Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Sept. 2016 - 11 A 2634/14
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes mit der Straßenbezeichnung Am E. 8 in E1. (Gemarkung I. , Flur 11, Flurstück 242). Das Grundstück grenzt im rückwärtigen Bereich auf einer Länge von rund 3,75 m an das Flurstück 1145, das seit März 2014 im Eigentum der Eigentümer des nördlichen davon liegenden Grundstücks 1130 steht. Südlich davon befindet sich ein rund 50 m langer Stichweg (Gemarkung I. , Flur 11, Flurstücke 1125 und 1146 sowie Flur 14, Flurstück 994), der in südöstlicher Richtung von der Straße „Alt-O. “ abzweigt. Bis 2011 wurde die streitgegenständliche Fläche von der Wegefläche des Stichwegs durch eine Mauer getrennt, wobei nicht feststeht, seit wann diese Mauer existierte.
4Das Flurstück 1145 ist durch Teilung aus dem Flurstück 1124 entstanden, welches seinerseits durch Teilung aus dem Flurstück 1112 gebildet wurde. Das Flurstück 1112 entstand durch Verschmelzung der Flurstücke 249 und 577, wobei letzteres in Größe und Lage etwa dem heutigen streitgegenständlichen Flurstück 1145 entsprach. Das Flurstück 1145 und seine Vorgängergrundstücke standen seit 1966 im Eigentum der Beklagten, die es mit notariellem Vertrag vom 24. Juni 1966 unentgeltlich zu Straßenfreilegungszwecken erworben hatte. Zuvor war die streitgegenständliche Fläche Teil eines aus den Flurstücken 240, 241, 245 und 247 gebildeten und in privatem Eigentum stehenden Grundstücks.
5Vor der Übertragung der streitgegenständlichen Fläche an die Eigentümer des Flurstücks 1130 wurde hinsichtlich der streitigen Fläche kein förmliches straßenrechtliches Einziehungsverfahren durchgeführt.
6Die Beteiligten stritten in erster Instanz insbesondere um die Frage, ob es sich bei der Fläche auf dem streitgegenständlichen Flurstück 1145 um eine öffentliche Wegefläche handelt. Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung der Einziehung des Flurstücks 1145 als öffentliche Straße gerichtete Klage abgewiesen.
7II.
8Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
9Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
10„Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 - 7 AV 1.02 -, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1 = juris, Rn. 7.
12Solche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt. Dabei begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es – soweit rechtliches Gehör gewährt ist – die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht nur dann sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht.
13Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 ‑ 1 BvR 3057/11 -, NJW 2013, 3506 (3508 f.) = juris, Rn. 36 und 40.
14Hiervon ausgehend unterliegt die Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem auf Aufhebung der Einziehung gerichteten Antrag abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgehoben, für die Einziehung einer öffentlichen Straße sei es erforderlich, dass es sich bei der einzuziehenden Fläche zuvor um eine öffentliche Straße bzw. einen Teil einer solchen gehandelt habe. Dies lasse sich bezüglich des streitgegenständlichen Flurstücks 1145 aber nicht feststellen. Zwar könne die Straße „Alt-O. “ als öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1 StrWG NRW gelten, weil es sich um eine alte Straße handele. Hinsichtlich des Flurstücks 1145, das an dem von der Straße „Alt-O. “ abgehenden Stichweg liege, könne dies aber nicht festgestellt werden. Den vorliegenden Unterlagen ließe sich nicht entnehmen, dass der Stichweg bis an die Grundstücksgrenze zum Flurstück 242 und damit auf das hier streitgegenständliche Flurstück 1145 reichte. Die Flurstücke 242 und 1145 seien durch eine auf Lichtbildern zu erkennende Mauer von der Straßenfläche des Stichwegs getrennt gewesen. Nach deren Entfernung sei der Stichweg nie an die südöstliche Seite des Grundstücks des Klägers verbreitert worden, so dass auch keine Widmung nach § 6 Abs. 8 StrWG NRW erfolgt sei.
16An der Richtigkeit dieser rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts bestehen angesichts der Begründung des Zulassungsantrags im Ergebnis keine Zweifel.
17Der Kläger kann mit dem erstinstanzlich gestellten Antrag, „die Einziehung des Flurstücks 1145, Gemarkung I. , Flur 11, als sonstige öffentliche Straße aufzuheben“, bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil ein förmliches Einziehungsverfahren im Sinne des § 7 StrWG NRW nicht durchgeführt worden ist und es dementsprechend an einer im Wege der Anfechtungsklage aufzuhebenden Einziehungsverfügung mit Verwaltungsaktqualität fehlt.
18Richtigerweise hätte die Klage auf die Feststellung gerichtet werden müssen, dass die streitige Wegefläche eine öffentliche Straße ist.
19Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 11 A 1090/14 -, juris, Rn. 27 ff., m. w. N.
20Die Klage hätte aber auch mit diesem Begehren in der Sache keinen Erfolg haben können. Denn die streitgegenständliche Fläche, die das heutige Flurstück 1145 bildet, ist kein Teil einer öffentlichen Straße.
21Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs. 1 StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, wobei die Widmung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW durch Allgemeinverfügung, d. h. förmlich erfolgen muss. Darüber hinaus sind nach § 60 Satz 1, erster Halbsatz StrWG NRW - eine wortgleiche Bestimmung enthielt bereits § 60 Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz LStrG - auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze öffentliche Straßen, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen.
22Für das hier in Rede stehende Flurstück 1145 kann nicht festgestellt werden, dass es sich um einen Teil einer öffentlichen Straße handelt. Dies geht prozessual zu Lasten des Klägers, der sich auf die Öffentlichkeit des Weges beruft und nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer öffentlichen Straße trägt.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 - 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 21.
24Es liegen für die Fläche des heutigen Flurstücks 1145, für das die Vorgaben für das Vorhandensein einer öffentlichen Straße erfüllt sein müssen,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 1980 - 9 A 1361/77 -, OVGE 34, 282 (284) = juris, Rn. 4,
26weder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 StrWG NRW (1.) noch diejenigen des § 60 Satz 1 erster Halbsatz StrWG NRW vor (2.).
271. Das Flurstück 1145 ist nicht kraft Widmung Teil einer öffentlichen Straße im Sinne von § 2 Abs. 1 StrWG NRW. Eine Widmung ist die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW). Eine solche förmliche Widmung ist bezüglich des Flurstücks 1145 oder einer Parzelle, deren Teil es früher war, nach Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts nicht erfolgt.
28Das Flurstück kann auch nicht nach § 6 Abs. 8 StrWG NRW als gewidmet gelten. Nach dieser Vorschrift gilt, wenn eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird und zudem die Vorgaben des Absatzes 5 gegeben sind, der neue Straßenteil durch die Verkehrsübergabe als gewidmet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers, führte die Beseitigung der früher die Fläche des heutigen Flurstücks 1145 vom Stichweg abtrennenden Mauer nicht dazu, dass nunmehr auch die Fläche des Flurstücks 1145 als gewidmet anzusehen ist. Denn schon der Wortlaut („Straße verbreitert“) und die Entstehung dieser Regelung aus dem Grundsatz der „Elastizität der Widmung“, bei dem letztlich der nach der Widmungstheorie (s. u.) erforderliche Widmungswille fingiert wird,
29vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 1980 - 9 A 1361/77 -, OVGE 34, 282 (284) = juris, Rn. 4,
30belegen, dass es sich bei den in § 6 Abs. 8 StrWG NRW benannten Maßnahmen um eine durch den Straßenbaulastträger initiierte Veränderung der Straße handeln muss.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2014 - 11 A 25/12 -, DVBl. 2014, 938 (940) = juris, Rn. 31.
32An einer solchen fehlt es hier. Die Wegefläche, die sich mittlerweile auch auf dem Flurstück 1145 befindet, wurde nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten nicht von ihr als Trägerin der Straßenbaulast angelegt. Vielmehr sprechen die Art der Pflasterung und der Zeitpunkt der Entstehung dafür, dass die wegemäßige Befestigung des Flurstücks 1145 von den (privaten) Eigentümern des Flurstücks 1130, die mittlerweile auch Eigentümer des Flurstücks 1145 sind, vorgenommen wurde. Während die Verkehrsfläche des Stichwegs auf den Luftbildern einen hellgrauen Straßenbelag aufweist, ist das Flurstück 1145 mit einer dunkelgrauen Pflasterung versehen, die nach den in der Akte befindlichen Lichtbildern auch auf das Flurstück 1130 hinüberreicht und so den Eindruck einer einheitlichen, der Grundstückszufahrt dienenden Fläche entstehen lässt. Zudem erfolgte der Ausbau des Stichwegs zeitlich vor der Pflasterung des Flurstücks 1145. So ist auf dem vom Kläger eingereichten Luftbild aus dem Jahr 2012 die hellgraue Straßenpflasterung zu erkennen, die dunkelgraue auf dem Flurstück 1145 hingegen nicht.
332. Die streitgegenständliche Fläche des heutigen Flurstücks 1145 ist auch nicht Teil einer öffentlichen Straße im Sinne des § 60 Satz 1, erster Halbsatz StrWG NRW, denn sie besaß nicht nach bisherigem Recht, d. h. vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes (LStrG) zum 1. Januar 1962 die Eigenschaft einer öffentlichen Straße.
34Es ist schon – wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt hat – nicht mit Gewissheit festzustellen, dass die streitgegenständliche Grundstücksfläche vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes zum 1. Januar 1962 als Wegefläche ausgebaut war und vom Verkehr genutzt worden ist. So ist der Stichweg, an den die Fläche des heutigen Flurstücks 1145 angrenzt und dessen Teil sie gewesen sein soll, zwar auf den historischen Karten von 1901, 1922 und 1939 bzw. 1946 dargestellt. Die Darstellungen sind aber gerade am „offenen Ende“ des abgebildeten Wegs so grob, dass sich nicht eindeutig erkennen lässt, ob der gezeichnete Weg auch die nur rund 13 m² große hier streitgegenständliche Fläche mit umfasst. Dagegen spricht die Darstellung des Stichwegs in den (späteren) Plänen wie dem Durchführungsplan 5278/15 der Beklagten aus dem Jahr 1957 und dem Durchführungsplan 5278/19 aus dem Jahr 1961. In beiden ist die – im Durchführungsplan 5278/15 als „öfftl. Wege und Gewässer“ bezeichnete – Fläche, auf der der heutige Stichweg lag, so dargestellt, dass die nördliche Flurstücksgrenze im östlichen Teil nach Süden abknickt und nicht weiter auf das Grundstück des Klägers zu führt, sondern dieses lediglich punktförmig in dessen südwestlichen Ecke berührt. Auch die nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes entstandenen Pläne sowie Luft- und Lichtbilder zeigen nur eine Wegefläche im Bereich des heutigen Flurstücks 1146, nicht aber im Bereich des heutigen Flurstücks 1145. Die Beschränkung der Wegefläche auf die Bereiche südlich, d. h. vom Stichweg aus gesehen vor, der um 2011 entfernten Mauer wird besonders eindrucksvoll auf den im Verwaltungsvorgang und der Gerichtsakte befindlichen Lichtbildern aus dem Jahr 2009 (Bl. 47 BA 1, Bl. 74 GA) deutlich, denen sich nicht nur der nach Süden verschwenkende Verlauf des Stichwegs entnehmen lässt, sondern auch, dass die Wegefläche des Stichwegs sogar noch vor der Mauer endet, die Mauer also – anders als der Kläger meint – augenscheinlich nicht über eine vormals vorhandene Wegefläche gebaut wurde.
35Ungeachtet dessen liegt es angesichts der schon im erstinstanzlichen Verfahren vorliegenden Unterlagen auf der Hand, dass auch die weiteren Voraussetzungen für die Annahme einer öffentlichen Straße im Sinne des § 60 Satz 1, erster Halbsatz StrWG NRW nicht erfüllt sind. Für die streitgegenständliche Fläche lassen sich weder das Vorliegen der Voraussetzungen einer Widmung nach zuvor geltendem Recht (a)), noch nach der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (b)) noch kraft unvordenklicher Verjährung feststellen (c)).
36a) Für Wege, die – wie vorliegend der Fall – nicht förmlich nach nordrhein-westfälischem Straßenrecht gewidmet sind, aber schon vor dem 1. Januar 1962 vorhanden waren, ist für die rechtliche Beurteilung in erster Linie auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung der Weg entstanden ist.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1963 ‑ IV A 707/61 -, OVGE 19, 175 (179).
38Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen kann der Senat schon nicht feststellen, wann der Stichweg, sollte er auch die hier streitige Fläche erfasst haben, entstanden ist. Weil er auf der Karte von 1901 dargestellt ist, spricht einiges dafür, dass der Stichweg als solcher schon 1901 bestand.
39Letztlich kann der Zeitpunkt der Entstehung des Stichwegs aber dahingestellt bleiben, weil Anhaltspunkte für eine Widmung nach früher geltendem Recht – I. gehörte zunächst zum F. und Kurfürstentum L1. , kam dann 1794 unter französische und danach ab 1815 unter preußische Herrschaft – weder vom Kläger vorgetragen werden noch ersichtlich sind.
40b) Eine Widmung der Fläche des heutigen Flurstücks 1145 nach der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten so genannten Widmungstheorie kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
41Nach dieser Widmungstheorie ergibt sich die Öffentlichkeit eines Weges „nicht nothwendig aus der thatsächlichen, wenn auch langjährigen und nicht mit Erfolg gehinderten Benutzung eines Weges seitens des Publikums“, sondern das Entstehen einer öffentlichen Straße setzte voraus, dass diese „unter - wenn auch stillschweigender - Zustimmung der rechtlich Betheiligten (d. h. des Eigenthümers, des Unterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehre gewidmet ist“.
42Vgl. PrOVG, Urteil vom 27. Februar 1895 - IV C 52/94 -, PrOVGE 27, 399 (401); s. a. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2014 - 11 A 2227/12 -, NWVBl. 2015, 67 (67) = juris, Rn. 30.
43Öffentliche Wege entstanden demnach durch Widmung seitens der drei Rechtsbeteiligten, nämlich des Wegebau- und -unterhaltungspflichtigen, der Wegepolizeibehörde und des Wegeeigentümers. Können ausdrückliche Erklärungen seitens der drei Rechtsbeteiligten nicht festgestellt werden, so kommt eine konkludente, stillschweigende Widmung durch die hierzu berufenen Personen in Betracht. Diese setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen.
44Vgl. OVG NRW, Urteile vom 21. November 2002 ‑ 11 A 5497/99 -, juris, Rn. 53, und vom 29. April 2009 - 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 51; s. a. PrOVG, Urteil vom 2. Juli 1934 - IV C 77/33 -, PrOVGE 94, 143 (145).
45Daran fehlt es hier. Den vorliegenden Unterlagen kann ein (ausdrücklich oder konkludent geäußerter) Widmungswille der drei Rechtsbeteiligten nicht entnommen werden. Dabei ist der Großteil der vom Kläger vorgelegten Unterlagen zum Nachweis eines Widmungswilles schon deshalb nicht geeignet, weil sie – wie etwa das Flurkartenbuch, die Kataster, der Bebauungsplan 5278/27 aus dem Jahr 1966 und der Vermerk des Bauverwaltungsamtes vom 12. Dezember 2013 – aus Zeiten nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes (LStrG) zum 1. Januar 1962 stammen. Von diesem Zeitpunkt an konnten Widmungen aber nur noch förmlich erfolgen (vgl. § 6 LStrG), ein Rückgriff auf die Widmungstheorie ist verwehrt.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 11 A 1090/14 -, juris, Rn. 53.
47Ungeachtet dessen vermögen die Unterlagen auch einen Widmungswillen der drei Rechtsbeteiligten nicht zu belegen. Dies gilt etwa für die Auszüge aus dem Kataster, in denen die Vorgängerflurstücke des heutigen Flurstücks 1145 als „Straße“ oder „Weg“ verzeichnet sind. Die Eintragung als „Weg“ im Kataster selbst mag zwar ein Indiz für einen Widmungswillen sein, begründet diesen aber noch nicht. Das Kataster belegt vielmehr nur die Eigentumsverhältnisse an den katastermäßig erfassten Grundstücken, besagt aber nichts über die rechtliche Einordnung der Straße.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2014 - 11 A 2227/12 -, NVwZ-RR 2014, 793 (794) = juris, Rn. 38.
49Dabei war hier zu berücksichtigen, dass die Bildung des Flurstücks 577 im Jahr 1966 der beabsichtigten Straßenfreilegung diente, so dass möglicherweise aus diesem Grund im Kataster von 1966 als Nutzungsart „Strasse“ vermerkt wurde.
50Auch die Darstellung des Stichwegs im Bebauungsplan 5278/27 aus dem Jahr 1966, in welchem der Stichweg als „vorhandene öffentliche Verkehrsfläche“ eingezeichnet und in einem Umfang dargestellt ist, dass er auch die hier streitgegenständliche Fläche mit umfasst, belegt keinen Widmungswillen. Diese Darstellung lässt zwar die rechtliche Bewertung des Plangebers erkennen, dass er die Fläche als Teil einer öffentlichen Verkehrsfläche auffasst. Auf einen vor 1962 geäußerten Widmungswillen lässt sich daraus nicht schließen. Darüber hinaus spricht auch vieles dafür, dass die zeichnerische Darstellung des Wegs im Bebauungsplan nicht zutreffend ist. Denn die Fläche ist dort zwar als „vorhandene öffentliche Verkehrsfläche“ dargestellt, zugleich ist aber davon abweichend in gestrichelten Linien der damals wohl tatsächlich vorhandene Wegeverlauf eingezeichnet, der die streitgegenständliche Fläche nicht berührte. Dies lässt vermuten, dass der Plangeber den Unterschied zwischen „vorhandenen“ und „geplanten“ öffentlichen Verkehrsflächen nicht konsequent und präzise beachtet hat und auf der hier streitgegenständlichen Teilfläche entgegen der zeichnerischen Darstellung tatsächliche keine öffentliche Verkehrsfläche „vorhanden“ war.
51Ein Widmungswille der Beklagten kann auch nicht aus dem Vermerk des Bauverwaltungsamtes vom 12. Dezember 2013 abgeleitet werden, in welchem die Aussage von Herrn M. (66/5) mit dem Inhalt, es handele sich bei der Straße „Alt-O. “ um eine vorhandene Straße, wiedergeben wird. Denn dieser Vermerk gibt lediglich die von dem Mitarbeiter M. geäußerte Rechtsauffassung wieder. Seine Ausführungen betrafen überdies die gesamte Straße „Alt-O. “, wie sich aus dem Zusatz, sie ging 1908 in das Eigentum der Stadt E1. über, ergibt. Weil die hier streitgegenständlichen Fläche erst 1966 in das Eigentum der Beklagten gelangte, ist zudem davon auszugehen, dass die von Herrn M. geäußerte Rechtsauffassung u. U. diese Fläche nicht erfasste.
52Gleiches gilt für die erstmals im Zulassungsverfahren vom Kläger vorgebrachten Ausführungen im Dezernentenbeschluss der Beklagten vom 12. Juni 2012. Auch diese Ausführungen geben lediglich Rechtsauffassungen wieder. Darüber hinaus wird darin – entgegen der Ansicht des Klägers – noch nicht einmal die Auffassung vertreten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Fläche um einen Teil einer öffentlichen Straße handelt. Vielmehr wird die Fläche als „Vorgarten/Zufahrt“ bezeichnet, was der Annahme einer öffentlichen Verkehrsfläche widerspricht.
53Schließlich lässt sich ein Widmungswille auch nicht aus den Darstellungen in den Durchführungsplänen 5278/15 aus dem Jahr 1957 und dem Durchführungsplan 5278/19 aus dem Jahr 1961 entnehmen. Diese Pläne stammen zwar aus Zeiten vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes und damit aus Zeiten, als die Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts noch anwendbar war. Ihnen kann aber ein nach der Widmungstheorie erforderlicher Widmungswille schon deshalb nicht entnommen werden, weil – wie bereits ausgeführt – die in diesen dargestellte Wegefläche des Stichwegs aufgrund seiner Verschwenkung nach Süden nicht die streitgegenständliche Fläche erfasst, sondern diese damals im Privateigentum stehende Fläche ausnahm.
54Darüber hinaus liegen, selbst wenn von einer konkludenten Widmung durch die Beklagte als Wegebaupflichtige auszugehen sein sollte, die Voraussetzungen für eine Widmung nach der Widmungstheorie nicht vor. Denn es lassen sich weder ausdrückliche noch konkludente Willensbetätigungen der beiden anderen Rechtsbeteiligten, der Wegepolizei und des bis 1966 privaten Grundstückseigentümers, feststellen. Dabei war zu berücksichtigen, dass ein zufälliges, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers noch keinen Schluss auf eine konkludente Widmung zulässt.
55OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 - 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 67 ff., und Beschluss vom 17. Februar 2004 - 11 A 3752/02 -, juris, Rn. 21.
56c) Die streitgegenständliche Fläche ist auch nicht nach dem Grundsatz der „unvordenklichen Verjährung“ als Teil eines öffentlichen Wegs anzusehen. Der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung begründet eine widerlegliche Vermutung für die Öffentlichkeit eines Weges, wenn dieser ein „alter Weg“ ist, dessen Entstehung und ursprüngliche rechtliche Verhältnisse im Dunkeln liegen, und er seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder wegeunterhaltungspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 - 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 53, m. w. N., und Beschluss vom 6. Mai 2014 - 11 A 2478/12 -, juris, Rn. 19.
58Dabei müssen für die Annahme eines „alten Weges“ nicht nur dessen Entstehung und ursprüngliche rechtliche Verhältnisse im Dunkeln liegen, sondern der Weg muss nachgewiesenermaßen bereits 1882 existiert haben.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 - 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 56 ff., m. w. N.
60Zudem sind, wenn – wie hier bis 1966 – privates Grundeigentum betroffen ist, an den Nachweis der Öffentlichkeit eines Weges über den letztlich (nur) eine widerlegliche Vermutung begründenden Grundsatz der unvordenklichen Verjährung allgemein hohe Anforderungen zu stellen, die es ausschließen, dass verbleibende Zweifel sich zulasten des Privateigentümers auswirken können.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 9 B 53.08 -, Buchholz 407.0 Allg. Straßenrecht Nr. 25, S. 1 (2) = juris, Rn. 5; s. a. BVerfG, Beschluss vom 15. April 2009 - 1 BvR 3478/08 -, juris, Rn. 38.
62Mit Rücksicht auf die erheblichen Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Eigentümers, über dessen privaten Grund ein öffentlicher Weg verläuft, kann daher im Zweifel nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden.
63Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, n. v., S. 16, und vom 19. Juni 2000 - 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 90.
64Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass die hier maßgebliche Teilfläche des Stichwegs von der Straße „Alt-O. “ als Wegefläche bereits 1882 bestand. Denn die älteste Karte stammt aus dem Jahr 1901. Auf dieser ist zwar im hier fraglichen Bereich ein Weg verzeichnet, der möglicherweise (s. o.) auch die hier streitgegenständliche Fläche umfasst. Wann dieser angelegt wurde, lässt sich der Karte nicht entnehmen.
65Darüber hinaus lässt sich nicht feststellen, dass die streitgegenständliche Fläche als Teil des Stichwegs – sollte dieser bereits vor 1882 bestanden haben – „im Bewusstsein der Öffentlichkeit von der Allgemeinheit ohne Widerspruch des Grundeigentümers“ benutzt worden ist. Denn abgesehen von den Darstellungen eines kurzen Stichweges in den Karten von 1901, 1922 und 1939 bzw. 1946 liegen keine Unterlagen vor, denen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass es sich bei der streitgegenständliche Fläche um eine von der Allgemeinheit widerspruchslos genutzte Wegefläche gehandelt hat. Die Darstellung des Weges in den historischen Karten reicht nicht aus, um eine Benutzung durch die Allgemeinheit im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu belegen. Grundsätzlich – so auch hier – folgt aus der Wiedergabe eines Weges in einer historischen Karte unmittelbar noch nicht, dass es sich um einen öffentlichen Weg handelte. Denn derartige Karten treffen regelmäßig lediglich Aussagen über den tatsächlichen Verlauf eines Weges und ggf. über die Eigentumsverhältnisse. Sie besagen aber – anders als Fluchtlinienpläne nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 – nichts über die rechtliche Einordnung des Weges.
66Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Juni 2014 - 11 A 2227/12 -, NVwZ-RR 2014, 793 (794) = juris, Rn. 38 f., und vom 15. August 1989 - 23 A 717/87, n. v., S. 7: Die Darstellung begründet „noch nicht einmal eine Vermutung“ für die Annahme der Öffentlichkeit; Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preußen, I. Band, 4. Auflage 1932, S. 10 f.
67Anhaltspunkte dafür, dass dies bei den hier maßgeblichen historischen Karten anders ist, sind nicht ersichtlich.
68Dem mit Schriftsatz vom 27. April 2015 vom Kläger gestellten Antrag auf Vorlage des Tauschvertrags vom 27. September 2012 war nicht zu entsprechen, weil es auf den konkreten Inhalt des Tauschvertrags aus den vorstehenden Gründen nicht ankam. Selbst wenn der Tauschvertrag eine Bestätigung der Beklagten enthielte, dass es sich bei der streitgegenständlichen Fläche um eine öffentliche Verkehrsfläche handele, stellt dies weder eine Widmung nach § 6 StrWG NRW dar, weil diese seit 1962 nur förmlich erfolgen kann, der Tauschvertrag aber kein solche förmlicher Widmungsakt wäre, noch vermag dies einen Widmungswillen im Sinne der Widmungstheorie zu belegen, weil es sich zum einen nur um die Wiedergabe einer – unzutreffenden – Rechtsauffassung handeln würde und zum anderen die Widmungstheorie nach 1962 nicht mehr anwendbar ist.
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
70Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
71Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
72Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Sept. 2016 - 11 A 2634/14
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist Eigentümer des Gebäudegrundstückes mit der Straßenbezeichnung L.--------markt 14 (Flur 11, Flurstück 431), das in der ehemals selbstständigen, heute zur Stadt B. gehörenden Gemeinde L1. liegt. Das Grundstück ist Teil einer in geschlossener Bauweise errichteten Häuserzeile und grenzt unmittelbar an den L.--------markt . Vor dem Gebäude befindet sich ein etwa stufenhohes gepflastertes Podest, von dem aus über vier weitere Stufen einer Hauseingangstreppe das etwas erhöht liegende Erdgeschoss des Gebäudes erreicht werden kann. Ferner ist in das Podest ein Schacht als Zugang zu einer in die Hausfront eingelassenen Kellertür eingelassen. Der genaue Zeitpunkt des Baus dieses Podestes steht nicht fest, zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es noch nicht vorhanden. Nach Angaben des Klägers wurde das Podest etwa 1937 angelegt. Auf Lichtbildern, die wohl aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen, ist das Podest zu erkennen.
4Im Erdgeschoss des im 18. Jahrhundert errichteten Gebäudes L.--------markt 14 befindet sich seit dem Jahr 1936 das Restaurant „N. “. Im Sommer wird das Podest vor dem Haus mit gaststättenrechtlicher Erlaubnis für eine Außengastronomie genutzt. Hierfür wurden von der Beklagten seit dem Jahr 2002 befristete Sondernutzungserlaubnisse erteilt.
5Die Beteiligten stritten in erster Instanz insbesondere um die Fragen, ob es sich bei dem Podest um einen Teil einer öffentlichen Wegefläche handelt, die Verpflichtung der Beklagten, die fragliche Fläche einzuziehen und um die Berechtigung der Beklagten, für die Nutzung des Podestes Sondernutzungsgebühren zu erheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen
6II.
7Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger nur noch den in erster Instanz gestellten Hauptantrag weiterverfolgt,
8festzustellen, dass es sich bei der vor dem Haus „L.--------markt 14“ in B. -L1. befindlichen, etwa 10,57 m2 großen, baulich als Podest ausgestalteten Fläche nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt,
9hat keinen Erfolg.
101. Der in erster Linie geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch.
11a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt. Dabei begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist.
12Vgl. jüngst etwa BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 -, juris, Rn. 36 und 40.
13b) Hiervon ausgehend unterliegt die Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz keinen ernstlichen Zweifeln.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Feststellungsantrag abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgehoben, dass der L.--------markt zwar nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW förmlich gewidmet worden sei, diese Straße aber als öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1 StrWG NRW gelte, weil der L.--------markt seit alters her als öffentlicher Marktplatz und Verkehrsfläche genutzt werde. Im Bereich des hier in Rede stehenden Podestes habe der L.--------markt die Eigenschaft einer öffentlichen Straße nicht durch die Aufpflasterung oder eine früher vorhandene Einzäunung verloren, weil er diese Eigenschaft allein durch ein förmliches Verfahren, namentlich durch Einziehung, habe verlieren können.
15Der erste Punkt der rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts, der L.--------markt besitze gemäß § 60 Satz 1 StrWG NRW die Eigenschaft einer öffentlichen Straße, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht mit substantiierten Darlegungen angegriffen. Vielmehr räumt der Kläger selbst ein, es solle „in diesem Stadium des Verfahrens zunächst davon ausgegangen werden, dass die Fläche, auf der sich das Podest befindet, bis zum Jahr 1937 Bestandteil des von der Öffentlichkeit genutzten Marktplatzes war“. Die hiervon ausgehenden weiteren Ausführungen des Zulassungsantrages mit der dort vertretenen Meinung, durch die Anlegung des Podestes mit der Treppe und dem in den Keller führenden Schacht sei in diesem räumlichen Bereich die „Nutzung als öffentliche Verkehrsfläche entzogen worden“, stehen allerdings mit der vorliegenden Rechtsprechung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im Einklang.
16Nach der Rechtsprechung des Senats führt die faktische Beseitigung eines einmal bestehenden öffentlichen Weges nicht dazu, dass diesem Weg sein öffentlicher Charakter verloren geht. So kann etwa die teilweise Überbauung oder eine teilweise veränderte Wegeführung die rechtliche Eigenschaft der Öffentlichkeit nicht beseitigen.
17OVG NRW, Beschluss 17. Dezember 2002 – 11 A 2215/02 -, n. v., S. 3 des Beschlussabdrucks; zum rheinland-pfälzischen Straßenrecht und dem dort weitergeltenden rheinischen bzw. preußischen Wegerecht: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. April 1961 – 1 A 1/59 -, AS 8, 241 (248).
18Ebenso hat beispielsweise das Einebnen bzw. Umpflügen eines öffentlichen Weges im ländlichen Bereich nur eine vorübergehende Erschwerung des öffentlichen Verkehrs zur Folge, nicht aber den Wegfall der Öffentlichkeit dieses Weges schlechthin.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 1953 – IV A 1159/52 -, OVGE 9, 32 (35), und Beschluss 17. Dezember 2002 – 11 A 2215/02 -, n. v., S. 3 des Beschlussabdrucks; siehe auch PrOVG, Urteil vom 6. Februar 1930 - IV C 44/29 -, PrOVGE 86, 312 (313), und Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl. 1986, § 60 Rn. 483.
20Einer öffentlichen Straße kann nach der gegenwärtigen Rechtslage und konnte in aller Regel auch nach dem zuvor geltenden Recht der rechtliche Status der Öffentlichkeit vielmehr nur durch eine nach den jeweils maßgeblichen Bestimmungen in einem förmlichen Verfahren durchgeführte Einziehung genommen werden.
21Seit dem Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts - Straßengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Landesstraßengesetz - LStrG) vom 28. November 1961 (im Folgenden: LStrG NRW 1961), GV. NRW. S. 305, in Kraft getreten am 1. Januar 1962 (vgl. § 71 LStrG NRW 1961), das später die Bezeichnung Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) erhalten hat - kann eine gewidmete Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße nur durch eine förmliche Einziehung verlieren (vgl. § 7 LStrG 1961 und § 7 StrWG NRW).
22Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes 1961, d. h. vor dem 1. Januar 1962, war in den Landesteilen von Nordrhein Westfalen, in denen - wie hier - preußisches Recht galt (B. war durch den Wiener Kongress 1815 an Preußen gefallen), ebenfalls ein förmliches Wegeeinziehungsverfahren erforderlich, um einem öffentlichen Weg die Eigenschaft der Öffentlichkeit zu nehmen. Dies folgt aus § 57 Abs. 1 Satz 1 des preußischen Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (sog. preußisches Zuständigkeitsgesetz), Pr.GS 1883, 237.
23Auch abgedruckt in: Germershausen/Seydel/Mar-schall, Wegerecht und Wegeverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern, 5. Aufl. 1961, S. 272 (B 12).
24Das Erfordernis der Einhaltung des förmlichen Einziehungsverfahrens nach § 57 des preußischen Zuständigkeitsgesetzes 1883 galt nach der Rechtsprechung des Preußischen OVG ohne Einschränkungen
25- vgl. PrOVG, Urteile vom 3. November 1893 - IV C 57/93 -, PrOVGE 25, 207 (211 f.), vom 2. Oktober 1913 - IV C 11/13 -, PrOVGE 65, 299 (300 f.), und vom 17. Dezember 1936 - IV C 85/35 -, PrOVGE 99, 130 (134 f.); siehe auch Germershausen, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, Erster Band, 4. Aufl. - unveränderter Nachdruck 1955 -, S. 515 ff. -
26und hatte zur Folge, dass ein öffentlicher Weg unter anderem nicht durch einen gerichtlichen Vergleich oder etwa die Sperrung seitens des privaten Wegeeigentümers beseitigt werden konnte.
27Das preußische Zuständigkeitsgesetz 1883 galt auch für solche Wege im linksrheinischen Gebiet der preußischen Rheinprovinz, die zwar bei Inkrafttreten dieses Gesetzes auf preußischem Gebiet lagen, aber ursprünglich unter der Geltung des partikularen Wegerechtes bzw. in Anwendung des französischen Rechts entstanden waren.
28Vgl. PrOVG, Urteil vom 26. Februar 1891 – IV B 82/90 -, PrOVGE 20, 303 (305 ff.).
29Auch das beschließende Oberverwaltungsgericht hat in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes 1961 für die Frage, wie ein öffentlicher Weg die Eigenschaft der Öffentlichkeit verliert, an dem Erfordernis einer förmlichen Einziehung im Sinne des § 57 des preußischen Zuständigkeitsgesetzes 1883 festgehalten.
30Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. Oktober 1953 - IV A 1159/52 -, OVGE 9, 32 (36), und - IV A 1386/52 -, OVGE 8, 59 (61 ff.).
31Schließlich sind die §§ 55 bis 57 des preußischen Zuständigkeitsgesetzes 1883, soweit sie nicht bereits aufgehoben waren, erst durch § 69 Nr. 18 LStrG 1961 aufgehoben worden.
32Hiervon ausgehend konnte die bloße Errichtung des in Rede stehenden Podestes, sollte dies - wie vom Kläger vorgetragen - in den Jahren 1936/1937 geschehen sein, dem L.--------markt die Eigenschaft einer von alters als gewidmet geltenden und damit öffentlichen Straße in dem Umfang, den das Podest einnimmt, nicht nehmen. Hierzu wäre vielmehr die Durchführung eines förmlichen Einziehungsverfahrens nach dem preußischen Zuständigkeitsgesetz 1883 erforderlich gewesen. Für das Vorliegen eines solchen Einziehungsverfahrens ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
33Die Frage, ob die Anlegung des Podestes im Jahr 1937 - so der Kläger - mit einer Baugenehmigung erfolgt ist, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Denn selbst wenn eine solche Baugenehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde individuell erteilt worden sein sollte, hätte dies das die Allgemeinheit betreffende förmliche Verfahren der Wegepolizeibehörde nach § 57 des preußischen Zuständigkeitsgesetzes 1883 - insbesondere mit vorheriger ortsüblicher Veröffentlichung der Einziehungsabsicht und Gelegenheit zu Einsprüchen - nicht ersetzen können.
34Auch eine „konkludente“ Entwidmung konnte nach dem vorstehend Dargelegten nicht geschehen, insbesondere geht der Hinweis des Klägers auf die nunmehr geltende Vorschrift des § 7 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 8 StrWG NRW fehl. Diese Vorschriften sind erst auf Grund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesstraßengesetzes (2. LStrÄndG) vom 5. Juli 1983 in das Landesstraßengesetz eingefügt worden. Darüber hinaus würde es an einer durch den Straßenbaulastträger initiierten Veränderung der Straße fehlen. Auch der zuvor in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz der „Elastizität der Widmung“ kann für die Zeit davor nicht greifen, da jedenfalls für die Annahme eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses der Wegeaufsichtsbehörde, des Wegeunterhaltungspflichtigen und des Wegeeigentümers des Korneliusmarktes keine Anhaltspunkte dargelegt oder offensichtlich sind.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 1980 - 9 A 1361/77 -, OVGE 34, 282 ff.
362. Die vom Kläger ferner geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht gegeben. Die im Zulassungsantrag als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
37“ob bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 1.1.1962 öffentliche Verkehrsflächen aufgrund einer Entscheidung der drei Rechtsbeteiligten (Wegeeigentümer, Wegeunterhaltungspflichtiger, Wegepolizei) außerhalb eines förmlichen Verfahrens, also konkludent, entwidmet werden konnten und welche Anforderungen an die Kundgabe einer solchen Entwidmung zu stellen sind“,
38rechtfertigt nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens, weil sie sich nach dem vorstehend Dargelegten auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres verneinen lässt.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
40Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass es sich bei der T.----------straße in I. um eine öffentliche Straße handelt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Öffentlichkeit einer Straße in der Stadt I. .
3I. gehörte einst zur Grafschaft Mark, später zu Brandenburg-Preußen, dann zum Großherzogtum Berg und war nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 bis zur Auflösung des Staates Preußen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs preußisch.
4Die Klägerin ist Mieterin von 16 Torbögen auf den Grundstücken T.----------straße 2 bis 6 (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 2, 133 und 307) und betreibt in einem Teil dieser Torbögen eine Fleischerei mit Partyservice. Die Grundstücke stehen im Eigentum der Deutschen Bahn AG.
5Die T.----------straße (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533) ist nach den Angaben der Beklagten seit 1878 vorhanden. Sie ist eine Sackgasse. Auf ihr befinden sich die Gebäude des am 6. Juni 1888 eröffneten und bis zum Jahr 1983 von der Beklagten betriebenen Schlacht- und Viehhofs I. . Neben dem Schlachthof befanden sich von 1888 bis ins 20. Jahrhundert auf dem Gelände u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und Markthallen für Klein- und Großvieh. Die T.----------straße war in dem von 1910 bis 1962 gültigen Kataster (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 83, 89, 84) eingetragen. Im Fluchtlinienplan XI. vom 23. Januar 1915 sind die N.------straße und ein Teil der in diese Straße einmündenden T.----------straße eingezeichnet.
6Die Beklagte stellte im Jahr 1976 verwaltungsintern fest, dass die T.----------straße nach altem Recht als gewidmet anzusehen sei, da sie bereits seit 1878 vorhanden sei. Diese Feststellung vermerkte sie auf einer Karteikarte ihrer Widmungskartei und nahm die T.----------straße im Stadtplan als gewidmete Straße auf.
7Die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße standen bis zum Jahr 2009 im Eigentum der Beklagten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Januar 2009 veräußerte die Beklagte die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße an die Beigeladene. Nach dem Erwerb der Grundstücke verlangte die Beigeladene von der Klägerin für die Nutzung der Wegeflächen eine Nutzungsentschädigung. Beim Landgericht I. ist wegen dieser Nutzungsentschädigung ein Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen - 4 O 327/10 - anhängig, welchen das Landgericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem hier anhängigen Verfahren ausgesetzt hat. Die Beigeladene erklärte gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das deswegen beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen - I-22 U 136/11 - geführte Verfahren hat dieses ebenfalls ausgesetzt.
8Am 28. November 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
9Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
10festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
11Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. September 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die T.----------straße sei nicht öffentlich. Sie sei nicht stillschweigend durch die maßgeblichen Rechtsbeteiligten gewidmet worden. Zur Überzeugung des Gerichts habe auf den streitigen Wegeflächen kein uneingeschränkter öffentlicher Verkehr stattgefunden, diese Flächen seien vielmehr nur für einen bestimmten Interessenkreis angelegt gewesen, nämlich für die Personen, die den städtischen Schlachthof und die damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen, Gebäude und Geschäfte (z. B. Viehställe, Schlachthallen, Restauration, Börse, Markthalle, Trichinenschau, Fortbildungsschule, Kühlhäuser, Stangeneisproduktion, Fleisch- und Wurstwarengroß- sowie -einzelhandel, Fleischerei-Einkauf mit Zubehör und Konserven, Räuchereien, Gewürzhandel, Verpackungsmaterial, Schleiferei, Salzerei, Freibank-Fleischverkauf, Wohnhaus) hätten aufsuchen wollen. Nach Angaben der vor dem Landgericht in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑ vernommenen Zeugen sei die T.----------straße nur von denjenigen genutzt worden, die auf dem Schlachthof etwas zu tun gehabt hätten. Dass zum Mittagessen in die Gaststätte auch andere, fremde Leute gekommen seien, stehe der Nichtöffentlichkeit der Straße nicht entgegen. Außerdem habe sich auch ein Tor bzw. richtiger wohl eine Schranke auf der T.----------straße befunden. Das Vorhandensein dieser Schranke, die jederzeit - aus welchen Gründen auch immer - habe geschlossen werden können, spreche dagegen, dass die T.----------straße dem uneingeschränkten öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestanden habe. Die streitigen Wegeflächen hätten allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs und der damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen auf dem Areal gedient. Diese innerbetriebliche Erschließungsfunktion verdeutliche auch der Umstand, dass es sich um eine Sackgasse handele. Ein weiterer Anhalt dafür, dass die streitigen Wegeflächen nicht öffentlich seien, sei auch den Ausführungen in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ zum Jahr 1891 zu entnehmen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der die Schranke und Weichen an der N.------straße zu bedienen gehabt habe.
15Die vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Bei der T.----------straße handele es sich um eine öffentliche Straße. Sie habe ihre öffentliche Wegeeigenschaft, wenn nicht durch ausdrückliche Widmung, aber zumindest durch konkludente Willensübereinstimmung der drei Rechtsbeteiligten erhalten. Die Stadt I. habe den Ausbau der T.----------straße im Jahr 1878 und deren anschließende Nutzung zu Verkehrszwecken nicht wie Privateigentum schlicht geduldet. Vielmehr sei der Straßenbau von der Stadt I. seinerzeit aktiv initiiert und realisiert worden. Ihre Eigentümerschaft sei zwar kein zwingendes Indiz für die Öffentlichkeit der Straße, sie untermauere aber die Vermutung der Öffentlichkeit. Die Stadt I. sei auch unterhaltspflichtig gewesen. Dies sei ein weiteres Indiz für die Öffentlichkeit. Schließlich habe die Stadt I. die Straße im Jahr 1976 selbst als nach preußischem Recht gewidmete Straße angesehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die T.----------straße auch keine „Betriebsstraße“ gewesen, vielmehr seien durch die Straße noch zahlreiche andere Einrichtungen erschlossen gewesen, nämlich eine Börse, eine Markthalle und eine Gastwirtschaft sowie zahlreiche andere Einrichtungen.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie bezieht sich zur Begründung ihrer Berufungserwiderung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
21Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte des Landgerichts I. betreffend das Verfahren - 4 O 327/10 - sowie die von der Klägerin vorgelegte Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die T.----------straße in I. ist eine öffentliche Straße.
25Die nach Angaben der Beklagten seit 1878 existierende T.----------straße ist eine öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1, 1. Halbsatz StrWG NRW. Danach sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft als öffentliche Straßen besitzen. Das ist hinsichtlich der T.----------straße der Fall.
26Die T.----------straße ist vor Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts am 1. Januar 1962 entstanden. Für ihre rechtliche Beurteilung ist deshalb auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung sie entstanden ist.
27Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 ‑ 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 24.
28Zum Zeitpunkt der Entstehung der T.----------straße galt in der Grafschaft Mark das „Edikt wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Marck vom 7. Januar 1769“,
29abgedruckt in: Germershausen/Seydel/Marschall, Wegerecht und Wegeverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und deren Ländern, II. Band, 5. Auflage 1961, S. 1605 ff.; dieses Edikt galt bis zum Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes fort (vgl. § 69 Nr. 6 LStrG 1961),
30und das preußische Wegerecht. Da weder die Vorschriften des Edikts wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Mark noch das preußische Wegerecht Regelungen über die Entstehung einer öffentlicher Straßen enthielten, ist die Öffentlichkeit einer unter Geltung dieser Vorschriften entstandenen Straße nach der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten sogenannten Widmungstheorie zu beurteilen.
31Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 62.
32Nach dieser Theorie setzte das Entstehen einer öffentlichen Straße voraus, dass diese „unter ‑ wenn auch stillschweigender - Zustimmung der rechtlich Betheiligten (d. h. des Eigenthümers, des Unterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehre gewidmet ist“.
33Vgl. PrOVG, Urteil vom 27. Februar 1895 ‑ IV C 52/94 -, PrOVGE 27, 399 (401).
34Hiervon ausgehend steht es nach einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die T.----------straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Eine Zustimmung der maßgeblichen Rechtsbeteiligten zur Widmung ist gegeben.
35Die drei Rechtsbeteiligten wurden damals von der Stadt I. bzw. ihrem jeweiligen Oberbürgermeister verkörpert. Die Stadt I. war zum Zeitpunkt der Entstehung der Straße (bis 2009) Eigentümerin der Wegegrundstücke der T.----------straße . Sie war auch als Wegebaulastträger für diese unterhaltspflichtig. Bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegegesetzes am 1. Januar 1962 hatten in der Grafschaft Mark in der Regel die Städte die Wegebaulast zu tragen.
36Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 20 Wegebaulast in Westfalen, S. 207 f.
37Die Stadt I. bzw. deren Oberbürgermeister war unter Geltung des preußischen Rechts auch Wegepolizeibehörde. Wegepolizeibehörde war die Ortspolizeibehörde, in Westfalen waren das die Bürgermeister.
38Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 41 Zuständigkeiten der Behörden in Wegesachen, S. 398 f.
39Es liegen hinreichende Beweise für eine Zustimmung der Stadt I. bzw. ihres Oberbürgermeisters zur Öffentlichkeit der T.----------straße aus der Zeit ihrer Entstehung bzw. vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor.
40Diese ergeben sich zwar nicht schon aus der Eintragung der T.----------straße in das von 1910 bis 1962 gültige Kataster. Das Kataster belegt vielmehr allein die Eigentumsverhältnisse an den katastermäßig erfassten Grundstücken, besagt jedoch nichts über die rechtliche Einordnung der Straße.
41Anders verhält es mit Blick auf den durch die Stadt I. erstellten Fluchtlinienplan XI vom 23. Januar 1915, in dem Straßenfluchtlinien eines Teils der T.----------straße enthalten sind.
42Nach § 1 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875, Pr. GS S. 561, sind für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften die Straßen- und Baufluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnis mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen.
43Bei entsprechend den Festsetzungen solcher Fluchtlinienpläne entstandenen Straßen handelte es sich um öffentliche Straßen. Denn das Gesetz vom 2. Juli 1875 kannte „die Festsetzung von Straßenfluchtlinien nur für die Anlegung öffentlicher Straßen“.
44Vgl. PrOVG, Urteil vom 30. Dezember 1890 ‑ IV B 11/89 -, PrOVGE 20, 223 (225).
45Die Bedeutung der Fluchtlinie bestand nicht darin, festzusetzen, wo gebaut werden durfte, sondern darin, zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen vorbehalten werden sollten, und deshalb nicht bebaubar waren.
46Vgl. Dieckmann, Das Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 und das Wohnsiedlungsgesetz vom 22. September 1933, 1. und 2. Auflage 1936, S. 2.
47Mit Blick auf die Eintragung der Straßenfluchtlinien des Beginns der T.----------straße ab der Einmündung in die N.------straße in den Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1915 spricht Überwiegendes dafür, dass die T.----------straße (möglicherweise auf der Grundlage eines Fluchtlinienplans aus der Zeit ihrer Entstehung) von vornherein für den Gebrauch für die Öffentlichkeit gebaut worden ist. Jedenfalls ist aber anzunehmen, dass die Stadt I. bzw. ihr Oberbürgermeister als maßgebliche Rechtsbeteiligte die T.----------straße durch die Festsetzung von deren Straßenfluchtlinien im Fluchtlinienplan von 1915 insgesamt gewidmet haben.
48Insoweit ist unschädlich, dass in diesem Fluchtlinienplan nur der in die N.------straße einmündende etwa 40 m lange Teil der insgesamt ca. 150 m langen T.----------straße wiedergegeben ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Vermutung, die T.----------straße sei deshalb nicht vollständig auf dem Fluchtlinienplan wiedergegeben, weil ihre Öffentlichkeit im weiteren nicht dargestellten Verlauf geendet hätte. Denn dann wäre diese Straße wohl wie der nördlich parallel zur T.----------straße verlaufende, kurze (öffentliche) Stichweg der N.------straße eingezeichnet worden; dessen Ende bzw. das Ende seiner Öffentlichkeit ist nämlich kenntlich gemacht. Abgesehen davon handelt es sich nur um einen Auszug aus dem Fluchtlinienplan, der auch die südlich gelegene (öffentliche) B. -Straße wie die T.----------straße nur auszugsweise wiedergibt, ohne dass daraus etwa der Schluss gezogen werden könnte, die B. -Straße sei in ihrem weiteren Verlauf nichtöffentlich gewesen.
49Selbst wenn die Eintragung der Straßenfluchtlinien nicht als Widmung zu qualifizieren sein sollte, lässt sich aber aus den Umständen der Benutzung der Straße auf eine - schon vor 1915 erfolgte - stillschweigende Widmung schließen. Eine stillschweigende Widmung setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Ein mögliches, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers lässt nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
50Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 65, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts.
51Der Umstand, dass das Wegegrundstück im Eigentum der Gemeinde steht, „ist insofern bedeutungslos, als aus diesem Eigenthumsverhältniß durchaus nicht nothwendig die Oeffentlichkeit des Weges folgt. Es giebt zahlreiche Wege, die im Eigenthum von Gemeinden stehen, gleichwohl aber, da ihre Benutzung nur einem bestimmten Kreise von Interessenten zu einem bestimmt begrenzten Zwecke zusteht, nicht öffentliche sind“.
52Vgl. PrOVG, Urteil vom 19. Dezember 1883 PrOVGE 10, 347 (355).
53Solche Interessentenwege sind die für den Gebrauch eines bestimmten, mehr oder weniger eng begrenzten Personenkreis bestimmten Wege.
54Vgl. Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 1 Begriff des öffentlichen Weges, S. 22 f.
55Interessentenwege sind Privatwege und werden durch den größeren Umfang der Interessentenschaft, zu denen beispielsweise auch sämtliche Bewohner größerer Gemeinden gehören können, nicht zu öffentlichen.
56Vgl. PrOVG, Urteil vom 28. Januar 1926 ‑ IV C 30/24 -, PrOVGE 80, 253 (255).
57Gemessen hieran hat durch Zurverfügungstellung der T.----------straße durch die Stadt I. an die Öffentlichkeit eine stillschweigende Widmung stattgefunden. Der Gebrauch der T.----------straße war auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.
58Da die T.----------straße nicht im Privateigentum eines Dritten stand, ist nur auf den konkludenten Widmungswillen der Stadt I. abzustellen. Allein aus ihrem Eigentum an dem Straßengrundstück kann zwar noch nicht geschlossen werden, sie habe den Gebrauch der T.----------straße der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sie hat aber den Gebrauch des Wegs nicht nur auf den Personenkreis der Nutzer des Schlachthofs und dessen Einrichtungen beschränkt, sondern diesen vielmehr der Allgemeinheit zur Benutzung uneingeschränkt freigegeben.
59Der Umstand, dass die T.----------straße der Erschließung des Schlachthofgeländes diente, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die Stadt I. hatte auf der T.----------straße einen allgemeinen Verkehr zugelassen, der nicht - wie etwa bei einem internen Werksverkehr - besonders reglementiert war. In aller Regel wird der Verkehr zwar dem Zweck, den Schlachthof zu erreichen, gedient haben. In diesem Rahmen war der nutzungsberechtigte Personenkreis aber nicht eingeschränkt. Denn die Beschränkung auf einen bestimmten Nutzungszweck steht der Öffentlichkeit einer Straße nicht entgegen.
60Vgl. PrOVG, Urteil vom 25. März 1885 ‑ I C 196/94 -, PrOVGE 12, 282 (286 f.).
61Es gibt keine Anhaltspunkte etwa für eine wegepolizeiliche Anordnung, mit der die Benutzung der T.----------straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und dessen Einrichtungen beschränkt worden wäre. Dem von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat angeführten, in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (53. Seite der Festschrift) zum Jahr 1899 vermerkten Eintrag des Polizeiinspektors, wonach „die Metzger Kinder mit zum Schlachthof brächten, ohne daß dagegen eingeschritten werde“, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, Kinder seien von der Benutzung der T.----------straße auszuschließen, vielmehr sollten diese nicht zum bzw. in den Schlachthof mitgebracht werden. Hinzu kommt, dass sich dieser Vorgang erst nach einem hier maßgeblichen Widmungsmoment ereignete.
62Auch die tatsächlichen Vorgänge auf und an der T.----------straße sprechen gegen eine nur für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis erfolgte Freigabe dieser Straße.
63Aus der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (15. Seite der Festschrift) ergibt sich, dass sich zum Zeitpunkt der Einweihung des Schlachthofs am 6. Juni 1888 an der T.----------straße neben den verschiedenen Schlachthallen u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und eine Markthalle für Kleinvieh sowie eine weitere für Großvieh befanden. Das Restaurationsgebäude, aber auch die Markthallen und wohl auch das Börsenhaus waren für jedermann zugänglich. Vom Restaurationsgebäude bzw. dem „Gasthof“ existieren zudem (allerdings) undatierte, aber wohl aus der vorletzten Jahrhundertwende stammende Lichtbilder (eines in der Festschrift auf der 5. Seite und zwei in Form von Kopien auf Blatt 134 und 135 der Gerichtsakte des Landgerichts I. in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑, letzteres Lichtbild ist auch in der von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat eingereichten Schrift über „X.--ringhausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, enthalten), die die Annahme bestätigen, dass das über die T.----------straße zugängliche Restaurationsgebäude und damit auch die T.----------straße jedermann zur Nutzung offen standen. Auf dem in der Festschrift abgebildeten Lichtbild sind neben einem Mann, der einen an einem Strick angebundenen Ochsen festhält, und einem ein Schürzenkleid tragenden Mann weitere Personen in Straßenkleidung, darunter auch Kinder, abgebildet. Auf den beiden nur in Kopie vorhandenen Lichtbildern sind ebenfalls Personen in Straßenkleidung und auch Kinder zu erkennen.
64Auch eine Notiz aus dem Jahr 1908 und ein Ausschnitt aus der Hagener Zeitung aus dem Jahr 1912, jeweils vermerkt auf der 57. Seite der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “, sprechen nicht dafür, die Stadt I. habe den Gebrauch der Straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und seiner Einrichtungen begrenzen wollen. Denn andernfalls wäre die Vermietung eines „Eierlager(s)“ im Jahr 1908 an eine I1. Firma auf dem Schlachthofgelände, damit also durch die Stadt I. selbst, nicht nachvollziehbar. Aus dem Ausschnitt aus der I2. Zeitung von 1912 ergibt sich, dass die Errichtung von Verkaufslokalen für Metzgereibedarfsartikel und einer Schleiferei für Metzgerwerkzeuge sowie die Verlegung des Schlachthofrestaurants in einige der „Bogennischen“, in denen sich der Betrieb der Klägerin heute befindet, vorgesehen waren. Auch diese ausdrücklich geäußerten Absichten unterstreichen den Willen der Stadt, die T.----------straße solle nicht allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs - so die Annahme des Verwaltungsgerichts -, sondern auch anderen Erschließungszwecken dienen. Gegen eine „innerbetriebliche Erschließung“ spricht im Übrigen auch allein das Vorhandensein der in dem Ausschnitt der I2. Zeitung erwähnten „Bogennischen“ der „Eisenbahn“, die offenbar zu diesem Zeitpunkt schon baulich genutzt worden und von der T.----------straße aus zugänglich gewesen sind. Diese „Bogennischen“ sind zwar „pachtweise“ der Stadt I. überlassen worden; die Eisenbahn dürfte die Bogennischen aber ursprünglich für ihre Zwecke errichtet (und möglicherweise auch genutzt) haben und nicht zum Zwecke der Nutzung für den Schlachthofbetrieb, eine Nutzung, die davon abgesehen auch von der Stadt I. selbst für diese Bogennischen nicht vorgesehen war.
65Auch die in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ auf der 52. Seite betreffend das Jahr 1891 zu entnehmenden Ausführungen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der „die Schranken und Weiche an der N.------straße zu bedienen“ hatte, sind kein gegen die Öffentlichkeit und für die rein innerbetriebliche Funktion der T.----------straße sprechenden Indizien. Denn dass der Pförtner des Schlachthofs die Benutzung der T.----------straße zu kontrollieren hatte, lässt sich daraus nicht entnehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen, die sich ausdrücklich auf den „Bahnanschluß“ beziehen, ergibt sich vielmehr, dass es sich bei der „Schranke und Weiche“, die der Pförtner zu bedienen hatte, um die Eisenbahnschranke und -weiche an der N1.-------straße handelte, nicht aber um eine Schranke, die den Zugang zur T.----------straße regulieren sollte.
66Auch soweit das Verwaltungsgericht auf die Aussagen der vom Landgericht in dem Verfahren 4 O 327/10 vernommenen Zeugen abstellt, wonach sich auf der T.----------straße (hinter der Einmündung) ein Tor oder eine Schranke (ein Tor ist auch auf dem in der Gerichtsakte des Landgerichts befindlichen Lichtbild, angeheftet an Blatt 64, erkennbar) befinde, und das Vorhandensein dieser „Schranke“, die jederzeit habe geschlossen werden können, als Indiz gegen die Öffentlichkeit der T.----------straße anführt, überzeugt dieses Argument nicht. Es ist damit schon nicht belegt, dass dieses Tor sich dort bereits in der für die Frage der Widmung entscheidungserheblichen Zeit, also von 1878 an, befand. Abgesehen davon bestätigt allein das Vorhandensein eines solchen Tores, jedenfalls dann, wenn es - wie hier ‑ erhebliche Anhaltspunkte für einen Widmungswillen gibt, nicht die Nichtöffentlichkeit eines Wegs oder einer Straße. Denn es kann auch nur zeitweiligen Absperrungen ‑ etwa im Fall einer Seuche ‑ gedient haben.
67Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei der Beklagten im Jahr 1976 und die damit verbundene Einordnung der Straße durch die Beklagte sei für das Gericht nicht bindend. Denn allein entscheidend ist, ob die Vorgänge im für die Widmung entscheidungserheblichen Zeitraum - also in der Zeit von 1878 an - auf einen Widmungsakt schließen lassen, nicht wie die Beklagte diese Vorgänge im Jahr 1976 bewertet hat. Allerdings ist die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei zumindest ein Indiz dafür, dass diese seit jeher öffentlich gewesen ist, weil die Beklagte selbst diese Straße als schon vor langer Zeit gewidmet angesehen hat.
68Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiteres Fotomaterial betreffend die T.----------straße und den nördlich von der T.----------straße gelegenen Stichweg der N.------straße sowie eine Schrift über „X.--hausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, zu den Akten gereicht hat, vermögen auch diese Unterlagen nicht die Feststellungen des Senats, es handele sich bei der T.----------straße um eine öffentliche Straße, in Frage zu stellen. Die Lichtbilder spiegeln den aktuellen Zustand wider und sind deshalb nicht hinreichend aussagekräftig für die Beantwortung der Frage, ob die T.----------straße im 19. Jahrhundert gewidmet worden ist. Auch aus der Schriftreihe über X.--hausen ergeben sich aus Sicht des Senats keine gegen eine Widmung sprechenden Indizien. Der auf dem Schlachthofgelände damals betriebene Gasthof wird zwar nicht in der Aufzählung der in X.--hausen seinerzeit bekannten Gaststätten benannt. Über ihn findet sich in der Schrift aber in einem über den Schlachthof verfassten Artikel ein Lichtbild, welches mit „Altes Schlachthofgebäude mit Gaststätte“ überschrieben ist. Auch das Argument der Beklagten, die T.----------straße sei in der Schrift im Zusammenhang mit der im Jahr 1887 errichteten Gasanstalt als „verlängerte N.------straße “ bezeichnet worden, vermag die Auffassung der Beklagten, die T.----------straße sei damals nichtöffentlich gewesen, nicht zu stützen. Die N.------straße war im Fluchtlinienplan vom 23. Januar 1915 eingezeichnet und deshalb nach den obigen Darlegungen eine öffentliche Straße. War die N.------straße aber öffentlich, so gilt dies auch für ihre Verlängerung.
69Einer Anwendung des Grundsatzes der Widmung kraft unvordenklicher Verjährung bedarf es mit Blick auf die Feststellungen einer Widmung der T.----------straße entsprechend den Grundsätzen der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nicht. Zudem dürfte es für die Anwendung dieses Grundsatzes an der Voraussetzung fehlen, dass es sich um einen so genannten alten Weg handelt, dessen Entstehung nicht geklärt ist.
70Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 87.
71Denn die T.----------straße ist nach den Angaben des Beklagten seit dem Jahr 1878 vorhanden, sodass ihre Entstehung nicht im Dunkeln liegt.
72Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
73Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.