Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 4 M 158/08

bei uns veröffentlicht am03.12.2008

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 15.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren (Az. 4 K 31/08) um die Rechtmäßigkeit verschiedener Satzungen des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Trinkwasserversorgung.

2

Die Antragstellerin ist Mitglied des Antragsgegners, der die der kommunalen Selbstverwaltung (§ 2 Abs. 2 KV M-V) zuzuordnenden öffentlichen Aufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung für seine Mitgliedsgemeinden erfüllt.

3

Der Antragsgegner erhob in der Vergangenheit auf der Grundlage der Satzung des Zweckverbandes Radegast über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für die Wasserversorgung (Wasserbeitragssatzung) vom 29. April 2002, zuletzt geändert durch die 4. Änderungssatzung zur Wasserbeitragssatzung vom 15. Dezember 2006, sowie der Satzung des Zweckverbandes Radegast über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wassergebührensatzung) in der Fassung der 1. Änderungssatzung zur Wassergebührensatzung vom 29. Dezember 2003 zur Refinanzierung seines Aufwandes bzw. seiner Kosten Anschlussbeiträge und Gebühren. Die entsprechenden Satzungen sind bislang in gerichtlichen Verfahren nicht in einer ihre Wirksamkeit berührenden Weise beanstandet worden. Der Antragsgegner hat in der Vergangenheit Beiträge in Höhe von ca. 2 Mio. vereinnahmt; demgegenüber steht ein nicht durch entsprechende Beitragsfestsetzungen ausgeschöpftes Beitragsvolumen von ca. 10 Mio. .

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Im Ergebnis eines mehrere Monate in Anspruch nehmenden Normsetzungsverfahrens, das insbesondere von Unstimmigkeiten zwischen Mitgliedern des Antragsgegners und der Verbandsvorsteherin geprägt war und in dem der Antragsgegner anwaltlichen Sachverstand zu Rate gezogen hatte, der verschiedene Risiken des Vorhabens benannte, beschloss die Verbandsversammlung am 22. Oktober 2008 mehrheitlich - u.a. gegen die Stimme der Antragstellerin - jeweils die streitgegenständliche, am 23. Oktober 2008 ausgefertigte und am 05. November 2008 bekannt gemachte

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Satzung zur Aufhebung der Satzung des Zweckverbandes Radegast über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für die Wasserversorgung (Aufhebungssatzung zur Wasserbeitragssatzung), die rückwirkend zum 04. Mai 2002 in Kraft getreten ist (Art. 2),

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die Satzung zur Aufhebung der Satzung des Zweckverbandes Radegast über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Aufhebungssatzung zur Wassergebührensatzung), die am 01. Januar 2009 in Kraft tritt, und

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die Satzung des Zweckverbandes Radegast über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung), die am 01. Januar 2009 in Kraft tritt; gleichzeitig tritt die Wasserversorgungssatzung vom 29. April 2002 außer Kraft.

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§ 1 Abs. 4 Wasserversorgungssatzung bestimmt dabei, dass der Anschluss an die öffentliche Einrichtung und Wasserlieferung durch den ZV Radegast - zukünftig - privatrechtlich nach Maßgabe der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBl. I S. 684) in der jeweils geltenden Fassung sowie der Ergänzenden Bedingungen des ZV Radegast zur AVBWasserV, die als Anlagen 1 und 2 Bestandteil der Satzung sind, erfolgen.

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Die Antragstellerin hat am 12. November 2008 sowohl den Normenkontrollantrag in der Hauptsache als auch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

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Sie befürchtet als Grundstückseigentümerin im Verbandsgebiet belegener Grundstücke, zukünftig wegen des zusätzlichen Kreditbedarfs des Antragsgegners dauerhaft nach ihrer Auffassung überhöhte Verbrauchsentgelte entrichten zu müssen. Darüber hinaus seien diese Entgelte nicht kostendeckend, was zur Konsequenz haben werde, dass die Antragstellerin zukünftig zu höheren Verbandsumlagen herangezogen werde. Sie trägt zudem umfänglich vor, warum die Systemumstellung bei der Refinanzierung des Aufwandes und der Kosten rechtswidrig sei.

11

Die Antragstellerin beantragt,

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durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin folgende, jeweils am 23.10.2008 ausgefertigten und am 05.11.2008 in der SVZ (Gadebusch-Rhenaer Zeitung) bekannt gegebenen Satzungen außer Vollzug zu setzen:

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a) Aufhebungssatzung zur Wasserbeitragssatzung (rückwirkend zum 04.05.2002 in Kraft getreten),

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b) Aufhebungssatzung zur Wassergebührensatzung (zum 01.01.2009 in Kraft tretend)

15

c) Wasserversorgungssatzung nebst AVBWasserV (Anlage 1), Ergänzende Bestimmungen zur AVBWasserV (Anlage 2) (zum 01.01.2009 in Kraft tretend).

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

18

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffenen Satzungen und trägt vor, die Entgelte für den Wasserverbrauch seien - unter Mitfinanzierung des Bereichs Trinkwasser durch den Bereich Schmutzwasser - für die Jahre 2009 bis 2012 dergestalt kostendeckend, dass Unterdeckungen im Bereich Trinkwasser nicht durch Umlagen zu decken seien.

19

Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich erfolglos beim Verwaltungsgericht Schwerin um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren nachgesucht, dass die Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden solle, bestimmte näher umschriebene rechtsaufsichtliche Maßnahmen gegen den Antragsgegner zu erlassen (Az. 1 B 923/08); die gegen den ablehnenden Beschluss vom 21. November 2008 gerichtete Beschwerde hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 27. November 2008 zurückgewiesen (Az. 2 M 166/08).

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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Gerichtsakten verwiesen.

II.

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

22

Einstweiliger Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung wird im Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO auf Antrag gewährt, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen Gründen dringend geboten ist. Dabei sind an den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren entsprechend § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG - hohe Anforderungen zu stellen (OVG M-V, Beschl. v. 17.10.2000 - 4 M 74/00 - u. v. 29.12.2005 - 3 M 165/05 -). Wegen der weit reichenden Folgen, die die Aussetzung des Vollzugs einer Rechtsnorm für eine unbestimmte Anzahl von Personen und Behörden hat, ist an die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (so schon OVG M-V, Beschl. v. 30.12.1993 - 4 M 5/93 - m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass der in § 47 Abs. 6 VwGO verwendete Begriff des "schweren Nachteils" strenger ist als der Begriff "wesentliche Nachteile" in § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO. Schon der abweichende Wortlaut der Norm verlangt die Anwendung eines strengeren Maßstabs als im Anwendungsbereich von § 123 VwGO. In Anlehnung an § 32 BVerfGG ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, da er zumindest teilweise die begehrte Entscheidung in der Hauptsache vorweg nimmt, daher nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn Rechte oder rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers in ganz besonderem Maße beeinträchtigt oder den Betroffenen außergewöhnliche Opfer abverlangt werden. Die für den Erlass sprechenden Gründe müssen so schwer wiegen, dass die einstweilige Anordnung gleichsam unabweisbar erscheint. Diejenigen Nachteile, die sich regelmäßig aus dem Vollzug der angefochtenen Rechtsnorm ergeben, falls sich der Normenkontrollantrag in der Hauptsache als begründet erweist, müssen dabei außer Betracht bleiben. Sie können nicht als "besondere" und damit schwere Nachteile angesehen werden. Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrages in der Hauptsache sind hierbei insofern von Bedeutung, als jedenfalls bei offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags in der Hauptsache der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel schon deshalb abzulehnen ist (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 14.10.2003 - 4 M 66/03 - u. 29.12.2005 - 4 M 165/05 -, unter Hinweis auf OVG M-V, Beschl. v. 20.11.1997 - 3 M 145/97 -, NuR 1999, 237; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, §47 Rn. 153). Erweist sich der Normenkontrollantrag weder als offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet bzw. begründet, ist zu prüfen, ob die Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift in der Zeit bis zur Entscheidung des Normenkontrollantrages in der Hauptsache für den Antragsteller einen schweren Nachteil bedeutet (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 22.12.2004 - 4 M 301/04 -, NordÖR 2005, 161, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 29.04.1969 - 1 BvR 47/69 -, BVerfGE 25, 367 <370>).

23

Hiervon ausgehend erweist sich der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der vorbezeichneten Satzungen gerichtete Normenkontrollantrag in der Hauptsache weder als offensichtlich unzulässig (1.) noch als offensichtlich unbegründet oder begründet (2.). Die danach zu treffende Folgenabwägung ergibt, dass die Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschriften bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die Antragstellerin keinen schweren Nachteil begründet und der Erlass der einstweiligen Anordnung auch nicht aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten erscheint (3.).

24

1. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag ist nicht offensichtlich unzulässig. Er ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 13 AGGerStrG statthaft und fristgerecht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.

25

Die Antragstellerin ist insbesondere auch antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

26

An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten. Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in ihren subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt danach, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.11.2007 - 7 BN 4.07 -, juris; Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215, 217; Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN 1.98 -, BVerwGE 108, 182, 184; Urt. v. 17.05.2000 - 6 CN 3.99 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 141; Beschl. v. 22.08.2005 - 6 BN 1.05 -, Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 263).

27

Die Antragstellerin beruft sich im Hinblick auf die von ihr zukünftig infolge des Systemwechsels in der (Re-) Finanzierung der Trinkwasserversorgung durch die angegriffenen Satzungen befürchtete zusätzliche Belastung durch eine Erhöhung der Verbandsumlage nach § 162 Abs. 1 Satz 1 KV M-V jedenfalls sinngemäß auf ihre aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht folgende Finanzhoheit und die damit einhergehende Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art. 72 Abs. 1 Verf M-V; vgl. dazu Meyer, in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 73 Rn. 1 ff. und Art. 72 Rn. 31, 50 ff.) und ihr daraus folgendes Recht, sich gegen für sie finanziell nachteilige Regelungen zur Wehr setzen zu können (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 08.06.2005 - 4 M 16/05 - zur Erhöhung der Amtsumlage).

28

2. Der Normenkontrollantrag ist auch nicht offensichtlich unbegründet oder begründet.

29

Eine "offensichtliche" Unbegründetheit oder Begründetheit liegt jedenfalls nicht vor, wenn im Hauptsacheverfahren schwierige Rechtsfragen zu prüfen sind (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 08.06.2005 - 4 M 16/05 -; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 47 Rn. 153; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 139 m.w.N.). Nichts anderes kann für den Fall dort zu untersuchender komplexer Tatsachenfragen oder eine noch erforderliche Sachverhaltsaufklärung gelten.

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Derartig schwierige Rechtsfragen stellen sich im Hauptsacheverfahren: Dort wird mit Blick auf den vom Antragsgegner mit den angegriffenen Satzungen vorgenommenen Systemwechsel in der (Re-) Finanzierung der Trinkwasserversorgung und den einhergehenden vollständigen Verzicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen insbesondere die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im Mittelpunkt der rechtlichen Überlegungen stehen. Nach dieser Vorschrift sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden.

31

Das Verwaltungsgericht Greifswald, auf dessen Rechtsprechung sich die Antragstellerin beruft, hat aus dieser Soll-Vorschrift einen Grundsatz der Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung bzw. die Unzulässigkeit eines "reinen Gebührenmodells" - übertragbar auf das vorliegend in Rede stehende "reine Entgeltsystem" - abgeleitet. Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bzw. für die Frage, wann eine atypische Situation ein Abweichen von der grundsätzlichen Beitragserhebungspflicht erlauben kann, seien - ausschließlich - systematische Erwägungen maßgebend. Vor allem werde diese Auslegung durch § 44 Abs. 3 KV M-V determiniert, da es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Greifswald bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um eine "bereichsspezifische Ausprägung" des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes handele. Daraus folge, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eine Reduzierung des Kreditbedarfs zur Refinanzierung der Investitionen in die öffentliche Trinkwasserversorgungseinrichtung bezwecke. Eine Ausnahme von dieser Zwecksetzung sei nur zulässig, wenn die Eigenkapitalausstattung des Einrichtungsträgers so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige (vgl. zum Ganzen VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 - 3 A 1395/05 -, NordÖR 2008, 357; Beschl. v. 27.10.2008 - 3 B 1161/08 -). Schon vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erscheint der Normenkontrollantrag in der Hauptsache auf der einen Seite nicht als offensichtlich unbegründet.

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Dieser rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts Greifswald beruht allerdings wesentlich auf auch der Annahme, dass die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im Ergebnis außer Betracht bleiben könne. Ob die hierfür angeführten Gründe sich letztlich als tragfähig erweisen, erscheint dabei nicht zwingend; der Normenkontrollantrag ist daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts auf der anderen Seite auch nicht offensichtlich begründet. Der Umstand, dass es im Gesetzgebungsverfahren eine "Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation" gegeben hat, macht einen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers nicht unbedingt unmöglich. Ebenso erschließt sich nicht ohne Weiteres, warum nicht nach dem Willen des Gesetzgebers einerseits die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgeblich sein können, andererseits - ggfs. infolge der Erfüllung eben solcher Kriterien - aber auch eine bisher rechtswidrige Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden sollte. Der Umstand, dass dabei mit "offenen Rechtsbegriffen" zu arbeiten wäre, erscheint eher unproblematisch. Dass die Schlussfolgerung gerechtfertigt ist, das gesetzlich angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis sei bei Zulassung aller im Gesetzgebungsverfahren angesprochenen Möglichkeiten für eine atypische Situation weitgehend aufgehoben, erscheint zweifelhaft. Schließlich kann nicht außer Betracht gelassen werden, dass der Gesetzgeber an die Stelle der Vorläuferbestimmung, derzufolge Beiträge "zu erheben sind", mit § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eine "Soll"-Vorschrift gesetzt hat. Eine Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, die im Ergebnis diese Gesetzesänderung letztlich rückgängig machte bzw. nicht beachtete, erscheint unzulässig.

33

Demgegenüber können der Entstehungsgeschichte auch Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber in einem Fall wie dem vorliegenden insbesondere im Hinblick auf Rückabwicklungsprobleme einen Systemwechsel gerade nicht erlauben wollte (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 75). In diese Richtung zielt auch das Vorbringen der Antragstellerin, wonach vom Gesetzgeber ggfs. in den Blick genommene Ausnahmekriterien im Falle des Antragsgegners nicht vorlägen. Selbst wenn die Antragstellerin damit durchaus ernst zu nehmende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Satzungen aufwirft, lässt sich hieraus nicht ableiten, der Normenkontrollantrag sei offensichtlich begründet.

34

Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V handele es sich um eine "bereichsspezifische Ausprägung" des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes der eingeschränkten Zulässigkeit von Kreditaufnahmen, erscheint jedenfalls diskussionswürdig. Möglicherweise ebenso naheliegen könnte unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte die Auslegung, § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V stelle als lex posterior in gewissem Umfang eine gegenüber § 44 Abs. 3 KV M-V speziellere Vorschrift dar.

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Darüber hinaus - auch damit ist die besondere Schwierigkeit des Verfahrens in der Hauptsache angesprochen - führt die Entscheidung des Antragsgegners für den angesprochenen Systemwechsel in vielerlei Hinsicht auf "rechtliches Neuland". So stellen sich z.B. vielfältige, bislang weitgehend ungeklärte Fragen der Rückabwicklung bereits erhobener Anschlussbeiträge, der Zulässigkeit "rückwirkender" Baukostenzuschüsse (vgl. Nr. 5 der Anlage 2 zur Wasserversorgungssatzung vom 23.10.2008; vgl. dazu OVG Weimar, Beschl. v. 07.12.2006 - 4 EO 534/06 -, DÖV 2007, 141; OVG Bautzen, Urt. v. 12.09.2007 - 5 B 191/05 -, LKV 2008, 429 - jeweils zitiert nach juris), der Gleichbehandlung von Anschlussnehmern, die bereits zu Anschlussbeiträgen veranlagt und tatsächlich angeschlossen worden sind und ggfs. nunmehr einen Rückerstattungsanspruch erhalten, hinsichtlich der Erhebung von Baukostenzuschüssen mit solchen Anschlussnehmern, für die erst zukünftig ein Anschluss hergestellt wird, die aber noch keinen Beitrag gezahlt haben, etc.

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Schließlich dürfte jedenfalls angesichts des Vorbringens der Antragstellerin in den Blick zu nehmen sein, ob und inwieweit die Wasserversorgungssatzung Fragen im Kontext einer - an sich rechtswegfremden - Überprüfung an Hand des Billigkeitsmaßstabes des § 315 Abs. 2 BGB aufwirft (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 -, BGHZ 172, 315 - zitiert nach juris).

37

Auch mit Blick auf die von den Beteiligten gestellten Prognosen zur zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Antragsgegners und das Vorbringen der Antragstellerin zu einer unzulässigen Quersubventionierung der Trinkwassersparte durch die Schmutzwassersparte erweist sich das Verfahren hinsichtlich der maßgeblichen Tatsachen und Rechtsfragen als komplex.

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Jedenfalls unter Berücksichtigung der von den Beteiligten reklamierten Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des daraus folgenden stark begrenzten Prüfungszeitraumes ist auch unter bzw. gerade wegen der Beachtung von Art. 19 Abs. 4 GG eine mehr als summarische Betrachtung der Frage der Erfolgsaussichten der Hauptsache im vorstehenden Sinne nicht möglich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 602).

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3. Ist der Normenkontrollantrag danach weder offensichtlich unbegründet noch begründet, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Anwendung der angegriffenen Regelung der Verordnung in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die Antragstellerin einen schweren Nachteil begründet. Ein schwerer Nachteil liegt dann vor, wenn durch die Folgen der gerichtlichen Entscheidung Rechte oder rechtlich geschützte Interessen in besonderem Maße beeinträchtigt oder von dem Antragsteller außergewöhnliche Opfer abverlangt werden. Es muss sich um einen endgültigen und nicht wieder gut zu machenden Schaden handeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.04.1969 - 1 BvR 47/69 -, BVerfGE 25, 367 <370>). Dies ist zunächst anhand der Folgen zu ermitteln, die voraussichtlich eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte. Ergibt sich danach ein schwerer Nachteil, sind dem die Nachteile gegenüber zu stellen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg bliebe. Fragen der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Rechtsvorschrift haben dabei außer Betracht zu bleiben (vgl. zum Ganzen OVG M-V, Beschl. v. 08.06.2005 - 4 M 16/05 -). Eine einstweilige Anordnung kann nur ergehen, wenn in dieser Abwägung die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe deutlich überwiegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.11.2006 - 2 BvQ 63/06 -, juris) bzw. die einstweilige Anordnung als unabweisbar erscheinen lassen.

40

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass sie durch die angefochtenen Satzungen für die Grundstücke, die in ihrem Eigentum stehen, zukünftig nach ihrer Auffassung überhöhte Entgelte zu entrichten hätte, ist dieses Vorbringen nicht ansatzweise geeignet, einen schweren Nachteil im vorstehenden Sinne zu begründen. Damit ist schon nicht gesagt, dass sie überhaupt Verbrauchsentgelte zu entrichten hätte. Unterbliebe im Übrigen der Erlass einer einstweiligen Anordnung, wäre die Antragstellerin zunächst im Grundsatz verpflichtet, den gegenüber der Mengengebühr von bisher 1,35 /qm (brutto) erhöhten Verbrauchspreis von 1,82 /qm (brutto) und den gegenüber der bisherigen Grundgebühr erhöhten Grundpreis zu entrichten. Hätte später der Normenkontrollantrag in der Hauptsache Erfolg, stünde ihr hinsichtlich der Differenz ein Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts zu.

41

Auch wenn man dieses Vorbringen der Antragstellerin dahin verstünde, dass sie im Hinblick auf den befürchteten Eintritt der Festsetzungsverjährung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V für die noch nicht erfolgte Beitragserhebung eine zukünftige Gebührenerhöhung befürchtete, ergäbe sich kein schwerer Nachteil. Aus der Liste der mit Schriftsatz vom 14. November 2008 mitgeteilten, im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke ist schon nicht ersichtlich, ob und inwieweit sie hier tatsächlich als Verbraucher von Trinkwasser mit der Erhebung von entsprechenden Entgelten/Gebühren rechnen müsste. Zudem würde sie selbst bei sieben von acht Grundstücken, hinsichtlich derer sie auf eine noch nicht erfolgte Veranlagung verweist, von der befürchteten Festsetzungsverjährung - in unbekannter Höhe - profitieren. Ob es dann per Saldo überhaupt und wenn ja in welcher Höhe zu einer zusätzlichen Belastung kommen könnte, ist offen.

42

Die von der Antragstellerin nach ihrer Auffassung zu befürchtende Erhöhung der Verbandsumlage in Höhe von jährlich 37.700,00 EUR und insgesamt 418.910,00 EUR basiert im Wesentlichen auf einem Risiko-Szenario nach Maßgabe der Erläuterungen zu den verschiedenen Beschlussvorlagen als Grundlagen der angefochtenen Satzungen (vgl. jeweils unter "Kosten der Rückzahlung"). Diese Zahlen sind aber im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung so nicht berücksichtigungsfähig. Unterbliebe der Erlass einer einstweiligen Anordnung, hätte dies zunächst jedenfalls keine unmittelbaren Konsequenzen.

43

In seinem Risiko-Szenario hat der Antragsgegner dargestellt, dass offen sei bzw. nicht mit abschließender Gewissheit zu klären sei, ob die Kosten der für die Rückzahlung der bereits gezahlten Beiträge erforderlichen Kreditaufnahme durch laufende Wasserentgelte refinanziert werden können. Insoweit wird auf das Risiko verwiesen, dass eine solche Refinanzierung auf die Klage eines Kunden hin von der Rechtsprechung für unzulässig erklärt werden könnte. Dies hätte eine Finanzierung der Kreditkosten über Umlagen zur Folge. Ob und inwieweit sich dieses Risiko verwirklicht, ist nach heutigem Stand - auch unter Berücksichtigung des Schreibens des Landesrechnungshofes vom 25. November 2008 und der darin enthaltenen relativ pauschalen Ausführungen - offen. Der Antragsgegner verweist jenseits dieses Risikos darauf, dass nach seiner Kalkulation die in den Jahren 2010 bis 2012 zu erwartenden Unterdeckungen keine Deckung durch Umlagen erfordern. Derzeit ist jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass der Antragstellerin die Erhebung einer erhöhten Umlage drohte.

44

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass im Hinblick auf im erheblichen Umfang noch nicht erlassene Beitragsbescheide bei Unterbleiben der einstweiligen Anordnung der Eintritt von Festsetzungsverjährung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V drohe, hat dies aktuell für sie noch keine unmittelbaren Auswirkungen. Eine vom Gericht durch Erlass einer einstweiligen Anordnung wieder in Kraft gesetzte Wasserbeitragssatzung müsste demgegenüber grundsätzlich vom Antragsgegner bzw. der Verbandsvorsteherin vollzogen werden, so dass zumindest theoretisch der Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindert werden könnte.

45

Hat die Normenkontrolle in der Hauptsache später Erfolg, wäre voraussichtlich wegen einer zwischenzeitlich zum 31. Dezember 2008 (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) eingetretenen Festsetzungsverjährung eine Beitragserhebung nicht mehr möglich. Dieser Beitragsausfall könnte nach Lage der Dinge auch im Erfolgsfall nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die erforderliche Refinanzierung der Investitionen des Antragsgegners in die Trinkwasserversorgungsanlage müsste dann anderweitig erfolgen. Insoweit käme zum einen eine Umlage in der von der Antragstellerin befürchteten Höhe in Betracht. Zum anderen wäre jedoch - ohne dass der Senat die Frage einer solchen Option abschließend erwogen hätte - möglicherweise auch eine vollständige oder anteilige Gebührenfinanzierung denkbar, weil aus Rechtsgründen eine andere Art der öffentlich-rechtlichen Refinanzierung schlicht nicht mehr möglich wäre und die Kosten der Trinkwasserversorgung im Bereich des Antragsgegners sonst entgegen den Bestimmungen des KAG M-V der Allgemeinheit aufgeladen würden. Nach dieser Überlegung wäre der von der Antragstellerin erwartete Nachteil nicht zwangsläufig.

46

Den der Antragstellerin drohenden Nachteilen sind die Folgen gegenüberzustellen, die eintreten, falls die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Dabei sind insbesondere auch Folgen für Dritte zu berücksichtigen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 596).

47

Würde die einstweilige Anordnung wie beantragt erlassen, wäre damit die Wasserbeitragssatzung des Antragsgegners wieder in Kraft gesetzt. Folglich müssten zur Vermeidung des Eintritts der Festsetzungsverjährung auf der Grundlage der Gesetzesbindung der Verwaltung grundsätzlich noch bis zum 31. Dezember 2008 (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) zahlreiche Beitragsbescheide (offenbar ca. 7.000, vgl. das Schreiben des Landesrechnungshofes vom 25.11.2008) erlassen und rechtzeitig bekannt gegeben werden. Damit könnte der Eintritt der Festsetzungsverjährung theoretisch vermieden werden. Diese Bescheide würden sich im Falle der späteren Erfolglosigkeit der Normenkontrolle mangels wirksamer Rechtsgrundlage aber sämtlich als rechtswidrig erweisen und mit entsprechenden Bescheiden zurückgenommen werden müssen. Jenseits der Ausgestaltungsmöglichkeiten solcher Beitragsbescheide würde damit ein erheblicher Verwaltungsaufwand einhergehend mit entsprechenden Kosten ausgelöst, der sich dann im Nachhinein als obsolet erwiese. Hinzukommt, dass von den zu erlassenden Beitragsbescheiden zunächst zahlreiche vermeintliche Beitragsschuldner als Dritte betroffen wären, die sich zur Rechtswahrung voraussichtlich - angesichts der Situation im Verbandsgebiet - nahezu durchgängig mit Widersprüchen zur Wehr setzen würden. Dies würde erheblichen weiteren, unnötigen Verwaltungsaufwand auslösen, abgesehen davon, dass sich voraussichtlich viele vermeintliche Beitragsschuldner rechtsanwaltlichen Beistands mit den sich daraus ergebenden Kostenfolgen versichern würden. Schließlich würden diejenigen Beitragsschuldner, die in der Vergangenheit bereits zu Beiträgen herangezogen worden sind, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens keine Rückerstattung ihrer Beitragszahlungen erlangen können. Hinzu kommt eine möglicherweise wegen der voraussichtlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens geraume Zeit bestehende Rechtsunsicherheit im Bereich des Antragsgegners, sowohl für die normunterworfenen Bürger als auch für die Aufgabenwahrnehmung des Antragsgegners. Würde zudem die Wassergebührensatzung durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung wieder in Kraft gesetzt, könnte der Antragsgegner von allen Verbrauchern im Verbandsgebiet nur die gegenüber den nunmehr beschlossenen privatrechtlichen Entgelten niedrigeren Gebühren erheben. Wird dann der Normenkontrollantrag abgelehnt, dürfte eine Erhebung privatrechtlicher Entgelte erst für die Zukunft zulässig sein (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 12.09.2007 - 5 B 191/05 -, LKV 2008, 429 - zitiert nach juris). Folglich wäre eine Nacherhebung der Differenz zwischen den eingezogenen Gebühren und den höheren privatrechtlichen Entgelten für den zeitlichen Geltungsbereich der einstweiligen Anordnung bzw. wegen des während dessen fortgeltenden öffentlich-rechtlichen Regelungsregimes voraussichtlich ausgeschlossen. Hieraus würden dann unwiederbringlich erhebliche Einnahmeausfälle des Antragsgegners resultieren.

48

Zu beachten ist zudem, dass die vorstehenden Ausführungen für den Erfolgsfall des Erlasses einer einstweiligen Anordnung auf der Annahme beruhen, der Antragsgegner bzw. die Verbandsvorsteherin werde auf der Basis einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung bzw. der dadurch wieder in Geltung gesetzten Wasserbeitragssatzung von sich aus den Erlass von Beitragsbescheiden umgehend ins Werk setzen. Eine ausdrückliche entsprechende Verpflichtung durch den entsprechenden Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch von der Antragstellerin nicht beantragt und könnte vom Gericht wegen § 88 i.V.m. § 122 VwGO auch nicht ausgesprochen werden. Unabhängig von der Frage des damit möglicherweise auch berührten Rechtsschutzbedürfnisses ist damit selbst im Falle einer dem Antrag stattgebenden gerichtlichen Entscheidung nicht garantiert, dass auf Seiten des Antragsgegners tatsächlich mit einem entsprechenden umgehenden Tätigwerden gerechnet werden kann. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass auch zuvor jahrelang trotz entsprechender rechtlicher Grundlagen eine Beitragserhebung nicht erfolgt ist, und ein die Beitragserhebung verzögerndes Verhalten einer Mehrheit der Verbandsversammlung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus erscheint zumindest fraglich, ob rein tatsächlich bis zum 31. Dezember 2008 eine Beitragserhebung in allen noch offenen Fällen (wohl bis zu 7.000, s.o.) möglich wäre. Aus diesen Erwägungen folgt, dass ausgehend von der Antragstellung selbst durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht sicher gestellt würde, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindert würde. Dies spricht dagegen, dass ihr Erlass dringend geboten im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO wäre.

49

Die Notwendigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO wird ferner dadurch relativiert, dass die mittelbare Gefahr des Eintritts der Festsetzungsverjährung bei Antragstellung im vorliegenden Verfahren bzw. im jetzigen Zeitpunkt zwar auch auf die angegriffenen Satzungen zurückzuführen sein mag. Der Antragsgegner verfügt jedoch bereits seit dem Jahr 2002 über eine wohl wirksame Beitragssatzung. Insoweit ist zu unterstreichen, dass die derzeitige Situation und die Gefahr des Eintritts der Festsetzungsverjährung im Wesentlichen darauf beruhen, dass es auf Seiten des Antragsgegners - ohne ein Tätigwerden der Rechtsaufsicht -zum ganz überwiegenden Teil jahrelang versäumt wurde, die Beitragsfestsetzungen entsprechend den rechtlichen Vorgaben durchzuführen. Man näherte sich dabei sehenden Auges immer weiter der zeitlichen Grenze des § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Diese offensichtlichen und langjährigen Versäumnisse haben sich durch den Erlass der streitgegenständlichen Satzungen also "nur" zugespitzt. Für diese jahrelange Untätigkeit des Antragsgegners ist die Antragstellerin als sein Mitglied jedoch mitverantwortlich. Von der Antragstellerin wird weder geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass sie sich konsequent in Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte (vgl. etwa § 154 i.V.m. § 23 Abs. 3, 4 oder § 29 Abs. 1 Satz 2 KV M-V, § 157 Abs. 2 KV M-V) und ggfs. unter Zuhilfenahme gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. zum insoweit in Betracht zu ziehenden Kommunalverfassungsstreit etwa OVG Schleswig, Beschl. v. 18.07.2007 - 2 MB 14/07 -, NordÖR 2007, 471 - zitiert nach juris; OVG Magdeburg, Beschl. v. 30.06.2005 - 4 L 115/05 -, juris; VG Leipzig, Beschl. v. 05.01.2001 - 6 K 1527/00 -, juris; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 30.07.1997 - 1 M 55/97 -, LKV 1998, 112) gegen diese Praxis des Antragsgegners gewandt oder darauf hingewirkt hätte, dass rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2008 die erforderliche und von den eigenen Rechtsnormen des Antragsgegners vorgeschriebene Beitragserhebung vollständig ins Werk gesetzt worden wäre. Die bloße Äußerung von Bedenken im Rechtsetzungsverfahren zu den streitgegenständlichen Satzungen war insoweit jedenfalls unzureichend. Wenn die Antragstellerin selbst unter dem Eindruck des Normsetzungsprozesses hinsichtlich der angegriffenen Regelungen, der spätestens im Frühjahr ausdrücklich auch das nunmehr gewählte Finanzierungssystem als mögliche Variante thematisierte, ihrerseits zu einem Tätigwerden im vorstehenden Sinne zur Vermeidung von Nachteilen aus dem zum Ende des Jahres hin drohenden Eintritt der Festsetzungsverjährung für noch nicht festgesetzte Anschlussbeiträge keine Notwendigkeit gesehen hat, kann eine Dringlichkeit im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO bei wertender Betrachtung kaum angenommen werden; jedenfalls sind deshalb die mittelbar zu befürchtenden Nachteile für die Antragstellerin deutlich relativiert in die Abwägung einzustellen.

50

In Zusammenfassung all dessen gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die auf Seiten der Antragstellerin möglicherweise zum Tragen kommenden Nachteile im Falle der Ablehnung des vorliegend gestellten Antrags und des späteren Erfolgs des Normenkontrollantrages nicht das Gewicht besitzen, um den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen; jedenfalls überwiegen die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht deutlich. Auch aus anderen Gründen erscheint der Erlass der einstweiligen Anordnung nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen nicht als dringend geboten oder gar unabweisbar.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

52

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat hat dabei für jede der drei angegriffenen Satzungen den sogenannten Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR in Ansatz gebracht. Eine Ermäßigung kam nicht in Betracht, da der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auf eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache zielt.

53

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 4 M 158/08

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 4 M 158/08

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 4 M 158/08 zitiert 17 §§.

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Bei besonderer Dringlichkeit kann das Bundesverfassungsgericht davon absehen, den am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten, zum Beitritt Berechtigten oder Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Wird die einstweilige Anordnung durch Beschluß erlassen oder abgelehnt, so kann Widerspruch erhoben werden. Das gilt nicht für den Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Über den Widerspruch entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach mündlicher Verhandlung. Diese muß binnen zwei Wochen nach dem Eingang der Begründung des Widerspruchs stattfinden.

(4) Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverfassungsgericht kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aussetzen.

(5) Das Bundesverfassungsgericht kann die Entscheidung über die einstweilige Anordnung oder über den Widerspruch ohne Begründung bekanntgeben. In diesem Fall ist die Begründung den Beteiligten gesondert zu übermitteln.

(6) Die einstweilige Anordnung tritt nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wiederholt werden.

(7) Ist ein Senat nicht beschlußfähig, so kann die einstweilige Anordnung bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden, wenn mindestens drei Richter anwesend sind und der Beschluß einstimmig gefaßt wird. Sie tritt nach einem Monat außer Kraft. Wird sie durch den Senat bestätigt, so tritt sie sechs Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

1. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – S 1260047/000823, N 1260047/00956 – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 bzw. 175,10 Euro übersteigen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 63,76 v. H. und im Übrigen dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger und dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung ..., in einer Größe von ..., und war Mitglied einer aus ihm und Herrn ... gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück ... in einer Größe von ... war. Im Jahre 2005 wurde die Gesellschaft aufgelöst und das Grundstück Flurstück ... in die Grundstücke Flurstücke ... (...) und ... (...) geteilt. Der Kläger ist seit dem 27.10.2005 Eigentümer des letztgenannten Grundstücks. Die genannten Grundstücke liegen im Bereich des betriebsfertigen Teils der von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (im Folgenden: Stadt) betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.

3

Nach der der Beitragssatzung der Stadt zu Grunde liegenden Kalkulation des Schmutz- und des Niederschlagswasserbeitrags wurde ursprünglich ein Deckungsgrad von jeweils 20 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes angestrebt. Im Jahre 2006 erfolgte ein Überarbeitung der Kalkulation. Danach liegt bei gleichbleibenden Beitragssätzen der Deckungsgrad für die Schmutzwasserbeseitigung bei 22,94 v. H. und für die Niederschlagswasserbeseitigung bei 28,71 v. H.. Die Refinanzierung der durch die Beitragserhebung nicht gedeckten Herstellungskosten erfolgt durch Benutzungsgebühren.

4

Die investive Maßnahme mit einem Gesamtumfang von ca. 80,3 Mio. Euro – davon beitragsfähig: ca. 54,9 Mio. Euro – ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen. In den Jahren 1993 bis 1996 hatte die Stadt zur Finanzierung der Maßnahme mehrere Darlehen in einem Gesamtvolumen von etwa 20,1 Mio. Euro aufgenommen. Die Zinsbindung der derzeit noch valutierenden Darlehen läuft in den Jahren 2014, 2016 und 2021 ab. Die Tilgung des letzten Darlehens ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Die Zinsbelastung bewegt sich je nach Einzeldarlehen zwischen 3,45 und 5,7 v. H. p. a..

5

Mit zwei Bescheiden 03.11.2004 hatte der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 97,54 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 65,76 und mit zwei weiteren Bescheiden vom 03.11.2004 für das damalige Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 993,69 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 487,20 herangezogen. Auf seinen gegen die Beitragsbescheide gerichteten Widerspruch hob der Beklagte die Bescheide über den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser insoweit auf, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 39,46 (Flurstück ...) bzw. Euro 292,32 (Flurstück ...) übersteigen; im Übrigen wies er den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2005 – zugestellt am 01.06.2005 – zurück.

6

Am 30.06.2005 hat der Kläger zu den Az. 3 A 1395/05 und 3 A 1397/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Ebenfalls am 30.06.2005 haben der Kläger und Herr ... zu den Az. 3 A 1396/05 und 3 A 1398/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Mit Beschluss vom 11.07.2005 hat das Gericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens 3 A 1395/05 verbunden. Nachdem Herr ... die Klage zurückgenommen hatte, hat es das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (3 A 1210/06).

7

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die den Beitragssätzen zu Grunde liegende Kalkulation sei von der Bürgerschaft nicht beschlossen worden. Die Kalkulation sei fehlerhaft. Auf der Kostenseite der Kalkulation sei der Anteil für die Nutzung der Anlage durch die Stadt (z. B. Straßenentwässerung) vom Aufwand nicht abgezogen worden. Weiter seien zu Unrecht die Kosten der Hausanschlüsse aufwandserhöhend berücksichtigt worden. Auch seien die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung nicht ordnungsgemäß ermittelt und von den Gesamtkosten abgezogen worden. Der Abzug eines Anteils Regenwasser von 1/3 sei nicht ausreichend. Von den Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sei der auf die Straßenentwässerung entfallende Anteil abzuziehen, was ebenfalls nicht erfolgt sei. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, warum Betriebsgrundstücke der Abwasserentsorgung sowie grundstücksgleiche Rechte in den Investitionszeitraum gefallen seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Grundstücke zur öffentlichen Abwasserbeseitigung gehörten. Die von der Nordwasser GmbH i. L. übernommenen Einrichtungen und Verbindlichkeiten gehörten ebenfalls nicht zum beitragsfähigen Aufwand. Das Klärwerk werde in der Kalkulation doppelt erfasst.

8

Auf der Flächenseite der Kalkulation seien die stadteigenen Grundstücke nicht berücksichtigt worden. Weiter hätten so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke nicht erfasst werden dürfen, weil ihnen durch die Anlage kein Vorteil vermittelt werde.

9

Auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei fehlerhaft. Etwaige Beitragsansprüche seien infolge Festsetzungsverjährung erloschen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – ... – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Er ist der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Die Abwasserbeitragsatzung sei wirksam. Die Höhe des Deckungsgrades sei nicht zu beanstanden. Dessen Festlegung stehe im Ermessen der Stadt. Hierfür sei zunächst die Einschätzung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern maßgebend gewesen, wonach ein Mindestdeckungsgrad von 20 v. H. anzustreben sei. Weiter verfolge der Beklagte das Ziel, durch einen verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad die Gesamtheit der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer, zu denen sowohl die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke als auch die Eigentümer so genannter neuangeschlossener Grundstücke gehörten, nicht übermäßig mit Einmalzahlungen zu belasten. Wenn der niedrige Deckungsgrad zu einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung führen sollte, so wäre der Beklagte zu einer Nacherhebung in erheblichem Umfang verpflichtet. Ungeachtet dessen habe der Gesetzgeber mit der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 klargestellt, dass sogar eine reine Gebührenfinanzierung beim Vorliegen einer atypischen Situation zulässig sein solle. Wesentliches Ziel des Gesetzgebers sei es, sowohl die Aufgabenträger als auch die Abgabenpflichtigen vor den erheblichen wirtschaftlichen Risiken zu schützen, die sich aus einer erneuten Systemumstellung ergeben würden. Zum anderen sollten der damit verbundene Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Nachdem das Verwaltungsgericht die frühere Beitragssatzung, die einen Deckungsgrad von 100 v. H. vorgesehen hatte, wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter altangeschlossener und neuangeschlossener Grundstücke als unwirksam angesehen hatte, habe die Stadt beschlossen, allen bisher herangezogenen Beitragspflichtigen die Differenzbeträge zu erstatten, die sich nach einer Neuberechnung auf Grundlage der aktuell geltenden Beitragssatzung ergäben. Wenn die Stadt nunmehr zur Umstellung auf ein "überwiegendes" Beitragssystem verpflichtet werde, seien Nacherhebungen unausweichlich, die den Beitragspflichtigen nicht mehr vermittelbar wären. Ungeachtet dessen sei das Abweichen von einem "überwiegenden" Beitragssystem gerechtfertigt, weil die Stadt, wie alle anderen kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern auch, eine gegenüber den Landkreisen deutlich höhere Bevölkerungsdichte aufweise. Hieraus könne gefolgert werden, dass die Beitragssätze je Grundstück im Verhältnis zu kreisangehörigen Gemeinden und Städten deutlich niedriger ausfielen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die vorgesehene Mischfinanzierung nicht zu erheblichen Gebührensprüngen geführt habe. Die Gebühren pro Kubikmeter lägen landesweit im unteren Bereich. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Zinsbelastung auf Darlehen beruhe, die die Stadt in den Jahren 1993 bis 1996 gleichsam notgedrungen aufgenommen habe, da der damals vorhandene Investitionsbedarf erheblich gewesen sei. Selbst wenn nunmehr Beiträge auf Grundlage eines höheren Deckungsgrades erhoben würden, hätte dies keine Auswirkungen auf die Kreditbelastung der Stadt, da die Mehreinnahmen nicht zu einer höheren Tilgung verwandt werden könnten. Die Zinsbindung der Darlehen ende erst in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021.

15

Die Rechtsanwendung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger sei Beitragsschuldner auch für das frühere Grundstück Flurstück .... Eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hätten er und Herr ... nicht begründet. Die Eintragung im Grundbuch mit dem Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" sei eher formaler Natur. Im Rechtsverkehr sei die Gesellschaft nicht als solche aufgetreten. Auch eine Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht sei frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung vom 06.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt habe die Stadt nicht über eine wirksame Beitragssatzung verfügt. Das VG Greifswald habe die davor Geltung beanspruchende Satzung wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter alt- und neuangeschlossener Grundstücke im Urteil vom 28.07.1999 als unwirksam angesehen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet. Die in Ansehung des ehemaligen Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO), als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 (Schmutzwasser) bzw. Euro 175,10 (Niederschlagswasser) übersteigen; im Übrigen sind diese Bescheide und die in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide dagegen rechtmäßig.

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Die streitgegenständlichen Bescheide finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung vom Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 06.01.2004 i. d. F. der 3. Änderungssatzung vom 10.10.2007.

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1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Prüfungsmaßstab ist das Kommunalabgabengesetz in der Fassung des am 31.03.2005 in Kraft getretenen 1. Änderungsgesetzes. Zwar ist die Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung im Januar 2004 und damit vor dem In-Kraft-Treten des 1. Änderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes gilt aber auch für Altsatzungen, denn entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen Anschlussbeitragsbescheide ist der Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (VG Greifswald, Urt. v. 11.04.2007 – 3 A 620/05, S. 7 des Entscheidungsumdrucks; vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 – 8 C 145/81, DVBl. 1983, 135 m. w. N.). Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelungen des § 22 Abs. 2 KAG M-V; sowohl die Regelung über die Geltungserhaltung wirksamer Altsatzungen als auch die Bestimmung einer Anpassungsfrist für Altsatzungen wären nicht zu erklären, wenn die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes auf Altsatzungen keine Anwendung fände. Ungeachtet dessen wurde die Beitragssatzung unter Geltung der Neufassung des Kommunalabgabengesetzes erheblich modifiziert. So wurde bereits mit der 1. Änderungssatzung vom 18.10.2006 der Kalkulationszeitraum verändert: Die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Kalkulation erfasste den Zeitraum 1990/93 bis 2008; im Rahmen der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Neukalkulation wurde dieser auf den Zeitraum bis 2012 ausgedehnt. Zudem wurden in der Kalkulation erstmals die in den Stadtteilen Insel Riems/Riemser Ort gelegenen Grundstücke berücksichtigt. Die Änderungen führten dazu, dass der ursprünglich für die Schmutz- und die Niederschlagswasserbeseitigung angestrebte Deckungsgrad von 20 v. H. auf 22,94 v. H. (Schmutzwasser) bzw. 28,71 v. H. (Niederschlagswasser) angehoben wurde.

20

Die in § 6 der Satzung normierten Beitragssätze von 1,78 Euro/m² (Anschlussbeitrag Schmutzwasser) und 0,48 Euro/m² (Anschlussbeitrag Niederschlagswasser) sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers lag der Bürgerschaft bei der Beschlussfassung der Beitragsätze eine gültige Kalkulation vor. Ausweislich der Beschlussvorlage Nr. 03/1371 vom 17.09.2003 war ihr u. a. die Beitragskalkulation als Anlage beigefügt. Entsprechendes gilt für die der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegende Beschlussvorlage Nr. 04/535 vom 08.08.2006. Die weiteren Änderungssatzungen enthalten nur Klarstellungen, die sich auf die Kalkulation der Beitragssätze nicht auswirken.

21

a. Die Kalkulation der Beitragssätze ist methodisch frei von Fehlern. Dies gilt zunächst für den angestrebten verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten. Der hiernach jeweils offene Differenzbetrag (zu 100 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten) soll nach den Angaben des Beklagten durch die Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. d. § 6 KAG M-V finanziert werden. Dies ist hier auch zulässig.

22

Die Frage der Höhe des Deckungsgrades ist nicht deshalb von vornherein unbeachtlich, weil die Beitragspflichtigen und damit auch der Kläger durch den niedrigen Deckungsgrad lediglich begünstigt werden. Insbesondere kann nicht darauf verwiesen werden, ein zu niedriger Deckungsgrad könne nicht zu einer Rechtsverletzung i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen. Denn die Frage des Deckungsgrades wirkt sich nicht erst auf der Ebene der Rechtsanwendung (Anwendung der Beitragssatzung), sondern bereits im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Beitragssatzung aus. Verstößt die Kalkulation der Beitragssätze gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, sind diese unwirksam. Die Beitragssatzung wäre unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und damit insgesamt unwirksam, so dass es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung fehlen würde. Die Beitragsbescheide wären auch dann aufzuheben, wenn die Satzung bei einer ordnungsgemäßen Kalkulation der Beitragssätze zu höheren Beiträgen führen würde (vgl. für einen zu hohen Öffentlichkeitsanteil bei einer Straßenbaubeitragssatzung: VG Greifswald, Urt. v. 25.07.2001 – 3 A 1146/00, S. 7 f des Entscheidungsumdrucks; VG Dessau, Urt. 07.09.2000 – 2 A 756/99. DE, VwRR MO 2001, 60 <61>).

23

Jedoch liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vor: Die Vorschrift bestimmt, dass Anschlussbeiträge u. a. zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung erhoben werden sollen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 – 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass – ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades – überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v. H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

24

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V aufweist (dazu sogleich).

25

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a. A.: VG Schwerin a. a. O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a. a. O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a. a. O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a. a. O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter Heinz Müller, SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist Plenarprotokoll a. a. O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

26

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

27

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a. A.: Siemers a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen – auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt – sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

28

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2 a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

29

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird – und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a. a. O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z. B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v. H. p. a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v. H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

30

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a. a. O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a. a. O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf.

31

Anders als der Beklagte meint, liegt eine Ausnahme nicht deshalb vor, weil die betreffenden Darlehen bereits in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen worden sind und die Zinsbindungen erst in den Jahren ab 2014 enden. Zwar spricht manches dafür, dass eine am Regelungsziel der Vorschrift orientierte Ausnahme vorliegt, wenn der mit der Regelung bezweckte Erfolg, die Absenkung des Fremdkapitalbedarfs, nicht (mehr) erreicht werden kann. Denn die Regelung ist – wie jede Regelung – nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Ist sie zur Zweckerreichung ungeeignet, kann ihre Befolgung nicht gefordert werden. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Zweckerreichung ist erst dann ausgeschlossen, wenn eine Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad als 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. nicht geeignet wäre, den Kreditbedarf und die damit einhergehende Zinsbelastung der Stadt zu verringern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar trifft es zu, dass die Darlehen im Zeitraum 1993 bis 1996 aufgenommen worden sind und weitere Darlehen zur Finanzierung der Anlagen nicht benötigt werden. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass das bei einer Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad erwirtschaftete Kapital dazu verwandt werden könnte, die Darlehen bei Wegfall der Bindungsfristen in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021 vorzeitig abzulösen und damit die Zinsbelastung der Stadt und die der Abgabenpflichtigen in dem Zeitraum nach 2014 zu reduzieren.

32

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – wie dargelegt – den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v. H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v. H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v. H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist.

33

Maßgebend für die Beachtung des Regelungsziels des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist also, ob trotz einer Beitragserhebung mit einem Deckungsgrad von weniger als 70 v. H. gewährleistet ist, dass der Kreditbedarf nicht deutlich höher ist als etwa 1/3 der Herstellungskosten der Anlage. Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Der umlagefähige Aufwand für die Schmutzwasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Kalkulation auf Euro 43.479.014,83. Die Differenz zu dem in der Kalkulation angesetzten Betrag von nur Euro 40.623.893,74 erklärt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte den Betrag der nicht gezahlten Abwasserabgabe (vgl. § 10 Abs. 3 Abwasserabgabengesetz – AbwAG) i. H. v. Euro 2.855.121,09 aufwandsmindernd berücksichtigt hat, obwohl er hierzu nicht gezwungen ist. Für die Frage der Überschreitung der noch zulässigen Kreditfinanzierungsquote kommt es aber nicht auf den in der Kalkulation angesetzten Aufwand, sondern das Gesamtvolumen des beitragsfähigen Aufwandes an. Unterschreitet jener diesen, so ist der höhere Betrag maßgebend. Der umlagefähige Aufwand für die Niederschlagswasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der genannten Kalkulation auf Euro 11.471.496,31; der umlagefähige Gesamtaufwand für beide Anlagen beträgt damit Euro 54.950.511,14. Eine getrennte Betrachtung beider Anlagen ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, da es hier nicht um die Beachtung des Vorteilsprinzips, sondern um die Frage der Einhaltung der zulässigen Kreditfinanzierungsquote geht. Zur Finanzierung der Herstellung dieser Anlagen wurden von der Stadt Darlehen i. H. v. ca. 20,1 Mio. Euro aufgenommen, so dass der durch Darlehen finanzierte Anteil am beitragsfähigen Gesamtaufwand ca. 36,6 v. H. beträgt. Die (Vor-)Finanzierung der übrigen 63,4 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes erfolgte nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten durch Eigenmittel der Stadt. Deren Herkunft hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt. Zwar entspricht die Kreditfinanzierungsquote damit nicht exakt der Situation, die bestehen würde, wenn der Beklagte Herstellungsbeiträge mit einem angestrebten Deckungsgrad von 70 v. H. erheben würde. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Quote von 1/3 der Herstellungskosten nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen und eine – wie hier – geringfügige Unterschreitung zulässig ist.

34

b. Die Einwände des Klägers gegen die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Beitragskalkulation greifen ebenfalls nicht durch. Sie sind allerdings nicht bereits deshalb unerheblich, weil der Beklagte anlässlich des Beschlusses der 1. Änderungssatzung die Kalkulation überarbeitet hat. Denn die überarbeitete Kalkulation basiert auf den Daten der ursprünglichen Kalkulation.

35

Soweit der Kläger in Ansehung der Kostenseite der Kalkulation die Berücksichtigung der Kosten der Grundstücksanschlüsse rügt, ist dies unzutreffend, weil diese zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass deren Kosten berücksichtigungsfähig sind, § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Kosten für die Straßenentwässerung sind vom beitragspflichtigen Aufwand abgezogen worden. Der Einwand, die Aufteilung der Kosten des Kanalkatasters nach dem Verhältnis 1/3 (Niederschlagswasser) und 2/3 (Schmutzwasser) sei unzutreffend, ist unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Weiter gehören auch die Kosten des Erwerbs der Betriebsgrundstücke zum beitragsfähigen Aufwand. Die Altverbindlichkeiten sind berücksichtigungsfähig, weil sie von der Stadt für durch die Nordwasser GmbH i. L errichtete Anlagenteile (insbesondere des Klärwerks) übernommen worden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00, NordÖR 2002, 138). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Kosten des Klärwerks nicht teilweise doppelt erfasst. Denn die in der Kalkulation ausgewiesenen Altverbindlichkeiten für das Klärwerk i. H. v. Euro 5.112.918,81 (5.7 der Kalkulation) sind nicht zusätzlich zu den Gesamtherstellungskosten des Klärwerks von Euro 27.174.496,71 (5.1 der Kalkulation) berücksichtigt worden, sie sind vielmehr darin enthalten. Das ergibt sich auch daraus, dass auch in der überarbeiteten Kalkulation Klärwerkskosten in Höhe von Euro 27.311.146,39 ausgewiesen sind.

36

Auch die Flächenseite der Kalkulationen unterliegt keinen Bedenken. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Flächen stadteigener Grundstücke nicht berücksichtigt worden sind. Der weitere Einwand des Klägers, die Flächen so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke dürften nicht berücksichtigt werden, weil diese Grundstücke der Beitragspflicht nicht unterlägen, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage: Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, der das erkennende Gericht folgt, unterliegen auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke der Beitragspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 21.04.1999 (1 M 12/99, LKV 2000, S. 161) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

37

"Bei der Differenzierung von Beitragssätzen ist § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG (a. F.) zu beachten, der eine gesetzliche Umschreibung eines allgemeinen beitragsrechtlichen Prinzips enthält. Nach dieser Vorschrift sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Es ist aber festzustellen, dass den Grundstückseigentümern ... derselbe Vorteil zugute kommt. Allen Grundstückseigentümern wird durch die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals nach Inkrafttreten des KAG M-V und nach Erlass einer wirksamen Beitragssatzung durch den Antragsgegner eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können."

38

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mehrfach, unter anderem mit Urteil vom 30.06.2004 – 4 K 34/02 – bestätigt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die im Beitrittsgebiet im Jahr 1990 vorhandenen Abwasserbehandlungsanlagen den wasserrechtlichen Anforderungen vielfach nicht ansatzweise genügten und ein erheblicher Investitionsbedarf vorhanden war. Anders als in den alten Bundesländern, in denen die Abwasserbehandlungsanlagen den steigenden wasserrechtlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum nach und nach angepasst wurden, ergab sich in den neuen Bundesländern die Notwendigkeit, diesen Investitionsstau in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen, was dazu führte, dass nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch tatsächlich neue Anlagen errichtet wurden. Dies rechtfertigt es, alle Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten ungeachtet des Zeitpunkts der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an eine zentrale Anlage der Abwasserbehandlung zu einem einheitlichen Beitrag heranzuziehen. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrags auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, so hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen – die Eigentümer altangeschlossener Grundstücke könnten allenfalls zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen werden, die nach Lage der Dinge aber deutlich niedriger ausfallen dürften als Herstellungsbeiträge – vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Die damit verbundene erhebliche Belastung dieses Personenkreises wäre aber mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren (VG Greifswald, Urt. v. 30.03.2005 – 3 A 1064/04, S. 8 des Umdrucks).

39

Dabei ist unschädlich, dass in der Vergangenheit womöglich Anschlussgebühren oder ähnliche Leistungsäquivalente gezahlt worden sind. Denn beitragsfähig sind nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05, NordÖR 2006, 160 <161>). Damit besteht auch insoweit keine "Gerechtigkeitslücke" (eingehend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 a. a. O.).

40

c. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Regelung des § 12 BS, wonach aus Gründen der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder aus Gründen unklarer Rechtsverhältnisse ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Vereinbarungen oder Vergleichsverträge geschlossen werden können, wirksam ist. Denn die Zulässigkeit des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eines Vergleichsvertrages richtet sich nach den dabei zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den §§ 54 ff. VwVfG M-V, nicht jedoch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Diese Vorgaben können durch eine kommunale Satzung nicht ersetzt oder modifiziert werden. Die Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Unwirksamkeit der Regelung des § 12 BS führt nicht zur Nichtigkeit der Beitragssatzung insgesamt. Satzungsrechtliche Regelungen über den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder Vergleichsverträge gehören nicht zum Mindestinhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Ihre Fehlerhaftigkeit ist daher unschädlich. Es liegt allenfalls eine Teilnichtigkeit i. S. d. § 139 BGB vor.

41

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist teilweise fehlerhaft.

42

a. Allerdings ist der Fehler bei der Anwendung der Maßstabsregel für den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser im Widerspruchsverfahren korrigiert und statt des Faktors 1,0 nur noch der Faktor 0,6 angewandt worden. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers können daher auf sich beruhen.

43

b. Auch sind die Beitragsansprüche nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Kanalbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der aktuell geltenden Beitragssatzung entstanden. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Die sachliche Beitragspflicht ist damit frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung am 15.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht an- bzw. ablaufen, denn die davor Geltung beanspruchende Abwassergebühren- und Beitragssatzung der Hansestadt Greifswald vom 18.06.1996 ist wegen der Freistellung so genannter altangeschlossener Grundstücke von der Beitragspflicht unwirksam (VG Greifswald, Urt. v. 28.07.1999 – 3 A 690/98, S. 5 ff. des Entscheidungsumdrucks). Damit konnte die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 anlaufen und wird daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2008 ablaufen. Die Festsetzung erfolgte fristgemäß.

44

c. Gleichwohl waren die in Ansehung des ehemaligen Grundstück Flurstück ... ergangenen Bescheide zunächst in vollem Umfang rechtswidrig. Für dieses Grundstück durfte der Kläger zu Anschlussbeiträgen nicht herangezogen werden, weil er nicht (persönlich) beitragspflichtig war. Nach 8 Abs. 1 Satz 1 BS ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks oder zur Nutzung dinglich berechtigt ist.

45

Dies traf in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... auf den Kläger nicht zu. Das Eigentum stand nicht ihm, sondern der von ihm und Herrn V B gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu. In Abkehr von der überkommenen Theorie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als "die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit" wird die GbR heute als rechtsfähig angesehen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Danach kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.), insbesondere auch Grundstückseigentümerin sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.05.2002 – 15 A 5299/00, DVBl. 2002, 1434). Fraglich kann allenfalls die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft sein (vgl. BayObLG, Beschl. v. 31.10.2002 – 2 Z BR 70/02, DB 2002, 2481; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330 ff.), was aber keine Auswirkungen auf ihre Eigentümerstellung hat, wenn ihre Mitglieder – wie hier – mit dem Zusatz "als Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Das ist hier der Fall. Damit war die vom Kläger zusammen mit Herrn ... gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin des Grundstücks.

46

Die Bescheide konnten auch nicht als an die Gesellschaft gerichtet angesehen werden. Dagegen spricht, dass sie an den Kläger als natürliche Personen gerichtet sind und in der Begründung der Mitgesellschafter ... als Beitragspflichtiger aufgeführt ist. Hinzu kommt der Hinweis, dass die in dem Bescheid genannten Beitragspflichtigen als Gesamtschuldner für die Beitragssumme haften. Sowohl in den Ausgangsbescheiden als auch in den Widerspruchsbescheiden fehlt jeglicher Hinweis auf die BGB-Gesellschaft.

47

Dieser Fehler ist jedoch in der Folgezeit teilweise geheilt worden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger am 27.10.2005 das Eigentum an dem aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangenen Grundstück Flurstück ... erworben hat. Diese Veränderung ist vorliegend zu berücksichtigen. Denn wie bereits eingangs erwähnt ist entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Als Folge davon sind rechtliche und tatsächliche Veränderungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eintreten. Das Grundstück Flurstück ... ist aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangen und mit diesem daher teilidentisch. Da die Bekanntgabe der in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide bis zu ihrer Aufhebung fortwirkt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 06.08.2003 – 3 A 801/03, S. 5 des Entscheidungsumdrucks m. w. N.), führt der Umstand, dass der Kläger im Oktober 2005 das Alleineigentum an dem Grundstück Flurstück ... erwarb, insoweit zu einer Fehlerheilung, als die Bescheide dieses Grundstück betreffen.

48

Damit errechnen sich die auf das Grundstück Flurstück entfallenden Beiträge wie folgt:

49

Schmutzwasser: 608 m² x 0,55 x 1,78 Euro/m² = Euro 595,23

50

Niederschlagswasser: 608 m² x 0,6 x 0,48 Euro/m² = Euro 175,10

51

Soweit die Festsetzungen diese Beträge übersteigen, sind sie aufzuheben.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 wird insoweit angeordnet, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsgegner auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt EUR 3.139,29.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Wassergebühren. Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zur Fischverarbeitung in S. und ist an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (Zweckverband) angeschlossen.

2

Im Geschäftsbereich des Zweckverbandes erfolgte die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zunächst durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen auf Grundlage der Wasserversorgungsbeitragssatzung (WVBS) vom 09.10.2002 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004. Diese Satzung ist vom Zweckverband durch Aufhebungssatzung vom 03.09.2008 rückwirkend zum 01.01.2008 ersatzlos aufgehoben worden. Der Aufhebung vorausgegangen war ein (einfacher) Beschluss der Verbandsversammlung des Zweckverband vom 27.02.2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. Grund für die Aufhebung ist eine vom Zweckverband durchgeführte Umstellung des Finanzierungssystems für die Kosten der Herstellung der zentralen Wasserversorgungsanlage. Für diese Kosten sollen keine (gesonderten) Anschlussbeiträge mehr erhoben werden, statt dessen werden sie im Rahmen der Kalkulation der Trinkwassergebühr berücksichtigt. Die vom Zweckverband bisher vereinnahmten Trinkwasserbeiträge i.H.v. ca. 6,5 Mio. EUR sollen ab Anfang 2009 an die Beitragspflichtigen zurückgezahlt werden. Die hierfür benötigten Mittel werden durch eine Kreditaufnahme bereitgestellt.

3

Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht derzeit nicht fest. Die Anlage soll zwischen den Jahren 2020 und 2030 ihre Endausbaustufe erreichen. Zum 31.12.2007 lagen die um das von der N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. EUR. Es soll ein Wert von annähernd 100 Mio. EUR erreicht werden, wobei der Antragsgegner darauf hinweist, dass dies keine "belastbare" Zahl sei, da Fördermittel, Zuschüsse Dritter, Erschließungsgebiete usw. aktuell kaum prognostizierbar seien. Zur Finanzierung der Anlage wurden bisher Kredite i.H.v. 36,65 Mio. EUR aufgenommen. Zum 31.12.2007 bestanden Kreditverbindlichkeiten für die Trinkwasserversorgung i.H.v. 25,48 Mio. EUR.

4

Mit Bescheid vom 07.02.2008 zog der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 in Höhe von EUR 49.429,16 heran. Mit Änderungsbescheid vom 04.03.2008 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die Festsetzung "wegen rückwirkender Satzungsfestlegungen der Gebühren" gegenstandslos sei und setzte die Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 auf EUR 61.986,33 fest. Gegen den Änderungsbescheid legte die Antragstellerin unter dem 25.03.2008 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2008 wies der Antragsgegner den Rechtsbehelf zurück. Zugleich lehnte er es ab, die von ihm zuvor in Ansehung des Differenzbetrages gewährte Aussetzung der Vollziehung über den Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinaus zu verlängern.

5

Am 01.08.2008 hat die Antragstellerin zum Az. 3 A 1156/08 Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei jedenfalls in Höhe des Differenzbetrages zu der früheren Festsetzung rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, denn die Gebührensatzung sei unwirksam. Sie verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, da sie keinen Rückerstattungsanspruch für gezahlte Anschlussbeiträge normiere. Solche Rückerstattungen seien bisher auch nicht erfolgt. Den diesbezüglichen Absichtsbekundungen des Antragsgegners komme keine rechtsverbindliche Wirkung zu.

6

Ungeachtet dessen verstoße die in der Gebührensatzung normierte Einführung des so genannten reinen Gebührenmodells gegen die Soll-Regelung in § 9 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V), da keine atypische Ausnahmesituation gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei eine bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung (KV M-V) normierten Grundsatzes, wonach Kredite nur aufgenommen werden dürften, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig sei. Dies treffe auf die Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge zu, denn die Kreditaufnahme diene lediglich dazu, die bereits erfolgte "andere Finanzierung" zurückzuzahlen. Auch die übrigen im Gesetzgebungsverfahren zu § 9 Abs. 1 KAG M-V diskutierten Ausnahmesituationen lägen nicht vor.

7

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß - § 88 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]),

8

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit anzuordnen, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

9

Der Antragsgegner beantragt,

10

den Antrag abzulehnen.

11

Er ist der Auffassung, die Gebührensatzung sei wirksam. Die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell sei zulässig. In Bezug auf die Finanzierung der Trinkwasserversorgungsanlage lägen die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V vor. Die vom Verwaltungsgericht Greifswald angenommene "Höchstkreditquote" von 1/3 des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes gelte nur, wenn überhaupt Beiträge erhoben würden. Das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei zudem erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Damit sei eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge mit Blick auf die eintretende Festsetzungsverjährung in Bezug auf die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben wären. Zum einen hätte dies eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet, da die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- und Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt wäre. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Die vielfältigen Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten in Bezug auf das Satzungsrecht einen Anpassungsbedarf ausgelöst. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung habe der Antragsgegner Beiträge immer erst erhoben, wenn er im Bereich der betroffenen Grundstücke Baumaßnahmen durchgeführt hatte. Vor diesem Hintergrund habe mit Ablauf der Verjährungsfrist eine "gröblich unangemessene Eilsituation" bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

12

Die Kreditaufnahme zur Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge verstoße nicht gegen § 9 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 44 Abs. 3 KV M-V. Die Kreditaufnahme und die damit verbundenen Kosten wäre auch dann notwendig gewesen, wenn der Zweckverband von vornherein das Gebührenmodell gewählt hätte. Zudem dürfe der Zweckverband nicht dafür bestraft werden, dass er - anders als andere Aufgabenträger im Land - im Einklang mit der früheren Rechtslage eine Beitragserhebung durchgeführt und über eine wirksame Beitragssatzung verfügt habe. Hätte nur eine dieser Voraussetzungen nicht vorgelegen, wäre der Systemwechsel wesentlich einfacher durchzuführen, weil der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Geltung beanspruchen könnte. Dennoch stünden die bis zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten dem Systemwechsel nicht entgegen. Denn es seien keine Gründe erkennbar, warum der Zweckverband auch bereits entstandene Ansprüche nicht auf Grund höherwertiger Rechte und Interessen freiwillig aufgeben könne. Nichts anderes sei vorliegend erfolgt; vereinnahmte Beiträge würden erstattet.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 1156/08 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt, weil der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid erklärt hat, dass eine weitere Aussetzung der Vollziehung nicht mehr gewährt werde. Der Antrag ist auch begründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO u.a., wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen. So ist es hier.

15

Es bestehen bereits aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Ihm fehlt die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage, denn die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung - WVGS) vom 20.03.2008 i.d.F. der ersten Änderung vom 03.09.2008 ist unwirksam. Auf die Wasserversorgungsgebührensatzung (WVGS 2005) vom 03.11.2005 kann der Bescheid ebenfalls nicht gestützt werden. Zum einen folgt dies aus dem Umstand, dass die Satzung mit Ablauf des nur bis einschließlich 2007 reichenden Kalkulationszeitraums für die in § 3 WVGS 2005 normierten Gebühren unanwendbar geworden ist (Unzulässigkeit des periodenfremden Gebührenaufkommens, vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 28.06.2006 - 3 B 306/06, S. 4 f. des Entscheidungsumdrucks). Zu anderen ist darauf hinzuweisen, dass als Rechtsgrundlage für den vorliegend allein streitgegenständlichen "Erhöhungsbetrag" von EUR 12.500,- nur die aktuelle Wasserversorgungsgebührensatzung in Betracht kommt.

16

Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20.03.2008 i.d.F. der Änderung vom 03.09.2008 verstößt gegen die "Soll-Regelung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) und berücksichtigt die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Anforderungen nicht hinreichend (2.). Zudem wäre eine Berücksichtigung der Kosten der Kreditaufnahme (Zinsen und Tilgung) für die Rückerstattung vereinnahmter Trinkwasserbeiträge im Rahmen der Gebührenkalkulation unzulässig (3).

17

1. Nach § 1 Abs. 1 lit. a WVGS erhebt der Zweckverband nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen. Die Regelung des zweiten Halbsatzes der Bestimmung stellt klar, dass mit der Benutzungsgebühr auch der Aufwand für die Herstellung der Wasserversorgungsanlagen abgegolten werden soll. Damit besteht ein Spannungsverhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Vorschrift bestimmt, dass zur Deckung des Aufwandes u.a. für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser Anschlussbeiträge erhoben werden sollen. Die Vorschrift schließt die Einführung eines so genannten "reinen Gebührenmodells" nicht völlig aus, regelt aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V hat das VG Greifswald bereits in dem Urteil vom 02.04.2008 - 3 A 1395/05 (NordÖR 2008, 357) Folgendes ausgeführt:

18

"Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 - 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass - ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades - überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v.H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

19

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung - KV M-V aufweist (dazu sogleich).

20

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a.A.: VG Schwerin a.a.O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a.a.O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a.a.O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a.a.O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter H. M., SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist (Plenarprotokoll a.a.O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

21

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

22

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a.A.: Siemers a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 - 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen - auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt - sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

23

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

24

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird - und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z.B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v.H. p.a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v.H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

25

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a.a.O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a.a.O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf. (...)

26

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V - wie dargelegt - den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v.H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v.H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v.H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist."

27

An diesen Erwägungen, die auf die Einnahmebeschaffung der Zweckverbände übertragbar sind (vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 KV M-V), hält die Kammer nach erneuter Überprüfung fest. Sie sieht ihre Auffassung dabei insbesondere durch die Rechtsprechung des OVG Bautzen bestätigt, das beitragsrechtliche Bestimmungen ebenfalls als spezialgesetzliche Ausformungen der allgemeinen Grundsätze der gemeindlichen Einnahmebeschaffung versteht (Urt. v. 31.01.2007 - 5 B 522/06, zit. nach juris Rn. 80). Trifft dies zu, dann sind auch für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein die Kriterien der gemeindlichen Einnahmebeschaffung maßgebend. Dabei folgt aus dem Umstand, dass § 44 Abs. 2 KV M-V nicht zwischen Gebühren und Beiträgen unterscheidet, sondern allgemein von "Entgelten" spricht, nicht, dass Gebühr und Beitrag als gleichwertig anzusehen sind. Denn in den Fällen, in denen eine Beitragsfinanzierung möglich ist (oder möglich gewesen wäre) und die Gebührenfinanzierung zu einem Kreditbedarf in Höhe des kritischen Bereichs (s.o.) führt, folgt die Subsidiarität der Gebührenfinanzierung aus § 44 Abs. 3 KV M-V. Die aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgenden Bindungen gelten im Übrigen auch bei der Wahl einer nach § 1 Abs. 3 KAG M-V grundsätzlich zulässigen privatrechtlichen Entgeltregelung (keine "Flucht" ins Privatrecht, vgl. § 35 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser [AVBWasserV]). Daraus folgt, dass in Ansehung der Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlage vorrangig Baukostenzuschüsse i.S.d. § 9 AVBWasserV zu erheben sind. Eine Umlage der Herstellungskosten im Rahmen von Verbrauchsentgelten ist demgegenüber subsidiär.

28

Somit kommt es für das Vorliegen einer am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierten Ausnahme darauf an, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer reinen Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der beitragsfähigen Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. Dies gilt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch und gerade dann, wenn keine Beiträge erhoben werden. Die Frage der Kreditquote ist im vorliegenden Fall allerdings offen. Die Angaben des Antragsgegners sind ungenau. Zum Teil beruht dies naturgemäß darauf, dass die Angaben auf Prognosen beruhen und daher der Umfang von Fördermitteln und Zuschüssen Dritter bzw. der Umfang der Entstehung neuer Erschließungsgebiete nicht genau abgeschätzt werden kann. Andere Ungenauigkeiten beruhen auf unvollständigen oder unklaren Angaben des Antragsgegners. So ist fraglich, ob in den von ihm prognostizierten Herstellungskosten von 100 Mio. EUR das von der Firma N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen enthalten ist, und ob mit dessen Übernahme ein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist. Geht man zu Gunsten des Antragsgegners davon aus, dass die (beitragsfähigen) Herstellungskosten der Gesamtanlage in ihrer Endausbaustufe 100 Mio. EUR und die Kreditverbindlichkeiten bisher 36,65 Mio. EUR betragen, so ist die definierte "kritische Grenze" erreicht, aber nicht überschritten. In dem Urteil vom 02.04.2008 hat die Kammer eine Kreditfinanzierungsquote von 36,6 v.H. als gerade noch tolerierbar akzeptiert, so dass die diesbezüglichen Darlegungen des Antragsgegners einer "Punktlandung" gleichkommen. Die kritische Grenze ist dagegen überschritten, wenn dem von der Firma N. GmbH i.L. übernommenen Anlagevermögen kein beitragsfähiger Aufwand gegenübersteht, so dass der Betrag von 24 Mio. EUR damit weder ganz noch teilweise angesetzt werden kann. Überdies ist der tolerierbare Bereich überschritten, wenn - was der Antragsgegner bisher ebenfalls offen gelassen hat - die für die Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge aufgenommenen Kreditmittel zu den Kreditverbindlichkeiten hinzugerechnet werden. Gleiches gilt für den Fall, dass bis zur Fertigstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe ein zusätzlicher Kreditbedarf entsteht, was angesichts des noch weit in der Zukunft liegenden Fertigstellungszeitpunktes nicht ausgeschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist zudem zweifelhaft, ob die Frage des Überschreitens der "kritischen Grenze" im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden kann. Das Risiko der Nichterweislichkeit trägt der Antragsgegner. Dies folgt aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, denn nach dieser Bestimmung bildet die Beitragserhebung den Regelfall und die Gebührenerhebung die Ausnahme. Wer sich auf die Ausnahme beruft, muss das Vorliegen ihrer Voraussetzungen darlegen und ggfs. auch beweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist von einem Verstoß gegen die Grundregel auszugehen.

29

Soweit sich der Antragsgegner für das Vorliegen einer atypischen Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V darauf beruft, dass das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt ist, so dass eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, kommt es für die Ermittlung atypischer Ausnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein auf die Höhe der Kreditfinanzierungsquote an. Fragen der Bebauungs- oder Siedlungsstruktur spielen dagegen keine Rolle.

30

Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man dem nicht folgt und der Auffassung ist, dass eine bestimmte Siedlungsstruktur eine Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründen kann (vgl. Sauthoff a.a.O., der dies für den ländlichen Raum jedoch ausschließt). Denn der Antragsgegner lässt offen, unter welchem Blickwinkel die Einführung des Gebührensystems angesichts der Siedlungsstruktur im Geschäftsbereich des Zweckverbandes "abgabengerechter" sein soll. Da er die ausgeprägte touristische Struktur mit einem saisonal erheblich schwankenden Trinkwasserbedarf hervorhebt, ist davon auszugehen, dass nach Auffassung des Antragsgegners das Gebührensystem vor dem Hintergrund der vom Zweckverband vorzuhaltenden Lieferkapazität "gerechter" als das Beitragssystem sein soll. Nach Auffassung der Kammer ist allerdings das Gegenteil zutreffend: Richtig ist zwar, dass die Insel Rügen stark touristisch geprägt ist und es daher eine erhebliche Zahl (rein) touristisch genutzter Grundstücke (Ferienhausgrundstücke, "Datschen", Campingplätze usw.) gibt, die an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind und in den Sommermonaten einen zusätzlichen Trinkwasserbedarf auslösen. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich dieser Umstand auf die Kapazität der vorzuhaltenden Trinkwasseranlagen auswirkt, denn diese Anlagen müssen so dimensioniert sein, dass sie den in den Sommermonaten auftretenden Spitzenbelastungen gerecht werden auch wenn die Spitzenverbräuche in den übrigen Monaten des Jahres nicht annähernd erreicht werden. Keinesfalls reicht eine an Durchschnittswerten orientierte Dimensionierung aus. Dies führt zu Mehrkosten bei der Herstellung der Anlagen, die in Gebieten mit vergleichbarer Siedlungsstruktur aber ohne ausgeprägte touristische Nutzung nicht auftreten. Werden die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen nach einem Gebührensystem finanziert, so werden die Gesamtkosten einschließlich der genannten Mehrkosten auf den Jahresverbrauch umgelegt. Darin liegt der Unterscheid zum Beitragssystem, bei dem der tatsächliche Verbrauch für die Kostenverteilung keine Rolle spielt. Da touristisch genutzte Grundstücke einen saisonal eng begrenzten und daher geringeren Wasserverbrauch auslösen, als ganzjährig genutzte Grundstücke, führt der vom Antragsgegner ins Feld geführte Verbrauch als "Vorteilshauptparameter" dazu, dass die Eigentümer touristisch (saisonal) genutzter Grundstücke entlastet und die Eigentümer sonstiger, d.h. ganzjährig genutzter Grundstücke belastet werden. Denn das Maß der Kostenverursachung, bezogen auf den Kubikmeter bezogenen Trinkwassers, ist für die Benutzer der Anlage unterschiedlich hoch. Als Folge davon tragen die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke zumindest einen Teil der aus der touristischen Nutzung folgenden Mehrkosten bei der Herstellung der Anlage mit.

31

Dieser Effekt wird vorliegend noch dadurch verstärkt, dass der Zweckverband offenbar keine Notwendigkeit gesehen hat, im Rahmen der Einführung des reinen Gebührensystems die Grundgebühr der Wasserversorgung anzuheben. Die Gebührensätze für die Grundgebühr in § 3 Abs. 1 WVGS sind gegenüber den entsprechenden Gebührensätzen des § 3 WVGS 2005 unverändert. Eine Anhebung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr führt zu einer stärkeren Beteiligung der Eigentümer saisonal genutzter Grundstücke an den fixen Kosten der Anlage, wozu auch die Herstellungskosten gehören (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.02.2007 - 3 A 2047/04, S. 10 des Entscheidungsumdrucks). Da eine solche Anhebung unterblieben ist, schlagen die erstmalig in der Kalkulation berücksichtigten Herstellungskosten und somit auch die touristisch bedingten Mehrkosten der Herstellung "voll" auf die Verbrauchsgebühr durch. Im Ergebnis subventionieren die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke damit die Eigentümer lediglich saisonal genutzter Grundstücke. Dies ist aus bundesrechtlicher Sicht zwar zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48/81, zit. nach juris Rn. 16). Mit Blick auf das Verursachungsprinzip - einem Element des Vorteilsprinzips - ist dies jedoch nicht "gerechter", sondern eher "weniger gerecht" und daher nicht geeignet, eine Ausnahme von dem grundsätzlich bestehenden Gebot der Beitragsfinanzierung der Herstellungskosten zu begründen.

32

Eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V liegt auch nicht deshalb vor, weil das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern den Wechsel des Finanzierungssystems und insbesondere die damit verbundene Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge genehmigt hat. Richtig ist zwar, dass wegen der Erteilung der Genehmigung die Vermutung besteht, dass die Kreditverpflichtung mit der dauernden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zweckverbandes im Einklang steht, vgl. § 52 Abs. 2 Satz 3 KV M-V. Richtig ist auch, dass der Wechsel des Finanzierungssystems unzulässig wäre, wenn die damit verbundene Kreditaufnahme nicht genehmigungsfähig wäre (vgl. OVG Bautzen a.a.O. Rn. 91 ff.). Die Argumentation kann jedoch nicht umgedreht werden: Denn aus der kommunalverfassungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit der mit dem Systemwechsel verbundenen Kreditaufnahme - diese sei vorliegend unterstellt - folgt nicht zugleich die kommunalabgabenrechtliche Zulässigkeit des Systemwechsels selbst. Denn diese richtet sich nicht nach § 52 KV M-V, sondern nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Während bei der Prüfung der kommunalverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Kreditaufnahme die Sicherheit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde oder des Zweckverbandes im Vordergrund steht, ist bei der Prüfung der kommunalabgabenrechtlichen Zulässigkeit des Systemswechsels zusätzlich die Frage zu prüfen, ob der Systemwechsel zu einer nicht mehr tolerierbaren Mehrbelastung der Abgabenpflichtigen infolge der damit verbundenen Kreditaufnahme führt (s.o.).

33

Auch der Umstand, dass die Erhebung des Wasserversorgungsbeitrages zu einer erheblichen Belastung vieler Haushalte geführt hätte, weil die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- oder Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt ist, zwingt nicht zur Annahme einer atypischen Ausnahmesituation i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Zum einen legt der Antragsgegner nicht dar, dass sich dieses Problem in seinem Geschäftsbereich mit besonderer Schärfe stellt und vom Landesdurchschnitt signifikant abweicht. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber das Problem gesehen und mit der Verlängerung der Festsetzungsfrist für Anschlussbeiträge in § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V anderweitig bewältigt hat. Damit ist den Aufgabenträgern die Möglichkeit gegeben worden, flexibler auf die individuelle Situation der Grundstückseigentümer reagieren zu können und so die mit einer gedrängten Erhebung mehrerer Beiträge verbundene Belastung zu verringern (VG Greifswald, Beschl. v. 16.04.2008 - 3 B 441/08, S. 10/11 des Entscheidungsumdrucks; vgl. auch Ziff. 6.4.4 des Einführungserlasses des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 14.06.2005, abgedruckt bei Aussprung a.a.O., § 12 Anm. 47.2.2).

34

Eine atypische Ausnahmesituation ist nicht dadurch entstanden, dass der mit der Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen wäre. Die folgt bereits aus dem Umstand, dass im Schmutzwasserbereich die Beitragserhebung technisch offenbar problemlos bewältigt werden konnte. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch im Trinkwasserbereich möglich gewesen sein soll. Entgegen den Darlegungen des Antragsgegners hat es weder "vielfältige Änderungen in der Rechtsprechung" gegeben noch hat der Landesgesetzgeber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes in Bezug auf die Wasserversorgungsbeitragsatzung einen erheblichen Anpassungsbedarf ausgelöst. Zudem führt ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht (§ 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) in der Regel nicht zur Unwirksamkeit einer nach "altem Recht" wirksamen Satzung (VG Greifswald, Urt. v. 23.07.2008 - 3 A 1318/07, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass die Masse der sachlichen Beitragspflichten, nämlich die für so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke entstandenen Beitragspflichten (dazu sogleich), unter Geltung der Altfassung des Kommunalabgabengesetzes entstanden ist. Der mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes ausgelöste Änderungsbedarf konnte diese Beitragspflichten daher überhaupt nicht berühren. Statt dessen drängt sich die Annahme auf, dass die nunmehr eingetretene "gröblich unangemessene Eilsituation" "hausgemacht" ist, denn der Antragsgegner hat bereits im Jahre 2006 in mehreren Presseberichten erklärt, keine Bescheide über Wasserversorgungsbeiträge zu versenden. Mit Akzeptanzproblemen bei den Beitragspflichtigen haben auch andere Aufgabenträger zu kämpfen.

35

Soweit der Antragsgegner schließlich darauf hinweist, dass 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden, kann dies die Zulässigkeit des Systemwechsels ebensowenig begründen, wie der Umstand, dass sich die Gebührensätze der Wasserversorgungsgebührensatzung bei einem landesweiten Vergleich nur im "oberen Mittelfeld" bewegen. Die Frage der Zulässigkeit des reinen Gebührenmodells beurteilt sich allein danach, ob im Geschäftsgebiet des Zweckverbandes eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vorliegt, was vorliegend zumindest nicht fest steht. Die Verhaltensweise anderer Aufgabenträger ist als Rechtmäßigkeitsmaßstab selbst dann ungeeignet, wenn diese Aufgabenträger die Mehrheit bilden. Das kommunale Abgabenrecht kennt keinen Grundsatz der "normativen Kraft des Faktischen". Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht normierte (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.). Damit waren abweichende öffentlich-rechtliche Entgeltregelungen und insbesondere die Einführung eines reinen Gebührenmodells generell unzulässig (a.A.: Aussprung, NordÖR 2005, 240 <245>); nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist das reine Gebührenmodell lediglich in atypischen Ausnahmefällen zulässig. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige der von anderen Aufgabenträgern praktizierten reinen Gebührenmodelle nicht der Rechtslage entsprechen. Folgte man der Argumentation des Antragsgegners, so hätte dies die Folge, dass u.U. rechtswidrige Regelungen anderer Aufgabenträger den Rechtmäßigkeitsmaßstab für die vorliegend zu beurteilende Satzung bilden würden. Dass dies nicht zutreffend sein kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

36

2. Zudem gewährleistet die Wasserversorgungsgebührensatzung nicht hinreichend, dass die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Beschränkungen beachtet werden. Dem Beitrag wesensimmanent ist das Merkmal der Einmaligkeit. Ein einmal entstandener Beitrag kann für dieselbe Maßnahme nicht zu anderer Zeit und in anderer Höhe für dasselbe Grundstück noch einmal entstehen. Das Verbot der Doppelbelastung hat sowohl zum Gegenstand, dass ein Grundstück vor einer mehrfachen Belastung für eine bestimmte öffentliche Einrichtung geschützt ist, als auch, dass eine bestimmte Beitragspflicht, ist sie erst einmal entstanden, nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder gar in einer anderen Höhe noch einmal entstehen kann (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz M-V, Stand 05/08, § 9 Anm. 9.1 m.w.N.). Ein Eigentumswechsel ist wegen der "dinglichen Wirkung" der sachlichen Beitragspflicht (vgl. § 7 Abs. 6 KAG M-V) unbeachtlich, so dass sich auch der Rechtsnachfolger des ursprünglich Beitragspflichtigen auf das Verbot der Doppelbelastung berufen kann (Quaas in: Festschrift Driehaus, 2005, S. 174).

37

Allerdings setzt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung voraus, dass sachliche Beitragspflichten überhaupt entstanden sind. Denn erst mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht wird der Beitrag fixiert und löst die vorstehend genannten Folgen aus. Die Beitragspflicht entsteht nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 - 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Insbesondere für die so genannten altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke fixiert daher der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten wirksamen Beitragssatzung den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Für diese Grundstücke ist im Geschäftsbereich des Zweckverbandes die sachliche Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten der Satzung des Zweckverbandes "Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen" über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsbeitragssatzung - WVBS) vom 09.10.2002 (i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004) am 20.11.2002 entstanden. Die Wasserversorgungsbeitragssatzung ist wirksam (st. Rspr, zuletzt VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005 - 3 A 3684/04 und Gerichtsbescheid v. 07.07.2006 - 3 A 555/06). Bei der Wasserversorgungsbeitragssatzung handelt es sich um die erste wirksame Trinkwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes. Ihre Vorgängersatzungen sind unwirksam, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. so genannte Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind (VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005).

38

Jedenfalls die vor dem 31.12.2007 entstandenen sachlichen Beitragspflichten - und damit insbesondere die in Bezug auf die altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke entstandenen Beitragspflichten - sind durch die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragsatzung nicht berührt worden, da die Rückwirkung nur bis zum 01.01.2008 reicht. Die Frage, ob die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung die zwischen dem 01.01.2008 und dem Erlass der Aufhebungssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten erlöschen ließ, dürfte ebenfalls zu verneinen sein. Soweit der Antragsgegner meint, er könne über entstandene sachliche Beitragspflichten wegen "höherwertiger Rechte und Interessen" frei verfügen und auch bereits entstandene Ansprüche aufgeben, kann dem nicht gefolgt werden. Nach allgemeinen Regeln unterliegt ein Recht nur dann der alleinigen Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers, wenn es ausschließlich dem Schutz seiner Interessen dient. Dies trifft auf die (entstandene) sachliche Beitragspflicht nicht zu, da diese auch die Beitragspflichtigen schützt. So markiert der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht den Anlauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 Abgabenordnung [AO]), nach deren Ablauf die sachliche Beitragspflicht infolge Festsetzungsverjährung erlischt (§ 47 AO). Daraus folgt, dass die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung - ganz gleich ob rückwirkend oder nicht - keine Auswirkung auf den Ablauf der Festsetzungsfrist haben kann. Andernfalls hätte es der Zweckverband in der Hand, die sachliche Beitragspflicht kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zum Erlöschen zu bringen und die Frist mit dem Erlass einer neuen Beitragssatzung erneut anlaufen zu lassen.

39

Auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sowie das daraus folgende Verbot einer Doppelbelastung schützt die Beitragspflichtigen und wird folglich durch die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung nicht berührt. Die Rückzahlung vereinnahmter Beiträge führt nicht zu einem Wegfall des Verbots der Doppelbelastung. Denn Grundlage des darin liegenden Vertrauensschutzes ist nicht die Zahlung des Beitrags, sondern das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Diese fixiert die Höhe der Belastung und löst die dargestellten Folgen aus. Das Verbot ist daher auch dann bei der Einführung eines reinen Gebührenmodells zu beachten, wenn vereinnahmte Beiträge zurück gezahlt werden. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schützt die Beitragspflichtigen nicht nur vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten durch einen Anschlussbeitrag. Es schützt sie auch vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten der Anlage durch Funktionsäquivalente wie Benutzungsgebühren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.09.1980 - 2 A 1653/79, DVBl. 1981, 831 <833>) oder privatrechtliche Entgelte (vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V). Für eine Beschränkung der Schutzfunktion auf ein Verbot der Mehrfacherhebung von Herstellungsbeiträgen ist kein sachlicher Grund erkennbar, so dass sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Grundgesetz - GG) verstoßen würde.

40

Die Kammer verkennt nicht, dass der Antragsgegner das Verbot einer Doppelbelastung beachten will und in Presseveröffentlichungen erklärt hat, dass er die vereinnahmten Wasserversorgungsbeiträge ab Anfang 2009 zurückerstatten will. Dabei ist aber zweifelhaft, ob eine solche Erklärung ausreicht oder ob es - wie die Antragstellerin meint - erforderlich ist, einen Rückerstattungsanspruch der Betroffenen satzungsrechtlich zu normieren. Ebenso ist unklar, wie der Antragsgegner verfahren will, wenn einzelne Beitragsschuldner auf eine Erstattung des gezahlten Beitrages verzichten und statt dessen die Beibehaltung niedrigerer Verbrauchsgebühren fordern. Diese Fragen bedürfen vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn auch die bloße Rückerstattung aller vereinnahmten Beiträge allein reicht nicht aus, dem aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Verbot der Doppelbelastung Rechnung zu tragen.

41

Die vollständige Rückerstattung führt lediglich dazu, dass diejenigen Beitragsschuldner, die die auf sie entfallenden Herstellungsbeiträge bereits gezahlt haben, denjenigen Beitragsschuldnern gleichgestellt werden, deren sachliche Beitragspflicht zwar entstanden ist, deren Heranziehung aber bisher - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben ist. Beide Gruppen sind jedoch gleich schutzwürdig. Das Verbot der Doppelbelastung führt dazu, dass beide Gruppen durch den Systemwechsel nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie bei einer Beibehaltung des Beitragsmodells stehen würden. Das Beitragsmodell ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Beitragspflichtigen vor Kostensteigerungen bei der Herstellung der Anlage geschützt sind: Wie bereits erwähnt, fixiert die sachliche Beitragspflicht den Betrag, den die Beitragspflichtigen für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage zu entrichten haben. Dem Beitragssatz der Wasserversorgungsbeitragssatzung liegt eine Rechnungsperiodenkalkulation (1. Rechnungsperiode) zu Grunde, die den Zeitraum 1992 bis 2009 erfasst; mit den Beitragsatz von EUR 2,99 (brutto) wird ein Deckungsgrad von 80 v.H. der Herstellungskosten angestrebt. Würde sich in der Folgeperiode der Beitragssatz erhöhen - etwa wegen einer Steigerung der Herstellungskosten oder wegen einer Verschiebung in der Aufwands-/Flächenrelation oder weil ein höherer Deckungsgrad angestrebt wird - so betrifft dies nur die Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflicht erst in der betreffenden Folgeperiode entstanden ist. Diejenigen Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflichten bereits in der 1. Rechnungsperiode - also unter Geltung der aufgehobenen Wasserversorgungsbeitragssatzung - entstanden sind, dürfen wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht an diesen Mehrkosten beteiligt werden. Lediglich in Höhe von 20 v.H. der Herstellungskosten, also dem Teilbetrag, der nicht über die Erhebung von Beiträgen finanziert werden soll, ist eine Beteiligung auch an Kostensteigerungen möglich. M.a.W.: Ist die sachliche Beitragspflicht - wie hier - entstanden, so dürfen die Beitragspflichtigen auch nach dem Systemwechsel nur an 20 v.H. der Gesamtherstellungskosten der Wasserversorgungsanlage zzgl. des (Fest-)Betrages, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, beteiligt werden. Eine höhere Belastung verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung.

42

Die Einhaltung dieser Maßgaben ist mit der bloßen Rückzahlung der vereinnahmten Beitrage nicht gewährleistet. Die scheinbar gegenteilige Ansicht von Quaas (a.a.O., S. 176) beruht auf dem Umstand, dass er diesen Ansatz nicht weiter verfolgt, weil er die Möglichkeit der Rückzahlung vereinnahmter Beiträge mit Blick auf die schwierige Situation kommunaler Haushalte als wirklichkeitsfern verwirft. Die Gefahr einer unzulässigen Doppelbelastung besteht vorliegend deshalb, weil in der auf Grundlage der Wasserversorgungsgebührensatzung zu erhebenden Benutzungsgebühr nunmehr auch die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen gebührenwirksam berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, das der auf den einzelnen Gebührenschuldner entfallende Anteil der Herstellungskosten mit jeder Gebührenfestsetzung zunimmt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt erreicht der in der Summe der für das Grundstück festgesetzten Benutzungsgebühren enthaltene Anteil der Herstellungskosten den Betrag, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und der auch im Rahmen des reinen Gebührenmodells nicht überschritten werden darf. Da mit der Einführung des reinen Gebührenmodells im Vergleich zum Beitragsmodell eine Umschichtung der Lastenverteilung verbunden ist (s.o. S. 12 ff.), wird dieser Zeitpunkt bei Großverbrauchern in der Regel früher eintreten, als bei Normal- oder Geringverbrauchern. Ungeachtet dessen ist nicht gewährleistet, dass die Gruppe der Beitragspflichtigen über die Verbrauchsgebühr nur an maximal 20 v.H. der Gesamtkosten der Herstellung der Wasserversorgungsanlage (einschließlich Kostensteigerungen) beteiligt werden.

43

Dem muss in der Gebührensatzung Rechnung getragen werden. Es muss gewährleistet sein, dass die spätere Neubelastung durch Gebühren für bereits abgeschlossene Beitragssachverhalte nicht höher als beschrieben ausfällt (so auch Quaas a.a.O. S. 171/172). Dies hat zur Folge, dass der Zweckverband bei dem von ihm favorisierten reinen Gebührenmodell trotz einer Rückzahlung der vereinnahmten Beiträge nicht ohne gespaltene bzw. gestaffelte Gebührensätze auskommen dürfte. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Eilverfahrens, zu den dabei auftretenden Fragen abschließend Stellung zu nehmen.

44

3. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der ausschließlich das Kalenderjahr 2008 betreffenden Gebührenkalkulation Trinkwasser vom 30.01.2008 nicht entnommen werden kann, dass darin die Kosten der Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge (Zinsen und Tilgung) berücksichtigt worden sind. Eine solche Annahme drängt sich auch nicht auf, weil mit der Rückerstattung erst im Jahre 2009 begonnen werden soll. Die diesbezüglichen Einwände der Antragstellerin gehen daher fehl. Nach Auffassung der Kammer ist eine gebührenwirksame Berücksichtigung dieser Kosten jedoch unzulässig. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es sich hierbei um Kosten der Systemumstellung handelt. Solche Kosten sind nicht gebührenfähig, weil sie keinen Bezug zur Leistungserbringung haben (Quaas, a.a.O. S. 173). Soweit der Antragsgegner einwendet, diese Kosten wären ebenso entstanden, wenn der Zweckverband von vornherein ein reines Gebührenmodell eingeführt hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen kommt es für die Gebührenfähigkeit von Kosten auf den tatsächlichen und nicht auf einen hypothetischen Kausalzusammenhang an. Zum anderen normierte das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes zum Kommunalabgabengesetz geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.), so dass die Einführung eines reinen Gebührenmodells unzulässig war (s.o.). Damit wären die Kosten auch nach der alten Rechtslage nicht gebührenfähig gewesen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der angegriffene Teilbetrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 36/06
Verkündet am:
13. Juni 2007
Kirchgeßner
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 315; EnWG 1998 § 10; AVBGasV § 4

a) Einseitige Tariferhöhungen eines Gasversorgers gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV
unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.

b) Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB wird durch den Beseitigungs
- und Unterlassungsanspruch nach § 19 Abs. 4 Nr. 4, § 33 GWB nicht
verdrängt.

c) Die auf einer vorgelagerten Lieferstufe praktizierte Bindung des Erdgaspreises an
den Preis für leichtes Heizöl (sog. Anlegbarkeitsprinzip) ist nicht Gegenstand der
Billigkeitskontrolle einer einseitigen Erhöhung des Gaspreises, den ein Gasversorger
seinen Tarifkunden in Rechnung stellt.

d) Eine Tariferhöhung, mit der lediglich gestiegene Bezugskosten des Gasversorgers
an die Tarifkunden weitergegeben werden, entspricht grundsätzlich der Billigkeit;
sie kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg der Bezugskosten
durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.

e) Eine einseitige Erhöhung des Gastarifs kann unbillig sein, wenn und soweit bereits
der vor der Erhöhung geltende Tarif unbillig überhöht war. Das setzt voraus, dass
auch dieser Tarif der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. Daran
fehlt es, wenn der Tarif zwischen dem Versorger und dem Tarifkunden vereinbart
ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, z.V. in
BGHZ bestimmt).

f) Ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif wird zum vereinbarten Preis,
wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des
Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht,
ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu
beanstanden.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - LG Heilbronn
AG Heilbronn
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Wolst
und Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten einseitig vorgenommenen Erhöhung der Gaspreise. Die Beklagte versorgt Endverbraucher im Bereich der Stadt H. mit Erdgas. Sie bezieht ihrerseits das Gas von der G. GmbH (G. ). Der Kläger ist Tarifkunde. Am 30. September 2004 gab die Beklagte ihren Tarifkunden durch Veröffentlichung in der "H. Stadtzeitung" die Erhöhung der Gastarife bekannt. Der Arbeitspreis des Grundpreistarifs 3 des Klägers wurde von netto 3,47 Cent/kWh um 0,37 Cent/kWh auf netto 3,84 Cent/kWh erhöht; der monatliche Grundpreis blieb unverändert. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass "aufgrund einer Kostensteigerung beim Bezug von Erdgas sich die Abgabepreise für Erdgas" erhöhten.
2
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Gaspreiserhöhung durch die Beklagte zum 1. Oktober 2004 unbillig sei und dass stattdessen die vom Gericht zu ermittelnde billige Tariferhöhung gelte. Das Amtsgericht hat die Unbilligkeit der zum 1. Oktober 2004 vorgenommenen Gaspreiserhöhung festgestellt. Eine Bestimmung des Betrags, zu dem der Tarif billigerweise erhöht werden könne, hat es mit der Begründung für nicht erforderlich gehalten , dass mit der Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhung "automatisch" der bisherige Preis als der billige Preis gelte. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

4
Das Berufungsgericht (LG Heilbronn, RdE 2006, 88) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
5
Die Klage sei zulässig; insbesondere sei auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Der Kläger könne sein mit der Feststellungsklage verfolgtes Ziel nicht mit einer Leistungsklage auf Rückzahlung der zunächst bezahlten Gaspreise erreichen. Er könne nicht darauf verwiesen werden, die erhöhten Gaspreise zunächst zu bezahlen und den nicht geschuldeten Teil anschließend im Wege einer Leistungsklage zurückzufordern.
6
Die Klage sei jedoch unbegründet. Die allein streitgegenständliche Erhöhung der Gaspreise unterliege in - zumindest analoger - Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Zwar sei eine Vereinbarung darüber, dass einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht zustehe, von den Parteien nicht getroffen worden. In der Rechtsprechung sei aber anerkannt, dass die Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil angewiesen sei, einer Kontrolle nach § 315 BGB unterworfen seien. Dem stehe einerseits § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen des Kartellgesetzes und der Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB nicht entgegen; denn während die kartellrechtlichen Regelungen allein diejenigen Nachteile ausgleichen wollten, die sich aus dem fehlenden Wettbewerb ergäben, wolle § 315 BGB im Unterschied dazu die der einen Partei übertragene Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages einseitig festzulegen, eingrenzen. Eine Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB werde andererseits auch nicht durch § 1 EnWG oder § 5 AVBGasV ausgeschlossen. Eine Gaspreiskontrolle sei seit der Aufhebung der Bundestarifordnung Gas (BTOGas) im Jahr 1998 nicht mehr vorgesehen. Schließlich folge eine Unanwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB auch nicht daraus, dass Gas im Substitutionswettbewerb mit anderen Energieträgern stehe. Dies setze voraus, dass alle oder zumindest die meisten Energieträger für jeden Verbraucher jederzeit verfügbar seien und ein Umstieg auf eine andere Energieart auch faktisch problemlos möglich sei. Wegen der hohen Transaktionskosten beim Wechsel von einem Energieträger zum anderen sei dies nicht der Fall. Der Kläger sei auf die Belieferung mit Gas gerade durch die Beklagte angewiesen.
7
Die Beklagte habe aber zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die streitgegenständliche Gaspreiserhöhung der Billigkeit entspreche. Sie habe lediglich die gestiegenen Bezugskosten aus ihrem Vertrag mit der G. an die Kunden weitergegeben. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Be- klagten, ihre gesamten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, insbesondere die Kalkulation des Gesamtpreises, offen zu legen, bestehe gemäß § 315 BGB nicht, da Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits allein die Tariferhöhung zum 1. Oktober 2004 sei.
8
Eine Unbilligkeit der Gaspreiserhöhung folge schließlich auch nicht aus einer wettbewerbshindernden Bindung des von der Beklagten an die G. zu zahlenden Gaspreises an den Preis für leichtes Heizöl (sogenannte "Ölpreisbindung" ). Diese Preiskoppelung auf den vorgelagerten Versorgungsstufen sei im Rahmen der Billigkeitskontrolle der von der Beklagten vorgenommenen Tariferhöhung nach § 315 BGB nicht zu prüfen.

II.

9
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
10
1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der von ihm behaupteten Unbilligkeit der Erhöhung der Gastarife. Auf eine Leistungsklage kann er schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen (leugnenden) Feststellungsklage mit einer Leistungsklage nicht erreicht werden kann.
11
2. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommene Erhöhung der Gastarife einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterzogen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
12
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Streitgegenstand lediglich die Überprüfung der von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommenen Tariferhöhung, nicht aber des gesamten von der Beklagten in Rechnung gestellten Gastarifs ist. Der Kläger hat in erster Instanz die Feststellung der Unbilligkeit der zum 1. Oktober 2004 vorgenommenen Erhöhung des Gastarifs beantragt. Nur diese - und nicht etwa die Unbilligkeit des gesamten Tarifs - hat das Amtsgericht im Tenor und in den Gründen seiner Entscheidung festgestellt. Es hat ausgeführt, durch die Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhung gelte ohne weiteres der bisherige Preis als billiger Preis. Dieser Streitgegenstand hat sich auch in der zweiten Instanz, in der der Kläger die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat, nicht verändert.
13
b) § 315 BGB findet auf die streitgegenständliche Preiserhöhung Anwendung. Der Beklagten stand ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB zu, von dem sie durch die von ihr einseitig erklärte Tariferhöhung zum 1. Oktober 2004 Gebrauch gemacht hat.
14
aa) Ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB kann einer Vertragspartei nicht nur durch vertragliche Vereinbarung, sondern auch durch Gesetz eingeräumt werden (BGHZ 126, 109, 120 zu § 12 Abs. 3 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen; Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 315 Rdnr. 4; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 315 Rdnr. 29; Bamberger/ Roth/Gehrlein, BGB, 2003, § 315 Rdnr. 3; Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdnr. 255; Erman/Hager, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 10).
15
So verhält es sich hier. Die Beklagte hat als Energieversorgungsunternehmen , das die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführt, allgemeine Tarife für die Versorgung in Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Tarifen jedermann an ihr Netz anzuschließen und zu versorgen, (§ 10 Abs. 1 des hier anwendbaren Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998, BGBl. I S. 730, EnWG 1998). Ferner gilt für die von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommene Preiserhöhung § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676, AVBGasV; vgl. nunmehr § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz vom 26. Oktober 2006, BGBl. I S. 2396, i. V. m. § 39 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970, EnWG 2005). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AVBGasV stellt das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Änderungen der allgemeinen Tarife werden gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
16
bb) Haben die Vertragsparteien vereinbart, dass eine von ihnen die Vertragsleistung bestimmen soll, so hat diese die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen vorzunehmen. Die getroffene Bestimmung ist für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Der Vertragspartner, der sich der Bestimmung des anderen unterworfen hat, soll hierdurch gegen eine willkürliche Vertragsgestaltung durch den anderen geschützt werden. Dieser allgemeine Schutzgedanke ist auch heranzuziehen, wenn das Gesetz einer Vertragspartei das unter § 315 BGB fallende Leistungsbestimmungsrecht zuweist (BGHZ, aaO).
17
§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV stellt eine solche gesetzliche Regelung dar (Hanau, ZIP 2006, 1281, 1282; Fricke, WuM 2005, 547, 550; Held, NZM 2004, 169, 172; Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung , Stand 2000, § 4 AVBEltV/AVBGasV, Rdnr. 11 Fn. 18; wohl auch Arzt, N&R 2006, 2, 4 f.; Höch/Göge, ET 2006, 50, 51; aA - analoge Anwendung nur für den Fall einer Monopolstellung des Versorgungsunternehmens - AG Rostock RdE 2006, 94; Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung , Stand 2006, § 4 AVBEltV Rdnr. 4; Ehricke, JZ 2005, 599, 603; wohl auch de Wyl/Essig/Holtmeier, in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 10 Rdnr. 393; Derleder/Rott, WuM 2005, 423, 425 f.). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Gasversorgungsunternehmen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein an kein Ermessen gebundenes freies Preisbestimmungsrecht einräumen wollte. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben (so aber Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung, Kommentar, Stand 2003, E § 4 Absatz 2 d). Allgemeine, für jedermann geltende Tarife schließen eine Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB nicht von vornherein aus. Zwar ist richtig, dass es bei der Bestimmung der Billigkeit auf die Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks ankommt (Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183, unter III 1). Die Berücksichtigung der typischen Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sind aber auch bei einem Massengeschäft möglich (vgl. BGHZ 115, 311 zu Abwasserentgelten und BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 zur Abfallentsorgung). Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob § 4 AVBGasV als öffentlichrechtliche oder als privatrechtliche Preisänderungsbestimmung anzusehen ist (so aber Derleder/Rott, aaO, 424). Entscheidend ist, dass die Beklagte im Rahmen des von den Parteien abgeschlossenen Gaslieferungsvertrages kraft Gesetzes berechtigt ist, die Preise einseitig zu ändern.
18
c) § 315 BGB in unmittelbarer Anwendung ist gegenüber § 19 Abs. 4 Nr. 2, § 33 GWB in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2546) nicht subsidiär (BGHZ 164, 336, 346 zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB; Markert, RdE 2006, 84, 85 f.; vgl. auch BGHZ 41, 271, 279 zu § 26 Abs. 2 GWB aF; BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 - KZR 8/05, NJW-RR 2006, 915, unter III 4 zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB; aA Kühne, RdE 2005, 241 ff.; ders., NJW 2006, 654, 655; ders., NJW 2006, 2520). § 315 Abs. 3 BGB stellt eine Regelung des Vertragsrechts dar, der ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zukommt (vgl. BGHZ 126, 109, 120; BGH, Urteil vom 5. Juli 2005, aaO, unter II 2 c bb (3) (b)). Sie ermöglicht es dem der Leistungsbestimmung Unterworfenen, die vorgenommene Bestimmung gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen und durch (gestaltendes) Urteil neu treffen zu lassen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Demgegenüber ist der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 2, § 33 GWB ein deliktischer Anspruch (vgl. nur Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, GWB, 2006, § 33 Rdnr. 62; Säcker, RdE 2006, 65, 70), der eine Gestaltungsmöglichkeit nicht unmittelbar bereitstellt. Ansprüche aus Vertrags- und aus Deliktsrecht sind jeweils nach ihren Voraussetzungen, ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung selbständig zu beurteilen und folgen ihren eigenen Regeln (BGHZ 46, 140, 141; 101, 337, 344; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03, NJW-RR 2005, 172, unter 2). Abweichungen von diesem Grundsatz kommen nur ganz ausnahmsweise in Betracht und beschränken sich typischerweise auf Fallgestaltungen, in denen die deliktischen Ansprüche den Zweck einer für den vertraglichen Anspruch geltenden Vorschrift vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004, aaO). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb davon hier abzuweichen wäre (vgl. auch Säcker, aaO, 70 f.; Bork, JZ 2006, 682, 685).
19
3. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Billigkeitsprüfung gemäß § 315 Abs. 3 BGB halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
20
Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensentscheidung versperrt hat (BGHZ 115, 311, 321; Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05, NJW-RR 2006, 133, unter II 2 m.w.N.). Ein solcher Fehler ist hier nicht festzustellen.
21
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass jedenfalls die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an die Tarifkunden im Grundsatz der Billigkeit entspricht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine Billigkeitskontrolle auch auf der Basis eines Vergleichs mit den Gaspreisen anderer Gasversorgungsunternehmen vorgenommen werden kann.
22
Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (Begründung zu § 4 AVBGasV, BR-Drs. 77/79, S. 38; vgl. auch BGHZ 97, 212, 222 f.). § 4 Abs. 2 AVBGasV beruht insoweit auf den gleichen Erwägungen, mit denen die Wirksamkeit von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kostenelementeklauseln bei anderen langfristigen Lieferverträgen begründet wird. Für diese ist anerkannt, dass sie ein geeignetes und zulässiges Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung darstellen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, unter II 2; Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 2 m.w.N.).
23
So verhält es sich hier. Die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts , dass durch die von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommene Erhöhung der Gastarife im wesentlichen Bezugskostensteigerungen an den Kläger weitergegeben wurden, ist nicht zu beanstanden.
24
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht unter Verstoß gegen § 286 ZPO übersehen, dass der Kläger das Vorbringen der Beklagten , die Tarifänderung habe auf einer Bezugskostensteigerung beruht, zunächst schriftsätzlich bestritten hatte. Dies folgt bereits daraus, dass es im Berufungsurteil diesen Vortrag der Beklagten als streitiges Vorbringen wiedergegeben hat. Es hat aber im tatbestandlichen Teil des Berufungsurteils weiter festgestellt, dass der Kläger die inhaltliche Richtigkeit der dazu von der Beklagten vorgelegten Unterlagen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. November 2005 nicht in Zweifel gezogen, mithin sein Bestreiten insoweit nicht aufrechterhalten hat.
25
Die folglich zu Recht auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen vorgenommene tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts verstößt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung der Bezugs- preiserhöhung insbesondere auch die von weiterverteilenden Unternehmen, Fernheizwerken und Formel-Sondervertragskunden abgenommenen Gasmengen berücksichtigt. Es hat auf der Grundlage der in der Kalkulation für das Gaswirtschaftsjahr 2004/2005 enthaltenen Bezugsmengen und quartalsweisen Bezugspreiserhöhungen für Tarifkunden und Sondervertragskunden ohne Formelpreise eine durchschnittliche jährliche Kostenerhöhung von 0,3455 Cent/kWh errechnet. Von der Revision unangegriffen hat es ferner zusätzlich eine Kostenerhöhung des von der Beklagten an die G. zu zahlenden lohngebundenen Leistungspreises von 0,0109 Cent/kWh berücksichtigt, so dass sich insgesamt eine Kostenerhöhung von 0,3564 Cent/kWh ergibt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Erhöhung des Gastarifs des Klägers um 0,37 Cent/kwh im Wesentlichen auf einer Bezugskostenerhöhung beruht, ist daher nicht zu beanstanden.
26
b) Eine auf eine Bezugskostenerhöhung gestützte Preiserhöhung kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (vgl. auch Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, unter II 3 a). Ein solcher Fall ist hier indessen nicht gegeben. Wie sich aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und in seiner inhaltlichen Richtigkeit vom Kläger nicht bestrittenen Gutachten der Wirtschaftsprüfer E. GmbH (Anlage BK 22) ergibt, sind die weiteren allgemeinen Kosten der Beklagten nicht gesunken, sondern gestiegen.
27
c) Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Rechtsbegriff der Billigkeit verkannt, indem es im Rahmen der Billigkeitskontrolle die Koppelung der Gaspreise an den Preis für leichtes Heizöl von vornherein außer Betracht gelassen hat. Die Beklagte war nicht dazu verpflichtet, darzulegen, warum sie der in ihrem Liefervertrag mit der G. enthaltenen Preiskoppelungs- klausel nicht ausweichen konnte. § 315 BGB sieht eine Überprüfung der Billigkeit des von dem einen Vertragsteil einseitig bestimmten Preises vor. Entspricht dieser - wie hier - für sich genommen der Billigkeit, so kann die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Regelung des § 315 BGB nicht herangezogen werden, um auch die auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Auch eine etwaige Kartellrechtswidrigkeit der Bindung des Bezugspreises der Beklagten an den Preis für leichtes Heizöl (Anlegbarkeitsprinzip) würde daran nichts ändern.
28
d) Die Preiserhöhung ist auch nicht - wie die Revision meint - deshalb unbillig, weil etwa die bereits vor der Preiserhöhung geforderten Tarife der Beklagten unbillig überhöht gewesen wären und die Beklagte dies im Rahmen einer von ihr nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über eine Weitergabe gestiegener Bezugskosten hätte berücksichtigen müssen (vgl. Dreher, Die richterliche Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB bei einseitigen Preiserhöhungen aufgrund von Preisanpassungsklauseln in der Energiewirtschaft, Vortrag bei der Jahrestagung des Instituts für Energierecht Berlin e.V. am 4. Dezember 2006, zur Veröffentlichung in ZNER bestimmt, Umdruck S. 12).
29
Voraussetzung für eine Verpflichtung der Beklagten, eine etwaige Unbilligkeit ihrer vor dem 1. Oktober 2004 geltenden Tarife bei der Entscheidung über die streitgegenständliche Preiserhöhung zu berücksichtigen, ist, dass es sich auch insoweit um Tarife handelte, die von der Beklagten einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen waren (§ 315 BGB). Waren die bis zur Preiserhöhung geltenden Tarife dagegen zwischen den Parteien vereinbart, kommt es auf die Frage, ob sie billigem Ermessen entsprechen, nicht an (vgl. BGHZ 97, 212, 222 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1990 - XI ZR 340/89, NJW 1991, 832, unter II 3 b; vgl. auch Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2).
30
Letzteres ist hier der Fall. Eine Überprüfung der vor der Preiserhöhung geltenden Tarife der Beklagten auf ihre Billigkeit kommt nicht in Betracht, weil es sich um zwischen den Parteien vereinbarte Preise handelt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - wozu das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen getroffen hat - die vor der streitgegenständlichen Preiserhöhung vom 1. Oktober 2004 geltenden Tarife bereits bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags zwischen den Parteien galten oder ob sie ihrerseits wiederum durch in der Vergangenheit erfolgte Preiserhöhungen gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zustande gekommen sind.
31
aa) Handelte es sich bei den vor der streitgegenständlichen Preiserhöhung geltenden Tarifen um die bereits bei Abschluss des Versorgungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten geltenden (Anfangs-)Preise, unterlagen sie keiner Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB. § 315 Abs. 3 BGB findet auf einen zwischen den Parteien eines Gaslieferungsvertrags vereinbarten Anfangspreis weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
32
(1) Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV). Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Ver- öffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag

).

33
(2) Auch eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf den zwischen den Parteien vereinbarten Anfangspreis scheidet vorliegend aus. Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. BGHZ 73, 114, 116 zu Krankenhauspflegesätzen ; BGHZ 115, 311, 316 zu tariflichen Abwasserentgelten; BGH, Urteil vom 5. Juli 2005, aaO, unter II 1 a; Urteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05, aaO, unter II 1 zu Baukostenzuschüssen zur Wasserversorgung). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden, gilt aber auch für den Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs (Senatsurteil vom 21. September 2005, aaO).
34
Diese Rechtsprechung ist hier indessen nicht einschlägig. Einem Anschluss - oder Benutzungszwang unterlag der Kläger hinsichtlich der Gasversorgung nicht. Es fehlt auch an einer Monopolstellung der Beklagten als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB (Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313, 1314 f.; Schulz-Gardyan, N&R 2005, 97, 100, 102 f.; Ehricke, aaO, 604 f.; Salje, ET 2005, 278, 284; aA OLG Karlsruhe NJOZ 2006, 2833, 2834; Fricke, aaO, 549; Hanau, aaO, 1285). Zwar ist die Beklagte im Bereich der Stadt H. der einzige Anbieter von leitungsgebundener Versorgung mit Gas und daher auf dem Gasversorgungsmarkt keinem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt. Sie steht aber - wie alle Gasversorgungsunternehmen - auf dem Wärmemarkt in einem (Substitutions-)Wettbewerb mit Anbietern konkurrie- render Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme. Das entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, BTDrs. 13/7274 S. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Februar 1996 - I ZR 50/94, GRUR 1996, 502, unter II 1 a - "Energiekosten-Preisvergleich"; BGH, Urteil vom 19. September 1996 - I ZR 72/94, GRUR 1997, 304, unter II 3 b bb - "Energiekosten -Preisvergleich II"; Schiffer, ET 1986, 484, 487). Die allgemeinen Tarife der Gasversorgungsunternehmen unterlagen - anders als die allgemeinen Tarife der Elektrizitätsversorgungsunternehmen - wegen des auf dem Wärmemarkt bestehenden (Substitutions-)Wettbewerbs zu keiner Zeit einer behördlichen Genehmigung (vgl. Bundestarifordnung Gas vom 10. Februar 1959, BGBl. I S. 46, aufgehoben durch Art. 5 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998; § 11 Abs. 1 EnWG 1998; § 1 Abs. 1 Satz 2, § 12 Bundestarifordnung Elektrizität vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2255, außer Kraft tretend am 1. Juli 2007, Art. 5 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970). Für die Gasversorgung hielt der Gesetzgeber das Erfordernis einer Tarifgenehmigung für verzichtbar, weil Neukunden zur Deckung ihres Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen können und durch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entsteht , der allen Kunden zugute kommt, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der Wechsel zu einer anderen Energieart wegen der hiermit verbundenen Kosten keine echte Alternative darstellt (vgl. Tegethoff/ Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Stand 1987, Band II, III C, Nr. 1; Kunth/Tüngler, aaO, 1315; Ehricke, aaO, 605).
35
Dem steht auch nicht die - Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten gemäß § 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 5 Satz 2 AVBGasV betreffende - Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 1986 (VII ZR 77/86, WM 1987, 295, unter II 2 b, c) entgegen. In dem dort entschiedenen Fall hatte das beteiligte Gasversorgungsunternehmen nach den Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts eine Monopolstellung inne, so dass § 315 BGB nach der so genannten Monopol-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend anzuwenden war. Im Gegensatz dazu hat das Berufungsgericht vorliegend - von der Revision unangefochten - festgestellt, dass die Beklagte einem Substitutionswettbewerb auf dem Wärmemarkt ausgesetzt war.
36
bb) Handelte es sich dagegen bei den vor der streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 geltenden Tarifen der Beklagten um Tarife, die in der Vergangenheit durch von der Beklagten gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einseitig vorgenommene Preiserhöhungen zustande gekommen sind, war § 315 BGB - wie oben unter II 2 b bereits ausgeführt - auf diese Preiserhöhungen zunächst unmittelbar anwendbar. Der Kläger hätte diese - wie auch die streitgegenständliche Preiserhöhung - gemäß § 315 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen können. Der Berücksichtigung der etwaigen Unbilligkeit vergangener Preiserhöhungen im Rahmen der Überprüfung der hier streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 steht aber entgegen , dass der Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen (vgl. § 24 Abs. 1 AVBGasV) unbeanstandet hingenommen hat. Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Par- teien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a). Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb im Rahmen einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden. Dem steht, anders als die Revision meint, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 2003 (VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449) nicht entgegen. Auf den dort entschiedenen Fall hat der Senat wegen der seinerzeit noch bestehenden Monopolstellung eines Stromversorgungsunternehmens die Bestimmung des § 315 Abs. 3 BGB entsprechend angewendet. Es kam daher nicht auf die Frage an, ob es sich dort um einseitig bestimmte oder zwischen den Parteien vereinbarte Preise handelte. Ball Dr.Wolst Dr.Frellesen Hermanns Dr.Hessel
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 15.04.2005 - 15a C 4394/04 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 19.01.2006 - 6 S 16/05 -

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.