbar gewesen.
Die Beklagte meint, die Parteien hätten mit dem Sc hriftwechsel vom Mai 1998 eine endgültige Regulierung des Unfallschadens herbeigeführt , der Kläger habe mit seinem schriftlichen Einverständnis vom 26. Mai 1998 wirksam auf weitere Versicherungsleistungen verzichtet. Im übrigen sei der Verlust des Beines nicht innerhalb der 15-Monatsfrist des § 8 II (1) AUB 61 ärztlich festgestellt worden und seien die Abstoßung des Implantats und die Notwendigkeit der Beinamputation zum Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 nicht ausreichend sicher vorhersehbar gewesen. Vielmehr sei damals noch mit einer erfolgreichen Einheilung des Transplantates zu rechnen gewesen. Selbst eine Unsicherheit über den Erfolg der Transplantation bei Ablauf der Dreijahresfrist gehe hier zu Lasten des Klägers.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stat tgegeben. Es hat allerdings angenommen, daß dann, wenn der Prognose zum Ablauf der Dreijahresfrist ein Fehlschlagen der Transplantation und die Amputation des Beines zugrunde zu legen sei, auch die dann nicht mehr erforderliche medikamentöse Immunsuppression keine Berücksichtigung mehr finden könne. Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 70% (voller Beinwert) und der vereinbarten Progressionsstaffel hat es die Beklagte unter Berücksichtigung bereits geleisteter 208.334 DM zu einer weiteren Invaliditätsentschädigung von 466.666 DM (238.602,54 €) verurteilt.
Das allein von der Beklagten angerufene Berufungsg ericht hat - insoweit unter Zurückweisung der Berufung - die noch zu erbringende In-

validitätsentschädigung auf 69.876,22 € herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Im Wege der Anschlußrevision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg, die Anschlußrevision war zurückzuweisen.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden im Rahmen der Neubemessung seiner Invalidität auf der Grundlage der Gliedertaxe des § 8 II (2) b AUB 61 und der vereinbarten Progressionsstaffel ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 46,66 % (2/3 des Beinwertes von 70%) nach Abzug der bereits erbrachten Zahlungen (208.334 DM) nur noch weitere 69.876,22 € (136.666 DM) zu.
Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß innerhal b der Jahresfrist des § 8 II (1) AUB 61 ein Dauerschaden eingetreten sei, der auch innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich festgestellt worden sei und den der Kläger binnen gleicher Frist geltend gemacht habe (§ 8 II (1) AUB 61). Die ärztliche Feststellung der Invalidität habe auch den schließlich eingetretenen Totalverlust des Beines durch Amputation umfaßt, der sich als eine Komplikation im Rahmen der weiteren Behandlung der eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung darstelle.

Bei der Bemessung des maßgeblichen Invaliditätsgra des sei die erst nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 durchgeführte Amputation des Beines allerdings ebensowenig zu berücksichtigen wie der nach der Knietransplantation nur kurzfristig eingetretene Teilerfolg, der sich in einer Gebrauchsminderung des Beines von einem Drittel niedergeschlagen und zur Regulierungsentscheidung der Beklagten geführt habe. Entscheidend sei nach § 13 (3) a AUB 61 allein der zu Ende der Dreijahresfrist gegebene oder prognostizierbare Dauerzustand. Später eintretende Verbesserungen oder Verschlechterungen seien nicht zu berücksichtigen. Unterziehe sich der Versicherungsnehmer - wie hier - einer neuartigen Heilmethode, komme es darauf an, ob innerhalb der Dreijahresfrist ein dauerhafter (Teil-)Erfolg eingetreten sei. Könne ein solcher zum Stichtag nicht festgestellt werden, müßten ein etwaiger zeitweiser Erfolg und die erfolgte Heilbehandlung (hier die Transplantation) außer Betracht bleiben und es sei statt dessen auf den durch das Unfallgeschehen verursachten Invaliditätsgrad abzustellen.
Vorliegend habe der vom Gericht bestellte Sachvers tändige überzeugend dargelegt, daß bei Ablauf der Dreijahresfrist noch offen gewesen sei, ob die Knietransplantation, ein neuartiges Verfahren, über dessen Langzeitfolgen noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, letztlich zu einem dauerhaften Erfolg habe führen können. Deshalb ergebe sich der Invaliditätsgrad vorliegend unter Außerachtlassung der Transplantation und der Amputation allein aus dem von der Beklagten vor Durchführung der Knietransplantation im November 1996 eingeholten ärztlichen Gutachten, nach dessen nachvollziehbarer Prognose eine unfallbedingte Gebrauchsminderung des rechten Beins von zwei Dritteln eingetreten war. Hinreichend substantiierte Einwände gegen dieses Gut-

achten habe der Kläger nicht erhoben. Umgekehrt gehe es nicht zu seinen Lasten, daß er nicht die seinerzeit angeregte Knieversteifung habe durchführen lassen, denn bei medizinisch unklarer Prognose stehe dem Versicherungsnehmer die Wahl der Behandlungsmethode frei.
Der Kläger sei entgegen der Auffassung der Beklagt en auch nicht durch den Schriftwechsel der Parteien im Mai 1998 gehindert, die Neufestsetzung der Invalidität zu verlangen. Denn ein deklaratorischer oder konstitutiver Schuldbestätigungsvertrag im Sinne einer abschließenden vergleichsweisen Regelung über die Höhe der zu leistenden Entschädigung sei nicht zustande gekommen. Die Beklagte sei mit dem Schreiben vom 18. Mai 1998 lediglich ihrer Verpflichtung zur Erklärung über die Leistungspflicht aus § 11 AUB 61 nachgekommen. Da eine solche Erklärung nur dazu diene, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen, führe die Annahme der Erklärung regelmäßig nicht zu einem Schuldbestätigungsvertrag (vgl. BGHZ 66, 250). Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, daß die Parteien vorliegend anderes bezweckt hätten, seien nicht ersichtlich.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüf ung nicht stand, soweit das Berufungsgericht bei Bemessung des Invaliditätsgrades die noch vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 (3) a AUB 61 eingetretenen nachteiligen Folgen der Knietransplantation, die zu einer völligen Gebrauchsuntauglichkeit des verletzten Beins geführt haben, nicht berücksichtigt hat.

1. Im Ansatz zutreffend ist es zwar davon ausgegan gen, daß bei der für Unfallversicherungsleistungen wegen Invalidität maßgeblichen Beurteilung des Invaliditätsgrades nach dem hier anzuwendenden § 13 (3) a AUB 61 auf den drei Jahre nach dem Unfall vorliegenden und den zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren Dauerzustand abzustellen ist (BGHZ 130, 171, 181 m.w.N.). Spätere Veränderungen - seien sie positiv oder negativ - haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteile vom 8. Juli 1981 - IVa ZR 192/80 - VersR 1981, 1151 unter II 2; vom 13. April 1988 - IVa ZR 303/86 - VersR 1988, 798).
Ist vor Ablauf der Dreijahresfrist eine Heilbehand lung eingeleitet, aber nicht abgeschlossen, so hat ein nur zeitweise eingetretener Erfolg keinen Einfluß auf die Bewertung der Invalidität (BGH, Urteile vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89 - VersR 1990, 478 unter 3; vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57 unter 3). Ebenso ist der angestrebte Erfolg einer Heilbehandlungsmaßnahme dann nicht zu berücksichtigen, wenn das ärztliche Urteil - unter Bewertung aller bis zum Ablauf der Dreijahresfrist erkennbar gewordenen Tatsachen - wie hier dahin geht, es könne noch nicht gesagt werden, daß die Heilmaßnahme mit dauerhaftem Erfolg oder Teilerfolg durchgeführt worden sei (BGH aaO).
2. Das Berufungsgericht hat weitergehend angenomme n, im Falle des Klägers müßten sowohl die nicht durchgeführte künstliche Versteifung des Beins als auch die statt dessen erfolgte Knietransplantation für die Bewertung der Invalidität insgesamt außer Betracht bleiben, letztere deshalb, weil nach dem Ergebnis des gerichtlich eingeholten Gutachtens

zum Ende der Dreijahresfrist noch nicht vorauszusehen gewesen sei, ob es zu einer endgültigen knöchernen Einheilung des Spenderknies und damit zu einem dauerhaften Erfolg der Transplantation kommen werde. Es hat deshalb auf den Zustand des Beins vor Beginn der Transplantation entsprechend der im Gutachten vom November 1998 festgestellten unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung von zwei Dritteln des Beinwertes zurückgegriffen.
3. Dabei hat es jedoch nicht ausreichend bedacht, daß lediglich ein nach durchgeführter Heilbehandlung nicht hinreichend sicher prognostizierbarer Erfolg, nicht jedoch zugleich feststehende, durch die Heilbehandlung selbst geschaffene negative Veränderungen unberücksichtigt bleiben müssen. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung im Ergebnis einen Zustand des geschädigten Beines zugrundegelegt, wie er zwar noch im ärztlichen Gutachten vom November 1996 beschrieben worden, bei Ablauf der Dreijahresfrist im Juni 1998 aber nicht mehr gegeben war. Denn mit der durchgeführten Knietransplantation war - ungeachtet späterer möglicher Erfolgsaussichten dieser Maßnahme - zunächst insoweit eine unumkehrbare Zerstörung des Beines verbunden, als dessen körpereigenes Kniegelenk herausgetrennt worden war. Nach dieser Operation gab es das im Gutachten vom November 1996 beschriebene , lediglich zu 2/3 in seiner Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigte Bein nicht mehr. Statt dessen lebte der Kläger fortan mit einem gebrauchsuntauglichen Bein ohne körpereigenes Knie und hatte lediglich die Hoffnung, dieser Zustand werde sich später dadurch bessern, daß - wie es zunächst auch den Anschein hatte - das Spenderkniegelenk komplikationsfrei anwachsen und so zu einer dauerhaften Verbesserung der Gebrauchsfähigkeit des Beines führen werde. Lediglich dieser nach

den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Ablauf der Dreijahresfrist noch nicht absehbare Erfolg der Transplantationsmaßnahme hatte bei der Bewertung der Invalidität außer Betracht zu bleiben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 1990 aaO unter 2). Dagegen mußte das Berufungsgericht seiner Bewertung als feststehend zugrunde legen, daß das Bein zum Ende der Dreijahresfrist infolge des Verlustes des ursprünglichen Kniegelenks völlig gebrauchsuntauglich war. Insoweit hat der Kläger den von ihm zu erbringenden Beweis geführt. Den der Beklagten obliegenden (vgl. dazu BGH aaO unter 3) Beweis dafür, daß - nach der Prognose zum Ende der Dreijahresfrist - der beschriebene Zustand behoben oder zumindest gebessert werden konnte , hat sie demgegenüber nicht erbracht.
4. Aus dem Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 (aaO) ergibt sich nichts anderes. Dort lag zugrunde, daß der Versicherer den Versicherungsnehmer , der sich einen Oberschenkelhalsbruch mit nachfolgender Hüftkopfnekrose zugezogen hatte, zur Verminderung des Invaliditätsgrades auf die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks verweisen wollte. Eine solche Operation, welche der Versicherungsnehmer ablehnte und deren dauerhafter Erfolg nicht absehbar war, hatte aber nicht stattgefunden. Nur deshalb war es in jenem Falle gerechtfertigt, diese Behandlungsmaßnahme bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades insgesamt unberücksichtigt zu lassen.
5. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, e s könne dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe mit seiner Entscheidung für die riskante Transplantation die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes selbst herbeigeführt. Der Senat hat bereits früher

ausgesprochen, daß es die höchsteigene Entscheidung des Patienten bleiben muß, ob er sich einem so wesentlichen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit angesichts der Risiken einerseits und der Heilungschance andererseits unterzieht (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1990 aaO). Dem Unfallversicherer gegenüber besteht insoweit keine Verpflichtung oder Obliegenheit des Versicherungsnehmers, von riskanten Operationen abzusehen, solange diese - wie hier - medizinisch vertretbar erscheinen.
6. Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 70% (d em vollen Beinwert nach § 8 II (2) b und (3) AUB 61) hat der Kläger nach der vereinbarten Progressionsstaffel Anspruch auf insgesamt 135% der Versicherungssumme von 500.000 DM, mithin 675.000 DM. Abzüglich bereits geleisteter 208.334 DM ergibt sich der bereits vom Landgericht zuerkannte Betrag von 238.602,54 € (466.666 DM).
III. Die Anschlußrevision der Beklagten wendet sic h ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Schriftwechsel der Parteien im Mai 1998 habe nicht zu einer endgültigen Regelung über die Höhe der Invaliditätsentschädigung geführt, die einer Neubemessung des Invaliditätsgrades entgegenstehe.
Dieses Ergebnis hat es aufgrund einer Auslegung de r beiden zwischen den Parteien gewechselten Schreiben gewonnen. Diese ist als tatrichterliche Würdigung vom Revisionsgericht nur beschränkt (BGHZ 65, 107, 110) daraufhin überprüfbar, ob dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfah-

rungssätze verletzt sind oder sie auf Verfahrensfehlern beruht, etwa indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967 unter II 3 a m.w.N.). Solche Rechtsfehler macht die Anschlußrevision nicht geltend. Vielmehr geht es ihr darum, die Auslegung des Tatrichters durch eine eigene, vermeintlich bessere zu ersetzen. Damit kann sie keinen Erfolg haben, zumal das Berufungsgericht erkennbar die vom Senat bereits im Urteil vom 24. März 1976 (BGHZ 66, 250, 256 f.) aufgestellten Leitlinien beachtet hat.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 310/02 Verkündet am:
16. Juli 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 88 §§ 9 IV, 11 IV
Auch dann, wenn nur der Versicherungsnehmer gemäß § 11 IV Abs. 2 AUB 88 das
Recht auf ärztliche Neubemessung der Invalidität ausgeübt hat, ist er nach Ablauf
der Dreijahresfrist des § 11 IV Abs. 1 AUB 88 nicht mehr gehalten, sich durch vom
Versicherer beauftragte Ärzte untersuchen zu lassen.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - IV ZR 310/02 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterinnen
Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündli-
che Verhandlung vom 11. Juni 2003

für Recht erkannt:
Das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 2002 wird im Kostenpunkt und auf die Revision der Beklagten insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, sowie auf die Anschlußrevision des Klägers insoweit, als die Klage über den zuerkannten Betrag hinaus in Höhe weiterer 47.294,50 Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hat von der beklagten Versicherungsgesellschaft aus einer Unfallversicherung, der die Allgemeinen Unfallversicherungs-

Bedingungen (AUB 88) zugrunde liegen, eine weitere Invaliditätsentschädigung in Höhe von 947.100 DM begehrt.
Aufgrund einer unfallbedingten Fußverletzung des Klägers am 22. Januar 1994 hat die Beklagte mit Schreiben vom 22. August 1996 eine Invalidität des Klägers von 1/10 des Fußwerts (§ 7 AUB 88) anerkannt und ihm die dafür geschuldete Entschädigung von 15.400 DM gezahlt. Der Kläger hat danach von seinem Recht auf Neubemessung der Invalidität binnen drei Jahren nach dem Unfall Gebrauch gemacht; er gibt den Grad seiner Invalidität aufgrund eines von ihm eingeholten Privatgutachten des Orthopäden Dr. H. nunmehr mit 80% an, während die Beklagte weiterhin nur 1/10 des Fußwerts anerkennt. Außer über den Invaliditätsgrad streiten die Parteien darüber, ob die Beklagte infolge zweier von ihr geltend gemachter Obliegenheitsverletzungen des Klägers - Verweigerung der nochmaligen Untersuchung durch einen von der Beklagten beauftragten Arzt und Verschweigen einer weiteren Unfallversicherung - leistungsfrei geworden ist. Des weiteren verlangt die Beklagte im Wege der Widerklage die von ihr erbrachte Übergangsleistung von 19.250 DM zurück.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der ! " # $ " # &% ' ( *) Klage in Höhe von 141.730,11 iderklage abgewiesen; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger begehrt im Wege der Anschlußrevision die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 47.294,50

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers führen zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Der Kläger habe Anspruch auf die Versicherungsleistung nach 6/10 des Beinwerts bzw. nach einem Invaliditätsgrad von 42%. Aufgrund des Privatgutachtens des Orthopäden Dr. H. , dessen medizinische Stichhaltigkeit der gerichtliche Sachverständige bestätigt habe, sei davon auszugehen, daß der Kläger durch den Unfall eine dauerhafte Beeinträchtigung des ganzen linken Beines davongetragen habe. Der Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. , daß die Gesamtinvalidität 80% betrage, könne jedoch nicht gefolgt werden, weil der Sachverständige zu Unrecht noch weitere Gesundheitsschäden berücksichtigt habe, die aus verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht in Ansatz gebracht werden dürften. Auch sei der anteilige Beinwert nicht, wie vom Privatgutachter Dr. H. angegeben, mit 5/7, sondern im Anschluß an den gerichtlichen Sachverständigen mit nur 6/10 zu bemessen. Diese Invalidität begründe unter Berücksichtigung der vereinbarten Progression einen weiteren Entschädigungsanspruch in Höhe von 141.730,11
Die Beklagte sei auch nicht durch Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei geworden. Daß der Kläger eine erneute Untersuchung durch einen von der Beklagten beauftragten Arzt verweigert habe,

sei keine Obliegenheitsverletzung, weil die Beklagte sich bei der Erst- festsetzung der Invalidität keine spätere Nachprüfung vorbehalten habe und deshalb nicht berechtigt gewesen sei, eine Nachuntersuchung des Klägers zu verlangen. Daß er seine weitere Unfallversicherung beim G. nicht angegeben habe, stelle zwar objektiv eine Obliegenheitsverletzung dar, begründe aber keine Leistungsfreiheit, weil der Kläger nur grob fahrlässig gehandelt und seine Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder des Leistungsumfangs gehabt habe.
Die Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung der Übergangsleistung sei unbegründet, weil die Beklagte nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht habe, daß die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers nicht vorgelegen hätten.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
I. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klage begründet ist, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden.
1. Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , daß die Beklagte durch die Weigerung des Klägers, sich zur Nachprüfung des von Dr. H. neu bemessenen Grades der Invalidität

durch einen von der Beklagten beauftragten Arzt untersuchen zu lassen, nicht leistungsfrei geworden ist.

a) Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sich von den vom Versicherer beauftragten Ärzten untersuchen zu lassen (§ 9 IV AUB 88), bestehe nur dann, wenn der Versicherer seinerseits das Recht auf ärztliche Neubemessung der Invalidität ausgeübt habe (§ 11 IV Abs. 1, 2 AUB

88).


Immerhin spricht für die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es dem Versicherer, der nach Maßgabe seiner Erstfeststellung (§ 11 I AUB 88) geleistet, das Recht zur ärztlichen Neubemessung aber nicht ausgeübt hat, an einem berechtigten Interesse fehlen könnte, den Versicherungsnehmer - zudem mit der Sanktion der Leistungsfreiheit - weiterhin an die Obliegenheit zu binden. Denn aus Sicht des Versicherers besteht insoweit keine Veranlassung zu weiteren Untersuchungen durch von ihm beauftragte Ärzte. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die in § 9 IV AUB 88 beschriebene Obliegenheit es dem Versicherer nach ihrem Sinn und Zweck ermöglichen soll, sich bei seiner Entscheidung, welchen Invaliditätsgrad er anerkennen will, der Hilfe eines Arztes seines Vertrauens zu bedienen. Auf eine solche Entscheidungshilfe kann er auch angewiesen sein, wenn der Versicherungsnehmer das Recht auf ärztliche Neubemessung ausübt, eine solche herbeiführt und darauf gestützt eine höhere Entschädigung verlangt.

b) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung zu entscheiden, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn selbst wenn der Versicherungs-

nehmer an die Obliegenheit gemäß §§ 9 IV AUB 88 auch dann gebunden bleiben sollte, wenn nur er das Recht auf Neubemessung der Invalidität ausgeübt hat, endet diese Bindung jedenfalls mit Ablauf der in § 11 IV Abs. 1 AUB 88 bestimmten Dreijahresfrist. Die Beklagte hat die Untersuchung hier aber erst nach Ablauf dieser Frist verlangt.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 4. Mai 1994 - IV ZR 192/93 - VersR 1994, 971 unter 1) hat bereits zur Klausel des § 13 Nr. 3a AUB 61 ausgesprochen, daß der Versicherungsnehmer nach Ablauf der dort festgelegten Dreijahresfrist nicht mehr gehalten ist, sich auf Verlangen des Versicherers einer ärztlichen Untersuchung und Begutachtung zu unterziehen. In jenem Falle hatten die Versicherer eine Nachuntersuchung zwar angekündigt, die Untersuchung jedoch erst nach Fristablauf verlangt. Im hier vorliegenden Fall, in dem allein der Versicherungsnehmer gemäß § 11 IV Abs. 2 AUB 88 das Recht auf ärztliche Neubemessung der Invalidität ausgeübt und diese fristgerecht durch einen Arzt hat vornehmen lassen, gilt nichts anderes. Jedenfalls mit Ablauf der Dreijahresfrist des § 11 IV Abs. 1 AUB 88 ist der Versicherungsnehmer auch in diesem Falle nicht mehr gehalten, sich durch vom Versicherer beauftragte Ärzte untersuchen zu lassen. Denn eine solche Untersuchung liefe letztlich auf eine weitere ärztliche Neubemessung der Invalidität hinaus, die durchzuführen § 11 IV Abs. 1 AUB 88 dem Versicherer nach Ablauf der darin bestimmten Frist zur Neubemessung der Invalidität gerade nicht erlaubt (vgl. Grimm, Unfallversicherung 3. Aufl. § 11 Rdn. 27; Wussow /Pürckhauer, AUB 6. Aufl. § 11 Rdn. 38). Daraus folgt zugleich, daß jedenfalls nach Ablauf der Dreijahresfrist eine Bindung des Versicherungsnehmers an eine Untersuchungsobliegenheit nicht mehr bestehen kann.

2. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die Beklagte sei auch nicht deshalb leistungsfrei geworden, weil der Kläger die Aufklärungsobliegenheit in § 9 II AUB 88 verletzt habe, indem er eine bei einem anderen Versicherer bestehende Unfallversicherung trotz entsprechender Frage der Beklagten nicht angezeigt habe. Den Kläger treffe insoweit nur der Vorwurf grober Fahrlässigkeit; er habe den Kausalitätsgegenbeweis (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG) geführt. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme, den Kläger treffe nur der Vorwurf, die Obliegenheit grob fahrlässig verletzt zu haben, greift die Revision nicht an. Auf die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts, die von einem vorsätzlichen Handeln des Klägers ausgehen, kommt es mithin nicht an. Schließlich sind auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu dem vom Kläger zu führenden Kausalitätsgegenbeweis rechtlich nicht zu beanstanden. Daß im vorliegenden Falle durch Zeitablauf ein Verlust an Aufklärungsmöglichkeiten eingetreten sein könnte, ist nicht ersichtlich.
3. Der Kläger hat jedoch bislang den Beweis für eine höhere Invalidität , als von der Beklagten anerkannt, noch nicht erbracht.

a) Daß die Beklagte nicht binnen der Dreijahresfrist eine eigene ärztliche Neubemessung eingeholt hat und dies wegen Fristversäumung gegen den Willen des Klägers auch nicht mehr tun kann, hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur Folge, daß sie an die ärztliche Neubemessung , die der Privatgutachter des Klägers - fristgerecht - vorgenommen hat, gebunden ist. Vielmehr ist ihr Bestreiten einer höheren Invalidität , als sie anerkannt hat, nach wie vor beachtlich. Der Kläger muß deshalb eine höhere Invalidität beweisen.


b) Die gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Invalidi- tätsgrad betrage 42%, gerichtete Verfahrensrüge der Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat gegen die Pflicht des Gerichts zur Erhebung der angebotenen Beweise und zur vollständigen Sachaufklärung (§ 286 ZPO) verstoßen, indem es auf eine ärztliche Untersuchung des Klägers durch den Gerichtsgutachter und selbst auf dessen Einsicht in die früher erhobenen bildgebenden Befunde verzichtet und sich mit einem reinen Aktengutachten begnügt hat, in welchem der Gerichtsgutachter lediglich die beiden Privatgutachten des Dr. H. und des Dr. E. für plausibel erklärt. Der Tatrichter darf sich zwar mit Zustimmung der Parteien allein auf ein vorgelegtes Privatgutachten stützen. Wenn hingegen der Gegner die Richtigkeit des Privatgutachtens bestreitet, muß das Gericht ein gerichtliches Gutachten einholen, sofern die beweisbelastete Partei dies beantragt hat (Gehrlein, VersR 2003, 574, 575). Dies hat das Berufungsgericht auch getan, jedoch war das Gerichtsgutachten unvollständig und infolgedessen nicht beweistauglich. Denn der Gerichtsgutachter hat erklärt, daß er ohne eigene Untersuchung des Klägers und ohne Einsicht in die bildgebenden Befunde den Zustand des Klägers am Dreijahresstichtag nicht selbst bewerten könne. Dem Gutachter fehlten also die Anknüpfungstatsachen.

c) Das Berufungsgericht wird deshalb die zur vollständigen Sachaufklärung angebotenen Beweise erheben und insbesondere auf eine Ergänzung des gerichtlichen Gutachtens hinzuwirken haben. Die gebotene weitere Sachaufklärung gibt zugleich Anlaß zur Klärung der Behauptung des Klägers in der Anschlußrevision, seine Invalidität betrage 5/7 des Beinwerts.

Der Kläger hat sich jedenfalls im Revisionsverfahren zu einer Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen bereitgefunden. Ob er sie im Berufungsverfahren verweigert hat, kann dahingestellt bleiben. Denn das Berufungsgericht hat sich auch ohne Untersuchung des Klägers zu einer Feststellung des Invaliditätsgrades in der Lage gesehen und den Kläger insoweit nicht für beweisfällig erachtet. Erweist sich diese Feststellung als verfahrensfehlerhaft, kann dem Kläger jedenfalls nicht mehr zur Last gelegt werden, sich einer - aus nachträglicher Sicht - gebotenen Untersuchung durch den Sachverständigen nicht gestellt zu haben.
II. Auch über die Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung der von ihr gezahlten Übergangsentschädigung kann erst entschieden werden , wenn geklärt ist, ob nach Ablauf von sechs Monaten seit Eintritt des Unfalls noch ein Invaliditätsgrad des Klägers von mehr als 50% bestand (§ 7 II AUB 88).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Widerklage nicht wegen Beweisfälligkeit der Beklagten abgewiesen werden. Die Beweislast dafür, daß die Anspruchsvoraussetzungen für die Übergangsleistung erfüllt waren, trifft den Kläger, nicht die Beklagte. Nach eigener Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13. September 1995 darauf hingewiesen, daß er die Übergangsleistung nur behalten dürfe, wenn von ärztlicher Seite festgestellt werde, daß die Absprengung Unfallfolge sei und die normale körperliche und geistige Leistungsfähigkeit unmittelbar nach dem Unfall für mindestens sechs Monate um mehr als 50% beeinträchtigt gewesen sei.

Anders als dann, wenn der Versicherer ohne weitere Erläuterung "unter Vorbehalt" oder "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" leistet, wollte die Beklagte also nicht nur dem Verständnis ihrer Leistung als Anerkenntnis entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen. Die Beklagte hat vielmehr mit ihrem Vorbehalt klar erkennbar für den Fall eines späteren Rückforderungsstreites dem Kläger die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs aufgebürdet (vgl. Römer, VVG 2. Aufl. § 11 Rdn. 25). Der Kläger hat bisher eine - auch nur im maßgeblichen Zeitraum bestehende - unfallbedingte Beeinträchtigung von mehr als 50% nicht bewiesen.
Terno Richter am Bundesgerichtshof Ambrosius Dr. Schlichting ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Terno
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 205/00 Verkündet am:
17. Oktober 2001
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 61 § 8 II (1); ZPO §§ 286 F, 287
In der Unfallversicherung (hier: AUB 61) unterliegen die gesundheitliche Beeinträchtigung
als solche und die Frage ihrer Dauerhaftigkeit uneingeschränkt dem Beweismaß
des § 286 ZPO; dagegen kann für die Frage, ob die dauernde Beeinträchtigung
der Arbeitsfähigkeit auf die unfallbedingte Gesundheitsschädigung zurückzuführen
ist, von der Beweiserleichterung des § 287 ZPO Gebrauch gemacht werden.
BGH, Urteil vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung in Anspruch. Er unterhält bei ihr seit dem 26. Juli 1977 eine Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme von 400.000 DM. Dem

Vertrag liegen Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (AUB) zugrunde , deren Wortlaut den AUB 61 entspricht. Der Kläger erlitt am 22. Juli 1991 aufgrund eines Auffahrunfalls ein HWS-Schleudertrauma. Sein Hausarzt stellte am 10. Juni 1992 aus dem Unfallereignis resultierende Dauerfolgen fest. Am 5. Oktober 1992 machte der Kläger bei der Beklagten Invaliditätsansprüche geltend. Nach Begutachtung des Klägers durch mehrere medizinische Sachverständige lehnte die Beklagte am 7. August 1995 Leistungen ab.
Der Kläger hat 25% der vereinbarten Versicherungssumme verlangt. Seine Arbeitsfähigkeit sei als Folge des Unfalls dauernd beeinträchtigt. Unter anderem sei die Beweglichkeit des Kopfes eingeschränkt. Er verspüre ständig Schmerzen im Bereich von Kopf und Nakken und leide an Schwindelgefühlen. Diese Beschwerden seien typische Folge eines Schleudertraumas, andere Ursachen nicht denkbar. Vor dem Unfall sei er beschwerdefrei gewesen. Die Beklagte verneint demgegenüber das Vorliegen eines unfallbedingten Dauerschadens.
Das Landgericht hat nach Einholung weiterer medizinischer Gutachen die auf Zahlung von 100.000 DM gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht nach ergänzender Beweisaufnahme die Beklagte in Höhe von 80.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung , soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts liegt beim Kläger ein Dauerschaden vor. Sämtlichen gerichtlichen und außergerichtlichen ärztlichen Stellungnahmen sei eine langjährige, sich nicht verändernde Beschwerdesymptomatik zu entnehmen. Diese sei zwar nach den Gutachten der Sachverständigen S. und I. nicht auf das Unfallereignis vom 22. Juli 1991 zurückzuführen. Dennoch sei der - nach Maßgabe des § 287 ZPO festzustellende - Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Dauerschaden deutlich wahrscheinlicher als eine unfallunabhängige Entwicklung des Beschwerdebildes, selbst wenn der Einschätzung des Sachverständigen M. nicht zu folgen wäre. Die Beurteilung der Sachverständigen S. und I. werde maßgeblich dadurch beeinflußt , daß - anders als nach der Beurteilung des Sachverständigen M. - ein direkter Nachweis knöcherner oder ligamentärer Verletzungen der Halswirbelsäule fehle. Es erscheine aber der Ansatz in der medizinischen Literatur sachgerecht, daß es bei einem HWS-Trauma zu Abweichungen vom Regelverlauf kommen und insbesondere ein röntgenologisch nicht erfaßbarer Entwicklungsprozeß in Gang gesetzt werden könne. Der Kläger sei vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen; ein Zusammenhang mit einem früheren Unfall im Jahre 1982 scheide aus. Die Möglichkeit einer degenerativen, sich erst mit dem Unfall manifestieren-

den Vorschädigung lasse die haftungsausfüllende Kausalität nicht entfallen. Auch die weiter denkbare Ursache einer psychosomatischen Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens wäre im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität noch zuzurechnen. Der Invaliditätsgrad, für dessen endgültige Bemessung auf eine Prognose am Ende des dreijährigen Zeitraums gemäû § 13 AUB 61 abzustellen sei, sei aufgrund der vorprozessualen Stellungnahmen der Gutachter v. T. und He. mit 20% anzusetzen. Der weitergehenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen M. sei nicht zu folgen, da dieser den angenommenen Invaliditätsgrad von 30% nicht nachvollziehbar begründet habe.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung aus mehreren Gründen nicht stand.
1. Der Kläger hat den Nachweis dafür zu führen, daû die geltend gemachte Teilinvalidität Folge des Unfalls vom 22. Juli 1991 ist, bei dem er unstreitig ein HWS-Trauma erlitten hat. Dabei kann für die Frage, ob die behauptete dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit auf die unfallbedingte Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist, von der Beweiserleichterung des § 287 ZPO Gebrauch gemacht werden (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 191/96 - r+s 1998, 80 unter 4). Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht dann eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, daû der vom Kläger vorgetragene Dauerschaden in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1999 - IX ZR 332/98 - NJW 2000, 509 unter I 1;

vom 22. September 1992 - VI ZR 293/91 - NJW 1992, 3298 unter II). Das hat das Berufungsgericht nur im Ausgangspunkt richtig gesehen. Die Revision beanstandet zu Recht, daû die notwendige Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts auf nicht hinreichend gesicherter Grundlage beruht, daû mit unrichtigen Maûstäben gearbeitet und wesentlicher Tatsachenvortrag der Beklagten auûer acht gelassen worden ist. Die Ausübung des durch § 287 ZPO eingeräumten, grundsätzlich freien tatrichterlichen Ermessens erweist sich somit als fehlerhaft und ist für diesen Fall einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - VI ZR 264/91 - VersR 1992, 1410 unter 1 b bb; BGHZ 102, 322, 330).

a) Das Berufungsgericht hat sich in unzulässiger Weise über die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. I. hinweggesetzt, deren medizinischer Einschätzung es nicht gefolgt ist.
Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, vom Gutachten eines Sachverständigen abzuweichen. Auch im Rahmen der freien Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO kann er, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens aber nur verzichten, wenn er entsprechende eigene Sachkunde auszuweisen vermag (BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - NJW 1995, 1619 unter II). Das gilt ebenso, wenn er fremde Sachkunde durch eigene ersetzen und sich aufgrund dessen über das Ergebnis einer sachverständigen Begutachtung hinwegsetzen möchte.

Eigene medizinische Sachkunde hat das Berufungsgericht nicht dargetan. Es stützt sich, soweit es den genannten Sachverständigen nicht folgen will, lediglich auf eine Veröffentlichung in der Literatur, ohne zu begründen, inwieweit dadurch medizinisches Fachwissen vermittelt wird, das sich gegenüber demjenigen der gerichtlichen Sachverständigen durchzusetzen vermag, oder auch nur zu verdeutlichen, die für die Auswertung medizinischer Literatur erforderliche Sachkunde zu besitzen, die eine Abweichung von der Auffassung der gerichtlichen Sachverständigen rechtfertigen könnte (BGH, Urteil vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - NJW 1993, 2378 unter II 1 a). Seine Ausführungen, infolge der engen anatomischen Nachbarschaft des HWS-Bereiches zum zentralen Nervensystem könne es – wie in der medizinischen Literatur vertreten - bei einem HWS-Trauma zu Abweichungen vom Regelverlauf und zu einem Ingangsetzen röntgenologisch nicht erfaûbarer Entwicklungsprozesse kommen, setzen eine solche, vom Berufungsgericht nicht ausgewiesene Sachkunde voraus. Sie beruhen zudem auf einer generalisierenden Betrachtungsweise, die den gebotenen Bezug zum Einzelfall vermissen läût.

b) Das Berufungsgericht läût weiter nicht erkennen, aus welchen Gründen und inwieweit es sich dem Gutachten des Neurootologen Dr. M. anschlieûen möchte. Während es sich zunächst auf eine Auseinandersetzung mit den Gutachten S. und I. beschränkt und offengelassen hat, ob den Feststellungen des Sachverständigen M. gefolgt werden kann, bezieht es im weiteren anscheinend die Ergebnisse dieses Sachverständigengutachtens in seine Erwägungen ein. Dann aber hätte es der Dar-

legung bedurft, weshalb dieses Gutachten gegenüber den Ergebnissen des Orthopäden und der Neurologin den Vorzug verdient. Der Sachverständige S. hat in Abweichung von den Erkenntnissen des Sachverständigen M. jeglichen Dauerschaden beim Kläger verneint, die Sachverständige I. jedenfalls einen solchen, der als unfallbedingt zu betrachten wäre.
Bei widersprechenden Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger darf das Gericht nicht ohne eine einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorrang geben (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1993 - IV ZR 220/92 - VersR 1994, 162 unter 2 a). Gemäû § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt der Tatrichter Art und Umfang der Beweisaufnahme zwar weitgehend selbst. Geht es jedoch um die Würdigung des Ergebnisses einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme, muû diese plausibel und erschöpfend sein. Es steht dem Tatrichter nicht frei, einmal erhobene Beweise bei der abschlieûenden Entscheidungsfindung auûer acht zu lassen. Das widerspricht dem Grundsatz, daû sich der Tatrichter auch bei § 287 ZPO um die Sachverhaltsfeststellung bemühen und die Berücksichtigung aller für die Beurteilung maûgeblichen Umstände erkennen lassen muû (BGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - VI ZR 264/91 - VersR 1992, 1410 unter II 1 b bb). Das hat das Berufungsgericht versäumt. Auûerdem sind die Grundsätze der §§ 398, 402 ZPO miûachtet worden. Nachdem das Landgericht dem Gutachten des neurootologischen Sachverständigen M. nicht zu folgen vermochte und in seinem Urteil die aus seiner Sicht bestehenden Mängel der sachverständigen Ausführungen aufgezeigt hatte, wäre eine mündliche Anhörung auch dieses Sachverständigen angezeigt gewesen (vgl.

BGH, Urteil vom 8. Juni 1993 - VI ZR 192/92 - NJW 1993, 2380 unter II 2 a zu § 286 ZPO). Statt dessen hat sich das Berufungsgericht, das von der landgerichtlichen Beurteilung abweichen wollte, auf eine Anhörung der Sachverständigen S. und I. beschränkt.
Aus den Erwägungen des Berufungsgerichts geht ferner nicht hervor , ob die Ergebnisse der Sachverständigen S. und I. für sich gesehen oder erst in Gegenüberstellung mit dem Gutachten M. als nicht überzeugend erscheinen. Ein offenkundiger Widerspruch liegt überdies darin, daû das Berufungsgericht an anderer Stelle, nämlich bei Feststellung des Invaliditätsgrades, das Gutachten des Sachverständigen M. für nicht nachvollziehbar begründet hält. Dieser Mangel wäre geeignet, sich auch auf die weiteren Teile des Gutachtens auszuwirken. Das Berufungsgericht legt nicht dar, weshalb das Gutachten trotz seiner aufgezeigten inhaltlichen Schwächen mehr Überzeugungskraft als die Stellungnahmen der Sachverständigen S. und I. besitzen soll.

c) Weiter hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, die von der Beklagten beigebrachten Privatgutachten nicht berücksichtigt. Der Sachverständige Prof. H. hat in seinem von Anfang 1994 stammenden orthopädischen Gutachten eine als unfallabhängig zu wertende dauernde Beeinträchtigung beim Kläger ebenso verneint wie der Sachverständige Dr. He. in seinem orthopädischen Gutachten vom 24. Juli 1995, ohne daû das Berufungsgericht auf die Erkenntnisse dieser beiden Privatgutachten eingegangen wäre.

Privatgutachten sind substantiierter Parteivortrag (Senatsurteil vom 15. Juni 1998 - IV ZR 206/97 - NVersZ 1999, 84 unter 2 b; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00 - NJW 2001, 77 unter II 1). Sie dürfen bei der Bewertung anderer (gerichtlicher) Sachverständigengutachten nicht übergangen werden, sondern verpflichten den Tatrichter, sich mit ihnen sorgfältig zu befassen (Senatsurteil vom 13. Oktober 1993 - IV ZR 220/92 - VersR 1994, 162 unter 2 a; BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - X ZR 121/96 - NJW-RR 2000, 44 unter 6 b; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2000 aaO unter II 2). Dem ist das Berufungsgericht nicht nachgekommen.

d) Die tatrichterliche Würdigung nach § 287 ZPO erweist sich nach alledem als fehlerhaft und unvollständig. Schon deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzugeben.
2. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:

a) Die Beklagte hat bestritten, daû beim Kläger ein (unfallbedingter ) Dauerschaden vorliegt. Die Revision greift dies auf, indem sie auf den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Prof. S. verweist, der einen Dauerschaden verneint hat. Die gesundheitliche Beeinträchtigung als solche und die Frage ihrer Dauerhaftigkeit unterliegen uneingeschränkt dem Beweismaû des § 286 ZPO (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 191/96 - r+s 1998, 80 unter 4). Das Berufungsgericht sieht einen Dauerschaden als erwiesen an, ohne daû sich aus dem angefochtenen Urteil seine konkrete Ausgestaltung ergäbe. Es

befaût sich nicht damit, ob die vom Kläger vorgetragene "Beschwerdesymptomatik" tatsächlich besteht, wie sie sich im einzelnen äuûert und wodurch sie im Sinne des § 286 ZPO belegt ist. Im übrigen müûte die Invalidität binnen Jahresfrist eingetreten sein (vgl. BGHZ 137, 247, 252).

b) Bei der Bemessung der Invalidität ist, wie das Berufungsgericht selbst hervorhebt, nur der Gesundheitszustand zu berücksichtigen, der bis zum Ablauf der 3-Jahres-Frist des § 13 Abs. 3 a AUB 61 zu prognostizieren ist; später gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden (Senatsurteil aaO unter 3 a; Senatsurteil vom 23. September 1992 - IV ZR 157/91 - NJW 1993, 201 unter 2). Das Berufungsgericht konnte sich daher nicht auf die Gutachten Dr. v. T. und Prof. Dr. He. stützen. Der Sachverständige He., der im übrigen einen durch den Unfall vom 22. Juli 1991 bedingten Dauerschaden gleichfalls verneint hat, hat seine Untersuchungen am 18. Juli 1995 vorgenommen und in das Gutachten die Ergebnisse einer Röntgenaufnahme vom 8. März 1995 und einer Tomographie vom selben Tage einflieûen lassen. Alle diese Untersuchungen fallen in die Zeit nach Ablauf der dreijährigen Frist. Das Gutachten des Sachverständigen v. T. ist zwar vor dem 22. Juli 1994 erstellt , nimmt aber lediglich eine Teilinvalidität von "ca. 20%" an, so daû das Berufungsgericht hier hätte begründen müssen, weshalb es dadurch den Beweis der vom Kläger behaupteten Teilinvalidität in Höhe von wenigstens 20% als geführt angesehen hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert

Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 230/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 1 Nr. 1

a) Befaßt sich ein vom erstinstanzlichen Gericht eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen
nicht mit allen entscheidungserheblichen Punkten, hat das Berufungsgericht
von Amts wegen auf eine Vervollständigung des Gutachtens hinzuwirken.

b) Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich aus einer
fehlerhaften Rechtsanwendung ergeben.

c) Einem erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen
gemäß §§ 402, 397 ZPO hat das Berufungsgericht stattzugeben, wenn
er entscheidungserhebliche Gesichtspunkte betrifft, die das Gericht des ersten
Rechtszugs aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage übersehen
hat.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - OLG Koblenz
LG Trier
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Juli 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 31. Oktober 1991 geltend, bei dem der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW auf den von der Klägerin gesteuerten PKW aufgefahren ist. Die volle Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin erlitt ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Die Beklagte zu 2 zahlte deshalb vorprozessual ein Schmerzensgeld von 2.800 DM.
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagten auch für die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden einzustehen haben, soweit diese über den 31. Dezember 1991 hinaus andauerten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Beschwerden seien insgesamt unfallbedingt. Sie hat ein angemessenes Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von 46.826,09 DM sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich aller weiteren Schäden aus dem Unfall gefordert. Das Landgericht hat der Klägerin über den vorprozessual bezahlten Betrag hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 613,55 € nebst Zinsen zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin unter Beibehaltung der Anträge im übrigen über die gezahlten und erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 16.000 DM begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin durch den Unfall verletzt wurde und ihre Beschwerden bis Dezember 1991 unfallbedingt waren. Sie habe jedoch nicht bewiesen, daß der Unfall auch Ursache ihrer Beschwerden nach Dezember 1991 sei. Das Landgericht habe zwar nicht berücksichtigt, daß diese Frage nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sei. Auch nach diesem Beweismaß lasse sich aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß
der Unfall ursächlich für die Beschwerden gewesen sei, nicht feststellen. Als Ursache der Beschwerden komme auch eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule in Betracht. Die unspezifischen Beschwerden der Klägerin könnten im Zusammenhang mit einer Halswirbelsäulenverletzung auftreten, ließen jedoch nicht hinreichend sicher auf eine solche Verletzung schließen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Unfall ursächlich für die Beschwerden gewesen sei, ergebe sich aus dem Gutachten nicht. Die erstmals mit der Berufungsbegründung beantragte Ladung des Sachverständigen sei nicht geboten gewesen. Das Gutachten sei widerspruchsfrei, nachvollziehbar und überzeugend. Das Landgericht habe daher zu einer Ladung des Sachverständigen von Amts wegen keinen Anlaß gehabt. Unterlasse eine Partei es, in erster Instanz die Anhörung des Sachverständigen zu beantragen, könne sie das wegen § 531 Abs. 2 ZPO nicht in der Berufung nachholen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Allerdings beanstandet die Revision ohne Erfolg, das Berufungsurteil genüge nicht den Anforderungen an die Sachverhaltsdarstellung im Berufungsurteil nach neuem Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
a) Hiernach bedarf es keines förmlichen Tatbestandes. An dessen Stelle muß das Berufungsurteil jedoch auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug nehmen und eine Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen enthalten. Ohne solche ausreichenden tatbestandlichen Darstellungen fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung
nach den §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. Gleiches gilt für tatbestandliche Darstellungen, die derart widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind, daß sie die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. BGHZ 156, 97, 99; BGH, Urteile vom 7. November 2003 - V ZR 141/03 - WM 2004, 894, 895 und vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - NJW-RR 2003, 1290, 1291). In diesen Fällen ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03 - NJW 2004, 1389, 1390 m.w.N., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; BGH, Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03 - BGHReport 2004, 474, 475; vgl. zum früheren Recht Senatsurteil BGHZ 73, 248). Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Diese Grundätze gelten auch für ein Berufungsurteil, das - wie im Streitfall - die Revision nicht zuläßt, aber der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - VersR 2004, 259, 260).
b) Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen. Es enthält zwar keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil. Eine solche war aber entbehrlich, weil die tatsächlichen Feststellungen erster Instanz neben den Änderungen und Ergänzu ngen im Berufungsurteil ausreichend wiedergegeben werden. Eine ausdrückliche Bezugnahme ist nicht zwingend erforderlich. § 540 ZPO soll die Berufungsgerichte von Schreibarbeit entlasten und erlaubt dazu eine Bezugnahme ohne eine eigene Darstellung zu verbieten (vgl. Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124; wie hier Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 540 Rdn. 1; a.A. Meyer-Seitz in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform, 2002, § 540 Rdn. 6). Die Möglichkeit revisionsrechtlicher Überprüfung wird im Streitfall nicht beeinträchtigt.
2. Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO verstoßen hat. Das Landgericht hatte seiner Entscheidung wie schon seinem Beweisbeschluß § 286 ZPO statt § 287 ZPO und damit das falsche Beweismaß zugrunde gelegt. Das vom Landgericht eingeholte Gutachten enthält zu der entscheidungserheblichen Frage, ob der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den andauernden Beschwerden der Klägerin überwiegend wahrscheinlich ist, keine Angaben. Es war daher unvollständig. Das Berufungsgericht hat das erkannt, hat aber das Gutachten dennoch seiner Entscheidung zugrunde gelegt (s.u. zu a)). Eine Ergänzung durch weitere Begutachtung oder durch eine Anhörung des Sachverständigen war bei fehlerfreier Rechtsanwendung bereits in erster Instanz erforderlich, ist aber unterblieben. Der Verstoß des Landgerichts gegen § 287 ZPO begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Feststellungen zur Kausalität gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine Vervollständigung des Gutachtens durch das Berufungsgericht von Amts wegen erforderten (§ 411 Abs. 3 ZPO; s.u. zu b)). Der entsprechende Antrag der Klägerin in der Berufungsbegründung war nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen (s.u. zu c)). Im einzelnen:
a) Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß die Frage, ob die nach Dezember 1991 noch vorhandenen Beschwerden der Klägerin auf dem Unfall oder dem unfallbedingten HWSSchleudertrauma beruhten, unter Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beantworten ist. Diese Frage nach dem Umfang des eingetretenen Schadens ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Tatrichter unterliegt insoweit nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, sondern ist nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st.Rspr., vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474,
476; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118, 119). Zwar kann er auch die haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von dem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. An das zur Überzeugungsbildung erforderliche Beweismaß werden aber geringere Anforderungen gestellt. Es genügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsurteile BGHZ 149, 63, 66; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - aaO; vom 22. September 1992 - VI ZR 293/91 - VersR 1993, 55, 56; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO). Gleichwohl konnte das Berufungsgericht auf der Grundlage des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens die haftungsausfüllende Kausalität nicht ohne weitere Sachaufklärung verneinen. Das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen befaßt sich nicht mit der Frage, ob eine nach § 287 ZPO ausreichende (überwiegende) Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs besteht , sondern ausschließlich mit der naturwissenschaftlichen Nachweisbarkeit des Ursachenzusammenhangs. Die Sachverständigen waren, worauf die Revision zutreffend hinweist, im Beweisbeschluß des Landgerichts auch nur hierzu befragt worden. Die hierdurch bedingte Unvollständigkeit des Gutachtens kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, weil sie auf der fehlerhaften Anwendung des Beweismaßes durch das Landgericht beruht.
b) Unter diesen Umständen beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO verstoßen hat, weil es keine Vervollständigung des Gutachtens veranlaßt hat. aa) Das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen befaßt sich - wie bereits erwähnt - nicht mit der für § 287 ZPO ausreichenden (überwiegenden ) Wahrscheinlichkeit, sondern mit der naturwissenschaftlichen Beweisbarkeit des Ursachenzusammenhangs.
bb) Das Berufungsgericht durfte die auf Grund dieses Gutachtens getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Zwar ist ein Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). (1) Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. Meyer-Seitz aaO, § 529 Rdn. 20; MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband -Rimmelspacher, 2. Auflage, § 529 Rdn. 11 f.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Auflage, § 529 Rdn. 9 f.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 529 Rdn. 3; Rimmelspacher , NJW-Sonderheft zum 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1900 f.). Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO, 62. Aufl., § 529 Rdn. 4; Meyer-Seitz, aaO, Rdn. 20 f., 26; Musielak /Ball, aaO, Rdn. 9 f.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, Rdn. 2; Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 123), aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 -; BGH, Urteile vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03 - je zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/4722, S. 100; MünchKommZPO/Aktualisierungsband -Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 12; Rimmelspacher, NJW-
Sonderheft aaO, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Wurden Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann auch die Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 18; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). Hiernach begründeten im Streitfall konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen: Das angefochtene Urteil zeigt die Verkennung der Rechtslage durch das Landgericht und die darauf beruhende Verkürzung der Beweiserhebung auf. Das Berufungsgericht führt dazu ohne Rechtsfehler aus, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß § 287 ZPO geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung stelle. Die Unvollständigkeit der Begutachtung ergibt sich hieraus unmittelbar. (2) Das hätte beim Berufungsgericht Zweifel an der Vollständigkeit und an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts zur Kausalität wecken müssen. Solche Zweifel sind bereits dann begründet , wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO und vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Auflage, § 529 Rdn. 3; Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 29; vgl. Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124; geringere Anforderungen : MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, aaO, § 529
Rdn. 21; derselbe, NJW 2002, 1897, 1902 f. und NJW-Sonderheft aaO, 11, 16; vgl. auch BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524; kritisch Greger NJW 2003, 2882, 2883). Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn das Berufungsgericht aufgrund konkreter Anhaltspunkte in einer rational nachvollziehbaren Weise zu "vernünftigen“ Zweifeln kommt, das heißt, zu Bedenken, die so gewichtig sind, daß sie nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden können (vgl. Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 29; Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124). Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Landgericht bei Anwendung des § 287 ZPO zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die zahlreich vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen wie auch das Gutachten halten nämlich zum Teil einen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall für möglich oder wahrscheinlich. (3) Eine ergänzende Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht war nach allem erforderlich. Eine erneute Prüfung und Entscheidung ist immer geboten , wenn - wie im Streitfall - die konkrete Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses besteht (so auch BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - aaO 847, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 28; Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124). Die Verpflichtung zu ergänzenden Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO) ergibt sich hier aus dem Umstand, daß ein unvollständiges Gutachten keine Entscheidungsgrundlage sein kann (st.Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99 - VersR 2001, 783 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859, 860 - jeweils m.w.N.). Ein Antrag der Klägerin war daher nicht erforderlich. Zudem lag hier ein solcher Antrag auf Anhörung des Sachverständigen vor.

c) Unter diesen Umständen rügt die Revision auch mit Erfolg, daß die beantragte Anhörung des Sachverständigen unterblieben ist. Die Zurückweisung dieses Antrags beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Verweigerung der Zulassung neuen Vortrags kann vom Revisionsgericht überprüft werden (vgl. BGHZ 12, 49, 52; BGH, Urteil vom 9. März 1981 - VIII ZR 38/80 - NJW 1981, 2255; Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKommZPO /Aktualisierungsband-Rimmelspacher, aaO, § 530 Rdn. 34; Musielak /Ball, aaO, § 531 Rdn. 23, 25; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37). Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel u.a. dann zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. aa) Wie ausgeführt hat das Eingangsgericht den hier anzuwendenden Beweismaßstab verkannt. Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, daß die haftungsausfüllende Kausalität nach § 287 ZPO zu beurteilen war. Es mußte aber auch neue Angriffsmittel, die auf eine Abklärung nach dem bisher nicht berücksichtigten Beweismaßstab für die Kausalität abzielten, zulassen. bb) Angriffs- und Verteidigungsmittel sind alle zur Begründung des Sachantrages oder zur Verteidigung dagegen vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen und Einreden, sämtliches Bestreiten und alle Beweisanträge (vgl. Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 14, § 530 Rdn. 11; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 22; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428). Hierzu zählt auch der Antrag einer Partei auf Anhörung eines Sachverständigen (§§ 402, 397 ZPO).
Der Antrag der Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen wurde erstmals in zweiter Instanz gestellt, war mithin neu. In der Berufungsbegründung hatte die Klägerin zu der von ihr behaupteten überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Kausalität des Unfalls für die geltend gemachten Beschwerden die Anhörung des Sachverständigen beantragt. Dies genügte den Anforderungen an einen Antrag gemäß den §§ 402, 397 ZPO. Eine Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, muß nicht die Fragen, die sie an den Sachverständigen richten will, im voraus konkret formulieren. Ausreichend ist, wenn sie angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - VersR 2003, 926, 927 m.w.N.). cc) Die objektiv fehlerhafte Rechtsansicht des Landgerichts hat den erstinstanzlichen Sachvortrag der Klägerin beeinflußt und ist (mit-)ursächlich dafür geworden, daß sich hier Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 2004 - III ZR 147/03 -, z.V.b.; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03 - Umdr. S. 9, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Landgerichts zum Beweismaß (§ 286 ZPO statt § 287 ZPO) hat dazu beigetragen, daß der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen erst in der Berufungsinstanz gestellt wurde. Zudem macht die Revision mit Recht geltend, die Klägerin sei dem gleichen Rechtsirrtum unterlegen wie das Landgericht; dieser habe sich in der eingeschränkten Begutachtung ausgewirkt und sei objektiv geeignet gewesen, die Klägerin im ersten Rechtszug von einem Antrag auf Anhörung zur Frage der überwiegenden Wahrscheinlichkeit abzuhalten. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den Antrag aus anderen, von der rechtlichen Fehleinschätzung unabhängigen Gründen zurückgehalten hätte, liegen nicht vor.
3. Das Berufungsurteil stellt sich schließlich nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht in eigener Würdigung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gekommen ist, auch nach den gemäß § 287 ZPO geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung habe die Klägerin im Ergebnis den ihr obliegenden Nachweis nicht geführt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht. Diese Feststellung ist auf der Grundlage des Gutachtens rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Das Gutachten enthält, wie ausgeführt, zur Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs keine Aussage. Zu Feststellungen hierzu hätte es daher eigener Sachkunde des Gerichts bedurft, die es im Urteil hätte darlegen müssen. Auch im Rahmen der freien Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO darf der Tatrichter nämlich, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er eine entsprechende Sachkunde ausweist (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 - VersR 1988, 466, 467; vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - VersR 1995, 681, 682; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - VersR 2001, 1547, 1548). Unter demselben Mangel leiden die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts, in denen es dem zeitlichen Ablauf des Auftretens der Beschwerden maßgebliche Bedeutung für die Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität beimißt. Die
Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe ohne sachverständige Beratung keine medizinischen Rückschlüsse aus dem Krankheitsverlauf ziehen dürfen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 245/04
vom
10. Mai 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat das Erstgericht dem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei auf erstmalige
mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nicht entsprochen, kann die
Bindung des Berufungsgerichts an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten
Tatsachen entfallen. Ist dies der Fall, muß das Berufungsgericht dem in zweiter
Instanz wiederholten Antrag auf Ladung des Sachverständigen stattgeben.
BGH, Beschluß vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2005 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 28. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 40.903,35 €

Gründe:


1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluß vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04 - zur Veröffentlichung bestimmt).
2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, daß das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einer mündlichen Befragung der gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Frage , ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob gar zu erwarten ist, daß der Gutachter seine Auffassung ändert. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, daß sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (vgl. u.a. Senatsurteile vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 50/96 - VersR 1997, 509 ff.; vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 - VersR 1998, 342; vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00 - VersR 2002, 120, 121 f.). Dieses Antragsrecht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (st. Rspr., vgl. BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; Senatsurteile vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211, 212; vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 50/96 - aaO und vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 - VersR 1998, 342, 343 und vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - VersR 2003, 926). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens nicht entsprochen, so muß das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (Senatsurteil vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - aaO). Dabei kann von der Partei , die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, daß sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt , im voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGHZ 24, 9, 14 f.).

b) Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen des Klägers. Mit Recht verweist die Nichtzulassungsbeschwerde darauf, daß der Kläger im ersten Rechtszug mehrfach die Ladung des Sachverständigen Prof. Dr. H. zur Erläuterung seines Gutachtens beantragt hat. Der erste Antrag ist unmittelbar nach Eingang des schriftlichen Gutachtens gestellt worden. Mit Beweisbeschluß vom 26. August 2002 hat das Landgericht den Sachverständigen um eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur postoperativen Behandlung gebeten. Nach Eingang der Stellungnahme vom 18. November 2002 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2002 eine Reihe von Fragen gestellt und erneut beantragt, den Sachverständigen nach seiner (schriftlichen) Stellungnahme zur mündlichen Erläuterung seiner Begutachtung zu laden, wobei er darauf hingewiesen hat, daß dieser Antrag nur dann aufrechterhalten werde, wenn nach der Ergänzung des Gutachtens bzw. einer weiteren Ergänzung noch Fragen blieben. Das Landgericht hat dem Sachverständigen die vom Kläger gestellten Fragen durch Auflagen- und Beweisbeschluß vom 20. Januar 2003 teilweise vorgelegt und ihn dazu um eine weitere Stellungnahme gebeten. Die erbetene ergänzende Stellungnahme ist unter dem 10. März 2003 erfolgt. Daraufhin hat das Landgericht den Parteien mit Verfügung vom 9. April 2003, zugestellt am 22. April 2003, eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen gesetzt. Am 8. Mai 2003, also nur 16 Tage nach Zustellung dieser Verfügung, hat das Landgericht Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 22. Mai 2003 anberaumt, ohne den Sachverständigen zu laden. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2003, bei Gericht eingegangen am 9. Mai 2003, hat der Kläger erneut beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens sowie seines Ergänzungsgutachtens zu laden. Dem hat das Landgericht nicht entsprochen. Am 22. Mai 2003 ist zum letzten Mal mündlich verhandelt worden. Mit Urteil vom 26. Juni 2003 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger u.a. die Verletzung von §§ 397, 402 ZPO gerügt und
erneut beantragt, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seiner Begutachtung zu laden. Diesem Antrag hat das Berufungsgericht nicht stattgegeben.
c) Schon das Landgericht hätte den Sachverständigen laden müssen. War mithin das Verfahren in erster Instanz verfahrensfehlerhaft, so war das Berufungsgericht an die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht gebunden. Es hätte seinerseits den Sachverständigen laden müssen. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Recht der Partei auf mündliche Anhörung des medizinischen Sachverständigen haben auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozeßreformgesetz - ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1887) ihre Gültigkeit behalten. Das Berufungsgericht durfte die auf Grund des Gutachtens getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Zwar ist ein Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). Dabei können sich konkrete Anhaltspunkte auch aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - VersR 2004, 1177, 1178, zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 245 bestimmt; BGH, Urteile vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, zur Veröffentlichung in BGHZ 158, 269 bestimmt und vom 19. März 2004 - V ZR 104/03 - zur Veröffentlichung in BGHZ 158, 295 bestimmt; Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/4722, S. 100; MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher , aaO, § 529 Rdn. 12; Rimmelspacher, NJW-Sonderheft aaO, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Wurden
Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann auch die Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481 und vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - VersR 2004, 1477, zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 254 bestimmt ; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 18; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9).
d) Hiernach begründeten im Streitfall konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen. Das Landgericht hat den Sachverständigen nicht zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens geladen, obwohl der Kläger dies mehrfach beantragt hatte. Das Recht der Partei, den Sachverständigen persönlich zu hören und diesem auch selbst Fragen zu stellen, bezieht sich auf medizinische Fragen, die für die Entscheidung erheblich sind und für die Erläuterungsbedarf geltend gemacht wird (vgl. OLG Oldenburg, NJWRR 1999, 178, 179). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf der Antrag auf Ladung des Sachverständigen keiner besonderen Begründung. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Sachverständige nicht nur ein Erstgutachten, sondern - wie im Streitfall - ein Ergänzungsgutachten erstattet hat. Beschränkungen des Antragsrechts ergeben sich nur aus den Gesichtspunkten des Rechtsmißbrauchs und der Prozeßverschleppung (Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - aaO). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles nimmt ersichtlich auch das Berufungsgericht nicht an. Ist dem Antrag in erster Instanz nicht entsprochen worden, bedarf es in zweiter Instanz entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keiner Darlegung dazu, weshalb die unterbliebene Anhörung für die angefochtene Entscheidung ursächlich gewesen sei.
3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre , war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung auch das weitere Vorbringen des Klägers im Revisionsrechtszug zu berücksichtigen haben.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 182/05
vom
15. März 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
und Dr. Franke
am 15. März 2006

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Juli 2005 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 36.959,65 €

Gründe:


1
I. 1. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Er ist der Auffassung, wegen ver- schiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen liege bei ihm eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50% vor.
2
Das a) Landgericht hat dazu durch Einholung mehrerer schriftlicher Sachverständigengutachten Beweis erhoben. Schriftliche Gutachten haben der Orthopäde Prof. Dr. S. , der Neurologe Prof. Dr. K. (unter Einschluss eines neurophysiologischen Zusatzgutachtens) sowie der Neurochirurg Prof. Dr. E. erstattet. Sämtliche Gutachten kamen zu dem Ergebnis, beim Kläger liege bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vor. Bei dieser Beurteilung blieben die Sachverständigen auch in vom Landgericht auf entsprechende Einwände des Klägers eingeholten ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen. Der Kläger beantragte , die Sachverständigen zu laden, damit sie in der mündlichen Verhandlung von ihm befragt werden könnten. Ferner lehnte er den Sachverständigen Prof. Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit ab, blieb damit jedoch erfolglos. Auf seine Anregung hin wurde vom Landgericht ergänzend ein berufs- bzw. arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. K. eingeholt, das ebenfalls zu einer sicher unter 50% liegenden Berufsunfähigkeit gelangte. Das Landgericht wies die Klage daraufhin als unbegründet ab, ohne die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung persönlich anzuhören. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er in dem von ihm ausgeübten Beruf zu mindestens 50% berufsunfähig sei.
3
b) Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein und beanstandete insbesondere, das Landgericht habe entgegen seinen Anträgen die Sachverständigen nicht zur mündlichen Verhandlung geladen, so dass er sie zu ihrem Gutachten nicht habe befragen können. Nach Be- weisaufnahme durch Anhörung des arbeitsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel zurückgewiesen , da der Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht bewiesen sei. Dies habe auch der Sachverständige Dr. K. in seinem schriftlichen Gutachten sowie in seiner Anhörung vor dem Senat in Übereinstimmung mit den anderen Gutachten bestätigt. Konkrete Anhaltspunkte , die Anlass geben könnten, an der Richtigkeit der anderen Gutachten zu zweifeln, sei nicht vorhanden.
4
2. Mit seiner Beschwerde beanstandet der Kläger unter anderem die unterbliebene Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. S. , Prof. Dr. K. sowie Prof. Dr. E. und rügt insoweit die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Mit den Anträgen auf Anhörung der Sachverständigen habe er jeweils konkrete Fragen an diese verbunden. Zwar habe das Landgericht , statt diesen Anträgen nachzugehen, ein berufs- und arbeitsmedizinisches Gutachten von Dr. K. eingeholt. Damit habe sich jedoch allenfalls sein Antrag auf Vernehmung von Prof. Dr. K. erledigt, weil das arbeitsmedizinische Gutachten dem Gericht die Kenntnisse vermitteln sollte, die Prof. Dr. K. nicht hatte. Für alle anderen Anhörungsanträge gelte dies nicht. Da der Kläger in der Berufungsinstanz das Übergehen seiner Anhörungsanträge gerügt und diese allesamt wiederholt habe, hätte das Berufungsgericht ihnen auch nachgehen müssen. Entscheidungserheblich sei insbesondere der Antrag auf Anhörung des orthopädischen Gutachters Prof. Dr. S. gewesen.

5
II. Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend , dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einer mündlichen Anhörung von Sachverständigen abgesehen hat. Es hat damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
6
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob gar zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Die Parteien haben zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlichen Anhörung stellen können. Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - VersR 2005, 1555 unter 2 a m.w.N.; BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14 und ständig). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24 Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.). Dabei kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGHZ 24, 9, 14).

7
2. Danach begegnet es schon in Bezug auf den orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. S. durchgreifenden rechtlichen Bedenken , dass das Berufungsgericht von dessen persönlicher Anhörung in der mündlichen Verhandlung abgesehen hat.
8
Der Kläger hatte im ersten Rechtszug rechtzeitig die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens vom 13. September 1999 beantragt; dieser Antrag war auch nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 21. Februar 2000 nicht schon dadurch erledigt, dass der Kläger diesen Sachverständigen in der Zwischenzeit wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte. Da also schon das Landgericht den Sachverständigen hätte laden müssen, das Verfahren in erster Instanz mithin fehlerhaft war, war das Berufungsgericht an die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht gebunden und hätte seinerseits den Sachverständigen laden müssen. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO hätte es die aufgrund des Gutachtens getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfen. Der Auffassung der Beschwerdeerwiderung, nach - wenn auch erfolgloser - Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. S. durch den Kläger habe das Berufungsgericht nicht mehr davon ausgehen müssen, dass er die ihm obliegende Beweisführung weiterhin auf ein Gutachten dieses Sachverständigen habe stützen wollen, kann nicht gefolgt werden. Zwar kann in einem bestimmten Prozessverhalten einer Partei nach den Umständen des Falles auch eine stillschweigende Erklärung gesehen werden, sich - nunmehr - in Bezug auf ein Sachverständigengutachten mit einer schriftlichen Erläuterung zufrieden geben zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 aaO). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger jedoch im Berufungsrechtszug hatte der Kläger jedoch im Berufungsrechtszug nicht nur die unterbliebene Anhörung des Sachverständigen im ersten Rechtszug gerügt, sondern seine dahingehenden Anträge ausdrücklich wiederholt. Da das Gutachten wegen der erfolglos gebliebenen Ablehnung des Sachverständigen auch Grundlage für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers geblieben war, musste diesem um so mehr daran gelegen sein, das für ihn ungünstige Ergebnis des Gutachtens durch eine Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu erschüttern.
9
3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sach- verständigen Prof. Dr. S. erwägen müssen, ob ergänzend auch eine persönliche Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. E. geboten ist.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Trier, Entscheidung vom 09.03.2004 - 11 O 428/97 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.07.2005 - 10 U 440/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 10/07 Verkündetam:
23.Januar2008
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. § 2 Abs. 1
Der vom Tatrichter beauftragte medizinische Sachverständige, der sich dazu äußern
soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf
auszuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen
Sachverhalt er zugrunde zulegen hat, also insbesondere welche Merkmale
- Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderliche
Tätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmitteln - die Verweisungstätigkeit
prägen.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - OLG Celle
LG Bückeburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger, Der von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) zugrunde.
2
Der Kläger war zuletzt ab Mai 1992 als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr tätig. Am 12. April 2001 erlitt er eine Oberschenkelvenenthrombose und gab daraufhin seinen Beruf auf. Seinen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2001 lehnte die Beklagte ab, da der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zu mindestens 50% berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Alternativtätigkeiten verwiesen werden.
3
Das Landgericht hat die Klage, gerichtet auf die Zahlung rückständiger Rentenleistungen sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente, Gewährung von Beitragsfreiheit sowie auf Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges, abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I.DasBerufungsgericht meint, dass der Kläger zwar infolge eines postthrombotischen Syndroms nicht mehr in der Lage sei, als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr zu arbeiten. Die Beklagte habe jedoch den Vergleichsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr aufgezeigt, den der Kläger nach Ausbildung und Erfahrung ausüben könne und der seiner bisherigen Lebensstellung entspreche (§ 2 Abs. 1 BZB). Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige, der Orthopäde Dr. H. , der unter anderem die von dem Gefäßchirurgen Dr. K. beim Kläger erhobenen Untersuchungsbefunde ausgewertet habe, habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus medizinischer Sicht in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges schweres Heben und Tragen im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen. Nach den Ausführungen der vom Landgericht gehörten berufskundlichen Sachverständigen Ho. sei die Arbeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr allenfalls als mittelschwer einzuordnen, da die im Güternahverkehr auszuliefernden Frachtstücke regelmäßig nicht schwerer seien als 10 kg. Die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterung seines medizinischen Befundes - variköse Ekzeme und Unterschenkelgeschwüre - rechtfertige keine abweichende Beurteilung der gesundheitlichen Zumutbarkeit, wie der Sachverständige Dr. H. in seinem Ergänzungsgutachten überzeugend ausgeführt habe.
6
Zwar sei es, so das Berufungsgericht weiter, zu der vom Kläger beantragten persönlichen Anhörung des Dr. H. zur Erläuterung seiner Begutachtung in der mündlichen Verhandlung wegen dessen Verhinderung nicht gekommen. Der Gutachter habe jedoch auf Ersuchen des Landgerichts zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten schriftlich Stellung genommen. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich nicht, dass der Kläger seinen Antrag auf mündliche Anhörung danach aufrechterhalten habe.
7
Das vom Kläger vorgelegte internistisch-angiologische Gutachten von Prof. Dr. B. , das dieser in einem sozialgerichtlichen Verfahren erstattet habe, sowie das Protokoll über das in jenem Verfahren mündlich erstattete berufskundliche Gutachten des Sachverständigen Ku. zwängen nicht zu einer weiteren Beweiserhebung, etwa in Form einer (erneuten) Anhörung der Sachverständigen Dr. H. und Ho. . Den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B. sei zu entnehmen, dass dieser Gutachter lediglich die subjektiven Empfindun- gen des Klägers übernommen habe, ohne sie anhand eines objektiven Befundes zu überprüfen. Auch sei ein erheblicher sozialer Abstieg, der der Verweisung auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr entgegenstehen könnte, mit dem Wechsel aus dem Beruf des selbständigen LKW-Fahrers im Güterfernverkehr entgegen der Ansicht des Klägers nicht verbunden. Der soziale Status beider Berufsbilder werde in der Öffentlichkeit nicht wesentlich unterschiedlich bewertet. Die Verweisung auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr sei dem Kläger auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar.
8
Die II. Annahme des Berufungsgerichts, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Gemäß § 2 Abs. 1 BZB liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls , die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich länger als sechs Monate außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben , die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Will der Versicherer den Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung im Streit um dessen Berufsunfähigkeit auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, so muss er deren prägende Merkmale - erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten sowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel - substantiiert darlegen und konkretisieren (Senatsurteile vom 29. Juni 1994 - IV ZR 120/93 - VersR 1994, 1095 unter 2 b und vom 28. September 1994 - IV ZR 226/93 - NJW-RR 1995, 20 unter 2 a; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2004, 1165). Hält der Tatrichter nach Bewertung des beiderseitigen Parteivortrags eine Beweisaufnahme für geboten, muss der medizinische Sachverständige, der sich zu der Frage äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben , wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGHZ 119, 263, 266 f.).
10
2. a) Schon das Verfahren des Landgerichts genügte diesen Vorgaben nicht. Dabei kann auf sich beruhen, ob das Vorbringen der Beklagten zu den zahlreichen von ihr benannten Verweisungsberufen in jedem Fall den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung der dem Kläger angesonnenen anderen Tätigkeiten genügte. Jedenfalls was die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anlangt , fehlte es vor der Einholung des ersten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen an jedweder Substantiierung; der Beweisbeschluss des Landgerichts, der sich auf die Frage beschränkt, ob der Kläger seit dem 1. April 2001 berufsunfähig sei, verhält sich zu den Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufen ebenso nicht. Demgemäß entbehren schon die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. H. vom 9. Juli 2003 - soweit sie sich auf andere in der Akte vorgeschlagene Verweisungstätigkeiten beziehen - mit Blick auf die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.
11
b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagte für den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr die Ausführungen der berufskundlichen Sachverständigen Ho. zur Darstellung dieser Tätigkeit zu Eigen gemacht hat, hätte sie ihrer Vortragslast nur dann genügt, wenn sich aus den Angaben der Sachverständigen die prägenden Merkmale dieser Tätigkeit ausreichend entnehmen ließen. Das ist indessen nicht der Fall. In ihrem schriftlichen Gutachten beschränkt sich die Sachverständige Ho. vielmehr auf die abstrakte Beschreibung denkbarer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsabläufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts der denkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglichkeiten war auch danach für einen medizinischen Sachverständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten dieser Sachverständigen führte nicht zu der gebotenen Konkretisierung des Tätigkeitsbildes, es bemühte sich vielmehr seinerseits darum, die Äußerungen des medizinischen Sachverständigen mit dem - nach wie vor unvollständigen - Berufsbild der Verweisungstätigkeit abzugleichen. Daraus folgt im Ergebnis, dass es auch den weiteren vom Landgericht eingeholten Stellungnahmen des medizinischen Sachverständigen an ausreichenden Vorgaben zum außermedizinischen Sachverhalt fehlte, wie die Auseinandersetzung um die bei Ausübung der Tätigkeit (welcher konkreten?) zu bewältigenden Gewichte nachhaltig verdeutlicht.
12
3. Es kommt hinzu:
13
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen.
14
a) Dies gilt zum einen für die vom Kläger bereits im ersten Rechtszug beantragte, letztlich aber unterbliebene Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. H. .
15
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben die Parteien zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie einem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlicher Anhörung stellen können (§§ 397, 402 ZPO). Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6 m.w.N.). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.).
16
Danach bb) begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das den Sachverständigen Dr. H. zunächst zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, wegen dessen Verhinderung auf die Anhörung verzichtete und sich mit einer erneuten schriftlichen Stellungnahme dieses Sachverständigen begnügte. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen - und sei es auch nur stillschweigend - verzichtet hätte (vgl. dazu auch BGH aaO). Ein solcher Verzicht lag im vorliegenden Fall auch deshalb fern, weil der Sachverständige Dr. H. nach dem Vortrag des Klägers zu dem Gutachten des für die Beklagte tätig gewordenen Gefäßchirurgen Dr. K. Stellung nehmen und sich zu seiner Sachkunde äußern sollte. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die (weitere) schriftliche Stellungnahme die beantragte Anhörung des Dr. H. nicht ersetzen konnte, da dieser sich darin auf die Bemerkung beschränkt hatte, er wolle die Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr. K. zur Berufsfähigkeit des Klägers nicht kommentieren. Angesichts des Umstandes, dass die bis dahin erfolgten gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. H. lediglich auf der Auswertung von Befunden und nicht auf persönlichen Untersuchungen des Klägers beruhten, wäre dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht umso mehr geboten gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen stattgeben müssen. Ein solcher Antrag ist hier jedenfalls der ausführlich begründeten Rüge des Klägers zu entnehmen, seinem erstinstanzlich gestellten Antrag sei verfahrensrechtswidrig nicht entsprochen worden.
17
b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass sich das Berufungsurteil nur unzureichend mit den Ausführungen in dem vom Kläger vorgelegten - in einem sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten - internistisch -angiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. auseinander setzt, das dem Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H. zur Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers widerspricht. Das verletzt das dem Tatrichter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises eingeräumte Ermessen und den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO) und lässt besorgen , das Berufungsgericht habe auch insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
18
aa) Legt eine Partei ein solches medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachver- ständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteil vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa m.w.N.).
19
Die bb) Auffassung des Berufungsgerichts, Prof. Dr. B. habe für seine Beurteilung, der Kläger müsse nach zwei Stunden Arbeitszeit bestimmte nicht unerhebliche Pausenzeiten einhalten, lediglich die subjektiven Empfindungen des Klägers in sein Gutachten übernommen , ohne sie an Hand eines objektiven Befundes zu überprüfen, weshalb das Gutachten Dr. H. insoweit nicht erschüttert werde, erweist sich im Gesamtzusammenhang der Ausführungen in dem genannten Gutachten als nicht nachvollziehbar. Lediglich auf Seite 7 seines Gutachtens referiert der Sachverständige die Angaben des Klägers und eines anderen Gutachters, kommt in seinen darauf folgenden Ausführungen jedoch zu einer eingehenden, von den Angaben des Klägers unabhängigen Einschätzung seiner beruflichen Belastbarkeit aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung. Danach ist es aus Sicht dieses Sachverständigen notwendig, dem Kläger nach jeweils maximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit eine mindestens dreißigminütige Pause, wenn nötig auch eine Pause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, es sei denn, der Kläger kann über einen längeren Zeitraum in sitzender Position mit hoch gelagertem Bein arbeiten; sollte ihm letzteres jederzeit möglich sein, seien nicht mehr Pausen als üblich einzulegen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei rechtsfehlerfreier Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B.
die Frage der Verweisbarkeit des Klägers auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anders beurteilt hätte. Nach dem Vortrag des Klägers hat der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörte berufskundliche Sachverständige Ku. ausgeführt, die Einschränkungen, denen der Kläger - dem Gutachten Prof. Dr. B. zufolge - bei einer möglichen beruflichen Tätigkeit unterliege, ließen es fraglich erscheinen, ob er überhaupt eine Arbeitsstelle finden werde. Zwar hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt bleiben muss (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. November 1985 - IVa ZR 23/84 - NJW-RR 1986, 451 unter II 5). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass es die dem Versicherungsnehmer angesonnene Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendem Umfang gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert (Senatsurteil vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b). Danach scheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf die speziellen Bedürfnisse eines einzelnen Arbeitnehmers zugeschnitten sind (Nischenarbeitsplätze), grundsätzlich ebenso aus wie Verweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereit stehen, dass von einem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (Senatsurteil aaO).
20
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 24.03.2006 - 2 O 74/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2006 - 8 U 104/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 200/03 Verkündet am:
22. September 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 25. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer bei der B eklagten gehaltenen Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Versicherte Person ist seine Ehefrau. Die Parteien streiten darum, ob der Kläger von der Beklagten die vertraglich für den Fall einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50% zugesagten Versicherungsleistungen (Berufsunfähigkeitsrente von jährlich 12.082 DM/6.174,43 € ab dem 1. Au-

gust 1996 und Beitragsfreistellung in der Lebensversicherung) beanspruchen kann.
Nach der Behauptung des Klägers leidet seine Ehefr au an Bronchialasthma und einer Allergie gegen Latex. Weil sie in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Krankenschwester regelmäßig mit Latex in Kontakt gekommen sei (insbesondere durch das Tragen von Latex-Handschuhen ), habe sie bei der Arbeit unter ständigen Atembeschwerden gelitten und sei seit dem 15. Dezember 1995 zu jedenfalls 50% berufsunfähig.
Die Beklagte, die das bestreitet, hat den Rücktrit t vom Zusatzversicherungsvertrag erklärt und ihre auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil der Kläger beim Vertragsschluß arglistig Vorerkrankungen seiner Ehefrau verschwiegen habe.
Das Landgericht hat die Anfechtung für wirksam era chtet und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zwar festgestellt, der Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag sei weder durch die Anfechtung noch durch den Rücktritt der Beklagten aufgelöst worden, im übrigen hat es die Klagabweisung aber bestätigt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger habe den Eintritt einer Berufsunfähigkeit seiner Ehefrau von mindestens 50% nicht bewiesen. Dabei sei es nicht entscheidungserheblich, ob die Ehefrau des Klägers an einer spezifischen Latex-Allergie oder aber an einer unspezifischen Hyperreagibilität leide, wie sie der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. Dr. K. angenommen habe. Denn obwohl der Sachverständige davon ausgegangen sei, daß eine durch unterschiedlichste Stoffe (unspezifisch) ausgelöste Atemwegsverengung für den Betroffenen zu einem sogar ungünstigeren Beschwerdebild führe und schwerer beherrschbar sei als eine allein durch den Stoff Latex ausgelöste (spezifische ) Hyperreagibilität, sei er zu dem Ergebnis gelangt, die von ihm diagnostizierte Lungenerkrankung schränke die Fähigkeit der Ehefrau des Klägers, als Krankenschwester zu arbeiten, um höchstens 30% ein. Der Sachverständige, an dessen Sachkompetenz nicht zu zweifeln sei, habe diese Einschätzung in seiner mündlichen Anhörung ergänzend damit begründet, daß es möglich sei, im Krankenhaus in einem Bereich mit weniger Reizstoffen zu arbeiten, etwa als Stationsschwester. Seine Feststellung zum Grad der Berufsunfähigkeit stehe im Einklang mit vom Kläger vorgelegten Äußerungen des Gutachters Prof. Dr. B. , der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% angenommen habe.

Im übrigen habe der Kläger nicht ausreichend zu de r Frage vorgetragen , ob seine Ehefrau aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten nicht wenigstens zu 50% in der Lage sei, eine andere Tätigkeit auszuüben , die ihrer bisherigen Lebensstellung entspreche. Ihr Bemühen um eine Beschäftigung auf anderen Gebieten zeige, daß sie sich eine andere Tätigkeit zutraue.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die vom Berufungsgericht als letztlich allein e ntscheidend angesehene Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K. , die Ehefrau des Klägers sei zu höchstens 30% in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, als Krankenschwester zu arbeiten, beruht nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 119, 2 63, 266; Urteil vom 29. November 1995 - IV ZR 233/94 - NJW-RR 1996, 345 unter 2 a) kommt es bei der Beurteilung, ob der Versicherte bedingungsgemäß berufsunfähig geworden ist, zunächst darauf an, wie sich seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen in seiner konkreten Berufsausübung auswirken. Deshalb muß bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt. Insoweit ist es Sache desjenigen, der den Eintritt von Berufsunfähigkeit geltend machen will, hierzu substantiiert vorzutragen und im Falle des Bestreitens Beweis für sein Vorbringen anzutreten. Als Sachvortrag genügt dazu nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr muß eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der

die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs wie ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden.
Sache des Gerichts ist es dann zu entscheiden, ob zunächst eine Beweisaufnahme zu dem vorgetragenen Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung geboten ist, deren Ergebnis einem anschließend einzuschaltenden Sachverständigen vorzugeben ist - sei es in alternativer Form, sei es aufgrund von Feststellungen, die das Gericht bereits zu treffen vermag. Jedenfalls muß der Sachverständige wissen, welchen - für ihn unverrückbaren - Sachverhalt er zugrunde zu legen hat. Erst dann erscheint es unbedenklich, ihn auch zu Frage und Ausmaß einer gesundheitsbedingten Einschränkung der Fähigkeit des Versicherten, den vorgegebenen Anforderungen gerecht zu werden, Stellung nehmen zu lassen (BGHZ aaO).

b) Das Berufungsgericht hat hier vor der Beauftrag ung des gerichtlich bestellten Sachverständigen keine Feststellungen dazu getroffen oder Vorgaben dazu gemacht, wie sich die berufliche Tätigkeit der Ehefrau des Klägers zuletzt konkret gestaltete und welchen Anforderungen sie im einzelnen unterlag. Insoweit bleibt offen, an welchen tatsächlichen Vorgaben sich die Einschätzung des Sachverständigen orientiert hat, die Versicherte sei in ihrer Berufsausübung zu maximal 30% beeinträchtigt. Das Berufungsgericht hätte aufgrund der Behauptungen des Klägers insbesondere Feststellungen treffen und dem Sachverständigen Vorgaben dazu machen müssen, mit welcher Häufigkeit die Ehefrau des Klägers im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit notwendigerweise mit dem Stoff Latex in Berührung kommen mußte. Erst danach hätte weiter geprüft werden können, ob die vom Kläger behauptete spezifische Latex-

Allergie sich angesichts der konkreten Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit der Versicherten entscheidend auf den Grad der Berufsunfähigkeit hätte auswirken können und ob es hier offen bleiben konnte, ob eine solche spezifische Latex-Allergie bei der Ehefrau des Klägers vorliegt.

c) Soweit die Revisionserwiderung im Rahmen der vo n ihr erhobenen Gegenrüge geltend macht, der Kläger sei bislang seiner Vortragslast nur unvollständig nachgekommen und habe insbesondere bisher die Arbeitsabläufe im zuletzt von seiner Ehefrau ausgeübten Beruf nicht ausreichend beschrieben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090 unter II 2 a; Urteil vom 29. November 1995 aaO unter 2 a), kann der Senat die Klage nicht abweisen. Da das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers für ausreichend erachtet und demgemäß auf dessen Unvollständigkeit auch nicht hingewiesen, sondern stattdessen Beweis erhoben hat, ist dem Kläger nunmehr Gelegenheit zur Ergänzung seines Vorbringens zu geben (vgl. dazu BGHZ 119, 263, 267; BGH, Urteile vom 29. November 1995 aaO unter 3 und vom 12. Juni 1996 aaO unter II 2 d). Schon deshalb bedarf die Sache neuer Verhandlung.
2. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zur F rage des Grades der Berufsunfähigkeit ist auch aus weiteren Gründen rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht meint, das Ergebnis des Gu tachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K. finde seine Bestätigung darin, daß die vom Kläger vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen Prof.Dr. B. sogar nur zur Annahme einer Min-

derung der Erwerbsfähigkeit von 20% gelangten. Es hat dabei nicht bedacht , daß es sich bei der hier maßgeblichen Berufsunfähigkeit im privatversicherungsrechtlichen Sinn um einen eigenständigen Rechtsbegriff handelt, der nicht mit der Berufsunfähigkeit oder gar der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts gleichgesetzt werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Juni 1996 - IV ZR 116/95 - VersR 1996, 959 unter II 1 und 2 a).

b) Zu Recht beanstandet die Revision im übrigen, d aß das Berufungsurteil sich unzureichend mit weiteren ärztlichen Stellungnahmen auseinandersetzt, die dem Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Einschätzung des Grades der Berufsunfähigkeit widersprechen. Es verletzt damit jedenfalls das dem Tatrichter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises eingeräumte Ermessen und den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO). Daneben lässt das Berufungsurteil besorgen, der Tatrichter habe auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
aa) Legt eine Partei ein privat eingeholtes medizi nisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 1994 - IV ZR 126/93 - VersR 1994, 1054 unter 1; vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92 - VersR 1993, 899 unter II 2 a, vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 unter II 1 und vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 234/90 - VersR 1992, 722 unter 2). Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, daß er ohne einleuchtende

und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (BGH, Urteile vom 11. Mai 1993 aaO und vom 23. September 1986 - VI ZR 261/85 - VersR 1987, 179 unter II 2 a; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91 - VersR 1992, 1015 unter II 2 c).
bb) Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit me hrere ärztliche Stellungnahmen vorgelegt, mit denen sich das Berufungsurteil nach den vorgenannten Maßstäben nicht ausreichend auseinandersetzt. So hatte der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L. der Ehefrau des Klägers am 5. Juni 1998 bescheinigt, sie könne als Krankenschwester in einer neurologischen Station nur noch "2 Stunden bis unterhalbschichtig" arbeiten. Der Internist Dr. C. hatte am 21. Januar 2001 berichtet, die Patientin leide trotz intensiver medikamentöser Therapieversuche unter erheblichen rezidivierenden obstruktiven Beschwerden, welche eine systematische Corticoid-Therapie unumgänglich machten. Der Direktor der Medizinischen Hochschule H. , Prof. Dr. F. hatte , am 14. Februar 2001 im Rahmen einer kurzen gutachtlichen Stellungnahme ausgeführt, es lasse sich trotz maximaler Asthma-Therapie weiterhin eine deutliche Einschränkung der Lungenfunktion nachweisen. Aufgrund dessen und wegen der Vorgeschichte halte er die Ehefrau des Klägers für erwerbsunfähig in ihrem Beruf und in einem vergleichbaren Beruf.
Den Widerspruch der genannten ärztlichen Stellungn ahmen zu der Annahme des gerichtlich bestellten Gutachters Prof. Dr. Dr. K. , es liege eine gut therapierbare und nur mittelschwere, geringgradige Ventilationsstörung vor, hat das Berufungsgericht nicht ansatzweise aufgelöst. Das Berufungsurteil läßt nicht einmal erkennen, ob und inwieweit das

Berufungsgericht den betreffenden Klägervortrag überhaupt zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger allein trage die Darlegungslast dafür, daß seine Ehefrau auch nicht in einem der früheren beruflichen Tätigkeit vergleichbaren Beruf arbeiten könne, so nicht richtig ist.
Zwar trifft den Versicherungsnehmer grundsätzlich mit der Beweislast für den Eintritt von Berufsunfähigkeit auch die Beweislast dafür, daß keine andere Erwerbstätigkeit in einem die Berufsunfähigkeit ausschließenden Umfange ausgeübt werden kann. Diesen Negativbeweis kann der Versicherungsnehmer im Regelfall aber nur dann ordnungsgemäß antreten, wenn der Versicherer den von ihm beanspruchten Vergleichsberuf bezüglich der ihn prägenden Merkmale näher konkretisiert (Senatsurteile vom 29. Juni 1994 - IV ZR 120/93 - VersR 1994, 1095 unter 2 b und vom 12. Januar 2000 - IV ZR 85/99 - VersR 2000, 349 unter 3 a). Denn nur dann kann der Versicherungsnehmer das Bestreiten von Berufsunfähigkeit mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen. Der Umfang der Darlegungslast des Versicherers zu den prägenden Merkmalen des Vergleichsberufs hängt dabei jeweils davon ab, was der Versicherer beim Versicherungsnehmer insoweit an Kenntnissen voraussetzen darf.
Wenn der Versicherungsnehmer eine vom Versicherer als Vergleichsberuf in Anspruch genommene Tätigkeit schon tatsächlich ausübt, hat er - und nicht der Versicherer - Kenntnis davon, welche Anforderun-

gen diese im einzelnen an ihn stellt. Dann genügt es nicht mehr, wenn der Versicherungsnehmer die Vergleichbarkeit der anderen Tätigkeit nur summarisch bestreitet, vielmehr muß er in einem solchen Fall von Anfang an vortragen und erforderlichenfalls beweisen, daß und warum er diese Tätigkeit nicht ausüben kann oder warum sie sonst den bedingungsgemäßen Anforderungen an eine Vergleichstätigkeit nicht genügt (Senatsurteile vom 12. Januar 2000 aaO und vom 30. November 1994 - IV ZR 300/93 - VersR 1995, 159 unter 3). Der vorliegende Fall, in welchem sich die Ehefrau des Klägers unstreitig lediglich erfolglos um andere Beschäftigungen beworben hatte, ist damit jedoch nicht zu vergleichen. Die bloße Bewerbung um andere Tätigkeiten, deren Ausübung sich auch als überobligationsmäßig darstellen könnte, besagt über deren Vergleichbarkeit nichts, noch verschafft sie allein dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Kenntnisse über die konkreten Anforderungen der angestrebten Tätigkeiten.
Terno Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 139/02 Verkündet am:
28. Januar 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Allein der Umstand, daß sich ein Unfall mit einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung
("Harmlosigkeitsgrenze") ereignet hat, schließt die tatrichterliche
Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO von seiner Ursächlichkeit für eine HWSVerletzung
nicht aus.
BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. März 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Am 25. März 1992 fuhr der Beklagte zu 1 gegen 9.30 Uhr mit einem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf den von dem Kläger geführten , in einem Kreuzungsbereich verkehrsbedingt haltenden Pkw auf. Die volle Haftung der Beklagten ist außer Streit. Der Kläger begab sich am Nachmittag des Unfalltages in ärztliche Behandlung. Der Facharzt für Chirurgie Dr. S. diagnostizierte ein HWS-Schleudertrauma. Er legte eine Cervicalstütze an und verordnete Spasmolytika. Die Weiterbehandlung erfolgte durch Dr. R., der eine sogenannte Schanz’sche Krawatte anpaßte und schmerzlindernde Medikamente verordnete. In der Folgezeit litt der Kläger zunehmend unter einer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie unter vegetativen Symptomen wie häufig auftretendem Schwindel, Sehstörungen in Form von Schleiersehen und plötzlichem Auftreten von Übelkeit. Am 6. Dezember 1993 erlitt er
einen weiteren Verkehrsunfall, bei dem er mit seinem Pkw frontal mit einem vor ihm ins Schleudern geratenen Fahrzeug kollidierte. Eine wegen anhaltender Beschwerden vorgenommene klinische und radiologische Untersuchung in der Orthopädischen Rehabilitationsklinik S. ergab den Verdacht einer Ruptur der Ligamenta alaria im Bereich des Segments C1/C2. Dieser Verdacht wurde von dem Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. H. des Rehabilitationskrankenhauses K.-L. aufgrund einer am 4. Mai 1994 durchgeführten Untersuchung einschließlich Computer- und Kernspintomographie der Halswirbelsäule bestätigt. Aufgrund dieser Diagnose wurde am 13. Juni 1995 in der Orthopädischen Rehabilitationsklinik S. eine dorsale Probefusion des Segments C1/C2 vorgenommen, die laut Behandlungsbericht zu einer Besserung der Beschwerden führte. Im Hinblick darauf erfolgte am 8. Mai 1996 im Rehabilitationskrankenhaus K.-L. die endgültige operative Fusion. Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund des Unfalls vom 25. März 1992 habe er nach wie vor Beschwerden, u.a. dauernde Spannungsschmerzen im Bereich von Nacken und Schulter, Kopfschmerzen, Mißempfindungen am linken Arm und Taubheitsgefühle am linken Oberschenkel. Zeitweilig trete ein Zittern auf. Die Sehkraft seines linken Auges habe nachgelassen. Darüber hinaus leide er unter Konzentrationsschwierigkeiten. Der Kläger hat – über den vorgerichtlich erhaltenen Betrag von 4.300 DM hinaus - ein angemessenes Schmerzensgeld (Vorstellung: weitere 30.000 DM) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden begehrt. Das Landgericht hat ihm ein weiteres Schmerzensgeld von 3.700 DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht dem Feststellungsbegehren entsprochen und die Beklagten verurteilt, an den Kläger über den bereits gezahlten Betrag von !" # $% '& (*),+%-. 0/'12 3 4 57698 : 2 3 ; 2.198,56
DM) zu zahlen. Dagegen wenden die Beklagten sich mit der zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, der Kläger habe bei dem Unfall am 25. März 1992 eine HWS-Distorsion nach Erdmann I erlitten. Zwar sei nicht bewiesen, daß hierbei das Ligamentum alare links gerissen sei, doch seien die durch diese Diagnose veranlaßte Probefusion und die endgültige Fusion der Segmente C1/C2 gleichwohl eine adäquate Folge des Unfalls. Der Kläger leide aufgrund des Unfalls und der Fusion der Segmente C1/C2 unter Einschränkungen der Beweglichkeit sowie einer Fehlhaltung und dadurch bedingten häufigen Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Kopfbereich sowie unter gelegentlichem Schwindel und Übelkeit, Tinnitus und einer Verschlechterung des Sehvermögens. Die Bewegungseinschränkungen seien gutachterlich festgestellt, die – nicht meßbaren – Schmerzen sowie Schwindel und Übelkeit habe keiner der Sachverständigen in Zweifel gezogen. Die Beeinträchtigungen seien nur aufgrund des Unfalls vom 25. März 1992 erklärbar, da Vorerkrankungen nicht festgestellt seien und der Unfall vom 6. Dezember 1993 nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung geführt habe. Auch habe der Kläger glaubhaft angegeben, daß alle Beeinträchtigungen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 25. März 1992 und der Fusion am 8. Mai 1996 entstanden seien. Ebenso wie die Sachverständigen habe das Gericht den Eindruck, daß der Kläger sich um eine wahrheitsgemäße Schilderung der Abläufe und Beeinträchtigungen bemüht habe und nicht etwa eine vorzeitige Versorgung ohne Arbeit erstrebe. Die Revision
sei zuzulassen, weil die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu § 287 ZPO grundsätzliche Bedeutung habe.

II.

Die Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. 1. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe bei dem Unfall vom 25. März 1992 eine HWS-Distorsion "nach Erdmann I" erlitten, läßt entgegen der Auffassung der Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die Frage, ob sich der Kläger bei dem Unfall überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, die haftungsbegründende Kausalität betrifft. Es hat, ohne § 286 ZPO in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu erwähnen, erkennbar den Regelungsgehalt dieser Vorschrift berücksichtigt , wonach der Nachweis des Haftungsgrundes den strengen Anforderungen des Vollbeweises unterliegt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192, 196; Senatsurteile vom 11. Juni 1968 – VI ZR 116/67 – VersR 1968, 850, 851; vom 20. Februar 1975 – VI ZR 129/73 – VersR 1975, 540, 541 und vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 15/85 – VersR 1987, 310, jeweils m.w.N.). Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewißheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" , sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr., vgl. BGHZ 53, 245, 256; BGH, Urteil vom 18. April 1977 – VIII 286/75 – VersR 1977, 721 und Se-
natsurteil vom 9. Mai 1989 – VI ZR 268/88 – VersR 1989, 758, 759). Diese Überzeugung hat das Berufungsgericht hier - ebenso wie schon das Landgericht - auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. gewonnen. Dessen Beurteilung gründet sich u.a. auf den Befund des erstbehandelnden Arztes Dr. S., der den Kläger am Unfalltag untersucht und dabei u.a. Röntgenaufnahmen und Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule vorgenommen hat. Dr. S. hat ausweislich seines Berichtes eine äußerlich unauffällige, frei bewegliche endgradig schmerzhafte Halswirbelsäule sowie einen leichten Stauchungsschmerz diagnostiziert und darüber hinaus angegeben, der 6. und 7. Halswirbelkörper seien deutlich druckschmerzhaft. Wie der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten ausgeführt hat, sind ähnliche Befunde in der Folgezeit auch von anderen Ärzten erhoben worden. Sie werden entgegen der Auffassung der Revision in ihrem Kern auch nicht durch die Ausführungen des Orthopäden Dr. P. in Frage gestellt, der in seinem für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft erstellten Gutachten vom 13. April 1993 einerseits zwar ein „echtes Schleudertrauma“ verneint, andererseits aber ebenso wie Dr. K. eine HWS-Distorsion Grad I bejaht hat. Aus revisionsrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hat, daß die Angaben des Klägers insgesamt glaubhaft erscheinen, zumal die von ihm geklagten Beschwerden von keinem der Sachverständigen letztlich in Zweifel gezogen worden sind. Bei dieser Sachlage konnte es nach freier Überzeugung zu dem Ergebnis kommen, daß der Verkehrsunfall vom 25. März 1992 bei dem Kläger eine HWSDistorsion im Sinne einer Körperverletzung ausgelöst hat. Insbesondere war das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet, hinsichtlich des Umfangs der Beschädigun-
gen der beteiligten Fahrzeuge und der sich daraus ergebenden kollisionsbe- dingten Geschwindigkeitsänderung ein Sachverständigengutachten einzuholen und sodann mittels eines biomechanischen Gutachtens der Frage nachzugehen , ob der Unfall geeignet war, eine HWS-Distorsion hervorzurufen. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht hat, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (OLG Hamm, NZV 2001, 468, 469; OLG Celle, OLG-Report 2002, 81; OLG Frankfurt, NZV 2002, 120). Die von der Revision herangezogene Auffassung, wonach bei Heckunfällen mit einer bestimmten, im Niedriggeschwindigkeitsbereich liegenden kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, die im Bereich zwischen 4 und 10 km/h anzusetzen sei ("Harmlosigkeitsgrenze"), eine Verletzung der Halswirbelsäule generell auszuschließen sei (vgl. OLG Hamm, NJW 2000, 878, 879, OLG Hamm, r+s 2000, 502; 503; OLG Hamm, DAR 2001, 361; OLG Hamm, NZV 2001, 303; KG, VersR 2001, 597 f.; OLG Hamm, r+s 2002, 111 f.; vgl. auch KG, KG-Report 2001, 163, 164), stößt in Rechtsprechung und Schrifttum zunehmend auf Kritik (vgl. OLG Celle, aaO, OLG Frankfurt, aaO; vgl. auch OLG Bamberg, NZV 2001, 470; Kuhn, DAR 2001, 344, 345 ff. m.w.N.) und wird insbesondere aus orthopädischer Sicht in Zweifel gezogen (Castro/Becke, ZfS 2002, 365, 366). Gegen die schematische Annahme einer solchen "Harmlosigkeitsgrenze" spricht auch, daß die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren abhängt, wobei u.a. auch der Sitzposition des betreffenden Fahrzeuginsassen Bedeutung beizumessen sein kann (vgl. Mazzotti /Castro, NZV 2002, 499, 500 m.w.N.). Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts erfolgte im Streitfall die Kollision, als der Kläger mit schräg nach rechts oben gewendetem Kopf nach oben blickte, um einen Blick auf die Lichtzeichenanlage zu werfen. Gesicherte medizinische Erkenntnisse zu der Frage, ob und in welcher Weise derartige
Muskelanspannungen und Kopfdrehungen die Entstehung einer HWS- Distorsion beeinflussen können, sind bisher nicht bekannt (vgl. OLG Hamm, NZV 2002, 322, 324; Castro/Becke, ZfS 2002, 365) und werden von der Revision auch nicht aufgezeigt. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, in welcher Weise ein Gutachten über die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung zu einer weiteren Aufklärung des Geschehensablaufs beitragen könnte, nachdem das Berufungsgericht aufgrund eingehender medizinischer Begutachtung und ausführlicher Anhörung des Klägers in tatrichterlicher Würdigung die Überzeugung gewonnen hat, daß durch den Unfall eine Körperverletzung des Klägers verursacht worden ist. 2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts, wonach die von dem Kläger geklagten Beschwerden – mit Ausnahme der behaupteten Konzentrationsstörungen und der geltend gemachten verminderten geistigen Leistungsfähigkeit – auf den Verkehrsunfall vom 25. März 1992 zurückzuführen sind. Mit dem Nachweis, daß der Unfall zu einer HWS-Distorsion und damit zu einer Körperverletzung des Klägers geführt hat, steht der Haftungsgrund fest. Ob über diese Primärverletzung hinaus der Unfall auch für die Beschwerden des Klägers ursächlich ist, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die sich gem. § 287 ZPO beurteilt. Bei der Ermittlung dieses Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter also nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192, 196 und Senatsurteile vom 11. Juni 1968 – VI ZR 116/67 -, vom 20. Februar 1975 – VI ZR 129/73 – und vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 15/85 -, jeweils aaO und m.w.N.). Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbil-
dung gestellt. Hier genügt, je nach Lage des Einzelfalles, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (ausführlich dazu Senatsurteil vom 7. Juli 1970 – VI ZR 233/69 – VersR 1970, 924, 926 f.). Diesen Grundsätzen, die in der Rechtsprechung seit langem geklärt sind (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 137, 142 ff. und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 – VersR 2000, 372 f.) und die im Streitfall - anders als das Berufungsgericht meint - keiner Weiterentwicklung bedürfen, wird das angefochtene Urteil entgegen der Auffassung der Revision gerecht. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei aufgrund der von ihm als glaubhaft erachteten Angaben des Klägers und der in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umstände des Falles die Überzeugung gewonnen, daß die im angefochtenen Urteil festgestellten Beschwerden des Klägers auf den Unfall zurückzuführen sind. Es ist davon ausgegangen, daß zwar die Ergebnisse der Sachverständigengutachten für sich allein nicht zum Beweis der Kausalität genügen, die Ursächlichkeit aber gleichwohl nachgewiesen sei. Dabei hat es in zulässiger Weise berücksichtigt, daß die Beeinträchtigungen, soweit sie nicht meßbar sind, von keinem der Sachverständigen in Zweifel gezogen worden seien und deren übereinstimmender Eindruck sei, daß der Kläger versuche , seine Beschwerden objektiv darzustellen. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht neben dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden vor allem dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, daß Vorerkrankungen als etwaige Ursachen bei allen Untersuchungen nicht festgestellt worden sind. Entgegen der Auffassung der Revision war es dem Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO nicht verwehrt, im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Feststellung zu gelangen, daß als einzig realistische Ursache für die Beschwerden des Klägers der Unfall vom 25. März 1992 in Betracht kommt (vgl. auch OLG Karlsruhe, NZV 2001, 511 f. mit NA-Beschluß des Senats vom 8. Mai 2001
- VI ZR 314/00). Den nachfolgenden Unfall vom 6. Dezember 1993 konnte das Berufungsgericht als Ursache ausschließen, weil dieser nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung des Gesundheitszustands geführt hat (zur Kausalität von zwei zeitlich einander folgenden Unfällen bei Eintritt eines Dauerschadens vgl. Senatsurteil vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – VersR 2002, 200 f.). Auch eine psychische Fehlverarbeitung scheidet nach Überzeugung des Berufungsgerichts als Ursache der Beschwerden aus. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden des Klägers nicht entgegen, daß diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch auf die im Rahmen der ärztlichen Behandlung vorgenommene Fusion des Segments C1/C2 zurückzuführen sind. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Fusion eine adäquate Folge des Unfalls ist, denn sie wurde vorgenommen , weil sich der Kläger wegen seiner nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden in ärztliche Behandlung begeben hat, in deren Verlauf eine Ruptur der Ligamenta alaria diagnostiziert wurde. Auf die Frage, ob diese Diagnose zutraf und deshalb eine Fusion des Segments C1/C2 indiziert war, kommt es nicht an, da der Schädiger dem Geschädigten grundsätzlich für den gesamten durch seine pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden und somit auch für etwaige Folgeschäden einzustehen hat, sofern diese in adäquatem Kausalzusammenhang mit der Erstschädigung stehen. Der notwendige haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang fehlt nur dann, wenn sich bei der Zweitschädigung nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht hat, dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen war und deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang besteht. Ist das der Fall, kann von dem Erstschädiger billigerweise nicht mehr verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Fol-
gen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88 – VersR 1988, 1273, 1274 und vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – aaO, S. 201, jeweils m.w.N.). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn wie im Streitfall im Rahmen einer unfallbedingten ärztlichen Behandlung die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden möglicherweise unzutreffend diagnostiziert und deshalb eventuell falsch behandelt worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr