Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 wird auch zu Ziff. 1 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Mitgeschäftsführer und Kommanditist der Domainvermarkter Ltd. & Co. KG. Die Domainvermarkter Ltd. & Co. KG ist Mitglied der DENIC eG (DENIC), hat ihren Sitz in X. und bietet verschiedene Dienstleistungen im Bereich der Domainvermarktung und des Domainhandels an. Die Dienstleistungen und Angebote der Domainvermarkter Ltd. & Co. KG sind derzeit jedenfalls von den Domains www.domainvermarkter.de, www.backorder.de sowie www.domainvermarkterforum.de und www.dvmag.de aus erreichbar.
3Am 1. Juli 2009 registrierte der Kläger bei der DENIC die Domain www.europornshop.de. In der Domaindatenbank war der Kläger sowohl als Administrativer Ansprechpartner (Admin-C) als auch als Domaininhaber (Owner-C) vermerkt. Zugleich war seine Anschrift als Anschrift des Domaininhabers angegeben und in einem weiteren Feld zum Domaininhaber vermerkt „Reservierung im Kundenauftrag – Update folgt“. Zum 26. Mai 2010 wurde die Domain durch den Kläger gekündigt und gelöscht. Die vor Juli 2009 auf einen anderen Inhaber registrierte Domain war bereits mit anderem Inhalt und anderer Gestaltung wegen pornografiebezogenen Verstößen gegen § 4 Abs. 2, § 5 und § 7 Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) Gegenstand eines medienaufsichtlichen Verfahrens im Zuständigkeitsbereich der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gewesen, bei dem die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) sich mit dem Angebot befasst hatte. Dieses Verfahren gelangte u.a. wegen des Wechsels der Registrierung auf den Kläger nicht zu einem Abschluss.
4Während des Zeitraums der Registrierung nutzte der Kläger die Domain soweit ersichtlich zum Domain-Parking durch die Domain-Parking-Anbieterin NameDrive SARL. Durch Verweis der Domain auf die Server der Domain-Parking-Anbieterin gelangten die Aufrufer der Domain www.europornshop.de auf eine Parkseite, auf welcher Verlinkungen auf andere Domains, vorwiegend aus dem Themenbereich Sex, Erotik und Kontakt, angezeigt wurden. Grafisch war die Parkseite durch das Bild einer Frau in Dessous sowie ein Banner aufbereitet. Auf dem Banner fand sich neben der Zahl 18 unter dem Bild einer auf dem Bauch liegenden Frau der Hinweis „Diese Seite enthält Links zu pornografischen Angeboten. Zutritt nur für Personen ab 18 Jahren.“
5Nach Übernahme des Verfahrens durch die nunmehr zuständige Beklagte und Sichtung der Domain wandte die Beklagte sich unter dem 13. Oktober 2009 an den Kläger und wies ihn als Inhaber und Admin-C auf ihn registrierter Domains auf die Erfordernisse des Jugendschutzes, die Problematik von Parkseiten und auf diesen eingebundenen Verlinkungen auf unzureichend geschützte pornografische Angebote sowie die Verantwortlichkeit des Anbieters für verlinkte Inhalte nach den Grundsätzen der Link-Haftung hin. Sie bat ihn in seiner Funktion als Domainvermarkter und aktueller Domain-Inhaber, dafür Sorge zu tragen, dass seine Domains auch bei Nutzung von Parkseiten den Anforderungen des Jugendschutzes entsprechen. All dies bezog die Beklagte auf „die oben aufgeführten Internetseiten“; der Betreff des Schreibens lautete „Überprüfung der Seite www.elite-domina.de und www.thumbworld.de“. Die hier streitige Domain war in dem Schreiben nicht aufgeführt.
6Nach weiteren Sichtungen der Inhalte der Domain www.europornshop.de durch die Beklagte im November 2009 sowie im Januar 2010 kam sie zu der Einschätzung, dass die Angebote durch Verlinkung auf pornografische Inhalte weiterhin gegen Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstießen und leitete im Februar 2010 ein Prüfverfahren durch die KJM ein. Dazu dokumentierte sie die Sichtungen durch Bildschirmkamera-Verfahren, verschriftlichte einzelne Pfadbeschreibungen zu Beispielen einfacher Pornografie und übermittelte dies mit einer ausführlichen „Vorlage für die KJM-Prüfgruppe Telemedien“ unter dem 1. April 2010 an die KJM. Sie schlug vor, wegen Verstößen gegen § 4 Abs. 2 und § 7 JMStV gegenüber dem Anbieter ein ordnungsrechtliches Verfahren (Untersagung) gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 2 bis 4 RStV sowie ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Nach Live-Sichtung des Angebots in einer Präsenzprüfung kam eine Prüfgruppe der KJM im April 2010 zu dem Schluss, dass das Angebot der Domain gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV und § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV verstoße.
7Durch Anhörungsschreiben vom 21. Juni 2010 setzte die Beklagte den Kläger von dem Prüfergebnis der KJM in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass die Domainvermarkter Ltd. & Co. KG nicht Eigentümerin der Domain gewesen sei. Diese sei von einem Kunden reserviert worden. Aus seiner Funktion als Admin-C erwachse keine Haftung. Zudem sei die Domain zwischenzeitlich gelöscht worden.
8Nach Prüfung und Beschlussfassung durch einen KJM-Prüfausschuss auf der Grundlage einer unter dem 9. Juli 2010 von der Beklagten übersandten Beschlussvorlage beanstandete die Beklagte durch Bescheid vom 16. August 2010 gegenüber dem Kläger das Internetangebot www.europornshop.de wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV und § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV (Ziff. 1) und setzte neben der Kostenentscheidung zulasten des Klägers (Ziff. 2) zugleich eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 750,00 Euro fest (Ziff. 3). In den Gründen des Bescheides führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Das Internetangebot www.europornshop.de, eine redaktionell bearbeitete Parkseite, habe in der Zeit vom 8. Januar 2010 bis 21. April 2010 immer wieder im frei zugänglichen Bereich ohne ausreichende Altersverifikation auf Darstellungen verlinkt, die nach den zu § 184 StGB von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als pornografisch zu bewerten gewesen seien. Dies habe einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV dargestellt. Insoweit wird im Einzelnen auf die textlichen Pfadbeschreibungen im Bescheid vom 16. August 2010 Bezug genommen. Die Beklagte führte weiter aus, der Anbieter des Internetangebots www.europornshop.de sei für die unzulässigen Inhalte verantwortlich gewesen. Dabei sei unerheblich gewesen, dass die verlinkten Inhalte auf einem Fremd-Angebot gelegen hätten und nur über die Verlinkung zugänglich gemacht worden seien. Die Verlinkung zu den in Rede stehenden Drittangeboten sei direkt in die Website des Anbieters eingebunden gewesen; die Inhalte der verlinkten Seiten seien beschrieben und via Screenshot angepriesen worden, womit sich der linksetzende Anbieter nach außen erkennbar mit den verlinkten Inhalten identifiziert habe. Nach den insoweit einschlägigen Grundsätzen der Linkhaftung sei unter Berücksichtigung der Gesamtgestaltung des Angebots von einem Zueigenmachen der Fremdinhalte auszugehen mit der Folge, dass eine unmittelbare Verantwortlichkeit zu bejahen gewesen sei. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Klägers sei festzustellen, dass – wenn auch mit Hinweis auf die Reservierung der Domain – die Domainvermarkter Ltd. & Co. KG, Christoph Grüneberg, auch als Domaininhaber bei der DENIC registriert gewesen sei. Unabhängig davon sei aus Sicht der KJM auch eine Verantwortlichkeit des registrierten Admin-C, also des Klägers, für die inhaltliche Ausgestaltung der Seite gegeben gewesen. Laut Punkt VIII der DENIC-Domainrichtlinien sei dieser als Bevollmächtigter des Domain-Inhabers berechtigt und verpflichtet, sämtliche die Domain betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden. Da die DENIC-Domainrichtlinien nicht zwischen dem Inhalt der Seite und dem Domain-Namen unterschieden, bestünden auch Prüfpflichten in Bezug auf die online gestellten Inhalte der Seiten. Eine geschlossene Benutzergruppe nach § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sei nicht gegeben gewesen, da von Seiten des Anbieters nicht sichergestellt worden sei, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Der Anbieter habe kein Altersverifikationssystem (AVS) verwendet. Die über die Verlinkungen aufrufbaren unzulässigen Inhalte im Member-Bereich seien durch Angabe von Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum und Kreditkartendaten aufrufbar gewesen. Dieser Zugang sei als nicht ausreichend im Sinne der gesetzlichen Anforderungen und der Eckwerte der KJM einzustufen, da eine Altersüberprüfung nicht stattgefunden habe. Ein Jugendschutzbeauftragter sei zu keinem Zeitpunkt benannt gewesen. Jedenfalls habe das Angebot zu keinem Sichtungszeitpunkt einen entsprechenden Hinweis enthalten und somit gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV verstoßen.
9In dem auf dem gleichen Sachverhalt gründenden Ordnungswidrigkeitenverfahren erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers und Entscheidung der KJM im Oktober 2010 einen Bußgeldbescheid, in dem sie ein Bußgeld von 3500,00 Euro wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV und von 350,00 Euro für den Verstoß gegen § 7 JMStV gegen den Kläger verhängte. Dieses Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nach dem Einspruch des Klägers beim Amtsgericht Düsseldorf wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden.
10Der Kläger hat gegen den am 18. August 2010 zugestellten Bescheid vom 16. August 2010 am 17. September 2010 Klage erhoben.
11Zur Begründung der Klage hat er ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen ausgeführt: Er sei nicht Anbieter der gegen die Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßenden Inhalte gewesen. Er habe die Parkseite und die Werbelinks nicht bearbeitet. Die Domain sei durch einen Dienst ohne sein Zutun in die Parkseite eingebunden worden. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sich auf den beworbenen Websites erotische Inhalte befunden hätten. Zudem habe es zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16. August 2010 keinen – von § 59 RStV aber vorausgesetzten – Verstoß mehr gegeben, da die Domain am 26. Mai 2010 gelöscht worden sei. Im Übrigen sei eine Beanstandung ein untaugliches Mittel zur Beseitigung eines Verstoßes. § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV sehe ausschließlich Untersagung und Sperrung vor. Beanstandungen seien ausschließlich in den Vorschriften zum Rundfunk geregelt, nicht jedoch in Bezug auf Telemedien. Hinsichtlich der Kosten sei auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. August 2011 (1 A 2903/10) zu verweisen. Schließlich sei er nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das Schreiben der Beklagten vom 21. Juli 2010 erfülle nicht im Mindesten die Anforderungen aus § 28 VwVfG NRW. Im Besonderen sei ihm nicht mitgeteilt worden, ob es sich um ein Straf-, OWiG- oder VwVfG-Verfahren handele.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 aufzuheben.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat ergänzend zu den Gründen des angegriffenen Bescheides im Wesentlichen ausgeführt: Der Begriff des Anbieters im Sinne des § 20 Abs. 4 JMStV i. V. m. § 3 Abs. 2 JMStV sei im Sinne eines effektiven Jugendschutzes weit auszulegen. Anbieter sei auch derjenige, der Internetnutzern über seine Webseite Zugang zu den Inhalten anderer Anbieter vermittle. Der Kläger verschaffe Internetnutzern auf der Parkseite Zugang zu pornografischen Angeboten. Indem er Hyperlinks zu diesen Angeboten gesetzt habe bzw. habe setzen lassen, habe er sich diese Inhalte zu eigen gemacht und hafte für diese in der Folge wie für unmittelbar eigene Inhalte. Woher ein Anbieter die durch ihn verlinkten oder anderweitig bereitgestellten Informationen beziehe, sei ohne Belang. Wer als für den Inhalt einer Webseite Verantwortlicher einen Parking-Dienst beauftrage, sei verpflichtet, sicherzustellen, dass die auf diesem Wege und seine Veranlassung hin bereitgestellten Inhalte den Anforderungen des Jugendmedienschutzes entsprächen. Ebenso wenig komme es darauf an, ob dem Kläger an den verlinkten Inhalten Rechte zustünden oder er auf deren Gestaltung Einfluss nehmen könne. Ob es dem Kläger bewusst gewesen sei, welche Inhalte über die von ihm gehaltene Domain erreichbar gewesen seien, sei unerheblich.
17Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2012 die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in den Ziff. 2 und 3 des angegriffenen Bescheides aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die in Ziff. 1 des Bescheides erfolgte Beanstandung des Internet-Angebotes des Klägers sei im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 sowie § 7 JMStV rechtmäßig. Das Internetangebot www.europornshop.de habe auf die Domain www.erotikfieber.com verlinkt, ohne dass dort eine wirksame Altersverifikation vorhanden gewesen sei; die erforderliche Anmeldung u. a. mit Kreditkartendaten sei insofern nicht ausreichend. Der Kläger sei bei der erforderlichen weiten Auslegung auch Anbieter im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, da die Domain auf ihn als Inhaber registriert gewesen sei; der Hinweis „Reservierung im Kundenauftrag“ stehe nicht entgegen, da allein der Kläger die Möglichkeit der Gestaltung der Inhalte der Domain gehabt habe, welche er durch den Verweis auf die Parkseite genutzt habe. Auch unter den Gegebenheiten der Nutzung von Parkseiten seien die dort vorhandenen Inhalte und Werbe-Links dem Kläger als Anbieter zuzurechnen, weil der Inhalt der Werbung weder zufällig sei noch im Belieben des Domain-Parking-Systems stehe. Nach den Grundsätzen der Link-Haftung seien die pornografischen Inhalte auf den verlinkten Seiten dem Kläger auch zuzurechnen, da nach der Gestaltung der Seite mit Screenshot und Beschreibung der verlinkten Seite der Kläger sich diese Inhalte zu eigen gemacht habe. Auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7 JMStV sei gegeben gewesen. Die erfolgte Beanstandung sei, unabhängig vom Wissen des Klägers über die verlinkten pornografischen Inhalte oder dem Umstand, dass die Domain www.europornshop.de im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht mehr auf den Kläger registriert gewesen sei, ermessensfehlerfrei.
18Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in Ziff. 2 und 3 des angegriffenen Bescheides seien rechtswidrig. § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) i.V.m. der Kostensatzung sei ebenso wenig anwendbar wie § 116 Abs. 2 Landesmediengesetz (LMG) NRW i.V.m. der entsprechenden Gebührensatzung.
19Der Kläger und die Beklagte haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
20Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die dem Bescheid zugrunde liegende Entscheidung der KJM sei schon verfahrensfehlerhaft. Das von den Prüfausschüssen häufig – und so auch hier – praktizierte Verfahren der getrennten Übersendung einer auf das Ankreuzen eines vorgedruckten Kästchens reduzierten Fax-Antwort jedes Mitglieds des Prüfausschusses erfülle nicht die rechtlichen Anforderungen an eine Gremienentscheidung, sondern stelle sich als Summe parallelisierter Einzelentscheidungen dar. Weiter habe der Ausschuss keine eigene Begründung für seine Entscheidung abgegeben, sondern lediglich der Beschlussempfehlung der Beklagten zugestimmt, was nicht ausreiche. Diese Verfahrensfehler seien weder nach § 45 VwVfG NRW heilbar noch unbeachtlich.
21Zudem sei die Beanstandung in Ziff. 1 des Bescheids rechtswidrig, da ihr die Rechtsgrundlage fehle. § 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV seien nicht einschlägig. Das Verwaltungsgericht Hamburg habe dies im Urteil vom 29. Februar 2012 – 9 K 138/09 –, juris Rn. 47 ff., entschieden, woraus der Kläger zur Begründung ausführlich zitiert: § 20 Abs. 1 JMStV reiche als Ermächtigungsgrundlage nicht aus, sondern sei nach dem systematischen Zusammenhang als Zuständigkeitsregelung einzuordnen. Deshalb sei über den für Telemedien geltenden § 20 Abs. 4 JMStV auf § 59 Abs. 3 RStV verwiesen, welcher nach seinem Satz 1 jedoch nur zu „zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen“ ermächtige. Hiernach müsse die dem Adressaten der Verfügung aufgegebene Handlung oder Unterlassung dazu führen, dass bei ihrer Erfüllung ein rechtskonformer Zustand herbeigeführt und der Verstoß gegen die Bestimmungen des Jugendschutzrechts beendet wird. Eine solche Wirkung komme bei einer isolierten Feststellung eines Verstoßes und einer Beanstandung jedoch nicht in Betracht. Anders als im Fall von Jugendschutz-Verstößen im Bereich des Rundfunks sei die Feststellung solcher Verstöße bei nicht der Zulassung bedürftigen Telemedien nicht erforderlich, weil solche Beanstandungen nicht für den späteren Entzug einer bestehenden oder die Erteilung einer Zulassung relevant sein könnten. Auch im Hinblick auf eine Dokumentation von Rechtsverstößen für etwaige künftige Verstöße bestehe für einen feststellenden Verwaltungsakt im Anwendungsbereich des §§ 59 Abs. 3 und 4 RStV keine Rechtsgrundlage.
22Der Kläger beantragt,
23das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 auch zu Ziff. 1 aufzuheben
24sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
25Die Beklagte beantragt,
26das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
27sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
28Zur Berufung des Klägers führt sie im Wesentlichen aus: Die gerügten Verfahrensfehler in Bezug auf das gewählte schriftliche Verfahren des Prüfausschusses sowie eine fehlende Begründung der KJM lägen nicht vor. Der Beschlussfassungs-Modus des Prüfausschusses widerspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften und erfülle unter Beachtung der Anforderungen der Praxis die Standards für eine Gremienentscheidung. Der Beschluss des Prüfausschusses habe mit der Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung der Beklagten und die Prüfbegründung der Prüfgruppe der KJM den Anforderungen der für die KJM geltenden Rechtsvorschriften entsprochen. Weitergehende Anforderungen, die der Kläger auf vereinzelte Entscheidungen von Verwaltungsgerichten stütze, würden den Anforderungen der Praxis der Medienaufsicht nicht gerecht, weshalb sie auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte weitgehend nicht geteilt würden.
29Die Beanstandung gehöre zu den üblichen Instrumenten der medienrechtlichen Aufsicht und sei auch nach § 59 Abs. 3 RStV – wenn auch nicht ausdrücklich genannt, aber wegen des Wortlauts („insbesondere“) auch nicht ausgeschlossen – zulässig, da die dortige Aufzählung nicht abschließend sei. Die medienrechtliche Beanstandung sei ein Hinweis auf den festgestellten, in der Vergangenheit begangenen Rechtsverstoß mit dem Ziel, dem Adressaten mit Nachdruck sein rechtswidriges Verhalten vor Augen zu führen und ihm das entsprechende Unrechtsbewusstsein zu vermitteln; auf diesem Wege solle künftig rechtskonformes, dem Jugendschutz entsprechendes Verhalten gesichert werden, womit auch vergleichbare Rechtsverletzungen verhindert werden sollten. Genau im Hinblick auf dieses Ziel sei die erfolgte Beanstandung verhältnismäßig, weil beim Kläger als Betreiber weiterer vergleichbarer Angebote eine gesteigerte Notwendigkeit bestanden habe, ihn auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens in diesem Einzelfall hinzuweisen, um sein künftiges Verhalten zu beeinflussen. Der Streitfall in der vom Kläger angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg sei von dem hiesigen schon in tatsächlicher Hinsicht wesentlich verschieden, da der Kläger dort zum einen nur Admin-C des beanstandeten Angebots gewesen sei und zum anderen aufgrund einer Aufgabe dieser Tätigkeit jedwede Befugnis bzw. Möglichkeit einer inhaltlichen Abänderung des Angebots verloren gehabt habe. Besondere Gründe, dem Kläger sein rechtswidriges Verhalten auch zukunftsbezogen vor Augen zu führen, wie sie hier wegen der Eigenschaft des Klägers als professionellem Domainvermarkter, welcher eine Vielzahl weiterer Domains, unter ihnen auch Parkseiten, betreibe, seien in Bezug auf den Kläger im Fall des Verwaltungsgerichts Hamburg nicht benannt worden. Auch der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg sei entgegenzutreten: Es sei nicht richtig, dass ein präventives Vorgehen gegen einen Telemedienanbieter nach § 20 Abs. 1 und 4 JMStV, § 59 Abs. 3 RStV ausgeschlossen sei. Im Bereich der Gefahrenabwehr sei präventives Vorgehen ein legitimer Zweck, insbesondere wenn – wie hier – ein festgestellter Verstoß zugrundeliege und auf dieser Grundlage der Zweck verfolgt werde, auch zukünftige Rechtsverstöße zu vermeiden. Auch der Wortlaut des § 59 Abs. 3 RStV, der von zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen spricht, stehe nicht gegen. Abgesehen davon, dass die Beanstandung insofern als Maßnahme anerkannt sei, gebiete gerade die auf dauerhafte Beseitigung von Verstößen gerichtete Zielsetzung auch bei beendetem Verstoß eine Maßnahme mit Blick auf künftiges Verhalten des Anbieters, die insbesondere die Wiederaufnahme eines eventuell nur vermeintlich beseitigten Verstoßes verhindere. Zudem sei § 59 Abs. 2 bis 4 RStV gemäß § 20 Abs. 4 JMStV nicht unmittelbar, sondern entsprechend anwendbar. Zuletzt sei es auch eine Frage effektiver Gefahrenabwehr, die diese Auslegung erfordere, da ansonsten zwischen Anbietern und der Medienaufsicht ein „Katz und Maus-Spiel“ mit häufig veränderten Angeboten drohe, was hohen Verwaltungsaufwand durch permanente Sichtung und Vollstreckungsaufwand bedinge. Dies beeinträchtige auch den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Jugendmedienschutz.
30Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die vom Verwaltungsgericht aufgehobene Kostenentscheidung sowie die Gebührenfestsetzung gegen den Kläger lasse sich auf § 35 Abs. 11 RStV i.V.m. der RStV-Kostensatzung (Gebührenverzeichnis Ziff. IV.8.) stützen. Die systematische Stellung von § 35 Abs. 11 RStV im III. Abschnitt des Rundfunkstaatsvertrages stehe dem im Ergebnis nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie der gesetzgeberischen Absicht, welche hinter der Vorschrift stünde. In der Vergangenheit seien Gebühren für Maßnahmen der Landesmedienanstalten in Zusammenarbeit mit der KJM nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gegenüber Anbietern von Telemedien auf der Grundlage von § 14 Abs. 9 JMStV i.V.m. der früheren KJM-Kostensatzung erfolgt. Durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei § 14 Abs. 9 JMStV jedoch gestrichen worden und § 35 RStV habe seine heutige Gestalt erhalten. Nach der Begründung hierzu aus dem zum Erlass des Änderungsstaatsvertrages führenden Verfahren sollten „die bisherigen Bestimmungen über die Kommission für Jugendmedienschutz in § 14 Abs. 8 bis 10, die die Finanzierung und Personalausstattung sowie den Sitz der KJM betrafen, (…) nunmehr in § 35 des Rundfunkstaatsvertrags enthalten“ sein. Diese Einschätzung werde auch durch die Formulierungen in der RStV-Kostensatzung bestätigt, die z.B. in Ziff. IV.8. des Gebührenverzeichnisses so allgemein gehalten seien, dass sie auch Maßnahmen gegenüber Anbietern von Telemedien umfassen könnten. Unabhängig hiervon könne die Gebührenerhebung auch auf § 116 Abs. 2 LMG NRW i.V.m. der LfM-Gebührensatzung gestützt werden, da Ziff. 11 des Kostenverzeichnisses zu dieser Gebührensatzung mit dort genannten „Maßnahmen gegenüber Anbietern von lokalen, regionalen oder landesweiten Angeboten aufgrund des JMStV“ die Erfassung von bundesweiten Angeboten nicht ausschließe. Selbst wenn man dies anders sehe, sei eine Gebührenfestsetzung aufgrund des Auffangtatbestandes in § 2 Abs. 2 der LfM-Gebührensatzung nicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW zu dem Auffangtatbestand in der Tarifstelle 30.5 AGT ausgeschlossen, da die Fallkonstellationen nicht vergleichbar seien. Für den Kläger sei es nicht überraschend gewesen, dass er aufgrund des ihn belastenden Bescheides auch einer Gebührenerhebung ausgesetzt werde.
31Der Kläger bezieht sich zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten auf das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. August 2011 – 1 A 2903/10 – und macht geltend, dass ein eventueller Wille beim Erlass von § 35 Abs. 11 RStV, hierbei auch eine Kostenregelung für Tätigkeiten der KJM im Internetbereich zu schaffen, nicht hinreichend umgesetzt worden sei. Die Vorschrift könne deshalb hier nicht als Kostenregelung herangezogen werden.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Im Verwaltungsvorgang befinden sich Datenträger, die Camtasia/Bildschirmkamera-Aufzeichnungen zu den bei der Beklagten erfolgten Sichtungen der Domain www.europornshop.de am 28. April 2009, am 14. September 2009, am 25. November 2009, am 8. Januar 2010, am 27. Januar 2010 und am 24. März 2010 sowie der Live-Sichtung der Prüfgruppe der KJM am 21. April 2010 enthalten.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet (A.). Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet (B.)
35A. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in Bezug auf Ziff. 1 des Bescheides der Beklagten vom 16. August 2010 abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Ziff. 1 des Bescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36I. Als Rechtsgrundlage der in Ziff. 1 des Bescheides enthaltenen Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.europornshop.de gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) sowie gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV kommt allein § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in Betracht. Auf diese Grundlage hat die Beklagte die Maßnahme im Bescheid auch gestützt.
37Gemäß § 20 Abs. 1 JMStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 Telemediengesetz (TMG).
38Nach § 59 Abs. 3 RStV gilt: Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen fest, trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.
39II. Die hier erfolgte Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes, die als einheitliche Maßnahme einer Beanstandung zu verstehen ist, kann dem Grunde nach auf diese Vorschriften gestützt werden.
40Die Beanstandung ist – auch wenn sie anders als die Untersagung oder Sperrung von Angeboten weder in § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV noch in § 59 Abs. 2 bis Abs. 4 RStV ausdrücklich erwähnt ist – im Grundsatz eine nach diesen Vorschriften zulässige und in der Praxis der Medienaufsicht gängige Maßnahme gegenüber Angeboten im Bereich der Telemedien bei Verstößen gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes oder des Rundfunkstaatsvertrages. Auch wenn sie in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV nicht genannt ist, ist die dortige Aufzählung schon nach dem Wortlaut („insbesondere“) nicht abschließend. Es handelt sich bei der Beanstandung um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Eingriffscharakter, durch den ein Rechtsverstoß förmlich festgestellt und missbilligt wird.
41Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, NVwZ 2014, 1594 ff. = juris Rn. 20; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl., 2011, § 20 JMStV Rn. 4, 33; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., 2015, § 20 JMStV Rn. 22; ohne dies zu problematisieren: OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 – OVG 11 B 10.12 –, juris Rn. 61 f.; Bay. VGH, Urteile vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, DVBl. 2014, 108 ff. = juris, und – 7 B 13.196 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013 – 9 K 1879/12 –, juris Rn. 24, 45; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 14 K 4086/07 –, juris Rn. 30.
42Eine Beanstandung kann – auch ohne die damit häufig verbundene Untersagung unzulässiger Angebote oder Inhalte – insbesondere im Bereich sich schnell oder häufig verändernder Angebote bzw. nur für kurze Zeit vorhandener und deshalb im Zeitpunkt der Beschlussfassung der KJM bzw. des Erlasses einer Maßnahme durch eine Landesmedienanstalt (LMA) bereits nicht mehr gegebener bzw. beendeter Verstöße (wie sie im Bereich der Telemedien nicht selten sind) sinnvoll sein. Sie ist auch bei in der Vergangenheit liegenden Verstößen – wie hier – möglich, jeweils unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck noch erreicht werden kann.
43VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 27, 45; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, MMR 2013, 134 ff. = juris Rn. 41 f.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 23. April 2007 – 6 K 1243/06.NW –, MMR 2007, 678 f. = juris Rn. 22.
44Die von der Beklagten in Ziff. 1 des Bescheides vom 16. August 2010 getroffene Maßnahme ist allerdings im Hinblick auf die Beanstandung eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV formell und materiell rechtswidrig (1.); die Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV ist materiell rechtswidrig (2.).
451. Die in Ziff. 1 des Bescheides ausgesprochene Beanstandung eines Verstoßes des vom Kläger verbreiteten Internet-Angebotes www.europornshop.de gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV ist rechtswidrig, weil es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung des Beschlusses der KJM fehlt (a.) und die konkret erfolgte Beanstandung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt (b.).
46a. Die Beanstandung des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV ist formell rechtswidrig, weil es an der den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechenden Begründung der Entscheidung der zu Grunde liegenden Entscheidung KJM fehlt.
47Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV sind die Beschlüsse der KJM zu begründen. In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen (Sätze 5 und 6).
48aa. Bei der Auslegung dieser Vorschriften und zur Ermittlung der Anforderungen an das Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist das nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spezifisch ausgestaltete Verhältnis der Landesmedienanstalten und der KJM in den Blick zu nehmen. Danach ist bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit von Telemedien-Angeboten mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und die bei Verstößen zu treffenden Maßnahmen allein der KJM – als Organ der Landesmedienanstalt – zugewiesen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 4 JMStV). Die zuständige Landesmedienanstalt organisiert für die inhaltliche Entscheidung der KJM das Verfahren, ermittelt den Sachverhalt und setzt die Entscheidung der KJM, an die sie inhaltlich und nach der Begründung gebunden ist, nach außen gegenüber dem Anbieter um (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
49Zudem sind die hinter dem Erfordernis der Begründung der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV stehenden Zwecke zu berücksichtigen. Das Begründungserfordernis dient zum einen objektiven Zwecken: Es soll die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Weiter dient die Begründung der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, weil diese an die Beschlüsse der KJM gebunden sind und sie einschließlich der Begründung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen haben. Zugleich dient die Begründung aber auch den Rechten der Anbieter von Telemedien. Das Begründungserfordernis für die KJM wurde ausdrücklich mit Blick auf die(Grund-) Rechte der Betroffenen, die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgenommen. Der Betroffene bedarf der Begründung, da er ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, ein gerichtliches Verfahren nicht sinnvoll führen kann. Die Anbieter haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebotes unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet. Fehlt eine solche Begründung, schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt durch.
50Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013– 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 29 ff.
51Dabei kommt es maßgeblich auf die abschließende Entscheidung der KJM über das Angebot an, entweder durch einen Prüfausschuss (vgl. § 14 Abs. 5 JMStV) oder durch ihr Plenum (§ 17 Abs. 1 JMStV). Eine Begründung zu einer Prüfempfehlung einer Prüfgruppe, welche nicht die Entscheidung bzw. den Beschluss der KJM darstellt, reicht nicht aus.
52Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015
53– 13 A 1215/12 –.
54Unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung wird einhellig für die Begründung des Beschlusses der KJM als ausreichend angesehen, wenn diese der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen.
55Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 83 f.; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014– 7 A 4679/12 –, juris Rn. 56.
56Zudem kann nur dann die Bezugnahme der KJM auf eine Beschlussvorlage der Landesmedienanstalt deren eigene Begründung ersetzen, wenn diese Beschlussvorlage überhaupt eine Begründung für den Beschlussvorschlag enthält und diese Begründung ihrerseits klar und unmissverständlich ist. An letzterem Erfordernis kann es dann fehlen, wenn die Beschlussvorlage wiederum auf andere Vorlagen der Landesmedienanstalt, die Prüfempfehlung der Prüfgruppe der KJM oder sonstige Schriftstücke Bezug nimmt. In diesem Fall besteht nämlich die Gefahr, dass nicht mehr hinreichend eindeutig ist, was die Begründung der Entscheidung der KJM sein soll. Deshalb geht eine verbreitete Auffassung davon aus, dass eine Begründung für einen Beschluss der KJM nicht ausreichend ist, wenn sich diese allein im Wege einer „Kettenverweisung“ ermitteln lässt.
57Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 84; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012 – 27 A 341.06 –, juris Rn. 32 f. (fehlende Entscheidung in der Beschlussvorlage); differenzierend VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014, a. a. O., juris Rn. 58.
58Unter Berücksichtigung der Zwecke einer Begründung des Beschlusses der KJM ist nach Auffassung des Senats eine Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage im Grundsatz zulässig, wenn dadurch eine klare und unmissverständliche Begründung des Beschlusses zu Stande kommt. Eine Kettenverweisung wird diesen Maßstäben in der Regel nicht gerecht, weil mehrere Schritte erforderlich sind, um die in Bezug genommene „gemeinte Begründung“ zu ermitteln und hierbei die unmissverständliche Klarheit typischerweise fehlt. Die Bezugnahme muss dem Beschluss der KJM (Plenum oder Prüfausschuss) oder dem diesen enthaltenden Protokoll aber durch eindeutige Formulierungen zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reicht nicht aus.
59bb. Im vorliegenden Fall fehlt es bei dem Beschluss des Prüfausschusses der KJM über die Domain www.europornshop.de an einer § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV genügenden Begründung. Die Umstände verdeutlichen vielmehr die Gefahren, die sich durch „Kettenverweisungen“ ergeben.
60Der dem Bescheid zu Grunde liegende Beschluss der KJM (durch den 40. Prüfausschuss Telemedien), welchen der Vorsitzende der KJM der Beklagten unter dem 10. August 2010 mitgeteilt hatte, kam im so genannten schriftlichen Verfahren gemäß § 14 Abs. 5 Satz 5 JMStV i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 3 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM) zu Stande, da die drei Mitglieder des Prüfausschusses (§ 14 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3 JMStV) einstimmig anstelle des Plenums der KJM entschieden hatten (§ 14 Abs. 5 Satz 3 JMStV).
61Zur Zulässigkeit dieser Verfahrensgestaltung vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 76 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 – 10 LA 101/07 –, MMR 2009, 203 ff. = juris, Rn. 5 ff.; Hahn/Vesting, a. a. O., § 14 JMStV Rn. 66a.
62Die drei Mitglieder hatten der KJM-Geschäftsstelle ihre Entscheidung zugefaxt und darauf ihre Zustimmung durch Ankreuzen des folgenden Textes ausgedrückt: „Ich stimme der Beschlussvorlage für den Prüfausschuss der zuständigen LMA unter Beachtung der Prüfempfehlung der Prüfgruppe zu.“ Dadurch wurde einerseits auf die Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss der KJM vom 9. Juli 2010, andererseits auf die Prüfempfehlung der Prüfgruppe zu der am 21. April 2010 stattgefundenen Präsenzprüfung des Angebots des Klägers Bezug genommen. Insofern ist zunächst festzustellen, dass sich diese Dokumente nicht decken. Die Beschlussvorlage der Beklagten vom 9. Juli 2010 enthielt überhaupt keine Beispiele für die als pornografisch gerügten Inhalte. Die in der Begründung des Bescheides vom 16. August 2010 dargestellten Beispiele zu einfach pornografischen und nicht durch ein Altersverifikationssystem geschützten Bildern ergaben sich nur aus der Bezugnahme auf andere Dokumente in der Beschlussvorlage. Ansonsten stimmen diese Dokumente zwar weit gehend inhaltlich überein, doch bestehen auch Unterschiede. Schon dies wirft Fragen auf, welche Begründung genau dem Beschluss des Prüfausschusses der KJM zu Grunde liegen sollte. Weitere Unklarheiten entstehen unter dem Gesichtspunkt der Kettenverweisung durch die Gestaltung der Beschlussvorlage der Beklagten vom 9. Juli 2010. Wie gesagt enthält diese selbst überhaupt keine Beispiele für Verstöße gegen § 4 Abs. 2 JMStV. Zur Bewertung des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV – also den Vorwurf einfacher Pornografie ohne geschlossene Benutzergruppe – verhält sich allein ein Absatz mit zwei Sätzen auf Seite 3 der Beschlussvorlage. Die Beispiele für pornografische Inhalte nebst (gleichbleibender) Begründung für deren Einordnung als pornografisch lassen sich allein den durch Verweisungen einbezogenen Anlagen 2, 4 und 6 entnehmen (Vorlage der Beklagten vom 2. Februar 2010 für KJM-Prüfgruppe, Vorlage der Beklagten vom 1. April 2010 für KJM-Prüfgruppe, Prüfbegründung der KJM-Prüfgruppe vom 21. April 2010). Hierdurch werden alle in diesen Vorlagen enthaltenen Beispiele für Pornografie zum möglichen Inhalt der Begründung, jedoch bleibt unklar, ob alle diese Beispiele in die Begründung aufgenommen werden sollen. Gegebenenfalls hätte der Prüfausschuss auch unter Auswertung der ebenfalls durch die Anlagen zur Beschlussvorlage vom 9. Juli 2010 (Beiakte 1, Bl. 167) einbezogenen Camtasia-Aufzeichnungen zu den Sichtungen vom 8. Januar 2010, 24. März 2010 und 21. April 2010 weitere Inhalte herausgreifen und benennen können. Dies eröffnet ein weites Feld. Weiter entsteht Raum für Missverständnisse und Unklarheiten durch die Verweisung auf drei verschiedene Vorlagen der Beklagten für die KJM, die sich inhaltlich zwar überschneiden, jedoch auch Unterschiede aufweisen. Der Umstand, dass die Mitglieder des 40. Prüfausschusses Telemedien „unter Beachtung der Prüfempfehlung der Prüfgruppe“ zustimmten und damit die Anlage 6 zur Beschlussvorlage der Beklagten vom 9. Juli 2010 auch unmittelbar in Bezug nahmen, vermag diese Unklarheiten nicht zu beseitigen.
63Bei unvoreingenommener Betrachtung war auf der Grundlage des Beschlusses des Prüfausschusses der KJM, welcher unter dem 10. August 2010 mitgeteilt wurde, nicht klar und unmissverständlich, wie genau die Begründung des Beschlusses der KJM aussieht und wie deshalb die Begründung zum Bescheid der Beklagten in Umsetzung des Beschlusses aussehen würde. Unklarheit durch die eine Bezugnahme darstellende „Zustimmung“ des Prüfausschusses der KJM in den Fax-Antworten der Mitglieder des Prüfausschusses zur „Beschlussvorlage für den Prüfausschuss der zuständigen LMA unter Beachtung der Prüfempfehlung der Prüfgruppe“ entsteht schon deshalb, weil diese Bezugnahme nicht auf die Einzelheiten des konkreten Verfahrens individualisiert ist, z. B. durch Angabe der zuständigen Landesmedienanstalt, des Aktenzeichens und des Datums der jeweiligen Vorlage. Das Fehlen dieser Angaben mindert die Klarheit der Bezugnahme, weil von der Beklagten zu verschiedenen Zeitpunkten drei verschiedene Vorlagen für die KJM an diese übermittelt worden waren, und zudem – noch während der Zuständigkeit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) – zuvor bereits einmal eine Empfehlung einer Prüfgruppe zu der 16. Präsenzprüfung Telemedien am 28. April 2009 ergangen und im Vorgang enthalten ist. Die dem Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 tatsächlich beigefügte Begründung verdeutlicht die Unklarheit der Begründung der KJM. Unter anderem war in der Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss der KJM vom 9. Juli 2010 auf Seite 4 (3. Absatz) ein Hinweis auf die „Uneinsichtigkeit des Anbieters“ enthalten, was als potentieller Bestandteil von Ermessenserwägungen erhebliche Bedeutung haben könnte. In der Begründung zum angegriffenen Bescheid ist dies hingegen nicht enthalten. Durch ihre verschiedenen Vorlagen und sonstige in der Beschlussvorlage in Bezug genommene Dokumente schafft die Beklagte einen „Pool“ von Begründungselementen, aus denen sie bei der Erstellung des Bescheides nach ihrem Belieben auswählen kann. Dies widerspricht erkennbar Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses in § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV, welcherder KJM das Recht und die Pflicht zur die Landesmedienanstalt bindenden Begründung ihres Beschlusses zuweist.
64cc. Eine Heilung des Begründungsmangels nach § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW ist nicht erfolgt, weil die KJM die Begründung im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV nicht nachgeholt bzw. klargestellt hat. Die Begründung des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte oder deren Vorbringen im Gerichtsverfahren können eine Heilung nicht herbeiführen, weil dies nicht die interne Beteiligung der KJM ersetzt.
65Der Begründungsmangel ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Zum einen dürfte es sich bei § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV um eine Regelung handeln, die nach ihrem Sinn und Zweck keine bloß dienende Funktion hat, sondern unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung beachtet werden soll – sog. absoluter Verfahrensfehler –; zum anderen ist bei Fehlern im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen regelmäßig nicht offensichtlich, dass die Verletzung der Vorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Nach der Systematik des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist die abschließende Beurteilung von Angeboten allein der KJM als mit besonderem Sachverstand ausgestattetem Gremium übertragen, so dass nicht nur die Entscheidung, sondern auch die gesetzlich verlangte Begründung hierzu unvertretbar ist; sie fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG NRW.
66Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 46 Rn. 15, 32 f.; ebenso zu §§ 45, 46 VwVfG VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 36.
67b. Die Beanstandung des Verstoßes des Angebots www.europornshop.de gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV ist darüber hinaus materiell rechtswidrig.
68aa. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV liegen im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV allerdings vor.
69(1) Bei der Domain www.europornshop.de handelt es sich um ein Angebot im Bereich der Telemedien im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Telemediengesetz (TMG). Gewöhnliche, an die Öffentlichkeit gerichtete und für jedermann zum Abruf bereitstehende Internetseiten stellen Telemedien-Angebote in diesem Sinne dar.
70(2) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV sind Angebote unzulässig, wenn sie in sonstiger Weise pornografisch sind. In Telemedien sind solche Angebote jedoch gemäß Satz 2 der Vorschrift zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe). Dies regelt – in Abgrenzung zur gemäß § 4 Abs. 1 JMStV stets unzulässigen sog. „harten Pornografie“ – die eingeschränkte Zulässigkeit der sog. „einfachen Pornografie“, die in Telemedien bei Sicherstellung geschlossener Benutzergruppen für Erwachsene nach § 4 Abs. 2 JMStV zulässig ist.
71Ob Angebote pornografisch sind und gegen § 4 Abs. 2 JMStV verstoßen, ist gerichtlich voll überprüfbar.
72Die KJM hat – anders als die anerkannten Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle im Bereich des Rundfunks (vgl. §§ 19, 20 Abs. 3 Satz 1 a.E. JMStV) – keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Ihre Entscheidungen und deren Begründung sind – wie die Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) – als sachverständige Äußerungen einzuordnen. Für einen nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum fehlt schon ein erkennbarer Regelungswillen des Staatsvertragsgebers, anders als in Bezug auf die Selbstkontrolleinrichtungen, denen in § 20 Abs. 3 und Abs. 5 JMStV erkennbar ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wurde. Weiter ist eine pluralistische Zusammensetzung der KJM-Gremien nicht hinreichend erkennbar und die Staatsferne des KJM-Plenums zweifelhaft.
73Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 23. März 2011 – 7 BV 09.2512 und 09.2513 –, juris Leitsatz 2 und 3, Rn. 32 ff.; VG München, Urteil vom 4. Juni 2009 – M 17 K 05.5329 –, ZUM 2010, 615 ff. = juris Leitsatz und Rn. 86 ff.; VG Berlin, Urteile vom 28. Januar 2009 – 27 A 61.07 –, MMR 2009, 496 ff. = juris, Leitsatz 4, Rn. 37 ff., und vom 9. November 2011 – 27 A 64.07 –, ZUM 2012, 417 ff. = juris Rn. 63 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 4. Januar 2012, a. a. O., Rn. 68 ff.; VG Münster, Urteil vom 12. Februar 2010, a. a. O., Rn. 29 ff.; VG Kassel, Urteil vom 31. Oktober 2013 – 1 K 391/12.KS –, juris Rn. 57; VG Osnabrück, Urteil vom 29. Januar 2010 – 4 A 62/09 –, juris Rn. 25; Liesching/Schuster, a. a. O., § 16 JMStV, Rn. 4; a. A. Hahn/Vesting, Beck’ scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., 2012, § 20 JMStV Rn. 63 ff.
74Die im Bescheid ausführlich dargestellten zehn Beispiele für einfach pornografische Bilder i. S. v. § 4 Abs. 2 JMStV, die von der Domain www.europornshop.de durch direkte Verlinkung aufrufbar waren, sind nach den zu § 184 StGB von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien einfache Pornografie. Dies stellt auch der Kläger nicht in Abrede.
75Sämtliche im Bescheid vom 16. August 2010 beschriebenen Bilder waren auch erreichbar, ohne dass ein den Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV und den dazu konkretisierten Anforderungen der KJM entsprechendes sog. Altersverifikationssystem (AVS) den Zugang von Minderjährigen ausgeschlossen hätte.
76Dies erfordert technische Systeme, die unter normalen Umständen sicherstellen, dass lediglich Erwachsene die einfache Pornografie wahrnehmen können. Für solche Altersverifikationssysteme gelten hohe Anforderungen, die eine valide Altersüberprüfung voraussetzen, welche sich nicht ad hoc bewerkstelligen lässt. Erforderlich ist nach verbreiteter Auffassung eine Altersüberprüfung mit persönlichem Kontakt von zwei Menschen („face-to-face“-Kontrolle).
77Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2007 – 10 ME 241/07 –, NJW 2008, 1831 ff. = juris Rn. 9, 12; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009, a. a. O., Rn. 49 f.; Liesching/Schuster, a. a. O., § 4 JMStV Rn. 63 ff., 75; Spindler/Schuster, a. a. O., § 4 JMStV Rn. 78 ff.
78Hier entstehen in der Lebenswirklichkeit vielfältige technisch und administrativ komplizierte Systeme, bei deren Prüfung im Hinblick auf die Tauglichkeit nach § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV die KJM eingebunden ist.
79Daran fehlt es hier. Die (gegebenenfalls kostenpflichtige) Anmeldung mit persönlichen Daten und für die elektronische Zahlung erforderlichen Angaben (Bankverbindung für Lastschriftverfahren oder Kreditkartennummer), der sich die die Sichtungen durchführenden Beschäftigten der Beklagten („Auswerter“) unterziehen mussten, um auf die im Angebot des Klägers verlinkte Domain www.erotikfieber.com (oder andere dort vorhandene Links) zugreifen zu können, reichen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt aus, um die Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV zu erfüllen.
80Soweit hingegen auf der Domain www.visit-x.net, zu der auf der Domain www.europornshop.de ebenfalls ein Link vorhanden war, nach dem Akteninhalt und den vorhandenen Camtasia-Aufzeichnungen zugangsbeschränkende Altersprüfungssysteme geschaltet waren, erfüllt dies das Erfordernis einer geschlossenen Benutzergruppe i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV und es liegt – auch wenn dort einfache Pornografie verfügbar wäre – bereits kein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV vor.
81(3) Der Kläger ist der richtige Adressat der Beanstandung des Angebotes www.europornshop.de.
82Stellt die zuständige Landesmedienanstalt Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages fest, so trifft sie nach § 20 Abs. 1 JMStV die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. Für Anbieter von Telemedien konkretisiert § 20 Abs. 4 JMStV diesen Grundsatz dahin, dass die Entscheidung unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach §§ 7 bis 10 Telemediengesetz (TMG) getroffen wird. Dort ist in § 7 Abs. 1 TMG der allgemeine Grundsatz niedergelegt, dass Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind (Verantwortlichkeit des Content-Providers). Geringere Anforderungen werden nach § 7 Abs. 2 TMG an die in §§ 8 bis 10 TMG geregelten anderen Anbieter (u.a. Access-Provider, Host-Provider) gestellt.
83Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger der nach § 7 Abs. 1 TMG verantwortliche Anbieter der Inhalte auf der Domain www.europornshop.de (a). Zugleich erstreckt sich seine Verantwortlichkeit auch auf alle Inhalte anderer Domains, die über die auf www.europornshop.de vorhandenen Verlinkungen unmittelbar („auf der ersten Linkebene“) erreichbar sind (b). In Ergänzung der zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich dies aus Folgendem:
84(a) Verantwortlich für alle auf einer Domain vorhandenen Inhalte ist grundsätzlich der Inhaber der Domain. Inhaber einer Domain ist stets derjenige, auf den diese bei der die Domains unterhalb der Top Level Domain (hier „.de“) verwaltenden Institution als Inhaber registriert ist, hier der DENIC.
85Der Kläger ist hiernach für alle Inhalte auf der Domain www.europornshop.de im streitgegenständlichen Zeitraum verantwortlich, weil diese vom 1. Juli 2009 bis zum 26. Mai 2010 bei der DENIC auf ihn als Inhaber registriert war. Nach den im Verwaltungsvorgang der Beklagten vorhandenen Unterlagen war er dort mit seinem Namen und seiner Adresse in Wuppertal nicht nur als administrativer Ansprechpartner (Admin-C), technischer Ansprechpartner (Tech-C) und Zonen-Ansprechpartner (Zone-C) registriert, sondern zugleich auch als „Owner-C“, also als Inhaber. Dies ist der von ihm mit der Klageschrift vorgelegten „Domain-Auftragsübersicht“ zu entnehmen. Seine Eigenschaft als Inhaber begründet seine Verantwortlichkeit, unabhängig von dem im Vorgang der Beklagten auch ersichtlichen Eintrag bei der DENIC „Reservierung im Kundenauftrag“. Abgesehen davon, dass über diesen Kundenauftrag und die entsprechenden Umstände nichts bekannt ist, ist davon auszugehen, dass derjenige, der als Inhaber einer Domain registriert ist, für die Zeit der Registrierung für die Inhalte verantwortlich ist, ohne Berücksichtigung von rechtsgeschäftlichen oder sonstigen Abreden und Rechtsverhältnissen mit Dritten wie einer solchen Reservierung, ähnlich wie dies für einen im Grundbuch eingetragenen Eigentümer eines Grundstücks gelten würde. Der Kläger kann dies vermeiden, wenn er bei entsprechenden Kundenaufträgen mit Vollmacht oder auf andere Weise die unmittelbare Registrierung auf den Kunden als Inhaber vornehmen lässt, oder indem er es dem Kunden überlässt, selbst die eigene Registrierung bei der DENIC zu erwirken.
86(b) Der Kläger ist zugleich auch im Sinne von § 7 Abs. 1 TMG sowie § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV für die Inhalte auf den Domains verantwortlich, die durch Verlinkungen von seiner Domain www.europornshop.de unmittelbar – auf der ersten Linkebene – erreichbar waren, insbesondere die im Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 aufgeführten Beispiele. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen zur sog. Link-Haftung, die das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt hat. Danach haftet derjenige, der durch Verlinkung auf eine andere Domain dort verfügbare Inhalte über seine Domain zugänglich macht, für die dortigen Inhalte jedenfalls dann wie für eigene Inhalte, wenn er sich die Verlinkung erkennbar zu eigen macht.
87Vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 – I ZR 102/05 –, NJW 2008, 1882 ff. = juris Rn. 20 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 2. Februar 2009 – 7 CS 08.2310 –, MMR 2009, 351 ff. = juris Rn. 30; VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 35; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012, a. a. O., Rn. 31; VG Augsburg, Urteil vom 28. August 2009 – Au 7 K 08.658 –, ZUM-RD 2010, 377 ff. = juris Rn. 36 f.
88Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger für die auf dem Angebot www.europornshop.de unmittelbar verlinkten Inhalte auf weitere Domains – insbesondere bei www.erotikfieber.com – verantwortlich. Nach dem Gesamteindruck seiner Webseite hat er sich die dort vorhandenen Verlinkungen zu eigen gemacht. Bei einer Gesamtbetrachtung gehörten die dort eingebundenen Verlinkungen zum Konzept eines Angebots aus dem Bereich Sex und Erotik, worauf schon der Name der Domain hinwies. Die sich in dieses konzeptionelle Angebot einfügenden Verlinkungen waren mit einem Screenshot und einem beschreibenden Text mit werbendem Charakter versehen. Dadurch stellten sie sich nach dem Eindruck des Betrachters nicht als Zufallsergebnisse einer Suchmaschine oder der Einstellungen bzw. Algorithmen einer Parkseite dar; vielmehr könnte dies auch ohne weiteres eine bewusste Herstellung von Verlinkungen durch redaktionelle Bearbeitung des Klägers oder zu seiner Organisation gehörender Personen sein. Zudem stellten diese Links den zentralen Teil seines Angebots dar, weil es neben diesen – auch optisch im Vordergrund der Internetseite stehenden – Links keine sonstigen (eigenen) Inhalte des Anbieters gab. Unter Berücksichtigung der zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Funktionalität von Parkseiten und der Verantwortlichkeit desjenigen, der als Inhaber einer Domain Parkseiten nutzt, gilt diese Einschätzung erst recht. Seine Verantwortlichkeit resultiert aus dem bewussten Vorgang der Übergabe der Domain an einen Parking-Dienst, wodurch sich solche Gefahren ergeben können. Bei der Übergabe an einen Parking-Dienst kann der Auftraggeber durch Auswahl von Einstellungen, Schlag- und Stichworten oder „AdWords“ bzw. „Keywords“ Einfluss darauf nehmen, welche Werbung oder Verlinkungen während des Parkens dort erscheinen. Wer diese Möglichkeiten der Einflussnahme nicht nutzt, nimmt die daraus folgenden Risiken, die sich innerhalb des ihm zuzuordnenden Verantwortungsbereichs realisieren, in Kauf und haftet deshalb für sie.
89An diesem Ergebnis ändert auch der auf der Seite vorhandene Haftungsausschluss (sog. „Disclaimer“) nichts, der lautete: „Die auf dieser Seite bereitgestellten Listings kommen von dritter Seite und stehen mit Domain-Inhaber oder NameDrive in keiner Beziehung“. Dies ist ein offensichtliches Lippenbekenntnis, das den für den unbefangenen Nutzer entstehenden Eindruck, dass der Anbieter der Seite www.europornshop.de die im Zentrum der Seite stehenden Verlinkungen als seine Inhalte anbietet, nicht beseitigt. Die Verlinkungen waren im relevanten Zeitraum auch der Kern des wirtschaftlichen Interesses des Klägers mit dem Angebot www.europornshop.de, da bei der Nutzung von Parkseiten mit eingebundenen Links über diese (Werbe-)Einnahmen erzielt werden können.
90bb. Die in Ziff. 1 des Bescheides ausgesprochene Beanstandung verletzt in der gewählten Form den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie nicht erforderlich ist. Dies ist ein Ermessensfehler, der die Beanstandung rechtswidrig macht.
91Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet auf sämtliche staatliche Eingriffsakte – und insbesondere alle Maßnahmen der Medienaufsicht – Anwendung.
92Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, a. a. O., Rn. 20; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 36 m. w. N.; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/ Stettner, RStV, Stand September 2014, § 59 Rn. 19; dies., JMStV, Stand September 2014, § 20 Rn. 32; Spindler/Schuster, a. a. O., § 20 JMStV Rn. 22.
93Einfachgesetzlich ist er, wenn auch nur für die Untersagung, in § 59 Abs. 3 RStV verankert. Nach § 59 Abs. 3 Satz 3 RStV darf eine Untersagung nicht erfolgen, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung des Angebots für den Anbieter und die Allgemeinheit steht. Eine Untersagung darf nur erfolgen, wenn ihr Zweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann (Satz 4). Sie ist nach Satz 5 auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken, soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann. Da es sich jedoch bei der medienrechtlichen Beanstandung nach § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Eingriffscharakter handelt, liegt es auf der Hand, dass die in § 59 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 RStV geregelten Anforderungen, die als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verstanden werden, auch auf sie Anwendung finden,
94vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, a. a. O., Rn. 20.
95(1) Die Beanstandung ist – entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers – nicht schon deshalb unverhältnismäßig, weil zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses kein aktueller Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV mehr gegeben war. Die auf den Kläger registrierte Domain www.europornshop.de war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16. August 2010 bzw. des vorangegangenen Beschlusses des 40. Prüfausschusses Telemedien der KJM nicht mehr auf ihn registriert. Eine Beanstandung eines Verstoßes gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages gegenüber dem Kläger hatte auch nach der Löschung der Domain www.europornshop.de weiter Sinn und war somit zur Erreichung der mit den Maßnahmen gemäß § 20 JMStV verfolgten Zwecke geeignet.
96Bei einer Beanstandung eines Telemedien-Angebots nach § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit insbesondere nicht der in § 59 Abs. 3 Satz 1 RStV genannte Zweck „Beseitigung des Verstoßes“ zu Grunde zu legen. Vielmehr ist auf den hinter § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV stehenden Zweck abzustellen, weil die Vorschrift auf § 59 Abs. 2 bis Abs. 4 RStV nur im Wege einer Rechtsfolgenverweisung „entsprechend“ Bezug nimmt.
97Vgl. Spindler/Schuster, a. a. O., § 59 RStV Rn. 32.
98Sinn der medienaufsichtlichen Beanstandung eines Telemedien-Angebots nach § 20 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV ist es, Anbietern das entsprechende Unrechtsbewusstsein in Bezug auf die Anforderungen des Jugendmedienschutzes zu vermitteln und dadurch andauernde, weitere bzw. künftige Rechtsverletzungen zu vermeiden. Davon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Unter den Bedingungen des Internets kann eine Beanstandung auch bei abgeschlossenen Verstößen noch Sinn haben, da Löschungen oder Änderungen von Inhalten, die gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes verstoßen, ohne größeren Aufwand rückgängig gemacht werden können. Damit kommt gerade bei Telemedien der Beanstandung rechtswidrigen Verhaltens in der Vergangenheit besondere verhaltenssteuernde Wirkung zu, indem sie eine Rückkehr zu gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag verstoßenden Zuständen auch für die Zukunft verbietet.
99Vgl. VG Hamburg, Urteile vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 45 f., und vom 4. Januar 2012 – 4 K 262/11 –, ZUM-RD 2013, 92 ff. = juris Rn. 68 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012, a. a. O., Rn. 41 f.; VG Minden, Urteil vom 18. August 2010, a. a. O., Rn. 37; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009, a. a. O., Rn. 75; VG Münster, Urteil vom 12. Februar 2010 – 1 K 1608/09 –, juris Rn. 39; a. A. VG Hamburg, Urteil vom 29. Februar 2012 – 9 K 139/09 –, juris Rn. 47 ff.
100In Bezug auf den Kläger war es wichtig und hatte somit für den Jugendmedienschutz Sinn, ihm die Maßstäbe zur zulässigen Pornografie in Telemedien und zu den Anforderungen von Altersverifikationssystemen einerseits und die aus Sicht der Beklagten bestehenden Verantwortlichkeiten des Anbieters bei der Zusammenarbeit mit Parking-Diensten und dabei erfolgenden Verlinkungen andererseits zu vermitteln. In Bezug auf die konkrete Domain www.europornshop.de war zwar vom Kläger nach der Löschung und deren Neuvergabe an einen anderen Anbieter kein künftiger Rechtsverstoß mehr zu erwarten, jedoch ist der Kläger auf dem Gebiet der Domainvermarktung und des Domainhandels bekannt, mit der von ihm geführten Domainvermarkter Ltd. & Co. KG am Domain-Markt weiter aktiv.
101Seine Domains wird er regelmäßig bis zur Vermarktung auf Parkseiten lokalisieren, um die ihm entstehenden Kosten zu minimieren. Hierbei können Gefahren für Verstöße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag oder andere medienrechtliche Vorschriften entstehen. Konkret hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass 2010 zwei weitere auf den Kläger registrierte Domains bei ihr wegen problematischen Verlinkungen durch Nutzung von Parkseiten in der Beobachtung standen (www.elite-domina.de und www.thumbworld.de).
102(2) Die erfolgte Beanstandung überschreitet jedoch das Maß des geringstmöglichen Eingriffs.
103Für die Beanstandung gilt, wie ausgeführt, das in Bezug auf die Untersagung eines Angebots in § 59 Abs. 3 Satz 5 RStV niedergelegte Gebot in gleicher Weise, dass sie auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken ist, soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann. Bei einem häufig eine ausgesprochen große Menge von Inhalten umfassenden (insbesondere: Telemedien-) Angebot im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV fordert das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs, die Beanstandung oder andere medienaufsichtliche Maßnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV auf die Teile des Angebots zu beschränken, die tatsächlich gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen, soweit die Beschränkung nicht aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar ist.
104Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013– 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 37 ff. (Beanstandung der Seiten 300 – 600 eines Teletext-Angebotes war unverhältnismäßig, weil davon nur 136 Seiten problematisch waren); nachgehend BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, a. a. O.
105Hiergegen verstößt die Regelung in Ziff. 1 des Bescheides vom 16. August 2010, die – in inhaltlich bestimmter Weise, § 37 Abs. 1 VwVfG NRW – das vollständige Angebot www.europornshop.de beanstandete.
106Der Wortlaut von Ziff. 1 des Bescheides ist insofern eindeutig und lässt keine Beschränkungen erkennen. Eine teilweise Beanstandung des Angebotes www.europornshop.de lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung des Tenors unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides feststellen. Dies käme in Betracht, wenn sich aus der Begründung klar ergäbe, dass die Beklagte bzw. die KJM den Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV nur in Teilen des Angebotes gesehen hätte. In Bezug auf die in der Begründung des Bescheides als pornografisch bewerteten zehn Bilder spricht nichts dafür, dass nur diese beanstandet werden, da die Beschreibung dieser Bilder, die über Verlinkungen im Angebot des Klägers aufrufbar waren, nur „als Beispiele“ angeführt werden (siehe S. 3 des Bescheides). Auch ansonsten lassen sich dem Inhalt der Begründung des Bescheides vom 16. August 2010 keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagte die Beanstandung auf einen Teil des Angebotes www.europornshop.de beschränken wollte. Vielmehr spricht die Begründung für eine umfassende Beanstandung (S. 3 des Bescheides: „Internet-Angebot vermittelte insgesamt die Verabsolutierung sexuellen Lustgewinns“; „In der Gesamttendenz waren die in die Website www.europornshop.de eingebundenen Inhalte ausschließlich auf die sexuelle Stimulation des Nutzers angelegt.“; Hervorhebungen durch das Gericht).
107Handelt es sich deshalb um eine Beanstandung des vollständigen Angebotes, so ist diese nur dann verhältnismäßig, wenn der beanstandete Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV in allen Bestandteilen des Angebotes vorlag oder eine Beschränkung der Beanstandung auf unzulässige Teil des Angebots entweder nicht möglich bzw. unzumutbar oder mit Einschränkungen bei der Erreichung der verfolgten Zwecke verbunden gewesen wäre. An diesen Voraussetzungen fehlt es.
108Zunächst ist nicht nachvollziehbar, wieso das Angebot www.europornshop.de in vollständigem Umfang gegen § 4 Abs. 2 JMStV verstoßen haben sollte. Verstöße sieht die Beklagte in den Verlinkungen auf nicht hinreichend geschützte Inhalte auf der sog. ersten Linkebene, also der durch einen Link direkt erreichbaren Domains mit allen dort vorhandenen Inhalten; die Zahl der „Klicks“ ist ohne Bedeutung. Dabei beschränkt sich die ins Einzelne gehende Begründung der Beklagten bzw. der KJM auf die Anführung der zehn Beispiele. Eine Benennung der bzw. detaillierte Auseinandersetzung mit den zu einem bestimmten Sichtungszeitpunkt jeweils neun bzw. zehn auf der Domain www.europornshop.de vorhandenen Links zu anderen Domains erfolgt überhaupt nicht. Die zehn im Bescheid vom 16. August 2010 genannten Beispiele finden sich sämtlich auf der verlinkten Domain www.erotikfieber.com. Um darzustellen, dass sämtliche Inhalte auf der Domain des Klägers Verstöße gegen § 4 Abs. 2 JMStV enthalten, hätte es nahe gelegen, zu jedem der Links Beispiele anzuführen. In der geschehenen Weise ist lediglich ein Verstoß durch die Inhalte des Links „#1# - dabeisein für nur 2,50/Tag“, welcher auf die Domain www.erotikfieber.com verwies, plausibilisiert. In Bezug auf die im angefochtenen Bescheid benannten Sichtungen vom 8. Januar, 24. März und 21. April 2010 bestätigt sich dieses Bild: Die auswertenden Personen bei der Beklagten bzw. der KJM finden die erkennbar pornografischen Bilder, die auch in der Begründung des Bescheides aufgeführt sind (und viele mehr), innerhalb der verlinkten Domain www.erotikfieber.com. In den übrigen verlinkten Domains erlangen sie entweder keinen Zugang, finden anscheinend keine Pornografie oder es ist Zugangsschutz (AVS) vorhanden; manche Links prüft die auswertende Person auch nicht, wohl weil deren Inhalte als zulässig bekannt sind. Dies deckt sich mit dem Ergebnis der im Verwaltungsvorgang der Beklagten vorhandenen „Zusammenfassung Sichtung www.europornshop.de vom 27.01.2010“ (Beiakte 1, Bl. 72). Diese war bei der Beklagten erfolgt mit dem Ziel, möglichst drei problematische Verlinkungen aufzuzeigen und pornografische Bilder mit detaillierten Pfadbeschreibungen zu benennen. Dies gelang der auswertenden Person nicht, weil von zehn vorhandenen Links sieben anscheinend nach der Einschätzung der auswertenden Person keine Verstöße enthielten, bei der Domain www.visit-x.net ein wirksames Altersverifikationssystem den Inhalten vorgeschaltet war und bei den Domains www.erotikfieber.com und www.movies4web.de der Zugang aufgrund technischer Probleme nicht gelang.
109Hiervon ausgehend ist der Einschätzung der KJM nicht zu folgen, dass das Angebot insgesamt gegen § 4 Abs. 2 JMStV verstößt. Es wird keine tatsächliche Grundlage für diese Bewertung benannt und dieser Schluss wird auch nicht in einer Weise argumentativ hergeleitet und nach den Gesetzen der Logik bzw. den Regeln des Jugendmedienschutzes begründet, die für das Gericht schlüssig ist. Es fehlt letztlich an jeder Tatsachengrundlage in der Entscheidung der KJM oder dem Bescheid der Beklagten zu einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV für andere Bereiche der Domain www.europornshop.de neben dem Link auf die Domain www.erotikfieber.com; auch die Begründung der Bewertung des gesamten Angebots als jugendgefährdend im Bescheid der Beklagten ist vollständig unplausibel und bleibt damit Behauptung.
110Verstößt nur ein Teil der vorhandenen Links in dem beanstandeten Angebot www.europornshop.de gegen § 4 Abs. 2 JMStV, ist es nach dem Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs geboten, die Beanstandung auf diese Teile des Angebots zu beschränken, in dem sich die Verstöße befanden. Es ist auch weder im Bescheid dargelegt noch anderweitig ersichtlich, dass Anforderungen der Praxis oder die Begrenztheit der Mittel der Beklagten es ausnahmsweise rechtfertigen können, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung solche Telemedien-Angebote nicht in jeder Hinsicht zu untersuchen, zulässige von unzulässigen Inhalten abzugrenzen und die Beanstandung von Verstößen entsprechend zu konkretisieren. Immerhin ist der Beklagten mit der Nennung der Beispiele eine solche Konkretisierung gelungen. Auch die Zwecke des Jugendmedienschutzes rechtfertigen keine vollständige Beanstandung.
111Dabei ist nicht erkennbar – und der Bescheid enthält hierzu auch keine Ermessenserwägungen –, dass die Beschränkung auf den unzulässigen Teil aus tatsächlichen Gründen unmöglich oder in praktischer Hinsicht schwerlich durchführbar wäre. Das Angebot stellt sich auch nicht in einer Weise als einheitlich dar, welche eine Teilbarkeit ausschlösse.
112Anders im Fall von VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 23. April 2007, a. a. O., Rn. 21, bei unzulässigen Bildern als Teil von „Bilderfolgen“, die zu einer Unzulässigkeit des Gesamtangebots führten.
113Unter den Bedingungen der Praxis und bei Berücksichtigung behördlichen Arbeitsaufwandes dürfte es allerdings zulässig sein, wenn z. B. ein Link wie derjenige auf www.erotikfieber.com insgesamt beanstandet wird, ohne dort für jedes einzelne Objekt zu prüfen, ob ein Verstoß vorliegt. Dies würde die Anforderungen überspannen und wäre praktisch nicht leistbar.
114Zugleich würde eine auf die tatsächlich Verstöße gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages enthaltenden Bereiche eines Telemedien-Angebots beschränkte Beanstandung den Zweck des Jugendmedienschutzes letztlich besser erreichen. Für den Kläger ist bei der vollständigen Beanstandung der Domain www.europornshop.de nicht klar, welche der Inhalte aus Sicht der Beklagten unzulässig sind. Würde ihm die nicht einfach zu erkennende Grenze zwischen verbotener einfacher Pornografie und (noch) zulässiger Darstellung von Sex und Erotik stärker verdeutlicht, könnte er bei entsprechender Organisation künftig Verlinkungen auf diese Domains (und/oder entsprechende Inhalte) vermeiden.
115Eine Reduzierung der Beanstandung auf das zulässige Maß durch teilweise Aufhebung der Beanstandung ist dem Senat verwehrt. Da es sich bei Maßnahmen nach § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV um solche handelt, bei denen die Beklagte ein Auswahlermessen hat, findet die entscheidende Weichenstellung in Bezug auf Verhältnismäßigkeit und Übermaßverbot im Rahmen der Ermessensausübung statt. Allein die KJM bzw. die Beklagte darf ihr Ermessen ausüben, mit welcher Intensität oder in welchem Umfang sie einschreiten möchte. Hier fehlen aber jegliche Ermessenserwägungen zum Umfang der Beanstandung.
116Dieser Verstoß gegen das Übermaßverbot entfällt nicht deshalb, weil die Teile des Angebots des Klägers, welche keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV (Verbot einfacher Pornografie) enthalten, entwicklungsbeeinträchtigende Angebote nach § 5 JMStV sein könnten. Dies kann das Gericht – unabhängig von der Frage, dass dies noch gar nicht festgestellt ist – schon deshalb nicht (ersatzweise) zu Grunde legen, weil dies nicht Gegenstand der Entscheidung der allein zur Ermessensausübung berufenen KJM war. Die Erwähnung eines Verstoßes (auch) gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV auf S. 4 der Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss der KJM vom 9. Juli 2010 reicht als solche Feststellung nicht aus, weil die Beschlussempfehlung (S. 1 der Vorlage), der die KJM zustimmte, keinen Verstoß gegen § 5 JMStV nennt; es dürfte sich um ein Versehen bei der Erstellung der Beschlussvorlage handeln.
1172. Die in Ziff. 1 des Bescheides der Beklagten ausgesprochene Beanstandung eines Verstoßes des vom Kläger verbreiteten Internet-Angebotes www.europornshop.de gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3, Abs. 4 JMStV ist rechtswidrig, weil diese gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt und Ermessensfehler enthält.
118Nach § 7 Abs. 1 JMStV müssen geschäftsmäßige Anbieter von allgemein zugänglichen Telemedien, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten, einen Jugendschutzbeauftragten bestellen, soweit sie sich nicht unter den Voraussetzungen des Abs. 2 einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese zur Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten verpflichten. Die Aufgaben sind in Abs. 3, seine Stellung gegenüber dem Anbieter in Abs. 4 geregelt.
119Die Voraussetzungen eines Verstoßes des Klägers gegen § 7 Abs. 1 JMStV liegen allerdings vor, weil er ein geschäftsmäßiger Anbieter allgemein zugänglicher Telemedien ist und in seinem Angebot www.europornshop.de nach den Feststellungen der KJM und auch zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls durch den Link auf Inhalte der Domain www.erotikfieber.com nicht hinreichend geschützte jugendgefährdende Inhalte im Sinne von § 4 Abs. 2 JMStV vorhanden waren. Der Kläger hat nach den unbestrittenen Annahmen der Beklagten keinen Jugendschutzbeauftragten bestellt. Auch hat er sich, soweit bekannt, keiner Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle angeschlossen und diese zur Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten verpflichtet, § 7 Abs. 2 JMStV.
120Vgl. allgemein zu diesen Anforderungen Spindler/Schuster, a. a. O., § 7 JMStV Rn. 3 ff.; Hahn/Vesting, a. a. O., § 7 JMStV Rn. 7 ff.
121Gleichwohl ist die Beanstandung des fehlenden Jugendschutzbeauftragten rechtswidrig.
122Dies ergibt sich nicht bereits ohne weiteres aus der Aufhebung der ebenfalls in Ziff. 1 des Bescheides vom 16. August 2010 enthaltenen Beanstandung eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV. Denn die Aufhebung jener Beanstandung ergibt sich aus einem Verstoß gegen das Begründungserfordernis gemäß § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV bzw. das Übermaßverbot. § 7 Abs. 1 JMStV ist aber nicht zu entnehmen, dass die Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten voraussetzt, dass wirksam durch Maßnahmen der Medienaufsichtfestgestellt ist, dass ein Angebot jugendgefährdende Inhalte umfasst. Es ist nur erforderlich, dass solche Inhalte tatsächlich vorhanden sind. Daran besteht nach dem Beschluss der KJM und der Überzeugung des Senats kein Zweifel. Die Feststellung eines unverhältnismäßigen Eingriffs durch die Beanstandung pornografischer Inhalte, obwohl sich diese nur in einem gewissen Teil des Angebots des Klägers finden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 JMStV. Hierfür reicht aus, dass jugendgefährdende Inhalte vorhanden sind, unabhängig davon, ob diese in allen Teilen des Angebots belegbar sind.
123Die Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 JMStV ist rechtswidrig, da sie gegen das Übermaßverbot verstößt.
124In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist einem Telemedien-Anbieter regelmäßig durch informellen Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes die Gelegenheit zu einer Veränderung des Angebots vor Einleitung eines medienaufsichtlichen Verfahrens zu geben, soweit nicht im Einzelfall der gravierende Charakter des Verstoßes oder andere Umstände dies als entbehrlich erscheinen lassen. Soweit ersichtlich entspricht es auch ständiger Übung der Beklagten, so vorzugehen. Zwar ist die Beanstandung gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV die mildeste Maßnahme unter den förmlichen Maßnahmen der Medienaufsicht nach diesen Vorschriften. Dieser vorgelagert besteht jedoch die Möglichkeit von informellen Hinweisen, die vielfach ausreichend sind und damit das mildeste Mittel darstellen. Diese sind gegenüber Anbietern von Telemedien auf der Grundlage von § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV auch zulässig.
125Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 98; Liesching/Schuster, a. a. O., § 20 JMStV Rn. 7.
126Schon durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag selbst ist der in § 18 Abs. 4 JMStV geregelte Hinweis auf den Verstoß gegenüber dem Anbieter durch die Stelle jugendschutz.net vorgesehen.
127An einem informellen Hinweis gegenüber dem Kläger auf das Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten gemäß § 7 JMStV fehlt es. Hier hätte es nahe gelegen, dem Kläger wegen des vergleichsweise geringfügigen Verstoßes gegen den Jugendmedienschutz, den die Beklagte im gesamten Verfahren eher als geringgewichteten Annex des Vorwurfs pornografischer Inhalte und des Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV behandelt hat, zunächst mit einem informellen Hinweis zu begegnen. Das Schreiben der Beklagten vom 13. Oktober 2009, welches die Beklagte und die KJM als informellen Hinweis gegenüber dem Kläger behandelt haben, kann diesen Zweck aus zwei Gründen nicht erfüllen: Zunächst ist dort die Domain www.europornshop.de nicht genannt, sondern – vermutlich versehentlich – nur die Domains www.elite-domina.de und www.thumbworld.de. Weiterhin geht dieses Schreiben überhaupt nicht auf das Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten gemäß § 7 JMStV ein. Es bezieht sich vielmehr auf die Probleme von Parkseiten und dort auffindbaren Verlinkungen zu unzureichend geschützten pornografischen Angeboten sowie den Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV. Das Schreiben von jugendschutz.net vom 29. Januar 2009 ging zwar auf seiner zweiten Seite im letzten Absatz auf § 7 Abs. 1 JMStV ein (Beiakte 1, Bl. 4), jedoch ging dieses Schreiben an den mit dem Kläger und der von ihm geführten Domainvermarkter Ltd. & Co. KG in keinem Zusammenhang stehenden Herrn Xavier Buck.
128Es sind keine Besonderheiten des Sachverhalts ersichtlich, die eine informelle Kontaktaufnahme mit dem Kläger als Anbieter entbehrlich erscheinen lassen. Nach dem Akteninhalt spricht vielmehr alles dafür, dass der Kläger die streitige Domain auf Hinweis der Medienaufsicht den Rechtsvorschriften angepasst oder aus dem Verkehr gezogen hätte. Nach einem Hinweis der Bezirksregierung Düsseldorf vom 30. April 2010 auf das fehlende Impressum in der streitigen Domain mit einer Fristsetzung bis zum 28. Mai 2010 veranlasste der Kläger anscheinend prompt deren Löschung zum 26. Mai 2010.
129Wegen der erfolgten Löschung der Domain www.europornshop.de führt auch der Hinweis der Beklagten auf das an den Kläger gerichtete Anhörungsschreiben vom 21. Juni 2010, welches das Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten ansprach, nicht weiter. Ein informeller Hinweis hätte ergehen müssen, als die Domain noch auf den Kläger registriert war und der Verstoß gegen den Jugendmedienschutz andauerte, weil ansonsten der Anbieter auf diesen nicht mehr reagieren kann.
130Die KJM und auch die Beklagte gingen in der Ermessensausübung in Bezug auf die Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 JMStV im Grundsatz von den gleichen Erwägungen aus, wie zu dem Verstoß des Klägers gegen § 4 Abs. 2 JMStV. Deshalb hat die KJM und die Beklagte insofern der Entscheidung zu Grunde gelegt, dass der Kläger zuvor mit einem Schreiben, eventuell sogar mehreren Schreiben, informell kontaktiert und auf den Verstoß hingewiesen worden sei, Änderungen des Angebots von Seiten des Klägers jedoch nicht erfolgt seien. Aufgrund der daraus abgeleiteten Uneinsichtigkeit bzw. Veränderungsresistenz erging die Beanstandung. Dies basierte jedoch auf tatsächlich unzutreffender Grundlage und stellt deshalb einen Ermessensfehler dar, da nicht auszuschließen ist, dass die Ermessensausübung bei Berücksichtigung des zutreffenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre.
131B. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht in Bezug auf Ziff. 2 und 3 des angegriffenen Bescheides der Beklagten stattgegeben. Ziff. 2 und 3 des Bescheides sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das ergibt sich schon daraus, dass Ziff. 1 des angegriffenen Bescheides aufgehoben wird (siehe oben A.). Ohne wirksame medienaufsichtliche Maßnahme gegenüber dem Kläger fehlt es auch an den Voraussetzungen einer Kostenentscheidung sowie einer Gebührenfestsetzung zulasten des Klägers auf der Grundlage der von der Beklagten hierfür ins Feld geführten (oder einer sonstigen) Ermächtigungsgrundlage (§ 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung bzw. § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung).
132C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
133Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Juni 2015 - 13 A 1072/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3)
- 1.
einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht, - 2.
an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich macht, - 3.
im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der Kunde nicht zu betreten pflegt, im Versandhandel oder in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln einem anderen anbietet oder überläßt, - 3a.
im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewährung des Gebrauchs, ausgenommen in Ladengeschäften, die Personen unter achtzehn Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, einem anderen anbietet oder überläßt, - 4.
im Wege des Versandhandels einzuführen unternimmt, - 5.
öffentlich an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, oder durch Verbreiten von Schriften außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel anbietet oder bewirbt, - 6.
an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein, - 7.
in einer öffentlichen Filmvorführung gegen ein Entgelt zeigt, das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt wird, - 8.
herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um diesen im Sinne der Nummern 1 bis 7 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder - 9.
auszuführen unternimmt, um diesen im Ausland unter Verstoß gegen die dort geltenden Strafvorschriften zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder eine solche Verwendung zu ermöglichen,
(2) Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen seine Erziehungspflicht gröblich verletzt. Absatz 1 Nr. 3a gilt nicht, wenn die Handlung im Geschäftsverkehr mit gewerblichen Entleihern erfolgt.
(3) bis (7) (weggefallen)
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) wird zu Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine Beanstandungs- und Untersagungsverfügung der Beklagten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wegen des von ihm unter der Domain www.media-bloed.de verbreiteten satirischen Angebots. Diese erging im Zusammenhang mit seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und den dabei (jedenfalls im Jahr 2010) gezeigten – mittlerweile nicht mehr aufrufbaren – Bildern. Es handelte sich dabei um fünf in Farbe gezeigte Bilder, die jeweils mit der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ versehen waren, linksseitig den Text „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ und unten den Zusatz „Deutsche Soldaten, die schöneren Leichen!“ aufführten. Das erste Bild zeigte ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen. Darunter befand sich der Text:
3„Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan, mit dem Motto: Deutsche Soldaten - die schöneren Leichen!
4Lange genug haben die anderen Nato Staaten deutsche Kampfeinsätze verschmäht, und warum eigentlich? Ist das Blut deutscher Soldaten etwa nicht gut genug? Mit dieser schäbigen Diskriminierung deutschen Kanonenfutters muß jetzt endlich Schluß sein, fordern nicht nur deutsche Generäle und Politiker, nein, sozusagen in Tateinheit mit den gleichgeschalteten Medien fordert es auch der Souverän, das deutsche Volk, und Luft und Äther füllen sich mit dem Schrei aus Millionen Kehlen: ‚Bundeswehr Blut stinkt nicht!‘
5Und laßt euch bloß nicht von den Weicheiern und Warmduschern verarschen, die darüber klagen, daß deutsche Soldaten sterben werden! Der deutsche Soldat stirbt gern, dafür wurde er schließlich ausgebildet und bezahlt, und das freiwillig, von niemandem gezwungen außer seiner vorbildlichen Aufopferungsbereitschaft für das deutsche Volk einerseits und jeden noch so fragwürdigen Beschluß der Nato andererseits.
6Denn das ist die wahre Tugend des deutschen Soldaten und auch die eines jeden treuen Untertanen der hochdeutschen Verwaltung: Er fragt nicht nach dem Sinn von Verordnungen, sondern befolgt sie und stirbt, wenn es befohlen ist.“
7Nachfolgend wurden vier Bilder ohne weiteren Text gezeigt: Menschliche Beine vor dem Hintergrund einer Plastikplane; das eine Bein war zerfetzt; es fehlten Fleischteile des Oberschenkels, so dass ein Knochen zu sehen war; der Fuß war vom Bein getrennt und unten im Bild gezeigt. Ein Bild zeigte einen Torso; der Kopf war vom Körper getrennt; die Arme waren nicht zu sehen. Ein weiteres Bild zeigte eine mumifizierte Leiche, auf dem Rücken liegend; der Unterkörper war nicht zu sehen. Das letzte Bild zeigte den Kopf und Teile des Oberkörpers einer Brandleiche. Alle Bilder ließen sich durch einen Klick vergrößern (von ca. 8 x 12 cm auf ca. 14 x 20 cm).
8Unter dem 21. Januar 2010 wandte sich jugendschutz.net wegen dieser dort als „tasteless-Bilder“ eingestuften Darstellungen per E-mail an den Kläger und bat unter Hinweis darauf, dass die Organisation einige Bilder unter Jugendschutzgesichtspunkten für besonders bedenklich halte, um Prüfung, ob es weiterhin für erforderlich gehalten werde, diese drastischen Darstellungen zu präsentieren. Der Kläger äußerte sich ablehnend. Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) legte daraufhin die Stellungnahme von jugendschutz.net und eine Bildschirmkamera-Aufzeichnung (Software Camtasia) der am 1. März 2010 durchgeführten Sichtung des Angebots www.media-bloed.de der Beklagten und wies auf die Prüfung in einer der nächsten Präsenzprüfungen der KJM hin. Zum Zeitpunkt der Sichtung war auf der Domain des Klägers Werbung („Google-Anzeigen“) geschaltet.
9Eine Prüfgruppe der KJM für Telemedien bejahte in einer Präsenzprüfung am 21. April 2010 nach Live-Sichtung mit einem Abstimmungsergebnis von 3:2 einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV (entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte) sowie mit einem Abstimmungsergebnis von 5:0 einen Verstoß gegen § 7 JMStV (fehlender Jugendschutzbeauftragter).
10Hiervon setzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2010 in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte eine Stellungnahme bis spätestens zum 30. September 2010 an, die ausblieb. Parallel wurde von der Beklagten ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Kläger eingeleitet, in dem der Kläger Anfang Dezember 2010 eine Stellungnahme abgab.
11Nach weiterer Sichtung des Angebots am 1. Oktober 2010 – auch zu diesem Zeitpunkt war auf www.media-bloed.de Werbung geschaltet – hatte die Beklagte der KJM unter dem 22. Oktober 2010 ihre Beschlussempfehlung vom 13. September 2010 übersandt, das Internetangebot medienrechtlich zu beanstanden und den Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zukünftig zu untersagen. Eine erneute Sichtung am 16. November 2010 hatte ergeben, dass die Seite offline gestellt war.
12In der Sitzung vom 15. Dezember 2010 entschied die KJM im Plenum – im Wesentlichen der Beschlussvorlage folgend – einstimmig, es lägen Verstöße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV, vor und stellte ferner fest, dass gegenüber dem Anbieter gemäß § 20 Abs. 1 und 4 JMStV sowie § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV eine Beanstandung auszusprechen sei und der Verstoß zukünftig untersagt werde.
13Bei einer weiteren Sichtung des Angebots durch die Beklagte am 28. Dezember 2010 war die Internetseite mit den oben genannten Bildern wieder aufrufbar; Werbung fand sich jedoch nicht mehr.
14Mit Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) entschied die Beklagte, (Ziff. 1.) das von dem Kläger verbreitete Angebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV und § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV. Dies werde medienrechtlich beanstandet (§ 20 Abs. 1 und 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV). Dem Kläger wurde untersagt, das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten. Ferner (Ziff. 2.) entschied die Beklagte, dass der Kläger in Zukunft seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 JMStV erfülle, wenn er dafür Sorge trage, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren die problematischen Inhalte üblicherweise nicht wahrnähmen. Dies könne gemäß § 5 Abs. 3 und 4 JMStV durch die Begrenzung der Sendezeit oder die Vorschaltung eines technischen oder sonstigen Schutzes geschehen. Darüber hinaus bleibe dem Kläger auch die Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen. Weiter (Ziff. 3.) wurde dem Kläger aufgegeben, für sein Angebot einen Jugendschutzbeauftragten im Sinne von § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu bestellen. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) habe der Kläger zu tragen (Ziff. 4.). Für den Bescheid erhob die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 1.000,00 Euro. In der Begründung beschrieb die Beklagte u.a. vier der unter der Überschrift „Bundeswehr Blut stinkt nicht“ gezeigten Bilder nebst den zu diesen Bildern führenden Pfaden, legte die Einschätzung zur Entwicklungsbeeinträchtigung dar und führte weiter aus: Angebote der Satire und der Parodie unterfielen dem Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG finde dieses Recht seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Die notwendige Güterabwägung zwischen der Forderung nach umfassendem Grundrechtsschutz und dem verfassungsrechtlich herausgehobenen Interesse an einem effektiven Jugendschutz falle vorliegend zu Lasten der Meinungsfreiheit und somit zu Lasten des Angebots des Klägers aus. Zu beachten sei dabei gewesen, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan an sich nicht beanstandet werde. Die Beanstandung richte sich ausschließlich gegen die beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig seien, um die satirische Aussage zu verdeutlichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Darstellungen in der vergrößerten Ansicht in keinem Kontext zu den kritischen und satirischen Aussagen stünden. Soweit das Angebot unter den Schutz der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG falle, finde es seine Schranken in kollidierendem Verfassungsrecht. Der Jugendschutz sei ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Die Abwägung zwischen den kollidierenden Verfassungsgütern falle ebenfalls zu Lasten der Kunstfreiheit aus. Insbesondere sei die Beanstandung der beschriebenen Darstellung verhältnismäßig. Wie bereits erwähnt, seien die Menge der Bilder sowie die Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig, um die satirische Aussage zu verdeutlichen. Die Gebührenfestsetzung beruhe auf der gesetzlichen Grundlage des § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag i. V. m. der entsprechenden Kostensatzung.
15In dem auf dem gleichen Sachverhalt gründenden Ordnungswidrigkeitenverfahren erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers und Entscheidung der KJM im Februar 2011 einen Bußgeldbescheid, in dem sie ein Bußgeld von 3500,00 Euro wegen des Verstoßes gegen § 5 JMStV und von 350,00 Euro für den Verstoß gegen § 7 JMStV gegen den Kläger verhängte. Dieses Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nach dem Einspruch des Klägers beim Amtsgericht Düsseldorf wegen Verfolgungsverjährung mittlerweile eingestellt worden.
16Der Kläger hat am 29. Januar 2011 gegen den Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Das Angebot sei nicht geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Zunächst komme weder der KJM noch der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu, inwieweit ein Angebot im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV geeignet sei, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Dies sei vielmehr von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen. Es liege auf der Hand, dass gerade bei politischen Abbildungen und Texten das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in besonderer Weise zu berücksichtigen sei. Hinzu komme, dass das Grundgesetz in mehrfacher Hinsicht eine Friedenspflicht enthalte. Dem habe der Gesetzgeber u.a. durch das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Rechnung getragen. Bei seiner Veröffentlichung gehe es gerade nicht um die Verherrlichung des Krieges, sondern um die Warnung vor einem solchen. Dabei bediene er sich sowohl einer satirischen Textsprache als auch einer Bebilderung. Sein Werk sei damit sowohl von der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als auch durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Ein Eingriff in diese Rechte bedürfe einer umfassenden Abwägung, die sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen lasse. Umgekehrt stelle es sich als jugendgefährdend dar, wenn der Krieg verharmlost werde und in der Öffentlichkeit durch Hochglanzbilder von Soldaten bei Kindern und Jugendlichen ein unzutreffendes Bild vom Krieg vermittelt werde. Gerade Jugendliche würden durch eine derartige Werbung der Bundeswehr angesprochen, da in dieser Gruppe der Nachwuchs rekrutiert werden solle. Erinnert werde in diesem Zusammenhang auch an das Buch „Krieg dem Kriege“ des Pazifisten und Anarchisten Ernst Friedrich. Dieses Buch prangere auf ähnliche Weise wie er den Krieg mit Bildern des Krieges und Untertiteln an. Das Buch sei ohne weiteres im Buchhandel erhältlich und auch Jugendlichen zugänglich. Soweit Anstoß genommen werde an Bildern verbrannter Leichen – die übrigen Bilder seien unschwer als unrealistische Nachbildung erkennbar –, empfehle sich ein Blick in die Schulbücher. Im Hinblick auf den Vulkanausbruch bei Pompeji würden vielfach Bilder auch in Schulbüchern verbreitet, die Opfer des Vulkanausbruchs zeigten und seinen Bildern zum Verwechseln ähnlich seien.
17In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger u.a. erklärt, er habe die Bilder im Hinblick auf das Ordnungswidrigkeitsverfahren mittlerweile entfernt. Die früher auf seiner Website über Google geschaltete Werbung habe Google nach Beschwerden über seine Seite entfernt. Ziff. 3. des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte daraufhin aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
18Der Kläger hat beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) in der Fassung der Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2012 aufzuheben.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2012 die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in den Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides aufgehoben und im Übrigen (Ziff. 1 und 2) die Klage abgewiesen. Die in Ziff. 1 des Bescheides erfolgte Beanstandung des Internet-Angebotes des Klägers im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV und die Untersagung, das Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten, seien wie die Vorgabe in Ziff. 2 rechtmäßig. Insbesondere sei die Regelung in Ziff. 1 ausreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, da sich unpräzise Formulierungen im Verfügungssatz („in dieser Fassung“) unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Begründung, die Beanstandung beziehe sich allein auf die im Einzelnen beschriebenen Bilder, in klarer Weise auslegen ließen. Das Verwaltungsgericht hat die inhaltliche Einschätzung der KJM zur Eignung des Angebots des Klägers zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, welches es als sachverständige Äußerung ohne Beurteilungsspielraum einordnet, geteilt, weil insbesondere die Gefahr bestehe, dass diese Gruppe von Minderjährigen nicht in der Lage sei, die Bilder als Satire zu erkennen. Der Verweis auf das in Bibliotheken und im Buchhandel frei erhältliche Buch „Krieg dem Kriege“ greife nicht zu Gunsten des Klägers durch, da – ungeachtet der Frage der Vergleichbarkeit der Bilder – der Zugriff durch das Internet deutlich höhere Risiken der Wahrnehmung durch Minderjährige begründe. Die Bezugnahme auf in Schulbüchern vorhandene Abbildungen zur Vulkankatastrophe in Pompeji sei nicht vergleichbar, weil es dort um gefertigte Nachbildungen der Opfer gehe und so der unmittelbare Realitätsbezug fehle. Maßgeblich sei für die Bewertung der Bilder der Eindruck des kindlichen oder jugendlichen Betrachters, weshalb das Vorbringen des Klägers, es handele sich um unschwer erkennbare unrealistische Nachbildungen, unerheblich sei; ein solcher Betrachter werde die Bilder für echt halten. Das Nachrichtenprivileg des § 5 Abs. 6 JMStV lasse den Verstoß nicht entfallen, denn ein rechtliches Interesse gerade an der gewählten Form der Darstellung mit der beanstandeten Menge von unkommentiert aneinandergereihten Bildern und der Möglichkeit der Vergrößerung bestehe nicht. Die Eingriffe in die Grundrechte des Klägers (Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, sowie Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG) seien durch die Berücksichtigung des Verfassungsgutes Jugendschutz gerechtfertigt, wobei die Regelungen in § 5 Abs. 3 bis Abs. 5 JMStV für den verhältnismäßigen Ausgleich der Verfassungsgüter sorgten; hierdurch bleibe die Ausübung von Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit möglich, unter gleichzeitiger Wahrung des Jugendschutzes. Die so erfolgte Einschränkung dieser Grundrechte sei verhältnismäßig und auch ansonsten ermessensfehlerfrei. Die Feststellung eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7 JMStV sei zulässig, da der Kläger in der Vergangenheit durch Schaltung von Anzeigen auf der Domain Einkünfte erzielt und damit geschäftsmäßig gehandelt habe. Selbst wenn dies jetzt nicht mehr der Fall sei, sei eine Beanstandung möglich.
23Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung in Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides seien rechtswidrig. § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) i. V. m. der Kostensatzung sei ebenso wenig anwendbar wie § 116 Abs. 2 Landesmediengesetz (LMG) NRW i. V. m. der entsprechenden Gebührensatzung.
24Der Kläger und die Beklagte haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
25Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die im angegriffenen Bescheid getroffenen Regelungen in Ziff. 1 und 2 seien schon nicht hinreichend bestimmt, da die Beanstandung sich auf „das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de“ und die Untersagung auf „das genannte Angebot in dieser Fassung“ sowie Ziff. 2 auf „die problematischen Inhalte“ beziehe. Es sei auch nicht durch Berücksichtigung der Begründung ein bestimmter Inhalt feststellbar, da die beschriebenen Bilder nur als Beispiele angeführt würden und zudem auch durch weitere Passagen der Begründung keine Klarheit geschaffen werde. Es bleibe unklar, ob nur Darstellungen in Bildform oder auch solche mit Text beanstandet würden, sowie ob es ausreiche, die Möglichkeit der Vergrößerung nicht mehr vorzusehen. Damit bleibe unklar, was ihm eigentlich habe verboten werden sollen.
26Weiter stehe der KJM weder ein Beurteilungsspielraum zu noch habe deren Feststellung den Charakter einer sachverständigen Äußerung; dies ergebe sich schon aus den Abstimmungsergebnissen in der Prüfgruppe, die in Bezug auf § 5 JMStV einen Verstoß nur mit 3:2 Stimmen festgestellt habe. Weiter bestehe keine Gefahr der Entwicklungsbeeinträchtigung, da Kinder und Jugendliche die Satire auf der Seite des Klägers eindeutig erkennen könnten. Zudem rechtfertige § 5 Abs. 6 JMStV die Art der konkreten Darstellungen, da gerade diese zur Erreichung der Zwecke des Klägers wichtig seien, um die beabsichtigte abschreckende Wirkung in Bezug auf die Gefahren und Folgen von Kriegen zu erzielen. Ähnlich wie der Pazifist Ernst Friedrich mit dem Buch „Krieg dem Kriege“ habe auch Bertolt Brecht in der von ihm veröffentlichten „Kriegsfibel“ seine Gedichte gegen den Krieg mit Bildern von Kriegsfolgen und Kriegsopfern verknüpft. In vergleichbarer Weise stelle sich das beanstandete Angebot des Klägers dar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Verkennung der Reichweite der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 1 und 5 Abs. 3 GG.
27Der Kläger beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen
29sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
30Die Beklagte beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
32sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
33Zur Berufung des Klägers führt sie im Wesentlichen aus: Der angegriffene Bescheid sei hinreichend bestimmt, da für den Kläger unter Berücksichtigung des Inhalts des Bescheides und der Nennung der einzelnen Bilder habe klar sein müssen, was beanstandet werde. Der Aufbau des Bescheides und die Technik der Tenorierung sei bisher von nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten in Bezug auf die Bestimmtheit nicht in Zweifel gezogen worden. Die Feststellung einer Entwicklungsbeeinträchtigung sei vom Gericht nicht mehr zu überprüfen, da der KJM hinsichtlich der Jugendgefährdung ein Beurteilungsspielraum zustehe. Auch ohne einen solchen sei es jedoch eine sachverständige Äußerung, die durch das Vorbringen des Klägers nicht erschüttert sei. Weiter könne die als Ausnahmevorschrift eng auszulegende Regelung in § 5 Abs. 6 JMStV dem Kläger nicht weiterhelfen, da – abgesehen von der zweifelhaften Einordnung als „vergleichbares Angebot“ im Sinne der Vorschrift – kein berechtigtes Interesse gerade an der gewählten Art der Darstellung feststellbar sei. Eine Beschränkung der Untersagung auf die Möglichkeit der Vergrößerung der Bilder sei nicht ausreichend, da diese alleine den Verstoß nicht begründe, sondern verstärke.
34Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die vom Verwaltungsgericht aufgehobene Kostenentscheidung sowie die Gebührenfestsetzung gegen den Kläger lasse sich auf § 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung (Gebührenverzeichnis Ziff. IV.8.) stützen. Die systematische Stellung von § 35 Abs. 11 RStV im III. Abschnitt des Rundfunkstaatsvertrages stehe dem im Ergebnis nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie der gesetzgeberischen Absicht, welche hinter der Vorschrift stünde. In der Vergangenheit seien Gebühren für Maßnahmen der Landesmedienanstalten in Zusammenarbeit mit der KJM nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gegenüber Anbietern von Telemedien auf der Grundlage von § 14 Abs. 9 JMStV i. V. m. der früheren KJM-Kostensatzung erfolgt. Durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei § 14 Abs. 9 JMStV jedoch gestrichen worden und § 35 RStV habe seine heutige Gestalt erhalten. Nach der Begründung hierzu aus dem zum Erlass des Änderungsstaatsvertrages führenden Verfahren sollten „die bisherigen Bestimmungen über die Kommission für Jugendmedienschutz in § 14 Abs. 8 bis 10, die die Finanzierung und Personalausstattung sowie den Sitz der KJM betrafen, (…) nunmehr in § 35 des Rundfunkstaatsvertrags enthalten“ sein. Diese Einschätzung werde auch durch die Formulierungen in der RStV-Kostensatzung bestätigt, die z.B. in Ziff. IV.8. des Gebührenverzeichnisses so allgemein gehalten seien, dass sie auch Maßnahmen gegenüber Anbietern von Telemedien umfassen könnten. Unabhängig hiervon könne die Gebührenerhebung auch auf § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung gestützt werden, da Ziff. 11 des Kostenverzeichnisses zu dieser Gebührensatzung mit dort genannten „Maßnahmen gegenüber Anbietern von lokalen, regionalen oder landesweiten Angeboten aufgrund des JMStV“ die Erfassung von bundesweiten Angeboten nicht ausschließe. Selbst wenn man dies anders sehe, sei eine Gebührenfestsetzung aufgrund des Auffangtatbestandes in § 2 Abs. 2 der LfM-Gebührensatzung nicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW zu dem Auffangtatbestand in der Tarifstelle 30.5 AGT ausgeschlossen, da die Fallkonstellationen nicht vergleichbar seien. Für den Kläger sei es nicht überraschend gewesen, dass er aufgrund des streitgegenständlichen, ihn belastenden Bescheides auch einer Gebührenerhebung ausgesetzt werde.
35Der Kläger verteidigt mit ins Einzelne gehenden Ausführungen zu Wortlaut, Systematik, Gesetzgebungsgeschichte und Absicht des Gesetzgebers die angegriffene Entscheidung zu Ziff. 4 und 5 des Bescheides der Beklagten.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Akte des Amtsgerichts Düsseldorf 302 OWi 204/11 zum Ordnungswidrigkeitenverfahren Bezug genommen. Im Verwaltungsvorgang befinden sich Datenträger, die Bildschirmkamera-Aufzeichnungen zu den bei jugendschutz.net, durch die Prüfgruppe der KJM sowie bei der Beklagten erfolgten Sichtungen der Domain www.media-bloed.de vom 1. März 2010, 21. April 2010, 1. Oktober 2010 und 28. Dezember 2010 enthalten.
37Entscheidungsgründe:
38Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet (A.). Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet (B.)
39A. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in Bezug auf Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Diese Regelungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40I. Als Rechtsgrundlage der in Ziff. 1 des angegriffenen Bescheides enthaltenen Feststellung und Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen § 5 und § 7 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV), der hieran anknüpfenden Untersagung der künftigen Verbreitung des Internet-Angebots und der in Ziff. 2 getroffenen Maßnahme kommt allein § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in Betracht. Auf diese Grundlage hat die Beklagte die Maßnahmen im Bescheid auch gestützt.
41Gemäß § 20 Abs. 1 JMStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 Telemediengesetz (TMG).
42Nach § 59 Abs. 3 RStV gilt: Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen fest, trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann nach Satz 2 insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.
43II. Die hier mit Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides getroffenen Maßnahmen können dem Grunde nach auf diese Vorschriften gestützt werden. Neben der in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV ausdrücklich geregelten Untersagung von Angeboten gilt dies auch für die Feststellung und Beanstandung eines Verstoßes, was als einheitliche Maßnahme einer Beanstandung zu verstehen ist.
44Die Beanstandung ist – auch wenn sie anders als die Untersagung oder Sperrung von Angeboten weder in § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV noch in § 59 Abs. 2 bis Abs. 4 RStV ausdrücklich erwähnt ist – im Grundsatz eine nach diesen Vorschriften zulässige und in der Praxis der Medienaufsicht gängige Maßnahme gegenüber Angeboten im Bereich der Telemedien bei Verstößen gegen Vorschriften des Jugendmedienschutzes oder des Rundfunkstaatsvertrages. Auch wenn sie in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV nicht genannt ist, ist die dortige Aufzählung schon nach dem Wortlaut („insbesondere“) nicht abschließend. Es handelt sich bei der Beanstandung um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Eingriffscharakter, durch den ein Rechtsverstoß förmlich festgestellt und missbilligt wird.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 1.14 –, NVwZ 2014, 1594 ff. = juris Rn. 20; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl., 2011, § 20 JMStV Rn. 4, 33; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., 2015, § 20 JMStV Rn. 22; ohne dies zu problematisieren: OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 – OVG 11 B 10.12 –, juris Rn. 61 f.; Bay. VGH, Urteile vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, DVBl. 2014, 108 ff. = juris, und – 7 B 13.196 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013 – 9 K 1879/12 –, juris Rn. 24, 45; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 14 K 4086/07 –, juris Rn. 30.
46Eine Beanstandung kann – auch ohne die damit häufig verbundene Untersagung unzulässiger Angebote oder Inhalte – insbesondere im Bereich sich schnell oder häufig verändernder Angebote bzw. nur für kurze Zeit vorhandener und deshalb im Zeitpunkt der Beschlussfassung der KJM bzw. des Erlasses einer Maßnahme durch eine Landesmedienanstalt (LMA) bereits nicht mehr gegebener bzw. beendeter Verstöße (wie sie im Bereich der Telemedien nicht selten sind) sinnvoll sein. Sie ist auch bei in der Vergangenheit liegenden Verstößen – wie hier – möglich, jeweils unter der Voraussetzung, dass ihr Zweck noch erreicht werden kann.
47VG Hamburg, Urteil vom 21. August 2013, a. a. O., Rn. 27, 45; VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, MMR 2013, 134 ff. = juris Rn. 41 f.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 23. April 2007 – 6 K 1243/06.NW –, MMR 2007, 678 f. = juris Rn. 22.
48Ziff. 1 und Ziff. 2. des Bescheides vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) sind hingegen formell (1.) und materiell rechtswidrig (2.).
491. Ziff. 1 und Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides sind formell rechtswidrig, weil es an der den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechenden Begründung der zu Grunde liegenden Entscheidung der KJM fehlt.
50Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV sind die Beschlüsse der KJM zu begründen. In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen (Sätze 5 und 6).
51a. Bei der Auslegung dieser Vorschriften und zur Ermittlung der Anforderungen an das Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist das nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spezifisch ausgestaltete Verhältnis der Landesmedienanstalten und der KJM in den Blick zu nehmen. Danach ist bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit von Telemedien-Angeboten mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und die bei Verstößen zu treffenden Maßnahmen allein der KJM – als Organ der Landesmedienanstalt – zugewiesen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 4 JMStV). Die zuständige Landesmedienanstalt organisiert für die inhaltliche Entscheidung der KJM das Verfahren, ermittelt den Sachverhalt und setzt die Entscheidung der KJM, an die sie inhaltlich und nach der Begründung gebunden ist, nach außen gegenüber dem Anbieter um (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
52Zudem sind die hinter dem Erfordernis der Begründung der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV stehenden Zwecke zu berücksichtigen. Das Begründungserfordernis dient zum einen objektiven Zwecken: Es soll die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Weiter dient die Begründung der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, weil diese an die Beschlüsse der KJM gebunden sind und sie einschließlich der Begründung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen haben. Zugleich dient die Begründung aber auch den Rechten der Anbieter von Telemedien. Das Begründungserfordernis für die KJM wurde ausdrücklich mit Blick auf die (Grund-) Rechte der Betroffenen, die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgenommen. Der Betroffene bedarf der Begründung, da er ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, ein gerichtliches Verfahren nicht sinnvoll führen kann. Die Anbieter haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebotes unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet. Fehlt eine solche Begründung, schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt durch.
53Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013– 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 29 ff.
54Unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung wird einhellig für die Begründung des Beschlusses der KJM als ausreichend angesehen, wenn diese der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen.
55Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 83 f.; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014– 7 A 4679/12 –, juris Rn. 56.
56Zudem kann nur dann die Bezugnahme der KJM auf eine Beschlussvorlage der Landesmedienanstalt deren eigene Begründung ersetzen, wenn diese Beschlussvorlage überhaupt eine Begründung für den Beschlussvorschlag enthält und diese Begründung ihrerseits klar und unmissverständlich ist. An letzterem Erfordernis kann es dann fehlen, wenn die Beschlussvorlage wiederum auf andere Vorlagen der Landesmedienanstalt, die Prüfempfehlung der Prüfgruppe der KJM oder sonstige Schriftstücke Bezug nimmt. In diesem Fall besteht nämlich die Gefahr, dass nicht mehr hinreichend eindeutig ist, was die Begründung der Entscheidung der KJM sein soll. Deshalb geht eine verbreitete Auffassung davon aus, dass eine Begründung für einen Beschluss der KJM nicht ausreichend ist, wenn sich diese allein im Wege einer „Kettenverweisung“ ermitteln lässt.
57Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 84; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 – 7 B 12.2358 –, a. a. O., Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012 – 27 A 341.06 –, juris Rn. 32 f. (fehlende Entscheidung in der Beschlussvorlage); differenzierend VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014, a. a. O., juris Rn. 58.
58Unter Berücksichtigung der Zwecke einer Begründung des Beschlusses der KJM ist nach Auffassung des Senats eine Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage im Grundsatz zulässig, wenn dadurch eine klare und unmissverständliche Begründung des Beschlusses zu Stande kommt. Eine Kettenverweisung wird diesen Maßstäben in der Regel nicht gerecht, weil mehrere Schritte erforderlich sind, um die in Bezug genommene „gemeinte Begründung“ zu ermitteln und hierbei die unmissverständliche Klarheit typischerweise fehlt. Die Bezugnahme muss dem Beschluss der KJM (Plenum oder Prüfausschuss) oder dem diesen enthaltenden Protokoll aber durch eindeutige Formulierungen zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reicht nicht aus.
59b. Hiervon ausgehend fehlt es bei dem Beschluss (des Plenums) der KJM vom 15. Dezember 2010 in München über die Domain www.media-bloed.de an einer § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV genügenden Begründung. Dies macht Ziff. 1 und 2 des Bescheides – einschließlich der Beanstandung eines Verstoßes gegen § 7 JMStV – formell rechtswidrig.
60Auf jenen Beschluss – und nicht die „Entscheidung“ der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010 – kam es an, weil das Ergebnis der 28. Präsenzprüfung Telemedien durch eine Prüfgruppe am 21. April 2010 in Hannover nicht die zu begründende Entscheidung „der KJM“ im Sinne von § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV darstellt. Die Prüfgruppen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag überhaupt nicht vorgesehen. Sie haben sich zur Entlastung des Plenums der KJM und der durch den Staatsvertrag in § 14 Abs. 5 JMStV geregelten Prüfausschüsse in der Praxis herausgebildet, sind in § 9 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM) geregelt und werden als Arbeitseinheit ohne Entscheidungsbefugnis anerkannt. Die Ergebnisse der Prüfgruppen, insbesondere deren sog. Prüfempfehlungen, haben rechtlich keine Bedeutung und binden insbesondere nicht die zuständige Landesmedienanstalt. Von den Prüfgruppen formulierte Begründungen für ihre (Vor-)Ergebnisse sind deshalb für sich genommen keine Begründung für Beschlüsse der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV.
61Unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs sowie der zuvor dargestellten rechtlichen Maßstäbe liegt keine Begründung des Beschlusses der KJM vom 15. Dezember 2010 im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV vor. Mit E-Mail vom 23. Dezember 2010 teilte die KJM-Geschäftsstelle der Beklagten den Beschluss der KJM vom 15. Dezember 2010 auf deren Anfrage als Vorab-Information mit. Diese E-Mail enthielt keine Begründung für den Beschluss, sondern den Hinweis, sobald das Protokoll der 30. KJM-Sitzung vorliege, werde es an die Beklagte weitergeleitet. Das Protokoll ging bei der Beklagten mit Übersendungsschreiben des Vorsitzenden der KJM vom 12. Januar 2011 am 14. Januar 2011 ein und befasst sich mit dem Prüffall www.media-bloed.de auf Seite 7. Es enthält zu Tagesordnungspunkt 6 („Prüffälle“) und Ziff. 1 („media-bloed.de“) ebenfalls keine Begründung des Beschlusses der KJM zum Angebot des Klägers. Dort ist dargestellt, dass eine Mitarbeiterin der KJM-Stabsstelle den Sachverhalt zum Prüffall berichtete. Dazu wird in indirekter Rede die Einschätzung der Prüfgruppe wiedergegeben. Im Folgenden wird über das Verfahren im Prüfausschuss berichtet. Dann heißt es: „Nach kurzer Diskussion fassten die KJM-Mitglieder folgenden Beschluss:“ Nachstehend wird eingerückt in vier Absätzen der Beschluss der KJM zu den zu treffenden Maßnahmen wörtlich wiedergegeben. Der Beschluss selbst sowie der diesen einleitende Satz enthält keinen Hinweis und insbesondere keine Bezugnahme oder Verweisung auf irgendein anderes Dokument, insbesondere weder die Beschlussvorlage der Beklagten für den Prüfausschuss vom 13. September 2010 noch die Empfehlung der Prüfgruppe der KJM vom 21. April 2010. Es fehlt insofern an jeglichem Anhalt dafür, dass sich das Plenum der KJM die Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten oder irgendeines anderen Schriftstücks zu eigen machen wollte. Allein ein Beschluss im Sinne einer entsprechenden Vorlage ist nicht ausreichend, um anzunehmen, die KJM habe sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen machen wollen. Hierfür spricht vorliegend schon auch deshalb nichts, weil der Beschluss vom 15. Dezember 2010 die Beschlussempfehlung der Beklagten vom 13. September 2010 nicht 1 : 1 übernimmt. Zum einen enthält der Beschluss nicht den in der Beschlussvorlage zu Ziff. 4 niedergelegten Inhalt, zum anderen gibt es Abweichungen bei den Verwaltungsgebühren. Da nicht ersichtlich ist, dass es sich bei diesen Unterschieden um Versehen handelt, kann schon deshalb nicht unterstellt werden, dass die KJM, ohne dies durch eine ausdrückliche Bezugnahme oder eine Verweisung deutlich zu machen, die Begründung der Beschlussvorlage übernehmen wollte.
62c. Selbst wenn man eine Übernahme der Begründung der Beschlussvorlage der Beklagten durch den hierauf basierenden Beschluss der KJM annehmen wollte, so läge keine § 17 Absatz 1 Sätze 3 und 4 JMStV entsprechende Begründung des Beschlusses der KJM vor. Die Beschlussvorlage der Beklagten vom 13. September 2010 enthielt ihrerseits keine vollständige Begründung für den empfohlenen Beschluss der KJM, sondern verwies inhaltlich insbesondere auf die von jugendschutz.net stammende Vorlage vom 24. März 2010 für die Prüfgruppe (Anlage 2), die Prüfbegründung mit Prüfempfehlung der Prüfgruppe vom 21. April 2010 (Anlage 3) sowie die letzte Camtasia-Aufzeichnung der Beklagten vom 1. Oktober 2010 mit DENIC-Ausdruck (Anlage 9; Übersicht der Anlagen vgl. Beiakte 1, Bl. 83). Dies entspricht nicht den Anforderungen von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV. Bei der vorliegenden „Kettenverweisung“ fehlt es an der erforderlichen klaren und unmissverständlichen Bezugnahme und damit an der Begründungsklarheit. Hinzu kommt, dass hier besonders strenge Anforderungen gelten, weil der Fall Fragen zum Spannungsverhältnis zwischen dem Jugendmedienschutz einerseits und der Reichweite der Grundrechtsausübung durch den Anbieter (Meinungsfreiheit/Kunstfreiheit) aufwarf. Es war deshalb verfassungsrechtlich geboten, zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den verfassungsrechtlichen Schutzgütern im Wege der Abwägung einen verhältnismäßigen Ausgleich herbeizuführen.
63Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist es aber Sache der KJM, die „abschließende Beurteilung von Angeboten“ vorzunehmen, und ihre Beschlüsse sind den Entscheidungen der Landesmedienanstalt zugrundezulegen. Es fehlt ferner deshalb an der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV, weil eine Begründung der KJM zur Frage der Eignung des Angebots zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, zum Erfordernis eines Jugendschutzbeauftragten gemäß § 7 JMStV sowie zur Abwägung mit kollidierenden Grundrechten des Anbieters fehlt. Es ist nicht erkennbar, ob sich das Plenum der KJM in der Sitzung am 15. Dezember 2010 mit den Grundrechten des Klägers in irgendeiner Weise auseinandergesetzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der KJM das Spannungsverhältnis von Jugendmedienschutz und Grundrechten des Klägers bei ihrer Entscheidung vor Augen stand sowie ob und in welcher Weise sie diese Verfassungspositionen gegeneinander abgewogen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht hat. Nach dem System des Jugendmedienschutzes bei Telemedien ist es aber nicht die Aufgabe der Landesmedienanstalt – hier der Beklagten – diese Abwägung vorzunehmen, wie die Beklagte dies im angefochtenen Bescheid getan hat. Die Abwägung ist von dem zur Entscheidung berufenen Organ – bei der Ausübung von Ermessen bzw. schon bei der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen – vorzunehmen und kann nicht durch ein unzuständiges Organ bzw. eine unzuständige Stelle ersetzt oder nachgeholt werden.
64d. Abgesehen davon hätte die Beklagte gegen den Grundgedanken ihrer Bindung an die Beschlüsse der KJM sowie deren Begründung gemäß § 17 Absatz 1 JMStV hier auch dann verstoßen, wenn das Protokoll über die Sitzung der KJM am 15. Dezember 2010 eine Begründung zum Beschluss der KJM enthalten hätte und diese der Begründung der Beklagten im Bescheid im Wesentlichen entsprochen hätte. Denn die Beklagte erließ ihren Bescheid vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) auf der Grundlage der E-Mail der KJM-Geschäftsstelle vom 23. Dezember 2010, in der ihr lediglich ein Beschluss-Inhalt der KJM ohne eine Begründung mitgeteilt worden war. Offensichtlich hat die Beklagte unterstellt, dass die KJM, wie es die E-Mail nahelegte, ihrer Vorlage sowohl nach dem Beschlussinhalt als auch nach dessen Begründung gefolgt war. Ein solches Vorgehen widerspricht grundlegend dem im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehenen Verhältnis von KJM und Landesmedienanstalten.
65e. Eine Heilung des Begründungsmangels nach § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW ist nicht erfolgt, weil die KJM die Begründung im Sinne von § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV nicht nachgeholt bzw. klargestellt hat. Die Begründung des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte oder deren Vorbringen im Gerichtsverfahren können eine Heilung nicht herbeiführen, weil dies nicht die interne Beteiligung der KJM ersetzt.
66Der Begründungsmangel ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Zum einen dürfte es sich bei § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV um eine Regelung handeln, die nach ihrem Sinn und Zweck keine bloß dienende Funktion hat, sondern unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung beachtet werden soll – sog. absoluter Verfahrensfehler –; zum anderen ist bei Fehlern im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen regelmäßig nicht offensichtlich, dass die Verletzung der Vorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Nach der Systematik des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist die abschließende Beurteilung von Angeboten allein der KJM als mit besonderem Sachverstand ausgestattetem Gremium übertragen, so dass nicht nur die Entscheidung, sondern auch die gesetzlich verlangte Begründung hierzu unvertretbar ist; sie fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG NRW.
67Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 46 Rn. 15, 32 f.; ebenso zu §§ 45, 46 VwVfG VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 36.
682. Die vom Kläger mit der Berufung angegriffenen Maßnahmen der Beklagten in Ziff. 1 und 2 des streitigen Bescheides sind – ungeachtet der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Maßnahmen – ferner deshalb rechtswidrig, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW verstoßen.
69Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde und deren Organe aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 ‑ 4 C 41.87 –, BVerwGE 84, 335 ff. = juris Rn. 29, und vom 20. April 2005 – 4 C 18.03 –, BVerwGE 123, 261 ff. = juris Rn. 53; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Juli 2010 – 13 B 676/10 –, juris Rn. 39 ff., vom 26. September 2008 – 13 B 1395/08 –, NJW 2008, 3656 = juris Rn. 16 ff., und vom 26. September 2008 ‑ 13 B 1397/08 –, juris Rn. 16 ff.; Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 Rn. 5 ff., insb. Rn. 12 m. w. N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 37 Rn. 27 ff. m. w. N.; Ruffert, in: Knack, VwVfG, 9. Aufl., 2010, § 37 Rn. 11 ff. und 30 ff. m. w. N.
71Demnach ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt, wenn seine Regelung für eine mit dem jeweiligen Sachbereich nicht vertraute Person nicht ohne weiteres verständlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden den Entscheidungsinhalt auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können.
72Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 – 13 B 958/09 –, NWVBl. 2010, 321 ff. = juris Rn. 33 f., und vom 8. September 2009 – 13 B 894/09 –, MedR 2010, 273 ff. = juris Rn. 19 f.; U. Stelkens, a. a. O., Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005, a. a. O., Rn. 54.
73Bevor eine zur Rechtswidrigkeit – und gegebenenfalls Nichtigkeit nach § 44 VwVfG NRW – führende Unbestimmtheit festgestellt wird, ist der betroffene Verwaltungsakt in seinem Inhalt durch Auslegung zu bestimmen. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung, wie sie der Empfänger verstehen musste (sog. normative Auslegung), abzustellen. Bei vermeintlichen Unklarheiten ist vom Adressaten zu erwarten, den wirklichen Willen der Behörde durch Auslegung des Bescheides zu erkennen, ohne am buchstäblichen Ausdruck zu haften. Auf Mehrdeutigkeit beruhende Unklarheiten über den Inhalt des Verwaltungsakts gehen immer zulasten der Behörde, weshalb ein Verwaltungsakt bei Unklarheiten zu Gunsten des Betroffenen auszulegen ist.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7.11 –, BVerwGE 143, 222 ff. = juris Rn. 18 m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung; Ruffert, in: Knack, a. a. O., § 37 Rn. 14.
75a. Nach diesen Grundsätzen ist die in Ziff. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bescheides geregelte Beanstandung von Verstößen des vom Kläger verbreiteten Internetangebotes www.media-bloed.de gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ebenso wie die in Ziff. 1 Satz 3 ausgesprochene Untersagung nicht hinreichend bestimmt.
76Der die Beanstandung enthaltende Verfügungssatz in Ziff. 1 Sätze 1 und 2 des Bescheides, das vom Kläger verbreitete Internetangebot www.media-bloed.de verstoße gegen § 5 JMStV sowie § 7 JMStV und dies werde medienrechtlich beanstandet, scheint unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit zunächst unproblematisch. Dies lässt sich bei unbefangenem Sprachverständnis so lesen, dass die Beanstandung sich auf das gesamte Internetangebot unter der Domain www.media-bloed.de bezieht. Die Formulierung der Untersagung („das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten“) wirkt auf den ersten Blick ebenfalls allumfassend, wobei die Wendung „in dieser Fassung“ üblicherweise auf eine bestimmte Version eines Inhalts hinweist, der im Zeitverlauf Änderungen unterliegt. Eine solche Beanstandung und Untersagung würden hier jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen, da die medienrechtlichen Maßnahmen gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV gegenüber einem Anbieter von Telemedien auf die Teile des Angebots zu beschränken sind, die tatsächlich gegen Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen, soweit die Beschränkung nicht aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen oder wegen des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar ist.
77Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013, a. a. O., juris Rn. 37 ff. (Beanstandung der Seiten 300 – 600 eines Teletext-Angebotes war unverhältnismäßig, weil davon nur 136 Seiten problematisch waren); nachgehend BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014, a. a. O.
78Da lediglich Teile der Internetseite www.media-bloed.de für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV in Betracht kommen, wären eine Beanstandung oder eine Untersagung, die sich auf die gesamte Domain erstrecken, nicht erforderlich und damit rechtswidrig.
79Bei Auslegung unter Berücksichtigung des sonstigen Bescheidinhaltes, besonders der Begründung, sowie des Empfängerhorizontes des Klägers ist allerdings erkennbar, dass die Beanstandung und Untersagung sich nur auf Teile des Angebots www.media-bloed.de bezogen. Es bleibt für den Kläger aber unklar, wie die in Ziff. 1 und 2 enthaltenen Regelungen zu verstehen sind, was genau beanstandet und untersagt wird und wie er sich künftig zur Vermeidung weiterer Rechtsverstöße zu verhalten hat.
80Die Formulierungen „die problematischen Inhalte“ und „alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“ in Ziff. 2 des Bescheids verdeutlichen, dass die Beklagte nicht sämtliche Bestandteile des Angebots des Klägers als entwicklungsbeeinträchtigend und gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßend ansieht, da ansonsten eine „Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von seinem Angebot zu entfernen“, nicht bestünde. Dieser Eindruck, dass die Beklagte nur bestimmte Teile des Angebots als Verstoß gegen § 5 JMStV ansieht und demzufolge beanstandet, wird durch die detaillierte Beschreibung der vier Bilddarstellungen von erheblich verletzten, verstümmelten, verbrannten oder mumifizierten menschlichen Körpern und Körperteilen mit Pfadbeschreibungen und spezifischen Zieladressen (URL) dieser vier Bilder auf S. 3 und 4 des Bescheides verstärkt. Dies spricht dafür, dass genau diese vier Bilder den von der Beklagten beanstandeten Verstoß gegen § 5 JMStV (und mittelbar auch gegen § 7 JMStV, weil allein aufgrund vorhandener entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten entstehen kann) darstellen sollen. In dieser Richtung will auch die Beklagte ihren Bescheid nach ihrem Berufungsvorbringen verstanden wissen. Hiergegen spricht jedoch – neben der deutlich umfassender zu verstehenden Formulierung im Verfügungssatz von Ziff. 1 Sätze 1 und 2 –, dass die vier Bilddarstellungen von der Beklagten auf S. 3 des Bescheides „als Beispiele“ eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV im Internetangebot des Klägers genannt werden. „Beispiele“ weisen jedoch auf einen über sie hinausgehenden Bezugsrahmen hin. Das spricht dafür, dass die Beklagte im Angebot www.media-bloed.de Verstöße gegen § 5 JMStV nur teilweise sieht, jedoch nicht im auf die vier angeführten Beispiele beschränkten Umfang. Der über diese Beispiele hinausgehende Umfang der Beanstandung (und ebenso der Untersagung bzw. der in Ziff. 2 aufgeführten Verpflichtungen betreffend die „problematischen Inhalte“ oder „entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte“) ist dann aber nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das Vorbringen des Klägers in der ersten Instanz verdeutlicht jedenfalls, dass auch für den Kläger nach seinem konkreten Adressatenhorizont klar war, dass nicht das gesamte Angebot beanstandet oder untersagt wurde, sondern dass es für ihn erkennbar um die Inhalte im Bereich der „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ ging.
81Unklarheiten, was durch den Bescheid gefordert wird, ergeben sich auch daraus, dass der streitige Bescheid in der Begründung vielfältig den Begriff der „Darstellungen“ verwendet, ohne dies eindeutig nur auf bildliche Darstellungen zu beschränken. So führt die Beklagte auf S. 4 des Bescheides nach der Beschreibung der vier Bilder menschlicher Körper und Körperteile aus, das Angebot sei als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen, „da es Darstellungen enthält, die geeignet sind (...)“. Nachfolgend zitiert sie den auf der Startseite der Domain des Klägers lesbaren Begrüßungstext und beschreibt die sich darunter befindlichen zwei „Darstellungen“: Den Schriftzug „Das gibt‘s zum kotzen. Mediablöd. Wir sind doch nicht blind!“ sowie die Bildmontage mit Leichendarstellungen und der Überschrift „Mitmachen! Sofort!“. Nach anschließender Verwendung des Begriffs „Darstellung“ sowohl für Text- als auch für Bildinhalte gibt die Beklagte den langen Text auf der Unterseite zur „Offensive für Kampfeinsätze in Afghanistan“ wieder, der mit „Mach mit bei der Kampagne der Offensive für Kampfeinsätze…“ beginnt. Auch im anschließenden Text auf S. 5 des Bescheides verwendet die Beklagte mehrfach den Begriff „Darstellungen“ ohne Unterscheidung zwischen Bild- und Textinhalten. Hierdurch ist der von der Beklagten für ihre Sichtweise, die Beanstandung richte sich allein gegen die vier beschriebenen Bilder menschlicher Leichen oder Leichenteile, angeführte Text auf S. 6, 2. Absatz, des Bescheides („Die Beanstandung richtet sich ausschließlich gegen die oben beschriebenen Darstellungen...“) nicht so eindeutig, wie die Beklagte meint. „Oben beschrieben“ sind auch verschiedene von der Beklagten zitierte Textdarstellungen. Für das Verständnis der Beklagten wiederum spricht die Fortsetzung des eben teilweise wiedergegebenen Satzes („die oben beschriebenen Darstellungen, welche in ihrer Menge und der Möglichkeit der Vergrößerung nicht notwendig sind“). Die Möglichkeit der Vergrößerung weist auf die von der Beklagten beschriebenen vier Bilder hin, da die im Bescheid dargestellten Textstellen oder sonstigen bildlichen Gestaltungselemente soweit ersichtlich keine Möglichkeit der Vergrößerung aufwiesen.
82Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte habe nur die vier im Einzelnen beschriebenen Bilder menschlicher Körper und Körperteile, besonders mit der Möglichkeit der Vergrößerung, für „problematisch“ gehalten, reicht dies für die hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW nicht aus. Die Beanstandung (sowie die Untersagung usw.) kann ihren Zweck, künftige Rechtsverstöße durch den Anbieter zu verhindern, nur dann erreichen, wenn für diesen hinreichend bestimmt ist, was er darf oder nicht darf.
83Es bleibt nach dem Bescheid aber unklar, ob es ausreicht, die Möglichkeit der Vergrößerung bei den vier Bildern zu entfernen, oder ob zusätzlich eines, zwei oder etwa alle vier Bilder zu entfernen sind, um dem Angebot den entwicklungsbeeinträchtigenden und damit gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßenden Charakter zu nehmen und dabei zugleich die Ausübung der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit des Klägers nach dem Grundgesetz nicht in unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Da nach der Begründung des Bescheides der potentiell verstörende Charakter dieser Bilder zentral auf die Menge und die Möglichkeit der Vergrößerung dieser Bilddarstellungen gestützt wird, bleibt die Frage offen, wie viele Bilder – neben der Entfernung der Vergrößerungs-Option – entfernt werden müssen, damit keine „verstörende Menge“ an Bildern mehr vorliegt. Zugleich erzeugt der Bescheid nach dem Gesamteindruck aus Verfügungssatz und Begründung den Eindruck, als ob alle vier Bilder mit Vergrößerung-Option beanstandet und infolgedessen auch untersagt werden, bzw. für sie die Verpflichtung gemäß Ziff. 2 des Bescheides auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 und 4 JMStV gelten soll. Diese Unklarheit bleibt unauflösbar. Dabei übersehen sowohl der Bescheid wie auch die Begründung des Verwaltungsgerichts den Umstand, dass in dem Teilbereich des Angebots www.media-bloed.de zur „Offensive für Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan“ nicht vier, sondern fünf Bilder von menschlichen Körpern oder Körperteilen vorhanden sind. Noch vor dem mit „Mach mit bei der Kampagne (...)“ eingeleiteten Textblock findet sich das zu der Serie gehörende Bild, welches ausschnittsweise einen mit Hemd und Hose bekleideten menschlichen Körper mit erheblichen Verletzungen am Oberkörper und einem abgerissenen linken Bein mit überwiegend freiliegendem Oberschenkelknochen zeigt. Dessen fehlende Erwähnung im Bescheid führt zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte beanstanden und untersagen wollen, dass die über dieses Bild hinausgehenden vier Bilder nebst Vergrößerungsmöglichkeit gezeigt werden, und damit erlauben wollen, dieses eine Bild (mit oder ohne Vergrößerung) zu zeigen, hätte sie dies verdeutlichen müssen.
84b. Die dargestellte Unbestimmtheit erstreckt sich auch auf Ziff. 2 des Bescheides, soweit diese überhaupt eine eigenständige Regelung darstellt. Denn auch insofern bleibt offen, was der Kläger darf und was nicht bzw. was er tun soll, um zukünftig seine Verpflichtungen nach § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV zu erfüllen. Die Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 1, letzter Halbsatz JMStV, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche (hier: unter 16 Jahren) „die problematischen Inhalte“ üblicherweise nicht wahrnehmen, kann sich jedoch nur auf den Umfang der Untersagung beziehen. Da dieser nach dem Vorstehenden nicht hinreichend bestimmt ist, bleibt auch Ziff. 2 des Bescheides unbestimmt.
85B. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht in Bezug auf Ziff. 4 und 5 des angegriffenen Bescheides der Beklagten stattgegeben. Diese Ziffern sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das ergibt sich schon daraus, dass Ziff. 1 und 2 des angegriffenen Bescheides aufgehoben werden (siehe oben A.) und Ziff. 3 von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben wurde. Ohne wirksame medienaufsichtliche Maßnahme fehlt es auch an den Voraussetzungen einer Kostenentscheidung sowie einer Gebührenfestsetzung zulasten des Klägers auf der Grundlage der von der Beklagten angeführten (oder einer sonstigen) Ermächtigungsgrundlage (§ 35 Abs. 11 RStV i. V. m. der RStV-Kostensatzung bzw. § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. der LfM-Gebührensatzung).
86C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3)
- 1.
einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht, - 2.
an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich macht, - 3.
im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der Kunde nicht zu betreten pflegt, im Versandhandel oder in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln einem anderen anbietet oder überläßt, - 3a.
im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewährung des Gebrauchs, ausgenommen in Ladengeschäften, die Personen unter achtzehn Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, einem anderen anbietet oder überläßt, - 4.
im Wege des Versandhandels einzuführen unternimmt, - 5.
öffentlich an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, oder durch Verbreiten von Schriften außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel anbietet oder bewirbt, - 6.
an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein, - 7.
in einer öffentlichen Filmvorführung gegen ein Entgelt zeigt, das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt wird, - 8.
herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um diesen im Sinne der Nummern 1 bis 7 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder - 9.
auszuführen unternimmt, um diesen im Ausland unter Verstoß gegen die dort geltenden Strafvorschriften zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder eine solche Verwendung zu ermöglichen,
(2) Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen seine Erziehungspflicht gröblich verletzt. Absatz 1 Nr. 3a gilt nicht, wenn die Handlung im Geschäftsverkehr mit gewerblichen Entleihern erfolgt.
(3) bis (7) (weggefallen)
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Altersverifikationssysteme für Erwachsenenangebote im Internet. Sie bieten ihre Systeme insbesondere den Betreibern pornographischer Internetseiten an, die damit den Zugang Minderjähriger zu ihren Angeboten ausschließen wollen.
- 2
- Das System der Beklagten "ueber18.de" verlangt zunächst die Eingabe einer Personalausweis- oder Reisepassnummer. In der Version 1 ist außerdem die Angabe der Postleitzahl des Ausstellungsorts erforderlich, in der Version 2 zusätzlich zu den Angaben der Version 1 ein Name, eine Adresse und eine Kreditkartennummer oder Bankverbindung für die Überweisung eines Betrags von 4,95 €. Bei der Abfrage der Ausweisnummer wird nicht kontrolliert, ob diese tatsächlich an einen Erwachsenen vergeben ist, sondern lediglich, ob sie den allgemeinen Regeln für die Bildung von Personalausweisnummern entspricht. Außerdem wird abgeglichen, ob der angegebene Ausstellungsort demjenigen entspricht, der sich aus der in der Personalausweisnummer enthaltenen Behördenkennzahl ergibt.
- 3
- Die Beklagte stellt auf ihrer Website "ueber18.de" einen Katalog mit Anbietern zur Verfügung, die ihr System einsetzen. Sie gewährt auch den Zugang zu den Internetseiten ihrer Kunden, indem sie diese nach Eingabe der geforderten Angaben jeweils freischaltet oder nicht.
- 4
- Die Klägerin macht geltend, dass das System der Beklagten gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und gegen § 184c StGB verstoße, da es nicht sicherstelle, dass Minderjährigen Erwachsenenangebote nicht zugänglich seien.
- 5
- Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Rechts ein Jugendschutzsystem für pornographische Internetinhalte i.S. des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV in Verkehr zu bringen, anzubieten, zugänglich zu machen, zu bewerben sowie insbesondere gegenüber denjenigen Kunden, die bisher Zugang zu pornographischen Inhalten über das Jugendschutzsystem der Beklagten (sogenannte Bestandskunden ) erlangen, zu betreiben und/oder zu betreuen, das nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei eine persönliche Identifi- kation mit Altersüberprüfung des Nutzers, etwa im Rahmen des PostIdent -Verfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben (OLG Düsseldorf CR 2005, 657 = MMR 2005, 611). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 7
- I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 8
- Das Altersverifikationssystem der Beklagten stelle einen Ausschluss Minderjähriger von pornographischen Darbietungen im Internet in beiden Versionen nicht i.S. des § 4 Abs. 2 JMStV und des § 184c StGB sicher, weil es keine effektive Barriere zwischen den Inhalten der pornographischen Internetseiten und einem potentiellen minderjährigen Nutzer bilde. Es bestehe die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Jugendliche sich Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschafften und damit das System der Beklagten durch Eingabe "echter" Daten ohne weiteres überwänden. Auch die Notwendigkeit einer Zahlung in der Version 2 stelle kein ausreichendes Zugangshindernis dar. Insbesondere verfüge eine Vielzahl Jugendlicher über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig kontrolliertes Girokonto.
- 9
- Weder sei eine restriktive Auslegung der Anforderungen an ein Altersverifikationssystem geboten, weil eine jugendgefährdende Wirkung pornographi- scher Darstellungen nicht nachgewiesen sei, noch verstoße die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , weil Jugendliche ohne jede Zugangsbeschränkung auf ausländische Angebote mit pornographischem Inhalt zugreifen könnten. Ebenso wenig werde die Informationsfreiheit Erwachsener unverhältnismäßig beschränkt.
- 10
- § 4 Abs. 2 Nr. 2 JMStV und § 184c StGB seien dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß gegen diese Bestimmungen, der im Einsatz des unzureichenden Systems der Beklagten liege, sei deshalb unlauter i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Die Beklagte begehe selbst diese unlautere Wettbewerbshandlung, weil sie durch die Implementierung ihres Systems auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt an dem Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen unmittelbar mitwirke. Sie beeinträchtige den Wettbewerb mit ihrem System in nicht nur unerheblicher Weise zu Lasten der Mitbewerber, die ein Altersverifikationssystem mit den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden, strengeren Zugangsvoraussetzungen schwieriger absetzen könnten, und der besonders schutzwürdigen jugendlichen Verbraucher.
- 11
- II. Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte haftet nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, weil sie pornographische Inhalte im Internet ohne ausreichende Altersverifikation und damit unter Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV zugänglich macht.
- 12
- Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 4 Abs. 2 JMStV angenommen. Nach der zuletzt genannten Vorschrift sind Angebote pornographischer Inhalte in Telemedien unzulässig , wenn der Anbieter nicht sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Die Bereitstellung und Betreuung ihrer Altersverifika- tionssysteme sind Wettbewerbshandlungen der Beklagten i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
- 13
- Soweit die Beklagte mit ihrem Internetauftritt "ueber18.de" als Anbieterin pornographischer Inhalte im Internet anzusehen ist, verstößt sie selbst gegen § 4 Abs. 2 JMStV (unten II 1 bis 4). Nach dem Antrag der Klägerin soll der Beklagten allerdings nicht nur Betrieb und Betreuung ihres Altersverifikationssystems , für die sie ihre Website benutzt, untersagt werden. Vielmehr will die Klägerin der Beklagten den Vertrieb ihres Systems in Deutschland insgesamt verbieten lassen. Der Vertrieb des Systems verstößt für sich allein betrachtet zwar nicht gegen Jugendschutzrecht. Insoweit ist der Unterlassungsanspruch aber unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme der Beklagten an Verstößen ihrer Kunden gegen § 4 Abs. 2 JMStV gerechtfertigt (unten II 5).
- 14
- 1. Die Beklagte ist Adressatin des Gebots der Zugangsbeschränkung gegenüber Minderjährigen gemäß § 4 Abs. 2 JMStV.
- 15
- a) Der Geltungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags ist eröffnet. Die Beklagte bietet auf ihrer Website "ueber18.de" selbst fortlaufend Telemedien i.S. der § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 JMStV an. Telemedien sind insbesondere Online-Angebote, die im Internet abrufbar sind (vgl. Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Aufl., § 3 JMStV Rdn. 2).
- 16
- Der Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, Kinder und Jugendliche vor jugendgefährdenden Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien wirksam zu schützen, erfordert eine weite Auslegung des Anbieterbegriffs in § 3 Abs. 2 Nr. 3 JMStV. Anbieter ist deshalb auch derjenige , der Internetnutzern über seine Website Zugang zu Inhalteanbietern vermittelt (Nikles/Roll/Spürck/Umbach, Jugendschutzrecht, 2. Aufl., § 3 JMStV Rdn. 6; Scholz/Liesching aaO § 3 JMStV Rdn. 5; Ukrow, Jugendschutzrecht, Rdn. 401; ferner Begründung der Regierung des Saarlandes für das Zustimmungsgesetz zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Landtag des Saarlands, Drucks. 12/793, S. 41).
- 17
- Die Beklagte verschafft Internetnutzern durch den auf ihrer Website bereitgestellten Katalog einen gebündelten Zugang zu den sogenannten Erwachsenenangeboten ihrer Kunden. Die Nutzer suchen die Website der Beklagten bestimmungsgemäß ähnlich einem Ladengeschäft auf und wählen aus den dort bereitgehaltenen pornographischen Angeboten. Bei deren Vertrieb fungiert die Beklagte mithin als Absatzmittler und damit funktional nicht anders als ein Händler pornographischer Schriften. Dass der Beklagten keine Rechte an den von ihr angebotenen Inhalten zustehen, ist bei der gebotenen zweckorientierten und funktionalen Auslegung des Begriffs "Angebot" in § 4 Abs. 2 JMStV ohne Bedeutung. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass das System der Beklagten - obwohl es insbesondere für Anbieter pornographischer Inhalte bestimmt ist - als solches nicht pornographisch ist. Denn die Beklagte beschränkt sich nicht darauf, ihren Kunden das Altersverifikationssystem in einem einmaligen Vorgang als Software zu überlassen.
- 18
- Unerheblich ist auch, ob die Auswahl der zugelassenen Nutzer im Wege der Registrierung allein auf technischem Weg erfolgt. Die Beklagte macht selbst nicht geltend, keine Kontrolle über den Anbieterkatalog auf ihrer Website zu haben. Sie ist deshalb nicht vergleichbar mit einem Internet-Auktionshaus, das den rein technischen Vorgang der Freischaltung eines Auktionsangebots nicht kontrolliert und deshalb nicht als Täter oder Teilnehmer einer durch das Angebot bewirkten Markenverletzung oder Jugendgefährdung haftet (vgl. BGHZ 158, 236, 250; BGH, Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 35/04, GRUR 2007, 708 Tz. 31 = WRP 2007, 964 - Internet-Versteigerung I und II; Urt. v. 12.7.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Tz. 21 = WRP 2007, 1173 - Jugendgefährdende Medien bei eBay, zum Abdruck in BGHZ 173, 188 vorgesehen).
- 19
- b) Das Telemediengesetz schließt den hier allein geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte ebenso wenig aus wie das frühere Teledienstegesetz.
- 20
- Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Beklagte auf ihrer Website "ueber18.de" einen Katalog mit Anbietern unterhält, die ihr Altersverifikationssystem einsetzen. Interessenten können auf diese Weise mit einem Mausklick aus einem umfangreichen, Erwachsenen vorbehaltenen pornographischen Angebot auswählen. Das Telemediengesetz enthält ebenso wenig wie das Teledienstegesetz eine Regelung der Haftung desjenigen, der mittels eines elektronischen Querverweises (Hyperlink oder Link) den Zugang zu rechtswidrigen Inhalten eröffnet. Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr , deren Umsetzung die beiden Gesetze dienen, hat die Frage der Haftung der Hyperlinks ausgespart (vgl. Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie). Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich eindeutig, dass die Haftung der Hyperlinks - auch wenn die Richtlinie insoweit keine Sperrwirkung entfaltet - im Teledienstegesetz und damit auch im Telemediengesetz, das die Bestimmungen der §§ 8 ff. TDG unverändert übernommen hat (nunmehr §§ 9 ff. TMG), nicht geregelt worden ist (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung [BT-Drucks. 14/6098, S. 37] zu dem entsprechenden Vorschlag des Bundesrates [ebd. S. 37]). Die Haftung für Hyperlinks richtet sich daher nach den allgemeinen Vorschriften (BT-Drucks. 14/6098, S. 37; Spindler in Spindler/Schmitz/Geis, TDG, Vor § 8 Rdn. 32 ff.; Hoeren in Hoeren/Sieber, Handbuch MultimediaRecht , Stand Oktober 2007, Teil 18.2 Rdn. 195 ff.). Danach ist eine differenzierte Beurteilung geboten, wie sie die Rechtsprechung bereits in der Zeit vor Umsetzung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr für erforderlich gehalten hatte. Zumindest derjenige, der sich die fremden Informationen, auf die er mit Hilfe des Hyperlinks verweist, zu eigen macht, haftet dafür wie für eigene Informationen, also wie ein Content-Provider i.S. des § 7 Abs. 1 TMG bzw. des § 8 Abs. 1 TDG (vgl. LG Hamburg NJW 1998, 3650; LG München I MMR 2000, 566, 568, jeweils zu § 5 Abs. 1 TDG 1997; österr. OGH MMR 2001, 518, 520; zum TDG 2001 Spindler aaO Vor § 8 Rdn. 36 ff.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 184 Rdn. 58; Hoeren in Hoeren/Sieber aaO Teil 18.2 Rdn. 195 f.).
- 21
- Dass sich die Beklagte mit den elektronischen Verweisen auf die pornographischen Angebote dieser Kunden die dort vermittelten Inhalte zu eigen gemacht hat, unterliegt keinem Zweifel. Nach den getroffenen Feststellungen sind diese Verweise wesentlicher Bestandteil ihrer Geschäftsidee. Sie bietet ihren Kunden nicht nur ein verhältnismäßig leicht zu umgehendes und damit - wie sogleich unter II 2 im Einzelnen dargestellt - unzureichendes Altersverifikationssystem an, sondern schaltet das pornographische Angebot ihrer Kunden jeweils frei und nimmt es in einen Katalog pornographischer Angebote auf. Die Attraktivität dieser Leistung, die die Beklagte zusätzlich neben dem Altersverifikationssystem erbringt, liegt darin, dass Internetnutzern auf der Suche nach einschlägigen Angeboten über die Website der Beklagten ein gebündelter Zugang zu den pornographischen Websites ihrer Kunden verschafft wird. Dabei geht es - wie bereits der Domainname "ueber18.de" signalisiert - gerade darum, die Internetnutzer zu pornographischen Angeboten zu führen, die nach § 4 Abs. 2 JMStV nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden dürfen. Hierauf ist die Absicht gerichtet, die die Beklagte mit ihrem Angebot verbindet.
- 22
- 2. Das Altersverifikationssystem der Beklagten stellt nicht sicher, dass pornographische Angebote in Telemedien nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden.
- 23
- a) Welcher Grad an Zuverlässigkeit für die Altersverifikation geboten ist und welche Mittel zur Sicherstellung einzusetzen sind, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 4 Abs. 2 JMStV. Nach der Gesetzesbegründung muss sichergestellt sein, dass Kinder oder Jugendliche keinen Zugang haben, so dass die einschlägigen Angebote nur Erwachsenen zur Verfügung stehen; ein verlässliches Altersverifikationssystem muss die Verbreitung an oder den Zugriff durch Minderjährige hindern (Begründung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 13/1551, S. 26, gleichlautend etwa Landtag des Saarlandes, Drucks. 12/793, S. 44). Dafür, wie ein verlässliches System beschaffen sein muss, ist der Zweck des JugendmedienschutzStaatsvertrags maßgeblich. Dieser Zweck ist darauf gerichtet, für den Jugendmedienschutz im Internet wie in den traditionellen Medien ein einheitliches Schutzniveau zu gewährleisten (vgl. etwa Döring/Günter, MMR 2004, 231, 232). Es ist daher geboten, die Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV an den Maßstäben auszurichten, die für die Zugänglichkeit pornographischer Inhalte in anderen Medien entwickelt worden sind.
- 24
- Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein "Zugänglichmachen" i.S. des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht vor, wenn Vorkehrungen getroffen werden, die den Zugang Minderjähriger zu den pornographischen Inhalten regelmäßig verhindern. Dies erfordere, dass eine "effektive Barriere" zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen bestehe (BVerwGE 116, 5, 14 f.). Diese Entscheidung erging zwar im Jahr 2002 zur Ausstrahlung pornographischer Fernsehfilme, die nach dem Wortlaut des am 1. April 2003 in Kraft getretenen § 4 Abs. 2 JMStV inzwischen absolut verboten ist (zu verfassungsrechtlichen Zweifeln an der damit zwischen digitalem Fernsehen und Telemedien bestehenden Differenzierung etwa Scholz/Liesching aaO § 4 JMStV Rdn. 28 m.w.N.; Bandehzadeh, Jugendschutz im Rundfunk und in den Telemedien, 2007, S. 133 ff., 166 ff.). Es gibt aber keinen Grund anzunehmen , dass für Telemedien geringere Anforderungen an die Verhinderung des "Zugänglichmachens" zu stellen sind, als sie für das Fernsehen nach früherer Rechtslage bestanden haben (a.A. Berger, CR 2003, 775).
- 25
- Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass über die Verschlüsselung hinaus weitere Vorkehrungen zu treffen sind, um die Wahrnehmung pornographischer Fernsehfilme durch Minderjährige effektiv zu erschweren. Zunächst müsse sichergestellt sein, dass die Decodiereinrichtungen nur an Erwachsene abgegeben würden. Für den Nachweis der Volljährigkeit genüge es insbesondere nicht, Kopien von Dokumenten vorzulegen, weil dabei manipuliert werden könne. Es reiche aber aus, wenn beim Vertragsschluss persönlicher Kontakt mit dem Kunden bestehe und in diesem Zusammenhang eine zuverlässige Kontrolle seines Alters anhand amtlicher Lichtbildausweise erfolge. Andere Verfahrensweisen zur Feststellung des Alters müssten ebenso wirksam sein. Über den Einsatz der allgemeinen Decodiereinrichtungen hinaus sei noch zumindest ein weiteres wirkungsvolles Hindernis gegenüber Minderjährigen erforderlich, um durch das Zusammenwirken der Wahrnehmungshindernisse die Annahme einer "effektiven Barriere" zu rechtfertigen (BVerwGE 116, 5, 14 ff.).
- 26
- Der Bundesgerichtshof hat diesen Maßstab der "effektiven Barriere" bei der Beurteilung einer Automaten-Videothek für pornographische Videokassetten übernommen. Eine zuverlässige Alterskontrolle hielt er für gewährleistet, wenn die zum Einlass in die Videothek erforderliche Chipkarte mit PIN erst nach persönlichem Kontakt mit dem Kunden und Überprüfung seines Alters ausgegeben und bei der persönlichen Anmeldung der Daumenabdruck des Kunden biometrisch erfasst wurde. Der Verleihautomat ermöglichte nur nach einem Ab- gleich von Chipkarte, PIN und Daumenabdruck die Ausleihe von Filmen (BGHSt 48, 278, 285 f.).
- 27
- Beim Versandhandel mit jugendgefährdenden Trägermedien hat der Bundesgerichtshof erst jüngst ebenfalls eine zweistufige Altersverifikation für erforderlich gehalten. Zunächst ist vor dem Versand der Medien eine zuverlässige Alterskontrolle - etwa durch das Post-Ident-Verfahren - notwendig. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Ware nicht von Minderjährigen in Empfang genommen wird, was etwa bei einer Übersendung per "Einschreiben eigenhändig" gewährleistet ist (BGH GRUR 2007, 890 Tz. 48 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
- 28
- Entsprechend wirksame Vorkehrungen sind auch von den Anbietern pornographischer Inhalte im Internet zu fordern (ebenso KG NStZ-RR 2004, 249, 250 und die überwiegende Meinung in der jugendschutzrechtlichen Literatur: vgl. Scholz/Liesching aaO § 4 JMStV Rdn. 36 ff.; Nikles/Roll/Spürck/Umbach aaO § 4 JMStV Rdn. 34 ff.; Ukrow aaO Rdn. 426 ff.). Die Verlässlichkeit eines Altersverifikationssystems setzt danach voraus, dass es einfache, naheliegende und offensichtliche Umgehungsmöglichkeiten ausschließt (vgl. Döring/Günter, MMR 2004, 231, 234; Erdemir, MMR 2004, 409, 412). So hat es der Bundesgerichtshof beispielsweise für unzureichend gehalten, wenn Jugendliche trotz eines Verbotsschildes ungehindert in eine Videothek eintreten können, weil eine Alterskontrolle erst an der Kasse stattfindet (BGH, Urt. v. 7.7.1987 - 1 StR 247/87, NJW 1988, 272). Insbesondere sind die aufgrund der Anonymität des Mediums dem Internet immanenten Missbrauchsgefahren zu berücksichtigen.
- 29
- b) Dem danach geforderten Zuverlässigkeitsstandard wird das System der Beklagten nicht gerecht.
- 30
- Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, Jugendliche könnten sich Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschaffen und dann die Personalausweisnummernkontrolle im System der Beklagten mit echten Daten umgehen. Keinen Bedenken begegnet auch, dass das Berufungsgericht in dem in der Version 2 des Systems der Beklagten erforderlichen Zahlungsvorgang keine ausreichende weitere Sicherungsmaßnahme erkannt hat, weil viele Jugendliche über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig kontrolliertes Girokonto verfügen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die zur Umgehung des Systems der Beklagten erforderlichen Informationen problemlos im Internet erhältlich sind (so Liesching, MMR 2004, 482; Döring/Günter, MMR 2004, 231, 233), und ob angesichts des relativ geringfügigen Betrags, der für den Zugang abgebucht wird, viele Kinder und Jugendliche darauf vertrauen werden, dass die Buchung auf einem von ihnen unberechtigt verwendeten elterlichen Konto nicht auffällt.
- 31
- Richtig ist zwar, dass einem Altersverifikationssystem nicht deshalb die Effektivität abgesprochen werden kann, weil es von Jugendlichen aufgrund nicht vorhersehbarer besonderer Kenntnisse, Fertigkeiten oder Anstrengungen ausnahmsweise umgangen werden kann (Nikles/Roll/Spürck/Umbach aaO § 4 JMStV Rdn. 34 a.E.). Derartige Anforderungen stellt eine Überwindung des Altersverifikationssystems der Beklagten in beiden Versionen an Jugendliche aber nicht.
- 32
- Da es vorliegend von vornherein an einer effektiven Barriere fehlt, kann offenbleiben, ob der von der Revisionsbegründung vorgelegten älteren Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu folgen ist, wonach sich ein Anbieter pornographischer Schriften unter Umständen nicht strafbar macht, wenn http://www.jugendschutz.net),%20die/ - 14 - Jugendliche die von ihm errichteten, an sich effizienten Zugangshindernisse (Verkauf pornographischer Hefte in abdeckenden Plastikfolien unter den Augen des Kassenpersonals) erst nach rechtswidrigen Handlungen überwinden können (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1984, 1975, 1976). Ebenso ist unerheblich, ob die Jugendlichen zur Umgehung des Systems der Beklagten rechtswidrige Handlungen begehen müssen (verneinend KG NStZ-RR 2004, 249, 250 zu Version 1 des Systems der Beklagten) und ob der vom Oberlandesgericht Karlsruhe seinerzeit vertretenen Auffassung gegebenenfalls über den Bereich des Strafrechts hinaus auch für den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Bedeutung zukommen kann.
- 33
- Da für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV bereits die Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreicht, kommt es schließlich für die Effektivität der Barriere nicht darauf an, ob und inwieweit sich in der Vergangenheit Jugendliche tatsächlich Zugang zu Erwachsenenangeboten verschafft haben , die mit dem Altersverifikationssystem "ueber18.de" geschützt waren.
- 34
- 3. Durch die danach bestehenden Anforderungen an die Verlässlichkeit eines Altersverifikationssystems wird der Zugang Erwachsener zu pornographischen Angeboten im Internet nicht unverhältnismäßig beschränkt. Es bestehen zahlreiche Möglichkeiten, ein System zuverlässig auszugestalten. Hinzuweisen ist zunächst auf die von der Kommission für Jugend- und Medienschutz (KJM) positiv bewerteten Konzepte (abrufbar unter www.jugendschutz.net), die eine persönliche Identifizierung der Nutzer durch einen Postzusteller oder in einer Postfiliale (Post-Ident-Verfahren), in einer Verkaufsstelle oder mittels des "Identitäts -Check mit Q-Bit" der Schufa Holding AG (Rückgriff auf eine bereits erfolgte persönliche Kontrolle durch ein Kreditinstitut) voraussetzen. Außerdem wird eine Authentifizierung des Kunden bei jedem einzelnen Abruf von Inhalten oder Bestellvorgang verlangt. Dafür kommt insbesondere ein Hardware-Schlüssel (etwa USB-Stick, DVD oder Chip-Karte) in Verbindung mit einer PIN in Betracht , die dem Kunden persönlich (etwa per Einschreiben eigenhändig) zugestellt werden.
- 35
- Wie § 1 Abs. 4 JuSchG beim Versandhandel mit pornographischen Trägermedien lässt auch § 4 Abs. 2 JMStV eine rein technische Altersverifikation zu, wenn sie den Zuverlässigkeitsgrad einer persönlichen Altersprüfung erreicht. Grundsätzlich denkbar erscheint etwa, die Altersverifikation durch einen entsprechend zuverlässig gestalteten Webcam-Check durchzuführen (vgl. etwa die Beschwerdeentscheidung Nr. 03656 der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia -Diensteanbieter (FSM), abrufbar unter www.fsm.de) oder unter Verwendung biometrischer Merkmale.
- 36
- Erwachsenen ist es zuzumuten, sich im Interesse des Jugendschutzes einer den dargelegten Anforderungen genügenden Altersverifikation zu unterziehen , bevor ihnen Zugang zu pornographischen Telemedien gewährt wird. Dafür spricht bereits entscheidend, dass nach der bis zum 31. März 2003 geltenden Rechtslage der Vertrieb indizierter jugendgefährdender Medien im Versandhandel gemäß § 4 Abs. 1 GjSM generell verboten und nach § 21 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 GjSM unter Strafe gestellt war. Demgegenüber stellt die nunmehr - ebenso wie der Fernabsatz pornographischer Trägermedien (vgl. § 1 Abs. 4 JuSchG) - nach Altersverifikation zulässige Nutzung entsprechender Telemedien bereits eine erhebliche Zugangserleichterung für Erwachsene dar.
- 37
- Die als zuverlässig anzuerkennenden Verfahren der persönlichen Identifizierung errichten für Erwachsene keine höheren Zugangshürden als im Offline -Bereich. So muss der Erwachsene bei Betreten oder Verlassen eines einschlägigen Geschäfts sogar eher mit der Peinlichkeit rechnen, als Interessent für Pornographika erkannt zu werden, als dies etwa bei einer Altersüberprüfung durch den Postzusteller oder in einer Postfiliale im Rahmen des Post-IdentVerfahrens der Fall ist (vgl. Döring/Günter, MMR 2004, 231, 235 Fn. 49). Dafür spricht insbesondere, dass das Post-Ident-Verfahren ebenso wie die Versendungsform "Einschreiben eigenhändig" im Geschäftsverkehr und in der Öffentlichkeit nicht oder jedenfalls nicht zwangsläufig mit dem Vertrieb pornographischer Inhalte in Verbindung gebracht wird.
- 38
- 4. Aus verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen ebenfalls keine geringeren Anforderungen an ein Altersverifikationssystem, als sie sich aus dem dargelegten Konzept der "effektiven Barriere" ergeben.
- 39
- Der mit diesem Konzept verbundene Eingriff in die Informationsfreiheit ist nach Art. 5 Abs. 2 GG aus Gründen des Jugendschutzes gerechtfertigt. Die Annahme, dass pornographische Medien jugendgefährdende Wirkung haben können, liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Diesen hätte der Gesetzgeber nur dann verlassen, wenn eine Gefährdung Jugendlicher nach dem Stand der Wissenschaft vernünftigerweise auszuschließen wäre (BVerfGE 83, 130, 140 ff.). Davon kann weiterhin nicht ausgegangen werden. So hält auch einer der Privatgutachter der Beklagten die Frage der Jugendgefährdung durch Pornographie für "objektiv bislang ungeklärt" (Berger, MMR 2003, 773, 775; vgl. Bandehzadeh aaO S. 21 ff.).
- 40
- Das Erfordernis einer verlässlichen Altersverifikation ist geeignet, das gesetzgeberische Ziel zu fördern, einen Zugriff von Kindern und Jugendlichen auf pornographische Inhalte zu verhindern. Das reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, um die Eignung einer gesetzgeberischen Maßnahme zu begründen (BVerfGE 30, 292, 316; 90, 145, 172; 110, 141 Tz. 81).
- 41
- Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, den deutschen Jugendschutzstandard im Hinblick auf großzügigere Regelungen im Ausland zu lockern. Für die Forderung, von Altersverifikationssystemen deutscher Anbieter dürften nur Voraussetzungen verlangt werden, die keinen größeren Umgehungsaufwand erforderten als der Zugriff auf ausländische Angebote pornographischen Inhalts, gibt es daher keine Grundlage (a.A. Berger, MMR 2003, 773, 775).
- 42
- Soweit sich die Beklagte auf einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit beruft (Art. 12 Abs. 1 GG), kann sie nur die ihr auferlegten Beschränkungen für ihre eigene Tätigkeit geltend machen. Insoweit ist ihr jedoch ohne weiteres zuzumuten, sich auf eines der anerkannten Altersverifikationssysteme umzustellen.
- 43
- Es wird auch nicht unverhältnismäßig in das durch Art. 6 Abs. 2 GG verbürgte Erziehungsprivileg der Eltern eingegriffen, wenn höhere Anforderungen an ein Altersverifikationssystem gestellt werden, als sie das System der Beklagten erfüllt (vgl. Köhne, NJW 2005, 794). Durch verlässliche Altersverifikationssysteme wird gerade das Erziehungsprivileg gewahrt, weil ein unkontrollierter Zugang Jugendlicher zu pornographischen Inhalten ohne Kenntnis der Eltern verhindert wird.
- 44
- Schließlich liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Inländerdiskriminierung vor. Unter Inländerdiskriminierung sind Sachverhalte zu verstehen, in denen das deutsche Recht aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen gegenüber EU-Ausländern nicht angewendet werden darf, so dass diese gegenüber Inländern begünstigt werden (vgl. Pache in Schulze/Zuleeg, Europarecht, 2006, § 10 Rdn. 16; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 3 Rdn. 74). Hier gelten die Regelungen des Jugendmedien- schutz-Staatsvertrags aber für alle pornographischen Angebote in Deutschland. Sie erfassen grundsätzlich auch die Angebote aus dem Ausland, die im Inland abgerufen werden können, und gelten nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG insbesondere auch für Angebote aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die in Art. 3 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehenen Mitteilungs- und Konsultationspflichten sind nicht Geltungsvoraussetzung der innerstaatlichen jugendschutzrechtlichen Gebote, sondern erst dann zu beachten, wenn deutsche Behörden gegen ein konkretes Angebot eines Diensteanbieters aus einem anderen Mitgliedstaat einschreiten wollen. Die faktische Möglichkeit der Umgehung einer für im Inland abrufbare in- und ausländische Internetangebote unterschiedslos geltenden deutschen Bestimmung durch den Aufruf ausländischer Internetseiten bewirkt keine rechtlich relevante Inländerdiskriminierung. Es bedarf deshalb weiterhin keiner Entscheidung , ob und inwiefern es wettbewerbsrechtlich geboten ist, eine Inländerdiskriminierung zu vermeiden (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 4.7.1996 - I ZR 105/94, NJWE-WettbR 1996, 266, 267).
- 45
- 5. Unabhängig von einem eigenen täterschaftlichen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV, den die Beklagte dadurch begeht, dass sie die pornographischen , lediglich durch ihr unzureichendes Altersverifikationssystem geschützten Internetseiten ihrer Kunden über ihre Website zugänglich macht, haftet die Beklagte auch dafür, dass sie ihr System in der streitgegenständlichen Form an zahlreiche Anbieter pornographischer Internetinhalte vertrieben hat. Denn sie ist Teilnehmerin an den Verstößen gegen § 4 Abs. 2 JMStV, die ihre Kunden fortlaufend dadurch begehen, dass sie im Internet pornographische Inhalte ohne ausreichende Altersverifikation anbieten.
- 46
- Mit dem Vertrieb ihres unzureichenden Systems fördert die Beklagte objektiv Zuwiderhandlungen der Betreiber pornographischer Internetangebote ge- gen § 4 Abs. 2 JMStV. Es ist davon auszugehen, dass die Betreiber, die das System der Beklagten anwenden, den jugendschutzrechtlichen Anforderungen genügen wollen. Durch das Angebot des in der Anwendung für die Nutzer einfachen Altersverifikationssystems der Beklagten werden die Betreiber davon abgehalten, sich für ein System zu entscheiden, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Es kommt deshalb zu unzulässigen Angeboten, die sonst im Einklang mit dem Jugendschutz erfolgen würden.
- 47
- Auch der für eine Gehilfenhaftung der Beklagten mindestens erforderliche bedingte Vorsatz liegt vor (vgl. BGHZ 42, 118, 122 f.; 148, 13, 17 - ambiente.de; 158, 236, 250; BGH GRUR 2007, 708 Tz. 31 - InternetVersteigerung I und II). Die Beklagte kennt die Funktionsweise ihres Systems und weiß, dass es bestimmungsgemäß insbesondere für pornographische Angebote verwendet wird. Sie vertreibt ihr Altersverifikationssystem ferner in Kenntnis des Umstandes, dass durch ein unzureichendes System geschützte Internetangebote gegen jugendschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen. Der Beklagten war schließlich bekannt, dass die jugendschutzrechtliche Unbedenklichkeit ihres Systems jedenfalls ungeklärt war. Sie hat damit zumindest billigend in Kauf genommen, dass Kunden, die ihr Altersverifikationssystem erwarben , gegen jugendschutzrechtliche Vorschriften verstießen.
- 48
- Der Sachverhalt unterscheidet sich entscheidend von den Fällen, in denen der Betreiber einer Internet-Auktionsplattform infolge eines automatischen Registrierungsverfahrens und einer Vielzahl jugendschutzrechtlich irrelevanter Versteigerungsangebote keine konkrete Kenntnis von dem jugendgefährdenden Inhalt bestimmter von Dritten auf seiner Plattform zum Erwerb angebotener Trägermedien hat, und deshalb eine Haftung des Plattformbetreibers als Täter oder Teilnehmer ausscheidet (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Tz. 21 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
- 49
- 6. Verstöße gegen das aus § 4 Abs. 2 JMStV folgende Verbot, pornographische Inhalte in Telemedien ohne verlässliche Altersverifikation anzubieten, beeinträchtigen wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Verbraucher i.S. des § 3 UWG ebenso wie Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Tz. 34 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Die Beschränkung des Zugangs zu Telemedien pornographischen Inhalts dient insbesondere dem Schutz der Kinder und Jugendlichen , bei denen es sich um besonders schutzwürdige Verbraucher handelt. Die erhebliche Bedeutung dieses Jugendschutzes findet Ausdruck in der strafrechtlichen Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Zugangsbeschränkungen.
- 50
- Die Vertriebsbeschränkungen des Jugendschutzrechts für Waren und Dienstleistungen sind zudem Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.35 a.E. und 11.180; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 159; vgl. auch MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 181 f.; a.A. Scherer, WRP 2006, 401, 405 f.).
- 51
- 7. Die Verwendung eines unzureichenden Altersverifikationssystems durch die Beklagte beeinträchtigt den Wettbewerb mehr als nur unerheblich. Dies ergibt sich bereits aus der Bedeutung des Jugendschutzes und der Vielzahl der über die Website der Beklagten vermittelten Zugangsmöglichkeiten zu pornographischen Inhalten. Außerdem sind die Interessen der Mitbewerber der Beklagten, die den gesetzlichen Anforderungen genügende Systeme vertreiben , erheblich betroffen. Denn ihre Kunden sind die Anbieter von Telemedien mit pornographischen Inhalten, die im Interesse eines möglichst einfachen Absatzes ihrer Angebote grundsätzlich dazu neigen werden, das Altersverifikati- onssystem mit den geringsten Zugangshürden für die Kunden einzusetzen. Dadurch erleiden die Anbieter von Systemen, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, gegenüber der Beklagten einen relevanten Wettbewerbsnachteil.
- 52
- 8. Gegen die Tenorierung des Berufungsurteils bestehen keine Bedenken. Die negative Voraussetzung des Unterlassungstitels "ohne dass dabei eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers … bei seiner Registrierung erfolgt" ist für künftige technische Entwicklungen hinreichend offen und schließt insbesondere eine Identifikation mit zuverlässigen biometrischen Merkmalen oder im Rahmen einer Webcam-Sitzung nicht generell aus. Persönliche Identifikation ist daher nicht notwendig gleichbedeutend mit persönlichem Kontakt im Sinne einer physischen Begegnung (face-to-face-Kontrolle), sondern kann unter Umständen auch über bildschirmgestützte oder andere technische Mittel erfolgen. Damit unterwirft das Berufungsurteil Altersverifikationssysteme entgegen der Revisionsbegründung keinen strengeren Anforderungen als das Bundesverwaltungsgericht.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.07.2004 - 12 O 19/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.05.2005 - I-20 U 143/04 -
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.