Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Nov. 2014 - 3 M 1/14

bei uns veröffentlicht am12.11.2014

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 10. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner genehmigte mit Bescheid vom 07.08.2013 der Beigeladenen auf deren Antrag die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E82. Die Anlage hat eine Nabenhöhe von 138,00 m und einen Rotordurchmesser von 82,00 m. Standort der Anlage ist das Flurstück 1 der Flur 2 der Gemarkung C. Ausweislich des Lageplanes, der Teil der Antragsunterlagen der Beigeladenen ist, liegt ein Teil der von der Windenergieanlage ausgelösten Abstandsfläche – berechnet wohl nach Nr. 6.41 Abs. 3 der Handlungsempfehlungen zum Vollzug der LBauO M-V – auf dem Flurstück 3 der Flur 2 der Gemarkung C. Eigentümer dieses Flurstücks ist der Antragsteller. Er hat der Beigeladenen keine Baulast zur Sicherung der Abstandsfläche eingeräumt. Die Beigeladene hat insoweit die Zulassung einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 in Verbindung mit § 70 LBauO M-V beantragt. Der Antragsgegner erteilte innerhalb der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine Abweichung in Form der Reduzierung der Abstandsfläche auf die vom Rotor überstrichene Fläche.

2

Der Antragsteller legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, über den nach Aktenlage bislang nicht entschieden worden ist. Er hat zudem um vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung abgelehnt, die Berechnung der Abstandsfläche durch den Antragsgegner begegne hinsichtlich des Maßes 0,4 H keinen rechtlichen Bedenken, doch finde die Annahme des Antragsgegners, die Abstandsfläche beginne (erst) ab einem Kreis um den Fuß der Windenergieanlage mit einem Radius von 41 m und liege daher zum Teil auf dem Grundstück des Antragstellers, im Gesetz keine Stütze. Angesichts der „klaren Regelungen im § 6 LBauO, wonach auch bei Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, nur ein ‚Zuschlag’ auf die Bemessung der – ab der Außenwand zu berechnenden – Abstandsfläche auszubringen ist“, sei nicht erkennbar, aus welchem rechtlichen Grund der äußerste Ausliegerpunkt eines Windkraftanlagenrotors, als Kreis auf die Geländeoberfläche projiziert, erst den Beginn der Abstandsflächenberechnung markieren soll. Von den nur temporär in Richtung bestimmter benachbarter Grundstücke wirkenden Rotorflächen könne keine Abstandsflächenberechnung im Sinne des Antragsgegners ausgehen. Der Gesetzgeber habe erkennbar lediglich die Gebäudewirkung selbst zum Anlass genommen, von ihr als Ausgangsort für die Abstandsflächen auszugehen. Das Verwaltungsgericht folgt ausdrücklich der Rechtsprechung des VGH München (Urt. v. 28.07.2009 – 22 BV 08.3427, juris). Auch ohne Abstandsflächennachweis auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist es zu der Erkenntnis gekommen, dass die so berechnete Abstandsfläche der genehmigten Windenergieanlage vollständig auf dem Flurstück 1 liegt. Die erteilte Abweichungsgenehmigung erweise sich - ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankomme – als rechtswidrig, weil die Mindestabstandsfläche von 3 m nicht eingehalten sei.

3

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, in der er näher darlegt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Beginn der Abstandsfläche nicht gefolgt werden könne. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht im Ergebnis zur Rechtswidrigkeit der Abweichungsentscheidung gelangt. Dies auch deshalb, weil es an der erforderlichen grundstücksbezogenen Atypik fehle. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der Nutzung seines Flurstücks, das im Windenergieeignungsraum liege, für Zwecke der Windenergie sei unberücksichtigt geblieben und dies stelle einen Ermessensfehler dar. Dem Abstandsflächenrecht sei das Windhundprinzip fremd. Die Beigeladene könne eine Enercon E82 mit geringeren Ausmaßen errichten, ohne dass eine Abweichungsentscheidung hätte getroffen werden müssen.

4

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

5

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 10. Dezember 2013 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 7. August 2013 wieder herzustellen.

6

Der Antragsgegner beantragt,

7

die Beschwerde zurückzuweisen.

8

Er weist darauf hin, dass mit der Schaffung des § 67 LBauO M-V der Gesetzgeber das materielle Bauordnungsrecht insbesondere ohne Bindung an das Erfordernis des atypischen Einzelfalles vollzugstauglich flexibilisieren wollte und durch die erteilte Abweichung die Schutzzwecke des § 6 Abs. 1 LBauO M-V nicht berührt würden, weil es in einem Windenergieeignungsgebiet zu einem Nebeneinander von Windenergieanlagen und schützenwerter Bebauung kaum kommen könne. Der Antragsteller könne wegen des zu geringen Abstandes zu einer bereits errichteten und betriebenen Windenergieanlage auf dem Flurstück 4 nicht mit der Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf seinem Flurstück rechnen.

9

Die Beigeladene beantragt,

10

die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss und weist ergänzend darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Abweichungsentscheidung vorgelegen hätten. Es liege auch kein Ermessensfehler vor, weil die wirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks nicht Schutzzweck des Abstandsflächenrechts sei.

12

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

13

Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen Gründe, die nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO vom Beschwerdegericht zu prüfen sind, rechtfertigen eine Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht.

14

Der Senat kann im hier zu entscheidenden Beschwerdeverfahren offenlassen, ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass die (fingierte) Außenwand einer Windenergieanlage dort liegt, wo der Versatz des Rotors endet. Diese Rechtsauffassung könnte Bedenken begegnen, weil sie die Windenergieanlage in der Sache auf ein Gebäude bestehend aus dem Mast und der Gondel einschließlich des Rotors reduziert und damit die Rotorblätter und die von ihnen ausgehenden Wirkungen unberücksichtigt lässt. Gerade diese Besonderheit der baulichen Anlage Windenergieanlage hat aber zu der Rechtsprechung des Senats geführt, dass Windenergieanlagen Abstandsflächen einzuhalten haben, weil von ihnen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen und dass bei der Bestimmung des Maßes H der Rotor berücksichtigt wird (OVG Greifswald B.v. 30.05.2000 – 3 M 128/99, NVwZ 2001, 454 unter Bezugnahme auf OVG Münster B.v. 29.08.1997 – 7 A 629/95; Urt.v. 20.06.2006 – 3 L 91/00, NordÖR 2007, 78). Der Senat hat damit zum Ausdruck bringen wollen, dass auch von den Rotorblättern einer Windenergieanlage Wirkungen ausgehen können, die ähnlich sind wie die von einer geschlossenen Außenwand.

15

Selbst wenn im Sinne des Antragstellers die Rechtsauffassung zugrunde gelegt wird, dass sich die von dem genehmigten Bauwerk einzuhaltende Abstandsfläche in der Weise bestimmt, dass die fingierte Außenwand der Windenergieanlage dort beginnt, wo die von den Rotorblättern überstrichene Fläche, auf die Geländeoberfläche projiziert, endet und so im vorliegenden Einzelfall ein Teil der Abstandsfläche der genehmigten Windenergieanlage auf dem Grundstück des Antragstellers liegt, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil - gemessen an der allein zu berücksichtigenden fristgerecht vorgelegten Begründung der Beschwerde - die der Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Abweichung von der Pflicht zur Einhaltung der Abstandsfläche auf dem eigenen Grundstück den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.

16

Die Landesbauordnung M-V sieht in § 67 Abs. 1 die Möglichkeit einer Abweichung von Anforderungen der Landesbauordnung M-V vor. Dazu gehört auch die Abweichung von den Vorschriften des § 6 LBauO M-V. Entgegen dem Verwaltungsgericht ist daran festzuhalten, dass diese Abweichungsmöglichkeit auch erlaubt, von dem Mindestabstand von 3 m zur Grundstücksgrenze abzuweichen. Für die anderslautende Auslegung des Verwaltungsgerichts findet sich weder im Wortlaut des § 67 LBauO M-V noch in seinem Sinn und Zweck ein hinreichender Anhaltspunkt.

17

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 67 Abs. 1 LBauO M-V als eine zwingende tatbestandliche Voraussetzung der Abweichungsentscheidung die grundstücksspezifische Atypik angesehen (OVG Greifswald Urt.v. 04.12.2013 – 3 L 143/10, juris). Daran hält der Senat fest, sieht sich aber mit Blick auf die Besonderheiten von Windenergieanlagen und ihre bauplanungsrechtliche Zulässigkeit veranlasst, diesen Grundsatz zu modifizieren. Windenergieanlagen sind, sofern für sie Darstellungen im Flächennutzungsplan oder Ausweisungen als Ziele der Raumordnung erfolgen, an anderer Stelle im Außenbereich nur ausnahmsweise zu verwirklichen, weil gesetzlich vermutet wird, dass ihnen an anderer Stelle in der Regel öffentliche Belange entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB). Daraus folgt, dass Windenergieanlagen bauplanungsrechtlich jedenfalls dann regelmäßig nur auf den dafür durch einen Raumordnungsplan oder einen Flächennutzungsplan vorgesehenen Flächen errichtet werden können, wenn eine entsprechende Ausweisung erfolgt ist. Im Land Mecklenburg-Vorpommern sind durch die Regionalen Raumentwicklungsprogramme Windenergieeignungsräume als Ziele der Raumordnung ausgewiesen worden, in denen Windenergieanlagen errichtet werden können. Damit ist zugleich die Errichtung von Windenergieanlagen außerhalb dieser Windenergieeignungsräume grundsätzlich ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass die Flächen, auf denen Windenergieanlagen errichtet werden können, auf bestimmte Gebiete im Außenbereich begrenzt sind. Diese Flächen weisen die Besonderheit aus, dass bei ihrer Ausweisung in den Regionalen Raumentwicklungsprogrammen die Grundstücksgrenzen und die damit verbundenen Abstandsflächen innerhalb der Windenergieeignungsräume nicht als Abwägungsmaterial herangezogen werden, weil die Möglichkeit der Einhaltung von Abstandsflächen als rein grundstücksbezogene bauordnungsrechtliche Anforderung auf der Planungsebene der Raumordnung keine Rolle spielt. Dies führt dazu, dass innerhalb von Windenergieeignungsräumen unter dem Aspekt der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen Konflikte entstehen können, weil der Grundstückszuschnitt innerhalb dieses Gebietes kleinteilig ist und damit wegen der regelmäßigen Höhe der Windenergieanlagen und der damit einhergehenden Größe der Abstandsflächen die Errichtung von Windenergieanlagen wesentlich erschwert sein kann. Wenn innerhalb dieses Gebietes ein so hoher Grad an kleinteiliger Parzellierung besteht, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in der Regel auf einem Grundstück unter Einhaltung der Abstandsfläche auf dem Grundstück nicht möglich ist, würde das Bauordnungsrecht vielfach der Ausnutzung von Windenergieeignungsräumen entgegenstehen und die - an anderer Stelle ausgeschlossene – planungsrechtlich gewollte Ermöglichung der Errichtung von Windenergieanlagen verhindern. Das öffnet den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 LBauO M-V.

18

Mit dieser Auslegung des § 67 Abs. 1 LBauO werden die Grundstücksnachbarn nicht unzumutbar in ihren Rechten auf Ausnutzung ihres Grundstückes beeinträchtigt. Auch wenn bei dieser Auslegung die Möglichkeiten, die Abstandsfläche auf ein fremdes Grundstück zu legen, erweitert werden mit der Folge, dass die bauliche Ausnutzung dieses in Anspruch genommenen Grundstücks beeinträchtigt wird, werden die nachbarlichen Rechte und Interessen durch die gebotene Ermessensausübung hinreichend geschützt. Der Senat hat erhebliche Zweifel an der Rechtsauffassung, dass es sich bei diesem Ermessen um ein intendiertes Ermessen handelt mit der Folge, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände insbesondere beim Grundstück des Nachbarn die Abweichungsentscheidung zu versagen ist. Wegen der mit der Abweichungsentscheidung verbundenen Beeinträchtigung des Nachbarn ist eine volle Ermessensentscheidung zu treffen, in der alle für die Ermessenausübung maßgeblichen Umstände einzustellen und miteinander abzuwägen sind.

19

Aus dem fristgerechten Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abweichungsentscheidung im hier zu entscheidenden Einzelfall nicht vorliegen. Die Beschwerdebegründung stellt ihr abweichendes Verständnis des § 67 Abs. 1 LBauO M-V näher dar und begründet, weshalb aus ihrer Sicht eine anlagenbezogene Atypik nicht ausreicht und es daher bei der allgemeinen grundstücksbezogenen Atypik in dem Sinne bleibt, dass nur ein ungewöhnlicher Grundstückszuschnitt ausnahmsweise eine den Nachbarn belastende Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen des Abstandsflächenrechts erlaubt.

20

Der Senat kann offen lassen, ob sich die im hier zu entscheidenden Einzelfall getroffene Ermessenentscheidung als rechtmäßig erweist oder nicht. Innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist hat der Antragsteller zur Frage der ordnungsgemäßen Ermessenausübung keine Ausführungen gemacht, sondern sich auf Vorbringen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 LBauO M-V beschränkt. Die Darlegungen zur Fehlerhaftigkeit der konkreten Ermessenausübung des Antragsgegners finden sich erstmals im Schriftsatz vom 06.03.2014 und damit lange nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 16.01.2014. Solches nachträgliches erstmaliges Vorbringen kann bei der Entscheidung über die Beschwerde nicht mehr berücksichtigt werden (OVG Greifswald, B. v. 02.09.2002 – 2 M 39/02, NVwZ-RR 2003, 318; Guckelberger in Sodan/Ziekow VwGO 4. Aufl. 2014 § 146 Rn. 85).

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat sich durch Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, weshalb es gerechtfertigt ist, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.

22

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

23

Hinweis:

24

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Nov. 2014 - 3 M 1/14

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Nov. 2014 - 3 M 1/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Nov. 2014 - 3 M 1/14 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


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Baugesetzbuch - BBauG | § 35 Bauen im Außenbereich


(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 04. Dez. 2013 - 3 L 143/10

bei uns veröffentlicht am 04.12.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, üb

Referenzen

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung einschließlich der beantragten Abweichung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung eines in 3 m Entfernung von der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes.

2

Das Gebäude befindet sich auf den Flurstücken ... und ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt. Es ist in einem Abstand von 3 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Nachbargrundstück der Beigeladenen (Flurstück ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt) errichtet. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 7,80 m x 7,50 m. Im Erdgeschoss befinden sich eine Garage, ein Flur, ein Hobbyraum, ein Hauswirtschaftsraum sowie ein Raum mit WC und Dusche. Nachdem die dem Kläger bereits erteilte Baugenehmigung vom 11.06.2007 ein eingeschossiges Gebäude mit Flachdach vorgesehen hatte, begehrt der Kläger nunmehr die Änderung der Genehmigung für ein - so auch bereits errichtetes - eineinhalbgeschossiges Gebäude mit Satteldach. Im Obergeschoss ist ein Lagerraum vorgesehen, der nur in dem etwa 1,80 m breiten mittleren Bereich eine Höhe von 2,30 m erreicht. Der Zugang zu diesem Lagerraum ist über eine Außentreppe mit Podest auf der dem Grundstück des Beigeladenen zugewandten Südostseite des Gebäudes geplant. Dieser Gebäudeteil mit einer Breite von 4,80 m und einer Tiefe von 1 m soll nördlich angeordnet werden und auf eine Entfernung von 2 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze heranrücken. Das Dach weist über die gesamte Breite der Südostseite einen Überstand von 1 m auf.

3

Am 21.08.2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Genehmigung dieser Änderung im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V. Die Gemeinde erteilte hierzu das Einvernehmen. Mit Schreiben vom 12.10.2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, für eine Fläche von 7,50 m x 1 m eine Abstandflächenbaulast nachzuweisen, da in diesem Umfang die Abstandfläche auf das Nachbargrundstück falle. Mit der unter dem 14.11.2007 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung verlängerte der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V um einen Monat.

4

Mit Bescheid vom 18.12.2007 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, es fehle an einem Sachbescheidungsinteresse, weil die Treppe abstandflächenrechtlich unzulässig sei. Es handele sich nicht um ein gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V begünstigtes Bauteil, weil die Treppe nicht - wie die beispielhaft aufgezählten Gesimse und Dachüberstände - ausschließlich gestalterische Zwecke verfolge, sondern für die Benutzung, nämlich für den Zugang ins Dachgeschoss notwendig sei. Die Treppe sei eine Anlage, von der - wie sich aus ihrer Ausdehnung von fast 5 m Länge und mehr als 3 m Höhe ergebe, wobei für letztere auch das Geländer zu berücksichtigen sei - Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Die mögliche Einsichtnahme auf das Nachbargrundstück vom Podest der Außentreppe störe den nachbarlichen Frieden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Im Falle einer Genehmigung des Vorhabens wäre auf Grund der Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen (Bauordnungs-)Rechts eine Nutzungsuntersagung für die in Rede stehende Außentreppe zu verfügen. In Abwägung des Interesses des Klägers am Erhalt der beantragten Baugenehmigung mit dem öffentlichen Interesse an der Unterbindung baurechtswidriger Zustände überwiege das öffentliche Interesse. Die Pflicht der unteren Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden, ergebe sich aus § 58 Abs. 1 LBauO M-V.

6

Der Kläger reichte am 02.11.2010 erneut einen "Nachtrag zur Baugenehmigung" ein, der sich von dem ursprünglichen Änderungsantrag dadurch unterschied, dass die geplante Außentreppe südlich (statt nördlich) angeordnet werden sollte. Aus den selben Gründen, aus denen bereits die ursprünglich beantragte Änderungsgenehmigung versagt worden war, lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 25.01.2011 ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011 zurück.

7

Bereits am 16.05.2008 hatte der Kläger wegen des ursprünglichen Änderungsvorhabens (mit nördlich angeordneter Außentreppe) Klage erhoben und geltend gemacht: Die Außentreppe habe nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V als Bauteil bei der Bemessung der Abstandflächen unberücksichtigt zu bleiben. Die Entscheidung, einen Antrag wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen, stelle eine Ermessensentscheidung dar. Die ablehnende Entscheidung vom 18.12.2007 enthalte jedoch keine Ermessenserwägungen. Auch die Erwägungen im Widerspruchsbescheid reichten nicht aus. U.a. werde die Möglichkeit einer Abweichung nach § 67 LBauO M-V nicht berücksichtigt. Die Treppe trete auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung und beeinträchtige die Schutzfunktion der Abstandflächen nicht mehr als ein nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V zulässiger Balkon.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen: Die Außentreppe sei kein untergeordnetes Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V, sondern ein wesentliches, weil für die Erschließung des Dachgeschosses notwendiges Bauteil. Es handele sich um eine Anlage, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Da ein Abweichungsantrag nicht gestellt worden sei, habe ein solcher auch nicht Gegenstand von Ermessenserwägungen sein können.

13

Der Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. waren im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht beteiligt.

14

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2010 abgewiesen und ausgeführt: Eine Baugenehmigungsfiktion dürfte nicht eingetreten sein, weil der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag habe verlängern können und auch verlängert habe. Die Frage, ob dem Kläger wegen Eintritts einer Baugenehmigungsfiktion bereits das Rechtsschutzinteresse fehle, könne aber letztlich offen bleiben. Jedenfalls habe der Beklagte die beantragte Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagen dürfen. Es liege ein offensichtlicher Verstoß gegen Vorschriften des Abstandflächenrechts vor. Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein Bauteil bzw. einen Vorbau, der bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht bleibe. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abweichung zu beantragen, ändere nichts an der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach dieser Vorschrift habe oder der Beklagte ihm eine Abweichung erteilen wolle, und weil der Kläger auch nicht den nach § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderlichen Antrag gestellt habe. Das ihm bei der Versagung einer Baugenehmigung mangels Sachbescheidungsinteresse zustehende Ermessen habe der Beklagte spätestens mit dem Widerspruchsbescheid fehlerfrei ausgeübt.

15

Gegen das am 29.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 30.08.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 08.02.2011, zugestellt am 17.02.2011, die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 LBauO M-V mangels Sachbescheidungsinteresses abgelehnt werden darf, weil dem Vorhaben in diesem Verfahren gerade nicht zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen stehen.

16

Der Kläger hat die Berufung am 17.03.2011 begründet. Er trägt vor: Es treffe zu, dass eine Baugenehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Die beantragte Baugenehmigung dürfe nicht wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden. Das Abstandflächenrecht sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gerade nicht Prüfungsgegenstand. Der Fall, dass der Antragsteller an der Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert sei und das Hindernis sich schlechthin nicht ausräumen lasse, liege nicht vor. Die Baugenehmigung sei im Übrigen für den Bauherrn nicht etwa schon dann ersichtlich nutzlos, wenn die Behörde einen Verstoß gegen materielles Bauordnungsrecht feststelle, weil die Entscheidung über ein Einschreiten im Ermessen der Behörde stehe.

17

Der vom Verwaltungsgericht angenommene Verstoß gegen die Vorschriften des Abstandflächenrechts sei zweifelhaft. Dass ein Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V "untergeordnet" sein müsse, sei weder in der Vorschrift ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal gefordert noch folge dies aus der beispielhaften Aufzählung von Bauteilen. So dienten Dachüberstände ganz überwiegend dem Schutz des Gebäudes vor Witterungseinflüssen und hätten damit eine ganz eigenständige Funktion, die dem Gebäude nicht stärker untergeordnet sei als eine Außentreppe zum Dachgeschoss. Im übrigen handele es sich bei der Treppe aber auch um ein untergeordnetes Bauteil, weil sie sich von ihrer Ausgestaltung und ihren Abmessungen auf das zur Erfüllung ihrer Funktion Erforderliche beschränke. Sie trete zudem auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung, so dass die Belange des Abstandflächenrechts allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Wohnfriedens betroffen sein könnten. Die eventuell von der Treppe aus ermöglichte Einsicht des Nachbargrundstücks führe hier aber zu keiner größeren oder lästigeren Beeinträchtigung als dies bei in die Außenwand eingelassenen Fenstern oder einem nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegierten Balkon der Fall wäre.

18

Im übrigen sei die geplante Außentreppe abstandflächenrechtlich auch dann, wenn man sie nicht als untergeordnetes Bauteil einstufen wolle, ohne Abweichung zulässig. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Verlaufs der Grundstücksgrenze. Soweit die durch die Außentreppe etwa ausgelöste Abstandfläche mit einer Länge von 2,27 m und einer Tiefe von 1 m auf das Nachbargrundstück falle, liege dieser Bereich in einer "Ecke" des Nachbargrundstücks, die ohnehin nicht bzw. nur mit den ohne Abstandflächen zulässigen baulichen Anlagen bebaut werden dürfe, wobei die entsprechende Fläche sich auch nicht mit den für die potentielle Bebauung des Nachbargrundstücks notwendigen Abstandflächen überschneide.

19

Schließlich beschränke sich die Befugnis der Behörde zur Berücksichtigung nicht zu prüfender Gesichtspunkte auf eine Evidenzkontrolle. Im vorliegenden Fall erscheine aber die Legalisierung im Wege einer Abweichung mit gewisser Aussicht auf Erfolg möglich.

20

In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2013 hat der Kläger zu Protokoll des Gerichts beantragt, eine Abweichung nach § 67 LBauO M-V für das streitgegenständliche Vorhaben sowie für das mit Antrag vom 02.11.2010 zur Genehmigung gestellte Vorhaben zu erteilen.

21

Der Kläger beantragt,

22

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen,

23

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die am 02.11.2010 beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen.

24

Der Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Er trägt vor: Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein für die Bemessung der Abstandflächen unbeachtliches Bauteil. Sie erfülle einen funktionalen Hauptzweck, ohne den das Dachgeschoss nicht nutzbar wäre. Dies sei für die Bauaufsichtsbehörde ohne umfassende Prüfung erkennbar gewesen. Da die Treppe nur einen Abstand von 2 m zur Grundstücksgrenze aufweise und der Nachbar eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er einer Übernahme der Abstandflächen auf sein Grundstück nicht zustimmen werde, sei es für die Bauaufsichtsbehörde evident, dass sich der bauordnungsrechtliche Hinderungsgrund schlechthin nicht ausräumen lasse. Es sei offensichtlich, dass von einer Baugenehmigung kein Gebrauch gemacht werden könnte. Wie der Abstandflächenverstoß im Wege einer Abweichung legalisiert werden könnte, sei nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts zwinge die Bauaufsichtsbehörde, gegen den ihr bekannten Rechtsverstoß umgehend einzuschreiten; ihr Ermessen tendiere gegen Null.

27

Die Beigeladenen zu 2. und 3. sind im Berufungsverfahren beigeladen worden. Sie stellen ebenso wie der Beigeladene zu 1. keine Anträge. Der Beigeladene zu 2. trägt vor: Er verwahre sich gegen den Bau der Außentreppe, da diese massive Auswirkungen auf die Nutzung seines Grundstücks hätte. Der Eingang seines Hauses liege genau an der Grundstücksgrenze und sei derzeit durch einen blickdichten Zaun vom Nachbargrundstück getrennt, über den der Kläger aber, sollte die Treppe genehmigt werden, ohne Schwierigkeiten hinwegblicken und genau in seinen Hauseingang hineinsehen könnte. Auch seine Terrasse liege unmittelbar neben der Haustür und könnte durch den Kläger ebenfalls uneingeschränkt eingesehen werden. Hinzu komme, dass bereits die jetzige Bebauung auf dem Grundstück des Klägers ihn beeinträchtige. Bei einem Blick aus der Haustür nach links sehe er nur noch auf Mauern. Sollte nun auch die Treppe gebaut werden dürfen, würde die bisherige fast schon bedrohlich wirkende Situation noch verschärft werden. Die Durchführung eines Ortstermins werde angeregt. Sollte der Klage stattgegeben werden, werde er wegen der Verletzung der Abstandflächen ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde beantragen.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung hat mit dem Hauptantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

30

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere, nachdem der Beschluss über die Zulassung der Berufung den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.02.2011 zugestellt worden war, mit dem am 17.03.2011 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage fristgerecht binnen eines Monats begründet worden, § 124a Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

31

Der Hauptantrag ist zulässig, auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Klage auf die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts erweitert hat. Diese Erweiterung der Klage ist sachdienlich, § 91 Abs. 1 VwGO. Der Streitstoff bleibt im Wesentlichen derselbe, und die Klageänderung dient der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs, so dass ein weiterer Prozess vermieden wird.

32

Die Ablehnung der Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Abweichungsbegehrens und in diesem Zusammenhang auf erneute Entscheidung über die Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

33

Der Kläger ist nicht bereits Inhaber einer Baugenehmigung. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorhaben im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen war, ist eine Baugenehmigungsfiktion nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V nicht eingetreten. Die dreimonatige Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, 1. HS LBauO M-V, die mit dem Eingang des Antrags am 21.08.2007 in Lauf gesetzt worden war, wurde mit dem Anhörungsschreiben des Beklagten vom 14.11.2007 um einen Monat verlängert, § 63 Abs. 2 Satz 1, 2. HS LBauO M-V. Diese verlängerte Frist wurde durch den ablehnenden Bescheid vom 18.12.2007 gewahrt.

34

Grundsätzlich ist eine beantragte Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Soweit der Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens eröffnet ist, prüft die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 63 Abs. 1 LBauO M-V (1.) die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, (2.) beantragte Abweichungen im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 Satz 2 LBauO M-V sowie (3.) andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Abweichung insoweit ausdrücklich beantragt hat, ist daher in jedem Fall auch das Abstandflächenrecht Prüfungsgegenstand.

35

Bedenken gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß §§ 29 ff. BauGB bestehen nicht. Ebenso wenig sind sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens erkennbar, außer im Hinblick auf die Anforderungen des § 6 LBauO M-V. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu, § 67 Abs. 1 LBauO M-V.

36

Das Vorhaben steht mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts gemäß § 6 LBauO M-V nicht in Einklang. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Die Tiefe der Abstandfläche beträgt 0,4 H, mindestens aber 3 m, wobei das Maß H der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand entspricht (§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V bleiben vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht. Entsprechendes gilt gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V für Vorbauten, wenn sie a) insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, b) nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und c) mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben. Gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V sind in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben des Klägers nicht.

37

Zwar hält der Baukörper selbst die gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V erforderliche Abstandfläche von 0,4 H, mindestens aber 3 m ein. Da der südöstliche Giebel 6,17 m hoch ist, wären 0,4 H lediglich 2,47 m, so dass es ausreicht, dass die Mindestabstandfläche von 3 m gewahrt wird. Die Außentreppe zum Obergeschoss soll jedoch lediglich 2 m entfernt von der Grundstücksgrenze errichtet werden; sie hält damit den erforderlichen Grenzabstand von 3 m nicht ein.

38

Um ein abstandflächenrechtlich insgesamt privilegiertes Gebäude nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V handelt es sich nicht, weil im Erdgeschoss des Gebäudes ein Hobbyraum und damit ein Aufenthaltsraum vorgesehen ist (vgl. Heintz in: Gädtke u.a. BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 233 f.).

39

Die Außentreppe kann bei der Bemessung der Abstandflächen auch nicht gemäß § 6 Abs. 6 LBauO M-V unberücksichtigt bleiben. Die Treppe ist kein "vor die Außenwand vortretendes Bauteil wie Gesimse und Dachüberstände" im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V. Eigenständig benutzbare Teile bzw. Teilbereiche des Gebäudes können allenfalls unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegiert sein. Denn dieser Regelung ist die Wertung zu entnehmen, dass eine mit der Gewinnung weiterer nutzbarer Fläche verbundene Ausdehnung des Baukörpers in die Abstandflächen jedenfalls nur bei Einhaltung der in der Vorschrift konkret bestimmten Abmessungen zulässig sein soll. Gegen diese Unterscheidung von Bauteilen und Vorbauten kann auch nicht die bis zum 01.09.2006 geltende Fassung der entsprechenden Regelung der Landesbauordnung angeführt werden. Nach deren § 6 Abs. 7 blieben vor die Außenwand vortretende Bauteile, wie Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen, sowie Vorbauten, wie Erker und Balkone, bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortraten; von gegenüberliegenden Nachbargrenzen mussten sie mindestens 2 m entfernt bleiben. In dieser Vorschrift wurden zumindest Hauseingangstreppen (denen in der Rechtsprechung zum Teil äußere Zugangstreppen in Obergeschosse gleich gestellt wurden, vgl. OVG Koblenz B. v. 21.05.1996 - 8 B 11 166/96 - NVwZ-RR 1997, 668, 669 und OVG Saarlouis U. v. 30.07.1991 - 2 R 451/88 - BRS 52 Nr. 99 = Juris Rn. 29 ff.; anders OVG Münster U. v. 17.01.2008 - 7 A 2761/06 - Juris Rn. 22 ff.) als vor die Außenwand vortretende Bauteile und nicht als Vorbauten angesehen. Diese Rechtsprechung kann zur heutigen Gesetzesfassung jedoch nicht mehr herangezogen werden. Handelt es sich vorliegend nicht um ein vor die Außenwand vortretendes Bauteil, so kommt es auf die Frage, ob und inwieweit dessen abstandflächenrechtliche Privilegierung zusätzlich eine Unterordnung funktionaler und/oder quantitativer Art erfordert (vgl. VGH München U. v. 23.03.2010 - 15 B 08.2180 - Juris Rn. 25; Rauscher in Simon/Busse BayBO Art. 6 Rn. 406 ff.; vgl. auch die Ausführungen des Senats zu § 10 Abs. 3 Satz 3 BauNVO im U. v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 -, S. 13), nicht mehr an.

40

Die Außentreppe erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V. Sie entspricht jedenfalls nicht den dortigen Maßfestlegungen, weil sie insgesamt mehr als ein Drittel der Breite der entsprechenden Außenwand in Anspruch nimmt. Welche Anforderungen im übrigen an einen Vorbau zu stellen sind, insbesondere ob dessen Höhe auf die Höhe eines Geschosses begrenzt sein muss (vgl. OVG Berlin B. v. 25.03.1993 – 2 S 4.93 – BRS 55 Nr. 21 = Juris Rn. 32; OVG Münster B. v. 29.11.1985 – 7 B 2402/85 – BRS 44 Nr. 101; vgl. auch die ausdrückliche gesetzliche Regelung für Erker in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO), und ob es auch unter der aktuellen Gesetzeslage einer funktionalen Zu- und Unterordnung im Verhältnis zu dem hinter dem Vorbau liegenden Bereich des Hauptgebäudes bedarf (vgl. die Rechtsprechung des Senats zur früheren Gesetzeslage: U. v. 26.10.2000 – 3 L 106/00 – Juris Rn. 23 mwN; U. v. 23.06.1998 – 3 L 227/97 – NordÖR 1998, 402 = Juris Rn. 56; B. v. 12.07.1996 – 3 M 36/96 – Juris Rn. 23 mwN; vgl. aber auch VGH München B. v. 14.06.2007 – 1 CS 07.265 – Juris Rn. 34, wo für das dortige Landesrecht eine entsprechende Auffassung als durch die Neufassung der Abstandflächenvorschriften überholt angesehen wird), kann deshalb dahinstehen.

41

Der Verstoß kann jedoch durch die Zulassung einer Abweichung ausgeräumt werden. Dies gilt auch, soweit der Dachüberstand nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibt (zur Tiefe des nach dieser Vorschrift bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibenden Dachüberstandes vgl. U. d. Senats v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 - S. 13 mwN).

42

Die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Landesbauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar sind. Der gemäß § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderliche gesonderte schriftliche Antrag ist nunmehr gestellt worden; die erforderliche Begründung ergibt sich aus dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren.

43

Die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie setzt allerdings einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zu Grunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine grundstücksbezogene Atypik handeln. § 67 LBauO M-V ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen (vgl. OVG Münster, U. v. 29.10.2012 – 2 A 723/11 – Juris Rn. 82 mwN).

44

Diese grundstücksbezogene Atypik liegt hier in dem außergewöhnlichen Grundstückszuschnitt mit einer Grundstücksgrenze, die von der Höhe der Wohnhäuser bis zur Straße mehrfach zu Lasten des klägerischen Grundstücks verspringt und für ein Gebäude mit einer Kubatur wie vom Kläger beantragt an diesem Standort, an dem sich eine entsprechende Bebauung auch nach der Bebauung der näheren Umgebung als angemessen darstellt, wenig Raum lässt. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass auf dem betroffenen Nachbargrundstück in dem Bereich zur Straße hin ebenfalls ein nicht nur grenznahes, sondern grenzständiges Nebengebäude vorhanden ist, und sich auf dem Grundstück des Klägers in Höhe des Vorhabenstandortes in der Vergangenheit bereits ein grenzständiges Nebengebäude befand, das erst im Zusammenhang mit der Errichtung des nunmehrigen Gebäudes abgerissen wurde. Allerdings erstreckt sich das Grundstück des Klägers noch weit in den rückwärtigen, von der Straße aus gesehen jenseits der Wohnhäuser liegenden Bereich. Auf die Frage, ob eine Anordnung des Gebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich bauplanungsrechtlich zulässig wäre, wie die Vertreterin des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kommt es jedoch nicht an. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, das Gebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich zu errichten, weil dieses auch eine Garage umfasst, und die Zufahrt zu dieser bei entsprechender Anordnung des Gebäudes über eine erhebliche Länge am Wohnhaus vorbei in den rückwärtigen Grundstücksbereich geführt werden müsste. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung der dortigen Nachbarn nicht angemessen.

45

Bei dem grenzständigen Nebengebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2. und 3. handelt es sich um eine dem heutigen Abstandflächenrecht nicht entsprechende Bebauung erheblichen Umfangs, mit der Folge dass diese gehindert wären, eine Verletzung der Abstandflächen geltend zu machen. Das Stallgebäude auf dem Flurstück ... ist mit seiner etwa 7 m breiten südwestlichen Giebelseite vollständig grenzständig errichtet und überschreitet eine Höhe von 3 m deutlich. Die etwa 15 m langen Nordwestseite des Stallgebäudes hält zum Nachbargrundstück des Klägers lediglich einen Abstand von zwischen 2 m an der nördlichen Ecke und 0,6 m an der westlichen Ecke ein. Damit wird auch die Vorgabe des § 6 Abs. 7 Satz 2 nicht beachtet, nämlich dass die Länge der die Abstandflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden privilegierten Bebauung auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten darf.

46

Hält der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht ein und setzt sich dennoch gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr, so liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor (vgl. VGH Mannheim U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Für die Vergleichbarkeit wechselseitiger Rechtsverstöße ist neben dem Maß des Grenzabstands die Qualität der Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. OVG Münster aaO). Vorliegend übersteigt der Umfang der Abstandflächenverletzung durch das Stallgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen diejenige durch die Außentreppe zum Obergeschoss des klägerischen Nebengebäudes um ein Mehrfaches. Eine besondere Qualität der Beeinträchtigung durch die Außentreppe, die dies aufwiegen könnte, ist nicht erkennbar. Belange der Belichtung und Besonnung sowie des Brandschutzes werden nicht berührt. Der nachbarliche Wohnfrieden ist allerdings durch erhöhte Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Beigeladenen berührt. Der Umfang dieser Einsichtsmöglichkeiten ist jedoch geringfügig, weil die Außentreppe zu einem Raum führt, der als Lagerraum genutzt werden soll. Dem entsprechend gering ist die Nutzungsintensität einzuschätzen; dass Personen auf der Treppe oder dem Podest verweilen, ist nicht zu erwarten. Wegen der zu erwartenden geringen Nutzungsintensität ist auch nicht damit zu rechnen, dass von der Benutzung der Treppe in erheblichem Umfang Lärmimmissionen – insbesondere durch das Treten auf die Metallkonstruktion – ausgehen werden.

47

Aus den selben Gründen liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung vor, nämlich dass die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die durch das Vorhaben des Klägers bewirkte Abstandflächenverletzung ist dem Umfang nach geringfügig; eine Beeinträchtigung von Schutzzwecken des Abstandflächenrechts scheidet nahezu aus. Die Außentreppe führt nicht zu Aufenthaltsräumen, ist also einer Nutzung zugeordnet, die nach der Wertung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V auch in den Abstandflächen zulässig ist. Die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V, nämlich dass bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und in Stand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden, sind gewahrt.

48

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird darauf hingewiesen, dass allein eine bereits bestehende abstandflächenwidrige Bebauung auf dem Nachbargrundstück nicht ausreicht, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 LBauO M-V zu erfüllen und die Möglichkeit einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu eröffnen. Hinzu kommen müssen weitere grundstücksbezogene Besonderheiten wie hier der außergewöhnliche Grundstückszuschnitt. Die Zulassung einer Abweichung ist ferner bereits tatbestandlich ausgeschlossen, wenn sie geeignet ist, eine ohnehin im Hinblick auf die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V problematische Bebauungssituation zu verschlechtern oder zu verfestigen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

49

Die Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 LBauO M-V steht im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist hier angesichts bestehender anderer baulicher Möglichkeiten, einen Zugang zum Obergeschoss zu schaffen, nicht auf Null reduziert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger zum Gegenstand seines Hilfsantrags gemachte alternative Anordnung einer Außentreppe, gegebenenfalls aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit, im Inneren des Gebäudes einen Zugang zu schaffen.

50

Über den Hilfsantrag war nicht mehr zu entscheiden, da dieser nach dem Verständnis des Senats nur für den Fall gänzlicher Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellt sein sollte.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

52

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.