Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Aug. 2018 - 4 K 221/15

bei uns veröffentlicht am21.08.2018

Tatbestand

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Die Antragsteller, die Eigentümer von Grundstücken im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin sind, wenden sich gegen eine Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung eines allgemeinen Herstellungsbeitrages sowie eines sog. besonderen Herstellungsbeitrages (Herstellungsbeitrag II), jeweils für die Schmutzwasserbeseitigung.

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Seit dem 1. Januar 2013 ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts der Antragsgegnerin, die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR, für die Abwasserentsorgung im Gebiet der Antragsgegnerin zuständig. Die Anstalt ist durch Formwechsel nach § 15a GKG LSA aus dem Zweckverband für Abwasserentsorgung A-Stadt gebildet worden. Der Zweckverband hatte nur Benutzungsgebühren für die Schmutzwasserbeseitigung erhoben. Auf der Grundlage einer vom Zweckverband erstmalig im Jahre 2012 erlassenen Herstellungsbeitragssatzung waren keine Beiträge erhoben worden. Zur Abwasserbeseitigung betreibt die Anstalt u.a. die Kläranlage A-Stadt. Bis zum Jahr 2000 wurde die Kläranlage zu einer biologisch arbeitenden Kläranlage mit 76.500 EW ausgebaut. Auf der Grundlage eines Genehmigungsbescheides vom 29. November 2012 erfolgte ein weiterer Ausbau der Kläranlage auf 125.000 EW. Am 9. Juli 2015 beschloss die Antragsgegnerin eine Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung der Abwasserbeseitigung A-Stadt - Anstalt öffentlichen Rechts -, die im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 19. Juli 2015 bekannt gemacht wurde und am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft treten sollte. Darin wurde der Beitragssatz für den allgemeinen Herstellungsbeitrag auf 2,02 pro m2 der gewichteten beitragspflichtigen Grundstücksfläche und für den Herstellungsbeitrag II auf 0,73 pro m2 der gewichteten beitragspflichtigen Grundstücksfläche festgelegt. In der Kalkulation waren die höchstzulässigen Beitragssätze mit 2,38 € pro m2 (allgemeiner Herstellungsbeitrag) bzw. 0,86 € pro m2 (Herstellungsbeitrag II) ermittelt worden. Die Antragsteller, welche die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR zu einem allgemeinen Herstellungsbeitrag in Höhe von 1.670,90 € bzw. einem Herstellungsbeitrag II in Höhe von 247,62 € herangezogen hatte, haben am 22. Dezember 2015 einen Normenkontrollantrag gestellt, der sich ausdrücklich gegen die Anstalt richtete. In einem Erörterungstermin vom 4. Februar 2016 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller erklärt, dass sich der Antrag gegen die Körperschaft richten solle, welche die Satzung erlassen hat.

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Die Antragsteller machen geltend, die Kosten für den Ausbau der nach dem damaligen Anlagenkonzept des Zweckverbandes und der Genehmigungsplanung bereits im Jahre 2000 endgültig hergestellten Kläranlage A-Stadt in Höhe von etwas über 13 Mio. € seien aus den beitragsfähigen Kosten für den allgemeinen Herstellungsbeitrag und den Herstellungsbeitrag II auszugliedern, weil es sich dabei um eine beitragsrechtliche Erweiterung gehandelt habe. Die Kläranlage sei im Jahr 2000 nach dem Willen des Trägers endgültig mit der geplanten Kapazität von 76.500 EW fertig gestellt gewesen. Die Bagatellgrenze von 3 % sei sehr deutlich überschritten, wobei auch der von der Antragsgegnerin beschlossene Deckungsgrad von 85 % zu berücksichtigen sei. Der Abzug des Kostenanteils von 15 % sei als bewusste Finanzierungsentscheidung anzusehen.

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Die Inanspruchnahme dieser Kläranlage entfalle nach Angaben der Antragsgegnerin derzeit zu 70 % auf die Lebensmittelindustrie, vor allem den (T.)-Schlachthof, und zu 30 % auf kommunale Einleiter. Die Erweiterung auf 125.000 EW sei nach den Angaben in den Planungsunterlagen zu 100 % den industriellen Großeinleitern zuzurechnen. Produktionsabwässer aus Schlachthöfen seien auch extrem stark organisch belastet, was durch den Starkverschmutzerzuschlag im Rahmen der Gebührenerhebung deutlich werde. Nach der Kalkulation seien die kommunalen Einleiter mit ca. 97 % und die Großeinleiter mit ca. 3 % des beitragsfähigen Gesamtaufwands einschließlich der Erweiterungskosten belastet. So nehme der Großeinleiter (T.) 30 % der Anlagenkapazität in Anspruch und trage nur 1,63 % des Aufwands. Es liege damit ein Verstoß gegen den Vorteilsbegriff des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA vor. Die Gleichbehandlung von kommunalen Einleitern und industriellen Großeinleitern nach einem Flächenmaßstab verstoße gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und gegen das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip. Der Sachverhalt gebiete eine Differenzierung zwischen den kommunalen Einleitern und den vier Großeinleitern. Das Abstellen auf den Nutzungsumfang entspreche dem Grundanliegen des Beitragsrechts, die einem Grundstück gebotenen Vorteile zutreffend zu erfassen. Welcher grundsätzliche Fehler in dieser Betrachtungsweise liege, lasse die Antragsgegnerin offen. Jedenfalls könne die Bestimmung eines grundstücksbezogenen Vorteils nicht maßgeblich von den bauplanungsrechtlichen Ausweisungen abhängig gemacht werden. Die Gleichbehandlung der industriellen Einleiter mit den kommunalen Einleitern sei willkürlich. Der entscheidende Unterschied liege darin, dass den industriellen Einleitern neben dem Vorteil, sanitäre Abwässer zentral zu entsorgen, der auch den kommunalen Einleitern zugutekomme, zusätzlich der Vorteil geboten werde, ihre Produktionsabwässer in die zentrale Entsorgungsanlage einzuleiten und dadurch die Kläranlage vergleichsweise weit überproportional in Anspruch zu nehmen. Welche Schlussfolgerungen aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin zu der - wohl rein rechnerischen - Kapazitätserhöhung von 76.500 EW im Jahr 2000 auf angeblich 99.050 EW im Jahr 2013 zu ziehen seien, bleibe offen. Ob diese Angaben zutreffend seien, habe nicht nachgeprüft werden können. Als Mehrkosten seien die Kosten für die Kläranlagenerweiterung anzusehen sowie die Kosten, die nach dem Vortrag der Antragsgegnerin zwar von (T.) getragen worden sein sollen, aber als Abzugsposten nicht aufgeführt seien. Die in einem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten dargelegte Anwendung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit komme schon nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin durch die Vorgabe einer bestimmten Berechnungsweise die Erstellung eines eigenständigen Gutachtens ohnehin von vornherein verhindert habe, sei die 10%-Grenze auch nach dem im Gutachten angeführten Beispiel eigentlich überschritten. Allerdings sei der Gutachter in seiner Vergleichsrechnung für die tatsächlich geplante Kläranlage systemisch verfehlt von anderen Annahmen ausgegangen als für die fiktiv berechnete Kläranlage und habe dabei die von ihm für mitentscheidend gehaltene Flächenverteilung vollkommen außer Betracht gelassen. In dem Gutachten werde die Preisbasis für die Herstellung der Kläranlage in den Jahren nach 1994 vermischt mit den fast 20 Jahre später anfallenden aktuellen Kosten der Erweiterung und die Teuerungsrate werde vernachlässigt. Zudem habe der Gutachter zu Unrecht bei der Ermittlung der fiktiven Kläranlage ohne Großeinleiter Fördermittel für industrielle Einleiter nicht berücksichtigt.

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Auch aus anderen Gründen liege ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vor.

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Eine eigentlich gebotene Prüfung, ob die beiden Regenüberlaufbecken mit Kosten von insgesamt 8,5 Mio. € nicht vollständig der Niederschlagsentwässerung dienten, sei der Kalkulation nicht zu entnehmen. Darüber hinaus sei der angesetzte Anteil von 43,47 % für die Schmutzwasserbeseitigung zu hoch, da ein Regenrückhaltebecken nur und ausschließlich zur Regulierung des Zulaufs zur Kläranlage bei Regenwetter benötigt werde. Die Problematik des Fremdwassers sei, soweit ersichtlich, nicht erkannt bzw. gewürdigt worden, obwohl gerade das Verbandsgebiet mit seiner Lage im Einzugsgebiet der Saale stärker als das anderer Verbände betroffen sei. Die Antragsgegnerin habe auch noch immer zu der von dem Anlagenbetreiber pflichtgemäß jährlich zu ermittelnden Fremdwassermenge nichts schriftliches vorgelegt, sondern beschränke sich auf eine durch nichts belegte Angabe von Prozentsätzen, deren Richtigkeit sie unter Hinweis auf die anderslautenden bekannten Planungsunterlagen sowie auf das Vorliegen schriftlicher Unterlagen bei der Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR bezweifelten. Der Aufwand, der der Beseitigung und Behandlung von Fremdwasser zuzurechnen sei, hätte aus dem Aufwand für die Schmutzwasserbeseitigung ausgeklammert werden müssen. Da die Dimensionierung der reinen Schmutzwasserleitungen nach dem gültigen Regelwerk wegen des Fremdwasseranfalls um 100% größer ausgefallen sei, seien die Aufwendungen für die Herstellung von Schmutzwasserkanälen zu 50% auszugliedern. Die Kosten für die Kanalsanierungen dürften nur bedingt einbezogen werden, weil dadurch (zumindest auch) Erhaltungsaufwand für Instandsetzung und -haltung, mithin dem Gebührenbereich zuzuordnende Kosten, als beitragsfähige Investitionskosten behandelt würden. Da die Aufwandsermittlung betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgen solle, könne die Zuordnung des Aufwands nicht dem freien Ermessen der abgabenerhebenden Körperschaft überlassen bleiben. Die Kosten könnten daher allenfalls als Erneuerungsaufwand angesehen werden. Selbst wenn man davon ausginge, die übernommenen Altanlagen seien noch nicht hergestellt, wäre jedenfalls eine Erhebung des Herstellungsbeitrags II derzeit unzulässig, weil das Alt-Kanalnetz lediglich als Provisorium zu betrachten wäre, das nicht geeignet sei, eine Beitragspflicht auszulösen. Den Kalkulationsunterlagen könnten keine Angaben zum Kanalbestand mit Art, Ausführung, Herstellungsjahr usw. entnommen werden und auch nicht zu der Frage, ob die Übernahme entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt sei. Damit sei keine Prüfung möglich, ob Kosten für Kanäle zu Recht angesetzt worden seien. Es handele sich um einen systematischen Fehler. Aus den Unterlagen zur Planung im Jahr 1994 ergäben sich Anhaltspunkte für eine abweichende Referenzgröße zur Bestimmung des „Anteilsfaktors“, mit dem der anteilige Aufwand für Altanschließer berechnet worden sei. Der Kalkulation lasse sich nicht entnehmen, ob bzw. in welcher Weise ein Kostenanteil für die Mitbenutzung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage durch die Autobahnsiedlung (Z.) abgesetzt worden sei; insoweit sei kein Flächenanteil angesetzt worden. Die vorgelegte Vergleichsermittlung sei unbrauchbar, weil lediglich Flächen, jedoch kein Aufwand dargestellt sei, so dass eine nachvollziehbare Grundlage für eine Nachberechnung fehle. Bis 2000 und danach habe der Zweckverband bzw. der von ihm beauftragte Betriebsführer, die Stadtwerke A-Stadt GmbH, pflichtwidrig keine Fördermittel für die Herstellung der Kläranlage beantragt, obwohl mit einer Förderung von bis zu 68 % der Herstellungskosten habe sicher gerechnet werden können. Die Beitragspflichtigen seien entsprechend zu entlasten, nachdem der Anstalt Schadensersatzansprüche in Höhe der nicht realisierten Fördermittel zustünden. Infolge des pflichtwidrig fehlerhaften Anlagebetriebes mindestens in den Jahren 2006 bis 2011 und der Festsetzung von erhöhten Abwasserabgaben von ca. 10 Mio. € gegen den Zweckverband hätten allein von 2007 bis 2009 mind. 582.527,47 € nicht gem. § 10 Abs. 4 AbwAG verrechnet werden können, weil die Anlage nicht entsprechend den Anforderungen des § 18b WHG betrieben worden sei. Das gleiche gelte für die Folgejahre, wobei die Beträge nicht bekannt seien. Auch diesbezüglich führe die Anstalt zivilrechtliche Schadensersatzverfahren gegen den ehemaligen Betriebsführer. Die Beitragspflichtigen seien so zu stellen, wie sie stehen würden, wenn sich der Zweckverband pflichtgemäß verhalten hätte. Außerdem habe die Anstalt bei der Angabe der Kostenerstattung einen wesentlich zu niedrigen Betrag angesetzt. Ausgewiesen seien für den Abzug bei „Kostenerstattungen“ für Kanäle nur 236.480,66 €. Die Kostenbeteiligung der Antragsgegnerin für „Herstellung und Erneuerung Entwässerungskanalisation für öffentliche Straßen in der Straßenbaulast der Stadt Weißenfels“ sowie für „Baukostenzuschüsse“ sei viel höher. Zudem seien die bislang übersandten Unterlagen derart unvollständig, dass eine gewissenhafte Überprüfung der sachlichen Richtigkeit des Kalkulationsergebnisses nicht gewährleistet sei. Es sei die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich. Dies betreffe fehlende Fördermittelbescheide, sog. MIDEWA-Verträge, Nachweise über die durch Gebühren erwirtschafteten Abschreibungen, Angaben zur Verrechnung von Investitionsaufwand mit der Abwasserabgabe sowie Nachweise zu Kostenerstattungen.

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Weitere Einwendungen beträfen den „Grundsatz der konkreten Vollständigkeit“. Eine Präklusion durch die zeitlich früher abgegebene Erklärung, wonach der Normkontrollantrag auf die Unwirksamkeit der Beitragssatzermittlung gestützt werden solle, bestehe nicht. Die maßgeblichen Entscheidungen seien seinerzeit noch nicht bekannt gewesen und die anstehenden Fragen seien durch das Gericht unabhängig vom Parteivortrag von Amts wegen einer Prüfung zu unterziehen. Hinsichtlich der Satzungsregelungen zur Ermittlung der maßgeblichen Zahl der Vollgeschosse in § 4 Abs. 4 der angegriffenen Satzung vom 9. Juli 2015 - BS 2015 - liege eine Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Regelungen zur Zahl der Vollgeschosse für Bebauungsplangebiete seien unvollständig. Die Vollgeschossdefinition sei unvollständig, weil es an einer Regelung für die Fälle fehle, in denen sich nach der Auffangregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 BS 2015 eine Zahl von „Null“ Vollgeschossen ergebe. Die „Höhe der baulichen Anlagen“ in § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 BS 2015 werde im Hinblick auf Firsthöhe bzw. Traufhöhe nicht spezifiziert. Auch hier könne bei der Anwendung der Berechnungsvorschrift das Ergebnis „Null“ lauten, zumal ausdrücklich bestimmt sei, dass auf ganze Zahlen abgerundet werden müsse. § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e Unterbuchst. cc BS 2015 sei unklar und deshalb nicht anwendbar. Soweit in der Satzung zur Bestimmung der maßgeblichen Zahl der Vollgeschosse auf die „in der näheren Umgebung überwiegend“ vorhandenen Vollgeschosse abgestellt werde, fehle im Hinblick auf § 34 BauGB der Bezug zu dem Umfang der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung. Die Auswirkungen der unvollständigen Maßstabsregelungen erstreckten sich infolge der Bezugnahme in § 4 Abs. 5 BS 2015 auf alle Grundstücke im Geltungsbereich von Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB oder nach § 35 Abs. 6 BauGB. Für bestimmte Grundstücke (z.B. Dauerkleingärten und Friedhöfe) fehle eine satzungsrechtliche Festlegung der maßgeblichen Grundstücksfläche für den Fall, dass sie über die Grenzen des Bebauungsplanes bzw. der Innenbereichssatzung nach § 34 Abs. 4 BauGB bzw. über die Grenzen des Innenbereichs hinaus genutzt würden.

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Die Antragsteller beantragen,

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die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung der Abwasserbeseitigung A-Stadt - Anstalt öffentlichen Rechts - vom 9. Juli 2015 für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie macht geltend, die Antragsteller hätten ihren Antrag, der erst auf Grund der im Februar 2016 erfolgten Klageänderung gegen sie rechtshängig sei, zunächst konkludent und später ausdrücklich mit Schriftsatz vom 30. August 2016 auf die Beitragssatzregelung des § 5 BS 2015 beschränkt. Die mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 erfolgte Erweiterung des Normenkontrollantrags auf verschiedene Regelungen des § 4 BS 2015 sei deshalb der Überprüfung durch das Gericht entzogen. Dieser Schriftsatz sei ihr schon nicht entsprechend den Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung durch das Gericht zugestellt worden. Weiterhin werde einer Antragserweiterung nicht zugestimmt; diese sei auch nicht sachdienlich. Schließlich sei die Antragserweiterung verfristet und die Antragsteller hätten durch ihre Erklärung im Hinblick auf andere Gründe der Unwirksamkeit explizit auf das Antragsrecht und eine Überprüfung verzichtet.

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§ 5 BS 2015 sei rechtmäßig. Die Kosten für die Erweiterung der Kläranlage A-Stadt hätten in den Herstellungsbeitrag miteinbezogen werden dürfen, da maßgeblich allein das Abwasserbeseitigungskonzept mit dem darin enthaltenen Schmutzwasserbeseitigungskonzept sei. Nach dieser Konzeption sei die Kläranlage noch nicht fertig hergestellt gewesen. Die Wirksamkeit der Beitragssatzfestlegung sei dadurch, dass zur Berücksichtigung von Prognoserisiken nur 85 % des kalkulatorisch ermittelten höchstzulässigen Beitragssatzes festgelegt worden seien, nicht berührt. Ein Beitragssatz, der hinter dem höchstzulässigen Beitragssatz zurückbleibe, führe nicht zur Unwirksamkeit der Satzung.

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Die tatsächlichen Behauptungen der Antragsteller seien teilweise unzutreffend. Die Kläranlage sei in den Jahren 2013 bis 2015 nur von 99.050 EW auf 125.000 EW ausgebaut worden. Zu berücksichtigen seien zwischenzeitlich durchgeführte, nicht planfeststellungs- oder wasserrechtlich genehmigungsbedürftige Erweiterungsmaßnahmen sowie Kapazitätsnachberechnungen. Daher sei die Schlussfolgerung der Antragsteller falsch, dass die Erweiterung zu 100 % den Großeinleitern zuzurechnen sei. Auch die von den Antragstellern genannte Verteilung der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung mit 70 % für die industriellen Einleiter und 30 % für die sonstigen Einleiter sei falsch. Eine erhöhte Schmutzfracht durch Produktionsabwasser des Schlachthofes sei auf Grund der fleischwerkeigenen Vorbehandlung nicht gegeben. Es habe vielmehr kommunale Qualität.

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Das Vorteilsprinzip sei nicht verletzt. Ausgehend vom Prinzip der Solidargemeinschaft werde es üblicherweise weder für erforderlich gehalten, Aufwand für bestimmte Benutzer/Benutzergruppen auszugliedern, noch unterschiedliche Beitragssätze zu bilden. Der Einwohnerzahl-Einwohnergleichwert-Kostenvergleich sei auch methodisch unhaltbar. Verfehlt sei weiterhin die Berufung darauf, dass im Gebührenrecht differenzierte Gebührensätze gemäß dem Gebot der Leistungsproportionalität möglich seien. Ein Zwang zum Abschluss von Mehrkostenvereinbarungen zwischen der beitragserhebenden Körperschaft und am Ort vorhandenen Großeinleitern, die besonders viel oder besonders stark verschmutztes Abwasser lieferten, bestehe im Rahmen der Heranziehung zu Herstellungsbeiträgen nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nicht. Bei dem Vorteil gehe es um (subjektive) Gebrauchs- und Nutzungswerte; ein genereller Gewerbezuschlag komme aber nicht in Betracht. Die Art der baulichen Nutzung sei entgegen der Auffassung der Antragsteller kein geeignetes Abgrenzungs- und Differenzierungskriterium. In ihrem Gebiet seien auch keine konkreten bauplanungsrechtlichen Festlegungen für Gebiete mit besonders abwasserintensiven Industrien o.ä. getroffen worden, die dem Satzungsgeber auf Grund der dadurch für bestimmte Grundstücke dauerhaft festgeschriebenen Vorteilslage von vornherein eine entsprechende grundstücksbezogene Gruppenbildung aufdrängen würde.

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Zur Beantwortung der Frage, ob nicht ausnahmsweise doch eine - wie auch immer geartete - Differenzierung bei der Beitragsbemessung unter besonderer Berücksichtigung der abwasserintensiven Industrie erforderlich sei, sei ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Zum Vergleich seien die Investitionskosten ermittelt worden, die angefallen wären, wenn die öffentliche Einrichtung ausschließlich an kommunalen Zwecken ausgerichtet und ein dementsprechendes Netz sowie eine hierfür auskömmliche kleinere Kläranlage mit einer Kapazität von 50.000 Einwohnerwerten errichtet worden wäre. Eine Differenzierung sei danach nicht zwingend gewesen, da die industriebedingten Mehrkosten innerhalb der anerkannten Typisierungsgrenzen von 10 - 12 % lägen. Außerdem wären die rechtlichen Risiken zu groß gewesen, wenn sie sich für eine Differenzierung entschieden hätte. Die Kritik der Antragsteller an dem Gutachten sei nicht substanziiert; sie könnten nicht darlegen, dass sie den ihr zustehenden Beurteilungs- und Bewertungsspielraum überschritten habe. Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip sei nicht gegeben. Das Vorteilsprinzip werde durch die Beitragsfestsetzung gewahrt. Eine sonstige gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses sei nicht dargetan und liege auch nicht vor.

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Das Aufwandsüberschreitungsverbot sei ebenfalls nicht verletzt.

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Die Regenüberlaufbecken seien direkter Bestandteil der Mischwasserkanalisation. Daher sei es folgerichtig, dass für den Mischwasserkanal wie für diese Becken die Kostenverteilungsschlüssel nach der Drei-Kanal-Methode angewandt würden, um den Kostenanteil der Niederschlagswasserbeseitigung als Abzugskapital festzustellen. Dass die Becken nur mit einem Anteil von 11 % anzusetzen seien, könnten die Antragsteller nicht belegen, so dass der Einwand insoweit unsubstanziiert bleibe. Eine auf § 6 Abs. 5 Satz 4 KAG LSA beruhende Ausscheidung von Kosten für die Beseitigung von sog. Fremdwasser werde von der herrschenden Rechtsprechung bereits im Ansatz verneint. Zudem könne es sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts allenfalls um Materialkosten handeln, die zu einer marginalen Steigerung der Herstellungskosten führten. Im Übrigen seien sie und ihre Aufgabenträgerin insoweit nicht untätig geblieben. Habe die Planung des Jahres 1994 noch einen Fremdwasseranteil von 40 - 50 % berücksichtigt, sei in der Planung 2011 nur noch ein Anteil von 20 % eingestellt worden; aktuell sei der Fremdwasseranteil noch niedriger. Auch die Kanalsanierungskosten für die in das Abwasserbeseitigungskonzept aufgenommenen Kanalbaumaßnahmen seien nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2009 dem Herstellungsaufwand zuzurechnen. Die Frage, ob es sich bei den Altkanälen um Provisorien gehandelt habe, spiele nur bei der konkreten Beitragserhebung eine Rolle. Das Vorbringen der Antragsteller zur richtigen Referenzgröße zur Ermittlung des Anteilsfaktors für die Altanschließer beruhe auf einem Missverständnis. Die durch die Anstalt entsorgten Grundstücke der sog. Autobahnsiedlung (Z.) seien in die Flächenermittlung aufgenommen worden. Die Einbeziehung des darauf entfallenden Aufwandes und der Flächen sei als Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden, weil mit allen Beteiligten eine Aufgabenübertragung bereits abgesprochen gewesen sei. Aber selbst bei einer Herausnahme sei ausweislich einer vorgenommenen Nachberechnung der höchstzulässige Beitragssatz des allgemeinen Herstellungsbeitrages nicht überschritten. Im Gegensatz zur Darstellung der Antragsteller habe sich der ehemals zuständige Zweckverband für den Neubau der Kläranlage Ende der 90er Jahre in erheblichem Maße um Fördermittel bemüht. Mit vier Anträgen seien zwischen 1995 und 1996 Mittel in einem Gesamtvolumen von etwas mehr als 126 Mio. € beantragt worden. Die Forderung der Antragsteller, den beitragsfähigen Aufwand zu mindern, sei unsubstanziiert, konkrete Versäumnisse hätten sie nicht benennen können. Die GRW-Mittel seien deshalb abgelehnt worden, weil der gewerbliche Anteil der Einleiter für nicht ausreichend erachtet worden sei. Das Aufwandsüberschreitungsverbot sei auch nicht hinsichtlich der erhöhten Abwasserabgaben bzw. der abgelehnten Verrechenbarkeit verletzt. Die Abwasserabgabezahlungen stellten schon keinen Herstellungsaufwand dar und seien daher nicht in den Herstellungsaufwand eingeflossen. Die gegen den Zweckverband gerichteten Forderungen seien sämtlich von ihr geleistet worden. Die sog. Verrechenbarkeit der Abwasserabgabe führe nicht zu einer unmittelbaren Minderung der Investitionskosten für die öffentliche Einrichtung. Die Verrechnung sei allenfalls gebühren-, aber nicht investitionskosten- und damit auch nicht beitragsrelevant. Sei also schon die tatsächlich verrechnete Abwasserabgabe nicht beitragsrelevant, gelte dies umso mehr für die nicht verrechnete Abgabe. Zusätzliche Fördermittel seien nicht zu berücksichtigen. Die in einem MZ-Artikel genannten 15 Mio. € seien vom Land Sachsen-Anhalt außerplanmäßig gewährt worden. Von 15 geförderten Maßnahmen hätte acht ganz und drei teilweise die Niederschlagswasserkanalisation betroffen. Die Bewilligung für Maßnahmen an der Schmutzwasserkanalisation sei im Zeitpunkt der Fertigstellung der Globalkalkulation am 6. Mai 2015 nicht absehbar gewesen, so dass sie nicht, auch nicht prognostisch, in Ansatz hätten gebracht werden können. Denn nicht nur sei die Gewährung von einer hochwasserbedingten Schädigung der Anlagen abhängig gewesen, sondern auch davon, dass in Abhängigkeit von allen anderen Antragstellern hinreichende Haushaltsmittel zur Verfügung gestanden hätten. Darüber hinaus wäre auch bei einer Berücksichtigung der Fördermittel das Aufwandsüberschreitungsverbot nicht verletzt. Aus dem Beteiligungsbericht 2015 für das Geschäftsjahr 2014 ergebe sich auch nicht, dass die Anstalt für die Jahre 2014 und 2015 mit Fördermitteln in Höhe von 14,8 Mio. € gerechnet habe. Außerdem seien nur die Fördermittel einzuberechnen, welche die Schmutzwasserbeseitigung beträfen. Falsch sei die Auffassung, es seien zu wenige Kostenerstattungen in Abzug gebracht worden und es seien auch die Kostenerstattungen der Stadt als Straßenbaulastträgerin zu berücksichtigen. Die Kostenerstattungen der Straßenbaulastträger, welche die Niederschlagswasserentsorgung beträfen, seien nicht gesondert zu berücksichtigen, weil diese Kostenanteile von vornherein ausgegliedert worden seien. Solche Erstattungen beträfen allein das Innenverhältnis zwischen dem Träger der Straßenbaulast und der Anstalt. Weitere Unterlagen als die bislang überreichten müsse sie nicht vorlegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist ganz überwiegend zulässig (I.) und insoweit auch begründet (II.).

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I. Der Antrag ist fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der Bekanntmachung der angegriffenen Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung der Abwasserbeseitigung A-Stadt - Anstalt öffentlichen Rechts - vom 9. Juli 2015 - BS 2015 - gestellt worden. Die Antragsteller können auch als Grundstückseigentümer, die mit noch nicht bestandskräftigen Bescheiden auf der Grundlage der Satzung zu einem allgemeinen Herstellungsbeitrag bzw. zu einem Herstellungsbeitrag II herangezogen worden sind, geltend machen, durch die Anwendung der Regelungen in der Satzung i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzt zu sein.

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Die Antragsgegnerin hat i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Satzung erlassen. Insoweit haben die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren eine subjektive Antragsänderung vorgenommen. Bei der Erklärung der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller in dem Erörterungstermin, mit der erst die Antragsgegnerin benannt worden ist, handelt es sich nicht um eine Klarstellung bzw. eine die Identität des Beteiligten nicht berührende Berichtigung der Parteibezeichnung (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 2002 - 8 C 3.02 -, zit. nach JURIS; Eyermann, VwGO, 14. A., § 91 Rdnr. 22). Der Antrag hatte sich zunächst ausdrücklich gegen die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR als eigenständige juristische Person (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AnstG LSA; vgl. auch § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO) gerichtet. Aus der Begründung des Antrags ergab sich insbesondere auch nicht, dass die Körperschaft als Antragsgegner benannt werden sollte, welche die Satzung erlassen hat und sich die Antragsteller lediglich in der Bezeichnung geirrt haben. Eine analoge Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, da es sich dabei um eine auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zugeschnittene Norm handelt und § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO für Normenkontrollverfahren eine eigenständige Regelung trifft. Die Auswechslung des Antragsgegners, die innerhalb der Jahresfrist erfolgt ist, ist vielmehr wie eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO zu behandeln (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Januar 1993 - 7 B 158.92 -; VGH Hessen, Beschl. v. 5. August 1987 - 5 N 538/85 -, jeweils zit. nach JURIS). § 91 VwGO ist im Normenkontrollverfahren entsprechend anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 8. Dezember 2016 - 4 CN 4.16 -, zit. nach JURIS; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. A., § 91 Rdnr. 4, m.w.N.; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 91 Rdnr. 94). Diese subjektive Antragsänderung ist zulässig, weil sich die Beteiligten rügelos auf sie eingelassen haben (§ 91 Abs. 2 VwGO); sie wäre im Übrigen auch sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO.

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Dass die Antragsteller mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 noch weitere Einwendungen gegen die Satzung erhoben haben, führt nicht zu einer teilweisen Unzulässigkeit des Antrags. Der Normenkontrollantrag richtete sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin von vornherein nicht nur gegen § 5 Abs. 1 und 2 BS 2015, mit dem die Beitragssätze festgelegt werden. Vielmehr war der Antrag umfassend gestellt; lediglich die Begründung beschränkte sich ausdrücklich auf Einwendungen gegen einzelne Satzungsregelungen. Auch die Erklärung der Antragsteller mit Schriftsatz vom 30. August 2016, dass die Unwirksamkeit der Satzung auf die Fehlerhaftigkeit der Beitragssätze gestützt und andere zeitweilig in Betracht gezogene andere Unwirksamkeitsgründe nicht geltend gemacht werden sollten, betraf allein die Begründung des Antrags und nicht dessen Gegenstand. Dies ergibt sich schon daraus, dass dieser Schriftsatz auf eine Aufforderung des Berichterstatters mit Verfügung vom 8. August 2016 erfolgte. Danach sollten die Antragsteller, falls sie eine Unwirksamkeit der Satzung auch aus anderen Gründen annähmen, diese Einwendungen nunmehr erheben, damit die Antragsgegnerin insoweit Stellung nehmen könne. Im Übrigen wäre eine Antragsbeschränkung auf die Regelung des § 5 Abs. 1 und 2 BS 2015 sinnlos gewesen, da bei einer Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen die Satzung ohnehin gesamtnichtig ist.

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Soweit mit dem Antrag § 15 Abs. 1 und 2 BS 2015 angegriffen wird, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung bestimmter Pflichten aus den §§ 12 und 13 BS 2015 jeweils eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OWiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 21. Februar 2017 - 4 K 168/14 - und - 4 K 185/16 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Da § 15 Abs. 1 und 2 BS 2015 über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.

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II. Soweit er zulässig ist, ist der Antrag begründet.

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Die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen sind zwar nicht durchgreifend (1. - 2.). Die §§ 1 bis 14, 15 Abs. 3 und 16 BS 2015 sind aber deshalb ungültig (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da die in § 5 Abs. 1 und 2 BS 2015 festgesetzten Beitragssätze die jeweils höchstzulässigen Beitragssätze in einem solchen Umfang unterschreiten, dass eine zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führende Verletzung der Beitragserhebungspflicht des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vorliegt (3.). Auf die Fehlerhaftigkeit der von den Antragstellern gerügten Bestimmungen des § 4 BS 2015 kommt es danach nicht mehr an (4.).

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1. Die Gleichbehandlung von kommunalen Einleitern und industriellen Großeinleitern nach dem Vollgeschossmaßstab des § 4 BS 2015 verstößt entgegen der Auffassung der Antragsteller weder gegen das Vorteilsprinzip (a) noch gegen das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip (b) noch gegen den Gleichheitsgrundsatz (c).

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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BS 2015 werden der allgemeine Herstellungsbeitrag und der Herstellungsbeitrag II nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab berechnet, der im Wesentlichen auf die (zulässige) Zahl der Vollgeschosse (§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 4 BS 2015) sowie die Grundstücksfläche nach ihrer baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit (§ 4 Abs. 3 BS 2015) abstellt (sog. Vollgeschossmaßstab).

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a) Nach sachsen-anhaltischem Landesrecht ist von einem eher aufgabenbezogenen Begriff der öffentlichen Einrichtung auszugehen (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -, zit. nach JURIS). Ein Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG LSA besteht (jedenfalls) dann, wenn mit der Anschlussnahme an die Einrichtung bzw. der Möglichkeit dazu eine grundsätzliche Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswertes und dadurch des Verkehrswertes des Grundstückes verbunden ist. Es handelt sich dabei um einen durch die (Möglichkeit der) Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung vermittelten besonderen wirtschaftlichen Nutzen, der den objektiven Gebrauchswert des Grundstückes steigert, ohne dass es von Belang wäre, ob der Wertzuwachs konkret bezifferbar ist, sofern das Grundstück nach der Verkehrsauffassung in seinem Wert steigt. Da der Beitrag nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA also den durch die Anschlussnahme bzw. die Möglichkeit der Anschlussnahme der Einrichtung vermittelten Vorteil abgelten soll, ist nach dem Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt im Anschlussbeitragsrecht bei der Vorteilsbemessung i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA vorrangig den Unterschieden in der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der Einrichtung Rechnung zu tragen. Daraus folgt, dass hinsichtlich der Schmutzwasserbeseitigung neben der anrechenbaren Grundstücksfläche auch die Anzahl der (zulässigen) Vollgeschosse berücksichtigt werden darf. Denn insoweit vergrößert sich mit steigender baulicher Nutzung und zu erwartendem steigenden Schmutzwasseranfall auch der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstückes (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v 5. Mai 2011 - 4 L 175/09 -, zit. nach JURIS). Ein nutzungsbezogener Flächenmaßstab und damit auch der in der angegriffenen Satzung verwendete Vollgeschossmaßstab verstößt danach nicht gegen das Gebot, Beiträge nach Vorteilen zu bemessen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31. August 2005 - 4 M 255/05 -, m.w.N.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2166). Dass es einige wenige (industrielle) Großeinleiter gibt, zwingt unter Vorteilsgesichtspunkten schon nicht zu einer Änderung oder Ergänzung des Maßstabes oder zur Vornahme besonderer Vereinbarungen mit diesen Großeinleitern, unabhängig von der Zulässigkeit solcher Regelungen und Vereinbarungen. Da vorrangig den Unterschieden in der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der Einrichtung Rechnung zu tragen ist und daher die abwasserrelevante Nutzbarkeit eines Grundstückes Basis für den Beitragsmaßstab sein muss, kann es - anders als im Benutzungsgebührenrecht - nicht auf Art und Umfang der tatsächlichen Einleitung von Abwasser ankommen (vgl. auch OVG Thüringen, Urt. v. 17. November 2015 - 4 KO 252/12 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 13. November 2001 - 4 K 24/99 -, jeweils zit. nach JURIS). Ansonsten könnten unbebaute, aber bebaubare Grundstücke nicht herangezogen werden. Ein genereller Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke wäre mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA unvereinbar, da es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, dass von solchen Grundstücken aus die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung typischerweise stärker als von Wohngrundstücken aus benutzt wird (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Dezember 2016 - 4 M 221/16 (4 M 171/16) -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2171; Rdnr. 1041; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31. August 2005 - 4 M 255/05 -, m.w.N.; Rosenzweig/Freese/v. Waldthausen, NdsKAG, § 6 Rdnr. 208, m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. November 2009 - 2 S 434/07 -, zit. nach JURIS; vgl. weiter BVerwG, Beschl. v. 30. April 1996 - 8 B 31.96 - und Beschl. v. 26. Juli 1993 - 8 B 85.93 -, jeweils zit. nach JURIS). Besondere Regelungen für Großeinleiter (vgl. z.B. § 20 Satz 1 SächsKAG; vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1184a) bestehen in Sachsen-Anhalt gerade nicht. Ein möglicher Sonderfall, der zu differenzierten Maßstabsregelungen zwingen könnte, wären planungsrechtliche Vorgaben, mit denen eine abwasserintensive Nutzungsmöglichkeit für bestimmte Grundstücke festgelegt wurde, wobei es nicht darauf ankommt, ob und inwieweit von der abwasserintensiven Nutzungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wird (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 22. Oktober 1998 - 23 B 96.4172 -, zit. nach JURIS). Dass solche Vorgaben im Satzungsgebiet bestehen, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht. Die Antragsgegnerin hat dies vielmehr ausdrücklich bestritten.

30

b) Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips ist ebenfalls nicht gegeben. Es besagt als der auf den Beitrag bezogene Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots, dass der Beitrag nicht in einem Missverhältnis zu dem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen darf; dabei schützt es nur vor einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen dem Beitrag und dem einem Grundstück durch die öffentliche Einrichtung vermittelten Vorteil (BVerwG, Beschl. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -; Beschl. v. 11. Dezember 2006 - 10 BN 3.06 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10. März 2011 - 4 L 67/09 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Fall eines Beitragssatzes (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 BS 2015) für die Schmutzwasserentsorgung von 2,02 € pro m2 der gewichteten beitragspflichtigen Grundstücksfläche (allgemeiner Herstellungsbeitrag) bzw. 0,73 € pro m2 der gewichteten beitragspflichtigen Grundstücksfläche (Herstellungsbeitrag II) keinesfalls erfüllt.

31

c) Der nutzungsbezogene Flächenmaßstab in der angegriffenen Beitragssatzung verstößt trotz des Fehlens weiterer Regelungen oder Vereinbarungen für (industrielle) Großeinleiter auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. dazu allgemein OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31. August 2005 - 4 M 255/05 -, m.w.N.). Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip sehr weite Grenzen gezogen (so BVerwG, Beschl. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -; Beschl. v. 22. März 2007 - 10 BN 5.06 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Soweit vertreten wird, dass der Gleichheitssatz es gebieten könnte, die Eigentümer solcher Grundstücke, die in besonders abwasserintensiver Weise genutzt werden, mit höheren Beiträgen zu belasten, wenn die ihretwegen erforderlich gewordene größere Dimensionierung und bessere Ausstattung der Kläranlage auch tatsächlich beitragsfähige Mehrkosten verursacht hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. November 2009 - 2 S 434/07 -; vgl. auch VGH Bayern, Beschl. v. 16. März 2005 - 23 BV 04.2295 -; VG Würzburg, Urt. v. 9. Mai 2012 - W 2 K 11.1038 -, jeweils zit. nach JURIS), folgt der Senat dem nicht (noch offen gelassen in OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10. März 2011, a.a.O.). Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz könnte nur an die unterschiedlich hohen Einleitmengen von industriellen Großeinleitern und den übrigen Einleitern anknüpfen. Dass den Grundstücken dieser Großeinleiter durch die Schaffung der Anschlussmöglichkeit eine derartige Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts zuteil werde, dass es grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt wäre, die entsprechend größeren Vorteile im Wege einer an sich zulässigen Typisierung zu vernachlässigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. November 2009 a.a.O.), ist nach dem in Sachsen-Anhalt geltenden Vorteilsbegriff des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG LSA gerade nicht der Fall. Die Verursachung unterschiedlich hoher Aufwendungen trotz eines vergleichbaren beitragsrechtlichen Vorteils ist von vornherein ungeeignet, eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen. Denn das Kommunalabgabengesetz stellt mit § 6 Abs. 5 KAG LSA für die Beitragsbemessung bewusst nicht auf die durch das Grundstück verursachten Entsorgungskosten ab. Danach gilt nicht das Veranlassungsprinzip, sondern das Solidarprinzip, und jeder Grundstückseigentümer hat sich an den Kosten der Einrichtung nur in dem Umfang zu beteiligen, in dem sein Grundstück Vorteile von der Einrichtung hat (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2149; vgl. weiter OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13. Januar 2011 - 2 LB 17/10 -; VGH Bayern, Urt. v. 23. Juli 2009 - 20 BV 08.1197 -, jeweils zit. nach JURIS).

32

d) Es kann danach offen bleiben, ob nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. November 2011 - 9 B 41.11 -; Beschl. v. 24. September 2009 - 9 BN 1.09 -; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 L 181/07 -, jeweils zit. nach JURIS) eine Gleichbehandlung jedenfalls gerechtfertigt wäre. Die Anwendung dieses Grundsatzes wäre angesichts der erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten, die mit zusätzlichen Regelungen oder besonderen Vereinbarungen verbunden wären, nicht ausgeschlossen (so i.E. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. November 2009, a.a.O.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 667i, m.w.N.).

33

2. Auch verstoßen die festgesetzten Beitragssätze in § 5 Abs. 1 und 2 BS 2015 nicht gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. dazu allgemein OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010 - 4 L 341/08 -, zit. nach JURIS).

34

Zum beitragsfähigen Aufwand gehört beim Herstellungsbeitrag der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zu schaffen. Dabei ist, um den Anforderungen des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA zu genügen, lediglich der Aufwand abzuziehen, der notwendig geworden ist, um nach dem 15. Juni 1991 erstmals Grundstücken eine Anschlussmöglichkeit zu bieten (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 -, zit. nach JURIS, Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2126).

35

a) Die Kosten für den zusätzlichen Ausbau der Kläranlage A-Stadt auf der Grundlage der im Jahr 2012 erteilten Genehmigung mussten nicht deshalb aus dem Aufwand für die streitbefangenen Herstellungsbeiträge ausgeschieden werden, weil die bis zum Jahr 2000 unstreitig ausgebaute Kläranlage schon zu diesem Zeitpunkt als Teileinrichtung fertig hergestellt worden war und es sich daher bei dem zusätzlichen Ausbau um eine Erweiterung der (Teil)Einrichtung handelte (so Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2130, Rdnr. 975, 978).

36

Voraussetzung für die Herstellung einer öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zur Abwasserentsorgung ist die Aufstellung eines Abwasserbeseitigungskonzepts durch die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 -, zit. nach JURIS), so dass dieses Konzept auch entscheidend für die Frage ist, wann eine Einrichtung als fertig hergestellt zu betrachten ist. Denn das Abwasserbeseitigungskonzept ist maßgebend für den Umfang der (erstmaligen) Herstellung der Einrichtung und der Abgrenzung zu anderen beitragspflichtigen Maßnahmen. Zum beitragsfähigen Aufwand gehört beim Herstellungsbeitrag der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die Einrichtung entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept zu schaffen und sie ist erst dann (fertig) hergestellt, wenn die Gesamtanlage in der gesamten Ausdehnung entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept betriebsbereit geschaffen worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Oktober 2009, a.a.O.; Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 252/04 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O. § 8 Rdnr. 2126; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5. Oktober 2011 - 4 L 172/11 -). Die Merkmale der erstmaligen Fertigstellung sind durch das Gesetz nicht vorgegeben; auch bedarf es dafür keiner Regelung in der Satzung. Vielmehr besteht bezüglich Art und Umfang der Maßnahmen und deren zeitlicher Durchführung ein als Planungsermessen bezeichneter Gestaltungsspielraum der insoweit verpflichteten Körperschaft, der seine Grenze erst im Willkürverbot findet (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010 - 4 L 347/08 -, zit. nach JURIS).

37

Soweit die Antragsteller vortragen, dass nach der „Genehmigungsplanung und dem damaligen Anlagenkonzept des ZAW“ die Kläranlage bereits im Jahr 2000 erstmals endgültig hergestellt gewesen sei, obwohl das Kanalnetz noch nicht gleichzeitig mit der Kläranlage ebenfalls erstmalig hergestellt gewesen sei, machen sie schon nicht geltend, dass es sich dabei um ein Abwasserbeseitigungskonzept gehandelt habe. Dem ersten für das Gebiet der Antragsgegnerin erstellten Abwasserbeseitigungskonzept des Zweckverbandes für Abwasserentsorgung A-Stadt vom 11. Dezember 2006 lässt sich nicht in hinreichender Weise entnehmen, dass der Verband die Kläranlage schon im Jahr 2000 als bereits fertig hergestellt ansah. Vielmehr wird in dem Erläuterungsbericht ausdrücklich darauf verwiesen, dass im Rahmen der Erweiterung des Schlachthofes in A-Stadt der Ausbau der Verbandskläranlage auf 114.750 EW geplant sei. Der Umstand, dass in dem Erläuterungsbericht und auch der dazugehörenden Tabellenübersicht der Klärwerke von einer „Erweiterung“ der Kläranlage gesprochen wird, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei ersichtlich um einen untechnischen Gebrauch dieser Formulierung als Synonym für den im Zusammenhang mit der Kläranlage mehrfach benutzten Begriff „Ausbau“ (vgl. im Gegensatz dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010, a.a.O., in dem ein „Erneuerungskonzept“ aufgestellt worden war).

38

Ob trotz Fehlens eines Abwasserbeseitigungskonzeptes eine Kläranlage schon als Teileinrichtung als fertig hergestellt betrachtet werden kann, muss nicht im Einzelnen geklärt werden. Jedenfalls müsste eine mit einem Abwasserbeseitigungskonzept insoweit vergleichbare, für Dritte erkennbare und schriftlich fixierte Willensäußerung der zuständigen Körperschaft vorliegen, ab wann die Kläranlage vor der Herstellung der gesamten Einrichtung als fertig hergestellt angesehen werden solle. Eine solche Willensäußerung ist weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus der von den Antragstellern genannten Genehmigungsplanung oder dem Anlagenkonzept.

39

An ihrem Vorbringen, sowohl der Zweckverband als auch die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR hätten auch das zu der „alten“ Kläranlage zugehörige Kanalnetz als bereits endgültig hergestellt betrachtet, halten die Antragsteller nach den Ausführungen ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr fest. Zudem haben sie auch insoweit nicht geltend gemacht, diese Festlegungen seien in einem Abwasserbeseitigungskonzept getroffen worden, sondern auf die Definition der Einrichtungen in den Abwasserbeseitigungssatzungen des Zweckverbandes und der Anstalt verwiesen. Eine Widmung von Anlagen oder Anlagenteilen als öffentliche Einrichtung, der Erlass einer Abgabensatzung, die Erhebung von Abgaben oder auch die Wiedergabe des Planungswillens der Körperschaft in Einzelunterlagen können ein Abwasserbeseitigungskonzept aber nicht ersetzen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12. November 2011 - 4 L 140/09 -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2126, m.w.N.). Dass vor Geltung des ersten Abwasserbeseitigungskonzepts eine vergleichbare Willenserklärung des Zweckverbandes vorlag, ist schon nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.

40

b) Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller dienen die beiden neu errichteten Regenüberlaufbecken nicht vollständig der Niederschlagsentwässerung. Wenn die Becken in einer in eine Kläranlage entwässernde Mischwasserkanalisation eingebunden sind und damit für die Funktion des Netzes notwendig sind, handelt es sich nicht um Niederschlagswasserbauwerke, sondern um Mischwasseranlagen, auf die aus Praktikabilitätsgründen der für das Mischwasserkanalnetz anwendbare Kostenverteilungsschlüssel angewandt werden kann (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 26. August 2015 - 5 A 786/13 -, zit. nach JURIS: pauschal 50 % für Schmutzwasserentsorgung; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 31. März 2003 - 23 B 02.1936 -, zit. nach JURIS). Nur wenn die Becken - was sich auch aus der von den Antragstellern als Beleg für ihre Auffassung zitierten Stelle der Kalkulation (BA R, Bl. 104) ergibt - zur reinen Entlastung des Vorfluters dienen, muss möglicherweise eine vollständige Zuordnung zu der Niederschlagsentwässerung erfolgen. Die Antragsgegnerin hat aber unwidersprochen dargelegt, dass die Becken hydraulisch den Zufluss zur Kläranlage begrenzen.

41

Dass der in der Kalkulation für das Mischwasserkanalnetz berechnete Verteilungsschlüssel von 43,47 % für den Schmutzwasserbeseitigungsanteil, der nach der sog. Dreikanalmethode errechnet worden ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2142; zum Gebührenrecht: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24. November 2010 - 4 L 115/09 -, zit. nach JURIS), für sich genommen fehlerhaft ist, ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern dargelegt.

42

c) Der beitragsfähige Aufwand ist nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 4 KAG LSA um einen auf die Ableitung von unzulässig in die Anlagen eindringendes oder eingeleitetes Drän- oder Regenwasser (Fremdwasser) entfallenden Anteil zu vermindern (so auch VG Halle, Urt. v. 18. Dezember 2009 - 4 A 308/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 738; OVG Sachsen, Urt. v. 18. Dezember 2013 - 5 D 18/07 - und v. 28. Oktober 2010 - 5 D 5/06 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24. März 1983 - 2 S 361/81 -, LS zit. nach JURIS; noch offen gelassen in OVG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 10. März 2011 - 4 L 67/09 -, zit. nach JURIS).

43

Nach den einschlägigen technischen Regelwerken wird bei der Bemessung der Größe der Schmutzwasserkanäle für Fremdwasser ein „Sicherheitszuschlag“ empfohlen. Teilweise wird eine Berücksichtigung des Kostenanteils für das Fremdwasser bzw. dieses „Sicherheitszuschlags“ im Rahmen des sog. „Gemeindeanteils“ verlangt (VG Potsdam, Urt. v. 18. September 2008 - 9 K 1128/05 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1843). Ein Abzug derjenigen Kosten, die sich daraus ergeben haben, dass die Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung technisch so ausgerichtet ist, dass sie einen bestimmten „Fremdwassereintrag“ verkraften kann, wäre nach § 6 Abs. 5 Satz 4 KAG LSA vorzunehmen, wenn ein Vorteil der Allgemeinheit bestünde, der - wie etwa der Straßenentwässerungsanteil an der Oberflächenentwässerung - über den jedem baulich nutzbaren oder genutzten Grundstück vermittelten Vorteil hinausgeht (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27. April 2006 - 4 L 186/05 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Der konstruktive Fremdwasserzuschlag und die dadurch bewirkte etwas größere Auslegung von Anlagenteilen (z.B. der Kanalquerschnitte) kommt aber den Benutzern der Einrichtung zugute; dies entspricht dem Vorsorgegedanken. Die Aufnahmefähigkeit für Abwässer und die Funktionssicherheit der Einrichtung sollen auch bei widrigen Umständen möglichst jederzeit gewährleistet sein. Auch in solchen Situationen sollen eine Kapazitätsüberlastung, gegebenenfalls Rückstaus und Grundstücksüberschwemmungen vermieden werden. Dies kommt ebenso wie die Einrichtung überhaupt den Benutzern im Verbandsgebiet zu Gute und gegebenenfalls sonstigen rechtmäßigen Benutzern. Insoweit ist insbesondere auch keine Kostenaufteilung wegen nebenbei erfolgender Niederschlagswasserbeseitigung veranlasst. Dass die Einrichtung Schächte aufweist, bei denen in Kauf genommen werden muss, dass in Extremsituationen von der normalen Niederschlagsentwässerung nicht gefasstes Niederschlagswasser eindringen kann, ändert nichts an der alleinigen Zweckbestimmung der Einrichtung und aller ihrer Funktionselemente zur gesicherten Schmutzwasserentsorgung. Hinsichtlich der Art und Weise der Zweckerreichung (hier: Fremdwasserzuschlag) besteht ein Gestaltungsspielraum für den Einrichtungsträger, zumal eine technisch dichte Lösung zwar auf der einen Seite zu bestimmten Ersparnissen geführt hätte (so etwa durch geringere Rohrdurchmesser), auf der anderen Seite aber mit gewissen Mehraufwendungen verbunden gewesen wäre (so etwa erhöhtem Aufwand für besonders korrosionsbeständige Materialien oder Korrosionsschutz, Aufwand für häufige Druck- und Dichtigkeitsprüfungen, ggf. auch häufigerer Austausch von Teilen (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. Juli 2013 - OVG 9 B 64.11 -, zit. nach JURIS; a.M.: Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1843). Soweit die Antragsteller auf eine Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 24. März 2014 (- 9 LC 191/11 -, zit. nach JURIS) verweisen, war dort die Erhebung von Niederschlagswassergebühren streitbefangen. Für die Beitragserhebung lässt sich der Entscheidung - wovon die Antragsteller hinsichtlich einer von der Antragsgegnerin genannten Entscheidung sogar selbst ausgehen - nichts entnehmen.

44

Ob eine andere Bewertung geboten ist, wenn der Einrichtungsträger auf Grund eigener Untätigkeit einen außergewöhnlich hohen Fremdwasseranteil zu verantworten hat (vgl. dazu OVG Sachsen, Urt. v. 18. Dezember 2013, a.a.O.), kann offen bleiben. Eine solche Fallgestaltung ist schon weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin unter Vorlage entsprechender Unterlagen (Eigenüberwachungsergebnisse der Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR für die Jahre 2015 bis 2017) hinreichend belegt, dass der Fremdwasseranteil stetig gesunken ist.

45

d) Die Aufwendungen für Kanalsanierungen mussten nicht als (zumindest teilweiser) Erhaltungsaufwand für Instandsetzung und Instandhaltung behandelt werden.

46

Die Kosten der Sanierung für Altkanäle, d.h. für Ersatzinvestitionen in Anlagen, die bereits am 15. Juni 1991 vorhanden waren, dürfen in den Aufwand für den Herstellungsbeitrag II einbezogen werden, selbst wenn die Sanierungsmaßnahmen bis zum Ende des Kalkulationszeitraumes ausgedehnt werden. Die Einbeziehung auch solcher Ersatzinvestitionen, die erst nach der wesentlichen Fertigstellung der Anlage im Übrigen durchgeführt werden, widerspricht dabei nicht Sinn und Zweck des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. Oktober 2017 - 4 L 81/17 -). Es handelt sich auch nicht um eine nicht beitragsfähige laufende Unterhaltung oder Instandsetzung der Einrichtung, sondern allein um Aufwand der - nach dem maßgeblichen Abwasserbeseitigungskonzept - nach wie vor nicht abgeschlossenen erstmaligen Herstellung der Einrichtung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. Oktober 2017 - 4 L 81/17 -; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. Juli 2013 - OVG 9 B 64.11 -, zit. nach JURIS). Soweit die Antragsteller auf Darlegungen des Landesrechnungshofes zur Abgrenzung von Herstellung und Erhaltung hinweist sowie darauf, dass die Entscheidung des Senats vom 28. Oktober 2009 zur „Kameralistik“ ergangen sei, ergibt sich daraus nichts anderes. Die Bilanzierungsmethode hat für die Beantwortung der rechtlichen Frage, ob Kosten der Sanierung für Altkanäle in den Aufwand für den Herstellungsbeitrag II eingestellt werden dürfen, keine Bedeutung.

47

Dass in die Kalkulation Unterhaltungskosten für erst nach dem 15. Juni 1991 gebaute Kanäle eingestellt worden sind, ist ebenfalls weder ersichtlich noch überhaupt von den Antragstellern substanziiert geltend gemacht worden.

48

e) Ob die Altkanäle als Provisorien anzusehen sind (vgl. dazu allgemein OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12. Oktober 2011 - 4 L 140/09 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2127, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 5. Juli 2007 - 4 L 229/06 - zit. nach JURIS), hat - wie die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht - für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beitragssatzung keine Bedeutung. Es handelt sich dabei um eine Frage, die allein die konkrete Beitragserhebung im Einzelfall betrifft. Im Übrigen spricht alles dafür, dass das Altkanalnetz nach dem Willen sämtlicher Einrichtungsträger eine dauerhafte Entsorgungsmöglichkeit bieten sollte.

49

f) In der Kalkulation für den Herstellungsbeitrag II sind keine Kosten für Aufwendungen enthalten, die allein dem allgemeinen Herstellungsbeitrag zuzuordnen sind.

50

Bei dem Herstellungsbeitrag II handelt es sich dem Grunde nach um einen Herstellungsbeitrag i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, der sich lediglich wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von einem „normalen“ Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Entsorgungsanlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d.h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss. Danach gehört zum beitragsfähigen Aufwand beim Herstellungsbeitrag II der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die jeweilige öffentliche leitungsgebundene Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept zu schaffen und es ist lediglich der Aufwand abzuziehen, der notwendig geworden ist, um nach dem 15. Juni 1991 erstmals Grundstücken eine Anschlussmöglichkeit zu bieten (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. Februar 2016 - 4 L 119/15 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2225).

51

(1) Konkrete Anhaltspunkte, dass in dem Herstellungsbeitrag II Aufwendungen enthalten sind, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt abgeschlossene Investitionen betreffen und damit nicht nach dem 15. Juni 1991 getätigt worden sind bzw. dass nach dem 15. Juni 1991 angefallene Übernahmekosten von vor diesem Zeitpunkt errichteten Altanlagen (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. Oktober 2017 - 4 L 81/17 -) berücksichtigt worden sind, gibt es nicht. Die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass keine derartigen Übernahmekosten in der Kalkulation enthalten seien. Der bloße Hinweis der Antragsteller, es seien z.B. für das Anschaffungsjahr 1996 auffällig umfangreiche Anschaffungs- und Herstellungskosten für das Kanalnetz eingestellt worden, ist demgegenüber nicht ausreichend. Die Annahme, möglicherweise sei damit vor dem 15. Juni 1991 angefallener Aufwand in die Kalkulation eingegangen, weil es sich bei diesen Positionen um die Wiedergabe des Buchwertes der Altanlagenteile zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Zweckverband für Abwasserentsorgung A-Stadt gehandelt habe, wird damit nicht belegt. Dem steht schon entgegen, dass überhaupt nur etwa ein Viertel dieser Kanäle in der Kalkulation mit Aufwendungen bei dem Herstellungsbeitrag II eingerechnet wird. Ein weiteres Viertel dieser Kanäle wird mit 0,- € bei den Anschaffungs-/Herstellungskosten gewertet, die restlichen Kanäle werden nur bei dem allgemeinen Herstellungsbeitrag berücksichtigt.

52

Soweit die Antragsteller geltend machen, wegen fehlender Unterlagen zu dem Anlagenverzeichnis und der Übernahme von Altanlagen sei keine Prüfung möglich, ob Kosten für Kanäle zu Recht angesetzt worden seien, und es stelle auch einen systematischen Fehler dar, dass die Kalkulation keine Angaben zu Art, Ausführung und Herstellungsjahr sowie zu der Frage enthalte, ob die Übernahme entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt sei, haben sie keinen Erfolg. In der Kalkulation werden die Kanäle im Einzelnen mit einer genauen Bezeichnung aufgelistet und das Herstellungsjahr, die Anschaffungskosten und der Restbuchwert genannt. Weiter wird angegeben, ob und in welcher Höhe diese Aufwendungen in die Kalkulation des Herstellungsbeitrages II eingegangen sind. Es wäre Sache der Antragsteller gewesen, sich - gegebenenfalls mit einer gerichtlich durchzusetzenden - Einsicht in die Verwaltungsunterlagen weitere Informationen zu verschaffen.

53

(2) Soweit Aufwendungen in Rede stehen, die unter (1) fallen oder ausschließlich Investitionen für die nach dem 15. Juni 1991 neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete betreffen, sind sie allein im allgemeinen Herstellungsbeitrag zu berücksichtigen. Insoweit ist in der Kalkulation des Herstellungsbeitrages II ein Betrag in Höhe von 14.709.850,- € vom beitragsfähigen Aufwand des allgemeinen Herstellungsbeitrages (48.932.751,48 €) in Abzug gebracht worden. Diese Aufwendungen wurden nach der Kalkulation nicht als beitragsfähig für den Herstellungsbeitrag II angesehen. Im Anschluss daran sind, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist, Fördermittel und Zuwendungen, gemindert um Auflösungsbeträge, in einer Höhe von 7.053.823,54 € abgezogen worden.

54

(3) Zu Unrecht ist dann allerdings der Restbetrag von 27.169.077,62 € mit einem Anteilsfaktor von 0,5578 multipliziert worden, um nach der Kalkulation eine Abgrenzung der auf den Herstellungsbeitrag II entfallenden Aufwendungen zu erzielen, weil dieser (nur) die anteiligen Investitionen zur ausschließlichen Erweiterung des Entsorgungsgebietes berücksichtige.

55

Soweit Aufwendungen vollständig den Altanschlussnehmern zugutekommen, d.h. Investitionen betreffen, die allein der Entsorgung ihrer Grundstücke dienen (z.B. Sanierungskosten von Altkanälen, die keine Grundstücke von Neuanschlussnehmern entsorgen), sind sie in voller Höhe sowohl dem allgemeinen Herstellungsbeitrag als auch dem Herstellungsbeitrag II zuzuordnen. Denn dabei handelt es sich um Kosten der Herstellung der Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, die gerade nicht von § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA erfasst sind. Eine solche Kostenaufteilung ist der Kalkulation nicht zu entnehmen. Dass es derartige Aufwendungen nicht gegeben haben soll, ist schwer vollstellbar.

56

Aber selbst wenn es sich bei dem in Rede stehenden Restbetrag um nach dem 15. Juni 1991 getätigten und nicht (1) unterfallenden Aufwand für Anlagen(teile) handelt, die sowohl der Entsorgung von Altanschließern als auch von Neuanschließern dienen, ist dieser Aufwand im Rahmen des Herstellungsbeitrages II nicht lediglich teilweise anzusetzen (so aber VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015 - 9 A 253/14 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2225), sondern sowohl bei dem allgemeinen Herstellungsbeitrag als auch bei dem Herstellungsbeitrag II in voller Höhe einzustellen.

57

Nach Sinn und Zweck des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA sollen Altanschlussnehmer (auch) dadurch privilegiert werden, indem sie nicht mit dem Aufwand belastet werden, der nach Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes für die Anschlussnahme weiterer Grundstücke angefallen ist (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -; Urt. v. 25. Mai 2005 - 1 L 21/03 -, jeweils zit. nach JURIS). Mit der in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehenen Differenzierung zwischen anschließbaren und anzuschließenden Grundstücken hat sich der Gesetzgeber von der Annahme leiten lassen, dass die Anschlussmöglichkeit, die für Grundstückseigentümer, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen waren, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert war, so dass ihnen eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden ist (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18. November 2004 - 1 M 62/04 -, zit. nach JURIS). Diese Privilegierung der Altanschlussnehmer besteht jedoch allein darin, dass Aufwand für die nach dem 15. Juni 1991 geschaffenen Anlagenteile, die ausschließlich dazu dienen, neue Flächen durch die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zu erschließen, bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages ausgeschieden wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 24. April 2006 - 4 L 213/05 -; Beschl. v. 18. November 2004 - 1 M 62/04 -, a.a.O.). Eine weitergehende Privilegierung dergestalt, dass Aufwand für Anlagenteile, die sowohl Neu- als auch Altanschließern dienen, bei dem Herstellungsbeitrag II - im Gegensatz zu dem allgemeinen Herstellungsbeitrag - nur zu einem bestimmten Anteil eingestellt wird, lässt sich der Zweckbestimmung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nicht entnehmen. Kosten für Maßnahmen an vor dem 15. Juni 1991 gebauten Anlagen sowie für den Neubau von Anlagen nach dem 15. Juni 1991 sind daher nur dann aus der Kalkulation für den Herstellungsbeitrag II auszuscheiden, wenn diese Maßnahmen allein den Neuanschließern dienen (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24. April 2006, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 252/04 -, zit. nach JURIS).

58

Danach ist ein Betrag in Höhe von 12.014.166,12 € zu Unrecht von dem beitragsfähigen Aufwand für den Herstellungsbeitrag II abgezogen worden, so dass sich der umlagefähige Aufwand auf 27.169.077,62 € beläuft, mit der Folge, dass der höchstzulässige Beitragssatz für den Herstellungsbeitrag II schon dadurch um mindestens 0,68 €/m2 ansteigt.

59

g) Hinsichtlich der durch die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR auch tatsächlich entsorgten Grundstücke der sog. Autobahnsiedlung (Z.) ist nach dem substanziierten Vorbringen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung nicht nur der darauf entfallende Aufwand, sondern auch die Fläche der Grundstücke in die Flächenermittlung aufgenommen worden. Dem sind die Antragsteller nicht substanziiert entgegengetreten.

60

h) Soweit die Antragsteller geltend machen, bis 2000 und danach habe der Zweckverband für Abwasserentsorgung A-Stadt bzw. der von ihm beauftragte Betriebsführer, die Stadtwerke A-Stadt GmbH, pflichtwidrig keine Fördermittel für die Herstellung der Kläranlage beantragt, ist schon fraglich, ob nicht realisierte und damit „fiktive“ Zuwendungen in der Kalkulation zu berücksichtigen sind. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn eine Gewährung hinreichend sicher erfolgt wäre und somit ein pflichtwidriges Unterlassen der zuständigen Körperschaft vorlag. Allerdings fehlt es insoweit schon an einer Substanziierung der Antragsteller. Ihre Behauptung, nach der „damaligen Praxis“ habe mit einer Förderung von „bis zu 68 % der Herstellungskosten sicher gerechnet werden können“, belegen sie nicht einmal ansatzweise. Der bloße Verweis auf eine Zeugenaussage der ehemaligen Verbandsgeschäftsführerin und die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht ausreichend. Demgegenüber stellt die Antragsgegnerin im Einzelnen dar, dass 1995 und 1996 Fördermittel in erheblicher Höhe beantragt und abgelehnt worden seien.

61

i) Die mit dem Investitionsaufwand verrechenbare Abwasserabgabe gem. § 10 Abs. 4 AbwAG ist im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller nicht im Rahmen der Kalkulation als „verkürzte Abwicklung von Fördermitteln“ als Abzugsposten bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes zu berücksichtigen, da lediglich eine Verminderung der eigentlich zu leistenden Abwasserabgabe bewirkt wird (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015 - 9 A 253/14 -, zit. nach JURIS; wohl auch VGH Hessen, Beschl. v. 10. Mai 2012 - 5 C 3180/09.N -, zit. nach JURIS). Die für die Einrichtung geleisteten Abwasserabgaben sind Kosten der Einrichtung i.S.d. § 5 Abs. 2 KAG LSA (vgl. auch § 7 Abs. 3 Satz 2 AG AbwAG LSA), die durch Benutzungsgebühren gedeckt werden. Soweit der Antragsgegnerin bzw. dem Zweckverband für Abwasserentsorgung A-Stadt Kosten durch die Abgabepflicht nach dem Abwasserabgabengesetz nicht entstanden sind, weil mit Investitionen verrechnet wurde, konnte allein der nur fiktive Aufwand nicht gem. § 7 Abs. 1, Abs. 3 AG AbwAG LSA auf die Gebührenschuldner abgewälzt werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 9. Oktober 2003 - 1 K 459/01 -, zit. nach JURIS). Dementsprechend sind die Abwasserabgabezahlungen nach der Darstellung der Antragsgegnerin von vornherein nicht in die Kalkulation des Herstellungsbeitrages eingeflossen. Ein von den Antragstellern behaupteter „unmittelbarer Effekt der Abwasserabgabenkürzung auf die Höhe der Investitionskosten“ besteht gerade nicht.

62

Es kann danach weiterhin offen bleiben, ob wegen pflichtwidrig fehlerhaften Anlagebetriebes und der Festsetzung von erhöhten Abwasserabgaben gegen den Zweckverband mindestens 582.527,47 € nicht gem. § 10 Abs. 4 AbwAG verrechnet werden konnten. Selbst wenn es zu einer Verrechnung gekommen wäre, hätte sich der beitragsfähige Herstellungsaufwand nicht verringert.

63

j) Dass über die von der Antragsgegnerin eingestellten Zuwendungen hinaus zum maßgeblichen Zeitpunkt weitere Zuwendungen für die Schmutzwasserbeseitigung gewährt worden sind bzw. sicher zu erwarten waren, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Die Antragsgegnerin legt auch im Einzelnen dar, dass und warum keine weiteren Zuwendungen zu berücksichtigen waren. Ihrem Vorbringen in der Antragserwiderung, aus den Beteiligungsberichten 2015 und 2016 ergebe sich entgegen der Auffassung der Antragsteller lediglich, dass als Fördermittel für 2014 ein Betrag von 30.000,- € und für 2015 ein Betrag von 5.564.000,- € gewährt worden sei und auch nur die die Schmutzwasserentsorgung betreffenden Fördermittel hätten berücksichtigt werden müssen, sind die Antragsteller nicht entgegengetreten. Soweit Fördermittel für den Hochwasserschutz in Höhe von ca. 15 Mio. € in Rede stehen, verweist die Antragsgegnerin ebenfalls unwidersprochen darauf, dass diese Mittel nach Teil E Ziff. 2.1. der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden 2013 nur zur Beseitigung im Einzelnen nachzuweisender hochwasserbedingter Schäden dienten. Damit handelte es sich nicht um Zuwendungen Dritter i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 5 KAG LSA für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung der Antragsgegnerin. Zudem sind diese Fördermittel nach dem substanziierten Vorbringen der Antragsgegnerin größtenteils für nicht in der Kalkulation enthaltene Maßnahmen gewährt worden.

64

k) Hinsichtlich des Vorbringens der Antragsteller, über den Abzug von „Kostenerstattungen“ für Kanäle in Höhe von 236.480,66 € hinaus sei die an die Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR geleistete Kostenbeteiligung der Antragsgegnerin für „Herstellung und Erneuerung Entwässerungskanalisation für öffentliche Straßen in der Straßenbaulast der Stadt Weißenfels“ sowie für „Baukostenzuschüsse“ in Höhe von insgesamt 5.389.900,19 € zu berücksichtigen, führt die Antragsgegnerin aus, dass es sich dabei um die Niederschlagswasserentsorgung betreffende Kostenerstattungen durch sie als Straßenbaulastträgerin handele. Dass diese Beträge als Erstattungen für Aufwendungen für die Schmutzwasserentsorgungseinrichtung gezahlt wurden, ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern substanziiert geltend gemacht. Das Schreiben der Kommunalaufsicht vom 1. Dezember 2015, in dem ihrer Ansicht nach von einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Anstalt und Antragsgegnerin zur Höhe der Kostenbeteiligung an Maßnahmen der Anstalt die Rede sei, betrifft Maßnahmen nach § 25 Abs. 5 StrG LSA, also Maßnahmen der Straßenentwässerung. Der an dieses Schreiben anknüpfende Vortrag der Antragsteller zu möglichen Vereinbarungen mit eingemeindeten Gemeinden ist ebenfalls unsubstanziiert.

65

l) Die über Benutzungsgebühren für die Schmutzwasserbeseitigung erwirtschafteten Abschreibungserlöse bzw. die Abschreibungsbeträge selbst - hier nach der Kalkulation (BA R, Bl. 12, 388) die Abschreibungen bis zum 31. Dezember 2015 - sind jedenfalls für die Zeiträume ab 20. Juni 1996 in der Kalkulation eines Herstellungsbeitrages im Anschlussbeitragsrecht nicht, auch nicht zur Verhinderung einer Doppelbelastung, zu berücksichtigen.

66

(1) Soweit - wie gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in der seit 20. Juni 1996 geltenden Fassung - eine Beitragserhebungspflicht besteht (vgl. LVerfG LSA, Urt. v. 15. Januar 2002 - LVG 3/01 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26. September 2016 - 4 L 12/16 -; Beschl. v. 29. Juni 2015 - 4 M 54/15 -; Beschl. v. 23. Juni 2009 - 4 L 114/09 -, zit. nach JURIS; VG Halle, Urt. v. 24. April 2013 - 6 A 143/11 HAL -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2108) können Aufwendungen für die Herstellung einer Einrichtung originär nur über die Erhebung von Beiträgen und nicht über Benutzungsgebühren erhoben werden (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2109, m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. auch § 2 Abs. 1 BS 2015) bestimmt, dass Beiträge u.a. nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. Diese Regelung soll verhindern, dass die abgabenerhebende Körperschaft den Aufwand, den sie in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung, die durch ihre Entstehungsgeschichte bestätigt wird (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2110), ergibt sich zugleich, dass Abschreibungserlöse - und damit auch Abschreibungsbeträge selbst - jedenfalls bei der Kalkulation von vorliegend in Rede stehenden Herstellungsbeiträgen nicht abzuziehen sind (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. Juli 2003 - 1 M 492/02 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11. Juli 2005 - 4 M 195/05 -; VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015 - 9 A 253/14 MD -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 7. November 2001 - 1 L 152/01 -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2109f., 2147; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 848). Denn während Beiträge i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Kapitalbeschaffung für eine beitragsfähige Maßnahme dienen, soll mit der Berücksichtigung von Abschreibungen auf Herstellungskosten bei der Gebührenkalkulation (vgl. § 5 Abs. 2 a Satz 1 KAG LSA) der Werteverzehr eines Anlageguts während einer Kalkulationsperiode berücksichtigt werden, damit das Kapital erhalten werden kann (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. Juli 2003, a.a.O.). Abschreibungserlöse sind daher nur bei einer Ermittlung eines Erneuerungsaufwandes abzuziehen (so auch VG Halle, Urt. v. 31. März 2005 - 4 A 598/03 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 12. November 2004 - 9 B 295/04 -, jeweils zit. nach JURIS). Dass die eigentlich zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen verpflichtete Körperschaft allein Benutzungsgebühren erhoben hat, steht dem im Hinblick auf die aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA folgende Beitragserhebungspflicht nicht entgegen.

67

(2) Ob auf Grund der bis zum 19. Juni 1996 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA - KAG LSA a.F. -, wonach die Landkreise und Gemeinden Beiträge erheben konnten, bis zu diesem Zeitpunkt eine Deckung des Herstellungsaufwandes (auch) durch Benutzungsgebühren erlaubt war (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 7. September 2000 - 1 K 14/00 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2110), kann offen bleiben. Selbst wenn man annimmt, dass Herstellungskosten zumindest in diesem Zeitraum durch Benutzungsgebühren (teilweise) gedeckt werden konnten, und zudem hier noch eine entsprechende Zwecksetzung bezüglich der in diesem Zeitraum erhobenen Benutzungsgebühren unterstellt, könnten für die Vermeidung einer Doppelbelastung allein die bis 19. Juni 1996 über Gebühren erwirtschafteten Abschreibungserlöse in der Kalkulation des Herstellungsbeitrages vom beitragsfähigen Aufwand abgezogen werden. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob mit der Berücksichtigung von Abschreibungserlösen bei der Kalkulation des Herstellungsbeitrages eine Doppelbelastung in hinreichender Weise ausgeschlossen ist und ob nicht vielmehr ein auf der Billigkeitsebene stattfindender Ausgleich derjenigen Beitragspflichtigen geboten ist, die schon Gebühren bezahlt haben. Denn bei einer Deckung von Herstellungskosten durch Benutzungsgebühren werden diejenigen nicht belastet, die nicht angeschlossen sind, aber durch die Möglichkeit eines Anschlusses einen - beitragsrechtlich relevanten - Vorteil haben.

68

(3) Auch wenn man lediglich den Abzug der Abschreibungen für den Zeitraum ab 20. Juni 1996 rückgängig macht und im Gegenzug den Ansatz von Auflösungsbeträgen bei Zuwendungen und Erstattungen anteilig streicht, verringern sich die in der Kalkulation für den Schmutzwasserbereich angesetzten Abschreibungen, die nach den Erläuterungen der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin 15.485.844,67 € betragen (vgl. auch BA R, Bl. 386 unten, Bl. 388 oben), in erheblichem Umfang. Denn nach der Kalkulation beginnen die längsten Abschreibungszeiträume erst im Jahr 1996; die weitaus meisten Abschreibungszeiträume beginnen sogar erst nach diesem Jahr. Zudem scheint erst Ende 1995 die erste Benutzungsgebührensatzung des Zweckverbandes für Abwasserentsorgung A-Stadt bekannt gemacht worden zu sein. Selbst bei der sehr zurückhaltenden Annahme, dass ein Betrag in Höhe von mindestens 10 Mio. € zu Unrecht als Abschreibungssumme für die Zeiträume ab 20. Juni 1996 angesetzt worden ist, würde der höchstzulässige Beitragssatz für den allgemeinen Herstellungsbeitrag um mindestens 0,56 €/m2 höher liegen.

69

Soweit die Antragsteller darauf abstellen, die Abschreibungen seien nach der Kalkulation vom Aufwand in Abzug gebracht worden, so dass sie deshalb richtig berechnet sein müssten, und die Antragsgegnerin habe die Möglichkeit einer Neukalkulation, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr sind die fehlerhaft einbezogenen Abschreibungen bei der Prüfung der Kalkulation und der Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes nicht zu berücksichtigten. Es handelt sich dabei nicht um eine Entscheidung innerhalb der Kalkulation, für die der beitragserhebenden Körperschaft ein Spielraum eingeräumt ist. Der Ansatz sämtlicher Abschreibungen ist vielmehr eine Entscheidung auf Grund eines rechtlichen Irrtums, vergleichbar mit dem Ansatz von Aufwendungen von Anlagenteilen, die nicht der Schmutzwasserbeseitigung zuzuordnen sind. Darin liegt auch - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - keine bewusste Finanzierungsentscheidung, mit der der Verband gerade auf eine 100%ige Deckung der beitragsfähigen Kosten durch den Herstellungsbeitrag verzichtet hat. Vielmehr wurde in der Beitragskalkulation ausdrücklich (BA R, Bl. 7) ein Abzug zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbelastung angenommen, und die Antragsgegnerin trägt dazu vor, die Berücksichtigung der Abschreibungen sei im Hinblick auf die zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung gemäß dem „Vorsichtsprinzip“ erfolgt.

70

m) Soweit die Antragsteller geltend machen, die bislang übersandten Unterlagen seien derart unvollständig, dass eine gewissenhafte Überprüfung der sachlichen Richtigkeit des Kalkulationsergebnisses nicht gewährleistet sei, und es sei die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich (fehlende Fördermittelbescheide; MIDEWA-Verträge; Nachweise über die durch Gebühren erwirtschafteten Abschreibungen; Angaben zur Verrechnung von Investitionsaufwand mit der Abwasserabgabe; Nachweise zu Kostenerstattungen), haben sie keinen Erfolg.

71

Dass weitere Bescheide zu Fördermitteln, die fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind, oder zu Unrecht nicht berücksichtigte Kostenerstattungen Dritter existieren, ist - wie oben dargelegt - weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Für die Vorlage von über die Berechnungen in Anlage 3 hinausgehenden Nachweisen zu den durch Gebühren erwirtschafteten Abschreibungen besteht schon keine Notwendigkeit. Eine Vorlage von MIDEWA-Verträgen zur Übernahme von Altanlagen und des Anlagenverzeichnisses ist ebenfalls nicht erforderlich. Die Anlage 3 enthält eine Auflistung sämtlicher in die Kalkulationen übernommenen Anlagen(teile). Dass diese Auflistung fehlerhaft ist, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Der von den Antragstellern vertretenen Rechtsauffassung zum Abzug von mit der Investitionsabgabe verrechneten Investitionsaufwand ist schon nicht zu folgen (vgl. II. 2. i).

72

Im Übrigen stand es den Antragstellern während des gesamten Normenkontrollverfahrens frei, unmittelbar bei der Antragsgegnerin eine Akteneinsicht in die von ihr als notwendig erachteten Unterlagen vorzunehmen bzw. eine solche gerichtlich durchzusetzen.

73

3. Nach den obigen Darlegungen beträgt der Unterschied zwischen den festgesetzten und den höchstzulässigen Beitragssätzen jeweils deutlich mehr als die nach der Kalkulation bewusst angenommenen 15 %. Der festgesetzte Beitragssatz für den allgemeinen Herstellungsbeitrag liegt mindestens 31 % unter dem höchstzulässigen Beitragssatz (vgl. 2. l). Bei dem Herstellungsbeitrag II liegt die Unterschreitung bei mindestens 52 % [vgl. 2. f) (3)]; infolge der fehlerhaften Berücksichtigung von Abschreibungen ist die Unterschreitung sogar noch höher. Damit besteht ein durchgreifender Fehler, der zur Nichtigkeit der Satzung führt.

74

Es gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar nicht zu den Aufgaben des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollverfahren, „gleichsam ungefragt“ in die Suche nach Fehlern einer (Abgaben)Satzung einzutreten (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22. Juni 2010 - 4 K 252/08 -, Beschl. v. 28. Oktober 2009 - 4 K 470/08 - und Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; Urt. v. 8. Oktober 2015 - 4 K 115/14 -). Allerdings ist es dem Gericht bei der Prüfung eines Abgabensatzes jedenfalls nicht verwehrt, selbst bei Fehlen entsprechender Rügen zumindest eine Prüfung wichtiger Eckpunkte der Kalkulation vorzunehmen und sich aufdrängenden Mängeln nachzugehen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27. Juli 2006 - 4 K 253/05 -, zit. nach JURIS zu einer Gebührenkalkulation) bzw. eine Überprüfung vorzunehmen, soweit es um die Plausibilität der Berechnung des konkreten Beitragssatzes geht (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010 - 4 L 341/08 -, zit. nach JURIS).

75

Infolge der Beitragserhebungspflicht des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA muss bei Herstellungsbeiträgen grundsätzlich ein aufwandsdeckender Beitragssatz festgesetzt werden (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015 - 9 A 253/14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1617, m.w.N.; so wohl auch Rdnr. 2108, 2111, 2215; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13. Februar 1986 - 12 A 31/85 -, NVwZ 1986, 162f.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. Dezember 2009 - 4 L 159/09 -, zit. nach JURIS zum Straßenausbaubeitragsrecht; BVerwG, Urt. v. 28. November 2007 - 9 C 10.07 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht). Dass § 6 KAG LSA keine dem § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 1 KAG LSA entsprechende Formulierung enthält, steht dem nicht entgegen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn mit der Verpflichtung zur Aufwandsdeckung wird der kommunalhaushaltsrechtlichen Forderung Rechnung getragen, dass die Kommunen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel aus Entgelten für ihre Leistungen, soweit dies vertretbar und geboten ist, und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen haben, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen (vgl. § 99 Abs. 1 und 2 KVG LSA; vgl. auch § 91 Abs. 1 und 2 GO LSA in der bis 30. Juni 2014 geltenden Fassung). Zudem wäre es den beitragserhebenden Körperschaften sonst ohne weiteres möglich, die Beitragserhebungspflicht zu unterlaufen.

76

Eine bewusste Finanzierungsentscheidung, mit der auf eine eigentlich mögliche Aufwandsdeckung durch Beiträge aus (sozial)politischen oder damit vergleichbaren Gründen oder auf Grund einer Fehleinschätzung zur Aufwandsdeckung durch Gebühren verzichtet wird, ist daher nicht zulässig. Allerdings darf die beitragserhebende Körperschaft den Unwägbarkeiten einer Beitragskalkulation und insbesondere den Risiken einer möglichen gerichtlichen Überprüfung Rechnung tragen. Insoweit unterliegt die Beitragserhebungspflicht einer schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten gebotenen immanenten Beschränkung. Es ist der Körperschaft erlaubt, einen „Sicherheitsabstand“ zwischen festgesetztem und höchstzulässigem Beitragssatz vorzunehmen und eine unter 100 % liegende Deckungsquote festzusetzen, ohne insoweit eine spezifische Begründung zu den konkreten Risiken geben zu müssen. Die Höhe dieses Abstands ist im Spannungsfeld zwischen der Verpflichtung zur möglichst vollständigen Aufwandsdeckung und den dabei auftretenden praktischen Schwierigkeiten der beitragserhebenden Körperschaften zu bestimmen und muss der beitragserhebenden Körperschaft einen Spielraum belassen, um eine nach ihrer Auffassung ausreichende Rechtssicherheit zu erlangen. Diesen „Sicherheitsabstand“ bemisst der Senat im Wege richterlicher Normkonkretisierung auf bis zu 20 %, so dass eine aus Vorsorgegesichtspunkten festgesetzte Deckungsquote zwischen 80 % und 100 % zulässig ist. Eine niedrigere Deckungsquote ist allerdings selbst unter Berufung auf spezifische Risiken nicht zulässig. Dass der bei einer Verletzung des Aufwandsüberschreitungsverbots zu berücksichtigende Bagatellspielraum erheblich niedriger anzusetzen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. Oktober 2009 - 4 L 101/09 -; vgl. auch Urt. v. 4. November 2004 - 1 L 252/03 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2214), ergibt sich aus dem grundlegenden Unterschied zwischen dem Aufwandsüberschreitungsverbot und der hier in Rede stehenden Verpflichtung zur Festsetzung aufwandsdeckender Beitragssätze.

77

Soweit der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt im Hinblick auf die Unterschreitung des höchstzulässigen Beitragssatzes entschieden hat, es käme allein darauf an, dass der festgesetzte Beitragssatz im Ergebnis nicht dem Aufwandsüberschreitungsverbot widerspricht (so Urt. v. 26. September 2002 - 1 L 408/01 -), hält der nunmehr zuständige Senat an dieser Rechtsprechung nicht fest (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rechtsprechungsänderung etwa BVerwG, Beschl. v. 20. August 2015 - 9 B 13.15 -, zit. nach JURIS, m.w.N). Im Übrigen bestand in dieser Entscheidung und auch in anderen Entscheidungen auf Grund der dortigen Differenzen zwischen Beitragsfestsetzung und höchstzulässigem Beitragssatz bzw. den erhobenen Einwendungen keine Veranlassung zu einer Beanstandung nach den oben genannten Kriterien.

78

Eine Überschreitung des „Sicherheitsabstands“ von bis zu 20 % des höchstzulässigen aufwandsdeckenden Beitragssatzes hat eine Verletzung der Beitragserhebungspflicht zur Folge und führt zur Nichtigkeit des Beitragssatzes und damit zur Nichtigkeit der gesamten Beitragssatzung. Die Auffassung, dass ein zu geringer Beitragssatz die Beitragspflichtigen nicht beschwert und deshalb die Beitragssatzung (ihnen gegenüber) nicht nichtig sei, sondern nur kommunalaufsichtliche Maßnahmen erlaubt seien (so VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015, a.a.O.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2215; wohl auch OVG Saarland, Urt. v. 14. Februar 1991 - 1 R 618/88 -, zit. nach JURIS), trägt dem Unterschied zwischen Verwaltungsakt und Rechtsnorm nicht ausreichend Rechnung. Denn im Rahmen einer Normenkontrolle, aber auch bei der Anfechtung eines Beitragsbescheides, kommt es allein darauf an, ob die Satzung als Rechtsnorm mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Ist sie dies nicht, kann sie nicht Rechtsgrundlage für einen belastenden Verwaltungsakt sein (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27. Juli 2006 - 4 K 253/06 - zum Gebührenrecht, zit. nach JURIS). Das Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezieht sich ausschließlich auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und ist bei materiellrechtlichen Fehlern eines belastenden Bescheids - wie der fehlenden (wirksamen) Rechtsgrundlage - jedenfalls infolge des zumindest vorliegenden Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG erfüllt. Ein spezifischer Bezug zwischen den zur Nichtigkeit der Norm als Rechtsgrundlage des angefochtenen Verwaltungsakts führenden Mängeln und einer subjektiven Betroffenheit des Klägers wird von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht verlangt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14. April 2014 - 17 A 1263/13 -, zit. nach JURIS). Das korrespondiert mit dem eingeschränkten Prüfungsprogramm des § 47 VwGO, das angesichts der durch (erhebliche) Rechtsfehler ausgelösten Nichtigkeit einer Norm für den Erfolg eines Normenkontrollantrags keine subjektive Rechtsverletzung des Antragstellers verlangt (so VGH Bayern, Beschl. v. 14. April 2003 - 4 ZB 02.2836 -, zit. nach JURIS). Eine Trennung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in eine Schutznorm für den Abgabepflichtigen in Bezug auf Art, Höhe sowie andere Umstände der Abgabe und einen normenkonkretisierenden und -ausfüllenden Teil im Sinne kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften sowie eine damit verbundene Aufteilung des Rechtsverstoßes der Satzung in einen den Abgabenpflichtigen belastenden Teil und einen lediglich kommunalrechtliche Aufsichtsmaßnahmen auslösenden Teil lässt sich nicht vornehmen. Ein derartiger Regelungsgehalt ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA noch aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung oder der Gesetzessystematik. Er wäre im Übrigen auch rechtlich folgenlos, weil eine nichtige Norm (für und gegenüber jedermann) rechtlich nicht existent ist.

79

Auch folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht, dass bei einer zur Verletzung der Beitragserhebungspflicht führenden Unterschreitung des höchstzulässigen und damit aufwandsdeckenden Beitragssatzes jedenfalls der festgesetzte Beitragssatz als „minus“ wirksam ist, Weder bei der Prüfung einer Verletzung des Aufwandsüberschreitungsverbotes noch bei der Prüfung der Einhaltung der grundsätzlichen Verpflichtung zur Aufwandsdeckung ist eine derartige Trennung vorzunehmen.

80

4. Ob die von den Antragstellern gerügten Bestimmungen des § 4 BS 2015 zu beanstanden sind, ist danach nicht zu entscheiden. Daher war auch dem insoweit gestellten Antrag der Antragsgegnerin auf Schriftsatznachlass nicht zu entsprechen. Der Senat gibt aber zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten folgende Hinweise:

81

a) Die Umrechnungsregelungen des § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b und c BS 2015 erfassen für den Fall, dass im Bebauungsplan keine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse festgesetzt ist, zwar nur die Festsetzung der baulichen Höhe sowie die Festsetzung einer Baumassenzahl. Nach § 16 Abs. 2 BauNVO kann im Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung auch bestimmt werden durch Festsetzung der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen (Nr. 1), der Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl oder der Baumasse (Nr. 2). Allerdings enthält § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e BS 2015 eine Auffangregelung für den Fall, dass „in einem Bebauungsplan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die Höhe der baulichen Anlagen bzw. die Baumassenzahl festgesetzt sind“. Der von den Antragstellern gerügte Fehler besteht daher nicht. Falls gleichzeitig Höhe und Baumassenzahl in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dürfte sich weiterhin aus der Systematik von § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b und c BS 2015 ergeben, dass dann § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b BS 2015 Vorrang hat. Damit liegt auch eine ausreichende Kollisionsregelung vor.

82

b) Soweit die Antragsteller geltend machen, die Vollgeschossdefinition sei unvollständig, weil es an einer Regelung für die Fälle fehle, in denen sich nach der Auffangregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 BS 2015 eine Zahl von „Null“ Vollgeschossen ergebe, ist dem aller Voraussicht nach nicht zu folgen. Es handelt sich dabei um einen in der Praxis üblichen Auffangtatbestand (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31. März 2010 - 4 L 375/08 -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2169, 1025a) für die Fälle, in denen ein Grundstück bei der Verteilung des Aufwands unberücksichtigt bleiben müsste, weil die Geschosse in dem aufstehenden Gebäude die Mindesthöhe für Vollgeschosse nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BS 2015 unterschreiten (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2004 - 1 L 26/03 -). Dass der Satzungsgeber ausdrücklich auf vollendete 3,50 m bzw. 2,30 m abstellt und auch keine Festlegung dahingehend vornimmt, dass mindestens ein Vollgeschoss anzunehmen ist, liegt wohl innerhalb seines Gestaltungsspielraums. Mit dieser Bestimmung können zwar Fälle verbunden sein, in denen möglicherweise trotz vorhandener und zur abwasserrelevanten Nutzung geeigneter Bebauung kein Vollgeschoss festgestellt wird. Zum einen dürfte es sich dabei aber um eine äußerst geringe Zahl von Fällen handeln, zum anderen können auch mit einer Mindestregelung Fälle erfasst werden, in denen trotz einer nicht zur abwasserrelevanten Nutzung geeigneten Bebauung ein Vollgeschoss festgesetzt wird.

83

c) Die Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b BS 2015 ist nicht zu beanstanden. Als „Höhe der baulichen Anlage“ ist, wie sich dem Verweis auf die „höchstzulässige Gebäudehöhe“ in der Regelung in hinreichender Weise entnehmen lässt, die Firsthöhe eines Gebäudes anzunehmen (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. Januar 2017 - 4 M 238/16 - zu einer wortgleichen Norm; vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 21. April 2015 - 1 K 46/11 -, zit. nach JURIS; vgl. weiter OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 20. April 2009 - 4 M 34/09 -). Dass in § 4 Abs. 2 Nr. 4 BS 2015, der eine Ersatzregelung für bestehende Baulichkeiten enthält, als Höhe des Bauwerks in einem Klammerzusatz ausdrücklich die Traufhöhe festgelegt wird, ist für die Auslegung des die Bebaubarkeit des Grundstückes betreffenden § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b BS 2015 nicht maßgeblich (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. Januar 2017, a.a.O.). Da § 4 Abs. 4 Nr. 3 BS 2015 auf § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b BS 2015 lediglich Bezug nimmt, ist diese Bestimmung ebenfalls nicht zu beanstanden.

84

Dass bei der Anwendung der Berechnungsvorschrift das Ergebnis „Null“ lauten kann, dürfte auf Grund des dem Antragsgegner einzuräumenden Spielraums (siehe oben unter b) ebenfalls rechtmäßig sein (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2197, 1039a).

85

d) § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e Unterbuchst. cc BS 2015 gilt für den Fall, dass der Bebauungsplan für das Grundstück weder Vollgeschosszahl, Höhe der baulichen Anlage oder Baumassenzahl festsetzt und auch keine Nutzung als Fläche für die Landwirtschaft oder Wochenendhausgebiet festgesetzt ist, der „in der näheren Umgebung überwiegend festgesetzte und/oder tatsächlich vorhandene (§ 34 BauGB) Berechnungswert nach lit. a) bis lit c)“. Diese Auffangnorm ist im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller wohl nicht unklar (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1039b). Dass auch auf den „tatsächlich vorhandenen Berechnungswert“ abgestellt wird, hat seinen Grund darin, dass sich - wie die Antragsteller selbst erkannt haben - die nähere Umgebung des Grundstückes teilweise auch im unbeplanten Innenbereich befinden kann (vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 24. März 2004 - 1 L 58/02 -, zit. nach JURIS). Der Begriff „Berechnungswert“ dürfte dann nach Sinn und Zweck der Vorschrift erkennbar dahingehend auszulegen sein, dass auf die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse abzustellen ist.

86

e) In § 4 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e Unterbuchst. cc) und Nr. 4 Buchst. b BS 2015 wird für den Fall, dass keine Festsetzungen zu Vollgeschossen in einem Bebauungsplan für das Grundstück enthalten sind bzw. die im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücke unbebaut sind, auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend festgesetzten bzw. vorhandenen Vollgeschosse abgestellt. Dass sich möglicherweise aus § 34 BauGB für ein konkretes Bauprojekt auf dem Grundstück auf Grund der Bewertung der Umgebungsbebauung eine andere Festlegung der Zahl der Vollgeschosse ergeben könnte, ist wohl hinzunehmen. Durch diese Satzungsregelungen soll im Interesse der Verwaltungspraktikabilität eine tiefgehende bau(planungs)rechtliche Prüfung in jedem Einzelfall vermieden werden. Diese in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Regelungen sind daher aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden (vgl. Nachweise bei Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1919; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18. Juni 2018 - 4 M 16/18 -; Urt. v. 11. September 2012 - 4 L 155/09 -; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 19. März 2007 - 9 K 421/07 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1919a ff.).

87

f) Soweit Wochenendhausgebiete, Dauerkleingärten, Schwimmbäder, Camping- oder Festplätze sowie Sportplätze, Friedhöfe oder Landwirtschaftsflächen unter einer bestimmten Voraussetzung aus den Regelungen des § 4 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 4 Buchst b BS 2015 herausgenommen und lediglich den Bestimmungen des § 4 Abs. 3 Nr. 6 und 7 BS 2015 unterworfen sind, dürften dagegen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Voraussetzung für eine Heranziehung des § 4 Abs. 3 Nr. 6 und 7 BS 2015 ist jeweils, dass für das gesamte Grundstück eine entsprechende Nutzung in einem Bebauungsplan, einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB oder einer Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB festgesetzt ist oder das gesamte Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, soweit das möglich ist, tatsächlich so genutzt wird. Damit sind auf die von den Antragstellern genannten Grundstücke, welche über die Grenzen des Bebauungsplanes bzw. der Innenbereichssatzung nach § 34 Abs. 4 BauGB bzw. über die Grenzen des Innenbereichs hinaus genutzt würden, die Regelungen in § 4 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 BS 2015 anzuwenden. Dass diese Regelungen bei den in Rede stehenden Grundstücken nicht zu vorteilsgerechten Ergebnissen führen, ist schon nicht substanziiert geltend gemacht.

88

g) Ob die Definition von Vollgeschossen in § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BS 2015 mit den maßgeblichen rechtlichen Vorgaben in Einklang steht, bedarf dagegen einer näheren rechtlichen Prüfung.

89

Grundsätzlich ist es dem Satzungsgeber - solange er damit nicht gegen die Verpflichtung des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA verstößt, die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen - erlaubt, im Rahmen der Festsetzung des Beitragsmaßstabes eigenständige Begriffsbestimmungen zu treffen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9. März 2016 - 4 L 136/15 -; Urt. v. 10. März 2011 - 4 L 385/08 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 8. Dezember 2005 - 4 L 210/05 -, jeweils zum Begriff des Vollgeschosses). Während sich § 4 Abs. 2 Nr. 1 BS 2015 für die Definition eines Vollgeschosses im Wesentlichen an die Übergangsregelung des § 87 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauO LSA sowie an § 2 Abs. 6 Satz 2 BauO LSA anlehnt, gelten gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BS 2015 in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 (§ 2 Abs. 3 Ziff. 1 und Ziff. 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.09.2013, GVBl. S. 440) als Vollgeschosse bereits Geschosse, die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine für Aufenthaltsräume in solchen Gebäuden erforderliche lichte Höhe von 2,00 m haben. Im Übrigen werden nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BS 2015 Geschosse, die keine Schrägen haben und wie ein Vollgeschoss zu Wohnzwecken oder Gewerbezwecken genutzt werden können, obwohl ihre lichte Höhe den Wert von 2,30 m nicht erreicht, ab einer lichten Höhe von 2,00 m wie Vollgeschosse behandelt.

90

(1) Es ist zumindest problematisch, ob § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BS 2015 eine i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA vorteilsgerechte Definition von Vollgeschossen vornehmen.

91

Hinsichtlich einer § 4 Abs. 2 Nr. 2 BS 2015 vergleichbaren Regelung hat das Verwaltungsgericht Magdeburg (Urt. v. 14. März 2018 - 4 L 77/78 -) die Auffassung vertreten, eine an § 87 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA anknüpfende Vollgeschossdefinition begegne rechtlichen Bedenken, weil keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich seien, warum Wohngebäude allein wegen ihrer bauordnungsrechtlichen Aufteilung in Gebäudeklassen bzw. hinsichtlich ihrer Art der Nutzung unterschiedliche Vorteile aus der Abwasserentsorgung haben sollten. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA gelten in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 Geschosse, die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine für Aufenthaltsräume in solchen Gebäuden erforderliche lichte Höhe haben, als Vollgeschosse. Selbst wenn man dem Verwaltungsgericht Magdeburg nicht zustimmen sollte, bliebe offen, worauf sich die Festsetzung von 2,00 m lichte Höhe in der Satzung der Antragsgegnerin stützt (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10. März 2011 - 4 L 385/08 -, a.a.O.). In der Landesbauordnung wird die nach § 87 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA „erforderliche lichte Höhe“ nicht festgesetzt, da § 46 Satz 1 BauO LSA, der für Aufenthaltsräume eine lichte Raumhöhe von mind. 2,40 m festsetzt, gem. Satz 2 für Aufenthaltsräume in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 nicht gilt. Für § 4 Abs. 2 Nr. 3 BS 2015 besteht schon keine entsprechende Regelung in der Landesbauordnung.

92

(2) Darüber hinaus müsste untersucht werden, ob durch § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BS 2015 eine Ungleichbehandlung zwischen Grundstücken in Bebauungsplangebieten besteht, für die eine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse festgesetzt ist, und zwischen Grundstücken, die außerhalb eines Bebauungsplanes liegen bzw. bei denen der Bebauungsplan keine Festsetzung enthält oder diese überschritten ist. Wenn bestimmte Geschosse nur bei letztgenannten Grundstücken als Vollgeschosse angesehen werden, dürfte dies zu einer unzulässigen Privilegierung der erstgenannten Grundstücke führen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, zit. nach JURIS).

93

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Hinsichtlich des durch subjektive Antragsänderung ausgeschiedenen Beteiligten, der Abwasserbeseitigung A-Stadt AöR, ist jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine isolierte Kostenentscheidung durch Beschluss (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 23. A., § 91 Rdnr. 26, § 155, Rdnr. 8; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. A., § 91 Rdnr. 27; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorbemerkung § 154 Rdnr. 29; § 155 Rdnr. 15) unterblieben ist, im Urteil eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 11. Februar 1999 - 4 C 99.227 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 4. A., § 155 Rdnr. 44, m.w.N.; Eyermann, VwGO, 14. A., § 91 Rdnr. 37). Es kann weiterhin offen bleiben, ob es sich bei der subjektiven Antragsänderung durch Auswechseln des Antragsgegners hinsichtlich des ausgeschiedenen Beteiligten um eine Rücknahme handelt (so Sodan/Ziekow, a.a.O., § 91, Rdnr. 24; Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 155 Rdnr. 15; Eyermann, a.a.O. § 91 Rdnr. 37; a.M. Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 91 Rdnr. 17; Kopp/Schenke, a.a.O., § 91, Rdnr. 26; wohl auch Sodan/Ziekow, a.a.O., § 155 Rdnr. 43). Unabhängig davon hat der Antragsteller, der die subjektive Antragsänderung vorgenommen hat, in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 2 VwGO die außergerichtlichen Kosten des ausgeschiedenen Beteiligten zu tragen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 155 Rdnr. 43; Redeker/v. Oertzen, a.a.O., § 91 Rdnr. 27; Kopp/Schenke, a.a.O., § 91, Rdnr. 26).

94

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

95

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Aug. 2018 - 4 K 221/15

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Nov. 2009 - 2 S 434/07

bei uns veröffentlicht am 12.11.2009

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2006 - 2 K 1247/05 - wird nach Maßgabe des geänderten Klageantrags zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Aug. 2018 - 4 K 221/15.

Verwaltungsgericht Halle Urteil, 11. Sept. 2018 - 4 A 142/16

bei uns veröffentlicht am 11.09.2018

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Beiträgen für die Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten. 2 Sie war seit dem Jahr 2010 bzw. dem Jahr 2014 Eigentümerin der selbstständ

Referenzen

(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von

1.
Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes aufweist,
2.
Schmutzwasser in ein beim Abbau von mineralischen Rohstoffen entstandenes oberirdisches Gewässer, sofern das Wasser nur zum Waschen der dort gewonnenen Erzeugnisse gebraucht wird und keine anderen schädlichen Stoffe als die abgebauten enthält und soweit gewährleistet ist, dass keine schädlichen Stoffe in andere Gewässer gelangen,
3.
Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt,
4.
Niederschlagswasser von bis zu drei Hektar großen befestigten gewerblichen Flächen und von Schienenwegen der Eisenbahnen, wenn es nicht über eine öffentliche Kanalisation vorgenommen wird.

(2) Die Länder können bestimmen, dass das Einleiten von Abwasser in Untergrundschichten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaffenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.

(3) Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, so können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Dies gilt nicht für den nach § 4 Abs. 4 erhöhten Teil der Abgabe. Ist die Abgabe bereits gezahlt, besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch; dieser Anspruch ist nicht zu verzinsen. Die Abgabe ist nachzuerheben, wenn die Anlage nicht in Betrieb genommen wird oder eine Minderung um mindestens 20 vom Hundert nicht erreicht wird. Die nacherhobene Abgabe ist rückwirkend vom Zeitpunkt der Fälligkeit an entsprechend § 238 der Abgabenordnung zu verzinsen.

(4) Für Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 60 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht oder angepasst wird, gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist.

(5) Werden in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Abwasseranlagen errichtet oder erweitert, deren Aufwendungen nach Absatz 3 oder 4 verrechnungsfähig sind, so können die Aufwendungen oder Leistungen hierzu nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 auch mit Abwasserabgaben verrechnet werden, die der Abgabepflichtige für andere Einleitungen in diesem Gebiet bis zum Veranlagungsjahr 2005 schuldet.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Der Richter beim Amtsgericht entscheidet allein.

(2) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter zuständig.

(3) Sind in dem Bezirk der Verwaltungsbehörde eines Landes mehrere Amtsgerichtsbezirke oder mehrere Teile solcher Bezirke vorhanden, so kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk

1.
die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist (Begehungsort) oder
2.
der Betroffene seinen Wohnsitz hat (Wohnort),
soweit es mit Rücksicht auf die große Zahl von Verfahren oder die weite Entfernung zwischen Begehungs- oder Wohnort und dem Sitz des nach Absatz 1 zuständigen Amtsgerichts sachdienlich erscheint, die Verfahren auf mehrere Amtsgerichte aufzuteilen; § 37 Abs. 3 gilt entsprechend. Der Bezirk, von dem die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach Satz 1 abhängt, kann die Bezirke mehrerer Amtsgerichte umfassen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Satzung der Antragsgegnerin über den Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden und baulichen Anlagen in gesondert ausgewiesenen Gebieten der Stadt A. an die Fernwärmeversorgung vom 21. November 2013, veröffentlicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 19/2013 vom 4. Dezember 2013 (im Folgenden: Fernwärmesatzung – FernWS).

2

Die Antragstellerin ist eine Wohnungsbaugenossenschaft, der im Süden des Stadtgebietes der Antragsgegnerin zahlreiche Wohngrundstücke gehören (Wohngebiet A-Stadt Süd). Die Antragsgegnerin betreibt die öffentliche Fernwärmeversorgung im Wohngebiet A-Stadt Süd und bedient sich hierfür der Fernwärmegesellschaft A-Stadt mbH sowie der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG. Die Wärmeerzeugung erfolgt über zwei Erdgaskessel und ein Blockheizkraftwerk (BHKW) im Heizhaus A-Stadt Süd. Im BHKW wird Biogas verbrannt, das außerhalb des Stadtgebietes in der Biogasanlage A-Stadt erzeugt und über eine Mikrogasleitung zum BHKW transportiert wird. Dort wird das Biogas per Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in Strom und Wärme umgewandelt. Das BHKW kann im Jahresmittel ca. 30 % des Gesamtwärmebedarfs im Wohngebietes A-Stadt Süd abdecken.

3

Die Fernwärmegesellschaft A-Stadt mbH (im Folgenden: FWQ) ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft mbH A-Stadt, die wiederum eine Eigengesellschaft der Antragsgegnerin ist. Am 28. April 2011 schlossen die FWQ und die Agrargenossenschaft A-Stadt e.G. (im Folgenden: AGQ) den Gesellschaftsvertrag der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG. Nach § 3 des Vertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Erzeugung von Biogas und dessen energetische Verwendung. Beschränkt haftende Gesellschafter (Kommanditisten) der Gesellschaft sind die FWQ mit einem Kapitalanteil von 9.800,– € sowie die AGQ mit einem Kapitalanteil von 10.200,– € (§ 6 Abs. 2 des Vertrages). Die Geschäftsführung obliegt der Biogas A-Stadt komplementär GmbH (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Vertrages). Vorbehaltlich weitergehender und anderweitiger Weisungen der Gesellschafterversammlung bedarf die Komplementärin für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 8 Abs. 4 des Vertrages). Darüber hinaus bedürfen die in § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages genannten Geschäfte stets der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung. Alle Gesellschafterbeschlüsse müssen mit einer Stimmenmehrheit von 75 % gefasst werden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages). Das Stimmrecht der Gesellschafter ergibt sich aus dem Verhältnis ihrer Kapitalerträge untereinander (§ 11 Abs. 3 des Vertrages). Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 21 Abs. 1 des Vertrages). Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist für 20 Jahre seit Gründung der Gesellschaft ausgeschlossen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages).

4

Am 12. Mai 2011 schloss die FWQ mit der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG einen Wärmeliefervertrag. In dessen Präambel heißt es, die FWQ und die AGQ beabsichtigen über eine gemeinsame Gesellschaft, die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG, eine Biogasanlage in A-Stadt zu realisieren. Das dort gewonnene Biogas soll per Gasleitung zu einem Blockheizkraftwerk im Heizhaus A-Stadt Süd transportiert und dort weiterverarbeitet werden. Nach § 1 Abs. 1 des Wärmelieferungsvertrages verpflichtet sich die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG (Lieferantin), der FWQ (Kundin) die im Rahmen der Verbrennung von Biogas in einem Blockheizkraftwerk entstehende Wärme über einen Wärmetauscher im Heizhaus A-Stadt Süd zu übergeben. Die Lieferung der Wärme erfolgt ganzjährig über mindestens 7.500 Volllaststunden mit einer Leistung von 500 kW thermisch (§ 1 Abs. 2 des Vertrages). Eine künftige Erhöhung der Wärmemenge bedarf der Zustimmung beider Parteien (§ 1 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages). Zur Unterbringung des BHKW stellt die FWQ der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG einen geeigneten Raum im Heizhaus A-Stadt Süd sowie eine Anschlussmöglichkeit für den Wärmetauscher und einen Rauchgasabzug für das BHKW zur Verfügung (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die Übergabestelle, Eigentums- und Liefergrenze ist der Wärmetauscher (§ 2 Abs. 2 des Vertrages). Der Preis für die nach den Spezifikationen des § 1 Abs. 3 gelieferte Wärme entspricht 25 €/MWh netto. Der Vergütungssatz wird jährlich zum 1.1. um 1,25 % des Vorjahressatzes angehoben, erstmalig zum 1.1.2013 (§ 3 Abs. 1 des Vertrages). Kommt die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG ihrer Lieferverpflichtung nicht nach, so hat sie pro nicht gelieferter Wärmevolllaststunde Ersatzzahlungen zu leisten. Diese belaufen sich auf die der FWQ entstehenden Mehrkosten, die für sie durch die eigene Ersatzwärmeversorgung mit ihren eigenen Anlagen zur Sicherstellung der Fernwärmeversorgung ihrer Abnehmer entstehen (§ 3 Abs. 4 des Vertrages). Der Vertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Der Vertrag verlängert sich um jeweils 5 Jahre, wenn er nicht von einer Partei 1 Jahr vor Vertragsablauf schriftlich durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird (§ 4 Abs. 2 des Vertrages).

5

In einem Dienstleistungsvertrag vom 6. Juni 2012 hat die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG der FWQ die Durchführung aller anfallenden operativen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb des BHKW im Heizhaus A-Stadt Süd übertragen, darunter den Betrieb und die Überwachung auf Basis der gesetzlichen Anforderungen sowie die Durchführung der Inspektions-, Wartungs-, Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten an den übernommenen Anlagen. Dafür erhält die FWQ ein monatliches pauschales Entgelt in Höhe von 400,00 €.

6

Die vom Stadtrat der Antragsgegnerin am 21. November 2013 beschlossene und am 4. Dezember 2013 bekannt gemachte FernWS enthält u. a. folgende Regelungen:

7

§ 1 Wärmeversorgung als öffentliche Einrichtung

8

(1) Die Stadt A. ist Trägerin der als einheitliche öffentliche Einrichtung betriebenen Wärmeversorgung. Die Einrichtung dient dem Klima- und Ressourcenschutz im Sinne von § 16 des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes. Zur Erreichung dieses Ziels soll die Wärmeversorgung unter Nutzung von Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, soweit dies angesichts des vorhandenen Anlagenbestandes technisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Die Einrichtung dient ergänzend dem lokalen Umwelt- und Gesundheitsschutz im Sinne eines erreichten Mindeststandards bei der Luftreinhaltung.

9

(2) Gegenstand der Wärmeversorgung ist die Zuleitung von Wärme oder Heizwasser für Heizzwecke oder den Gebrauchswarmwasserbedarf.

10

(3) Die einheitliche öffentliche Einrichtung der Wärmeversorgung besteht aus den Versorgungsanlagen, die dem satzungsmäßigen Zweck zu dienen bestimmt sind (insbesondere dem Heizwerk mit dazugehörigen Versorgungsleitungen und Nebenanlagen). Änderungen von Art und Umfang der Versorgungsanlagen, des Festlegungszeitpunktes der Erweiterung und Erneuerung sowie Art und Zustand des Wärmeträgers werden durch den Stadtrat der Stadt A. bestimmt.

11

(4) Die Stadt A. kann sich für den Betrieb der Wärmeversorgung Dritter bedienen. Dies setzt voraus, dass die Stadt A. in der Lage ist, die für die Wärmeversorgung maßgeblichen betrieblichen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Die Stadt A. muss jederzeit in der Lage blieben, die nach dieser Satzung bestehenden Anschluss- und Benutzungsrechte zu gewährleisten.

12

[…]

13

§ 3 Anschluss- und Benutzungsrecht

14

(1) Jeder Eigentümer eines im Versorgungsgebiet liegenden, durch eine betriebsfertige Versorgungsleitung erschlossenen bebauten oder bebaubaren Grundstücks kann – vorbehaltlich der Einschränkungen gemäß § 4 – verlangen, dass sein Grundstück an das Wärmeversorgungsnetz angeschlossen wird.

15

(2) Jeder Grundstückseigentümer, dessen Grundstück an das Wärmeversorgungsnetz angeschlossen ist, ist – vorbehaltlich der Einschränkungen gemäß § 4 – berechtigt, den Wärmeversorgungsanlagen die benötigten Wärmemengen zu entnehmen. Dieses Benutzungsrecht steht auch den Anschlussnehmern zu, die zur Grundstücksnutzung nicht dinglich berechtigt sind.

16

[…]

17

§ 5 Anschlusszwang

18

(1) Jeder Eigentümer eines durch eine betriebsfertige Wärmeleitung erschlossenen und zugleich im Geltungsbereich dieser Satzung liegenden Grundstücks ist verpflichtet, dieses an das öffentliche Wärmeversorgungsnetz anzuschließen, sobald es mit einem Gebäude oder mit mehreren Gebäuden bebaut ist oder mit der Bebauung begonnen wird oder auf ihm Wärmeverbrauchsanlagen betrieben werden sollen.

19

[…]

20

§ 6 Benutzungszwang

21

(1) Auf Grundstücken, die an das öffentliche Wärmeversorgungsnetz angeschlossen sind, ist der gesamte Bedarf der Raumwärme ausschließlich aus dem Wärmeversorgungsnetz zu decken. Diese Verpflichtung obliegt sowohl dem Grundstückseigentümer oder dinglich Berechtigten (§ 2 Abs. 2) als auch dem nicht dinglich berechtigten Anschlussnehmer.

22

(2) Auf den anschlusspflichtigen Grundstücken ist die Benutzung von Wärmeversorgungsanlagen zum Betrieb mit festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen oder sonstigen Stoffen, die Rauch oder Abgase entwickeln, nicht gestattet. Hiervon bleiben die Befreiungsmöglichkeiten nach § 7 unberührt.

23

§ 7 Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang

24

(1) Von der Verpflichtung zum Anschluss an das öffentliche Wärmeversorgungsnetz gemäß § 6 kann auf Antrag befreit werden, wenn der gesamte Bedarf an Raumwärme durch in Absatz 2 aufgeführte Wärmeversorgungsanlagen gedeckt wird. Von der Verpflichtung zur Benutzung des öffentlichen Wärmeversorgungsnetzes gemäß § 6 kann in dem Umfang befreit werden, in dem der Bedarf an Raumwärme durch in Absatz 2 aufgeführte Wärmeversorgungsanlagen gedeckt wird.

25

(2) Befreiungen im Sinne von Absatz 1 können erteilt werden für

26

a) emissionsfreie Wärmeversorgungsanlagen (z. B. Solar- und Geothermieanlagen) und

27

b) Wärmeerzeugungsanlagen, in denen ausschließlich Biomasse eingesetzt wird, sofern es sich bei der Wärmeerzeugungsanlage um eine KWK-Anlage oder um einen Heizkessel in der besten verfügbaren Technik handelt.

28

[…]

29

(4) Als Biomasse im Sinne von Absatz 2 werden diejenigen Energieträger anerkannt, die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes aufgeführt sind mit Ausnahme fester Biomasse. Als gasförmige Biomasse gilt auch dem Erdgasnetz entnommenes Gas, wenn die Menge des entnommenen Gases im Wärmeäquivalent am Ende des Kalenderjahres der Menge an Gas aus Biomasse entspricht, das an anderer Stelle in das Gasnetz eingespeist worden ist, und wenn für den gesamten Transport und Vertrieb des Gases von seiner Herstellung, seiner Einspeisung in das Erdgasnetz und seinem Transport im Erdgasnetz bis zu seiner Entnahme aus dem Erdgasnetz Massenbilanzsysteme verwendet worden sind.

30

(5) Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang kann im Einzelfall auf Antrag erteilt werden, wenn dadurch der Zweck dieser Satzung nicht beeinträchtigt wird und ein besonderes öffentliches Interesse an der Befreiung besteht oder dadurch eine unzumutbare Härte vermieden wird.

31

[…]

32

Vor Erlass der Fernwärmesatzung hat die Antragsgegnerin eine Stellungnahme zu den Umweltwirkungen des Fernwärmenetzes A-Stadt Süd mit vergleichbaren Aussagen – Ökobilanz – des TÜV Nord vom 24. Oktober 2013 eingeholt.

33

Bereits mit Satzung vom 27. Oktober 2011 hatte die Antragsgegnerin einen Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung angeordnet. Die hiergegen gerichtete Normenkontrollklage der Antragstellerin (4 K 179/12) wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die hier streitgegenständliche Satzung erlassen worden war. Daraufhin hat der Senat das Normenkontrollverfahren 4 K 179/12 mit Beschluss vom 11. Februar 2014 eingestellt.

34

Am 28. November 2014 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag betreffend die – hier streitgegenständliche – Fernwärmesatzung vom 21. November 2013 gestellt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:

35

Die FWQ betreibe keine Biogasanlage und kein Biogas-BHKW. Diese Anlagen würden von der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG und der Biogas A-Stadt komplementär GmbH betrieben. An beiden Gesellschaften sei die FWQ nur mit 49 % beteiligt. Die in der Ökobilanz des TÜV Nord verwendete Allokationsmethode sei zur Ermittlung der CO2-Einsparung ungeeignet. Auch seien die in der Ökobilanz zugrunde gelegten Netzwärmeverluste im Hinblick auf das Alter des Netzes deutlich zu gering bemessen. Die Fernwärmeinrichtung genüge nicht den Vorgaben der Nummer VIII der Anlage zum EEWärmeG und sei zum Klimaschutz ungeeignet. Der Anschluss- und Benutzungszwang sei auch unverhältnismäßig. Sofern nach § 7 FernWS lediglich die Verwendung reinen Biogases zur Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen könne, sei ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich.

36

Die Antragstellerin beantragt,

37

1. festzustellen, dass die Satzung der Stadt A. über den Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden und baulichen Anlagen in gesondert ausgewiesenen Gebieten der Stadt A. an die Fernwärmeversorgung vom 22. November 2013, bekannt gegeben im Amtsblatt 19/2013 von 4. Dezember 2013, nichtig ist,

38

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, Nr. 1 des Urteilstenors im Amtsblatt der Stadt A. bekannt zu machen.

39

Die Antragsgegnerin beantragt,

40

die Anträge abzulehnen.

41

Sie hält den Antrag zu 1. bereits für unzulässig. Die Antragstellerin habe ihre Befugnis, die Fernwärmesatzung im Wege eines Normenkontrollverfahrens überprüfen zu lassen, verwirkt. Die Antragstellerin habe das unter dem Aktenzeichen 4 K 179/12 geführte Normenkontrollverfahren für erledigt erklärt, nachdem die hier streitgegenständliche Fernwärmesatzung erlassen worden war, und zudem erklärt, sie stelle die Gültigkeit der neuen Fernwärmesatzung nicht in Frage. Hierzu setze sich die Antragstellerin in einen unauflösbaren Widerspruch und verstoße gegen Treu und Glauben, indem sie die streitgegenständliche Fernwärmesatzung im Wege eines Normenkontrollantrages angreife und sich dabei ausdrücklich auf die Einwände gegenüber der alten Fernwärmesatzung berufe. Der Antrag zu 1. sei auch unbegründet. Die Antragsgegnerin habe den maßgeblichen Sachverhalt ermittelt. Sie habe sich aufgrund eines Gutachtens davon überzeugt, dass die Fernwärmeversorgung im Vergleich zum Betrieb von Einzelfeuerungsanlagen zu einer erheblichen Einsparung von CO2 führe und deshalb geeignet sei, dem Klimaschutz und – durch die eingesetzte Biomasse und KWK-Technologie – auch dem Ressourcenschutz zu dienen. Die in § 7 Abs. 2 FernWS verankerten Befreiungstatbestände orientierten sich an den Ergebnissen des eingeholten Gutachtens und seien nicht zu beanstanden. Darüber hinaus enthalte die Satzung in § 7 Abs. 5 einen allgemeinen Befreiungstatbestand, von dem sonstige „Härtefälle“ erfasst würden. Die Fernwärmeversorgung der Antragsgegnerin halte auch die in Nummer VIII Nr. 1 Buchst. a der Anlage zum EEWärmeG aufgeführten Voraussetzungen ein, da die verteilte Wärme zu einem „wesentlichen Anteil“ aus Erneuerbaren Energien stamme.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

43

Der Normenkontrollantrag gegen die Fernwärmesatzung der Antragsgegnerin ist, soweit das Oberverwaltungsgericht zuständig ist (1.), zulässig (2.), aber unbegründet (3.).

44

1. Für die Überprüfung der in § 10 der angefochtenen Satzung enthaltenen Ordnungswidrigkeitenvorschrift ist das Oberverwaltungsgericht nicht zuständig. Insoweit ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Das Oberverwaltungsgericht ist nach § 47 Abs. 1 VwGO nur „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ zur Kontrolle von untergesetzlichen Rechtsvorschriften berufen. Es muss sich also um Verfahren handeln, für die der Verwaltungsgerichtsweg im Sinne von § 40 VwGO eröffnet ist. Hierfür ist zu prüfen, ob sich aus der Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Ein solcher Rechtssatz ist in § 10 FernWS nicht enthalten. Die Vorschrift betrifft das Vorliegen ordnungswidrigen Verhaltens und dessen Folgen. Gegen darauf gestützte Bußgeldbescheide der Verwaltungsbehörden können allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden (§ 68 OWiG). Sind einer Norm verwaltungsrechtlichen Charakters – wie hier – auch Straf- oder Bußgeldvorschriften beigefügt, sind die Straf- bzw. Bußgeldbestimmungen damit von der Gerichtsbarkeit des Oberverwaltungsgerichts ausgenommen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1995 - 7 NB 1/95 -, juris, Rn. 21; OVG LSA; Urteil vom 10. April 2014 - 4 K 180/12 -, juris, Rn. 26; OVG Sachsen, Urteil vom 11. November 2014 - 4 C 36/13 -, juris, Rn. 27; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 47 Rn. 17, 20).

45

2. Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig.

46

a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Ihre Antragsbefugnis ergibt sich aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach den Normenkontrollantrag u. a. jede juristische Person stellen kann, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dafür genügt die Darlegung, durch die angegriffene Rechtsvorschrift in einem bestimmten Aspekt rechtlich betroffen zu sein (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2005 - 7 CN 6/04 -, juris, Rn. 15). Das ist hier erfolgt. Die Antragstellerin wendet sich gegen den in der Fernwärmesatzung normierten Anschluss- und Benutzungszwang bzw. gegen die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Befreiungsregelungen und zeigt insoweit eine mögliche Betroffenheit in ihrer durch Art. 14 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechtsstellung auf.

47

b) Die Antragstellerin hat die Antragsbefugnis nicht deshalb verwirkt, weil sie das – die frühere Fernwärmesatzung der Antragsgegnerin betreffende – Normenkontrollverfahren 4 K 179/12 für erledigt erklärt hat, nachdem die Antragsgegnerin die hier streitgegenständliche Fernwärmesatzung beschlossen hatte. Eine Verwirkung des Antragsrechts kommt nur Betracht, wenn die Antragstellerin gegenüber der normerlassenden Stelle durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben hat, sie werde die Gültigkeit der Norm keinesfalls in Frage stellen (vgl. Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 47 Rn. 38 ). Daran fehlt es. Im Verfahren 4 K 179/12 hatte die Antragstellerin im Hinblick auf die Bekanntmachung der neuen Fernwärmesatzung und die darin enthaltenen Neuregelungen hinsichtlich des Anschluss- und Benutzungszwangs mit Schreiben vom 14. Januar 2014 die Erledigung der Hauptsache erklärt; Hinweise darauf, dass die Antragstellerin nicht gegen die neue Satzung vorgehen werde, lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. In dem beim Verwaltungsgericht Halle anhängigen Verfahren 6 A 77/14 HAL, das die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier Mini-Blockheizkraftwerke durch die Antragstellerin betrifft, hat die Antragstellerin in einem Erörterungstermin am 1. September 2014 lediglich erklärt, die Wirksamkeit der neuen Fernwärmesatzung werde „zum derzeitigen Zeitpunkt“ nicht in Frage gestellt, also auch insoweit ein späteres Vorgehen gegen die Satzung nicht ausgeschlossen. Sonstige Umstände, die für eine Verwirkung des Antragsrechts sprechen könnten, zeigt die Antragsgegnerin nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich.

48

c) Auch ein die Klagebefugnis ausschließender Verstoß gegen Treu und Glauben der Antragstellerin liegt nicht vor. Er lässt sich auch nicht aus den Einwand der Antragsgegnerin ableiten, die Antragstellerin habe sich die Möglichkeit einer Erledigungserklärung zunutze gemacht und die Verfahrenskosten auf die Antragsgegnerin abgewälzt, um sodann unter teilweisem Rückgriff auf die „alten Einwände“ gegen die neue Fernwärmesatzung vorzugehen. Eine Verpflichtung, den Rechtsstreit gegen die zwischenzeitlich ersetzte Rechtsvorschrift fortzuführen, bestand nicht (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 47 Rn. 90). Auf die mit Inkrafttreten der neuen Fernwärmesatzung verbundene Erledigung des Rechtsstreites betreffend die frühere Fernwärmesatzung (4 K 179/12) konnte die Antragstellerin aufgrund des Dispositionsgrundsatzes mit der Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits reagieren. Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen mit der Folge, dass über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden war (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

49

Soweit die Antragsgegnerin die Treuwidrigkeit damit begründet, dass sich die Antragsgegnerin in der Antragsbegründung u. a. auf die Unwirksamkeit von Regelungen berufe, die für sie nicht relevant seien – i. e. auf die Formulierung „beste verfügbare Technik“ gemäß § 7 Abs. 2 Buchst. b FernWS –, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit bleibt schon offen, weshalb sich die Antragstellerin hierdurch in einen unauflösbaren Widerspruch ihrem zu früherem Verhalten setzen sollte. Im Übrigen ist die Antragstellerin nicht gehalten, ihren Antrag auf diejenigen Teile der Norm zu beschränken, die sie möglicherweise in eigenen Rechten verletzen (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 47 Rn. 284).

50

Schließlich verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, dass die Antragstellerin im Kern ihres Anliegens nicht die Satzungsbestimmungen als solche angreife, sondern die von der Antragsgegnerin und dem VG Halle vorgenommene Auslegung der Satzungsregelungen. Die Antragsgegnerin hat bestätigt, dass Befreiungen vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 7 Abs. 2 Buchst. b FernWS nur erteilt werden könnten, wenn in der Wärmeerzeugungsanlage reines Biogas verbrannt wird. Der Antragstellerin wird eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang von der Antragsgegnerin unter Berufung auf diese Auslegung von § 7 Abs. 2 Buchst. b FernWS verweigert. Ob die Regelung insoweit mit höherrangigem Recht in Einklang steht, kann von der Antragstellerin deshalb im Wege der Normenkontrolle überprüft werden, selbst wenn sie die Regelung selbst anders auslegen sollte.

51

3. Soweit der Normenkontrollantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang in §§ 5 und 6 FernWS sind ungültig, weil sie gegen § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a KVG LSA verstoßen. Da dies die Ungültigkeit der übrigen Regelungen der Satzung nach sich zieht, ist die angegriffene Fernwärmesatzung insgesamt für nichtig zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

52

a) Rechtsgrundlage des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung ist § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. – seit 1. Juli 2014 – § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a KVG LSA, jeweils i. V. m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG). Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2). Inhaltsgleiche Regelungen enthalten § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA. Nach § 16 EEWärmeG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit nach den Darlegungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 (10 CN 1.15) keine durchgreifenden Bedenken bestehen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.

53

b) Der in §§ 5 und 6 FernWS angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang ist nicht mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, weil es sich bei der von der FWQ und der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG betriebenen Fernwärmeversorgung nicht um eine öffentliche Einrichtung handelt.

54

aa) Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a KVG LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. v. § 8 Nr. 1, § 22 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 4 Satz 2 KVG LSA sein. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Zweck und dem systematischen Zusammenhang des § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a KVG LSA zu den vorgenannten Vorschriften. Danach ist der Anschluss- und Benutzungszwang ein Mittel, dessen Einsatz gewährleisten soll, dass der mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verfolgte Zweck dauerhaft erreicht wird. Aus dem Charakter der öffentlichen Einrichtung als Mittel zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA bzw. § 4 Satz 2 KVG LSA) folgt, dass die Verantwortung für den Einrichtungsbetrieb bei der Gemeinde liegen muss. Überträgt sie diese Verantwortung auf einen Privaten, so verliert der Betrieb den Charakter als öffentliche bzw. dem öffentlichen Wohl dienende Einrichtung, weil sich die Gemeinde aus der Wahrnehmung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgabe zurückzieht (vgl. OVG LSA, Urteil vom 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, juris, Rn. 15, im Anschluss an OVG Sachsen, Urteil vom 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, juris, Rn. 116 ff.)

55

Die Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung allerdings unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA bzw. § 24 Abs. 1 KVG LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (vgl. OVG LSA, Urteil vom 8. April 2008 – 4 K 95/07 –, juris, Rn. 16). Dies bedeutet, dass die Gemeinde rechtlich in der Lage sein muss, in diesen Bereichen ihre Vorstellungen gegenüber dem Privaten durchzusetzen. Zum anderen muss sie tatsächlich bereit sein, von den ihr vorbehaltenen rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Nur unter diesen Voraussetzungen kann davon gesprochen werden, dass die Gemeinde weiterhin die Verantwortung für den Einrichtungsbetrieb trägt, dessen Ausrichtung am öffentlichen Wohl sichergestellt ist und der Betrieb demnach der Gemeinde als öffentliche Einrichtung zugerechnet werden kann (vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, juris, Rn. 123; dem folgend OVG LSA, Urteil vom 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, juris, Rn. 16; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2005 - 8 CN 1/05 -, juris, Rn. 36; OVG Thüringen, Urteil vom 24. September 2007 - 4 N 70/03 -, juris, Rn. 38; Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 195). Aus § 16 EEWärmeG ergibt sich nichts anderes, da diese Bestimmung voraussetzt, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz deröffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung begründet wird.

56

Diese Vorgaben greift auch die Fernwärmesatzung der Antragsgegnerin auf. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 FernWS kann sich die Antragsgegnerin für den Betrieb der Wärmeversorgung Dritter bedienen. Dies setzt voraus, dass die Antragsgegnerin in der Lage ist, die für die Wärmeversorgung maßgeblichen betrieblichen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Die Antragsgegnerin muss jederzeit in der Lage bleiben, die nach dieser Satzung bestehenden Anschluss- und Benutzungsrechte zu gewährleisten (§ 1 Abs. 4 Satz 2 und 3 FernWS).

57

bb) Die Antragsgegnerin hat die Durchführung der Fernwärmeversorgung auf die FWQ übertragen. Hierbei handelt es sich um eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft mbH A-Stadt, die wiederum eine Eigengesellschaft der Antragsgegnerin ist. Da die Antragsgegnerin alle Anteile der FWQ in ihrer Hand behalten hat, bestehen insoweit keine Zweifel hinsichtlich der Eigenschaft der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung. Allerdings hat die FWQ die Durchführung der Fernwärmeversorgung teilweise auf die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG weiterübertragen. Ausweislich § 1 Abs.1, § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 1 des Wärmeliefervertrages vom 12. Mai 2011 wird das aus der Biogasanlage A-Stadt gelieferte Biogas im BHKW der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG verarbeitet, das gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 FernWS unstreitig Teil der öffentlichen Einrichtung ist. Die dadurch erzeugte Wärme wird von der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG an die FWQ verkauft und von dieser in das Wärmenetz des Wohngebietes A-Stadt Süd eingeleitet. Die Wärmeerzeugung durch die Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG wird nicht durch den Dienstleistungsvertrag vom 6. Juni 2012 in Zweifel gezogen, durch den die FWQ mit der Durchführung aller anfallenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb des BHKW beauftragt wurde. Es handelt sich hierbei um gesondert vergütete Dienstleistungen der FWQ im Auftrag und zugunsten der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG, also nicht um selbstständige Wärmeerzeugung der FWQ.

58

Bei der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG handelt es sich um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. Anteilseigner sind die FWQ zu 49 % und die AGQ zu 51 % (§ 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 28. April 2011). Die Wärmeversorgung im Satzungsgebiet lässt sich daher nur dann als öffentliche Einrichtung charakterisieren, sofern die Antragsgegnerin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG hat. Daran fehlt es.

59

Der rechtliche Einfluss der FWQ – und damit der Antragsgegnerin – bestimmt sich nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG vom 28. April 2011. Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist die Biogas A-Stadt komplementär GmbH berechtigt und verpflichtet (§ 8 Abs.1 i. V. m. § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Vorbehaltlich weitergehender und anderweitiger Weisungen der Gesellschafterversammlung bedarf die Komplementärin für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages). Gemäß § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages bedürfen der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung darüber hinaus u. a.:

60

– der Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Verkaufs- oder sonstigen Dauerverträgen mit einem Umfang von mehr als 25.000,- € oder einer Bindungsdauer von mehr als 3 Jahren,

61

– die Verabschiedung der jährlichen Wirtschafts-, Finanz- und Investitionsplanung der Gesellschaft,

62

– die Aufnahme von Darlehen, soweit diese im jährlichen Finanzplan nicht genehmigt sind und im Einzelfall einen Geschäftswert von 25.000,- € überschreiten,

63

– Investitionen, soweit diese im jährlichen Investitionsplan nicht genehmigt sind und im Einzelfall einen Betrag von 25.000,- € überschreiten,

64

– die jährliche Betriebsmittel-, Instandhaltungs- und Erneuerungsplanung,

65

– die jährlichen Betriebsmittel-, Instandhaltungs- und Erneuerungsbudgets, über die die Geschäftsführung innerhalb des jeweiligen Jahres verfügen kann,

66

– der jährlich zu erzielende Biogasertrag, den die Geschäftsführung beim Betrieb der Anlage erreichen soll,

67

– die jährliche Rohstofflieferungsplanung der Biogasanlage.

68

cc) Ein maßgeblicher Einfluss der Antragsgegnerin auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der Fernwärmeversorgung ist danach nicht gegeben. Da alle Gesellschafterbeschlüsse mit einer Stimmenmehrheit von 75 % gefasst werden müssen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages), wobei sich das Stimmrecht der Gesellschafter aus dem Verhältnis ihrer Kapitalanteile untereinander ergibt (§ 11 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages), müssen die Gesellschafter angesichts der Verteilung der Gesellschaftsanteile (FWQ: 49 %, AGQ: 51 %) in allen wesentlichen Fragen der Betriebsführung der Biogas A-Stadt GmbH & Co. KG Einigkeit erzielen. Die Antragsgegnerin ist damit rechtlich nicht in der Lage, ihre Vorstellungen gegenüber der AGQ durchzusetzen. Der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung unterliegen u. a. die jährliche Betriebsmittel-, Instandhaltungs- und Erneuerungsplanung sowie die Festlegung der entsprechenden Budgets. Danach kann die Antragsgegnerin gegen den Willen der AGQ weder von ihr als notwendig erachtete Wartungen oder Reparaturen noch technische Verbesserungen des BHKW vornehmen. Die Antragsgegnerin ist deshalb auch außerstande, die Versorgungssicherheit im Satzungsgebiet dauerhaft zu gewährleisten. Darüber hinaus bestehen auch keine Selbsteintritts- oder Übernahmerechte der Antragsgegnerin für den Fall, dass die AGQ ihre vertragliche Verpflichtung zur Wärmelieferung nicht erfüllt. Auch ein Kündigungsrecht ist insoweit nicht vorgesehen. § 3 Abs. 4 des Wärmeliefervertrages sieht zwar eine Haftungsregelung vor, wonach die AGQ bei Lieferstörungen die Mehrkosten für die Ersatzwärmeversorgung durch die FWQ zu tragen hat. Die Antragsgegnerin muss jedoch eine zuverlässige Versorgung im Sinne des Satzungszwecks garantieren, also im Einklang mit dem Klima- und Ressourcenschutz im Sinne von § 16 EEWärmeG (§ 1 Abs. 1 FernWS). Durch die ersatzweise Wärmeerzeugung mit Erdgas würde die Antragsgegnerin den Satzungszweck verfehlen.

69

Auch eine Erhöhung des Biogasanteils an der Wärmeerzeugung und damit eine Verbesserung des angestrebten Klima- und Ressourcenschutzes ist nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nur mit Zustimmung der AGQ möglich. Denn danach bedürfen der jährlich zu erzielende Biogasertrag sowie die jährliche Rohstofflieferungsplanung der Biogasanlage der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung; auch eine Änderung des Wärmelieferungsvertrages kann nur einvernehmlich beschlossen werden. Zwar ist die Biogasanlage A-Stadt gemäß § 1 Abs. 3 FernWS nicht Teil der öffentlichen Einrichtung. Ungeachtet dessen fehlt es nach den genannten vertraglichen Regelungen an einer rechtlich gesicherten Möglichkeit der Antragstellerin, die künftige betriebliche Entwicklung der Einrichtung eigenverantwortlich zu steuern. Auch deshalb kann von einer Verantwortung der Antragsgegnerin für die Fernwärmeversorgung nach den derzeit geltenden vertraglichen Regelungen nicht gesprochen werden.

70

c) Mangels Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung kann dahingestellt bleiben, ob das in § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a KVG LSA, jeweils i. V. m. § 16 EEWärmeG, geforderte dringende öffentliche Bedürfnis für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs besteht (vgl. hierzu nunmehr BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 – 10 CN 1/15 –, juris, Rn. 14 ff.). Ebenso kann offen bleiben, ob die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2006 - 8 C 13/05 -, juris, Rn. 24 ff.; Kahl, ZUR 2010, S. 395 <399 f.>; Tomerius, ER 2013, S. 61 <65 ff.>).

71

d) Der Antragsgegnerin war ein Schriftsatznachlass gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO nicht zu gewähren. Die Antragstellerin hat die maßgebliche Frage nach der Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für die Fernwärmeversorgung mit Schreiben vom 7. Februar 2017 aufgeworfen, das den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 13. Februar 2017 zugegangen ist. Die Antragsgegnerin hatte damit ausreichend Gelegenheit, sich auf das Vorbringen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung zu erklären und hat hiervon u. a. durch die Vorlage von Verträgen auch Gebrauch gemacht.

72

4. Die Ungültigkeit der Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang gemäß §§ 5 und 6 FernWS haben die Ungültigkeit der Fernwärmesatzung in ihrer Gesamtheit zur Folge, weil deren übrige Vorschriften ohne wirksamen Anschluss- und Benutzungszwang keinen Sinn ergeben (vgl. OVG LSA, Urteil vom 8. April 2008 – 4 K 95/07 –, juris, Rn. 29).

73

Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2, 2 Halbs. VwGO.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

76

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Normenkontrollantrages die Feststellung, dass eine am 27. September 2012 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin, mit der für einen Teil ihres Gemeindegebietes ein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung angeordnet wurde, nichtig gewesen ist.

2

Die Fernwärmeversorgung wird seit 1992 durch die (…)stadtwerke GmbH mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) betrieben, die auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einsetzen; im Jahr 2011 nahm ein neues Biomasse-BHKW den Betrieb auf. Die (...)stadtwerke GmbH ist zu 75 % Tochter der (N.) GmbH und zu 25 % der (T.) AG. Die (N.) GmbH wiederum ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ist Eigentümerin zahlreicher im Geltungsbereich der Satzung gelegener Wohngrundstücke.

3

Am 15. Oktober 2012 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die am 6. Oktober 2012 bekannt gemachte Satzung gestellt und beantragt, sie für unwirksam zu erklären.

4

Sie hat dazu im Wesentlichen geltend gemacht, die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur Verbesserung des globalen Klimaschutzes sei von § 8 Nr. 2 GO LSA nicht gedeckt. § 16 EEWärmeG als einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig. Zudem seien die Maßgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG nicht erfüllt. Weiterhin sei die Satzung zur Erreichung der Satzungsziele nicht geeignet und nicht erforderlich. Auch die in der Satzung enthaltenen Befreiungsregelungen seien unzureichend. Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei weiterhin deshalb unverhältnismäßig, weil die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Der abgeschlossene Betreibervertrag genüge nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der wirksamen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune für den Fall, dass die Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten übertragen werde. Die Fernwärmeversorgung werde daher nicht als öffentliche Einrichtung betrieben. Im Übrigen habe es sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt.

5

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag umfänglich entgegengetreten und hat u.a. geltend gemacht, zwischenzeitlich sei ein Betreibervertrag zwischen der (...)stadtwerke GmbH und ihr zustande gekommen, so dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Im Zweifelsfall wäre der Vertrag zudem nachzubessern.

6

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 hat die Antragsgegnerin u.a. mehrere Gutachten und Stellungnahmen zu einem Klimaschutz- und Energiekonzept sowie einen von ihr am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag vorgelegt.

7

Mit Urteil vom 10. April 2014 (- 4 K 180/12 -) hat der beschließende Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag nur hinsichtlich der der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 11 der Satzung abgelehnt und die Satzung im Übrigen für unwirksam erklärt. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, einen Vergleich der vom Satzungsgebiet ausgehenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen. Die sonstigen Einwendungen der Antragstellerin müssten daher nicht mehr abschließend geklärt werden.

8

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Mai 2015 die Revision zugelassen. Während des Revisionsverfahrens hat die Antragsgegnerin eine neue Klimasatzung beschlossen, die am 18. September 2015 in Kraft getreten ist. Gleichzeitig ist die hier streitgegenständliche Klimasatzung außer Kraft getreten.

9

Mit Urteil vom 8. September 2016 (- 10 CN 1.15 -) hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es bestehe jedenfalls mit Blick auf die erlassene Nachfolgesatzung weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob vor Erlass eines Anschluss- und Benutzungszwangs i.S.d. § 16 EEWärmeG eine Begutachtung der konkreten gesamtklimatischen Auswirkungen dieser Maßnahme geboten ist. Diese Annahme des Senats stehe mit den bundesrechtlichen Vorschriften des § 1 EEWärmeG i.V.m. Nummer VIII der Anlage nicht in Einklang. Aus diesen Vorschriften ergebe sich die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung dafür, dass Fernwärmeeinrichtungen, die den Standards der Nummer VIII der Anlage genügen, den Zwecken des Klima- und Ressourcenschutzes dienten. Ob die Fernwärmeeinrichtung der Antragsgegnerin diese Standards erfüllt habe, bedürfe ergänzender tatrichterlicher Feststellungen. Da § 16 EEWärmeG mit der Verfassung in Einklang stehe, erweist sich die Entscheidung des Senats auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

10

Die Antragstellerin macht geltend, es bestehe ein Rechtsschutzinteresse, da die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Satzung präjudizielle Wirkung für Schadensersatz-oder Entschädigungsansprüche haben könne. Zum Zeitpunkt des Satzungserlasses sei keine positive Prognose möglich gewesen, dass die durch die Fernwärmeeinrichtung verteilte Wärme im Jahresdurchschnitt dauerhaft zu mindestens 50 % aus KWK-Anlagen stamme. Dies bestätigten die seit Satzungserlass vorgelegten Testate. Da der Antragsgegnerin die Energiedaten aus dem Jahr 2011 zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bekannt gewesen sein dürften, habe sie objektiv nicht von einer positiven Prognose ausgehen dürfen. Die von der Antragsgegnerin betriebene Fernwärmeanlage sei bereits auf Grund ihrer Strukturierung nicht geeignet, dauerhaft einen 50%igen KWK-Anteil zu erzielen. Danach müsse auf die vom TÜV-Nord verwendete Berechnungsmethode, die physikalisch nicht begründbar und „fernwärmefreundlich“ sei, nicht eingegangen werden. Zudem sei die Satzung nicht erforderlich und greife unverhältnismäßig in ihre Eigentumsgarantie ein. Darüber hinaus habe es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung im Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt. Die Antragsgegnerin verfüge nur über eine mittelbare Mehrheitsbeteiligung, die ihr keinen maßgeblichen Einfluss verschaffe. Der Betreibervertrag sei erst nach Satzungsbeschluss in Kraft getreten.

11

Die Antragstellerin beantragt,

12

festzustellen, dass die Klimasatzung der Stadt B. vom 27. September 2012 zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme unwirksam gewesen ist.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

14

den Antrag abzulehnen.

15

Sie macht geltend, eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung durch Beschluss sei nicht zulässig, weil das Urteil von 2014 auf eine mündliche Verhandlung hin ergangen sei. Zudem sei der Senat schon gemäß § 144 Abs. 6 VwGO daran gehindert, dem Antrag mit dem Argument stattzugeben, dass die streitbefangene Fernwärmeversorgung keine öffentliche Einrichtung gewesen sei.

16

Darüber hinaus sei die Fernwärmeversorgung bereits im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine öffentliche Einrichtung gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Betreiber in der Rechtsform einer GmbH organisiert sei. Hinreichenden Einfluss habe die Kommune dann, wenn sie - wie sie selbst - eine Beteiligung von mehr als 50 % halte. Denn dann könne sie über § 70 Abs. 1 und 2 GB AG (gemeint wohl § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG) ihre Position in der Gesellschafterversammlung in jedem Fall durchsetzen. Der Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung gem. § 46 GmbHG sei der Befugnis der Gemeinde gegenüber einem Eigenbetrieb vergleichbar. Hinzu komme, dass die (...)stadtwerke GmbH sich in § 6 des Konzessionsvertrages zur Anschluss- und Versorgungspflicht verpflichtet habe und die Fernwärmeversorgungsverträge mit dem Anschlussnehmer und Endbenutzer außerdem bundesweit einheitlich durch die AVBFernwärmeV reglementiert seien. Damit sei die pflichtgemäße Durchführung des Benutzungsrechtes und darauf basierenden Nutzungsverhältnisses, welches sie mit dem Satzungs- und damit zugleich Widmungsakt gegenüber den Benutzern eingegangen sei, garantiert.

17

Es sei nicht darauf angekommen, ob der Betreibervertrag (oder eine andere adäquate rechtliche Einflussnahmemöglichkeit) mit der (...)stadtwerke GmbH zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits abgeschlossen gewesen sei. Die fehlende rechtliche Sicherung der Erfüllung könne ein Indiz gegen eine öffentliche Einrichtung sein, wenn es an einem förmlichen Widmungsakt fehle. Liege eine förmliche Widmung vor, könne diese nicht durch das Nichtvorhandensein eines Betreibervertrages oder dessen Mängel konterkariert werden. Vorliegend könne kein Zweifel bestehen, dass die Fernwärmeversorgung in B-Stadt spätestens ab Inkrafttreten der Satzung eine öffentliche Einrichtung sei. Dafür sprächen die durch Satzung ausgesprochene förmliche Widmung, die gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsabhängigkeit der Betreiberin der Fernwärmeversorgung von ihr sowie die Zweckidentität zwischen dem Geschäftszweck der (...)stadtwerke GmbH, für die örtliche Wasser-und Energieversorgung zu sorgen, und dem typischerweise kommunalen öffentlichen Zweck der Daseinsvorsorge auf diesem Gebiet. Hinzu kämen die Pflichten aus § 6 des Konzessionsvertrages und der Umstand, dass die Fernwärmeversorgung zunächst kommunalisiert und dann in die Eigengesellschaft Stadtwerke (...)stadtwerke GmbH überführt worden sei. Eine öffentliche Einrichtung habe sogar schon spätestens seit 1992 vorgelegen. Daher sei allen an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen klar gewesen, dass die Widmung in der Satzung insoweit deklaratorisch gewesen sei, als sie zuvor konkludent bereits erfolgt gewesen sei. Sie sei allerdings insoweit konstitutiv, als die Widmung nunmehr förmlich durch Satzung erfolgt sei. Dazu werde Zeugeneinvernahme beantragt.

18

Von der Frage, ob eine Einrichtung eine öffentliche sei, sei die Frage zu unterscheiden, ob die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs unverhältnismäßig sei, wenn der Kommune hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit fehlten. Auf Grund der bislang vorgetragenen Umstände habe sie aber über hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährung der Versorgungsmöglichkeiten verfügt. Sollte es dennoch zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs erforderlich gewesen sein, den Betreibervertrag zu schließen, habe die Rechtmäßigkeit der Satzung selbst davon nicht abgehangen. Vielmehr hätte gegebenenfalls nur der Anschluss- und Benutzungszwang bis Vertragsschluss nicht ausgeübt werden können. Das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können.

19

Im Gegensatz zur Auffassung des Senats sei der Widmungserfolg nicht nach ihrem in § 1 Abs. 5 der Satzung zum Ausdruck gekommenen Willen erst durch Abschluss des Betreibervertrages eingetreten. § 1 Abs. 1 der Satzung sei insoweit deklaratorischer Natur, als bereits zu diesem Zeitpunkt die Fernwärmeversorgung als konkludent gewidmete öffentliche Einrichtung zu betrachten gewesen sei. Wenn eine Widmung bereits erfolgt sei, habe die Satzung, die nunmehr zusätzlich auch den Anschluss- und Benutzungszwang anordne, keine aufschiebend bedingte Widmung beinhalten können. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 5 der Satzung gäbe dafür nichts her. Die Mitglieder des Rates hätten die Satzung beschlossen und somit die abermalige satzungsförmige Widmung als öffentliche Einrichtung gerade nicht von dem sofortigen Abschluss des Betreibervertrages abhängig gemacht. Der Beschluss sei unbedingt in der - erfüllten - Erwartung gefällt worden, dass der Abschluss des Betreibervertrages noch nachgeholt werde. Es sei darauf hingewiesen worden, dass § 1 Abs. 1 der Satzung in dem Sinne auszulegen sei, dass durch diese Bestimmung nochmals bestätigt werde, dass die bestehende Fernwärmeversorgung öffentliche Einrichtung der Stadt B. sei. Zu diesen Fragen werde jeweils Beweis angeboten und Zeugeneinvernahme beantragt.

20

Im Übrigen widerspräche es dem bundesrechtlichen Rechtsstaatsprinzip, das Inkrafttreten oder Inkraftbleiben einer Satzung von dem Realakt des Betreibervertrages abhängig zu machen, dessen Abschluss zudem nicht publik werde. Dies widerspräche außerdem dem Grundsatz der Bestimmtheit. Es habe auch keinerlei Notwendigkeit dafür bestanden, das Inkrafttreten der Satzung vom Abschluss des Betreibervertrages abhängig zu machen, da bis zum Abschluss des Vertrages der satzungsmäßig angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang noch nicht in entsprechenden Anschlussverfügungen habe umgesetzt werden können.

21

Die Fernwärmeeinrichtung genüge den Anforderungen der Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG, so dass eine unwiderlegliche Vermutung begründet sei, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden an eine solche Einrichtung zum Klima- und Ressourcenschutz geeignet sei. Bei wertender Betrachtung habe der KWK-Anteil im Prinzip über 50 % gelegen und deshalb sei schon 2012 die Prognose gestattet gewesen, dass auch künftig nachhaltig der KWK Anteil über 50 % liegen werde. Selbst wenn der 50 %-Modus nicht erreicht worden sei, bestehe eine widerlegbare Vermutung der Eignung des Fernwärmenetzes. Die Differenz im Jahre 2014 sei mit rund einem Prozent so geringfügig gewesen, dass dieser einmalige Ausreißer nach unten das positive Bild der Eignung nicht infrage gestellt habe. Hinzuweisen sei auch, dass die (...)stadtwerke wesentliche Teile der Wärme mit Hilfe von Biogas erzeugten und soweit die Nr. VIII.1.a der Anlage zum EEWärmeG zur Anwendung käme.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

23

Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er nach Anhörung der Beteiligten eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 27. Juli 2011 - 8 PKH 4.11 - und v. 31. März 2011 - 4 BN 18.10 -, zit. nach JURIS, jeweils m.w.N.). Die Sach- und Rechtslage lässt sich anhand der Akten und der gewechselten Schriftsätze abschließend beurteilen. Auch die von der Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 31. Januar und 15. Februar 2017 erhobenen Einwendungen stehen dem nicht entgegen.

24

Es besteht im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin keine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil schon einmal eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Zwar darf das Normenkontrollgericht nach Durchführung und Schließung der mündlichen Verhandlung nicht noch in das Beschlussverfahren übergehen (so BVerwG, Beschl. v. 20. Dezember 1988 - 7 NB 3.88 -, zit. nach JURIS). Im Falle der Zurückverweisung nach erfolgreichem Beschwerdeverfahren tritt dagegen eine prozessuale Zäsur ein, durch die das Normenkontrollgericht vor eine insgesamt neue Entscheidungssituation gestellt wird. Dies schließt auch eine erneute Ermessensentscheidung darüber ein, ob auf Grund der nach Zurückverweisung gegebenen Sachlage eine - erneute oder erstmalige - mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2. Januar 2001 - 4 BN 13.00 - und v. 11. September 1991 - 4 NB 24/91 -, jeweils zit. nach JURIS).

25

Der Feststellungsantrag ist teilweise unzulässig (I.), aber im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet (II.).

26

I. Die Antragstellerin hat zulässigerweise nach Ablösung der streitbefangenen Klimasatzung der Stadt B. zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme vom 27. September 2012 - KS 2012 - durch eine neue Satzung einen Feststellungsantrag gestellt.

27

Schon auf Grund der Bindungswirkung (§ 144 Abs. 6 VwGO) des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 ist ein derartiger Antrag grundsätzlich zulässig. Denn die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die in diesem Urteil ausdrücklich bejahte Möglichkeit für eine Fortführung des Rechtsstreits trotz Außer-Kraft-Tretens der streitigen Satzung.

28

Darüber hinaus bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Normenkontrollantrag zulässig, wenn ein Antragsteller - wie hier - weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dieses Ergebnis folge unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 - 7 CN 1.03 -, zit. nach JURIS). Weiterhin hat die Antragstellerin unwidersprochen substanziiert geltend gemacht, dass sie auf Grund der Unwirksamkeit der angegriffenen Satzung Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche im Hinblick auf die unterlassene Realisierung mehrerer Bauprojekte geltend machen wolle (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 2. September 1983 - 4 N 1.83 -, zit. nach JURIS). Dass diese Ansprüche offensichtlich ohne Erfolg sein werden, ist weder ersichtlich noch dargelegt, so dass ein Feststellungsinteresse gegeben ist.

29

Auch war der bislang gestellte Normenkontrollantrag zulässig, da er fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung gestellt worden ist und die Antragstellerin als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Satzungsgebiet gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt war.

30

Soweit sich der Antrag gegen § 11 KS 2012 richtet, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung der Pflichten aus den §§ 3 und 5 KS 2012 eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22. August 2013 - 4 K 72/12 -, n.v.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29. September 2015 - OVG 9 A 7.14 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2011 - 6 S 707/10 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 -, zit. nach JURIS). Da § 11 KS 2012 über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.

31

II. Soweit er zulässig ist, ist der Antrag begründet.

32

Die §§ 1 bis 10 sowie § 12 der KS 2012 sind ungültig gewesen (§ 10 AG VwGO LSA i.V.m. 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da der mit der Satzung angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 3, 5 KS 2012) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren war.

33

Rechtsgrundlage des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung ist § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. der ab 1. Juli 2014 geltende § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KVG LSA jeweils i.V.m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG -. Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2). Inhaltsgleiche Regelungen enthält § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA. Nach § 16 EEWärmeG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit nach den Darlegungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 keine durchgreifenden Bedenken bestehen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.

34

1. Der in den §§ 3, 5 KS 2012 angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang war deshalb nicht mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, weil es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung am 6. Oktober 2012 nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt hat.

35

a) Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. von §§ 8 Nr. 1, 22 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 4 Satz 2 KVG LSA sein. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Zweck und dem systematischen Zusammenhang des § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA zu den vorgenannten Vorschriften (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen, Beschl. v. 6. September 2011 - 5 B 205/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA bzw. § 24 Abs. 1 KVG LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O., m.w.N.; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 543, 544, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen, Urt. v. 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, zit. nach JURIS). Aus § 16 EEWärmeG ergibt sich nichts anderes, da diese Bestimmung voraussetzt, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz deröffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung begründet wird. Auch besteht der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar kraft Satzungsrechts, wenn die Voraussetzungen der §§ 3, 5 KS 2012 erfüllt sind und keine Befreiung erteilt worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. Juli 2012 - 4 L 114/12 -; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17. Mai 2016 - OVG 9 B 24.14 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 22. Juni 2011 - 2 L 261/06 -, jeweils zit. nach JURIS), so dass es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012 nicht ausreicht, ob eine öffentliche Einrichtung zeitlich später gebildet worden ist.

36

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung oblag die Durchführung der Fernwärmeversorgung in der Stadt B. nicht der Antragsgegnerin, sondern unstreitig der (...)stadtwerke GmbH, bei der es sich trotz der Beteiligung der Antragsgegnerin um ein Privatunternehmen handelt. Die Antragsgegnerin hatte zu diesem Zeitpunkt aber keinen maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH.

37

(1) Dass die Antragsgegnerin zu einem früheren Zeitpunkt die 100%ige Kontrolle über diese GmbH hatte, ist dazu ebenso wenig ausreichend wie der Umstand, dass die GmbH eine typisch kommunale Aufgabe wahrnahm und die Mindestversorgungsbedingungen gegenüber den Endkunden weitgehend durch die AVBFernwärmeV vorstrukturiert sind. Auch aus § 6 des Konzessionsvertrages ergeben sich keine Einflussnahmemöglichkeiten der Antragsgegnerin auf Fragen der Betriebsführung der GmbH. Die Regelung in § 1 Abs. 1 KS 2012, wonach die Antragsgegnerin als öffentliche Einrichtung eine Fernwärmeversorgung betreibt, ist auf Grund der vorgenommenen Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Privaten für sich genommen nach den oben dargestellten Maßstäben ebenfalls nicht ausreichend. Welche Vorstellungen die an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen hatten, ist daher von vornherein unerheblich, so dass die beantragte Zeugeneinvernahme nicht erfolgen musste. Zudem ist maßgebend der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende „objektivierte Wille“ des Satzungsgebers, also das, was dieser geregelt hat, nicht hingegen das, was er zu regeln meinte (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 14. Dezember 2015 - 4 ZB 15.1351 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10. November 2015 - 5 S 2590/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11. Dezember 2013 - 14 A 1948/13 -. jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013 - 4 L 102/12 -, zit. nach JURIS).

38

Dass der Antragsgegnerin durch die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung an der (...)stadtwerke GmbH hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten (vgl. dazu Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 544; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 30; Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH 2011, 284, 287, jeweils m.w.N.) zur Verfügung gestanden haben, hat sie trotz einer entsprechenden Rüge der Antragstellerin und der daran zweifelnden Darlegungen in dem Urteil des Senates vom 10. April 2014 nicht substanziiert geltend gemacht. Nachdem sie sich zunächst lediglich auf den am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag berufen hatte, hat sie später lediglich pauschal behauptet, dass sie durch ihre gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung bereits hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten habe. Es wäre aber Sache der Antragsgegnerin gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, dass sie trotz der 25%igen Beteiligung der (T.) AG maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH hatte (vgl. auch §§ 37 Abs. 1, 45 GmbHG). Der bloße Hinweis, sie könne auf Grund des Mehrheitsprinzips des § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG in der Gesellschafterversammlung ihre Position in jedem Fall durchsetzen, ist schon deshalb nicht ausreichend, weil sich die Rechte der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG) und nur in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Vorschriften der §§ 46 bis 51 GmbHG Anwendung finden (§ 47 Abs. 2 GmbHG). Aus dem von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 1989 (- 7 B 184.88 -, zit. nach JURIS) ergibt sich nichts anderes, da in dem dort entschiedenen Fall ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorlag.

39

(2) Darüber hinaus und hierauf stellt der Senat selbständig tragend ab, war die Fernwärmeversorgung jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung auch auf Grund des § 1 Abs. 5 KS 2012 nicht als öffentliche Einrichtung anzusehen. Danach ist die Antragsgegnerin berechtigt, die Durchführung der Wärmeversorgung auf einen Betreiber zu übertragen (Satz 1). Sie hat in diesem Fall Sorge dafür zu tragen, dass der Betreiber die Wärmeversorgung in gleichem Umfang sicherstelle, als wenn sie die Wärmeversorgung selbst erbringen würde (Satz 2). Das Nähere regelt ein mit dem Betreiber zu schließender Vertrag (Satz 3).

40

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Widmung als öffentliche Einrichtung bei Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen (privaten) Betreiber von dem Abschluss eines die Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin sichernden Betreibervertrages abhängig war. Es handelte sich dabei, wie die Aufnahme dieser Vorschriften in den § 1 KS 2012, der ausdrücklich das Satzungsziel bestimmt, sowie der Regelungszusammenhang mit § 1 Abs. 1 KS 2012 zeigt, nicht um eine bloße Norm im Rahmen der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges, sondern um eine von der Satzung selbst angeordnete Vorgabe hinsichtlich der Widmung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung. Die in § 1 Abs. 1 KS 2012 vorgenommene Widmung wird für die Fälle der Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Dritten eingeschränkt. Nach der Klimasatzung der Antragsgegnerin selbst konnte daher nicht die nach Art. 1 Abs. 1 KS 2012 erfolgte Widmung und ihre Mehrheitsbeteiligung in der (...)stadtwerke GmbH zur Bildung einer öffentlichen Einrichtung führen, sondern erst der Abschluss des Vertrages vom 7. Dezember 2012, mit dem sie der Vorgabe des § 1 Abs. 5 Satz 2 KS 2012 erfüllen wollte.

41

Die dagegen erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin sind nicht durchgreifend.

42

Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 KS 2012 gibt für die Frage der Bedeutung der Vorschrift für die Einordnung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung nichts her, steht der hier vertretenen Auslegung aber jedenfalls nicht entgegen. Welche subjektiven Vorstellungen die Stadtratsmitglieder bei der Beschlussfassung der Satzung hatten, ist - wie oben dargelegt - unbeachtlich, so dass es auch nicht auf die insoweit gestellten Beweisanträge und vorgebrachten Beweisangebote ankommt.

43

Die Antragsgegnerin kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 1 Abs. 1 KS 2012 lediglich deklaratorischer Natur gewesen sei, da schon eine öffentliche Einrichtung vorgelegen habe. Wenn eine Kommune in einer Satzung die ausdrückliche Widmung einer öffentlichen Einrichtung vornimmt, daran aber bestimmte Maßgaben knüpft, kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung nach allgemeinen Grundsätzen schon vorher als öffentlich anzusehen war.

44

Die Rüge, es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip und dem Bestimmtheitsgrundsatz, das Inkrafttreten der Satzung von einem Realakt wie dem Abschluss eines Betreibervertrages abhängig zu machen und dazu habe - auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit - keine Notwendigkeit dafür bestanden, geht schon deshalb fehl, weil nicht das Inkrafttreten der Satzung betroffen ist, sondern allein die Einstufung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung und daraus folgend die Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012. Zudem kann eine Widmung als öffentliche Einrichtung durchaus von der Vornahme von Realakten abhängig gemacht werden und es ist nicht entscheidungserheblich, ob eine Notwendigkeit für die Regelung des § 1 Abs. 5 KS 2012 bestand.

45

Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können und bis zum Abschluss des Vertrages hätten lediglich noch keine Anschlussverfügungen erlassen werden können, verkennt sie, dass - wie oben dargelegt - der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar auf der Grundlage der Klimasatzung ohne Erlass eines Verwaltungsaktes bestehen sollte.

46

b) Dass sich das Urteil des beschließenden Senats nach der ausdrücklichen Feststellung in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellte, stellt kein Verfahrenshindernis für die nunmehr getroffene Entscheidung dar. Es handelte sich bei dieser Feststellung, die auf die Vereinbarkeit des § 16 EEWärmeG mit der Verfassung abstellt, nicht um eine rechtliche Beurteilung i.S.d. § 144 Abs. 6 VwGO zur Prüfung des Vorliegens einer öffentlichen Einrichtung. Zwar muss das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, seiner Entscheidung auch die rechtlichen Erwägungen zugrunde legen, deretwegen das Bundesverwaltungsgericht die anderweitige Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 144 Abs. 4 VwGO verneint hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. November 2012 - 8 C 21.11 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts bezog sich aber allein auf die entscheidungstragenden Erwägungen in dem aufgehobenen Urteil zur Auslegung des § 16 EEWärmeG. Da es sich bei den Ausführungen des beschließenden Senats zum Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung lediglich um nicht entscheidungstragende Erwägungen zu nicht revisiblen Fragen des Landesrechts handelte, waren sie von vornherein nicht Gegenstand der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die für die Aufhebung des Urteils tragend gewesen sind. Dementsprechend fehlte es trotz des darauf abstellenden Vortrages der Antragstellerin auch an jeglichen rechtlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Fragen.

47

2. Die Nichtigkeit der §§ 3, 5 KS 2012, mit denen die Antragsgegnerin den Anschluss- und Benutzungszwang begründet hat, führt zur Gesamtnichtigkeit der von dem Normenkontrollantrag zulässigerweise umfassten Vorschriften (§§ 1 bis 10, 12 KS 2012). Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 26. April 2014 - 3 CN 4.13 - und v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, zit. nach JURIS; Schneider/Schoch/Bier, VwGO, § 47 Rdnr. 110, m.w.N.) nur dann nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die in der Klimasatzung enthaltenen Vorschriften über die Verpflichteten (§ 7 KS 2012), die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 KS 2012) sowie die Übergangsregelungen (§ 9 KS 2012) bauen auf die Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Die übrigen Bestimmungen bleiben zwar ohne den nichtigen Teil der Satzung sinnvoll, weil sie den Eigentümern lediglich ein Anschluss- und Benutzungsrecht einräumen (§§ 2, 4 KS 2012) sowie allgemeine Regelungen zum Satzungsziel (§ 1 KS 2012), dem Satzungsgebiet (§ 6 KS 2012), dem Begriff des Wärmebedarfs (§ 8 KS 2012) sowie dem Inkrafttreten der Satzung (§ 12 KS 2012) enthalten, die sich auch auf diese Rechte beziehen. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, ein Anschluss- und Benutzungsrecht ohne gleichzeitige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu gewähren, ist aber nicht feststellbar.

48

III. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 Satz 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

51

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2006 - 2 K 1247/05 - wird nach Maßgabe des geänderten Klageantrags zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, die Betreiberin des Flughafens ..., wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag.
Die Klägerin ist u. a. Eigentümerin des 5.162 qm großen Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück war früher Teil eines größeren Grundstücks Flst.-Nr. ... mit ca. 150.000 m², das von den amerikanischen Streitkräften militärisch genutzt wurde. Das Grundstück war damals mit einem Verwaltungs- und Mannschaftsgebäude, einem Hangar und verschiedenen Nebeneinrichtungen bebaut.
Mit Schreiben vom 17.05.1988 forderte die Beklagte von den amerikanischen Streitkräften - Direktor of Engineering & Housing, Greater Stuttgart Military Community - auf der Grundlage ihrer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 12.12.1993 für das Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude im militärischen Teil des Flughafens einen Abwasserbeitrag in Höhe von insgesamt 124.772,-- DM an. Mit weiterem Schreiben vom 24.05.1988 - gerichtet an das Bundesvermögensamt Stuttgart - erläuterte die Beklagte, dass mit Schreiben vom 17.05.1988 für das genannte Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude ein Abwasserbeitrag auf der Basis einer Baumasse von 18.626 m³, einer überbauten Grundstücksfläche von 3.012 m², von zwei Vollgeschossen und einer Geschossflächenzahl von 0,8 angefordert und bezahlt worden sei.
Das streitbefangene Grundstück befindet sich heute im Areal des sog. „Frachtzentrums Süd“ des Flughafens ... das zusammen mit einer Reihe weiterer Grundstücke Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 war. Der Planfeststellungsbeschluss setzt für den das Grundstück erfassenden Bereich ein Sondergebiet für flughafenbezogene Nutzungen, Luftfahrtbetriebe, Flugbetriebsflächen, Fracht, Dienstleistung und Parkierung, eine Grundflächenzahl von 1,0 sowie eine Baumassenzahl von 9,0 fest. Nach der Umnutzung ist der Westflügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes erhalten geblieben und in die Neubauten des Frachtzentrums Süd integriert worden; die beiden anderen Flügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes sind abgerissen und durch Neubauten ersetzt worden.
Der Flughafen ... verfügte bereits vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen auf der Flughafensüdseite über ein Entwässerungssystem, das die auf dem Rollfeld, den Rollwegen und der Start- und Landebahn anfallenden Enteisungsabwässer sammelte und der Kläranlage der Stadt Stuttgart zuleitete. Die Errichtung dieses Entwässerungssystems vereinbarten u. a. die Klägerin, die Beklagte und die Stadt Stuttgart mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 17.08.1993. Im Zuge dieser Vereinbarung errichtete die Klägerin auf eigene Kosten auf ihrem Areal ein eigenes Entwässerungssystem mit einem mehrere Kilometer langen Zuleitungskanal zum Klärwerk der Stadt Stuttgart und sie beteiligte sich auch an den Kosten der durch die Behandlung der Enteisungsabwässer notwendigen Ertüchtigung des Klärwerks.
Nach Umnutzung der Flughafensüdseite und der damit verbundenen Verlagerung des bis dahin auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden erfolgt die Entsorgung des gesamten Oberflächenwassers der Flughafensüdseite auf der Basis des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.09.1999/ 10.11.2000 in die Kläranlage der Stadt Stuttgart. Nach dem Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsantrag vom 29.06.1998 ist für die Oberflächenentwässerung der Flughafensüdseite die Ausnutzung der vorhandenen Reserven des Gesamtentwässerungssystems des Flughafens vorgesehen. Dafür wird das Oberflächenwasser im Sommerbetrieb über verschiedene Regenrückhaltebecken bzw. Regenklärbecken gesammelt und gepuffert einem Vorfluter zugeleitet. Im Winterbetrieb kann dieses - dann mit glykolhaltigen Enteisungsmitteln versetzte - Oberflächenwasser nicht direkt in den Vorfluter eingeleitet werden, sondern wird über das Flughafenentwässerungssystem zusammen mit den Abflüssen von der Start- und Landeplan und den Rollbahnen einem besonderen Speicherbauwerk zugeführt und anschließend zur Weiterbehandlung der Kläranlage der Stadt Stuttgart zugeleitet.
Im Hinblick auf die dargestellte Entsorgung des kompletten Oberflächenwassers in der Kläranlage Stuttgart sieht die hier einschlägige Abwassersatzung der Beklagten vom 16.06.2003 getrennte Abwasserbeitragssätze für Grundstücke, die nur über die Möglichkeit verfügen, Schmutzwasser einzuleiten, vor (§ 32 Abs. 2 der Satzung).
Mit Bescheiden vom 14.01.2004 zog die Beklagte die Klägerin für das streitgegenständliche Grundstück Flst.-Nr. ... im Wege der Nachveranlagung wegen erhöhter baulicher Ausnutzbarkeit zu einem Abwasserbeitrag (Schmutzwasserbeitrag) für Kanalisation und Klärwerk in Höhe von 68.063,20 EUR heran. Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch vom 29.01.2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 zurück.
Die Klägerin hat am 12.04.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, den Abwasserbeitragsbescheid vom 14.01.2007 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben, und zur Begründung geltend gemacht: Die vorgenommene Nachveranlagung verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, weil bereits die als Beitragsbescheid zu wertende „Rechnung“ vom 17.05.1988, die gegenüber den amerikanischen Streitkräften ergangen sei, einer Nacherhebung entgegenstehe. Darüber hinaus führe die mit Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück nicht dazu, dass diesem Grundstück ein beitragsrechtlich relevanter weiterer Vorteil zuteil würde.
10 
Ein relevanter Vorteil im Beitragsrecht für leitungsgebundene Anlagen liege nach allgemeiner Auffassung darin, dass für die angeschlossenen oder anschließbaren Grundstücke ein Gebrauchsvorteil durch die Anschlussmöglichkeit entstehe, weil die anschließbaren Grundstücke das anfallende Abwasser beseitigen und sich mit Frischwasser versorgen könnten. Durch diese Anschlussmöglichkeit steige die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks, was wiederum den Gebrauchswert des Grundstücks steigere. Bei dem Problem der Quantifizierbarkeit dieses wirtschaftlichen Vorteils behelfe sich das Beitragsrecht damit, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werde, mit dessen Hilfe in Relation zum Ausmaß der wahrscheinlichen (also erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Vorteil abgegriffen werden solle. Die üblichen (auch in der Abwassersatzung der Beklagten enthaltenen) Beitragsmaßstäbe stellten danach grundstücksbezogene Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe dar, die durch Bezugnahme auf Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung die - unterstellte - Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks mit zunehmender Intensität der baulichen Nutzbarkeit und folglich zunehmender Intensität der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung zu erfassen versuchten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei aber der dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab gedanklich zugrunde liegende Zusammenhang zwischen der Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks und der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung im hier zu beurteilenden Fall nicht gegeben. Denn nach Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit dem Frachtzentrum der Klägerin werde die öffentliche Einrichtung der Beklagten in wesentlich geringerem Ausmaß in Anspruch genommen als dies vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen der Fall gewesen sei. Schon im Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsantrag werde festgehalten, dass die Einleitungsmengen für das häusliche Abwasser unterhalb der Werte liegen würden, die von den US-Streitkräften an die Ortskanalisation der Beklagten übergeben worden seien. Danach würden statt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes seit Aufsiedelung des Frachtzentrums nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser in den Entwässerungsanlagen der Beklagten entsorgt. Schon diese Sondersituation, die durch die eindeutige Nutzungsfestlegung im Planfeststellungsbeschluss hervorgerufen werde, führe dazu, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht anwendbar sei.
11 
Darüber hinaus verfüge die Klägerin nicht über eine vollwertige Anschlussmöglichkeit ihrer Grundstücke an die Schmutzwasserentwässerung der Beklagten. Das Oberflächenwasser, das auf dem Areal der Klägerin (auch auf dem Vorfeld vor dem Frachtzentrum Süd und damit auf Gemarkung der Beklagten) anfalle, werde im Winter mit Enteisungsmitteln versetzt, die gewährleisteten, dass die Rollflächen und Vorfelder und die Flugzeuge selbst nicht vereisen könnten. Werde aber das Oberflächenwasser in dieser Form mit Enteisungsmitteln versetzt, so unterfalle es dem Abwasserbegriff nach § 45 a Abs. 3 WG, gelte also als Schmutzwasser im Sinne der Satzung der Beklagten. Da die Beklagte technisch nicht in der Lage wäre, das anfallende Enteisungsabwasser in ihren eigenen Anlagen zu behandeln und zu reinigen, würde dieses Enteisungsabwasser in der Kläranlage der Stadt Stuttgart entsorgt. Die Klägerin habe sich zur Sicherstellung der schadlosen Beseitigung dieses Abwassers auch an den Investitionskosten für den Ausbau dieses Klärwerks beteiligt und vom Flughafen dorthin eine Leitung gebaut. Deshalb löse allein die Möglichkeit, die anfallenden geringen Mengen häuslichen Abwassers der Flughafensüdseite in die Anlagen der Beklagten abzuleiten, nicht den vollen beitragsrechtlich relevanten Vorteil aus. Die höhere Intensität der baulichen Nutzung der Flughafensüdseite habe mithin keine Auswirkungen auf die öffentliche Einrichtung der Beklagten. Der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der auch hier auf das Maß der baulichen Nutzungsmöglichkeit abhebe, werde aufgrund der Atypik (erheblich größere bauliche Ausnutzung des Grundstücks und damit einhergehend geringere Benutzung der öffentlichen Einrichtung) dem vorliegenden Fall nicht gerecht. Er lasse sich auch nicht durch Verweis auf die „Typengerechtigkeit“ des Beitragsmaßstabs rechtfertigen. Es liege keine in diesem Sinne vernachlässigungsfähige „Atypik“ mehr vor, da das Flughafengelände 6,4 % der Gesamtbemessungsfläche auf der Gemarkung der Beklagten ausmache. Nach alledem sei der Bescheid rechtswidrig, weil die Satzung keinen Maßstab für die atypische Situation der Flughafengrundstücke vorsehe.
12 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der beitragsrechtliche Vorteil bestehe in der Wertsteigerung eines Grundstücks, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Ein Grundstück mit hoher baulicher Nutzbarkeit habe daher grundsätzlich auch dann einen hohen Vorteil von der Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung, wenn die intensive bauliche Nutzbarkeit nicht mit einem entsprechend hohen Bedarf hinsichtlich der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Die hier zu Beiträgen herangezogenen Grundstücke besäßen wegen der aufgrund der leitungsmäßigen Erschließung bestehenden baulichen Nutzungsmöglichkeiten zweifellos einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Dieser Wert bestehe unabhängig davon, ob für die Flughafennutzung im Vergleich zum Maß der Nutzbarkeit viel oder wenig Wasser benötigt werde bzw. viel oder wenig Abwasser anfalle. Daran vermöge auch der Umstand, dass auf den betreffenden Grundstücken planungsrechtlich keine andere Nutzungsart zulässig sei, nichts zu ändern.
13 
Die Behauptung der Klägerin, die vermeintlichen Besonderheiten des Falles dürften wegen des hohen Anteils der Flughafenflächen an der Gesamtbemessungsfläche der Globalberechnung nicht mehr unter dem Aspekt der Typengerechtigkeit vernachlässigt werden, überzeuge schon bereits deshalb nicht, weil der Anteil der Flughafenfläche an der Gesamtfläche (6,4 %) unter der nach ständiger Rechtsprechung anerkannten Typisierungsgrenze von 10 % liege.
14 
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe für die Schmutzwasserbeseitigung auch eine vollwertige Anschlussmöglichkeit. Denn das im Winter anfallende Enteisungsabwasser sei nicht als Schmutzwasser, sondern als Niederschlagswasser zu qualifizieren. Selbst wenn das Enteisungsabwasser aber als Schmutzwasser anzusehen wäre, führe dies nicht zwangsläufig zu einem in der städtischen Abwassersatzung nicht berücksichtigten beitragsrechtlichen Mindervorteil. Die Satzung sehe zwar lediglich für diejenigen Grundstücke einen geringeren Beitragssatz vor, von denen nur Schmutzwasser eingeleitet werden dürfe und differenziere nicht danach, ob das gesamte Schmutzwasser oder nur eine Teilmenge eingeleitet werden könne. Im vorliegenden Fall sei aber zu beachten, dass das Enteisungsabwasser des Flughafens unbestritten derart stark verschmutzt sei, dass es von der Beklagten nicht ohne eine (mit erheblichen Mehrkosten verbundene) Erweiterung ihrer Abwasserbeseitigungsanlagen hätte behandelt und gereinigt werden können. Für solche Fälle sehe die Satzung in § 7 die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Abwasserbeseitigung oder eine Möglichkeit zum Abschluss einer Mehrkostenvereinbarung vor, durch die der Grundstückseigentümer die für den Bau und Betrieb der öffentlichen Abwasseranlagen entstehenden Mehrkosten übernehme. Solche Mehrkostenvereinbarungen ließen das Beitragsschuldverhältnis aber unberührt. Dies bedeute, dass die vereinbarte Erstattung der Mehrkosten zusätzlich zum satzungsmäßigen Beitrag zu leisten wäre. Dadurch werde ersichtlich, dass der „normale“ Schmutzwasserbeitrag nur für den von der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung gebotenen „normalen“ Vorteil erhoben werde. Dies entspreche im vorliegenden Fall der Möglichkeit, das auf dem Flughafengelände anfallende häusliche Abwasser einzuleiten.
15 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 12.12.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Die Klägerin wende erfolglos ein, dass eine Nachveranlagung ausnahmsweise wegen eines fehlenden tatsächlichen Vorteils ausgeschlossen sei. Der Planfeststellungsbeschluss lege nicht fest, dass höhere Abwassermengen durch die dort vorgesehene Bebauung gegenüber dem vorigen Zustand nicht zugelassen würden. Im Übrigen sei die tatsächlich eingeleitete Abwassermenge für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils - im vorliegenden Falle des erhöhten nachveranlagten Vorteils - unerheblich. Vielmehr komme es nur auf die sich im Regelfall auf den Verkehrswert eines Grundstücks auswirkende erhöhte bauliche Nutzbarkeit an. Diese liege bei der deutlichen Erhöhung der Geschossflächenzahl von zuvor 0,8 auf jetzt 2,57 offensichtlich vor.
16 
Der Klägerin sei auch nicht darin zu folgen, dass die durch den Planfeststellungsbeschluss genau festgelegte Bebauung einen geringeren Vorteil biete als die durch einen Bebauungsplan ermöglichte bauliche Nutzung. Zwar sei die Klägerin an die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten (eingeschränkten) Nutzungsmöglichkeiten gebunden. Dies liege in der Natur der Sache. Der Planfeststellungsbeschluss setze gerade eine maßgeschneiderte Nutzung entsprechend den Anträgen und Bedürfnissen der Klägerin fest. Dies gelte gerade auch für die auf dem streitgegenständlichen Grundstück festgesetzte Baumassenzahl. Zudem sei mit der Planfeststellung allenfalls die Nutzungsart, nicht jedoch das Nutzungsmaß in einer Weise eingeschränkt, die einen erhöhten Vorteil in Frage stellen könne.
17 
Die weitere Einwendung der Klägerin, ihr Vorteil sei auch dadurch eingeschränkt, dass sie lediglich häusliches Schmutzwasser und kein Oberflächenwasser - insbesondere kein Enteisungsabwasser - einleiten dürfe, sei ebenfalls unbegründet. Zum Einen falle auf dem streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser des Flughafens an, und die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass sie Grundstücke, auf denen Enteisungsabwasser - egal ob man es als Schmutz- oder Oberflächenwasser ansehe - anfalle, nicht zum Abwasserbeitrag veranlage. Zum Anderen sei der fehlenden Einleitungsmöglichkeit von Oberflächenwasser bereits durch die Veranlagung lediglich zum entsprechenden Teilbeitrag für Schmutzwasser Rechnung getragen worden.
18 
Soweit die Klägerin meine, die Satzungsregelungen zum Beitragsmaßstab seien grundsätzlich auf sie nicht anwendbar, da sie der Atypik der Flughafenfälle mit der genau durch einen Planfeststellungsbeschluss festgelegten Nutzung nicht Rechnung tragen würden, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Selbst wenn man insoweit einen „Mindervorteil“ annehmen würde, dürfe dieser beitragsrechtlich unberücksichtigt bleiben, wenn nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem abgerechneten Typ entsprächen. Dabei sei maßgeblich für die Bestimmung der genannten Grenze nicht der Flächenanteil der eingeschränkt bevorteilten Grundstücke, sondern deren Anzahl. Im vorliegenden Fall betrage die Gesamtfläche des Flughafengeländes an der Gemeindefläche darüber hinaus auch nach den Angaben der Klägerin lediglich 6,4 %. Der Prozentsatz der Anzahl der betroffenen Grundstücke liege noch deutlich darunter.
19 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor: Die gängigen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe des Abgabenrechts knüpften stets an eine Angebotsplanung an. Gleich, ob ein Grundstück nach § 34 BauGB baulich genutzt werden dürfe oder eine bauliche Nutzung durch Bebauungsplan zugelassen sei, ermöglichten diese Formen des Planungsrechts immer eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Diese Bandbreite führe gleichzeitig dazu, dass den ver- und entsorgungspflichtigen Kommunen auferlegt werde, auch für diese gesamte planungsrechtlich zugelassene Bandbreite Erschließungsleistungen vorzuhalten. Deshalb werde dem Beitragsmaßstab gedanklich stets die Nutzungsmöglichkeit zugrunde gelegt, die die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit umfasse. Dieser Regelfall sowohl einer Angebotsplanung als auch eines vorgehaltenen Erschließungsangebots, der dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab „zulässige Geschossfläche“ gedanklich zugrunde liege, sei im hier zu beurteilenden Fall aber gerade nicht gegeben. Es sei hier nicht eine bestimmte Bandbreite von Nutzungen zulässig, sondern ausschließlich die Nutzung, die im Planfeststellungsbeschluss genau beschrieben sei. Die Beklagte müsse deshalb ein Erschließungsangebot nicht allgemein vorhalten, das etwa geeignet sei, im Gewerbegebiet sowohl eine Schreinerei als auch einen abwasserintensiven Betrieb (beispielsweise Konservenfabrik) zu erschließen.
20 
Hinzu komme bei der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung geführt habe. Der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche sei folglich offensichtlich ungeeignet, um eine planfestgestellte Fläche wie die hier im Streit stehende vorteilsgerecht zu veranlagen, weil sich aus dem konkreten Planfeststellungsbeschluss ohne weiteres entnehmen lasse, dass die mit der Planfeststellung verbundene Erhöhung des Nutzungsmaßes gerade nicht mit einer Erhöhung der Inanspruchnahme der Kapazität der öffentlichen Einrichtungen verbunden sein dürfe. Für die Flächen der Flughafensüdseite insgesamt bestehe keine Korrelation zwischen baulicher Ausnutzbarkeit und Erschließungsangebot durch die Kommune, die üblicherweise im Rahmen von Wahrscheinlichkeitsmaßstäben Grundlage für die Beitragserhebung sei.
21 
Auch die Voraussetzungen für eine, durch das Kommunalabgabengesetz 1996 zugelassene, grundstücksbezogene Nachveranlagung seien nicht erfüllt. Im Falle der Nachveranlagung liege der Beitragserhebung die Überlegung zugrunde, dass die Kommune in diesen Fällen ein Erschließungsangebot mache, das erst geeignet sei, die Eigentümer der Grundstücke in die Lage zu versetzen, dieses erhöhte Nutzungsmaß realisieren zu können. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe sich einen erhöhten Vorteil für ihre Grundstücke vielmehr selbst dadurch schaffen müssen, dass sie ihr Entwässerungssystem auf eigene Kosten ausgebaut und ertüchtigt habe. Der Beklagten dagegen sei für die Aufsiedelung der Flughafensüdseite kein zusätzlicher Aufwand entstanden. Dies werde nach den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses auch nicht in Zukunft der Fall sein.
22 
Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auch angenommen, die Frage des Enteisungsabwassers könne hier außer Betracht gelassen werden, weil auf dem streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser abgeleitet werde und die Beklagte insgesamt nur einen Schmutzwasserbeitrag erhebe. Die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses erfassten das Gesamtareal. Anders als bei einer aus dem Baugesetzbuch bekannten Angebotsplanung beschränke die Planfeststellung die Dispositionsfreiheit der Grundstückseigentümer im Bereich des planfestgestellten Areals. Aufgrund dieser Besonderheiten planfestgestellter Flächen sei es nicht sachgerecht, ein einzelnes Grundstück willkürlich herauszugreifen und die beitragsrechtliche Beurteilung dieses Grundstück völlig losgelöst davon vorzunehmen, dass das Grundstück Gegenstand einer Gesamtregelung im Rahmen der Planfeststellung sei und insoweit erheblichen und gegenüber dem Planungsrecht nach dem Baugesetzbuch sehr viel weitergehenden Einschränkungen unterliege. Die Gesamtnutzung des planfestgestellten Areals basiere auf einer grundsätzlichen Trennung zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser und überdies darauf, dass nicht das gesamte Schmutzwasser, sondern nur das häusliche Abwasser in die öffentliche Einrichtung der Beklagten abgeleitet werden könne. Vor diesem Hintergrund sei eine einheitliche Betrachtung dahingehend vorzunehmen, dass auch dem hier streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil nur „häusliche Abwässer“ abgeleitet werden könnten.
23 
Hilfsweise werde im Berufungsverfahren im Wege der Klageerweiterung der Erlass des Abgabeanspruchs nach § 227 AO geltend gemacht. Die Klageänderung sei im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich. Sowohl bei der Anfechtungsklage gegen die Beitragserhebung als auch bei der Verpflichtungsklage auf Erlass gehe es im Kern darum, ob hier eine atypische Fallkonstellation gegeben sei, die entweder zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Abgabenbescheids oder (hilfsweise) zu dessen Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit führe. Die Atypik ergebe sich daraus, dass die Klägerin nicht nur bezüglich der Nutzung ihrer Grundstücke durch den Planfeststellungsbeschluss beschränkt sei, sondern auch bezüglich der Ver- und Entsorgung dieser Grundstücke. Dieses Ver- und Entsorgungskonzept basiere ausdrücklich auf der von der Beklagten akzeptierten Prämisse, dass durch die Aufsiedelung der Grundstücke der Flughafensüdseite eine über das bisherige Maß hinausgehende Inanspruchnahme der Anlagen der Beklagten nicht erfolgen dürfe. Zudem habe die Beklagte durch ihre Beteiligung an dem Vertrag über die Ableitung und Behandlung des Enteisungsabwassers ausdrücklich akzeptiert, dass die Klägerin auf der Basis eigener erheblicher Investitionen für eine Erweiterung des Klärwerks der Stadt Stuttgart dafür Sorge getragen habe, dass das Enteisungsabwasser insgesamt nicht in die Anlagen der Beklagten eingeleitet werde. Dadurch habe sich die Beklagte insoweit ihrer Entsorgungspflicht für das im Winterhalbjahr anfallende Schmutzwasser (Enteisungsabwasser) des Flughafens entledigt.
24 
Die Klägerin beantragt,
25 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.12.2006 - 2 K 1247/05 - zu ändern und den Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 14.01.2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben,
26 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23.04.2007 auf ihren Erlassantrag den streitigen Beitrag zu erlassen.
27 
Die Beklagte beantragt,
28 
nach Maßgabe des geänderten Klageantrags die Berufung zurückzuweisen.
29 
Da der beitragsrechtliche Vorteil in der Wertsteigerung eines Grundstücks bestehe, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe, komme es bei der Beitragsbemessung nicht auf den Umfang des potenziellen Wasserbedarfs bzw. Abwasseranfalls an. Konsequenterweise komme es bei einer grundstücksbezogenen Nachveranlagung nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 KAG 1996 lediglich auf eine Erhöhung der zulässigen baulichen Nutzung an. Eine einengende Auslegung dahingehend, dass zusätzlich eine Erhöhung der möglichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu verlangen sei, sei angesichts des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs nicht geboten.
30 
Entgegen dem Vortrag der Klägerin bestünden auch keine Einleitungsbeschränkungen dergestalt, dass die Ver- und Entsorgungseinrichtungen der Beklagten nicht in höherem Maße in Anspruch genommen werden dürften als vor der Erhöhung der baulichen Nutzung. Auf Seite 72 des Erläuterungsberichts zum Planfeststellungsbericht werde zwar in diesem Zusammenhang angenommen, dass die Abwassermengen unterhalb der Werte liegen würden, die früher von den US-Streitkräften der Ortskanalisation übergeben worden seien. Dabei handele es sich aber nicht um eine Einleitungsbeschränkung, sondern lediglich um eine Prognose, die belegen solle, dass die Planung voraussichtlich keinen weiteren Bedarf an äußeren Erschließungsmaßnahmen durch die Beklagte auslösen werde. Auf Seite 73 des Erläuterungsberichts werde ausdrücklich betont, dass eine verbindliche Mengenermittlung für das häusliche Abwasser nicht möglich sei.
31 
Die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Entsorgung des Abwassers stünden der Nachveranlagung ebenfalls nicht entgegen. Die Aufwendungen für die Beseitigung des anfallenden Niederschlagswassers seien bereits deshalb ohne Bedeutung, weil das streitgegenständliche Grundstück nur zu einem (weiteren) Schmutzwasserbeitrag herangezogen und somit nicht mit Kosten der öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigung belastet worden sei. Die Aufwendungen für die Beseitigung des im Winter anfallenden Enteisungsabwassers seien - unabhängig von der rechtlichen Einordnung - ebenfalls unbeachtlich, da die Enteisungsabwasserproblematik beitragsrechtlich irrelevant sei und das im vorliegenden Fall veranlagte Grundstück ohnehin nicht tangiere.
32 
In die Klageerweiterung hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags werde ausdrücklich eingewilligt. Eine sachliche Unbilligkeit liege hier jedoch nicht vor. In Fällen, wie dem hier zu beurteilenden, in denen eine Erhöhung der baulichen Nutzungsmöglichkeit nicht zu einer entsprechenden Erhöhung des Bedarfs der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führe, liege keine vom Gesetzgeber nicht in Kauf genommene unbillige Härte vor. Der beitragsrechtliche Vorteil orientiere sich - wie dargelegt - nicht am Maß der potenziellen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, sondern an der Wertsteigerung des Grundstücks, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Da der Wert eines Grundstücks nicht vom Umfang eines potenziellen Wasserbedarfs bzw. Abwasseranfalls abhänge, könne es für die aus der Anschlussmöglichkeit resultierende Wertsteigerung und somit für den beitragsrechtlichen Vorteil des Grundstücks ebenfalls nicht auf diesen Aspekt ankommen. Ein baulich bzw. gewerblich intensiv nutzbares Grundstück erfahre somit aus der Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungseinrichtung auch dann einen adäquaten beitragsrechtlichen Vorteil, wenn mit der baulichen bzw. gewerblichen Nutzungsmöglichkeit kein entsprechend hoher Bedarf an Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn die öffentliche Einrichtung von der Kapazität her nicht geeignet wäre, eine für die zulässige bauliche Nutzung ausreichende Erschließung zu gewährleisten oder wenn angesichts der planungsrechtlich vorgegebenen Nutzung kein Bedarf an Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bestünde. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor.
33 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.).
I.
35 
Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996, GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a. vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde.
36 
1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene „Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit.
37 
2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden.
38 
a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil, der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311).
39 
Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S 2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“ dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris).
40 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird (vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten - und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt.
41 
b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten.
42 
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken.
43 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im Satzungsgebiet vorteilsgerecht.
44 
Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind. Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich. Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat.
45 
bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren, besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare Erschließungsleistungen vorgehalten werden.
46 
cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG 1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit, aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen.
47 
dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne, sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“.
48 
Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten entsorgt wird.
49 
Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den „Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser herangezogen werden.
50 
Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil.
51 
Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann.
52 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, § 8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist.
53 
Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die „Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen.
54 
ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt.
55 
ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert.
56 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile zugeflossen.
57 
4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von 0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen:
58 
Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl. Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr. ... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag, wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m² (entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im Übrigen auch nicht ersichtlich.
59 
Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050 aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach § 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben.
60 
5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO).
II.
61 
Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos.
62 
1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
63 
2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor.
64 
Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden.
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
66 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
67 
Beschluss vom 12. November 2009
68 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt.
69 
Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin, den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen.
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.).
I.
35 
Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996, GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a. vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde.
36 
1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene „Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit.
37 
2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden.
38 
a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil, der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311).
39 
Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S 2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“ dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris).
40 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird (vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten - und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt.
41 
b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten.
42 
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken.
43 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im Satzungsgebiet vorteilsgerecht.
44 
Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind. Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich. Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat.
45 
bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren, besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare Erschließungsleistungen vorgehalten werden.
46 
cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG 1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit, aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen.
47 
dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne, sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“.
48 
Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten entsorgt wird.
49 
Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den „Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser herangezogen werden.
50 
Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil.
51 
Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann.
52 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, § 8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist.
53 
Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die „Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen.
54 
ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt.
55 
ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert.
56 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile zugeflossen.
57 
4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von 0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen:
58 
Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl. Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr. ... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag, wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m² (entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im Übrigen auch nicht ersichtlich.
59 
Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050 aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach § 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben.
60 
5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO).
II.
61 
Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos.
62 
1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
63 
2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor.
64 
Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden.
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
66 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
67 
Beschluss vom 12. November 2009
68 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt.
69 
Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin, den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen.
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2006 - 2 K 1247/05 - wird nach Maßgabe des geänderten Klageantrags zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, die Betreiberin des Flughafens ..., wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag.
Die Klägerin ist u. a. Eigentümerin des 5.162 qm großen Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück war früher Teil eines größeren Grundstücks Flst.-Nr. ... mit ca. 150.000 m², das von den amerikanischen Streitkräften militärisch genutzt wurde. Das Grundstück war damals mit einem Verwaltungs- und Mannschaftsgebäude, einem Hangar und verschiedenen Nebeneinrichtungen bebaut.
Mit Schreiben vom 17.05.1988 forderte die Beklagte von den amerikanischen Streitkräften - Direktor of Engineering & Housing, Greater Stuttgart Military Community - auf der Grundlage ihrer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 12.12.1993 für das Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude im militärischen Teil des Flughafens einen Abwasserbeitrag in Höhe von insgesamt 124.772,-- DM an. Mit weiterem Schreiben vom 24.05.1988 - gerichtet an das Bundesvermögensamt Stuttgart - erläuterte die Beklagte, dass mit Schreiben vom 17.05.1988 für das genannte Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude ein Abwasserbeitrag auf der Basis einer Baumasse von 18.626 m³, einer überbauten Grundstücksfläche von 3.012 m², von zwei Vollgeschossen und einer Geschossflächenzahl von 0,8 angefordert und bezahlt worden sei.
Das streitbefangene Grundstück befindet sich heute im Areal des sog. „Frachtzentrums Süd“ des Flughafens ... das zusammen mit einer Reihe weiterer Grundstücke Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 war. Der Planfeststellungsbeschluss setzt für den das Grundstück erfassenden Bereich ein Sondergebiet für flughafenbezogene Nutzungen, Luftfahrtbetriebe, Flugbetriebsflächen, Fracht, Dienstleistung und Parkierung, eine Grundflächenzahl von 1,0 sowie eine Baumassenzahl von 9,0 fest. Nach der Umnutzung ist der Westflügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes erhalten geblieben und in die Neubauten des Frachtzentrums Süd integriert worden; die beiden anderen Flügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes sind abgerissen und durch Neubauten ersetzt worden.
Der Flughafen ... verfügte bereits vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen auf der Flughafensüdseite über ein Entwässerungssystem, das die auf dem Rollfeld, den Rollwegen und der Start- und Landebahn anfallenden Enteisungsabwässer sammelte und der Kläranlage der Stadt Stuttgart zuleitete. Die Errichtung dieses Entwässerungssystems vereinbarten u. a. die Klägerin, die Beklagte und die Stadt Stuttgart mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 17.08.1993. Im Zuge dieser Vereinbarung errichtete die Klägerin auf eigene Kosten auf ihrem Areal ein eigenes Entwässerungssystem mit einem mehrere Kilometer langen Zuleitungskanal zum Klärwerk der Stadt Stuttgart und sie beteiligte sich auch an den Kosten der durch die Behandlung der Enteisungsabwässer notwendigen Ertüchtigung des Klärwerks.
Nach Umnutzung der Flughafensüdseite und der damit verbundenen Verlagerung des bis dahin auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden erfolgt die Entsorgung des gesamten Oberflächenwassers der Flughafensüdseite auf der Basis des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.09.1999/ 10.11.2000 in die Kläranlage der Stadt Stuttgart. Nach dem Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsantrag vom 29.06.1998 ist für die Oberflächenentwässerung der Flughafensüdseite die Ausnutzung der vorhandenen Reserven des Gesamtentwässerungssystems des Flughafens vorgesehen. Dafür wird das Oberflächenwasser im Sommerbetrieb über verschiedene Regenrückhaltebecken bzw. Regenklärbecken gesammelt und gepuffert einem Vorfluter zugeleitet. Im Winterbetrieb kann dieses - dann mit glykolhaltigen Enteisungsmitteln versetzte - Oberflächenwasser nicht direkt in den Vorfluter eingeleitet werden, sondern wird über das Flughafenentwässerungssystem zusammen mit den Abflüssen von der Start- und Landeplan und den Rollbahnen einem besonderen Speicherbauwerk zugeführt und anschließend zur Weiterbehandlung der Kläranlage der Stadt Stuttgart zugeleitet.
Im Hinblick auf die dargestellte Entsorgung des kompletten Oberflächenwassers in der Kläranlage Stuttgart sieht die hier einschlägige Abwassersatzung der Beklagten vom 16.06.2003 getrennte Abwasserbeitragssätze für Grundstücke, die nur über die Möglichkeit verfügen, Schmutzwasser einzuleiten, vor (§ 32 Abs. 2 der Satzung).
Mit Bescheiden vom 14.01.2004 zog die Beklagte die Klägerin für das streitgegenständliche Grundstück Flst.-Nr. ... im Wege der Nachveranlagung wegen erhöhter baulicher Ausnutzbarkeit zu einem Abwasserbeitrag (Schmutzwasserbeitrag) für Kanalisation und Klärwerk in Höhe von 68.063,20 EUR heran. Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch vom 29.01.2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 zurück.
Die Klägerin hat am 12.04.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, den Abwasserbeitragsbescheid vom 14.01.2007 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben, und zur Begründung geltend gemacht: Die vorgenommene Nachveranlagung verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, weil bereits die als Beitragsbescheid zu wertende „Rechnung“ vom 17.05.1988, die gegenüber den amerikanischen Streitkräften ergangen sei, einer Nacherhebung entgegenstehe. Darüber hinaus führe die mit Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück nicht dazu, dass diesem Grundstück ein beitragsrechtlich relevanter weiterer Vorteil zuteil würde.
10 
Ein relevanter Vorteil im Beitragsrecht für leitungsgebundene Anlagen liege nach allgemeiner Auffassung darin, dass für die angeschlossenen oder anschließbaren Grundstücke ein Gebrauchsvorteil durch die Anschlussmöglichkeit entstehe, weil die anschließbaren Grundstücke das anfallende Abwasser beseitigen und sich mit Frischwasser versorgen könnten. Durch diese Anschlussmöglichkeit steige die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks, was wiederum den Gebrauchswert des Grundstücks steigere. Bei dem Problem der Quantifizierbarkeit dieses wirtschaftlichen Vorteils behelfe sich das Beitragsrecht damit, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werde, mit dessen Hilfe in Relation zum Ausmaß der wahrscheinlichen (also erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Vorteil abgegriffen werden solle. Die üblichen (auch in der Abwassersatzung der Beklagten enthaltenen) Beitragsmaßstäbe stellten danach grundstücksbezogene Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe dar, die durch Bezugnahme auf Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung die - unterstellte - Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks mit zunehmender Intensität der baulichen Nutzbarkeit und folglich zunehmender Intensität der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung zu erfassen versuchten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei aber der dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab gedanklich zugrunde liegende Zusammenhang zwischen der Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks und der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung im hier zu beurteilenden Fall nicht gegeben. Denn nach Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit dem Frachtzentrum der Klägerin werde die öffentliche Einrichtung der Beklagten in wesentlich geringerem Ausmaß in Anspruch genommen als dies vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen der Fall gewesen sei. Schon im Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsantrag werde festgehalten, dass die Einleitungsmengen für das häusliche Abwasser unterhalb der Werte liegen würden, die von den US-Streitkräften an die Ortskanalisation der Beklagten übergeben worden seien. Danach würden statt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes seit Aufsiedelung des Frachtzentrums nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser in den Entwässerungsanlagen der Beklagten entsorgt. Schon diese Sondersituation, die durch die eindeutige Nutzungsfestlegung im Planfeststellungsbeschluss hervorgerufen werde, führe dazu, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht anwendbar sei.
11 
Darüber hinaus verfüge die Klägerin nicht über eine vollwertige Anschlussmöglichkeit ihrer Grundstücke an die Schmutzwasserentwässerung der Beklagten. Das Oberflächenwasser, das auf dem Areal der Klägerin (auch auf dem Vorfeld vor dem Frachtzentrum Süd und damit auf Gemarkung der Beklagten) anfalle, werde im Winter mit Enteisungsmitteln versetzt, die gewährleisteten, dass die Rollflächen und Vorfelder und die Flugzeuge selbst nicht vereisen könnten. Werde aber das Oberflächenwasser in dieser Form mit Enteisungsmitteln versetzt, so unterfalle es dem Abwasserbegriff nach § 45 a Abs. 3 WG, gelte also als Schmutzwasser im Sinne der Satzung der Beklagten. Da die Beklagte technisch nicht in der Lage wäre, das anfallende Enteisungsabwasser in ihren eigenen Anlagen zu behandeln und zu reinigen, würde dieses Enteisungsabwasser in der Kläranlage der Stadt Stuttgart entsorgt. Die Klägerin habe sich zur Sicherstellung der schadlosen Beseitigung dieses Abwassers auch an den Investitionskosten für den Ausbau dieses Klärwerks beteiligt und vom Flughafen dorthin eine Leitung gebaut. Deshalb löse allein die Möglichkeit, die anfallenden geringen Mengen häuslichen Abwassers der Flughafensüdseite in die Anlagen der Beklagten abzuleiten, nicht den vollen beitragsrechtlich relevanten Vorteil aus. Die höhere Intensität der baulichen Nutzung der Flughafensüdseite habe mithin keine Auswirkungen auf die öffentliche Einrichtung der Beklagten. Der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der auch hier auf das Maß der baulichen Nutzungsmöglichkeit abhebe, werde aufgrund der Atypik (erheblich größere bauliche Ausnutzung des Grundstücks und damit einhergehend geringere Benutzung der öffentlichen Einrichtung) dem vorliegenden Fall nicht gerecht. Er lasse sich auch nicht durch Verweis auf die „Typengerechtigkeit“ des Beitragsmaßstabs rechtfertigen. Es liege keine in diesem Sinne vernachlässigungsfähige „Atypik“ mehr vor, da das Flughafengelände 6,4 % der Gesamtbemessungsfläche auf der Gemarkung der Beklagten ausmache. Nach alledem sei der Bescheid rechtswidrig, weil die Satzung keinen Maßstab für die atypische Situation der Flughafengrundstücke vorsehe.
12 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der beitragsrechtliche Vorteil bestehe in der Wertsteigerung eines Grundstücks, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Ein Grundstück mit hoher baulicher Nutzbarkeit habe daher grundsätzlich auch dann einen hohen Vorteil von der Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung, wenn die intensive bauliche Nutzbarkeit nicht mit einem entsprechend hohen Bedarf hinsichtlich der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Die hier zu Beiträgen herangezogenen Grundstücke besäßen wegen der aufgrund der leitungsmäßigen Erschließung bestehenden baulichen Nutzungsmöglichkeiten zweifellos einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Dieser Wert bestehe unabhängig davon, ob für die Flughafennutzung im Vergleich zum Maß der Nutzbarkeit viel oder wenig Wasser benötigt werde bzw. viel oder wenig Abwasser anfalle. Daran vermöge auch der Umstand, dass auf den betreffenden Grundstücken planungsrechtlich keine andere Nutzungsart zulässig sei, nichts zu ändern.
13 
Die Behauptung der Klägerin, die vermeintlichen Besonderheiten des Falles dürften wegen des hohen Anteils der Flughafenflächen an der Gesamtbemessungsfläche der Globalberechnung nicht mehr unter dem Aspekt der Typengerechtigkeit vernachlässigt werden, überzeuge schon bereits deshalb nicht, weil der Anteil der Flughafenfläche an der Gesamtfläche (6,4 %) unter der nach ständiger Rechtsprechung anerkannten Typisierungsgrenze von 10 % liege.
14 
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe für die Schmutzwasserbeseitigung auch eine vollwertige Anschlussmöglichkeit. Denn das im Winter anfallende Enteisungsabwasser sei nicht als Schmutzwasser, sondern als Niederschlagswasser zu qualifizieren. Selbst wenn das Enteisungsabwasser aber als Schmutzwasser anzusehen wäre, führe dies nicht zwangsläufig zu einem in der städtischen Abwassersatzung nicht berücksichtigten beitragsrechtlichen Mindervorteil. Die Satzung sehe zwar lediglich für diejenigen Grundstücke einen geringeren Beitragssatz vor, von denen nur Schmutzwasser eingeleitet werden dürfe und differenziere nicht danach, ob das gesamte Schmutzwasser oder nur eine Teilmenge eingeleitet werden könne. Im vorliegenden Fall sei aber zu beachten, dass das Enteisungsabwasser des Flughafens unbestritten derart stark verschmutzt sei, dass es von der Beklagten nicht ohne eine (mit erheblichen Mehrkosten verbundene) Erweiterung ihrer Abwasserbeseitigungsanlagen hätte behandelt und gereinigt werden können. Für solche Fälle sehe die Satzung in § 7 die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Abwasserbeseitigung oder eine Möglichkeit zum Abschluss einer Mehrkostenvereinbarung vor, durch die der Grundstückseigentümer die für den Bau und Betrieb der öffentlichen Abwasseranlagen entstehenden Mehrkosten übernehme. Solche Mehrkostenvereinbarungen ließen das Beitragsschuldverhältnis aber unberührt. Dies bedeute, dass die vereinbarte Erstattung der Mehrkosten zusätzlich zum satzungsmäßigen Beitrag zu leisten wäre. Dadurch werde ersichtlich, dass der „normale“ Schmutzwasserbeitrag nur für den von der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung gebotenen „normalen“ Vorteil erhoben werde. Dies entspreche im vorliegenden Fall der Möglichkeit, das auf dem Flughafengelände anfallende häusliche Abwasser einzuleiten.
15 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 12.12.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Die Klägerin wende erfolglos ein, dass eine Nachveranlagung ausnahmsweise wegen eines fehlenden tatsächlichen Vorteils ausgeschlossen sei. Der Planfeststellungsbeschluss lege nicht fest, dass höhere Abwassermengen durch die dort vorgesehene Bebauung gegenüber dem vorigen Zustand nicht zugelassen würden. Im Übrigen sei die tatsächlich eingeleitete Abwassermenge für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils - im vorliegenden Falle des erhöhten nachveranlagten Vorteils - unerheblich. Vielmehr komme es nur auf die sich im Regelfall auf den Verkehrswert eines Grundstücks auswirkende erhöhte bauliche Nutzbarkeit an. Diese liege bei der deutlichen Erhöhung der Geschossflächenzahl von zuvor 0,8 auf jetzt 2,57 offensichtlich vor.
16 
Der Klägerin sei auch nicht darin zu folgen, dass die durch den Planfeststellungsbeschluss genau festgelegte Bebauung einen geringeren Vorteil biete als die durch einen Bebauungsplan ermöglichte bauliche Nutzung. Zwar sei die Klägerin an die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten (eingeschränkten) Nutzungsmöglichkeiten gebunden. Dies liege in der Natur der Sache. Der Planfeststellungsbeschluss setze gerade eine maßgeschneiderte Nutzung entsprechend den Anträgen und Bedürfnissen der Klägerin fest. Dies gelte gerade auch für die auf dem streitgegenständlichen Grundstück festgesetzte Baumassenzahl. Zudem sei mit der Planfeststellung allenfalls die Nutzungsart, nicht jedoch das Nutzungsmaß in einer Weise eingeschränkt, die einen erhöhten Vorteil in Frage stellen könne.
17 
Die weitere Einwendung der Klägerin, ihr Vorteil sei auch dadurch eingeschränkt, dass sie lediglich häusliches Schmutzwasser und kein Oberflächenwasser - insbesondere kein Enteisungsabwasser - einleiten dürfe, sei ebenfalls unbegründet. Zum Einen falle auf dem streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser des Flughafens an, und die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass sie Grundstücke, auf denen Enteisungsabwasser - egal ob man es als Schmutz- oder Oberflächenwasser ansehe - anfalle, nicht zum Abwasserbeitrag veranlage. Zum Anderen sei der fehlenden Einleitungsmöglichkeit von Oberflächenwasser bereits durch die Veranlagung lediglich zum entsprechenden Teilbeitrag für Schmutzwasser Rechnung getragen worden.
18 
Soweit die Klägerin meine, die Satzungsregelungen zum Beitragsmaßstab seien grundsätzlich auf sie nicht anwendbar, da sie der Atypik der Flughafenfälle mit der genau durch einen Planfeststellungsbeschluss festgelegten Nutzung nicht Rechnung tragen würden, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Selbst wenn man insoweit einen „Mindervorteil“ annehmen würde, dürfe dieser beitragsrechtlich unberücksichtigt bleiben, wenn nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem abgerechneten Typ entsprächen. Dabei sei maßgeblich für die Bestimmung der genannten Grenze nicht der Flächenanteil der eingeschränkt bevorteilten Grundstücke, sondern deren Anzahl. Im vorliegenden Fall betrage die Gesamtfläche des Flughafengeländes an der Gemeindefläche darüber hinaus auch nach den Angaben der Klägerin lediglich 6,4 %. Der Prozentsatz der Anzahl der betroffenen Grundstücke liege noch deutlich darunter.
19 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor: Die gängigen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe des Abgabenrechts knüpften stets an eine Angebotsplanung an. Gleich, ob ein Grundstück nach § 34 BauGB baulich genutzt werden dürfe oder eine bauliche Nutzung durch Bebauungsplan zugelassen sei, ermöglichten diese Formen des Planungsrechts immer eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Diese Bandbreite führe gleichzeitig dazu, dass den ver- und entsorgungspflichtigen Kommunen auferlegt werde, auch für diese gesamte planungsrechtlich zugelassene Bandbreite Erschließungsleistungen vorzuhalten. Deshalb werde dem Beitragsmaßstab gedanklich stets die Nutzungsmöglichkeit zugrunde gelegt, die die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit umfasse. Dieser Regelfall sowohl einer Angebotsplanung als auch eines vorgehaltenen Erschließungsangebots, der dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab „zulässige Geschossfläche“ gedanklich zugrunde liege, sei im hier zu beurteilenden Fall aber gerade nicht gegeben. Es sei hier nicht eine bestimmte Bandbreite von Nutzungen zulässig, sondern ausschließlich die Nutzung, die im Planfeststellungsbeschluss genau beschrieben sei. Die Beklagte müsse deshalb ein Erschließungsangebot nicht allgemein vorhalten, das etwa geeignet sei, im Gewerbegebiet sowohl eine Schreinerei als auch einen abwasserintensiven Betrieb (beispielsweise Konservenfabrik) zu erschließen.
20 
Hinzu komme bei der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung geführt habe. Der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche sei folglich offensichtlich ungeeignet, um eine planfestgestellte Fläche wie die hier im Streit stehende vorteilsgerecht zu veranlagen, weil sich aus dem konkreten Planfeststellungsbeschluss ohne weiteres entnehmen lasse, dass die mit der Planfeststellung verbundene Erhöhung des Nutzungsmaßes gerade nicht mit einer Erhöhung der Inanspruchnahme der Kapazität der öffentlichen Einrichtungen verbunden sein dürfe. Für die Flächen der Flughafensüdseite insgesamt bestehe keine Korrelation zwischen baulicher Ausnutzbarkeit und Erschließungsangebot durch die Kommune, die üblicherweise im Rahmen von Wahrscheinlichkeitsmaßstäben Grundlage für die Beitragserhebung sei.
21 
Auch die Voraussetzungen für eine, durch das Kommunalabgabengesetz 1996 zugelassene, grundstücksbezogene Nachveranlagung seien nicht erfüllt. Im Falle der Nachveranlagung liege der Beitragserhebung die Überlegung zugrunde, dass die Kommune in diesen Fällen ein Erschließungsangebot mache, das erst geeignet sei, die Eigentümer der Grundstücke in die Lage zu versetzen, dieses erhöhte Nutzungsmaß realisieren zu können. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe sich einen erhöhten Vorteil für ihre Grundstücke vielmehr selbst dadurch schaffen müssen, dass sie ihr Entwässerungssystem auf eigene Kosten ausgebaut und ertüchtigt habe. Der Beklagten dagegen sei für die Aufsiedelung der Flughafensüdseite kein zusätzlicher Aufwand entstanden. Dies werde nach den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses auch nicht in Zukunft der Fall sein.
22 
Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auch angenommen, die Frage des Enteisungsabwassers könne hier außer Betracht gelassen werden, weil auf dem streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser abgeleitet werde und die Beklagte insgesamt nur einen Schmutzwasserbeitrag erhebe. Die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses erfassten das Gesamtareal. Anders als bei einer aus dem Baugesetzbuch bekannten Angebotsplanung beschränke die Planfeststellung die Dispositionsfreiheit der Grundstückseigentümer im Bereich des planfestgestellten Areals. Aufgrund dieser Besonderheiten planfestgestellter Flächen sei es nicht sachgerecht, ein einzelnes Grundstück willkürlich herauszugreifen und die beitragsrechtliche Beurteilung dieses Grundstück völlig losgelöst davon vorzunehmen, dass das Grundstück Gegenstand einer Gesamtregelung im Rahmen der Planfeststellung sei und insoweit erheblichen und gegenüber dem Planungsrecht nach dem Baugesetzbuch sehr viel weitergehenden Einschränkungen unterliege. Die Gesamtnutzung des planfestgestellten Areals basiere auf einer grundsätzlichen Trennung zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser und überdies darauf, dass nicht das gesamte Schmutzwasser, sondern nur das häusliche Abwasser in die öffentliche Einrichtung der Beklagten abgeleitet werden könne. Vor diesem Hintergrund sei eine einheitliche Betrachtung dahingehend vorzunehmen, dass auch dem hier streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil nur „häusliche Abwässer“ abgeleitet werden könnten.
23 
Hilfsweise werde im Berufungsverfahren im Wege der Klageerweiterung der Erlass des Abgabeanspruchs nach § 227 AO geltend gemacht. Die Klageänderung sei im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich. Sowohl bei der Anfechtungsklage gegen die Beitragserhebung als auch bei der Verpflichtungsklage auf Erlass gehe es im Kern darum, ob hier eine atypische Fallkonstellation gegeben sei, die entweder zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Abgabenbescheids oder (hilfsweise) zu dessen Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit führe. Die Atypik ergebe sich daraus, dass die Klägerin nicht nur bezüglich der Nutzung ihrer Grundstücke durch den Planfeststellungsbeschluss beschränkt sei, sondern auch bezüglich der Ver- und Entsorgung dieser Grundstücke. Dieses Ver- und Entsorgungskonzept basiere ausdrücklich auf der von der Beklagten akzeptierten Prämisse, dass durch die Aufsiedelung der Grundstücke der Flughafensüdseite eine über das bisherige Maß hinausgehende Inanspruchnahme der Anlagen der Beklagten nicht erfolgen dürfe. Zudem habe die Beklagte durch ihre Beteiligung an dem Vertrag über die Ableitung und Behandlung des Enteisungsabwassers ausdrücklich akzeptiert, dass die Klägerin auf der Basis eigener erheblicher Investitionen für eine Erweiterung des Klärwerks der Stadt Stuttgart dafür Sorge getragen habe, dass das Enteisungsabwasser insgesamt nicht in die Anlagen der Beklagten eingeleitet werde. Dadurch habe sich die Beklagte insoweit ihrer Entsorgungspflicht für das im Winterhalbjahr anfallende Schmutzwasser (Enteisungsabwasser) des Flughafens entledigt.
24 
Die Klägerin beantragt,
25 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.12.2006 - 2 K 1247/05 - zu ändern und den Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 14.01.2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben,
26 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23.04.2007 auf ihren Erlassantrag den streitigen Beitrag zu erlassen.
27 
Die Beklagte beantragt,
28 
nach Maßgabe des geänderten Klageantrags die Berufung zurückzuweisen.
29 
Da der beitragsrechtliche Vorteil in der Wertsteigerung eines Grundstücks bestehe, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe, komme es bei der Beitragsbemessung nicht auf den Umfang des potenziellen Wasserbedarfs bzw. Abwasseranfalls an. Konsequenterweise komme es bei einer grundstücksbezogenen Nachveranlagung nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 KAG 1996 lediglich auf eine Erhöhung der zulässigen baulichen Nutzung an. Eine einengende Auslegung dahingehend, dass zusätzlich eine Erhöhung der möglichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu verlangen sei, sei angesichts des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs nicht geboten.
30 
Entgegen dem Vortrag der Klägerin bestünden auch keine Einleitungsbeschränkungen dergestalt, dass die Ver- und Entsorgungseinrichtungen der Beklagten nicht in höherem Maße in Anspruch genommen werden dürften als vor der Erhöhung der baulichen Nutzung. Auf Seite 72 des Erläuterungsberichts zum Planfeststellungsbericht werde zwar in diesem Zusammenhang angenommen, dass die Abwassermengen unterhalb der Werte liegen würden, die früher von den US-Streitkräften der Ortskanalisation übergeben worden seien. Dabei handele es sich aber nicht um eine Einleitungsbeschränkung, sondern lediglich um eine Prognose, die belegen solle, dass die Planung voraussichtlich keinen weiteren Bedarf an äußeren Erschließungsmaßnahmen durch die Beklagte auslösen werde. Auf Seite 73 des Erläuterungsberichts werde ausdrücklich betont, dass eine verbindliche Mengenermittlung für das häusliche Abwasser nicht möglich sei.
31 
Die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Entsorgung des Abwassers stünden der Nachveranlagung ebenfalls nicht entgegen. Die Aufwendungen für die Beseitigung des anfallenden Niederschlagswassers seien bereits deshalb ohne Bedeutung, weil das streitgegenständliche Grundstück nur zu einem (weiteren) Schmutzwasserbeitrag herangezogen und somit nicht mit Kosten der öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigung belastet worden sei. Die Aufwendungen für die Beseitigung des im Winter anfallenden Enteisungsabwassers seien - unabhängig von der rechtlichen Einordnung - ebenfalls unbeachtlich, da die Enteisungsabwasserproblematik beitragsrechtlich irrelevant sei und das im vorliegenden Fall veranlagte Grundstück ohnehin nicht tangiere.
32 
In die Klageerweiterung hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags werde ausdrücklich eingewilligt. Eine sachliche Unbilligkeit liege hier jedoch nicht vor. In Fällen, wie dem hier zu beurteilenden, in denen eine Erhöhung der baulichen Nutzungsmöglichkeit nicht zu einer entsprechenden Erhöhung des Bedarfs der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führe, liege keine vom Gesetzgeber nicht in Kauf genommene unbillige Härte vor. Der beitragsrechtliche Vorteil orientiere sich - wie dargelegt - nicht am Maß der potenziellen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, sondern an der Wertsteigerung des Grundstücks, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Da der Wert eines Grundstücks nicht vom Umfang eines potenziellen Wasserbedarfs bzw. Abwasseranfalls abhänge, könne es für die aus der Anschlussmöglichkeit resultierende Wertsteigerung und somit für den beitragsrechtlichen Vorteil des Grundstücks ebenfalls nicht auf diesen Aspekt ankommen. Ein baulich bzw. gewerblich intensiv nutzbares Grundstück erfahre somit aus der Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungseinrichtung auch dann einen adäquaten beitragsrechtlichen Vorteil, wenn mit der baulichen bzw. gewerblichen Nutzungsmöglichkeit kein entsprechend hoher Bedarf an Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn die öffentliche Einrichtung von der Kapazität her nicht geeignet wäre, eine für die zulässige bauliche Nutzung ausreichende Erschließung zu gewährleisten oder wenn angesichts der planungsrechtlich vorgegebenen Nutzung kein Bedarf an Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bestünde. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor.
33 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.).
I.
35 
Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996, GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a. vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde.
36 
1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene „Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit.
37 
2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden.
38 
a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil, der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311).
39 
Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S 2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“ dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris).
40 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird (vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten - und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt.
41 
b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten.
42 
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken.
43 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im Satzungsgebiet vorteilsgerecht.
44 
Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind. Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich. Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat.
45 
bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren, besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare Erschließungsleistungen vorgehalten werden.
46 
cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG 1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit, aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen.
47 
dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne, sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“.
48 
Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten entsorgt wird.
49 
Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den „Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser herangezogen werden.
50 
Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil.
51 
Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann.
52 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, § 8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist.
53 
Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die „Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen.
54 
ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt.
55 
ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert.
56 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile zugeflossen.
57 
4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von 0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen:
58 
Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl. Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr. ... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag, wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m² (entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im Übrigen auch nicht ersichtlich.
59 
Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050 aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach § 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben.
60 
5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO).
II.
61 
Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos.
62 
1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
63 
2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor.
64 
Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden.
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
66 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
67 
Beschluss vom 12. November 2009
68 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt.
69 
Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin, den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen.
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.).
I.
35 
Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996, GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a. vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde.
36 
1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene „Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit.
37 
2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden.
38 
a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil, der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311).
39 
Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S 2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“ dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris).
40 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird (vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten - und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt.
41 
b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten.
42 
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken.
43 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im Satzungsgebiet vorteilsgerecht.
44 
Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind. Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich. Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat.
45 
bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren, besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare Erschließungsleistungen vorgehalten werden.
46 
cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG 1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit, aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen.
47 
dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne, sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“.
48 
Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten entsorgt wird.
49 
Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den „Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser herangezogen werden.
50 
Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil.
51 
Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann.
52 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, § 8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist.
53 
Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die „Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen.
54 
ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt.
55 
ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert.
56 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile zugeflossen.
57 
4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von 0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen:
58 
Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl. Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr. ... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag, wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m² (entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im Übrigen auch nicht ersichtlich.
59 
Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050 aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach § 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben.
60 
5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO).
II.
61 
Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos.
62 
1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
63 
2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor.
64 
Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden.
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
66 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
67 
Beschluss vom 12. November 2009
68 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt.
69 
Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin, den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen.
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Beiträgen für die Herstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten.

2

Seit dem 10. April 2006 ist der Kläger Eigentümer der Grundstücke Am M. in A-Stadt (Flur A, Flurstück 1261/163 mit einer Größe von 1799 m² und Flurstück 1263/163 mit einer Größe von 4.515 m²).

3

Im Jahre 1997 verlegte der Beklagte in der Straße vor den klägerischen Grundstücken erstmals die Trinkwasserhauptleitung und errichtete für das Flurstück 1263/163 im Jahre 2006 einen Trinkwasserhausanschluss. Bis 2006 - und nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 - wurde das Flurstück 1263/163 über das Flurstück 1284/0 mit Trinkwasser versorgt, d. h. das klägerische Grundstück war mit der grundstückseigenen Trinkwasserversorgungsanlage des Flurstücks 1284/0 verbunden, das seinerseits über die in der Neuen H. Straße verlegte Hauptleitung mit Trinkwasser versorgt wird. Das Flurstück 1284/0, eingetragen im Grundbuch von A-Stadt, Blatt A, stand vom 4. April 1991 bis zum 14. Oktober 1996 im Eigentum der Landtechnik Metallbau A-Stadt GmbH und vom 14. Oktober 1996 bis zum 2. Oktober 2002 im Eigentum der (...) Berlin. Seit dem 2. Oktober 2002 ist die (..) AG mit Sitz in H-Stadt Eigentümerin des Grundstücks. Die von dem Trinkwasserversorgungsnetz des Flurstücks 1284/0 abzweigende Leitung zum klägerischen Flurstück 1263/163 führt über die Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0, die bis zum 13. Juni 2002 im Eigentum der Landtechnik Metallbau A-Stadt GmbH standen. Seit dem 13. Juni 2002 ist der Kläger Eigentümer dieser Flurstücke. Für das benachbarte Flurstück 1261/163 wurde kein eigener Hausanschluss errichtet.

4

Mit Bescheid vom 30. August 2006 setzte der Beklagte für das Flurstück 1261/163 einen Trinkwasserbeitrag in Höhe von 3.130,26 Euro (= 1.799 m² x 1,0 x 1,50 €/m² + 16 % MwSt.) und für das Flurstück 1263/163 einen solchen in Höhe von 7.861,32 Euro (= 4.518 m² x 1,0 x 1,50 €/m² + 16 % MwSt.) fest. Hiergegen legte der Kläger am 29. September 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 zurückwies.

5

Am 3. November 2006 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es sei bekannt, dass er Eigentümer der Grundstücke H. Straße 67a, b und c (= Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0) sei. Über diese Grundstücke sei auch das Flurstück 1263/163 mittels einer Verbrauchsleitung mitversorgt worden, so dass die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erforderlich gewesen sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, wie der Beklagte die Erhebung von Beiträgen für das Flurstück 1261/163 begründen wolle. Zwar grenze das Grundstück an die im M. verlaufende zentrale öffentliche Wasserversorgungsleitung an und unterliege somit einer Beitragspflicht gemäß der Wasserbeitragssatzung des Beklagten. Jedoch verkenne der Beklagte, dass ihm § 3 Abs. 1 der Satzung ein Ermessen einräume. Den durch das Ermessen eingeräumten Spielraum habe der Beklagte nicht beachtet, indem er nicht berücksichtigt habe, dass er für das Flurstück 1261/163 keinen Anschluss benötige und das Flurstück 1263/163 im Übrigen bereits über einen Anschluss über einen auf dem Flurstück 1284/0 bestehenden Grundstücksanschluss von der Neuen H. Straße aus verfüge.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 aufzuheben.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, bei der von dem Grundstücksanschluss 1284/0 über weitere bürgerlich-rechtliche Grundstücke verlaufenden Verbrauchsleitung bis zum Flurstück 1263/163 handele es sich nicht um eine öffentliche Trinkwasserleitung, sondern eine Verbrauchsanlage des bzw. der damaligen Grundstückseigentümer. Die Grundstücke des Klägers verfügten über keinen eigenen Trinkwasseranschluss. Bis zur Herstellung des hier streitgegenständlichen Wasseranschlusses sei eine zentrale Wasser-versorgungsanlage für das klägerische Grundstück nicht betriebsfertig hergestellt gewesen.

11

Mit dem angefochtenen Urteil vom 18. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der in § 5 Abs. 1 der Wasserbeitragssatzung des Beklagten auf 1,50 €/m² festgesetzte Beitragssatz sei nichtig, weil der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation zu wenig Grundstücke berücksichtigt habe. Ausweislich der vorgelegten Kalkulation und der Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung decke die Rechnungsperiode fast den gesamten Investitionsaufwand des Beklagten für die Herstellung der Trinkwasserversorgung ab. Berücksichtige er aber - wie vorgetragen - 90 % des Gesamtaufwandes für die Anlage, so müsse dieser Aufwand auch auf 90 % der bevorteilten Grundstücke verteilt werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Vielmehr habe der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation im Wesentlichen nur die Grundstücke eingestellt, die in der Rechnungsperiode neu angeschlossen worden seien. Dies ergebe sich zum einen aus der Aufstellung der Flächen in der Kalkulation (Stand 3/2008) und dem Vorwort zur Kalkulation („2.5.1.Flächenberechnung und Flächenaufstellung“), und es lasse sich zum anderen auch einem Vergleich der bevorteilten Flächen in der Globalkalkulation zum Herstellungsbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage mit der hier vorgelegten Kalkulation entnehmen. Bei der Kalkulation des Schmutzwasserbeitrags sei der Beklagte von einer Fläche von 8.052.046 m² ausgegangen, wohingegen er vorliegend nur eine Netto-Grundstücksfläche von 1.064.469 m² zugrunde lege, obgleich die Flächen nahezu identisch sein müssten, da in der Regel der Anfall von Abwasser eine Versorgung mit Trinkwasser voraussetze. Der Beklagte lege somit der Kalkulation der Trinkwasserbeiträge nur 1/8 der bevorteilten Grundstücksflächen zugrunde. Nicht zuletzt habe der Beklagte diese Angaben in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt und lediglich die Rechtsansicht vertreten, es müssten nur die Grundstücke eingestellt werden, die in der Rechnungsperiode angeschlossen würden. Dies sei nicht zutreffend. Der Grundsatz der Repräsentativität verlange nicht nur das Einstellen eines repräsentativen Investitionsaufwandes, sondern auch das Einstellen repräsentativer Grundstücksflächen. Auch im Rahmen einer Rechnungsperiodenkalkulation gelte das Vorteilsprinzip, auch hier müsse der Aufwand gleichmäßig verteilt werden, d.h. ein Aufwand von 90 % müsse auf 90 % der Flächen verteilt werden, und zwar auf 90 % der Gesamtflächen, denn die Rechnungsperiodenkalkulation setze das Gesamtanlagenprinzip nicht außer Kraft. Soweit der Beklagte auf Schwierigkeiten bei der Ermittlung der zu berücksichtigenden Flächen verweise, spreche dies nicht gegen die vertretene Rechtsauffassung, sondern könne eine Indiz dafür sein, dass in Fällen, in welchen bereits ein erheblicher Teil der von der Anlage bevorteilten Flächen schon vor Beginn der Rechnungsperiode und vor Beginn der Zeit, in welcher ein großer Teil des Investitionsaufwandes getätigt worden sei, angeschlossen gewesen seien, eine Rechnungsperiodenkalkulation nicht mehr in Betracht komme, sondern im Wege der Globalkalkulation zu kalkulieren sei. In jedem Fall sei die Repräsentativität auch auf der Flächenseite zu gewährleisten.

12

Im Übrigen begegne der streitbefangene Bescheid jedenfalls insoweit teilweise rechtlichen Bedenken, als der Beklagte mit dem Flurstück 1263/163 ein Grundstück herangezogen habe, das jedenfalls nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen sei. Der Kläger schulde in diesem Fall für dieses Grundstück gemäß § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nur einen besonderen Herstellungsbeitrag im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt. Insoweit fehle es indessen in der Beitragssatzung des Beklagten an der Festsetzung eines Beitragssatzes.

13

Der Beklagte macht zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung geltend, das Verwaltungsgericht habe die Unterschiede, die sich aus der Anwendung der Globalkalkulation einerseits und der Rechnungsperiodenkalkulation andererseits zwangsläufig ergäben, nicht hinreichend berücksichtigt. Anders als bei einer Globalkalkulation könnten bei der hier für die Trinkwasserversorgung streitgegenständlichen Rechnungsperiodenkalkulation für den Herstellungsbeitrag I nur diejenigen Grundstücke auf der Flächenseite berücksichtigt werden, die noch nicht angeschlossen seien und in dem gewählten Zeitraum der Periodenkalkulation noch angeschlossen würden. Grundstücke, die erst nach Beendigung der Kalkulationsperiode angeschlossen würden, blieben ebenso unberücksichtigt wie bereits angeschlossene Grundstücke. Wesen und bestimmendes Element der Periodenkalkulation sei es, dass nur diejenigen Kosten, die innerhalb des gewählten Zeitraums entstünden, auf die Grundstücke umgelegt würden, die durch die in der Periode durchgeführten Maßnahmen erstmals bevorteilt würden. Bereits angeschlossene Grundstücke könnten allenfalls über den Herstellungsbeitrag II an Kosten in der Rechnungsperiode beteiligt werden. Ein Herstellungsbeitrag II werde jedoch für die Trinkwasserversorgung nicht erhoben. Die vom Verwaltungsgericht bemängelten Unterschiede auf der Flächenseite der Kalkulation ergäben sich daraus, dass der Anschlussgrad an die zentrale Wasserversorgungsanlage wesentlich höher gewesen sei als bei der zentralen Abwasserbeseitigungsanlage, was sich auch der Trinkwasserkonzeption 1996-2006 entnehmen lasse. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht, dass Grundstücksflächen bei der Kalkulation des Abwasserbeitrages und bei der Kalkulation des Trinkwasserbeitrages in etwa gleich sein müssten, sei auf Grund der unterschiedlichen Kalkulationsmethoden systemwidrig und berücksichtige nicht den unterschiedlichen Anschlussgrad der Grundstücke an die jeweilige Anlage. Auch der Grundsatz der Repräsentativität stehe nicht entgegen. Insoweit müssten sowohl die Planung als auch der Ausbauzustand in den Blick genommen werden. Wenn - wie im vorliegenden Fall - bei Übernahme existierender Anlagen ein sehr hoher Ausbauzustand bzw. Anschlussgrad vorhanden sei, sei der verbleibende Aufwand zur erstmaligen Herstellung der Anlage relativ gering und dementsprechend auf relativ wenige Grundstücke zu verteilen. Dabei ergebe sich systembedingt bei der Rechnungsperiodenkalkulation, dass nicht 100 % der Kosten für die endgültige Herstellung auf alle nicht angeschlossenen Grundstücke zu verteilen seien, sondern nur die in der gewählten Rechnungsperiode entstehenden Kosten auf die in der Rechnungsperiode neu anzuschließenden Grundstücke. Eine andere Vorgehensweise würde gegen die Grundzüge der Rechnungsperiodenkalkulation verstoßen.

14

Schließlich sei das klägerische Flurstück 1263/163 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits vor dem Jahre 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen. Vielmehr stünden die Grundstücke, über die die Leitung zum Flurstück 1263/163 führe, in unterschiedlichem Eigentum. Ein direkter Anschluss an die Trinkwasserversorgungsanlage sei für das klägerische Grundstück nicht vorhanden gewesen. Auch bestehe keine dauerhafte Sicherung des Leitungsrechts zu Gunsten des Grundstücks. Hinzu komme, dass nach § 7 der Wasserbeitragssatzung die sachliche Beitragspflicht entweder mit betriebsfertiger Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage vor dem Grundstück oder bei tatsächlicher Anschlussnahme im Sinne von § 3 Abs. 2 der Satzung gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung mit dessen Genehmigung entstehe; die schlichte tatsächliche Anschlussnahme reiche demgemäß nicht aus.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 18. Juni 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er meint, die Beitragskalkulation des Beklagten sei in einem wesentlichen Punkt mangelhaft, da der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation zu wenig Grundstücke berücksichtigt habe. Sinn und Zweck einer Rechnungsperiode sei, dass der ihr zugrunde gelegte Aufwand stellvertretend für den Aufwand der öffentlichen Einrichtungen in ihrer endgültigen Ausdehnung stehe. Eine Rechnungsperiode repräsentiere die Gesamtzeit dadurch, dass sie sowohl den in der Vergangenheit entstandenen als auch den zukünftigen Investitionsaufwand einschließe und für diesen Zeitraum die Verteilungseinheiten (hier: Beitragsflächen) bestimme. Eine Rechnungsperiode bestehe damit grundsätzlich aus einem in der Vergangenheit liegenden „Abrechnungszeitraum“ und einem in der Zukunft liegenden „Prognosezeitraum“. Der Beitragspflichtige werde so an den Kosten der Gesamtanlage, und zwar an den in der Vergangenheit entstandenen als auch an den zukünftig entstehenden Kosten, beteiligt. Methodisch werde also die Gesamtzeit von den Anfängen bis zur künftigen Fertigstellung der Anlage durch eine kürzere zeitnahe Rechnungsperiode ersetzt. Diese repräsentiere die Gesamtzeit dadurch, dass sie sowohl den in der Vergangenheit entstandenen als auch den zukünftigen Investitionsaufwand einschließe. Der in die Kalkulation einzustellende Investitionsaufwand und/oder das gewählte Verteilungsgebiet müssten unter Berücksichtigung der Siedlungsstruktur und Entwicklung zeitlich und räumlich hinreichend repräsentativ sein. Im Übrigen sei der Beitragssatz methodisch so zu ermitteln, dass stets der gesamte umlagefähige Aufwand für die Gesamtanlage durch die Summe der Maßstabseinheiten dividiert werde. Das gelte auch dann, wenn der durchschnittliche Aufwand auf der Grundlage repräsentativer Gebiete veranschlagt werde. Zusammenfassend bleibe festzuhalten, dass im Rahmen der Rechnungsperiodenkalkulation nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, dass der Aufwand in der Rechnungsperiode stellvertretend für den Gesamtaufwand für die Anlage in ihrer endgültigen Ausdehnung stehe und somit der Aufwand gleichmäßig verteilt werden müsse, so dass ein 90%iger Aufwand auch eine ebenso repräsentative Fläche umfassen sollte. Im Übrigen bleibe er mit Blick auf den Grundstückskaufvertrag vom 19. April 2006 bei seiner Auffassung, dass das Flurstück 1263/163 bereits über einen Anschluss verfügt habe, so dass - auch mit Blick auf § 7 der Wasserbeitragssatzung - eine Herstellung des Anschlusses nicht erforderlich gewesen sei.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

22

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

1. Allerdings stimmt der Senat nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu, dass der angefochtene Bescheid jedenfalls insoweit teilweise rechtlichen Bedenken begegne, als der Beklagte mit dem Flurstück 1263/163 ein Grundstück herangezogen habe, das jedenfalls nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen sei. Nach den im Berufungsverfahren aufgeklärten tatsächlichen (Eigentums-)Verhältnissen an den streitbefangenen Flurstücken war das klägerische Flurstück 1263/163 zwar vor 1991 mit der grundstückseigenen Trinkwasserversorgungsanlage des Flurstücks 1284/0 verbunden, das seinerseits über die in der Neuen H. Straße verlegte Hauptleitung mit Trinkwasser versorgt wurde. Da das Flurstück 1284/0 nach dem in der erstinstanzlichen Gerichtsakte befindlichen Lageplan nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flurstück 1263/163 liegt, führte die von dem Trinkwasserversorgungsnetz des Flurstücks 1284/0 abzweigende Leitung zum klägerischen Flurstück 1263/163 über die Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0, die seit dem 13. Juni 2002 im Eigentum des Klägers stehen. Allerdings stand das hier maßgebliche „Versorgungsgrundstück“ 1284/0 zu keinem Zeitpunkt im Eigentum des Klägers. Auch ist eine dingliche Sicherung der Trinkwasserversorgung nicht geltend gemacht oder ersichtlich, so dass das Flurstück 1263/163 mangels gesicherter Vorteilslage nicht als bereits vor 1991 angeschlossen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA gelten kann. Vielmehr ist für das Grundstück erst mit der Herstellung der Trinkwasserhauptleitung im Jahre 1997 die zur Beitragserhebung rechtfertigende Vorteilslage entstanden. Gleiches gilt im Übrigen für das Flurstück 1261/163, dem ebenfalls unstreitig erstmals mit der betriebsfertigen Herstellung der Trinkwasserhauptleitung im Jahre 1997 die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 der Wasserbeitragssatzung des Beklagten vom 8. September 2005 - WBS 05 -, die ordnungsgemäß am 30. November 2005 im Amtsblatt des Landkreises Wernigerode veröffentlicht worden ist und am 1. Januar 2006 in Kraft trat, eröffnet wurde; auf eine tatsächliche Anschlussnahme kommt es zur Begründung einer beitragsrelevanten Vorteilslage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht an.

24

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber deswegen als rechtswidrig, weil die dem Bescheid zugrunde liegende Wasserbeitragssatzung des Beklagten vom 8. September 2005 hinsichtlich der Regelung des Beitragssatzes (§ 5 Abs. 1 WBS 05) nichtig ist. Dies wiederum zieht die Gesamtnichtigkeit der Satzung nach sich, weil diese ohne gültige Regelung zum Beitragssatz nicht mehr den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA entspricht.

25

Dabei geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:

26

Die Festlegung eines der Höhe nach bestimmten Beitragssatzes, wie ihn eine Beitragssatzung im Recht der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen zwingend enthalten muss, beruht auf der Division des Betrages des beitragsfähigen Aufwands durch die Summe der Maßstabseinheiten, die in Anwendung der Maßstabsregelung der Satzung für die Gesamtheit der zu prognostizierenden Beitragsfälle zu ermitteln sind. Dabei erfordert die Bestimmung des Beitragssatzes eine differenzierte Kalkulation; denn sowohl die Aufwandsermittlung, die nur nach einer der aus § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA herzuleitenden Methoden erfolgen darf, als auch die Ermittlung der zu berücksichtigenden Grundstücksflächen sind komplexe Vorgänge, die bestimmten vom Satzungsgeber zu beachtenden gesetzlichen Anforderungen unterliegen. Fehler in der Beitragskalkulation, also in der Gesamtheit aller Ermittlungen, Berechnungen, Ermessens- und Wertentscheidungen sowie Schätzungen, die der Festsetzung des Beitragssatzes zu Grunde liegen, ziehen nur dann die Unwirksamkeit der Beitragssatzung nach sich, wenn das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erheblich oder gröblich verletzt ist, d. h. Fehler bei der Aufwandsermittlung können nicht als solche, sondern nur im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des Aufwandsüberschreitungsverbots zur Ungültigkeit der Beitragssatzregelung führen. Für die Gültigkeit des in einer Beitragssatzung festgesetzten Beitragssatzes kommt es nämlich allein darauf an, ob er sich im Ergebnis als „richtig" (im Sinne von „nicht überhöht" nach Maßgabe des Aufwandsüberschreitungsverbots) erweist (OVG LSA, Beschl. v. 02.08.2007 - 4 M 44/07 -; Urt. v. 27.07.2006 - 4 K 253/05 -; Urt. v. 07.09.2000 - 1 K 14/00 -; alle zit. nach juris). Solche zur Nichtigkeit der Beitragssatzregelung führenden Fehler bei der Aufwandsermittlung liegen erstens dann vor, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird (vgl. VG Halle, Urt. v. 18.12.2009 - 4 A 308/07 -, zit. nach juris, m. w. N.; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1997 - BVerwG 8 B 105.97 -, zit. nach juris). Darüber hinaus führen Fehler der Beitragskalkulation - zweitens - aber auch dann zur Unwirksamkeit der Satzung, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (OVG NW, Beschl. v. 03.11.2000 - 15 A 2340/97 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 03.12.2003 - 2 A 417/01 -, beide zit. nach juris).

27

Allerdings wird im gerichtlichen Verfahren die Kalkulation - vorbehaltlich konkreter Rügen auf der Klägerseite - nur insoweit überprüft, als es um die Plausibilität der Berechnung des konkreten Beitragssatzes geht (zum Prüfungsmaßstab des Abgabensatzes bei Abgabensatzungen: BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, zit. nach juris; OVG LSA, Beschl. v. 02.03.2010 - 4 L 199/09 -, m. w. N.).

28

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der von dem Beklagten in § 5 Abs. 1 WBS 05 festgesetzte Beitragssatz zu beanstanden; denn die zur Rechtfertigung des Beitragssatzes in Höhe von 1,50 Euro/m² vorgelegte Periodenkalkulation für die Wasserversorgung (Dokumentation April 2005 und Kontrollkalkulation Stand 4/2005 und 3/2008) weist erhebliche methodische Fehler auf.

29

2.1. Zwar ist die der Ermittlung der Beitragssätze zugrunde liegende sogenannte Rechnungsperiodenkalkulation eine grundsätzlich zulässige Berechnungsart für Beitragssätze (vgl. hierzu Klausing, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 8 Rdnr. 998 ff.; OVG LSA, Beschl. v. 09.07.2007 - 4 M 168/07 -, m. w. N.). Sie erfasst nicht wie die Gesamtanlagenkalkulation im Sinne einer Globalkalkulation die gesamte öffentliche Einrichtung mit allen ihren vorhandenen und absehbar geplanten Anlagen (Kosten von Baubeginn bis Fertigstellung), sondern nur den in einem bestimmten Zeitraum, der zeitlich abgegrenzten Rechnungsperiode, durchschnittlich anfallenden Aufwand für die Einrichtung (Klausing, a. a. O., § 8 Rdnr. 994). Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass das Kommunalabgabengesetz für das Land Sachsen-Anhalt dieser Kalkulationsmethode nicht entgegen steht, sondern der Zweckverband (bzw. die Gemeinde) in Ausübung seines (ihres) Ermessens wählen kann, ob er (sie) bei der Aufwandsermittlung auf die Gesamtanlage oder auf den in einer Rechnungsperiode durchschnittlich anfallenden Aufwand abstellen will. Zwar könnte die Formulierung der von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA, wonach bei leitungsgebundenen Einrichtungen „der durchschnittliche Aufwand für die gesamte Einrichtung veranschlagt und zugrunde gelegt werden“ kann, gegen die Möglichkeit der Ermittlung des durchschnittlichen Aufwandes für eine Rechnungsperiode sprechen, weil die Vorschrift auf den durchschnittlichen Aufwand der „gesamten Einrichtung“ und damit auf den wesentlichen Anknüpfungspunkt der Globalkalkulation abstellt. Allerdings hebt die Vorschrift auch ab auf den „durchschnittlichen“ Aufwand, so dass sie - wie das Verwaltungsgericht zu Recht annimmt - auch „zeitlich“ in dem Sinne verstanden werden kann, dass der in einer bestimmten, zeitlich begrenzten Rechnungsperiode anfallende Investitionsaufwand für die Herstellung der gesamten Einrichtung in dieser Zeit zu ermitteln ist (vgl. Klausing, a. a. O., § 8 Rdnr. 998 m. w. N. zu ähnlichen Regelungen in § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG des Landes Nordrhein-Westfalen, § 6 Abs. 3 Satz 5 KAG des Landes Niedersachsen). Ausgehend von diesen Erwägungen hält der Senat gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA sowohl die Global- als auch die Rechnungsperiodenkalkulation im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen nach dem KAG LSA für zulässig.

30

Auch ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass die von dem Beklagten vorgenommene zeitliche Einordnung der Periode nicht zu beanstanden ist, soweit mit ihr zwar der Zeitpunkt seit der Übernahme der Trinkwasserversorgung im Verbandsgebiet, nicht aber der davor liegende Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG LSA abgedeckt wird. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beginn der Rechnungsperiode nicht zwingend mit dem erstmaligen Inkrafttreten des KAG LSA zusammen fallen muss (so aber OVG MV, Beschl. v. 15.02.2002 - 1 M 70/01 -, zit. nach juris); denn in dem Zeitraum vor 1996 war der Beklagte nicht Einrichtungsträger, so dass weder die Einrichtungsidentität gegeben war noch der Verband Investitionen tätigen konnte.

31

2.2. Die von dem Beklagten vorgelegte Rechnungsperiodenkalkulation weist jedoch methodische Fehler auf, indem sie den in der Rechnungsperiode entstandenen Aufwand, der nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht 90 % des Gesamtaufwandes ausmacht, ausschließlich auf diejenigen Grundstücke verteilt, die noch nicht angeschlossen sind und in dem gewählten Zeitraum der Periodenkalkulation tatsächlich noch angeschlossen werden (vgl. Nr. 2.5.1. der Periodenkalkulation).

32

2.2.1. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Aufwandsermittlung, die für bereits abgeschlossene Investitionen und für die bis zum voraussichtlichen Ausbauzustand 2011 geplanten Anlagenteile prozentual bestimmte Kosten in Ansatz bringt, bezogen auf die Kosten für zentrale Einrichtungen den Grundsätzen einer Rechnungsperiodenkalkulation entspricht; insbesondere ist nicht erkennbar, ob der Beklagte bei der Veranschlagung der Kosten beachtet hat, dass diese (innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode hergestellten) Anlagenteile nach ihrer Funktion häufig einem größeren Gebiet, u. U. sogar dem gesamten Gebiet des Zweckverbands dienen als den Grundstücken, denen in der gewählten Rechnungsperiode eine Anschlussmöglichkeit geboten wird. Es wäre deshalb nicht gerechtfertigt, diese Aufwendungen in ihrer gesamten oder in einer zu geringen Höhe dem Aufwand für eine Rechnungsperiode zuzurechnen. Der Aufwand muss vielmehr zunächst auf die Summe der Maßstabseinheiten des gesamten Satzungsgebietes verteilt werden, um auf der Grundlage der auf die Rechnungsperiode entfallenden Maßstabseinheiten eine sachgerechte Zuordnung dieses Aufwandes zu ermöglichen (BayVGH, Urt. v. 09.07.2009 - 20 B 09.28 -, zit. nach juris; vgl. auch Dietzel, in: Driehaus, a. a. O., § 8 Rdnr. 590). Insoweit fließen in die Rechnungsperiodenkalkulation auch Elemente der Globalkalkulation ein (vgl. Hatopp Kommentar zum NKAG, § 6 Rdnr. 240). Ob der Beklagte diese Grundsätze befolgt hat, lässt sich nicht abschließend feststellen. Aus 2.5. (Kostenzusammenstellung) ergibt sich allerdings, dass Gegenstand der Kostenaufstellung (Anlage 1: Grunddaten Kostenaufstellung Wasserversorgung) das gesamte , also grundsätzlich auch das zentrale Anlagevermögen der Rechnungsperiode ist.

33

Auch bestehen vom Ansatz her mit Blick auf die noch nicht endgültige Herstellung der Trinkwasserversorgungseinrichtung des Beklagten keine Bedenken in Bezug auf die Länge der gewählten Periode von immerhin fünfzehn Jahren (1996 bis 2011).

34

2.2.2. Allein eine nicht zu beanstandende Zeitdauer reicht jedoch für eine ordnungsgemäß durchgeführte Rechnungsperiodenkalkulation nicht aus. Vielmehr ist kennzeichnendes Merkmal dieser Kalkulationsmethode, dass sie auf den durchschnittlichen Aufwand der Anlage in einem bestimmten Abschnitt aus der Zeit von Beginn der Herstellung bis zur Fertigstellung der Anlage abstellt. Dies wiederum macht es nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur erforderlich, dass die gewählte Rechnungsperiode den Aufwand für die gesamte Anlage innerhalb der Gesamtzeit hinreichend repräsentiert (Dietzel, a. a. O., § 8 Rdnr. 589a; Hatopp, a. a. O., § 6 Rdnr. 238; Habermann, Kommentar zum KAG SH, § 8 Rdnr. 546). In diesem Sinne setzt die Rechnungsperiodenkalkulation kontinuierlich entstehenden und sich auf den Gesamtzeitraum etwa gleichmäßig verteilenden Aufwand voraus; sie ist deshalb vom Ansatz her zugeschnitten auf den laufend anfallenden Anschaffungsaufwand für das durch das Hinzukommen neuer Baugebiete ständig erweitere Leitungsnetz (vgl. BayVGH, Urt. v. 23.07.2009 - 20 BV 08.1197 -, zit. nach juris). Dabei kann auf den Durchschnitt der in der Vergangenheit und Zukunft angeschlossenen oder anzuschließenden Maßstabseinheiten abgestellt werden. Ebenso können Aspekte der gemeindlichen Siedlungsstruktur als typische Indizien für die durchschnittliche Entwicklung des Verteilungsgebiets herangezogen werden. Repräsentativ sind dabei Gebiete, die in ihrer Gesamtheit aufgrund der örtlichen, geographischen und geologischen Gegebenheiten und sonstiger relevanter Umstände mit den sonstigen Gebieten (im Gemeindegebiet) vergleichbar sind (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 20.02.2008 - RN 3 K 07.00735 -, zit. nach juris, m. w. N.). Die Rechnungsperiodenkalkulation soll es dem Satzungsgeber also nur ermöglichen, stellvertretend für die gesamte Einrichtung auf einen zeitlichen Ausschnitt, der Rechnungsperiode, abzustellen. Im Ergebnis sollen danach der Investitionsaufwand und die in der Rechnungsperiode angeschlossenen Gebiete mit dem Durchschnitt des gesamten erschlossenen und zu erschließenden Satzungsgebietes vergleichbar sein. Mithin ist dem Repräsentativerfordernis, das die Anwendbarkeit der Rechnungsperiodenkalkulation im Hinblick auf den Solidaritätsgedanken (gleichbleibende Beitragsstruktur) einschränkt, nur Genüge getan, wenn - im Rahmen einer anzustellenden Kontrollberechnung - das Verhältnis von Aufwand und Maßstabeinheiten in der Rechnungsperiode mit dem Verhältnis von (Gesamt)Aufwand und den (prognostischen) Maßstabseinheiten im Gesamtgebiet des Verbandes vergleichbar ist. Nur dann ist das der Rechnungsperiode zugrunde liegende Gebiet als repräsentativ anzusehen (BayVGH, Urt. v. 23.07.2009, a. a. O.) Dabei mag sich angesichts einer der Globalkalkulation angenäherten Kontrollberechnung zwar die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Rechnungsperiodenkalkulation stellen (vgl. zu den Vorteilen: Habermann, a. a. O., § 8 Rdnr. 544), eine Kontrollberechnung stellt sich indes mit Blick auf das Repräsentativerfordernis als nicht entbehrlich dar.

35

Diesen für eine Rechnungsperiodenkalkulation nach Auffassung des Senats durch die Verwendung des Begriffs „durchschnittlich“ in § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA notwendigen Vergleich mit der gesamten Einrichtung zur Wahrung des Grundsatzes der Repräsentativität hat der Beklagte im Rahmen seiner Periodenkalkulation jedoch unstreitig nicht angestellt, weil er die Auffassung vertritt und - auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - vertreten hat, Wesen und bestimmendes Element der Periodenkalkulation sei es, (schlicht) nur diejenigen Kosten, die innerhalb des gewählten Zeitraums entstünden, auf die Grundstücke umzulegen, die durch die in der Periode durchgeführten Maßnahmen erstmals bevorteilt würden (vgl. auch Schriftsatz vom 06.08.2008, Seite 3). Dementsprechend lässt die vorliegende Periodenkalkulation keine Beschränkung auf eine bestimmte als repräsentativ für den Gesamtzeitraum der Herstellung angesehene, zeitlich eingeschränkte Rechnungsperiode erkennen, sondern hebt ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum ab Übernahme der Trinkwasserversorgung im Jahre 1996 bis zum Jahre 2011 ab. Folgerichtig lassen sich den Kalkulationsunterlagen - von dem Beklagten zu Unrecht auch als nicht erforderlich erachtete - Berechnungen, ob der für die Rechnungsperiode ermittelte Beitragssatz mit dem auf der Grundlage des Gesamtaufwandes und der Maßstabseinheiten insgesamt berechnete Satz vergleichbar ist, nicht entnehmen. Damit weicht der Beklagte aber von den maßgeblichen methodischen Grundsätzen der Rechnungsperiodenkalkulation ab, dass die Kalkulation nachvollziehbar und belegbar anhand einer für das gesamte Einrichtungsgebiet repräsentativen Rechnungsperiode zu erfolgen hat. Der bloße Hinweis des Beklagten, dass - mit Blick auf Beitragssätze weiterer Rechnungsperioden - durch die Länge der vorliegend gewählten Rechnungsperiode dem Repräsentativ- und Solidargedanken widersprechende Beitragssätze vermieden werden, ist allein nicht ausreichend.

36

2.2.3. Unabhängig davon hat der Beklagte im Rahmen seiner Periodenkalkulation methodisch fehlerhaft die bis zur Übernahme der Trinkwasserversorgung im Jahre 1996 angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke bei der Ermittlung der Grundstücksflächen nicht berücksichtigt, obwohl auch sie durch die streitgegenständliche Trinkwasserversorgungseinrichtung erstmals bevorteilt werden und deshalb grundsätzlich der Herstellungsbeitragspflicht unterfallen (VG Cottbus, Urt. v. 05.02.2009 - 6 K 24/08 -, zit. nach juris). Denn erst mit der Übernahme der Trinkwasserversorgung durch den Beklagten kann ein hier im Rahmen der Beitragskalkulation für die hiesige Einrichtung zu berücksichtigender „Vorteil“ entstanden sein, auch wenn faktisch schon zuvor der Anschluss bestand bzw. eine Anschlussmöglichkeit gegeben war. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Trinkwasserversorgung erst im Jahre 1996 übernommen hat. Ist die Aufgabe der Trinkwasserversorgung von einem Einrichtungsträger - hier den Stadtwerken - auf einen anderen Einrichtungsträger - hier den Beklagten - übergegangen, ist dieser grundsätzlich befugt, einen Herstellungsbeitrag zur Deckung des Aufwandes für seine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung auch von den Eigentümern, die bereits vor der Übernahme an die öffentliche Einrichtung angeschlossen waren, zu erheben, da die öffentliche Einrichtung des Zweckverbandes mit der vormaligen Einrichtung nicht identisch ist (bei Wechsel von Mitgliedsgemeinde auf Zweckverband entschieden vom BayVGH, Urt. v. 31.03.1992 - 23 B 89.1906 -, KStZ 1994, 55 f.; VG Halle, Beschl. v. 26.03.2008 - 4 B 521/07 -, zit. nach juris).

37

Daraus folgt, dass zwar in der Zeit vor 1996 mangels Vorliegen einer wirksamen Satzung für kein Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, aber dennoch grundsätzlich alle Flächen, die in dieser Zeit (in tatsächlicher Hinsicht) bevorteilt werden bzw. wurden, in die Kalkulation einzubeziehen sind bzw. waren. Die sich in diesem Zusammenhang stellende Frage nach den „Baukostenzuschüssen“ ist in den vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend aufgezeigt.

38

2.2.4. Die unter 2.2.2. und 2.2.3. festgestellten schwerwiegenden methodischen Fehler führen ohne weitere Nachprüfung der Kalkulationsunterlagen zur Nichtigkeit des kalkulierten Beitragssatzes und der Unwirksamkeit der Satzung insgesamt; denn die Kalkulation beruht offensichtlich nicht nur auf einem fehlerhaften Rechenvorgang, der vom Gericht korrigiert werden könnte, sondern macht aufgrund der fehlerhaften Grundannahmen des Beklagten von vornherein die Feststellung unmöglich, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (vgl. OVG NW, Beschl. v. 03.11.2000 -, a. a. O.). Insoweit war das Gericht auch eine mit Blick auf die für das Land Sachsen-Anhalt entwickelte ständige obergerichtliche sog. Ergebnisrechtsprechung (vgl. z. B. OVG LSA, Beschl. v. 02.08.2007, a. a. O.) nicht gehalten, den Beklagten aufzufordern, spätestens bis zur mündlichen Verhandlung eine nachvollziehbare und fehlerfreie Kalkulation unter Einbeziehung einer Kontrollberechnung im vorstehenden Sinne vorzulegen. Insbesondere liegt die Bestimmung des zeitlichen Rahmens der Rechnungsperiode, dem nach den vorstehenden Ausführungen maßgebliche Bedeutung für die Wahrung des Repräsentativerfordernisses zukommt, im Ermessen des Beklagten und ist damit nicht vom Gericht vorzugeben.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit welchem er zur Zahlung eines Erneuerungsbeitrages für die Teileinrichtung Leitungsnetz der öffentlichen Trinkwasseranlage des Beklagten herangezogen wurde.

2

Der Kläger ist Eigentümer des in A-Stadt gelegenen Grundstücks Flurstück 6/1 der Flur A. Das 2400 m² große Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich und ist mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut. Es war bereits vor dem 15. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen.

3

Mit Bescheid vom 5. Oktober 2005 zog der Beklagte den Kläger zur Zahlung eines
Erneuerungsbeitrages für sein Grundstück in Höhe von 3.028,64 Euro heran. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchs-
bescheid vom 23. August 2006 zurück.

4

Mit der dagegen am 29. August 2006 erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, ihm erwachse durch die Erneuerung der Trinkwasserhauptleitung kein Vorteil, weil die alte Leitung bis zu seinem Grundstück hätte weiterbetrieben
werden können. Jedenfalls sei die Erneuerungsmaßnahme nicht erforderlich gewesen.

5

Der Kläger hat beantragt,

6

den Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2006 aufzuheben.

7

Der Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat der Klage mit Urteil vom 18. Juni 2008 statt-
gegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der in § 4 Abs. 2 der Wasserabgabensatzung des Beklagten vom 10. Dezember 2003 festgesetzte
Beitragssatz für die Erneuerung gegen das in § 6 Abs. 1 und 5 KAG LSA normierte Vorteilsprinzip verstoße, weil der festgesetzte Beitragssatz unter keinem denkbaren Gesichtspunkt aufrecht zu erhalten sei.

10

Es sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei den Maßnahmen des Beklagten um solche der Erneuerung oder ob es sich nicht vielmehr um Maßnahmen der Herstellung
handele und der Aufwand deshalb allein im Rahmen des allgemeinen und des besonderen Herstellungsbeitrages refinanzierbar wäre. Eine Anlage sei erst dann hergestellt, wenn alle wesentlichen zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Teile geschaffen
seien, was auch voraussetze, dass - wie vorliegend - aus Altbeständen übernommene Anlagenteile, die entweder als Provisorium in die öffentliche Einrichtung eingegliedert worden seien oder deren Nutzungsdauer abgelaufen sei oder in naher Zukunft ab-
laufen werde, ersetzt würden.

11

Der Beklagte sei jedenfalls nicht berechtigt, diejenigen Kosten in die Kalkulation der Erneuerungsbeiträge einzustellen, die für die Sanierung von Altleitungen im Zeitraum von 1992 bis 2002 (626.032,25 Euro) angefallen seien, denn diese Kosten dienten nicht der Erneuerung, sondern der Herstellung der öffentlichen Einrichtung, zumal zu diesem Zeitpunkt die Anlage des Beklagten selbst nach seinem Konzept noch nicht
fertig gestellt gewesen sei. Eine Erneuerung setze indes voraus, dass jedenfalls die
erneuerte Teileinrichtung zu diesem Zeitpunkt bereits fertig gestellt sei; eine Teileinrichtung zeitgleich herzustellen und zu erneuern, halte das Gericht für rechtlich nicht möglich.

12

Es sei ferner nicht zulässig, in die Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen Investitionen für einen Zeitraum von ca. 50 Jahren einzubeziehen. Dies führe zu einer Überdehnung des Erneuerungstatbestandes und damit auch zu einem Verstoß gegen das in § 6 Abs. 5 KAG LSA normierte Vorteilsprinzip. Der mit einem Beitrag abzugeltende Vorteil bestehe für das einzelne Grundstück nicht, wenn wesentliche Teile der Erneuerung erst fast 20 Jahre nach Beginn des Kalkulationszeitraums erfolgen sollen.

13

Mit der von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Mit der Fortschreibung seines Trinkwasserkonzeptes (Stand: September 2003) sei die Herstellung der öffentlichen
Wasserversorgungsanlage zum 31. Dezember 2002 festgestellt und für die notwendige Sanierung der Verteilungsnetze ein Erneuerungskonzept erarbeitet worden. Aus dem
Umstand, dass die von der (...) übernommenen Leitungsnetze entweder aus Blei,
Eisen, Stahl oder Asbestzement bestanden hätten und material- oder verschleißbedingt auszutauschen gewesen seien und deren Nutzungsdauer teilweise auch abgelaufen
gewesen sei, habe sich ein Erneuerungsbedarf ergeben. Zur Erhaltung und Sicherung der
bisherigen Vorteilslage sei daraufhin ein Erneuerungskonzept erstellt worden, welches planmäßig die notwendigen Erneuerungen - angefangen von den ersten Investitionen im Jahr 1992 bis hin zum Jahr 2050 - erfasst habe. Die Leitungsnetze seien insgesamt als abspaltbare Teileinrichtung der Wasserversorgungsanlage begriffen worden, was mit Blick auf die erst in den 90er Jahren hergestellten Versorgungsleitungen eine zeitliche Ausdehnung bis zum Jahr 2050 bedingt habe.

14

Der Beklagte beantragt,

15

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er ist der Auffassung, dass der die Abgabe begründende Tatbestand in der Satzung entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA nicht hinreichend bestimmt sei, weil lediglich die (gesamte) Teileinrichtung Leitungsnetz von der Trinkwasserversorgungsanlage im Übrigen abgespalten werde, ohne die bei ihrer Übernahme im Jahr 1991 bereits hergestellten Trinkwasser(alt)leitungen von den später neu hergestellten Leitungen abzugrenzen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung ist zulässig und begründet.

21

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; denn der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

22

Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Beitrages ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m.d. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 2 der Wasserabgabensatzung des Beklagten vom 10. Dezember 2003 (WAS). Gemäß § 2 Abs. 2 WAS erhebt der Beklagte zur Deckung des Aufwandes für die Erneuerung der Teileinrichtung Leitungsnetz (Trinkwasserhauptleitungen) der öffentlichen Wasserversorgungsanlage Erneuerungsbeiträge. Gegen die Gültigkeit der vorgenannten Satzung bestehen weder in formeller noch in materieller Hinsicht Bedenken. Insbesondere entspricht der im Wege der Aufwandspaltung geltend gemachte Erneuerungsbeitrag für die Teileinrichtung Leitungsnetz als nutzbarer Teil der Einrichtung der in § 6 Abs. 2 KAG LSA getroffenen Regelung. Auch ist der Beitragstatbestand in § 2 Abs. 2 WAS hinreichend bestimmt worden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA).

23

Unter Erneuerung ist die Ersetzung einer infolge bestimmungsgemäßer Benutzung abgenutzten Anlage durch eine neue Anlage gleicher Ausdehnung und gleicher Ausbauqualität zu verstehen (Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 RdNr. 987). Die Erneuerung kann sich auch auf Teileinrichtungen der Gesamtanlage wie z.B. das gesamte Leitungsnetz erstrecken, die in beitragsrechtlich relevanter Weise erneuert werden können (Klausing in Driehaus, a. a. O., § 8 RdNr. 988).

24

Der Tatbestand der Erneuerung in § 2 Abs. 2 WAS setzt begriffsnotwendig die vorhergehende Herstellung des vorliegend abgespaltenen Leitungsnetzes voraus. Die Merkmale der erstmaligen Fertigstellung sind allerdings durch das Gesetz nicht vorgegeben; auch bedarf es dafür keiner Regelung in der Satzung. Vielmehr besteht bezüglich Art und Umfang der Maßnahmen und deren zeitlicher Durchführung ein als Planungsermessen bezeichneter Gestaltungsspielraum der insoweit verpflichteten Körperschaft, der seine Grenze erst im Willkürverbot findet (OVG LSA, Urt. v. 21.04.2009 - 4 L 360/06 -; Urt. v. 28.10.2009 - 4 L 117/07 -). Voraussetzung für die Erneuerung einer Teileinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ist die Aufstellung eines Erneuerungskonzepts, um nachweisen zu können, dass die Teileinrichtung insgesamt erneuert werden soll (Klausing in Driehaus, a. a. O., § 8 RdNr. 991).

25

Hiernach bewegt sich der Beklagte bei der Aufstellung des (fortgeschriebenen) Trinkwasserkonzepts (Stand: September 2003) im Rahmen des ihm zustehenden Planungsermessens. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war der Beklagte insbesondere nicht gehindert, die Herstellung der Gesamtanlage zwar erst zum 31. Dezember 2002 festzustellen, das Leitungsnetz im Zeitpunkt der Übernahme der Trinkwasserversorgung im Jahr 1991 aber als bereits hergestellt und damit dem Erneuerungstatbestand zugänglich zu werten. Die im Jahr 1991 übernommenen Hauptleitungen sind von dem Beklagten ohne Rechtsfehler nicht als Provisorium angesehen worden, deren Ersetzung den Beitragstatbestand der „Herstellung“ ausgelöst hätte. Dass die Einschätzung des Beklagten, wonach es sich bei den Hauptleitungen, die er nach seinen Angaben ohne entsprechende Vorbehalte übernommen und den Einwohnern in seinem Verbandsgebiet auch dauerhaft zur Verfügung gestellt habe, um betriebsbereite Anlagenteile und gerade nicht um Provisorien gehandelt habe, willkürlich erfolgt sei, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Nach den nicht bestrittenen Angaben des Beklagten habe sich aus dem Umstand, dass die von der (...) übernommenen Leitungsnetze entweder aus Blei, Eisen, Stahl oder Asbestzement bestanden hätten und material- oder verschleißbedingt auszutauschen gewesen seien und ihre Nutzungsdauer teilweise auch abgelaufen gewesen sei, ein Erneuerungsbedarf ergeben. Mit der Fortschreibung des Trinkwasserkonzeptes sei für die notwendige Sanierung der Verteilungsnetze ein Erneuerungskonzept erstellt
worden, welches planmäßig die notwendigen Erneuerungen - angefangen von den ersten Investitionen im Jahr 1992 bis hin zum Jahr 2050 - erfasst habe.

26

Nach dem willkürfreien Trinkwasserkonzept des Beklagten ist nach alledem die Teileinrichtung Leitungsnetz schon bei ihrer Übernahme im Jahr 1991 (betriebsbereit) erstmalig hergestellt gewesen, so dass alle zukünftigen Investitionen für die Sanierung der zuvor jeweils hergestellten Kanäle von dem Begriff der Erneuerung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA umfasst sind.

27

Die Erneuerung einer abspaltbaren Teileinrichtung der Wasserversorgungsanlage setzt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit Blick auf § 6 Abs. 2 KAG LSA gerade nicht eine schon zuvor fertige Gesamtanlage voraus. Voraussetzung für die Beitragsfähigkeit von hier an den Hauptleitungen durchgeführten Erneuerungsmaßnahmen ist vielmehr lediglich, dass die erneuerte bzw. im weiteren zeitlichen Verlauf zu erneuernde Hauptleitung zuvor jeweils bereits hergestellt ist.

28

Der in § 4 Abs. 2 WAS bestimmte Beitragssatz verstößt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zum Ausdruck gebrachte Aufwandsüberschreitungsverbot, mit dem Beitragsaufkommen den beitragsfähigen Aufwand zu überdecken. Zum beitragsfähigen Aufwand gehört beim Erneuerungsbeitrag der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die (Teil-)Einrichtung entsprechend dem Erneuerungskonzept zu ersetzen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war der Beklagte auch unter Vorteilsgesichtspunkten insbesondere nicht gehindert, den zeitlichen Umfang der erst in der Zukunft abzuwickelnden Bauabschnitte bis 2050 zu planen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Erneuerung liege nur dann vor, wenn in einer überschaubaren Zeit von etwa 10 bis 15 Jahren jedenfalls der überwiegende Teil einer Einrichtung ersetzt werde, steht in Widerspruch zu den oben genannten Grundsätzen, wonach auch für die zeitliche Durchführung der der Erneuerung dienenden Baumaßnahmen ein Planungsermessen des Beklagten besteht. Dass die Erneuerung der Trinkwasserhauptleitungen willkürlich erfolgt, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Nach den nicht bestrittenen Angaben des Beklagten hätten die erst in den 90er Jahren hergestellten Versorgungsleitungen eine zeitliche Ausdehnung der Erneuerungsmaßnahmen bis zum Jahr 2050 bedingt. Der Kläger selbst hat gegen die Beitragskalkulation keine Einwände erhoben.

29

Auch ist der die Abgabe begründende Tatbestand in einer für den Abgabepflichtigen hinreichend deutlich erkennbaren Weise (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA) dadurch bestimmt, dass das Tatbestandsmerkmal der Erneuerung in § 2 Abs. 2 WAS seiner Wortbedeutung nach die Trinkwasserhauptleitungen jeweils nur insoweit umfasst, als sie bereits hergestellt sind.

30

Schließlich hat der Kläger durch den erforderlichen Anschluss an die erneuerte Trinkwasserleitung entgegen seiner Auffassung auch einen Vorteil erlangt. Im Rahmen seines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren, weiten Beurteilungsspielraums (OVG LSA, Urt. v. 21.04.2009, a. a. O.; Urt. v. 28.10.2009, a. a. O.) ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei der seinem Planungskonzept entsprechenden Erneuerung der Trinkwasserhauptleitung in der Straße „B.H.“ Maßnahmen getroffen hat, um das Grundstück des Klägers an die neue, für die Lieferung von Trinkwasser gesundheitlich unbedenkliche PVC-Leitung anzuschließen; denn nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten hätte eine Alleinversorgung des klägerischen Grundstücks über die alte Gussleitung aufgrund ihrer Überdimensionierung für die Versorgung eines Einzelgrundstücks zu einer Gesundheitsgefährdung führen können.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

32

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

33

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümerin mehrerer, mit zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhäusern bebauter Grundstücke (Gemarkung G., Flur A, Flurstücke 38, 41, 26 und 28) im Verbandsgebiet des Beklagten, wendet sich gegen die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 7. Juni 2012 zog der Beklagte die Klägerin für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt an eine zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen waren, zu einem Beitrag für die Herstellung seiner Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung (Herstellungsbeitrag II) in Höhe von insgesamt 8.011,91 € heran. Mit Bescheiden vom 22. August 2012 mahnte der Beklagte die Klägerin und setzte darin Säumniszuschläge und Mahngebühren fest. Die gegen die Bescheide vom 22. August 2012 erhobenen Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Januar 2013 zurück und zog sie mit Kostenfestsetzungsbescheiden vom selben Tag zu Kosten für den Erlass der Widerspruchsbescheide heran. Mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Februar 2013 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Beitragsbescheide vom 7. Juni 2012 zurück.

3

Am 18. Februar 2013 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Halle Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide, die Mahnbescheide sowie die Kostenfestsetzungsbescheide erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, ein Beitrag könne nicht gefordert werden, da nicht ersichtlich sei, welche Gegenleistung damit abgegolten werde. Die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten sei nicht funktionstüchtig. Zudem widerspreche die Beitragserhebung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Rechtssicherheit in der Gestalt der Gebote der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Die nunmehr in § 13b KAG LSA vorgesehene Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage sei im Hinblick auf den Anschluss der Grundstücke an die Kanalisation in den 1930er Jahren längst abgelaufen. § 18 Abs. 2 KAG LSA sei nicht anwendbar. Hilfsweise rechne sie mit Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Funktionsstörungen auf.

4

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 hat der Beklagte im Hinblick auf eine Änderung der Regelung für übergroße Wohngrundstücke in der Beitragssatzung die angegriffenen Beitragsbescheide geändert und den Beitrag auf insgesamt 7.976,28 € herabgesetzt; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

5

Das Verwaltungsgericht Halle hat das Verfahren im Hinblick auf die Erledigungserklärungen teilweise eingestellt, die Beitragsbescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Aufhebung der Beitragsbescheide hat das Gericht ausgeführt, die vom Beklagten herangezogene Beitragssatzung vom 9. März 2015 bilde keine taugliche Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung, weil es an einer wirksamen Regelung des Entstehens der (sachlichen) Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II fehle. Die Regelung in der Satzung, wonach die Beitragspflicht mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung für die entsprechenden Sachverhalte bereits zum 1. Januar 2010 entstehe, sei unwirksam, da sie gegen die höherrangige landesrechtliche Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA verstoße. Früheres Satzungsrecht scheide als rechtliche Grundlage für die Beitragsbescheide ebenfalls aus.

6

Nachdem der Beklagte eine Beitragssatzung mit einer neuen Regelung über die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erlassen und bekanntgemacht hatte, hat der Senat auf dessen Antrag mit Beschluss vom 17. November 2015 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

7

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung geltend, dass der vom Verwaltungsgericht festgestellte Satzungsfehler mit der Neufassung der Beitragssatzung geheilt worden sei. § 7 Abs. 1 dieser Satzung enthalte eine ausdrückliche Regelung zur Entstehung der Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag I und II. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht weitere Satzungsfehler nicht gesehen.

8

Der Beklagte beantragt,

9

das auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie trägt vor, der Beklagte verfolge Ansprüche aus Beitragsbescheiden vom 7. Juni 2012 in der Gestalt der am 15. Februar 2013 ergangenen Widerspruchsbescheide. Da die neue Satzung rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft getreten sei, habe es zu diesem Zeitpunkt keine wirksame Satzung gegeben, die Grundlage für ihre Heranziehung seien könnte.

13

Die Höhe der angeforderten Beiträge, zu der das Verwaltungsgericht keine Prüfung vorgenommen habe, werde bestritten. Die auf die Altanschlussnehmer umgelegten Kosten seien im Einzelnen nicht nachgewiesen. Der streitige Herstellungsbeitrag II, der angeblich nicht gedeckte Kosten betreffe, stelle Kosten für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung von Abwasseranlagen dar, die über Benutzungsgebühren umzulegen seien.

14

Sie könne als Altanschlussnehmerin nicht für die Kosten der Neuanschlüsse der nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes angeschlossenen Grundstücke herangezogen werden, sondern nur für die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon bestehenden Anschlüsse ihrer Grundstücke. Da für solche Investitionen nichts ersichtlich sei, trete eine Privilegierung der Neuanschlussteilnehmer ein. Die angegriffene Beitragssatzung nehme mit dem Herstellungsbeitrag II allein die Altanschlussteilnehmer für Maßnahmen in Anspruch, die allen Anschlussnehmern zugutekämen. Hierin liege ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit und der Beitragsgerechtigkeit.

15

Weiter seien die Anforderungen verjährt. Die Anschlüsse ihrer Grundstücke hätten im Jahre 2002 bereits annähernd 70 Jahre bestanden, so dass § 13b KAG LSA einschlägig sei. Hinsichtlich des Vorteilsausgleichs sei nach der Gesetzesbegründung an die jeweilige zurückliegende technische Herstellung anzuknüpfen. Hierdurch werde für das Land Sachsen-Anhalt nicht der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht gefolgt, wonach der auszugleichende Vorteil darin sehen zu sei, dass mit Übernahme der Abwasserversorgung durch die Kommunen die Beitragspflichtigen eine (angeblich) gesicherte Abwasserversorgung erhalten würden. Diese Unterstellung werde nicht nur durch die Intention des Landesgesetzgebers widerlegt, sondern auch durch die Situation im konkreten Fall. Denn die Abwasserentsorgung ihrer Grundstücke sei seit der Inbetriebnahme in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts völlig unproblematisch gewesen, während seit der Übernahme durch den Beklagten ganz erhebliche Probleme aufgetreten seien.

16

Die Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA ändere nichts. Die Schlussfolgerungen, die das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 4. Juni 2015 (- 4 L 24/14 -) gezogen habe, griffen nicht. Denn dort sei es um einen Neuanschluss einer Straßenbeleuchtungsanlage im Jahr 1999 gegangen, für den es erst im Jahre 2003 eine gültige Straßenausbausatzung gegeben habe. Nach den Ausführungen des Gerichts in dem o.g. Verfahren komme es für das Entstehen einer Beitragspflicht nicht auf das Vorliegen einer wirksamen Beitragssatzung an, so dass ein Widerspruch zu seinen Bemerkungen bestehe, dass seine Rechtsprechung bisher immer eine wirksame Beitragssatzung voraussetze. In § 13b KAG LSA sei zudem klargestellt, dass die Beitragspflicht an den tatsächlichen Anschluss als Vorteilslage anknüpfe. Es handele sich um eine materielle Ausschlussfrist. Die Vorteilslage sei hier zu einem Zeitpunkt entstanden, für den die Ausschlussfrist auf jeden Fall eingreife, so dass eine Abgabenfestsetzung ausgeschlossen sei. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation, wonach sich die Ausschlussfrist auf Grund der Regelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA auf bis zu 24,5 Jahre belaufen könne, stehe im krassen Gegensatz zu gefestigten Rechtsgrundsätzen. Vorteilsfälle, die weit in der Zeit vor dem Inkrafttreten des KAG LSA lägen, seien nach den zwingenden und auf jeden Fall zu berücksichtigenden Grundsätzen in der Verfassungsrechtsprechung, den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers sowie im KAG LSA und in der Beitragssatzung des Beklagten nicht beitragsfähig. Ansonsten greife das Kommunalabgabengesetz in einen Sachverhalt ein, der auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts vollständig abgeschlossen gewesen sei und der damit eine echte Rückwirkung darstelle. Eine Gesetzesauslegung, die eine solche Rückwirkung für zulässig erkläre, setze auch die jetzt im Gesetz festgeschriebene 10jährige materielle Ausschlussfrist außer Kraft. Dass hierfür eine Stütze in § 18 Abs. 2 KAG LSA gesehen werde, führe dazu, dass die verfassungskonforme Regelung in § 13b KAG LSA völlig außer Acht gelassen werde. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation habe einen unlösbaren Widerspruch dieser Regelungen zur Folge. Damit werde eine völlig ungerechtfertigte Bevorzugung der fiskalischen Interessen der Verwaltung bewirkt. Das weite Ermessen des Gesetzgebers könne sich allenfalls auf die Bestimmung der Dauer der materiellen Ausschlussfrist beziehen. Dazu sei mit § 13b KAG LSA eine klare Regelung getroffen worden.

17

Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2691/14 - und - 1 BvR 3051/14 -) noch einmal hervorgehobenen Grundsätze für eine echte und somit unzulässige Rückwirkung träfen vollständig auch auf vorliegende Angelegenheiten zu. Dem könne nicht damit entgegengetreten werden, dass das Oberverwaltungsgericht schon immer als Anspruchsgrundlage vom Vorliegen einer wirksamen Satzung ausgegangen sei. Es komme nicht darauf an, wie die Gerichte die Rechtslage bisher beurteilt hätten, sondern wie es in der gesetzlichen Regelung tatsächlich fest verankert sei. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe zur Folge, dass die Neuregelungen in der Kommunalabgabenordnung eine neue gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in abgeschlossene Rechtsverhältnisse konstituierten.

18

Es werde beantragt, über die eingelegte Berufung nach durchgeführter mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

20

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Das Verfahren wirft weder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf noch bestehen erhebliche Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht.

21

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund der Schriftsätze der Klägerin vom 7. und 23. Januar 2016 sowie 8. Februar 2016 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 23. Juni 2011 - 9 B 94.10 -, v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor. Dass die Klägerin einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO - ohne neuen, erheblichen Sachvortrag oder zusätzliche Beweisangebote - ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 -, zit. nach JURIS).

22

Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 7. Juni 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Februar 2013 und der Änderungsbescheide vom 16. Juli 2015, die im Berufungsverfahren allein noch streitbefangen sind, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Rechtsgrundlage der Bescheide über einen Anschlussbeitrag in der Gestalt des sog. besonderen Herstellungsbeitrages bzw. Herstellungsbeitrages II ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen und über die Kostenerstattung für Anschlusskanäle des Beklagten vom 31. August 2015 - BS -, die rückwirkend am 5. Oktober 2013 in Kraft getreten ist.

24

1. Nach welcher satzungsrechtlichen Grundlage der Beitrag zu bemessen ist, richtet sich nach dem geltenden Recht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Beitragspflicht entsteht im Anschlussbeitragsrecht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA in der ab 9. Oktober 1997 geltenden Fassung - KAG LSA -, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Nach der vorher geltenden Fassung des § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes entstand die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu beiden Gesetzesfassungen (vgl. Beschl. v. 3. Dezember 2012 - 4 L 59/13 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung entstehen. Für den sog. besonderen Herstellungsbeitrag bzw. Herstellungsbeitrag II gilt nichts anderes, da es sich dem Grunde nach um einen Herstellungsbeitrag i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA handelt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Juli 2006 - 4 L 127/06 -, zit. nach JURIS; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2228). Soweit in dem Urteil des beschließenden Senats vom 4. Juni 2015 (- 4 L 24/14 -, zit. nach JURIS) zu § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 16. April 1999 (GVBl. LSA S. 150) vertreten wird, dass in manchen Fällen eine Satzung vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme vorliegen muss, betrifft dies allein die Erhebung von (Straßen)Ausbaubeiträgen.

25

Die Satzung des Beklagten vom 31. August 2015 ist für die Grundstücke der Klägerin die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung, da die vorher geltenden Beitragssatzungen des Beklagten keine taugliche Rechtsgrundlage dargestellt hatten.

26

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil im Einzelnen dargelegt, dass sowohl die Beitragsatzung des Beklagten vom 12. November 2012 - auch in der Gestalt der 1. Änderungssatzung vom 9. September 2013 - als auch die Beitragssatzung des Beklagten vom 4. Februar 2002, zuletzt geändert durch die 4. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2010, u.a. wegen eines Fehlers der Tiefenbegrenzungsregelung nichtig seien und weder geltend gemacht sei noch sonst dafür etwas ersichtlich, dass vorher erlassenes Satzungsrecht des Beklagten bzw. seines Rechtsvorgängers als Rechtsgrundlage für die angegriffenen Beitragsbescheide herangezogen werden könnte. Dem tritt der Beklagte nicht entgegen; Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung liegen nicht vor. Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA notwendige Regelung zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II in der Beitragssatzung vom 9. März 2015 - BS 2015 - fehlte, da die in § 7 Abs. 3 BS 2015 getroffene Bestimmung nichtig war. Diese Beitragssatzung sollte rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft treten (§ 16 BS 2015); die Festlegung eines Entstehenszeitpunktes der sachlichen Beitragspflicht auf den 1. Januar 2010 in § 7 Abs. 3 BS 2015 und damit auf einen Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der BS 2015 verstieß gegen § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass eine abweichende Auslegung der Satzungsbestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht möglich ist. Ohne eine wirksame Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist eine Beitragssatzung nichtig (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2012, a.a.O.).

27

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist für eine Heranziehung der neuen Satzung vom 31. August 2015 unschädlich, dass der Zeitpunkt des Erlasses der Beitragsbescheide und der Widerspruchsbescheide nicht von dem Geltungszeitraum der Satzung erfasst wird. Eine nachträglich erlassene Beitragssatzung kann auch dann als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen, wenn sie sich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe oder der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beimisst. Eine auf Grund fehlender Satzungsgrundlage bestehende Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides wird durch die neue Satzung ex nunc geheilt; der Betroffene ist prozessrechtlich dadurch geschützt, dass er das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären kann (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012 - 4 L 155/09 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 173, m.w.N.).

28

2. Durchgreifende Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragssatzung vom 31. August 2015 - BS - sind weder von der Klägerin substanziiert geltend gemacht noch nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab sonst ersichtlich.

29

a) Soweit die Klägerin im Zulassungsverfahren pauschal die Ordnungsmäßigkeit der Bekanntmachung der Beitragssatzung bestritten hat, gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die Satzung wurde entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 1 der Verbandssatzung des Beklagten in den Amtsblättern der Stadt Landsberg und des Landkreises Anhalt-Bitterfeld vom 11. und 16. September 2015 veröffentlicht.

30

b) Die Satzung enthält - was von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen wird - mit ihrem § 7 Abs. 1 eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Regelung über das Entstehen der (sachlichen) Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II. Danach entsteht die Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag I und II, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung.

31

c) Dass der in § 5 Abs. 2 BS festgesetzte Beitragssatz für den Herstellungsbeitrag II von 2,12 €/m2 gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010 - 4 L 341/08 -, zit. nach JURIS) verstößt, ist weder hinreichend geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die Berechnung des Beitragssatzes und damit die Höhe der auf die Altanschlussnehmer umgelegten Aufwendungen ergibt sich aus der vom Beklagten erstellten Beitragskalkulation, auf welche der Beklagte in den Widerspruchsbescheiden vom 15. Februar 2013 Bezug genommen hat. Gegen diese Kalkulation erhebt die Klägerin keine substanziierten Einwendungen. Für ihre pauschale Behauptung, mit dem erhobenen Beitrag würden „Kosten für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung von Abwasseranlagen“ bzw. „durchlaufende Betriebskosten“ erhoben, die über Benutzungsgebühren umzulegen seien, gibt es keinerlei Anhaltspunkte; Belege nennt die Klägerin nicht. Demgegenüber hat der Beklagte in den Widerspruchsbescheiden ausdrücklich ausgeführt, in die Kalkulation seien nur die beitragsfähigen Investitionskosten eingeflossen.

32

d) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit geltend macht, verkennt sie schon die rechtlichen Grundlagen.

33

Wie oben dargelegt handelt es sich bei dem Herstellungsbeitrag II dem Grunde nach um einen Herstellungsbeitrag i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, der sich lediglich wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von einem „normalen“ Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Entsorgungsanlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d.h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Juli 2006, a.a.O.). Danach gehört zum beitragsfähigen Aufwand beim Herstellungsbeitrag II der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die jeweilige öffentliche leitungsgebundene Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept zu schaffen und es ist lediglich der Aufwand abzuziehen, der notwendig geworden ist, um nach dem 15. Juni 1991 (Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes) erstmals Grundstücken eine Anschlussmöglichkeit zu bieten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 252/04 - und Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 - jeweils zit. nach JURIS; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2225).

34

Der Vorteil, der durch den Herstellungsbeitrag II abgegolten werden soll, ist Eigentümern von tatsächlich schon vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt angeschlossenen Grundstücken daher - wie bei dem allgemeinen Herstellungsbeitrag - erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden ist, ihr Schmutzwasser mittels einer nach Inkrafttreten des Gesetzes geschaffenen öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entsorgen zu können (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 18. November 2004 - 1 M 61/04 -; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2220f.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -, zit. nach JURIS). Dieser Vorteil knüpft gerade nicht an eine tatsächliche Anschlussnahme von Grundstücken an, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes erfolgt ist, so dass es auf das Vorbringen der Klägerin zu den Unterschieden in der Qualität der tatsächlichen Abwasserentsorgung ihrer Grundstücke nicht ankommt.

35

Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte in die Beitragskalkulation für den Herstellungsbeitrag II Investitionen einbezogen hat, die vor dem 15. Juni 1991 abgeschlossen waren, oder Aufwand für nach dem 15. Juni 1991 geschaffene Anlagenteile, der dazu dient, neue Flächen durch die zentrale Abwasserentsorgungsanlage zu erschließen. Dafür bestehen angesichts der Höhe des in § 5 Abs. 1 BS festgesetzten Beitragssatzes von 10,23 €/m2 für den allgemeinen Herstellungsbeitrag auch keinerlei Anhaltspunkte.

36

3. Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages II sind nach der Beitragssatzung des Beklagten erfüllt.

37

Die Grundstücke der Klägerin verfügten i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 3 BS am 15. Juni 1991 über einen Anschluss an eine bestehende, nicht lediglich provisorische zentrale öffentliche Abwasserbehandlungsanlage und hatten unstreitig i.S.d. § 7 Abs. 1 BS nach diesem Zeitpunkt eine Anschlussmöglichkeit an die gem. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 der Entwässerungssatzung des Beklagten geschaffene Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten.

38

Soweit die Klägerin vorträgt, die tatsächliche Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke durch die Einrichtung des Beklagten sei immer wieder gestört, steht dieser Einwand einer Beitragserhebung nicht entgegen. Denn der Beitrag wird gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA schon für die Möglichkeit der Inanspruchnahme erhoben. Dass eine ordnungsgemäße Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke auf Grund natürlicher Gegebenheiten technisch ausgeschlossen ist oder zu unzumutbaren Belastungen führt, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht.

39

Einwände gegen die Berechnung des Beitrages sind nicht substanziiert geltend gemacht; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Das pauschale Bestreiten „der Höhe der angeforderten Beiträge“ durch die Klägerin ist nicht ausreichend.

40

Soweit sie im Klageverfahren eine hilfsweise Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen vorgenommen hat, steht dem gem. § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 226 Abs. 3 AO schon entgegen, dass diese Gegenansprüche weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt sind.

41

4. Die angefochtenen Bescheide vom 7. Juni 2012 sind nicht in festsetzungsverjährter Zeit erlassen worden.

42

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die sachliche Beitragspflicht für die Grundstücke der Klägerin erst mit der Beitragssatzung vom 31. August 2015 entstanden sein kann, die rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, ist die Festsetzungsverjährungsfrist nicht abgelaufen.

43

5. Eine Beitragserhebung wird auf Grund der Regelung des § 18 Abs. 2 i.V.m. § 13b KAG LSA durch das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht ausgeschlossen.

44

Dieses Gebot schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davor, dass lange zurück liegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicher zu stellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, zit. nach JURIS). Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Urt. v. 15. April 2015, a.a.O. und Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, zit. nach JURIS). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014, a.a.O.) und damit für das gesamte Beitragsrecht (so BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a.a.O.).

45

Zwar sind sowohl § 6 Abs. 6 KAG a.F. als auch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 6. Oktober 1997 (GVBl. LSA S. 878) wie auch in der inhaltgleichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. April 1999 (GVBl. LSA S. 150) - in der bisher vorgenommenen Auslegung auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2014, a.a.O.). Denn beide Regelungen ermöglichten in der bisherigen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von Anschlussbeiträgen.

46

Dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit tragen aber die §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA, die durch Art. 1 Nr. 9 und 12 des Gesetzes zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2014 (GVBl. LSA S. 522) eingefügt worden und am 24. Dezember 2014 in Kraft getreten sind, hinreichend Rechnung (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Juni 2015, a.a.O.). Danach ist eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit dem Ablauf des 10. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen (§ 13b Satz 1 KAG LSA). Die nach Maßgabe des § 13b zu bestimmende Ausschlussfrist endet nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 (§ 18 Abs. 2 KAG LSA). Damit hat der Gesetzgeber eine zeitliche Obergrenze für die Festsetzung von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben eingeführt und auf diese Weise den bislang bestehenden verfassungswidrigen Zustand beseitigt.

47

Die §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA berücksichtigen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich einerseits und die Interessen des Einzelnen an Rechtssicherheit. Die gewählte Ausschlussfrist von grundsätzlich 10 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage, die jedoch nicht vor dem Ende des Jahres 2015 abläuft und daher im Einzelfall auf Grund des erstmaligen Inkrafttretens des KAG LSA im Jahre 1991 bis zu 24,5 Jahre betragen kann, hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber insoweit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 5. März 2013, a.a.O.) zustehenden weiten Gestaltungsspielraums und belastet die Abgabenpflichtigen nicht unzumutbar (vgl. VG Halle, Urt. v. 13. März 2015 - 4 A 13/15 HAL -; VG Magdeburg, Urt. vom 26. März 2015 - 9 A 253/14 MD -; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241, 244f, 248; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254; Driehaus, KStZ 2014, 181, 184f.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 - zu § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG BB, zit. nach JURIS; Martini, NVwZ-Extra 2014, S. 1, 8ff., 12; vgl. weiter § 3a Abs. 3 Satz 2 SächsKAG; a.M.: Beck/Neumann, DWW 2015, 362, 370ff., 374; vgl. auch Möller, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2015h ff.; Rottenwallner, KStZ 2014, 189, 194ff.). Zum einen unterschreitet sie die auch dem öffentlichen Recht nicht fremde dreißigjährige Verjährungsfrist (vgl. etwa § 53 Abs. 2 VwVfG), gegen deren grundsätzliche Anwendbarkeit im öffentlichen Recht aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens keine Bedenken bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, zit. nach JURIS) und die einen Maßstab für die Bestimmung einer Ausschlussfrist darstellt (vgl. Driehaus, KStZ 2014, 184f.; vgl. auch Bücken-Thielmeyer/Fenzel, a.a.O., S. 244: äußerste Grenze). Zudem wirkt der Vorteil, der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit einer Einrichtung vermittelt wird, lange in die Zukunft fort, während ein besonderes wirtschaftliches Interesse der Abgabepflichtigen an einer möglichst zeitnahen Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht besteht, sondern deren Interesse nur darin liegt, erkennen zu können, wann mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen ist (VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; Driehaus, KStZ 2014, 185; VGH Bayern, Urt. v. 12. März 2015 - 20 B 14.1441 -; VG Cottbus, Urt. v. 10. April 2014 - 6 K 370/13 -, jeweils zit. nach JURIS). Schließlich sind die nach der Wiederherstellung der Deutschen Einheit bestehenden Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung sowie die sonstigen Schwierigkeiten, in einem neuen Bundesland wie Sachsen-Anhalt überhaupt wirksames Satzungsrecht zu erlassen, in Rechnung zu stellen (VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -, zit. nach JURIS: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014, a.a.O.) und der Umstand, dass die abgabenerhebenden Körperschaften in Sachsen-Anhalt jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 auf Grund der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt darauf vertrauen durften, nicht wirksam entstandene Forderungen zeitlich grundsätzlich unbegrenzt geltend machen zu können (vgl. auch Martini, a.a.O., S. 12).

48

Die abgabenerhebenden Körperschaften werden durch die 10-Jahres-Ausschlussfrist, die zwar (teilweise deutlich) kürzer ist als vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern, ebenfalls nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise (vgl. dazu Bücken-Thielmeyer/Fenzel, a.a.O. S. 245ff.) belastet (wohl a.M.: Driehaus, KStZ 2014, 185). Auch wenn es aus den verschiedensten Gründen zu einer Verzögerung der Erhebung von Abgaben kommen kann, die der zuständigen Körperschaft nicht anzulasten ist, durfte der Gesetzgeber mit der gewählten Frist, die jedenfalls mehr als doppelt so lang ist wie die Festsetzungsverjährungsfrist, die Interessen des einzelnen Abgabenschuldners sehr hoch gewichten. Weder werden dadurch die abgabenerhebenden Körperschaften in ihrer Finanzhoheit als Ausprägung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung verletzt noch ist das Gleichheitsgebot in seiner Ausprägung als Grundsatz der Abgabengerechtigkeit beeinträchtigt. Im Gesetzgebungsverfahren haben die Interessenverbände insoweit gerade keine durchgreifenden Einwendungen erhoben, sondern nur für eine längere Übergangsfrist plädiert. Durch § 18 Abs. 2 KAG LSA ist hinreichend sichergestellt, dass Altverfahren noch fristgerecht abgeschlossen werden können. Denn die abgabenerhebenden Körperschaften mussten schon seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 mit einer gesetzgeberischen Regelung rechnen.

49

Die vorgesehene Ausschlussfristenregelung ermöglicht damit einerseits die Sicherung der Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen und schränkt andererseits die Abgabenerhebung nach Eintritt der Vorteilslage zeitlich ein, nämlich auf einen Zeitraum von höchstens 24,5 Jahren. Insoweit enthält sie einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des einzelnen Abgabenpflichtigen an Rechtssicherheit. Auch der Umstand, dass die "Übergangsregelung" in § 18 Abs. 2 KAG LSA sogenannte "Altfälle", bei denen die die Ausschlussfrist frühestens am 31. Dezember 2015 endet, gegenüber den Abgabenpflichtigen benachteiligt, bei denen die Vorteilslage erst nach 2005 eingetreten ist, führt unter Berücksichtigung von Art. 3 GG nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Denn nach dem Vorhergesagten besteht jedenfalls ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung.

50

Auch den von der Klägerin und einzelnen Literaturstimmen sonst genannten Einwendungen gegen die Übergangsfrist des § 18 Abs. 2 KAG LSA ist nicht zu folgen. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin kommt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum nicht nur hinsichtlich der (zeitlichen) Ausgestaltung einer allgemeinen Ausschlussfrist zu, sondern auch hinsichtlich der Einräumung einer besonderen Übergangsfrist. Diesen Spielraum hat der Landesgesetzgeber (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-DrS 6/3419 vom 10. September 2014, S. 23) ausdrücklich genutzt und darauf abgestellt, dass die kommunalen Aufgabenträger erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 von einer neuen Rechtslage auszugehen hatten. Soweit das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ausdrücklich gerügt hat, die Verjährung des in Rede stehenden Anschlussbeitrages könne nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen unter Umständen „erst Jahrzehnte“ nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen, folgt daraus keine Absage an die Bestimmung einer Ausschlussfrist, die im Einzelfall zwanzig Jahre überschreiten kann. Zum einen wurde diese Aussage zu Regelungen im bayerischen Kommunalabgabengesetz über die (Festsetzungs)Verjährung getroffen, die gerade keine Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers enthielten. Zum anderen entfaltet § 18 Abs. 2 KAG LSA nur für einen Übergangszeitraum Geltung und ist durch landesspezifische Umstände gerechtfertigt. Beide Erwägungen hatte das Bundesverfassungsgericht zu dem damals streitigen bayerischen Kommunalabgabengesetz nicht zu berücksichtigen. Auch dass den Problemen bei der Bildung von Aufgabenträgern in Sachsen-Anhalt durch zwei Heilungsgesetze im Kommunalabgabenrecht Rechnung getragen wurde, hindert nicht eine Berücksichtigung der sonstigen Schwierigkeiten, überhaupt wirksames Satzungsrecht zu erlassen, sowie eine Berücksichtigung der bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltenden letztinstanzlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts. Soweit eine Geltendmachung von Fehlern der Abgabenfestsetzung durch den herangezogenen Abgabepflichtigen infolge des Zeitablaufs seit Entstehen der Vorteilslage (z.B. durch natürliche Änderungen der tatsächlichen Umstände oder Eigentümerwechsel) erschwert sein sollte, ist dem schon im Rahmen der Darlegungsverpflichtungen und der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.

51

Die Regelungen der §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA sind anzuwenden, obwohl vor Inkrafttreten dieser Normen sowohl die sachliche Beitragspflicht entstanden ist als auch die angefochtenen Beitragsbescheide erlassen worden sind. Es handelt sich dabei um Regelungen, mit denen - wie § 18 Abs. 2 KAG LSA klarstellt - eine Ausschlussfrist festgesetzt wird (vgl. auch Driehaus, KStZ 2014, 183, m.w.N.; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254). Deren umfassende Anwendbarkeit ergibt sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschriften, der darin besteht, der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen und eine zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung im Kommunalabgabengesetz vorzusehen, um die Beitragserhebung verfassungsrechtlich sicher zu gestalten (vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung vom 10. September 2014, LT-DrS 6/3419, S. 3; VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015, a.a.O.).

52

Da die streitbefangenen Beitragsbescheide vor Ende des Jahres 2015 erlassen worden sind, ist die Ausschlussfrist des § 13b KAG LSA jedenfalls gem. § 18 Abs. 2 KAG LSA gewahrt.

53

Es kann danach offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt für die Grundstücke der Klägerin die Vorteilslage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2014, a.a.O.; vgl. auch Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2255; Driehaus, KStZ 2014, 181, 183f.; Martensen, LKV 2014, 446, 451ff.) entstanden ist. Jedenfalls ist nach den obigen Darlegungen diese Vorteilslage nicht schon mit der tatsächlichen Anschlussnahme der Grundstücke an eine zentrale Entsorgungsanlage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes erfolgt, da es sich dabei um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a.a.O.). Auch aus dem Gesetzeswortlaut oder den „Intentionen“ des Gesetzgebers folgt im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nichts anderes. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-DrS 6/3419 vom 10. September 2014, S. 22f.) wird jeweils nur auf die „Vorteilslage“ bzw. die „tatsächliche Vorteilslage“ abgestellt. Soweit der Begriff „technische Herstellung“ verwendet wird (S. 3), bezieht er sich - wie aus dem Zusammenhang deutlich wird - auf den Vorteilsausgleich i.S.d. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dass nach den Angaben der Klägerin die tatsächliche Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke durch die Einrichtung des Beklagten immer wieder gestört sei, führt von vornherein nicht dazu, den Eintritt der Vorteilslage schon früher anzunehmen.

54

Ebenfalls nicht entschieden werden muss, ob bei einer Beitragsfestsetzung, die vor einem nach den §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA maßgebenden Zeitpunkt erfolgt ist, der Erlass der als Rechtsgrundlage heranzuziehenden Beitragssatzung nach diesem Zeitpunkt - möglicherweise auch verbunden mit einer Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erst nach dem Zeitpunkt - zur Folge hat, dass die Ausschlussfrist nicht eingehalten ist (vgl. dazu Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254 a.E.). Denn die heranzuziehende Beitragssatzung des Beklagten ist vor dem 31. Dezember 2015 erlassen worden, und auch die sachliche Beitragspflicht ist vor diesem Zeitpunkt entstanden.

55

6. Die im Anschlussbeitragsrecht geltenden Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt haben auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, zit. nach JURIS) zu dem Kommunalabgabengesetz Brandenburg keine unzulässige Rückwirkung zur Folge.

56

Eine Rechtsnorm entfaltet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 12. November 2015, a.a.O., m.w.N. und Beschl. v. 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Eine unechte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung").

57

a) Dass Grundstücke auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes zu Anschlussbeiträgen herangezogen werden, die schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 15. Juni 1991 eine Anschlussmöglichkeit an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Schmutzwasserentsorgungsanlage hatten, stellt entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb keine unzulässige Rückwirkung dar, weil - wie oben dargelegt - damit nur an eine erst nach dem 15. Juni 1991 entstandene Vorteilslage durch die Anschlussmöglichkeit an eine nach diesem Zeitpunkt geschaffene öffentliche Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA angeknüpft wird.

58

b) Der mit Änderungsgesetz vom 6. Oktober 1997 (GVBl. LSA S. 878) eingeführte § 6 Abs. 6 Satz 2 entfaltet ebenfalls keine unzulässige Rückwirkung (so auch VG Halle, Urt. v. 25. Januar 2016 - 4 A 10/15 HAL -; a.M. wohl: Beck/Neumann, a.a.O., S. 364 Fn. 25, 374). Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA gegenüber der vorher geltenden Rechtslage nach § 6 Abs. 6 KAG LSA a.F. lediglich klarstellend verdeutliche, dass die sachliche Beitragspflicht im Anschlussbeitragsrecht unabhängig vom Abschluss der Baumaßnahme und der Begründung der Vorteilslage nicht vor Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht (so Urt. v. 6. März 2003 - 1 L 318/02 -, m.w.N.; Beschl. v. 23. Oktober 2000 - 1 M 209/00 -; Beschl. v. 10. November 1999 - B 3 S 29/98 -; Beschl. v. 25. Januar 2011 - 4 L 234/09 -; vgl. auch Beschl. v. 19. Februar 1998 - B 2 S 141/97 - zit. nach JURIS; vgl. weiter Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2202, m.w.N.). Dass nach der Gesetzesbegründung (LT-DrS 2/3895 v. 26. August 1997, S. 7) zu § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA „ein Hinausschieben der Entstehung der Beitragspflicht frühestens auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten rechtsgültigen Satzung“ erforderlich gewesen sei, um möglichen Beitragsausfällen oder Rückforderungen vorzubeugen, führt zu keiner anderen Auslegung. Ein Gesetz kann auch rein deklaratorische Wirkung haben, um das klarzustellen, was sich aus anderen Regelungen, wenn auch nicht ausdrücklich, bereits ergibt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. Februar 1998, a.a.O.). Daher fehlt es von vornherein schon an einem Anknüpfungspunkt für die Annahme einer (echten oder unechten) Rückwirkung, da die Rechtslage sich durch das Änderungsgesetz nicht geändert hat. Grundsätzlich liegt keine Rückwirkung vor, wenn eine Neuregelung deklaratorischer Art ist, also nur bestätigt, was von vornherein aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2010, a.a.O.).

59

Dass § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA dem Wortlaut nach im Wesentlichen der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. entspricht, deren Abänderung durch die Einführung des Begriffes „rechtswirksam“ vor dem Wort „Satzung“ mit einem Änderungsgesetz vom 17. Dezember 2003 das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 12. November 2015 (a.a.O.) hinsichtlich der Fälle, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht (mehr) erhoben werden konnten, als unzulässige Rückwirkung angesehen hat, steht dem nicht entgegen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in dem Änderungsgesetz deshalb eine konstitutive Änderung der Rechtslage bzw. einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gesehen, weil das Oberverwaltungsgericht Brandenburg § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. in ständiger Rechtsprechung (seit Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, zit. nach JURIS) so ausgelegt hatte, dass es für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht und damit auch für den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns lediglich auf das formelle Inkrafttreten der ersten - möglicherweise unwirksamen - Beitragssatzung, nicht aber auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ankam (vgl. dazu auch Herrmann, LKV 2016, 54ff.). Eine vergleichbare „Korrektur“ der die Festsetzungsverjährung betreffenden Rechtsprechung durch den Gesetzgeber erfolgte - schon im Hinblick darauf, dass das Oberverwaltungsgericht stets auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung abgestellt hatte - in Sachsen-Anhalt gerade nicht.

60

Es muss daher nicht entschieden werden, ob selbst bei der Annahme einer Änderung der Rechtslage durch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA vorliegend deshalb keine Rückwirkung eingetreten wäre, weil für die klägerischen Grundstücke bis zum Inkrafttreten des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA keine öffentliche Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA existierte (vgl. VG Halle, Urt. v. 25. Januar 2016 - 4 A 10/15 HAL -).

61

c) Den §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA kommt danach schließlich auch keine (echte oder unechte) Rückwirkung zu. Auf Grund dieser Bestimmungen treten schon keine Rechtsfolgen mit belastender Wirkung ein, da die Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt keine Ausschlussfrist angenommen hatte, innerhalb derer die abgabenerhebende Körperschaft nach dem Entstehen einer Vorteilslage die Abgabe festzusetzen hatte. Die Neuregelungen, mit denen eine solche Ausschlussfrist erstmalig eingeführt wird, haben für die betroffenen Abgabenpflichtigen daher allein eine begünstigende Wirkung.

62

Selbst wenn man aber den §§ 13b, 18 KAG LSA eine unechte Rückwirkung unterstellte, läge ein - für die Annahme der Verfassungswidrigkeit notwendiger - Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht vor. Die noch nicht herangezogenen Abgabenpflichtigen konnten weder vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 noch danach darauf vertrauen, dass ihnen gegenüber auf Grund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagieren würde.

63

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

64

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

65

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

66

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines von dem Beklagten als Herstellungsbeitrag II bezeichneten Beitrags.

2

Der Kläger ist seit dem 17.06.1999 Eigentümer des in der Gemarkung A-Stadt, Flur gelegenen Flurstücks, das im Grundbuch von A-Stadt Blatt 6186 unter der laufenden Nr. 1 als Gebäude- und Freifläche, A-Straße mit einer Größe von 641 qm eingetragen ist. Das Grundstück ist zweigeschossig bebaut. Bereits vor dem 15.06.1991 verlief vor dem klägerischen Grundstück ein Hauptsammler für Abwasser.

3

Mit Bescheid vom 21.03.2011 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das vorbezeichnete Grundstück einen „Herstellungsbeitrag II Schmutzwasser“ in Höhe von 794,84 EUR ausgehend von einer angeschlossenen Fläche von 641 qm, einem Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung und einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm fest.

4

Der Kläger hat gegen den Beitragsbescheid unter dem 25.03.2011 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, das Grundstück im Dezember 1998 erworben zu haben und im Zuge von Umbaumaßnahmen einen neuen Anschluss erhalten zu haben, den er auch bezahlt habe.

5

Mit dem Kläger am 02.07.2011 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wies der Beklagte den klägerischen Widerspruch zurück.

6

Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2011 Klage beim erkennenden Gericht erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.06.2012 den Eilantrag abgelehnt (Az.: 9 B 91/12 MD).

7

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das im Jahr 1916 bebaute Grundstück im Jahr 1991 nicht angeschlossen gewesen, mithin der Tatbestand des § 5 Abs. 2 der Abgabensatzung nicht erfüllt sei. Der Beklagte gehe in seiner „Beitragsbedarfsberechnung vom 25.03.2002“ (vgl. Generalvorgang) selbst davon aus, dass sein Grundstück erstmals 1994 an die fertig gestellte Anlage angeschlossen gewesen sei bzw. hätte angeschlossen werden können. Beim Erwerb des Hauses im Jahr 1998 sei dieses schon langjährig unbewohnt gewesen und aufgrund des Reparaturstaus überhaupt nicht nutzbar. Die von ihm beauftragte Firma ... GmbH habe im Jahr 1999 mit der Sanierung begonnen, dabei sei festgestellt worden, dass die Pläne des Beklagten hinsichtlich der Anschlusssituation nicht mit dem tatsächlichen Bestand übereingestimmt hätten. Das Grundstück sei nicht angeschlossen gewesen, sondern über Güllegruben entsorgt worden. Vom Vorderhaus seien keinerlei Abflussleitungen zur Straße geführt worden. Die Entwässerung erfolgte rückwärtig zu einer Güllegrube, die im Rahmen der Baumaßnahme verfüllt worden sei.

8

Der Beklagte sei nicht berechtigt, den streitbefangenen Beitrag zu erheben, denn die Anlage sei unter Wahrung ihrer Identität lediglich erneuert worden, da aufgrund Verschleißes eine Modernisierung notwendig gewesen sei. Es komme nicht auf die Identität des Rechtsträgers der Altanlage, sondern auf die Identität der Anlage selbst an. Die Schaffung einer neuen Anlage liege nicht vor. Der Herstellungsbeitrag scheide auch bereits dem Grunde nach aus. Den Gemeinden oblag nach der aufgrund Einigungsvertrags anwendbaren Kommunalverfassung der DDR vom 17.05.1990 bereits vor Inkrafttreten des Landeswassergesetzes Sachsen-Anhalt die Pflicht zur Abwasserentsorgung und Wasserversorgung. Da die Rechtsprechung eine Rechtsnachfolge von DDR-Kommunen ablehne, gewinne entscheidungserheblicher Bedeutung, dass Gemeinden sich faktisch den Altanlagen bemächtigt und jedenfalls konkludent durch Öffnung der Anlage gewidmet haben. In der Folge seien Benutzungsgebühren erhoben und die Eigentümer dem Benutzungszwang unterworfen worden. Den Gemeinden – hier die Stadt A-Stadt – seien die Altanlagen zugeordnet worden. Mit dieser Zuordnung sei die (neue) öffentliche Einrichtung entstanden, hierin sei die erstmalige Herstellung zu erblicken, da sich der Vorteil bereits ergeben habe. Heute erfolgende Baumaßnahmen dürften folglich nicht mehr als erstmalige Herstellung einer Anlage deklariert werden. Die Vorteilslage sei bereits „mit dem Eintritt des Verbandes“ und seinem Benutzungszwang des bestehenden Altsystems gegeben gewesen.

9

Der Alteigentümer werde gegenüber den Neuanschlussnehmern benachteiligt; Vorteilsgerechtigkeit sei nicht gegeben.

10

Der streitbefangene Bescheid sei zu unbestimmt. Umlagefähige Maßnahmen, die ausgeführt worden seien, würden nicht bezeichnet. Welche beitragsfähigen Neuanlagen mit welchem Kostenanteil in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt worden seien, werde nicht ansatzweise ausgeführt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte unzulässige Sanierungskosten in den Herstellungsbeitrag II eingestellt habe, denn Teile der Anlage stammten aus den 30-er Jahren. Auch Unterhaltungsmaßnahmen seien lediglich gebühren-, jedoch nicht beitragsfähig. Der faktische Austausch der tatsächlich bestehenden Anlage wegen Verschleißes und deren Modernisierung, sei keine Herstellung, denn eine Anlage sei nicht nur rein technisch, sondern auch rechtlich zu verstehen. Eine neue Anlage sei nicht geschaffen worden, da die Identität der Anlage gewahrt geblieben sei.

11

Mit Nichtwissen werde bestritten, dass nach dem maßgebenden Stichtag überhaupt beitragsfähige Anlagenteile geschaffen worden seien.

12

Nicht nachvollziehbar sei, ob der Beklagte denjenigen Aufwand herausgerechnet habe, der ausschließlich Neuanschlussnehmern diene. Es bestehe der Anschein, dass der Beklagte Deckungslücken über Beiträge refinanziert habe, anstatt den nicht beitragsfähigen Investitionsanteil über laufende Benutzungsgebühren zu finanzieren.

13

Der in der Beitragssatzung verwendete Vollgeschossfaktor sei willkürlich gegriffen worden und finde im Gesetz keinen Niederschlag.

14

Der in der Satzung festgelegte Beitragssatz sei überhöht und in wesentlichen Teilen nicht nachprüfbar. Aus den Medien sei bekannt, dass der Beklagte einen Teil seines Herstellungsaufwands durch Gebühren/Entgelte realisiert habe, diese seien vom Aufwand abzusetzen. Die tabellarische Übersicht zeige, dass sich die Gebührensätze seit 1992 auf einem hohen Level befunden hätten. Weshalb es der Einnahme eines Herstellungsbeitrags II aufgrund der Satzung vom 29.09.2010 bedurft habe, sei deshalb nicht erkennbar, weil – wie der frühere Geschäftsführer des Beklagten, Herr P…, in einem Interview im „… Kreisanzeiger“ vom 22.01.2004 erläutert habe – die Senkung der Gebühren deshalb möglich sei, weil „a l l e“ Investitionen durch die Gebühren- und Beitragskalkulation bereits finanziert worden seien. Die Anlagen seien zum Teil schon 12 Jahre alt und damit praktisch schon erwirtschaftet. Mindestens 10,208 Mio. EUR, die der Beklagte in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt habe, seien bereits durch Gebühren gedeckt. Das Niveau des Beitragssatzes sei seit 1992 nahezu gleichbleibend, so dass die Vermutung naheliege, dass zuvor eine Gebührenfinanzierung erfolgt sei, d.h. dieser Anteil aus dem beitragsfähigen Investitionsaufwand herauszurechnen sei. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zwei Mal abrechne, einmal über Abschreibungen (kalkulatorische Kosten der Anlage) als auch über den Herstellungsbeitrag II. Denn der Beklagte verlange im Rahmen des kalkulatorischen Aufwands faktisch Vorschüsse auf Maßnahmen der nächsten 40 Jahre. Die Kosten für die Erneuerung der Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse würden durch Abschreibungen über den Gebührenhaushalt refinanziert, so dass sie nicht zum Aufwand des Herstellungsbeitrags II gehören könnten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Aufwand bereits in den vorangegangenen Gebührenkalkulationen seinen Niederschlag gefunden habe, mithin nunmehr doppelt berücksichtigt werde.

15

Die Satzung vom 29.09.2010 sei nicht wirksam, weil Altanschließer zeitlich unbeschränkt herangezogen werden dürften und sie dadurch unangemessen benachteiligt würden. Die Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes (§§ 13b, 18 KAG LSA) habe weder eine Heilung der Satzung noch des Bescheides herbeigeführt. Es sei nicht Wille des Landesgesetzgebers gewesen, eine unwirksame Satzung zu heilen. Die neue Satzung des Beklagten vom 04.02.2015 verstoße gegen das Schlechterstellungsverbot, da in § 10 der Satzung höhere Mahngebühren verlangt würden.

16

Vor Maßnahmebeginn hätte eine Satzung mit einer Verteilungsregel beschlossen sein müssen, ansonsten entstehe keine sachliche Beitragspflicht, eine nachträglich rückwirkende Heilung der Satzung sei ausgeschlossen. Dies müsse auch für den Herstellungsbeitrag II gelten. Auch sei keine Unterrichtung der Beitragspflichtigen gemäß § 6d KAG LSA erfolgt.

17

Der in die Kalkulation eingestellte Aufwand für Druckleitungen und Pumpwerke in Höhe von 1.587.578 EUR bedeute für die Altanschließer keinen Vorteil. Der eingestellte Investitionsaufwand von 20.771.240 EUR enthalte diesen Aufwand, obgleich der Anschluss des Gefechtsübungszentrums L… und der Stadt … an das System A-Stadt keinen Vorteil für die Altanschließer bringe.

18

Die Kalkulation sei nicht nachprüfbar. Dies gelte sowohl für den Aufwand im Einzelnen, als auch die in den Ansatz gebrachten Flächen, da jedenfalls Übertragungs- und Additionsfehler nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Höhe der in den Ansatz gebrachten Einzelpositionen werde bestritten, sie würden nicht tief genug vereinzelt. Ohne nähere Angaben und Belege könne die Richtigkeit nicht unterstellt werden. Jede eingestellte Position müsse im Einzelnen namentlich benannt und belegt werden. Nur so könne geprüft werden, ob gebührenfähiger Aufwand oder solcher, der allein Neuanschlussnehmer bevorteile, enthalten sei. Die tabellarisch erfassten Flächen würden aus der Liegenschaftskarte bzw. aus dem Liegenschaftsbuch des Beklagten stammen. Es könne nicht geprüft werden, ob der Beklagte das Flächenmaß aus dem Grundbuch oder dem Kataster richtig übernommen habe, da keine Auszüge vorlägen. Zudem seien öffentliche Verkehrsflächen sowie sonstige öffentliche Flächen zu Unrecht herausgerechnet worden. Schließlich bestehe eine Diskrepanz zwischen der Grundbuchfläche und der Beitragsfläche. Die beim Herstellungsbeitrag I berücksichtigten Flächen stimmten nicht mit denen überein, die bei der Ermittlung des Beitragssatzes des Herstellungsbeitrags II Berücksichtigung gefunden hätten. Der Kläger habe wiederholt Akteneinsicht beantragt, dem sei – auch im gerichtlichen Verfahren – nicht nachgekommen worden.

19

Der Vorteil der Allgemeinheit müsse vom Aufwand abgesetzt werden. Denn der gleiche Vorteil, den die privaten Altanschlussnehmer hätten, habe auch die Allgemeinheit, die die Anlage auch vor dem Stichtag habe nutzen können. Materielle Vorteile der Allgemeinheit seien bspw. die Bereitstellung von Löschwasser, das Durchspülen der Kanalisation, Reinigung der Straßen nach Unfällen, Oberflächenwasserentsorgung (Entwässerung von Straßen, Wegen und Plätzen), Anlagen des Überflutungsschutzes; auch dies müsse bewertet werden.

20

Erneuerungskosten seien keine beitragsfähigen Kosten im Rahmen des Herstellungsbeitrags II. Denn Kosten der Unterhaltung und des Betriebs seien allein gebührenfähig. Die Beitragspflicht erlischt ein für alle mal, wenn die öffentliche Einrichtung hergestellt sei. Dies sei hier der Fall. Auch der Tatbestand der Erweiterung sei nicht erfüllt.

21

Der Beklagte habe zu Unrecht im Rahmen der Kalkulation den Aufwand für Hausanschlüsse berücksichtigt. Diese Kosten müsse jeder Grundstückseigentümer selbst tragen.

22

§ 6 Abs. 3 KAG LSA sei missachtet worden. Die Kläranlage in A-Stadt sei überdimensioniert und nach unrealistischen Einwohnergleichwerten geplant worden (geplanter Großschlachthof, ansässiger Großbetrieb: Asbestzementwerk, A-Stadt war Garnisonsstadt); auch die Leitungen seien so überdimensioniert, dass sie zusätzlich gespült werden müssten. Die hierdurch veranlassten Mehrkosten seien nicht beitragsfähig, da sie nicht notwendig gewesen seien.

23

Die in der Abgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung sei fehlerhaft, da der Beklagte lediglich einen Durchschnittswert ermittelt habe, so dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ein methodischer Fehler vorliege. Die zugrunde gelegten Grundstücke seien nicht repräsentativ. In A-Stadt gebe es 371 Straßen, weshalb die drei vom Beklagten berücksichtigten Straßen gewählt worden seien, bleibe offen. Die im Übrigen berücksichtigten Straßen in den Gemeinden Jävenitz, Altmersleben, Engersen, L.., ..., ...rhorst und Solpke seien bereits deshalb nicht repräsentativ, weil diese Gemeinden am Herstellungsbeitrag II nicht teilnehmen würden.

24

Auch die durchschnittliche Grundstücksgröße sei weder repräsentativ noch nachvollziehbar, sondern willkürlich ermittelt worden.

25

Der Kläger beantragt,

26

den Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 aufzuheben.

27

Der Beklagte beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte verteidigt seinen Beitragsbescheid.

30

Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.06.2013 das ursprünglich unter dem Aktenzeichen 9 A 203/11 MD geführte Verfahren ausgesetzt und am 01.06.2014 wiederaufgenommen.

31

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 gestellten und entschiedenen Beweisantrags wird wegen des Inhalts und der begründeten Entscheidung auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die beim Gericht geführte Generalakte des Beklagten – die insbesondere dessen Satzungsrecht, die Kalkulation des Beitragssatzes des Beklagten vom 14.07.2010 (im Folgenden Kalkulation HB II), die Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitragssatzes vom 01.07.2010 (im Folgenden: Kalkulation HB I) sowie die Ermittlung der Tiefenbegrenzung enthält – verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

32

I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

33

Der Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen besonderen Herstellungsbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Abgaben für die Schmutzwasserbeseitigung des Beklagten vom 29.09.2010 – SBAS 2010 –, die in Entsprechung des § 26 Abs. 1 der Verbandssatzung des Beklagten vom 13.10.2005 ordnungsgemäß im Amtsblatt des Altmarkkreises … und des Landkreises … jeweils vom 20.10.2010 bekanntgemacht worden und am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Danach erheben Landkreise und Gemeinden bzw. Zweckverbände nach wirksam erfolgter Aufgabenübertragung – § 6 GKG-LSA – zur Deckung ihres Aufwandes unter anderem für die erforderliche Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen von den Beitragspflichtigen im Sinne von § 6 Abs. 8 KAG LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit derselben ein Vorteil entsteht, Beiträge auf der Grundlage einer Satzung (§ 2 Abs. 1 KAG LSA), soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist.

35

Zu Recht erhebt der Beklagte danach von dem Kläger einen Beitrag für die Herstellung seiner öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung in der Form eines besonderen Herstellungsbeitrages (1.). Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung – SBAS – ist wirksam (2.). Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor (3.).

36

1. Bei den der Beitragserhebung zugrunde liegende Maßnahmen des Beklagten handelt es sich um die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hier der zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a) der Satzung über die Schmutzwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage vom 29.09.2010 – SAS –, § 1 Abs. 1 lit. a) SBAS 2010).

37

Der Beklagte als für die Abwasserbeseitigung zuständige Körperschaft errichtet abwassertechnische Anlagen zur zentralen Beseitigung des im Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts, nachdem im Verbandsgebiet bis in die 1990-er Jahre Kläranlagen in A-Stadt und … sowie mehrere Oxidationsteiche mit den dazugehörigen Leitungsnetzen betrieben wurden. Diese hat der Beklagte mit Aufgabenübertragung faktisch übernommen. Die zunächst vom Abwasserzweckverband … errichteten Anlagen wurden durch Zusammenschluss des Beklagten und des Abwasserzweckverbandes … am 01.02.2002 Teil der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung. Entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts hat der Beklagte die bereits vorhandenen technischen Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung (teilweise) dem Stand der Technik angepasst und erschließt bislang noch nicht angeschlossene Grundstücke durch Errichtung neuer Anlagen. Er beabsichtigt, über die drei vorhandenen Kläranlagen (A-Stadt, …, …), die eine Kapazität von ca. 53.7000 Einwohnerwerten (Kalkulationsstichtag 31.12.2009) aufweisen, das Abwasser dauerhaft zu entsorgen. In zulässiger Weise erhebt der Beklagte zur Deckung des insoweit erforderlichen Aufwandes Herstellungsbeiträge deshalb, weil allen davon abwasserseitig erschlossenen Grundstücken erstmalig eine dauerhafte Anschlussmöglichkeit geboten wird.

38

Die Erhebung – auch eines besonderen – Herstellungsbeitrages kommt selbstredend nur dann in Betracht, wenn für das Grundstück bislang zu keiner Zeit eine öffentliche Einrichtung (im Rechtssinne) betriebsbereit zur Verfügung gestellt wurde. Bei dieser Betrachtung ist allein daran anzuknüpfen, ob nach Lage der Dinge davon auszugehen ist, dass bereits vor der Gründung des Beklagten ein Abwasserbeseitigungskonzept beschlossen und eine diesem Konzept entsprechende Anlage vor der Gründung des Beklagten geschaffen worden ist. Hier käme allenfalls die Schaffung einer solchen öffentlichen Einrichtung durch die zum Verband gehörenden Gemeinden in Betracht, was jedoch nicht der Fall war. Mithin kann die gemeindliche Abwasserbeseitigung nach 1990 mittels der vorhandenen Altanlagen nur als (provisorische) Übergangslösung bis zur (erstmaligen) Schaffung der Abwasserbeseitigungsanlage durch den Beklagten angesehen werden (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005 - 9 A 118/04; juris).

39

Aus diesem Grunde vermag auch der Einwand, die Maßnahmen des Beklagten seien keine „Herstellung“ im rechtlichen Sinne, sondern allenfalls solche der „Unterhaltung“ oder „Sanierung“ von durch Zeitablauf mittlerweile sanierungsbedürftiger Anlageteile, nicht zu tragen. Denn der Beklagte stellt – wie dargestellt – nunmehr auch dem Grundstück des Klägers erstmals eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zur Verfügung (VG Magdeburg, B. v. 12.06.2012, 9 B 91/12, Rn. 26, juris). Das OVG Berlin-Brandenburg führt in dem Beschluss vom 01.03.2012 (OVG 9 S 9.12; juris) zu einem vergleichbaren Fall aus:

40

„Spätestens aufgrund der Anordnung über die Bildung der VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) gab es auf dem Gebiet der damaligen DDR - rechtlich - keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr. Erst infolge des Einigungsvertrages sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der durch die DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu konstituierten Kommunen geworden, so dass öffentliche Einrichtungen der Kommunen in diesem Aufgabenbereich neu entstehen konnten. Eine rechtliche Kontinuität der kommunalen Einrichtungen besteht daher selbst insoweit nicht, wie eine Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 15 ff. m. w. N.). Vielmehr sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand.“

41

Der Erhebung eines besonderen Herstellungsbeitrags steht nicht entgegen, dass die den Vorteil vermittelnde öffentliche Einrichtung wesensgleich mit einer technischen Anlage ist, für die ggf. bereits einmal (bspw. vor 1945) ein mit dem heutigen Anschlussbeitrag vergleichbarer Anspruch entstanden war. Ein Fall der Doppelveranlagung liegt nicht vor. Denn eine gegebenenfalls in der Vergangenheit einmal bestehende öffentliche Einrichtung ist (ersatzlos) untergegangen und konnte deshalb auch nicht nach 1990 wieder aufleben. Der Untergang wurde durch den Übergang zu einer nach den Regeln der Planwirtschaft organisierten Abwasserbeseitigung vor dem Hintergrund der in der DDR geltenden Rechtsordnung bewirkt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Das dem Betrieb der ehemaligen öffentlichen Einrichtung von den Kommunen vorgehaltene Vermögen wurde ihnen entzogen, vergesellschaftet und erst durch die Kommunalisierungsvorschriften erneut dem ehemaligen Träger zugeordnet (vgl. Haack in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand September 2014, § 8 Rn. 2128). Die Gemeinde haben die (faktisch) bestehenden Abwasserbeseitigungsanlagen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des KAG LSA (15.06.1991) übernommen und diese übergangsweise fortgeführt. Bei diesen technischen Altanlagen handelte es sich nicht um kommunale öffentliche Einrichtungen im Rechtssinne, sie gelten mithin in der Regel nicht als „hergestellt“ im rechtlichen Sinne. Auch wenn die Gemeinde – hier die Stadt A-Stadt – eine solche Altanlage übergangsweise fortbetrieben hatte, führt dies nicht zur Annahme einer „Herstellung“. Denn es besteht keine Vermutung dergestalt, dass die Kommunen damit beabsichtigt hatten, gerade mit dem faktisch übernommenen Abwasserbeseitigungssystem den Grundstückseigentümern eine – wie aus einer Herstellung resultierende – dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit zu bieten (vgl. OVG LSA, Urt. v. 05.07.2007, 4 L 229/06, juris). Gleiches gilt für den Beklagten in der Zeit, in der sich dieser Anlagen lediglich bediente, um die Abwasserbeseitigung übergangsweise aufrecht zu erhalten, da auch insoweit auf den – rechtlich allein beachtlichen – Planungswillen abzustellen ist (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 2127, m.w.N.).

42

Handelt es sich mithin bei den beitragspflichtig gestellten Maßnahmen um eine Herstellung i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hat der Beklagte dafür zu Recht keinen allgemeinen, sondern einen besonderen Herstellungsbeitrag festgesetzt. Zwar handelt es sich auch bei diesem Beitragsanspruch um einen Herstellungsbeitrag (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris; B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; Urt. v. 04.11.2003, a. a. O.), der sich jedoch hinsichtlich seiner Höhe wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von dem allgemeinen Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Anlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des KAG LSA abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d. h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss. Obwohl durch diese Maßnahmen im Rahmen der (erstmaligen) Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, 1 L 226/01, juris) auch den bereits am 15.06.1991 angeschlossenen Grundstücken eine dauerhaft gesicherte Möglichkeit zum Anschluss geboten wird, unterliegen diese wegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nicht der (allgemeinen) Herstellungsbeitragspflicht, was auch mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.). Denn nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bedarf es einer für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht grundstücksbezogenen Betrachtungsweise in Abhängigkeit davon, ob das jeweilige Grundstück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG LSA am 15.06.1991 bereits von (abgeschlossenen) Investitionen „betroffen“ war, aus denen sich in Bezug auf die Möglichkeit der Abwasserableitung gegenüber den davon nicht „betroffenen“ Grundstücken ein Vorteil ergab. Der vom Gesetzgeber insoweit vorgesehenen Differenzierung unterfallen jedoch nur solche Grundstücke, die vor der Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits von einer wesensgleichen, weil zentralen, von staatlichen Stellen betriebenen Abwasserbeseitigungsanlage bevorteilt waren (dazu OVG LSA, B. v. 10.07.2002, 1 L 335/01; Urt. v. 04.09.2003, 1 L 493/02; Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.; zusammenfassend bei Haack in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2217 ff.). Für diese Grundstückseigentümer tritt – wie hier – an die Stelle des Herstellungsbeitrages wegen der durch die abgeschlossenen Investitionen bestehenden Vorteilslage ein besonderer Herstellungsbeitrag (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

43

2. Die SBAS ist entgegen der Auffassung des Klägers formell und materiell rechtmäßig.

44

2.1. Die Verbandsversammlung des Beklagten hat in der öffentlichen Sitzung vom 29.09.2010 die SBAS beschlossen (vgl. §§ 4 Abs. 2, 16 Abs. 1 GKG, §§ 6 Abs. 1, 50 Abs. 1 GO LSA). Anhaltspunkte für eine fehlende Beschlussfähigkeit (vgl. § 11 Abs. 5 GKG). liegen weder vor und noch werden solche vom Kläger behauptet. Die Verbandsgeschäftsführerin hat am gleichen Tag die Satzung in Entsprechung des § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA ausgefertigt (vgl. dazu zuletzt OVG LSA, B. v. 23.11.2012, 4 L 158/12) und – wie bereits dargestellt – in den nach der Verbandssatzung vorgeschriebenen Bekanntmachungsorganen öffentlich bekannt gemacht worden (vgl. § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA). Der Beklagte dürfte schließlich auch seiner Mitteilungspflicht gegenüber der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 16 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 GO LSA nachgekommen sein. Dies bedarf keiner abschließenden Prüfung, da ein etwaiger Mangel nach § 6 Abs. 4 GO LSA wegen Zeitablaufs die Wirksamkeit der Satzung nicht berührt.

45

2.2. Materielle Rechtsmängel haften der SBAS ebenfalls nicht an.

46

2.2.1. Die Satzung wird den Anforderungen an § 2 Abs. 1 KAG LSA gerecht. Sie bestimmt in Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, die Entstehung der Schuld und den Satz der Abgabe (§§ 2 ff. SBAS). Auch der Umstand, dass nach § 5 Abs. 2 SBAS nur die Grundstücke dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, die „bereits am 15. Juni 1991 an damals bestehende Schmutzwasserreinigungsanlagen angeschlossen waren und soweit deren Schmutzwasser nach dem damaligen Stand der Technik zentral behandelt wurde“, steht dem nicht etwa deshalb entgegen, weil nicht nur die angeschossenen, sondern auch die anschließbaren Grundstücke einem (nur) besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen. Denn welche Grundstücke bevorteilt bzw. – wie hier – zwar bevorteilt, aber nur zu einem geringeren Beitrag heranzuziehen sind, ergibt sich bereits zwingend aus dem Gesetz (§ Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 6 Satz 3 KAG LSA), weshalb dies gar nicht in der Gestaltungsbefugnis des Satzungsgeber liegt. Verstößt eine Satzung insoweit gegen höherrangiges Recht, führt dies jedoch lediglich zur Teilnichtigkeit der Satzung, weil mit dem in § 5 Abs. 2 SBAS ebenfalls enthaltenen abgesenkten Beitragssatz jedenfalls eine Heranziehung zum besonderen Herstellungsbeitrag weiterhin möglich ist und es wegen der gesetzlichen Regelung auf den mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers nicht ankommt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, 4 L 181/07 sowie v. 28.05.2012, 4 L 231/11 jeweils zu Fragen der Teilnichtigkeit von kommunalen Satzungen).

47

2.2.2. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot.

48

Den Grundstücken, denen am 15.06.1991 durch die vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlagen bereits Vorteil vermittelt wurde, ist durch einen im Vergleich zum allgemeinen Herstellungsbeitrag verminderten Beitrag Rechnung zu tragen.

49

2.2.2.1. Wie oben festgestellt, betreffen die Maßnahmen des Beklagten in Umsetzung seines Abwasserbeseitigungskonzeptes sowohl Alt- als auch Neuanschließer und wirken sich für sie - lediglich in unterschiedlicher Weise - vorteilhaft aus. Aus diesem Grunde bedarf es einer gesonderten Feststellung des auf die Altanschließer entfallenden Anteils am Gesamtaufwand. Der durch § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA erfolgten Privilegierung der Altanschlussnehmer ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Teil des Aufwandes für die nach dem 15.06.1991 geschaffenen Anlagenteile, der dazu dient, neue Flächen durch die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zu erschließen, bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages unberücksichtigt bleibt. Nur dadurch, dass der Aufwand für diese Gruppe gesondert ermittelt wird, kann ihrer „priviligierten“ Stellung innerhalb der Gesamtheit der durch die öffentliche Einrichtung bevorteilten Grundstücke hinreichend Rechnung getragen werden. Dies bedeutet, dass bei der Ermittlung des Beitragssatzes für den besonderen Herstellungsbeitrag nicht nur - wie etwa bei einem Verbesserungsbeitrag - der Aufwand einbezogen werden darf, der notwendig war, um einen im Verhältnis zur ersetzen Anlage größeren Reinigungseffekt zu erzielen (OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04, S. 7 BA; Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris). Aufwandsfähig sind vielmehr alle Kosten, die zur Erreichung der beitragsfähig gestellten Maßnahme erforderlich sind. Dabei ist es jedoch nicht angezeigt, die zur Zweckerreichung erforderlichen Investitionen in der Abgabensatzung bzw. in einem Abwasserbeseitigungskonzept darzustellen; entsprechende Anforderungen enthalten weder das Kommunalabgabengesetz noch andere einschlägige Fachgesetze (hier z. B. Wassergesetz LSA, GO LSA). Der zur Rechtfertigung des Beitragssatzes berücksichtigungsfähige Aufwand unterliegt allein der Beurteilung danach, ob er aus anlagen- bzw. kostenbezogener Sicht notwendig und erforderlich war, um die Anlage in Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht herzustellen, was letztendlich - mithin ggf. auch ohne vorherige Kalkulation - der abschließenden Beurteilung des Gerichts obliegt (zur sog. Ergebnisrechtsprechung OVG LSA, B. v. 06.04.2004, 1 L 433/02). Sofern bei der Ermittlung des Aufwandes auch solcher für die "Erneuerung" von Altkanälen berücksichtigt werden soll, muss es sich dabei jedoch um solche Maßnahmen handeln, die noch in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten endgültigen Herstellung der öffentlichen Einrichtung im Übrigen stehen, wobei insoweit eine das planerische Ermessen des Einrichtungsträgers berücksichtigende großzügige Frist angezeigt ist (vgl. OVG LSA, Urt. v. 28.10.2009, 4 L 117/07, in dem 25 Jahre zwischen der Schaffung der „neuen“ Anlageteile und der „Sanierung der Altkanäle“ unbeanstandet blieb). Regelmäßig dürfte jedoch die Berücksichtigung von solchem Aufwand für das Ersetzen von Altkanälen ausscheiden, der sich erst zu einem Zeitpunkt realisiert, in dem die vom Beklagten errichteten Anlagen gewöhnlicher Weise einer Erneuerung bedürfen. Dem Umstand, dass der besondere Herstellungsbeitrag lediglich ein verminderter Herstellungsbeitrag sein soll, ist zudem dadurch Rechnung zu tragen, dass die gewährten Zuwendungen Dritter, die im Zusammenhang mit der Schaffung der Abwasseranlage insbesondere nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von wasserwirtschaftlichen Vorhaben – RZWasR – (RdErl. des MU v. 07.01.1993, MBl. LSA S. 690, in der Fassung des RdErl. des MRLU v. 05.12.2001, MBl. LSA S. 109, sowie Erl. Des MLU v. 16.03.2009, MBl. LSA S. 289) allen Beitragspflichtigen zu Gute kommen und zwar unabhängig davon, aus Anlass welcher konkreten Maßnahme die Zuwendung erfolgt ist. Der sich um die Zuwendungen Dritter verminderte beitragsfähige Aufwand ist mithin danach zu beurteilen, in welchem Umfang er nur der Gruppe der altangeschlossenen Grundstücke zu dienen bestimmt ist. Daraus folgt, dass Aufwand, der nur der fortdauernden Anschlussmöglichkeit von Altanschlussnehmern dient, diesen „direkt“ zuzuordnen ist. Dienen Anlageteile sowohl Alt- als auch Neuanschließern, ist der Aufwand nach sachgerechten Kriterien dieser Gruppe zuzuordnen. Dabei dürfte im Regelfall zwischen den Anlageteilen Kanalsystem, Pumpstationen/ Überleitungen, Abwasserbehandlungsanlage dann zu unterscheiden sein, wenn sich bei isolierter Betrachtung signifikante Unterschiede in den den Altanschlussnehmern zuzuordnenden Anteilen ergeben. So bestehen keine durchgreifenden Bedenken, wenn der Aufwand für den besonderen Herstellungsbeitrag aus dem Verhältnis ermittelt wird, wie es der Anzahl der Gruppenmitglieder (Einwohner bzw. Einwohner[gleich]werte) entspricht (VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris). Bei der Ermittlung dieser Anteile ist vorrangig das zukünftige Verhältnis zwischen Alt- und Neuanschließern und sich daraus ggf. ergebende Besonderheiten (ggf. hohe gewerbliche Anteile bei Neuanschließern etc.) in den Blick zu nehmen. Weil der so ermittelte Aufwand für die Bestimmung des besonderen Herstellungsbeitragssatzes immer einrichtungsbezogen ist, da er sich regelmäßig auf die gesamte öffentliche Einrichtung bezieht, ist auch der „besondere Herstellungsaufwand“ zur Ermittlung des Beitragssatzes in das Verhältnis zur gesamten Beitragsfläche des Einrichtungsgebietes zu setzen (so auch OVG LSA, Urt. v. 25.05.2005, a. a. O.;VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

50

Diesen Anforderungen wird der in § 5 Abs. 2 SBAS normierte Beitragssatz gerecht.

51

Bei der Aufwandsermittlung hat der Beklagte den im Zeitraum 1991 bis 2009 realisierten Herstellungsaufwand, dem auf der Grundlage des Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten zukünftigen Herstellungsaufwand und dem bisherigen bzw. künftigen Aufwand für die Erneuerung der bereits zum 15.06.1991 bestandenen Schmutzwasserkanäle (sog. Altkanäle) sowie den bisherigen und zukünftigen Kosten für den ersten Grundstücksanschluss, der nach der Satzungslage des Beklagten Bestandteil des Herstellungsbeitrags ist, zu Recht in seine Berechnung eingestellt. Dies ergibt einen Aufwand für Kläranlagen, Pumpwerke/Überleitungen, Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse von insgesamt 85.302.438,00 EUR (vgl. Kalkulation HB I). Dieser Aufwand ist um den Anteil zu kürzen, der allein durch die Neuanschließer bedingt ist, so dass sich für die Altanschließer ein anteiliger Aufwand von 22.740.371 EUR (ca. 26 %) ergibt.

52

Dies auf die einzelnen Kostenpositionen aufgeschlüsselt, ergibt folgendes Bild:

53

aa. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitrags einfließende Kostenanteil für Kläranlagen beträgt 7.296.284 EUR (ca. 26% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kläranlagenkosten [27.804.219 EUR]). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Denn der Beklagte hat bei der Kostenposition der Kläranlagen insbesondere berücksichtigt, dass an die Kläranlage ... keine Altanschließer partizipieren, so dass diese Investitionsaufwendungen in die Berechnung – wie geschehen – nicht Eingang finden durften. Ausweislich der Seiten 3 und 4 der Kalkulation HB II hat der Beklagte auch lediglich die Kosten der Kläranlagen A-Stadt (18.270.541 EUR) und ... (1.444.843 EUR) bei der Ermittlung des Investitionsaufwandes für die Kläranlagen berücksichtigt. Gegen die Berechnung des Altanschließeranteils ist mit der obigen Darstellung nichts zu erinnern. Ausgehend von der zum Kalkulationsstichtag bestehenden Kapazität der jeweiligen Anlage (KA A-Stadt: 40.000 Einwohnerwerte, KA K...: 3.700 Einwohnerwerte) hat der Beklagte unter Verwendung sachgerechter Kriterien den Altanschließeranteil errechnet, indem er die am 15.06.1991 angeschlossenen Einwohnern ermittelt hat (KA A-Stadt: 10.163 Altanschließer, KA ….: 1.615 Altanschließer), so dass sich unter Berücksichtigung einer „Kapazitätsreserve“ [im Sinne von anderen Nutzern] von jeweils 20% (KA A-Stadt: 2.033 Einwohner, KA … 323 Einwohner) ein bis zum Jahr 2009 realisierter Investitionsaufwand von insgesamt 6.314.461 EUR (KA A-Stadt: 5.572.515 EUR, KA K...: 741.946 EUR) ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung der Einwohnerzahlen fehlerhaft erfolgt ist bzw. ein signifikanter Unterschied zu den zukünftig bevorteilten Altanschlussnehmern besteht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger in das Verfahren getragen worden. Der Beklagte war auch berechtigt, in seine Berechnung eine solche „Kapazitätsreserve“ aufzunehmen, da hierdurch berücksichtigt wird, dass mitnichten nur Einwohner an die jeweilige Anlage angeschlossen waren, sondern auch Einwohnergleichwerte (bspw. für gewerblich genutzte Grundstücke, auf denen Abwasser anfiel) Berücksichtigung zu finden haben. Dass diese vom Beklagten in die Berechnung eingestellte „Kapazitätsreserve“ von 20% überhöht wäre, ist nicht ersichtlich, zumal etwaige Anhaltspunkte hierfür vom Kläger auch nicht vorgetragen werden. Entsprechend ist der Beklagte auch bei der Ermittlung der künftigen Aufwendungen für die KA A-Stadt verfahren, indem er die zukünftigen Kosten für die Kläranlage von 3.219.090 EUR (vgl. Kalkulation HB I, Seite 15,16) bei einer Kapazität von 40.000 EW in das Verhältnis zu den Altanschließern (12.200 Einwohnerwerte) gesetzt, mithin ein Betrag von 981.822 EUR ermittelt hat. Dementsprechend beträgt der für die Kläranlagen des Beklagten ermittelte Kostenanteil der Altanschließer 7.296.284 EUR (6.314.461 EUR + 981.822 EUR).

54

Soweit der Kläger vorträgt, die Kläranlage A-Stadt sei überdimensioniert, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Ausweislich der Kalkulation des HB I wird eine etwaige Überdimensionierung der Kläranlagen des Beklagten (A-Stadt, …, …) in den Blick genommen (dort S. 21) und der zukünftige Auslastungsgrad der KA A-Stadt mit 94 % (bei Endausbau, Kapazität: 50.000 Einwohnerwerte), der KA K... mit 95% und der KA ... mit 62% angegeben. Bei der KA A-Stadt geht der Beklagte davon aus, dass im Jahr 2009 21.534 Einwohner angeschlossen sind und daneben 18.000 Einwohnergleichwerten vorliegen, was zu 39.534 Einwohnerwerten führt, die bei einer Anlagenkapazität von 40.000 Einwohnerwerten einen fast 100-igen Auslastungsgrad bedeuten. Von einer Überkapazität kann nicht die Rede sein. Zudem geht das Gericht mit dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 10.03.2011 – 4 L 67/09 –, juris) davon aus, dass eine beitragsrechtliche Überdimensionierung nur dann vorliegt, wenn die Planungen hinsichtlich der Entwicklung der Anschlusszahlen nicht auf sachgerechten Grundlagen beruhten und ob aus den so ermittelten Daten bei der Konzeption der Anlagengröße nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik die zutreffenden Schlussfolgerungen gezogen worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Anlagengröße auf sachgerechten Grundlagen und vernünftigen plausiblen Annahmen und Prognosen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Anschlussnahme beruht, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Planungen abzustellen (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.04.2006 - 4 L 187/05 -; vgl. auch Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 993; 1640 f.; 1844). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlage im beitragsrechtlichen Sinne überdimensioniert ist, ist danach das Abwasserentsorgungskonzept des Verbandes, dem im Rahmen seines Organisationsermessens ein entsprechender Entscheidungsspielraum eröffnet ist (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31.03.2010, 4 L 375/08). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte diesbezüglich „grob fehlerhaft geplant“ hat bzw. dass das aus der Kalkulation des HB I stammende Zahlenmaterial unrichtig ist, liegen weder vor noch behauptet der Kläger Entsprechendes.

55

bb. Auch gegen den in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließenden Kostenanteil für Pumpwerke und Überleitungen von 1.587.587 EUR (ca. 10% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Pumpwerke und Überleitungen [14.760.433]) ist nichts erinnerlich. In den auf den Seiten 17 und 18 der Kalkulation des HB II dargestellten „Daten des Überleitungssystems“ wurden die einzelnen Pumpwerke und Überleitungen, die auch Altanschließern zu dienen bestimmt sind, lagegenau aufgeschlüsselt und mit Kosten, die ihren Niederschlag in der Kalkulation des HB I finden, untersetzt. In Entsprechung des gewählten Einwohnerschlüssels hat der Beklagte die am Stichtag angeschlossenen Altanschließer zu den Neuanschließern ins Verhältnis gesetzt und die bis zum Jahr 2009 realisierten und zukünftigen Kosten verteilt. Kosten für Überleitungen und Pumpwerke zur KA ..., an der keine Altanschließer partizipieren (s.o. aa.), hat der Beklagte zu Recht nicht mit einbezogen. Soweit der Kläger einwendet, dass Altanschließer keinen Vorteil dadurch hätten, dass das Gefechtsübungszentrum Heer in L.. (GÜZ) und die Stadt .../... an die KA A-Stadt angeschlossen seien, so wird eine solche Sichtweise nicht dem Gesamtanlagenprinzip gerecht. Denn sowohl die Gemeinde L.., die gleichsam an der Überleitung partizipiert als auch die Stadt K.. verfügten zum maßgebenden Stichtag über Altanschließer (Gemeinde L..: 1.195 Einwohner, Stadt K..: 1.388 Einwohner), so dass eine anteilige Berücksichtigung zwingend ist. Anhaltspunkte dafür, dass Kosten für Überleitungen/Pumpwerke vom GÜZ Berücksichtigung gefunden hätten, ohne dass die Altanschließer hieran auch partizipieren, liegen nicht vor. Dass die Stadt K.. zum Stichtag eine eigene Kläranlage vorgehalten, die mit Umschluss auf die KA A-Stadt außer Betrieb genommen worden sei, führt insoweit zu keiner anderen Betrachtung. Ausgehend vom Gesamtanlagenprinzip und dem weitem Planungsermessen des Beklagten, der nunmehr Träger der Abwasserbeseitigungspflicht in der Stadt K.. ist, oblag es diesem, seine öffentlichen Einrichtungen zu bilden, mithin die Entscheidung im gesamten Verbandsgebiet lediglich eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zu betreiben. Dass er hierzu drei Kläranlagen betreibt und keine Kläranlage in der Stadt K.. vorhält, ist ohne rechtliche Relevanz, zumal auch die Sanierung der frühren KA K.. mit Kosten verbunden gewesen wäre, die im Rahmen der Kalkulation der Beiträge der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung ihren Eingang gefunden hätten. Anhaltspunkte dafür, dass keine sachgerechten Erwägungen der Bildung der öffentlichen Einrichtung zugrunde gelegen haben, sind nicht ersichtlich. Offensichtlich hat sich der Beklagte hierbei vom Solidarprinzip leiten lassen, so dass die Kosten gleichmäßig auf alle Anschlussnehmer im Verbandsgebiet verteilt werden.

56

cc. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließende Kostenanteil für Schmutzwasserkanäle mit 11.136.866 EUR (ca. 33 % der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Schmutzwasserkanäle [35.317.875]) findet ebenso seine Rechtfertigung. In den Tabellen „Erfassung des Altkanalbestandes bis 15.06.1991“ (Kalkulation HB II S. 10ff.) hat der Beklagte nach Ortslagen/Straßen die einzelnen Altkanäle unter Benennung des Baujahrs aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, welcher Kanal bei Benennung der Kosten erneuert wurde und hinsichtlich welchen Kanals nach dem Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten eine Erneuerung avisiert ist. Hierbei berücksichtigt der Beklagte zum einen das Alter im Zeitpunkt der Erfassung (2009) sowie das Alter im Zeitpunkt der avisierten Fertigstellung. Ausgehend von einer normativen Nutzungsdauer eines Schmutzwasserkanals von 60 Jahren, welche der durchschnittlichen Abschreibungsdauer für Kanalleitungen entspricht, geht der Beklagte dann von einem Erneuerungsbedarf aus, wenn der jeweilige Altkanal im Jahr 2016 die normative Nutzungsdauer überschritten hat, was bedeutet, dass der Beklagte hinsichtlich der in Jahren zwischen 1905 und 1955 gebauten Kanäle von einem Erneuerungsbedarf ausgeht. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Damit ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht verbunden, dass alle Altkanäle die im Jahr 2016 einen Erneuerungsbedarf aufweisen, bis zu diesem Zeitpunkt zu erneuern sind. Denn dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt endgültig fertig gestellt sein soll, ist weder erforderlich noch vom Beklagten beabsichtigt, so dass die danach ermittelten künftigen Kosten, die zwischen 342 EUR bis 493 EUR je Meter Kanallänge prognostiziert werden, berücksichtigungsfähig sind. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zudem einwendet, dass die „Zahlenkolonne“ des insoweit eingestellten kalkulatorischen Aufwands nicht überprüfbar sei, bedarf es keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht. Das weite, an der normativen Nutzungsdauer der Anlage ausgerichtete Ermessen hat der Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass der zugrunde gelegte Kostensatz (EUR/m) überhöht ist, sind weder ersichtlich, zumal gerichtsbekannt ist, dass die Kosten je Meter Kanallänge sich zwischen 250 € und 600 € bewegen, mithin keine Veranlassung besteht, den Einwendungen des Klägers weiter nachzugehen.

57

Der in die Kalkulation des HB II eingestellte kalkulatorische Aufwand für die Erneuerung von Altkanälen in Höhe von 9.173.487 EUR findet seinen Niederschlag auch in der Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitrages, was wegen der sich im Verhältnis der Beitragssätze widerspiegelnden Gebotes der Belastungsgleichheit erforderlich ist. Anders gewendet: Was der Ermittlung des besonderen Herstellungsbeitrages zugrunde gelegt wird, muss auch Eingang in die Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrages gefunden haben. Nur so kann dem oben erörterten gemeinsamen Wesen dieser Beiträge hinreichend Rechnung getragen werden; gleiches gilt für ggf. beabsichtigte Deckungsquoten (dazu VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04 MD).

58

dd. Auch die in der Kalkulation ihren Eingang findenden realisierten und zukünftigen Grundstücksanschlusskosten in Höhe von 2.719.643 EUR (ca. 36% der in die Kalkulation HB I eingestellten Grundstücksanschlusskosten [7.419.910 EUR]) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Zuvorderst ist festzustellen, dass nach § 2 Abs. 2 SBAS der Beitrag – mithin auch der besondere Herstellungsbeitrag – außer bei Hinterliegergrundstücken – die Kosten der erstmaligen Herstellung des ersten Grundstücksanschlusses deckt, so dass gegen die Einstellung von Grundstücksanschlusskosten nichts zu erinnern ist. Die Kostenposition ermittelt der Beklagte, indem er den Altbestand an Grundstücksanschlüssen bis zum Stichtag erfasst und die Ist-Kosten bereits erneuerter Anschlüsse sowie die Plan-Kosten im Fall einer avisierten Erneuerung zugrunde gelegt. Hierbei legt der Beklagte einen durchschnittlichen Aufwand von 1.755 EUR je Anschluss zugrunde. Dass dieser Betrag überhöht ist, ist – vor dem Hintergrund der gerichtsbekannten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten – nicht ersichtlich. Soweit der Kläger „prüfbare Zahlenkolonnen“ einfordert, um die Höhe des insoweitigen kalkulatorischen Aufwands überprüfen zu können, vermag die Kammer dies angesichts des tabellarisch dargestellten konkreten Erneuerungsbedarfs der Grundstücksanschlüsse und der zugrunde gelegten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten nicht nachzuvollziehen.

59

ee. Dass der Beklagte sowohl im Rahmen der Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrags als auch des besonderen Herstellungsbeitrags den Anteil öffentlicher Verkehrsanlagen als Abzugsposten mit 0 EUR ausweist, ist offensichtlich dadurch bedingt, dass dieser seine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung im Trenn- und nicht im Mischsystem betreibt (vgl. Schmutzwasserbeseitigungssatzung und SBAS) und im Übrigen auch nicht Aufgabenträger hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung ist. Damit ist eine Belastung der Anlage des Beklagten durch die Straßenentwässerung auszuschließen. Dergleichen gilt soweit der Kläger meint, dass „Gemeinkosten“ auszugliedern sein. Ein in abzugsfähigen Kosten auszudrückender Anteil der Allgemeinheit bedingt dadurch, dass das Kanalnetz „durchzuspülen“ (Seuchenschutz) sei oder dem Überflutungsschutz diene, vermag die Kammer gleichsam nicht zu erkennen. Etwaige Kosten können insoweit nicht entstehen, wenn die Anlage – wie hier – im Trennsystem arbeitet, mithin Oberflächenwasser nicht aufnimmt.

60

ff. Die sich danach ergebenden Aufwendungen (aa. bis dd.) von insgesamt 22.740.371 EUR (tatsächliche Aufwendungen: 10.207.863 EUR, kalkulatorische Aufwendungen von 2010 bis zur Fertigstellung der öffentlichen Einrichtung) hat der Beklagte sodann um den Anteil der eingenommenen und geplanten Zuwendungen gekürzt. Unter Berücksichtigung des im Rahmen des allgemeinen Herstellungsbeitrags einzustellenden Aufwands von 85.302.438,00 EUR ermittelt sich bei einzustellenden tatsächlichen Zuwendungen (incl. verrechneter Abwasserabgabe) von 17.900.007 EUR und geplanten Zuwendungen von 1.007.500 EUR ein Altanschließeranteil von 1.749.106 EUR bei den realisierten und 220.026 EUR bei den prognostizierten Zuwendungen. Gegen die Berechnung ist dem Grunde als auch rechnerisch nichts zu erinnern.

61

gg. Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten bereits durch Schmutzwassergebühren refinanziert worden ist. Wäre dies der Fall, würde dies gegen den in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA enthaltenen Grundsatz streiten, dass Beiträge nur für „eigenen“ [Herstellungs-]Aufwand erhoben werden können. Ist der Aufwand jedoch durch Benutzungsgebühren im Sinne von § 5 KAG LSA refinanziert worden, führt dies ungeachtet deren Rechtswidrigkeit jedoch dazu, dass dieser Aufwand nicht noch einmal über Beiträge eingenommen werden darf. Greifbare Anhaltspunkte ergeben sich weder unter Berücksichtigung der seit dem Jahr 1992 maßgebenden Gebührensätze noch aus den vormals vom Beklagten kalkulierten Beitragssätzen bis 2002 (HB I), die zwischen 29,23 DM bis 21,00 DM lagen. Auch der vom Kläger zitierte Artikel vom 22.01.2004 (Gardelegener Kreisanzeiger „Frohe Botschaft für die Kunden: Das Wasser soll billiger werden“) führt insoweit nicht weiter. Denn allein der Umstand, dass eine positive Bilanz gezogen worden sei, die dazu geführt habe, dass die Schmutzwassergebühr für das Jahr 2004 gesenkt worden sei, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Dass alle Investitionen mit der „Gebühren- und Beitragskalkulation“ finanziert worden seien – wie der Kläger behauptet –, kann dem Artikel nicht entnommen werden. Dort wird lediglich ausgeführt, dass der Verbandsgeschäftsführer, …, erläutert habe, dass Gründe für die Gebührensenkung der fast 100%-ige Anschlussgrad sowie Großkunden (GÜZ, Grocholl) seien. Hinzu käme die Reduzierung von Abschreibungen auf technische Anlagen, da diese zum Teil 12 Jahre alt und damit praktisch erwirtschaftet seien. Im Bereich ... habe der Verband durch diverse Sanierungsarbeiten in alten Pumpwerken die Energiekosten reduzieren können. Schließlich spare der Verband auch bei den Zinszahlungen, da ein Großteil der Kredite bereits abgezahlt worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten bereits refinanziert worden seien, so dass es keiner Beitragserhebung mehr bedarf, ergeben sich hiernach nicht.

62

Die Kammer sieht sich auch deshalb nicht gehalten, den Anregungen des Klägers zu einer diesbezüglichen Sachverhaltsaufklärung weiter nachzugehen, weil die Refinanzierung von Investitionskosten über Benutzungsgebühren in Sachsen-Anhalt unzulässig ist (dazu Haack, a. a. O., § 8 Rn. 2108 m. w. N.; so auch VG Halle, Urt. v. 24.04.2013, 6 A 143/11). Vor dem Hintergrund des an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten (Art. 20 Abs. 3 GG) müssten insoweit schon solche Gründe vorgetragen werden bzw. ersichtlich sein, die zwingend für einen Verstoß dagegen sprechen würden.

63

hh. Auch der Vortrag des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zweimal abgerechnet habe, weil er Abschreibungen sowohl in der der Gebührenkalkulation als auch in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags berücksichtigt habe, verfängt nicht. Denn es besteht angesichts der vorliegenden Unterlagen kein Anhalt dafür, dass der Beklagte die gebührenwirksamen Abschreibungen auch im Rahmen des Investitionsaufwands (kalkulatorische Kosten) berücksichtigt hat.

64

Der Klägervertreter verkennt in diesem Zusammenhang die Systematik der Beitrags- und Gebührenkalkulation und -erhebung. Bei der Beitragskalkulation zur Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes wird der gesamte beitragsfähige Herstellungsaufwand berechnet. Grundlage dieser Berechnung ist der Investitionsaufwand vom Beginn bis zur endgültigen Herstellung der gesamten Einrichtung. Hinsichtlich der Investitionen, die nach dem Zeitpunkt der Kalkulation erfolgen sollen, ist der Aufwand zu prognostizieren. Ist – wie hier (s.o. im Einzelnen) – die Prognose ordnungsgemäß erfolgt, kommt es auf den tatsächlichen Herstellungsaufwand nicht an. Bei der Gebührenberechnung dürfen dagegen keine Investitionskosten berücksichtigt werden. Die in § 5 Abs. 2a KAGA LSA bezeichneten Anschaffungs- und Herstellungskosten dienen lediglich der Ermittlung der Abschreibungen, wobei der aus Beiträgen aufgebrachte Anteil – ebenso wie die Zuwendungen – außer Betracht bleibt (§ 5 Abs. 2 Satz 5 KAG). Jedenfalls was das hier allein interessierende Anschlussbeitragsrecht betrifft, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass kalkulatorische Abschreibungen nicht aufwandsmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Sachsen- Anhalt, B.. v. 01.07.2003, 1 M 492/02, juris; vgl. auch Lohmann in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 848 und Klausing, a.a.O., § 8 Rn. 990, wonach Abschreibungen nur für Erneuerungsbeiträge zu berücksichtigen seien).

65

ii. Auch die der Ermittlung des Beitragssatzes zugrunde liegenden (bevorteilten) Grundstücksflächen begegnen in Ansehung der dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie der in das Verfahren getragenen Aspekte keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die sich aus der Kalkulation des HB I ergebende beitragspflichtige Fläche von 5.436.749 qm ist auch im Rahmen der Beitragskalkulation des HB II zugrunde gelegt worden. Insoweit sind auch keine Grundbuchauszüge oder Kataster vorzulegen, aus denen sich in der Addition die zugrunde gelegte Fläche ergibt, zumal durch den Beklagten hinreichend erläutert wurde, dass der Flächenermittlung – amtliche – Dokumente, wie das ALB und ALK zugrunde lagen (vgl. §§ 126 ff. GBO, §§ 19 ff. VermGeoG LSA); daran (unbegründet) zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Flächenermittlung fehlerhaft ist, liegen weder vor noch werden sie vom Kläger substantiiert in das Verfahren eingeführt. Allein die Behauptung, die Richtigkeit der Flächenangaben sei fraglich, genügt nicht, zumal der Kläger durch die zur Verfügung stehenden Unterlagen (Kalkulation HB I) in die Lage versetzt wird, die Flächenangaben zu überprüfen und Ungereimtheiten aufzuzeigen. Denn ausgehend von der Kalkulation des HB I, in der die berücksichtigungsfähigen Flächen im Verbandsgebiet im Einzelnen gemeindebezogen tabellarisch aufgeführt werden, drängt sich eine – insbesondere zu geringe – unrichtige Berücksichtigung der heranzuziehenden Flächen dem Gericht nicht auf.

66

jj. Soweit der Kläger meint, der Beklagte müsse jede einzelne – in die Kalkulation eingestellte – Investition namentlich benennen und belegen, für was, wann, an wen gezahlt worden sei, damit er in die Lage versetzt werde, überprüfen zu können, dass die Ausgaben nicht bereits durch Gebühren refinanziert worden seien, so besteht hierzu aus Sicht des Gerichts kein Anlass. Maßgebendes Abgrenzungskriterium ist das Vorhandensein tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Für-Möglich-Halten rechtfertigende Anhaltspunkte. Finden sich solche im Prozessstoff nicht und nennt auch der Kläger solche nicht, die als Grundlage für seine Vermutung in Frage kommen oder verbietet sich nach seinem sonstigen Vorbringen sogar zweifelsfrei jegliche Vermutung, darf der Schluss gezogen werden, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. In einem derartigen Fall geht es dem Kläger nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keinerlei Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 09.01.2014, 6 K 1079/12, juris). Hier geht es dem Kläger ersichtlich darum, ermitteln zu lassen, ob die auf keinerlei objektivierbare Anhaltspunkte gestützten Behauptungen nicht vielleicht doch wahr sind, so dass kein Anlass besteht, detaillierte Unterlagen vom Beklagten abzufordern und gerichtlich zu überprüfen.

67

Nach Auffassung des Gerichts ist zwar die Frage nach der Einhaltung des sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ergebenden Aufwandsüberschreitungsverbots im Zusammenhang mit der Festsetzung des Beitragssatzes jedenfalls dann in Streitigkeiten Gegenstand der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), wenn der Kläger einen Verstoß dagegen nachhaltig rügt bzw. sich ein solcher aufdrängt. Diese Pflicht bedingt dann die Beiziehung einer Kalkulation hinsichtlich des maßgeblichen Beitragssatzes. Denn erst dadurch ist das Gericht überhaupt in der Lage, eine mit dem sogenannten richterlichen Fingerspitzengefühl (dazu BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, 9 CN 1.01, juris) verbundene Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Deshalb besteht für die abgabenerhebende Körperschaft die prozessuale Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Hs.2 VwGO), spätestens im gerichtlichen Verfahren die der Ermittlung des Satzes zugrunde liegende Kalkulation vorzulegen und ggf. entsprechend zu erläutern (dazu im Gebührenrecht: OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, 4 K 253/05). Eine in sich schlüssige und verständliche, mithin prüffähige Kalkulation, ist Grundlage und Ausgangspunkt für die dem Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Sachverhaltsaufklärungspflicht.

68

Dieser Pflicht ist der Beklagte vorliegend durch Vorlage seiner Beitragskalkulationen für den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag nachgekommen. Dem steht nicht der vom Kläger geltend gemachte Umstand entgegen, dass es sich dabei zugegebenermaßen lediglich um eine Zusammenfassung und Darstellung der Kosten handelt, die sich für die öffentliche Einrichtung aus der Gesamtheit der dem Beklagten entstehenden Kosten im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung handelt. Ungeachtet des Umstandes, dass die hier vorgelegten Kalkulationen nicht nur auf ihre rechnerische Ergebnisrichtigkeit, sondern auch dahingehend überprüfbar sind, welche wesentlichen Grundsätze der Beitragsermittlung zugrunde lagen (Beitragsfähigkeit der angesetzten Kosten, Herleitung der Kosten aus den jeweiligen Anlagegruppen [Klärwerk, Kanalsystem etc.], Verteilung der Gesamtkosten nach sachgerechten Schlüsseln auf die Altanschließer, Berücksichtigung des in der Abgabensatzung gewählten Maßstabes etc.), genügt ein Beklagter seiner prozessualen Mitwirkungspflicht in der Regel bereits dann, wenn die vorgelegte Kalkulation diesen Anforderungen gerecht wird. Denn der Inhalt einer Kalkulation ist gesetzlich nicht determiniert. Es handelt sich bei derselben aus der Sicht der Behörde um ein Rechenwerk, welches unter Beachtung der abgabenrechtlichen Aspekte geeignet sein muss, den in den einzelnen Vorschriften (§§ 5 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA) enthaltenen Ge- und Verboten gerecht zu werden. Eine Pflicht zur Erstellung einer darüber hinausgehenden Kalkulation ergibt sich weder aus den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes noch aus den für die Zweckverbände entsprechend anwendbaren Vorschriften des Gemeinderechts (vgl. § 16 Abs. 1 GKG LSA). Aus diesem Grunde geht auch die Annahme des Klägers fehl, bereits bei der Beschlussfassung über den Satz müsse der dafür zuständigen Körperschaft eine solche Kalkulation vorliegen (siehe dazu OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, a. a. O.). Der Kläger hat deshalb keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den zugrunde gelegten Aufwand bereits in der Kalkulation nachvollziehbarer darstellt. Diese sind aus sich heraus verständlich und dem Grunde nach nachvollziehbar. Weder die Kalkulation noch sonstige Umstände geben Veranlassung, diese Angaben des Beklagten in Zweifel zu ziehen.

69

Bestehen für ein Gericht aufgrund der vorgelegten Kalkulation keine belastbaren Zweifel daran, dass sich der festgesetzte Beitragssatz darauf zurückführen lässt, so besteht zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen keine Veranlassung, da dieses zu einer von § 86 Abs. 1 VwGO nicht gebotenen „ungefragten Fehlersuche“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, a. a. O.) führen würde, die sich auch nicht mit dem damit ggf. eintretenden Rechtsschutzziel des Klägers rechtfertigen ließe. Deshalb muss das Gericht nicht von Amts wegen jede mögliche Alternative erwägen und jedem nur möglichen Gesichtspunkt nachgehen. Aufklärungsmaßnahmen von Amts wegen sind nur dann veranlasst, wenn sich diese nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen. Gleiches gilt aufgrund allgemein von einer Partei geäußerter Zweifel an der Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns; auch dies gebietet es nicht, von Amts wegen in eine dezidierte Fehlersuche einzutreten (dazu Geiger in: Eyermann, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 86 Rn. 10 m w. N.).

70

Der Kläger steht auch bei der so angenommenen Reichweite von § 86 Abs. 1 VwGO nicht rechtsschutzlos. Denn das Gericht ist dann zu weiterer Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, wenn der Kläger konkrete Einwendungen wegen eines vom Beklagten vorgetragenen Sachverhaltes erhebt. Denn aus den Regelungen in § 82 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO, in § 86 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 4 VwGO sowie in § 95 Abs. 1 VwGO ergibt sich, dass die Beteiligten selbst verpflichtet sind, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Es handelt sich dabei neben der prozessualen Pflicht zugleich um eine materielle Mitwirkungslast (dazu Breuning in: Posser/Wolff, VwGO, Komm., § 86 Rn. 46 m. w. N.). Die Mitwirkung eines Klägers an der Aufklärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit Feststellung eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot ist ihm auch zumutbar. Sieht ein Gericht von sich aus keine Veranlassung, aufgrund einer vorgelegten Kalkulation weitere Nachforschungen von Amts wegen anzustellen, so ist es einem Beteiligten zuzumuten, seine Zweifel an der Höhe des Beitragssatzes durch konkrete Einwendungen in einer Weise zu substantiieren, aus denen sich für das Gericht eine weitergehende Sachverhaltsaufklärungspflicht ergibt. Die Beantwortung der Frage nach weiterer Sachverhaltsaufklärung richtet sich dabei nach objektiven Kriterien und nicht nach subjektiven Fähigkeiten eines Beteiligten. Dass vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrautem Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erstattungsfähig sein können (vgl. BVerwG, B. v. 13.03.1992, 4 B 39/92, juris). Jedenfalls ist es einem Kläger, der die Auffassung vertritt, die in der Satzung festgesetzte Höhe des Beitrages verstoße gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zumutbar, sich durch detaillierte Fragen in die Lage zu versetzen, derartig konkrete Einwendungen führen zu können und substantiierte Kalkulationsrügen einzubringen. So bleibt es ihm unbenommen, im Widerspruchs- und auch im gerichtlichen Verfahren z. B. zu erfragen, wie sich die einzelnen Kostenpositionen zusammensetzen und auf welcher Grundlage die erfolgten Prognosen beruhen (vgl. zum Vorstehenden auch OVG LSA, B. v. 02.03.2010, 4 L 200/09OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.03.2011, 9 S 95.10; BayVGH, B. v. 03.01.2012, 20 ZB 11.1112; alle juris).

71

In dieser Weise hat der Kläger hier nicht vorgetragen. Vielmehr hat er lediglich allgemeine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe des Beitragssatzes geäußert und dessen Richtigkeit in Frage gestellt.

72

kk. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot verstößt.

73

Soweit hier im Rahmen der Kalkulation sowohl beim allgemeinen als auch beim besonderen Herstellungsbeitrag die verrechnete Abwasserabgabe als Abzugsposten eingestellt worden ist, ist fraglich, ob diese zur Ermittlung des „eigenen [umlagefähigen] Aufwandes“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vom beitragsfähigen Aufwand abzuziehen ist. Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es sich dabei aus seiner Sicht um „ersparten [Investitions-]Aufwand“ handelt, selbst wenn dies im Rahmen der Abwasserabgabe (§ 10 Abs. 2 bis 5 AbwAG) realisiert wurde. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die infolge der Verrechnung mit Investitionen eingetretene Folge zu keiner – wie bei direkten Zuwendungen – unmittelbaren Minderung der Investitionskosten für die öffentliche Einrichtung führt, sondern lediglich eine „Ersparnis“ in Bezug auf die eigentlich zu leistende Abwasserabgabe bewirkt (vgl. zu den Auswirkungen für die Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 5 KAG LSA auch § 7 Abs. 4 AG AbwAG LSA).

74

Ob die verrechnete Abwasserabgabe wie aufwandsmindernde Zuwendungen Dritter zu behandeln sind, kann schlussendlich deshalb dahinstehen, weil dies allenfalls einen noch höheren berücksichtigungsfähigen Aufwand bewirken würde, der höchstmögliche Beitragssatz mithin über dem ermittelten Beitragssatz von 3,82 €/m² liegen würde. Ein zu geringer Beitragssatz beschwert den Kläger jedoch nicht. Dies ergibt sich aus folgendem:

75

Für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es erforderlich, dass dieser den Kläger selbst in seinen Rechten einschließlich sog. rechtlich geschützten Interessen verletzt, d. h. Vorschriften oder allgemeine Rechtsgrundsätze verletzt, die zumindest auch den Schutz der Interessen des Klägers zum Ziel haben; sog. Schutznormen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Auflage, § 113 Rn. 26; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 11. Auflage, § 113 Rn. 20 h. M.). Ob und in welchem Umfang eine Norm des objektiven Rechts auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist, ist eine Frage der Auslegung, die unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung und der in dieser wirksamen Schutz- und Zweckbestimmungen mit den üblichen juristischen Methoden der Auslegung zu beantworten ist. Diese führt vorliegend dazu, dass der hier insbesondere einschlägigen Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ein doppelter Regelungsgehalt innewohnt. Die Norm schützt einerseits den Abgabepflichtigen in Bezug auf Art, Höhe sowie andere Umstände der Abgabe und wirkt andererseits normenkonkretisierend und -ausfüllend im Sinne kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften (§ 91 GO LSA/ § 99 KVG LSA i. V. m. § 16 Abs. 1 GKG LSA). In Bezug auf den Rechtskreis zum potentiell Beitragspflichtigen ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abgaben. In diesem Sinne ist die Vorschrift notwendige Eingriffs- und Befugnisnorm i. S. v. Art. 20 Abs. 3 GG. Sie schützt ihn insoweit, dass nur solche Abgaben und Abgaben in der Höhe erhoben werden, wie diese von Gesetzes wegen vorgesehen sind, bestimmt mithin Inhalt und Schranken des Eingriffs in seine Rechte. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erlaubt deshalb eine Beitragserhebung nur für die darin benannten Maßnahmen und nur in aufwandsdeckender Höhe (sog. Aufwandsüberschreitungsverbot).

76

Entfaltet § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA gegenüber einem potentiell Beitragspflichtigen Schutzwirkungen lediglich in diesem Umfang, kann ein Beitragsbescheid, mit dem ein Anschlussbeitrag nach § 6 KAG LSA festgesetzt wird, den Kläger nicht etwa deshalb in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen, weil er auf einer Abgabensatzung mit einem Beitragssatz beruht, der im Ergebnis den Aufwand für die beitragspflichtige Maßnahme nicht im vollen Umfange zu refinanzieren in der Lage ist. Denn erschöpfen sich die Schutzwirkungen einer gesetzlichen Norm darin, die Höhe des Beitrages zu begrenzen, so besteht keine Veranlassung, eine Verletzung in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann anzunehmen, wenn die beitragserhebende Körperschaft mit der auf der Grundlage dieser Vorschrift allein zum Zwecke des Eingriffs in die Rechte des Bürgers erlassenen Beitragssatzung ggf. gegen andere als die in der gesetzlichen Norm selbst angelegten Schutzzwecke verstößt. Von einer die Beitragserhebung nach § 6 KAG LSA umsetzenden Satzung kann mithin nicht mehr an Rechtsverletzung für einen Kläger ausgehen, als diese dem Bürger an Schutz durch die gesetzliche Norm selbst gewährt wird. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i. V. m. § 91 Abs. 1 und 2 GO LSA darüber hinaus zugleich die Verpflichtung zur Erhebung von (aufwandsdeckenden) Beiträgen enthält (zur insoweit bestehenden Beitragserhebungspflicht: Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 507), rechtfertigt ein darauf beruhender Rechtsverstoß allenfalls ein kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten nach §§ 136 ff. GO LSA/ §§ 146 ff. KVG LSA. Aus diesen Gründen sind auch Beitragssatzungen, deren Beitragssatz (wesentlich) hinter dem ermittelten bzw. ermittelbaren höchstzulässigen Beitragssatz zurückbleibt, geeignet, (sachliche) Beitragspflichten zu begründen. Deshalb findet das Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörde ihre Rechtfertigung auch nicht in der Unwirksamkeit der Satzung, sondern allein in der Korrektur einer (kommunalrechtlichen) Pflichtverletzung.

77

Vorstehendes unterscheidet sich deshalb von den Rechtsfolgen die eintreten, wenn eine Satzung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nicht gerecht wird. Denn insoweit schützt § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA den Bürger dahingehend, dass Abgaben nur auf der Grundlage einer wirksamen Satzung erhoben werden dürfen. Diese Schutzvorschrift ist bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA verletzt. Hier wird die Satzung § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA jedoch gerecht, da ein solcher Beitragssatz enthalten ist, der den Anforderungen der Schutznorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entspricht.

78

2.2.2.2. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der übrigen Regelungen der SBAS mit höherrangigem Recht bestehen ebenfalls nicht.

79

aa. Insbesondere ist der vom Beklagten in § 4 SBAS gewählte modifizierte Flächenmaßstab, der sich an der bevorteilten Grundstücksfläche und dem (zulässigen) Maß der baulichen Nutzung in der Gestalt der Anzahl der Vollgeschosse orientiert, für die Erhebung eines Beitrags zur Herstellung einer zentralen Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der geeignet ist, dem in § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA festgelegten Vorteilsprinzip Rechnung zu tragen (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn 2173 ff. m. w. N.). Da es sich dabei lediglich um den Maßstab für die Beitragserhebung für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage handelt, kommt es nicht darauf an, welcher Maßstab für andere Entsorgungsarten – zentral, dezentral, Niederschlagswasser, Bürgermeisterkanäle – für die Abgabenerhebung geeignet ist. Insoweit betreibt der Beklagte ausweislich seiner SBS zur Beseitigung des in seinem Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers vier rechtlich selbstständige Anlagen als öffentliche Einrichtung (vgl. § 1 Abs. 1 SBS, § 1 Abs. 1 lit. a bis d SBS). Hierzu zählen neben der hier streitbefangenen Einrichtung zur zentralen Beseitigung und Reinigung von Schmutzwasser die öffentliche Einrichtung zur Aufnahme und Ableitung des in Hauskläranlagen auf den Grundstücken vorbehandelten Schmutzwassers ohne anschließende Reinigung des Schmutzwassers in einem Klärwerk (Bürgermeisterkanal) sowie die öffentlichen Einrichtungen zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung für Schmutzwasser aus Sammelgruben und für Fäkalschlamm aus einzelnen Hausklär- oder gemeinschaftlichen Grundstückskläreinrichtungen. Der Beklagte ist dagegen nicht Träger der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung, so dass er insoweit auch keine öffentliche Einrichtung betreibt.

80

bb. Auch die nach Erfahrungen des Gerichts in der jüngsten Vergangenheit vermehrt in den Mittelpunkt der rechtlichen Erörterung getretene Frage nach der Vereinbarkeit der auch hier in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS enthaltenen Tiefenbegrenzungsregelung ist vorliegend zu bejahen. Zuvorderst sieht sich das Gericht jedoch veranlasst darauf hinzuweisen, dass deshalb nicht gleichsam jede Satzung insoweit auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA von Amts wegen zu untersuchen ist. Denn dass eine Tiefenbegrenzungsregelung auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen grundsätzlich rechtlich zulässig ist, ist hinreichend geklärt. Erst wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die der Tiefenbegrenzungsregelung zugrunde liegenden Tatsachen nicht zutreffend sind, besteht für das Gericht in Ansehung von § 86 Abs. 1 VwGO Veranlassung, dem weiter nachzugehen.

81

Nach § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS gilt als bevorteilte Grundstücksfläche in den Fällen, in denen die Grundstücksfläche teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegt, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen dem Grundstück, in dem der Hauptsammler verläuft (Hauptsammlergrundstück), und einer im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen. Diese Regelung ist vorteilsgerecht, was der alleinige Beurteilungsmaßstab ist, weil sie geeignet ist, orientierend an den örtlichen Verhältnissen, hinreichend den für die Ermittlung des auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen für die Beitragsbemessung maßgeblichen (bauplanungsrechtlichen) Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, 9 A 158/11 MD; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, 4 K 245/1, jeweils m. w. N; BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, 9 C 9/13 zum Erschließungsbeitragsrecht; alle juris).

82

Dies gilt auch, sofern das OVG LSA in seinem Beschluss vom 21.10.2014 unter Hinweis auf das dem Normgeber insofern zustehende Ermessen darauf verweist, Voraussetzung für dessen ordnungsgemäße Ausübung sei es, dass er die Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermittelt und das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüft, jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen darf. Insofern gilt – im Lichte der Ausführungen der Gerichte in den vorstehend zitierten Entscheidungen – das Folgende:

83

Ist die Aufnahme einer Tiefenbegrenzung in eine Beitragssatzung gesetzlich allein durch den Vorteilsbegriff des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA legitimiert, unterliegt sie in Bezug auf ihre dahingehende Vereinbarkeit der gerichtlichen Kontrolle. Hat das Gericht Veranlassung zu der Annahme, die in einer Satzung festgelegte Tiefenbegrenzung sei damit nicht vereinbar, hat es den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, dass es die Körperschaft anhält, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die festgelegte Tiefenbegrenzung ergeben soll. Eine weitergehende „Aufklärung der örtlichen Verhältnisse“ dürfte dagegen regelmäßig nicht angezeigt sein, da insofern die Vermutung besteht, dass bereits solche Unterlagen vorgelegt wurden, die aus der Sicht der Körperschaft das Ergebnis zu tragen in der Lage sind. Dies gilt selbstredend dann nicht, wenn die Unterlagen z. B. von einer ganz anderen Herangehensweise geprägt sind und die nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass die Tiefenbegrenzung den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. dazu VG Magdeburg, Urt. v. 07.03.2012, 9 A 190/10 MD zu § 86 Abs. 1 VwGO). Nicht allein maßgebend ist dagegen, ob und welche Unterlagen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorlagen. Es ist seit geraumer Zeit in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Landes Sachsen-Anhalt geklärt, dass die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm allein davon abhängt, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist (so schon OVG LSA, B. v. 19.06.2001, 1 L 267/01). Dies ist mithin auch der alleinige Maßstab für die gerichtliche Prüfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung.

84

Vorteilsgerecht ist die Festlegung einer Tiefenbegrenzung dann, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer typisierenden Wirkung geeignet ist, die bevorteilte Grundstücksfläche zu ermitteln. Zu Recht weist das OVG LSA insoweit darauf hin, dass das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüfen darf; diese ergeben sich insoweit aus dem Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA. Anhand der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht schlussendlich die Ermessensentscheidung – die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung – auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA zu beurteilen. Da der „Weg“ zum „Ergebnis“ sich – anders als bei der Ermittlung des Beitragssatzes – nicht in einem schlichten Rechenvorgang erschöpft, sondern der Körperschaft Spielräume überlässt, ist die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung dann aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sie sich innerhalb eines „Korridors“ bewegt, der durch die Tiefe der baulichen Nutzungen geprägt wird. Die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung kann vom Gericht nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzt werden; der Behörde steht insofern ein nicht weiter gerichtlich kontrollierbares Satzungsermessen zur Seite.

85

Die Tiefe der baulichen Nutzungen kann auch durch bauakzessorische Flächen geprägt werden (so auch BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, a. a. O.). Dabei handelt es sich um solche, die sich zwischen dem Hauptgebäude und dem Außenbereich befinden; bei dem „Hauptgebäude“ kann es sich entweder um ein isoliertes Gebäude (i. d. R. Wohnhaus) oder um einen Gebäudekomplex dann handeln, wenn diese in einem baulichen Zusammenhang stehen (Haus mit Stallungen, Scheune etc.); die sich daran anschließenden Flächen gehören dann zum Innenbereich, wenn darauf solche Nutzungen verwirklicht werden, die von der Hauptnutzung abgleitet sind. Dies dokumentiert sich in erster Linie darin, dass sich dort bauliche Nebenanlagen befinden (Hühnerstall, Gerätehaus, Schuppen, Pool, überdachte Sitzgelegenheiten etc). Aber auch ein Hausgarten, der sich anschließt - und dann ohne Zweifel in den Außenbereich als außenbereichstypische Nutzung übergeht -, kann zum Innenbereich gehören (vgl. zum Vorstehenden Söfker in: Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rn. 25f.). Bei der Beurteilung, ob ein Hausgarten als akzessorische Nutzung prägend ist, ist ebenfalls auf die konkreten örtlichen Verhältnisse abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Grundstücke im Innenbereich ebenso geprägt sind.

86

In Anbetracht dessen, leidet eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nur dann an einem Rechtsfehler, wenn sie diesen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Dafür liegen in Ansehung der dem Gericht vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte vor. Zwar lässt sich der am 18.03.2010 erstellten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 vorliegenden „Ermittlung der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung von Grundstücken“ entnehmen, dass die Bebauungstiefe der Grundstücke, für deren unrepräsentative Auswahl das Gericht keine Anhaltspunkte hat, durchschnittlich 40 m beträgt. Zwar ist die Ermittlung eines Durchschnittswertes für die Festlegung der Tiefenbegrenzung nicht geeignet, die bevorteilten Grundstücksflächen zu ermitteln; vielmehr ist die ortsüblich prägende Tiefe der baulichen Nutzung maßgebend (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, a. a. O.; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Den Unterlagen lässt sich jedoch auch entnehmen, dass die in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS festgelegte Tiefe von 40 m derjenigen der prägenden baulichen Nutzung entspricht. Dies hat das Gericht unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung anerkannten „Gruppenbildung“ durch Berechnung nachvollzogen. Diese Tiefe liegt jedenfalls nicht außerhalb des „Korridors“, bei dem unter Berücksichtigung der mit einer Tiefenbegrenzung regelmäßig einhergehenden Pauschalierung und Typisierung eine vorteilsgerechte Bestimmung der beitragsfähigen Grundstücksfläche vorgenommen werden kann.

87

Das Gericht sieht aus Anlass der Regelung in § 32 SBAS vom 04.02.2015 Anlass zu folgenden Hinweisen:

88

Wird eine Tiefenbegrenzung den oben dargelegten Anforderungen nicht gerecht, so dürfte dies regelmäßig zur Unwirksamkeit einer Satzung deshalb führen, weil nicht festgestellt werden kann, ob der Satzungsgeber die Satzung auch ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung erlassen hätte (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, a. a. O.; v. 28.05.2012, a. a. O. sowie B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Zwar könnte der insoweit mutmaßliche Wille des Satzungsgebers durch die Aufnahme einer salvatorischen Klausel in die Satzung dokumentierbar sein. Doch selbst wenn dieser anhand einer salvatorischen Klausel nunmehr festgestellt werden könnte, würde es der Satzung dann an einer Vorschrift für die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche für solche Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, mangeln; eine solche dürfte jedoch deshalb zwingend erforderlich sein, weil der Maßstab allgemein an die „Grundstücksfläche“ anknüpft, die dann je nach bauplanungsrechtlicher Situation des Grundstücks wegen der Vielzahl der Anwendungsfälle zwingend in der Satzung zu definieren ist und nicht der Rechtsanwendung im Einzelfall überlassen werden darf (vgl. OVG LSA, B. v. 10.07.2004, 1 M 34/04). Sofern die salvatorische Klausel darüber hinaus für den Fall der Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nur die Teile des Grundstücks als bevorteilt erklärt, die im Innenbereich belegen sind – was mithin im Einzelfall zu ermitteln ist –, so dürfte es sich dabei um eine „unter Vorbehalt“ in die Satzung aufgenommene Vorschrift handeln, die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Klarheit von Rechtnormen nicht genügt, da der Rechtsunterworfene sein Handeln daran nicht ausrichten kann. Hier wäre das Recht jedoch nur „für den Fall der Unwirksamkeit“ gesetzt, deren Beurteilung entweder der Rechtsunterworfene gar nicht vornehmen kann bzw. nicht in seiner Macht steht.

89

3. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor. So ist für das Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden (3.1.). Es bestehen zudem keine Bedenken gegen den Zeitpunkt, zu dem der Beklagte die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Beitrages geschaffen hat (3.2.); gleiches gilt hinsichtlich des Erlasses des hier streitigen Beitragsbescheides (3.3.).

90

3.1. Der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist auch für den besonderen Herstellungsbeitrag in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelt. Auch für Grundstücke, die dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, gilt deshalb, dass die sachliche Beitragspflicht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA – neben dem dort normierten Satzungserfordernis – entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Da die Rechtsprechung in erster Linie auf die Schaffung der öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne abstellt, ist es jedoch nicht erforderlich, dass sämtliche Teile der übernommenen Anlage – und damit zwingend auch die vor dem beitragspflichtig gestellten Grundstück – erneuert worden sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entstehen kann. Zwar hängt das Bestehen der Vorteilslage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA neben der tatsächlichen Möglichkeit der Anschlussnahme auch von der rechtlichen Sicherung ab. Hat aber eine Kommune oder ein Zweckverband nach Inkrafttreten des KAG LSA eine vorhandene Anlagen übernommen und den bei der Übernahme an diese Anlage angeschlossenen Altanschlussnehmern zur Nutzung zur Verfügung gestellt, setzt die dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit auch der bereits angeschlossenen Grundstücke die Widmung der Anlage voraus, die nach § 8 Satz 1 Nr. 1 GO LSA/ § 11 Abs. 2 KVG LSA grundsätzlich durch Erlass einer Satzung erfolgt, mit der die Benutzung der öffentlichen Einrichtung geregelt und der Zugang zu ihr eröffnet wird. Damit wird auch den (Alt-)Anschlussnehmern ein Anschlussrecht und eine Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung eingeräumt (vgl. OVG LSA, B. v. 22.11.2004, 1 L 41/03). Stellen (auch) die übernommenen Altkanäle eine hinreichende und dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit für die Altanschlussnehmer sicher (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, a. a. O.), so muss die öffentliche Einrichtung im Übrigen jedoch einen solchen Ausbauzustand erreicht haben, wie er für die Entstehung eines allgemeinen Herstellungsbeitrages erforderlich ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem besonderen Herstellungsbeitrag eben um einen Herstellungsbeitrag handelt und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Beitrag die mit der herzustellenden öffentlichen Einrichtung gebotene Vorteilslage und nicht die in der Vergangenheit bewirkte abgelten soll. Daraus folgt, dass zumindest die nach dem Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehene Abwasserbehandlungsanlage betriebsbereit hergestellt sein muss (vgl. OVG LSA, B. v. 12.11.2007, 4 M 253/07 zur Betriebsbereitschaft). Diese Voraussetzungen liegen hier mit dem Erreichen des mittlerweile endgültigen Ausbauzustandes der Kläranlage in A-Stadt vor.

91

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die vom Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betriebene öffentliche Einrichtung für das – dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegenden – Grundstück betriebsfertig i. S. v. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA, weshalb sie geeignet ist, dem Grundstück einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Inanspruchnahmevorteil in Bezug auf die zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Anlagen der Abwasserbeseitigung zu vermitteln, der zur Beitragserhebung berechtigt.

92

Vorliegend kann offen bleiben, ob das klägerische Grundstück – was zwischen den Beteiligten im Streit steht – zum hier maßgebenden Stichtag (15.06.1991) bereits angeschlossen gewesen war oder etwa wegen des Verlaufs des unstreitig in der Bahnhofstraße vorhandenen Hauptsammlers lediglich eine Anschlussmöglichkeit besessen hat, denn die bloße Anschlussmöglichkeit genügt, um insoweit die Beitragspflicht zu begründen.

93

3.2. Werden unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung oder wie hier in satzungsloser Zeit – denn der Beklagte hat erstmals in seiner Satzung vom 29.09.2010 (SBAS) die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrags normiert – die Voraussetzungen für eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Anschlussmöglichkeit geschaffen, entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. OVG LSA, seit B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98; B. v. 25.01.2011, 4 L 234/09; Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02, m.w.N.; vgl. auch B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98 ; Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke gleichwohl erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Abgabensatzung (dazu oben 2.). Dies gilt auch in den Fällen des sog. besonderen Herstellungsbeitrags (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris; OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Anders gewendet: Die beitragsbegründende Satzung kann der tatsächlichen Schaffung der öffentlichen Einrichtung auch nachfolgen, ohne dass es sich dabei um eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung handelt würde (vgl. OVG LSA, Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02).

94

Dass die Anschlussvoraussetzungen vorliegend bereits Anfang/ Mitte der 1990-er Jahre geschaffen wurden und erst ca. 20 Jahre später die satzungsrechtliche Grundlage für die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrages durch den Beklagten gesetzt wurde, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar war § 6 Abs. 6 KAG LSA in der bis zum 23.12.2014 geltenden Fassung auf Grund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 05.03.2013, 1 BvR 2457/08, juris) zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar (OVG LSA, B. v. 03.12.2014, 4 L 59/13 zum leitungsgebundenen Abgabenrecht; auch Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13 zum Straßenausbaubeitragsrecht). Dieses Gebot schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Regelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherstellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen – so das Bundesverfassungsgericht – liege in der Abgeltung eines tatsächlich eingetretenen Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, B. v. 05.03 2013, 1 BvR 2457/08, juris). Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben – je nach landesrechtlicher Regelung zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht – mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, B. v.. 26.08.2013, 9 B 13.13; vgl. auch Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils juris). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704, juris; VG Magdeburg, Urt. v. 25.02.2014, 2 A 44/12 MD; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13; Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147 jeweils zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 487c; ders., KStZ 2014, 181 f.; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241 f.; Martensen, LKV 2014, 446; grundsätzlich auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2014, 2 S 2228/13 sowie OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, beide juris). Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft damit auch den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag bei leitungsgebundenen Anlagen i.S.d. § 6 Abs. 1 KAG LSA, was den Gesetzgeber verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

95

Dem ist der Landesgesetzgeber nachgekommen, indem er mit der zum 24.12.2014 in Kraft getretenen Neufassung des Kommunalabgabengesetzes durch das Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA S. 522) in §§ 13b Satz 1, 18 Abs. 2 KAG LSA bestimmt hat, dass eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen ist, wobei die danach zu bestimmende Ausschlussfrist nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 endet. Dass diese Neuregelung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist im Lichte der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben mangels gesetzlicher Regelung (vgl. dazu u. a. BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, a. a. O.; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, a. a. O.; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, alle juris) weder ersichtlich noch wird dies von den Beteiligten geltend gemacht. Für das hier anhängige Verfahren bedeutet dies, dass obgleich die Vorteilslage für das klägerische Grundstück bereits mit der erstmaligen Widmung im Satzungsrecht des Beklagten bereits Anfang der 90-er Jahre entstanden ist, dieser nicht rügen kann, erst im Jahr 2011 zum besonderen Herstellungsbeitrag herangezogen worden zu sein, da die gesetzliche Ausschlussfrist gemäß § 18 Abs. 2 KAG LSA nicht vor dem 31.12.2015 ablaufen kann. Auch wenn die Neufassung des KAG LSA nur ex nunc Geltung beanspruchen würde, führt dies zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis, da das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13) unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträgen, juris) zu Recht ausgeführt hat, dass die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelung jedenfalls bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden konnte. Zwar ist es – wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 05.03.2013 ausdrücklich festgestellt hat – Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v.. 02.10.2014, 4 L 125/13) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13). Allerdings war eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10.09.2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn – wie hier – eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird bzw. erfolgt ist. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Norm in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13), geht man mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11/13, juris) davon aus, dass zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden kann. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung von Kommunalabgaben nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch VGH München, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704; BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, juris zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

96

3.3. In Anwendung der satzungsrechtlichen Regelung hat der Beklagte den besonderen Herstellungsbeitrag auch der Höhe nach auf 794,84 EUR richtig festgesetzt, indem er der Festsetzung eine Grundstücksfläche von 641 qm, einen Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung sowie einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm zugrunde gelegt hat. Soweit der Kläger (wohl) geltend macht, der Beklagte habe § 6 c Abs. 2 KAG LSA jedenfalls deshalb fehlerhaft umgesetzt, so ist das Gericht nicht gehalten, dem weiter nachzugehen (vgl. oben 2.2.2.1. jj.). Dies auch deshalb nicht, weil die Ermittlung des durchschnittlich großen Wohngrundstücks im Sinne von § 6 c Abs. 2 KAG LSA keinen Einfluss auf die Höhe des Beitragssatzes hat, sondern als gesetzlich angeordnete Billigkeitsmaßnahme, allein bei der Veranlagung des einzelnen Grundstückseigentümers zu berücksichtigen ist (vgl. dazu Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn. 2237 f.). Aus diesen Gründen besteht kein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass sich die Bestimmung des § 6 SBAS, nach der die Durchschnittsgröße 1.156 m² beträgt und das überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstück bis 1.503 m² voll herangezogen wird, Einfluss auf die hier maßgebliche Beitragsfestsetzung haben kann.

97

Soweit der Kläger rügt, er habe im Verfahren nur unzureichend Akteneinsicht erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO lediglich auf die dem Gericht vorgelegten Akten bezieht. Dass der Kläger in Wahrheit rügt, das Gericht hätte weitere Unterlagen beiziehen müssen, berührt nicht sein Akteneinsichtsrecht, sondern allenfalls sein Recht aus § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, sofern dies zu seiner Überzeugungsbildung erforderlich ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011, 4 K 31/06, juris). Dass die Beiziehung weiterer Unterlagen im vorstehend bezeichneten Sinne nicht geboten war, ist bereits unter 2.2.2.1. jj. erörtert worden.

98

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

99

III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von

1.
Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes aufweist,
2.
Schmutzwasser in ein beim Abbau von mineralischen Rohstoffen entstandenes oberirdisches Gewässer, sofern das Wasser nur zum Waschen der dort gewonnenen Erzeugnisse gebraucht wird und keine anderen schädlichen Stoffe als die abgebauten enthält und soweit gewährleistet ist, dass keine schädlichen Stoffe in andere Gewässer gelangen,
3.
Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt,
4.
Niederschlagswasser von bis zu drei Hektar großen befestigten gewerblichen Flächen und von Schienenwegen der Eisenbahnen, wenn es nicht über eine öffentliche Kanalisation vorgenommen wird.

(2) Die Länder können bestimmen, dass das Einleiten von Abwasser in Untergrundschichten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaffenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.

(3) Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, so können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Dies gilt nicht für den nach § 4 Abs. 4 erhöhten Teil der Abgabe. Ist die Abgabe bereits gezahlt, besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch; dieser Anspruch ist nicht zu verzinsen. Die Abgabe ist nachzuerheben, wenn die Anlage nicht in Betrieb genommen wird oder eine Minderung um mindestens 20 vom Hundert nicht erreicht wird. Die nacherhobene Abgabe ist rückwirkend vom Zeitpunkt der Fälligkeit an entsprechend § 238 der Abgabenordnung zu verzinsen.

(4) Für Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 60 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht oder angepasst wird, gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist.

(5) Werden in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Abwasseranlagen errichtet oder erweitert, deren Aufwendungen nach Absatz 3 oder 4 verrechnungsfähig sind, so können die Aufwendungen oder Leistungen hierzu nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 auch mit Abwasserabgaben verrechnet werden, die der Abgabepflichtige für andere Einleitungen in diesem Gebiet bis zum Veranlagungsjahr 2005 schuldet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines von dem Beklagten als Herstellungsbeitrag II bezeichneten Beitrags.

2

Der Kläger ist seit dem 17.06.1999 Eigentümer des in der Gemarkung A-Stadt, Flur gelegenen Flurstücks, das im Grundbuch von A-Stadt Blatt 6186 unter der laufenden Nr. 1 als Gebäude- und Freifläche, A-Straße mit einer Größe von 641 qm eingetragen ist. Das Grundstück ist zweigeschossig bebaut. Bereits vor dem 15.06.1991 verlief vor dem klägerischen Grundstück ein Hauptsammler für Abwasser.

3

Mit Bescheid vom 21.03.2011 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das vorbezeichnete Grundstück einen „Herstellungsbeitrag II Schmutzwasser“ in Höhe von 794,84 EUR ausgehend von einer angeschlossenen Fläche von 641 qm, einem Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung und einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm fest.

4

Der Kläger hat gegen den Beitragsbescheid unter dem 25.03.2011 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, das Grundstück im Dezember 1998 erworben zu haben und im Zuge von Umbaumaßnahmen einen neuen Anschluss erhalten zu haben, den er auch bezahlt habe.

5

Mit dem Kläger am 02.07.2011 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wies der Beklagte den klägerischen Widerspruch zurück.

6

Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2011 Klage beim erkennenden Gericht erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.06.2012 den Eilantrag abgelehnt (Az.: 9 B 91/12 MD).

7

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das im Jahr 1916 bebaute Grundstück im Jahr 1991 nicht angeschlossen gewesen, mithin der Tatbestand des § 5 Abs. 2 der Abgabensatzung nicht erfüllt sei. Der Beklagte gehe in seiner „Beitragsbedarfsberechnung vom 25.03.2002“ (vgl. Generalvorgang) selbst davon aus, dass sein Grundstück erstmals 1994 an die fertig gestellte Anlage angeschlossen gewesen sei bzw. hätte angeschlossen werden können. Beim Erwerb des Hauses im Jahr 1998 sei dieses schon langjährig unbewohnt gewesen und aufgrund des Reparaturstaus überhaupt nicht nutzbar. Die von ihm beauftragte Firma ... GmbH habe im Jahr 1999 mit der Sanierung begonnen, dabei sei festgestellt worden, dass die Pläne des Beklagten hinsichtlich der Anschlusssituation nicht mit dem tatsächlichen Bestand übereingestimmt hätten. Das Grundstück sei nicht angeschlossen gewesen, sondern über Güllegruben entsorgt worden. Vom Vorderhaus seien keinerlei Abflussleitungen zur Straße geführt worden. Die Entwässerung erfolgte rückwärtig zu einer Güllegrube, die im Rahmen der Baumaßnahme verfüllt worden sei.

8

Der Beklagte sei nicht berechtigt, den streitbefangenen Beitrag zu erheben, denn die Anlage sei unter Wahrung ihrer Identität lediglich erneuert worden, da aufgrund Verschleißes eine Modernisierung notwendig gewesen sei. Es komme nicht auf die Identität des Rechtsträgers der Altanlage, sondern auf die Identität der Anlage selbst an. Die Schaffung einer neuen Anlage liege nicht vor. Der Herstellungsbeitrag scheide auch bereits dem Grunde nach aus. Den Gemeinden oblag nach der aufgrund Einigungsvertrags anwendbaren Kommunalverfassung der DDR vom 17.05.1990 bereits vor Inkrafttreten des Landeswassergesetzes Sachsen-Anhalt die Pflicht zur Abwasserentsorgung und Wasserversorgung. Da die Rechtsprechung eine Rechtsnachfolge von DDR-Kommunen ablehne, gewinne entscheidungserheblicher Bedeutung, dass Gemeinden sich faktisch den Altanlagen bemächtigt und jedenfalls konkludent durch Öffnung der Anlage gewidmet haben. In der Folge seien Benutzungsgebühren erhoben und die Eigentümer dem Benutzungszwang unterworfen worden. Den Gemeinden – hier die Stadt A-Stadt – seien die Altanlagen zugeordnet worden. Mit dieser Zuordnung sei die (neue) öffentliche Einrichtung entstanden, hierin sei die erstmalige Herstellung zu erblicken, da sich der Vorteil bereits ergeben habe. Heute erfolgende Baumaßnahmen dürften folglich nicht mehr als erstmalige Herstellung einer Anlage deklariert werden. Die Vorteilslage sei bereits „mit dem Eintritt des Verbandes“ und seinem Benutzungszwang des bestehenden Altsystems gegeben gewesen.

9

Der Alteigentümer werde gegenüber den Neuanschlussnehmern benachteiligt; Vorteilsgerechtigkeit sei nicht gegeben.

10

Der streitbefangene Bescheid sei zu unbestimmt. Umlagefähige Maßnahmen, die ausgeführt worden seien, würden nicht bezeichnet. Welche beitragsfähigen Neuanlagen mit welchem Kostenanteil in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt worden seien, werde nicht ansatzweise ausgeführt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte unzulässige Sanierungskosten in den Herstellungsbeitrag II eingestellt habe, denn Teile der Anlage stammten aus den 30-er Jahren. Auch Unterhaltungsmaßnahmen seien lediglich gebühren-, jedoch nicht beitragsfähig. Der faktische Austausch der tatsächlich bestehenden Anlage wegen Verschleißes und deren Modernisierung, sei keine Herstellung, denn eine Anlage sei nicht nur rein technisch, sondern auch rechtlich zu verstehen. Eine neue Anlage sei nicht geschaffen worden, da die Identität der Anlage gewahrt geblieben sei.

11

Mit Nichtwissen werde bestritten, dass nach dem maßgebenden Stichtag überhaupt beitragsfähige Anlagenteile geschaffen worden seien.

12

Nicht nachvollziehbar sei, ob der Beklagte denjenigen Aufwand herausgerechnet habe, der ausschließlich Neuanschlussnehmern diene. Es bestehe der Anschein, dass der Beklagte Deckungslücken über Beiträge refinanziert habe, anstatt den nicht beitragsfähigen Investitionsanteil über laufende Benutzungsgebühren zu finanzieren.

13

Der in der Beitragssatzung verwendete Vollgeschossfaktor sei willkürlich gegriffen worden und finde im Gesetz keinen Niederschlag.

14

Der in der Satzung festgelegte Beitragssatz sei überhöht und in wesentlichen Teilen nicht nachprüfbar. Aus den Medien sei bekannt, dass der Beklagte einen Teil seines Herstellungsaufwands durch Gebühren/Entgelte realisiert habe, diese seien vom Aufwand abzusetzen. Die tabellarische Übersicht zeige, dass sich die Gebührensätze seit 1992 auf einem hohen Level befunden hätten. Weshalb es der Einnahme eines Herstellungsbeitrags II aufgrund der Satzung vom 29.09.2010 bedurft habe, sei deshalb nicht erkennbar, weil – wie der frühere Geschäftsführer des Beklagten, Herr P…, in einem Interview im „… Kreisanzeiger“ vom 22.01.2004 erläutert habe – die Senkung der Gebühren deshalb möglich sei, weil „a l l e“ Investitionen durch die Gebühren- und Beitragskalkulation bereits finanziert worden seien. Die Anlagen seien zum Teil schon 12 Jahre alt und damit praktisch schon erwirtschaftet. Mindestens 10,208 Mio. EUR, die der Beklagte in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt habe, seien bereits durch Gebühren gedeckt. Das Niveau des Beitragssatzes sei seit 1992 nahezu gleichbleibend, so dass die Vermutung naheliege, dass zuvor eine Gebührenfinanzierung erfolgt sei, d.h. dieser Anteil aus dem beitragsfähigen Investitionsaufwand herauszurechnen sei. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zwei Mal abrechne, einmal über Abschreibungen (kalkulatorische Kosten der Anlage) als auch über den Herstellungsbeitrag II. Denn der Beklagte verlange im Rahmen des kalkulatorischen Aufwands faktisch Vorschüsse auf Maßnahmen der nächsten 40 Jahre. Die Kosten für die Erneuerung der Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse würden durch Abschreibungen über den Gebührenhaushalt refinanziert, so dass sie nicht zum Aufwand des Herstellungsbeitrags II gehören könnten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Aufwand bereits in den vorangegangenen Gebührenkalkulationen seinen Niederschlag gefunden habe, mithin nunmehr doppelt berücksichtigt werde.

15

Die Satzung vom 29.09.2010 sei nicht wirksam, weil Altanschließer zeitlich unbeschränkt herangezogen werden dürften und sie dadurch unangemessen benachteiligt würden. Die Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes (§§ 13b, 18 KAG LSA) habe weder eine Heilung der Satzung noch des Bescheides herbeigeführt. Es sei nicht Wille des Landesgesetzgebers gewesen, eine unwirksame Satzung zu heilen. Die neue Satzung des Beklagten vom 04.02.2015 verstoße gegen das Schlechterstellungsverbot, da in § 10 der Satzung höhere Mahngebühren verlangt würden.

16

Vor Maßnahmebeginn hätte eine Satzung mit einer Verteilungsregel beschlossen sein müssen, ansonsten entstehe keine sachliche Beitragspflicht, eine nachträglich rückwirkende Heilung der Satzung sei ausgeschlossen. Dies müsse auch für den Herstellungsbeitrag II gelten. Auch sei keine Unterrichtung der Beitragspflichtigen gemäß § 6d KAG LSA erfolgt.

17

Der in die Kalkulation eingestellte Aufwand für Druckleitungen und Pumpwerke in Höhe von 1.587.578 EUR bedeute für die Altanschließer keinen Vorteil. Der eingestellte Investitionsaufwand von 20.771.240 EUR enthalte diesen Aufwand, obgleich der Anschluss des Gefechtsübungszentrums L… und der Stadt … an das System A-Stadt keinen Vorteil für die Altanschließer bringe.

18

Die Kalkulation sei nicht nachprüfbar. Dies gelte sowohl für den Aufwand im Einzelnen, als auch die in den Ansatz gebrachten Flächen, da jedenfalls Übertragungs- und Additionsfehler nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Höhe der in den Ansatz gebrachten Einzelpositionen werde bestritten, sie würden nicht tief genug vereinzelt. Ohne nähere Angaben und Belege könne die Richtigkeit nicht unterstellt werden. Jede eingestellte Position müsse im Einzelnen namentlich benannt und belegt werden. Nur so könne geprüft werden, ob gebührenfähiger Aufwand oder solcher, der allein Neuanschlussnehmer bevorteile, enthalten sei. Die tabellarisch erfassten Flächen würden aus der Liegenschaftskarte bzw. aus dem Liegenschaftsbuch des Beklagten stammen. Es könne nicht geprüft werden, ob der Beklagte das Flächenmaß aus dem Grundbuch oder dem Kataster richtig übernommen habe, da keine Auszüge vorlägen. Zudem seien öffentliche Verkehrsflächen sowie sonstige öffentliche Flächen zu Unrecht herausgerechnet worden. Schließlich bestehe eine Diskrepanz zwischen der Grundbuchfläche und der Beitragsfläche. Die beim Herstellungsbeitrag I berücksichtigten Flächen stimmten nicht mit denen überein, die bei der Ermittlung des Beitragssatzes des Herstellungsbeitrags II Berücksichtigung gefunden hätten. Der Kläger habe wiederholt Akteneinsicht beantragt, dem sei – auch im gerichtlichen Verfahren – nicht nachgekommen worden.

19

Der Vorteil der Allgemeinheit müsse vom Aufwand abgesetzt werden. Denn der gleiche Vorteil, den die privaten Altanschlussnehmer hätten, habe auch die Allgemeinheit, die die Anlage auch vor dem Stichtag habe nutzen können. Materielle Vorteile der Allgemeinheit seien bspw. die Bereitstellung von Löschwasser, das Durchspülen der Kanalisation, Reinigung der Straßen nach Unfällen, Oberflächenwasserentsorgung (Entwässerung von Straßen, Wegen und Plätzen), Anlagen des Überflutungsschutzes; auch dies müsse bewertet werden.

20

Erneuerungskosten seien keine beitragsfähigen Kosten im Rahmen des Herstellungsbeitrags II. Denn Kosten der Unterhaltung und des Betriebs seien allein gebührenfähig. Die Beitragspflicht erlischt ein für alle mal, wenn die öffentliche Einrichtung hergestellt sei. Dies sei hier der Fall. Auch der Tatbestand der Erweiterung sei nicht erfüllt.

21

Der Beklagte habe zu Unrecht im Rahmen der Kalkulation den Aufwand für Hausanschlüsse berücksichtigt. Diese Kosten müsse jeder Grundstückseigentümer selbst tragen.

22

§ 6 Abs. 3 KAG LSA sei missachtet worden. Die Kläranlage in A-Stadt sei überdimensioniert und nach unrealistischen Einwohnergleichwerten geplant worden (geplanter Großschlachthof, ansässiger Großbetrieb: Asbestzementwerk, A-Stadt war Garnisonsstadt); auch die Leitungen seien so überdimensioniert, dass sie zusätzlich gespült werden müssten. Die hierdurch veranlassten Mehrkosten seien nicht beitragsfähig, da sie nicht notwendig gewesen seien.

23

Die in der Abgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung sei fehlerhaft, da der Beklagte lediglich einen Durchschnittswert ermittelt habe, so dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ein methodischer Fehler vorliege. Die zugrunde gelegten Grundstücke seien nicht repräsentativ. In A-Stadt gebe es 371 Straßen, weshalb die drei vom Beklagten berücksichtigten Straßen gewählt worden seien, bleibe offen. Die im Übrigen berücksichtigten Straßen in den Gemeinden Jävenitz, Altmersleben, Engersen, L.., ..., ...rhorst und Solpke seien bereits deshalb nicht repräsentativ, weil diese Gemeinden am Herstellungsbeitrag II nicht teilnehmen würden.

24

Auch die durchschnittliche Grundstücksgröße sei weder repräsentativ noch nachvollziehbar, sondern willkürlich ermittelt worden.

25

Der Kläger beantragt,

26

den Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 aufzuheben.

27

Der Beklagte beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte verteidigt seinen Beitragsbescheid.

30

Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.06.2013 das ursprünglich unter dem Aktenzeichen 9 A 203/11 MD geführte Verfahren ausgesetzt und am 01.06.2014 wiederaufgenommen.

31

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 gestellten und entschiedenen Beweisantrags wird wegen des Inhalts und der begründeten Entscheidung auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die beim Gericht geführte Generalakte des Beklagten – die insbesondere dessen Satzungsrecht, die Kalkulation des Beitragssatzes des Beklagten vom 14.07.2010 (im Folgenden Kalkulation HB II), die Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitragssatzes vom 01.07.2010 (im Folgenden: Kalkulation HB I) sowie die Ermittlung der Tiefenbegrenzung enthält – verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

32

I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

33

Der Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen besonderen Herstellungsbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Abgaben für die Schmutzwasserbeseitigung des Beklagten vom 29.09.2010 – SBAS 2010 –, die in Entsprechung des § 26 Abs. 1 der Verbandssatzung des Beklagten vom 13.10.2005 ordnungsgemäß im Amtsblatt des Altmarkkreises … und des Landkreises … jeweils vom 20.10.2010 bekanntgemacht worden und am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Danach erheben Landkreise und Gemeinden bzw. Zweckverbände nach wirksam erfolgter Aufgabenübertragung – § 6 GKG-LSA – zur Deckung ihres Aufwandes unter anderem für die erforderliche Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen von den Beitragspflichtigen im Sinne von § 6 Abs. 8 KAG LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit derselben ein Vorteil entsteht, Beiträge auf der Grundlage einer Satzung (§ 2 Abs. 1 KAG LSA), soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist.

35

Zu Recht erhebt der Beklagte danach von dem Kläger einen Beitrag für die Herstellung seiner öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung in der Form eines besonderen Herstellungsbeitrages (1.). Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung – SBAS – ist wirksam (2.). Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor (3.).

36

1. Bei den der Beitragserhebung zugrunde liegende Maßnahmen des Beklagten handelt es sich um die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hier der zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a) der Satzung über die Schmutzwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage vom 29.09.2010 – SAS –, § 1 Abs. 1 lit. a) SBAS 2010).

37

Der Beklagte als für die Abwasserbeseitigung zuständige Körperschaft errichtet abwassertechnische Anlagen zur zentralen Beseitigung des im Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts, nachdem im Verbandsgebiet bis in die 1990-er Jahre Kläranlagen in A-Stadt und … sowie mehrere Oxidationsteiche mit den dazugehörigen Leitungsnetzen betrieben wurden. Diese hat der Beklagte mit Aufgabenübertragung faktisch übernommen. Die zunächst vom Abwasserzweckverband … errichteten Anlagen wurden durch Zusammenschluss des Beklagten und des Abwasserzweckverbandes … am 01.02.2002 Teil der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung. Entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts hat der Beklagte die bereits vorhandenen technischen Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung (teilweise) dem Stand der Technik angepasst und erschließt bislang noch nicht angeschlossene Grundstücke durch Errichtung neuer Anlagen. Er beabsichtigt, über die drei vorhandenen Kläranlagen (A-Stadt, …, …), die eine Kapazität von ca. 53.7000 Einwohnerwerten (Kalkulationsstichtag 31.12.2009) aufweisen, das Abwasser dauerhaft zu entsorgen. In zulässiger Weise erhebt der Beklagte zur Deckung des insoweit erforderlichen Aufwandes Herstellungsbeiträge deshalb, weil allen davon abwasserseitig erschlossenen Grundstücken erstmalig eine dauerhafte Anschlussmöglichkeit geboten wird.

38

Die Erhebung – auch eines besonderen – Herstellungsbeitrages kommt selbstredend nur dann in Betracht, wenn für das Grundstück bislang zu keiner Zeit eine öffentliche Einrichtung (im Rechtssinne) betriebsbereit zur Verfügung gestellt wurde. Bei dieser Betrachtung ist allein daran anzuknüpfen, ob nach Lage der Dinge davon auszugehen ist, dass bereits vor der Gründung des Beklagten ein Abwasserbeseitigungskonzept beschlossen und eine diesem Konzept entsprechende Anlage vor der Gründung des Beklagten geschaffen worden ist. Hier käme allenfalls die Schaffung einer solchen öffentlichen Einrichtung durch die zum Verband gehörenden Gemeinden in Betracht, was jedoch nicht der Fall war. Mithin kann die gemeindliche Abwasserbeseitigung nach 1990 mittels der vorhandenen Altanlagen nur als (provisorische) Übergangslösung bis zur (erstmaligen) Schaffung der Abwasserbeseitigungsanlage durch den Beklagten angesehen werden (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005 - 9 A 118/04; juris).

39

Aus diesem Grunde vermag auch der Einwand, die Maßnahmen des Beklagten seien keine „Herstellung“ im rechtlichen Sinne, sondern allenfalls solche der „Unterhaltung“ oder „Sanierung“ von durch Zeitablauf mittlerweile sanierungsbedürftiger Anlageteile, nicht zu tragen. Denn der Beklagte stellt – wie dargestellt – nunmehr auch dem Grundstück des Klägers erstmals eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zur Verfügung (VG Magdeburg, B. v. 12.06.2012, 9 B 91/12, Rn. 26, juris). Das OVG Berlin-Brandenburg führt in dem Beschluss vom 01.03.2012 (OVG 9 S 9.12; juris) zu einem vergleichbaren Fall aus:

40

„Spätestens aufgrund der Anordnung über die Bildung der VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) gab es auf dem Gebiet der damaligen DDR - rechtlich - keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr. Erst infolge des Einigungsvertrages sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der durch die DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu konstituierten Kommunen geworden, so dass öffentliche Einrichtungen der Kommunen in diesem Aufgabenbereich neu entstehen konnten. Eine rechtliche Kontinuität der kommunalen Einrichtungen besteht daher selbst insoweit nicht, wie eine Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 15 ff. m. w. N.). Vielmehr sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand.“

41

Der Erhebung eines besonderen Herstellungsbeitrags steht nicht entgegen, dass die den Vorteil vermittelnde öffentliche Einrichtung wesensgleich mit einer technischen Anlage ist, für die ggf. bereits einmal (bspw. vor 1945) ein mit dem heutigen Anschlussbeitrag vergleichbarer Anspruch entstanden war. Ein Fall der Doppelveranlagung liegt nicht vor. Denn eine gegebenenfalls in der Vergangenheit einmal bestehende öffentliche Einrichtung ist (ersatzlos) untergegangen und konnte deshalb auch nicht nach 1990 wieder aufleben. Der Untergang wurde durch den Übergang zu einer nach den Regeln der Planwirtschaft organisierten Abwasserbeseitigung vor dem Hintergrund der in der DDR geltenden Rechtsordnung bewirkt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Das dem Betrieb der ehemaligen öffentlichen Einrichtung von den Kommunen vorgehaltene Vermögen wurde ihnen entzogen, vergesellschaftet und erst durch die Kommunalisierungsvorschriften erneut dem ehemaligen Träger zugeordnet (vgl. Haack in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand September 2014, § 8 Rn. 2128). Die Gemeinde haben die (faktisch) bestehenden Abwasserbeseitigungsanlagen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des KAG LSA (15.06.1991) übernommen und diese übergangsweise fortgeführt. Bei diesen technischen Altanlagen handelte es sich nicht um kommunale öffentliche Einrichtungen im Rechtssinne, sie gelten mithin in der Regel nicht als „hergestellt“ im rechtlichen Sinne. Auch wenn die Gemeinde – hier die Stadt A-Stadt – eine solche Altanlage übergangsweise fortbetrieben hatte, führt dies nicht zur Annahme einer „Herstellung“. Denn es besteht keine Vermutung dergestalt, dass die Kommunen damit beabsichtigt hatten, gerade mit dem faktisch übernommenen Abwasserbeseitigungssystem den Grundstückseigentümern eine – wie aus einer Herstellung resultierende – dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit zu bieten (vgl. OVG LSA, Urt. v. 05.07.2007, 4 L 229/06, juris). Gleiches gilt für den Beklagten in der Zeit, in der sich dieser Anlagen lediglich bediente, um die Abwasserbeseitigung übergangsweise aufrecht zu erhalten, da auch insoweit auf den – rechtlich allein beachtlichen – Planungswillen abzustellen ist (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 2127, m.w.N.).

42

Handelt es sich mithin bei den beitragspflichtig gestellten Maßnahmen um eine Herstellung i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hat der Beklagte dafür zu Recht keinen allgemeinen, sondern einen besonderen Herstellungsbeitrag festgesetzt. Zwar handelt es sich auch bei diesem Beitragsanspruch um einen Herstellungsbeitrag (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris; B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; Urt. v. 04.11.2003, a. a. O.), der sich jedoch hinsichtlich seiner Höhe wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von dem allgemeinen Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Anlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des KAG LSA abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d. h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss. Obwohl durch diese Maßnahmen im Rahmen der (erstmaligen) Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, 1 L 226/01, juris) auch den bereits am 15.06.1991 angeschlossenen Grundstücken eine dauerhaft gesicherte Möglichkeit zum Anschluss geboten wird, unterliegen diese wegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nicht der (allgemeinen) Herstellungsbeitragspflicht, was auch mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.). Denn nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bedarf es einer für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht grundstücksbezogenen Betrachtungsweise in Abhängigkeit davon, ob das jeweilige Grundstück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG LSA am 15.06.1991 bereits von (abgeschlossenen) Investitionen „betroffen“ war, aus denen sich in Bezug auf die Möglichkeit der Abwasserableitung gegenüber den davon nicht „betroffenen“ Grundstücken ein Vorteil ergab. Der vom Gesetzgeber insoweit vorgesehenen Differenzierung unterfallen jedoch nur solche Grundstücke, die vor der Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits von einer wesensgleichen, weil zentralen, von staatlichen Stellen betriebenen Abwasserbeseitigungsanlage bevorteilt waren (dazu OVG LSA, B. v. 10.07.2002, 1 L 335/01; Urt. v. 04.09.2003, 1 L 493/02; Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.; zusammenfassend bei Haack in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2217 ff.). Für diese Grundstückseigentümer tritt – wie hier – an die Stelle des Herstellungsbeitrages wegen der durch die abgeschlossenen Investitionen bestehenden Vorteilslage ein besonderer Herstellungsbeitrag (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

43

2. Die SBAS ist entgegen der Auffassung des Klägers formell und materiell rechtmäßig.

44

2.1. Die Verbandsversammlung des Beklagten hat in der öffentlichen Sitzung vom 29.09.2010 die SBAS beschlossen (vgl. §§ 4 Abs. 2, 16 Abs. 1 GKG, §§ 6 Abs. 1, 50 Abs. 1 GO LSA). Anhaltspunkte für eine fehlende Beschlussfähigkeit (vgl. § 11 Abs. 5 GKG). liegen weder vor und noch werden solche vom Kläger behauptet. Die Verbandsgeschäftsführerin hat am gleichen Tag die Satzung in Entsprechung des § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA ausgefertigt (vgl. dazu zuletzt OVG LSA, B. v. 23.11.2012, 4 L 158/12) und – wie bereits dargestellt – in den nach der Verbandssatzung vorgeschriebenen Bekanntmachungsorganen öffentlich bekannt gemacht worden (vgl. § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA). Der Beklagte dürfte schließlich auch seiner Mitteilungspflicht gegenüber der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 16 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 GO LSA nachgekommen sein. Dies bedarf keiner abschließenden Prüfung, da ein etwaiger Mangel nach § 6 Abs. 4 GO LSA wegen Zeitablaufs die Wirksamkeit der Satzung nicht berührt.

45

2.2. Materielle Rechtsmängel haften der SBAS ebenfalls nicht an.

46

2.2.1. Die Satzung wird den Anforderungen an § 2 Abs. 1 KAG LSA gerecht. Sie bestimmt in Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, die Entstehung der Schuld und den Satz der Abgabe (§§ 2 ff. SBAS). Auch der Umstand, dass nach § 5 Abs. 2 SBAS nur die Grundstücke dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, die „bereits am 15. Juni 1991 an damals bestehende Schmutzwasserreinigungsanlagen angeschlossen waren und soweit deren Schmutzwasser nach dem damaligen Stand der Technik zentral behandelt wurde“, steht dem nicht etwa deshalb entgegen, weil nicht nur die angeschossenen, sondern auch die anschließbaren Grundstücke einem (nur) besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen. Denn welche Grundstücke bevorteilt bzw. – wie hier – zwar bevorteilt, aber nur zu einem geringeren Beitrag heranzuziehen sind, ergibt sich bereits zwingend aus dem Gesetz (§ Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 6 Satz 3 KAG LSA), weshalb dies gar nicht in der Gestaltungsbefugnis des Satzungsgeber liegt. Verstößt eine Satzung insoweit gegen höherrangiges Recht, führt dies jedoch lediglich zur Teilnichtigkeit der Satzung, weil mit dem in § 5 Abs. 2 SBAS ebenfalls enthaltenen abgesenkten Beitragssatz jedenfalls eine Heranziehung zum besonderen Herstellungsbeitrag weiterhin möglich ist und es wegen der gesetzlichen Regelung auf den mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers nicht ankommt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, 4 L 181/07 sowie v. 28.05.2012, 4 L 231/11 jeweils zu Fragen der Teilnichtigkeit von kommunalen Satzungen).

47

2.2.2. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot.

48

Den Grundstücken, denen am 15.06.1991 durch die vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlagen bereits Vorteil vermittelt wurde, ist durch einen im Vergleich zum allgemeinen Herstellungsbeitrag verminderten Beitrag Rechnung zu tragen.

49

2.2.2.1. Wie oben festgestellt, betreffen die Maßnahmen des Beklagten in Umsetzung seines Abwasserbeseitigungskonzeptes sowohl Alt- als auch Neuanschließer und wirken sich für sie - lediglich in unterschiedlicher Weise - vorteilhaft aus. Aus diesem Grunde bedarf es einer gesonderten Feststellung des auf die Altanschließer entfallenden Anteils am Gesamtaufwand. Der durch § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA erfolgten Privilegierung der Altanschlussnehmer ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Teil des Aufwandes für die nach dem 15.06.1991 geschaffenen Anlagenteile, der dazu dient, neue Flächen durch die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zu erschließen, bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages unberücksichtigt bleibt. Nur dadurch, dass der Aufwand für diese Gruppe gesondert ermittelt wird, kann ihrer „priviligierten“ Stellung innerhalb der Gesamtheit der durch die öffentliche Einrichtung bevorteilten Grundstücke hinreichend Rechnung getragen werden. Dies bedeutet, dass bei der Ermittlung des Beitragssatzes für den besonderen Herstellungsbeitrag nicht nur - wie etwa bei einem Verbesserungsbeitrag - der Aufwand einbezogen werden darf, der notwendig war, um einen im Verhältnis zur ersetzen Anlage größeren Reinigungseffekt zu erzielen (OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04, S. 7 BA; Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris). Aufwandsfähig sind vielmehr alle Kosten, die zur Erreichung der beitragsfähig gestellten Maßnahme erforderlich sind. Dabei ist es jedoch nicht angezeigt, die zur Zweckerreichung erforderlichen Investitionen in der Abgabensatzung bzw. in einem Abwasserbeseitigungskonzept darzustellen; entsprechende Anforderungen enthalten weder das Kommunalabgabengesetz noch andere einschlägige Fachgesetze (hier z. B. Wassergesetz LSA, GO LSA). Der zur Rechtfertigung des Beitragssatzes berücksichtigungsfähige Aufwand unterliegt allein der Beurteilung danach, ob er aus anlagen- bzw. kostenbezogener Sicht notwendig und erforderlich war, um die Anlage in Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht herzustellen, was letztendlich - mithin ggf. auch ohne vorherige Kalkulation - der abschließenden Beurteilung des Gerichts obliegt (zur sog. Ergebnisrechtsprechung OVG LSA, B. v. 06.04.2004, 1 L 433/02). Sofern bei der Ermittlung des Aufwandes auch solcher für die "Erneuerung" von Altkanälen berücksichtigt werden soll, muss es sich dabei jedoch um solche Maßnahmen handeln, die noch in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten endgültigen Herstellung der öffentlichen Einrichtung im Übrigen stehen, wobei insoweit eine das planerische Ermessen des Einrichtungsträgers berücksichtigende großzügige Frist angezeigt ist (vgl. OVG LSA, Urt. v. 28.10.2009, 4 L 117/07, in dem 25 Jahre zwischen der Schaffung der „neuen“ Anlageteile und der „Sanierung der Altkanäle“ unbeanstandet blieb). Regelmäßig dürfte jedoch die Berücksichtigung von solchem Aufwand für das Ersetzen von Altkanälen ausscheiden, der sich erst zu einem Zeitpunkt realisiert, in dem die vom Beklagten errichteten Anlagen gewöhnlicher Weise einer Erneuerung bedürfen. Dem Umstand, dass der besondere Herstellungsbeitrag lediglich ein verminderter Herstellungsbeitrag sein soll, ist zudem dadurch Rechnung zu tragen, dass die gewährten Zuwendungen Dritter, die im Zusammenhang mit der Schaffung der Abwasseranlage insbesondere nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von wasserwirtschaftlichen Vorhaben – RZWasR – (RdErl. des MU v. 07.01.1993, MBl. LSA S. 690, in der Fassung des RdErl. des MRLU v. 05.12.2001, MBl. LSA S. 109, sowie Erl. Des MLU v. 16.03.2009, MBl. LSA S. 289) allen Beitragspflichtigen zu Gute kommen und zwar unabhängig davon, aus Anlass welcher konkreten Maßnahme die Zuwendung erfolgt ist. Der sich um die Zuwendungen Dritter verminderte beitragsfähige Aufwand ist mithin danach zu beurteilen, in welchem Umfang er nur der Gruppe der altangeschlossenen Grundstücke zu dienen bestimmt ist. Daraus folgt, dass Aufwand, der nur der fortdauernden Anschlussmöglichkeit von Altanschlussnehmern dient, diesen „direkt“ zuzuordnen ist. Dienen Anlageteile sowohl Alt- als auch Neuanschließern, ist der Aufwand nach sachgerechten Kriterien dieser Gruppe zuzuordnen. Dabei dürfte im Regelfall zwischen den Anlageteilen Kanalsystem, Pumpstationen/ Überleitungen, Abwasserbehandlungsanlage dann zu unterscheiden sein, wenn sich bei isolierter Betrachtung signifikante Unterschiede in den den Altanschlussnehmern zuzuordnenden Anteilen ergeben. So bestehen keine durchgreifenden Bedenken, wenn der Aufwand für den besonderen Herstellungsbeitrag aus dem Verhältnis ermittelt wird, wie es der Anzahl der Gruppenmitglieder (Einwohner bzw. Einwohner[gleich]werte) entspricht (VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris). Bei der Ermittlung dieser Anteile ist vorrangig das zukünftige Verhältnis zwischen Alt- und Neuanschließern und sich daraus ggf. ergebende Besonderheiten (ggf. hohe gewerbliche Anteile bei Neuanschließern etc.) in den Blick zu nehmen. Weil der so ermittelte Aufwand für die Bestimmung des besonderen Herstellungsbeitragssatzes immer einrichtungsbezogen ist, da er sich regelmäßig auf die gesamte öffentliche Einrichtung bezieht, ist auch der „besondere Herstellungsaufwand“ zur Ermittlung des Beitragssatzes in das Verhältnis zur gesamten Beitragsfläche des Einrichtungsgebietes zu setzen (so auch OVG LSA, Urt. v. 25.05.2005, a. a. O.;VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

50

Diesen Anforderungen wird der in § 5 Abs. 2 SBAS normierte Beitragssatz gerecht.

51

Bei der Aufwandsermittlung hat der Beklagte den im Zeitraum 1991 bis 2009 realisierten Herstellungsaufwand, dem auf der Grundlage des Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten zukünftigen Herstellungsaufwand und dem bisherigen bzw. künftigen Aufwand für die Erneuerung der bereits zum 15.06.1991 bestandenen Schmutzwasserkanäle (sog. Altkanäle) sowie den bisherigen und zukünftigen Kosten für den ersten Grundstücksanschluss, der nach der Satzungslage des Beklagten Bestandteil des Herstellungsbeitrags ist, zu Recht in seine Berechnung eingestellt. Dies ergibt einen Aufwand für Kläranlagen, Pumpwerke/Überleitungen, Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse von insgesamt 85.302.438,00 EUR (vgl. Kalkulation HB I). Dieser Aufwand ist um den Anteil zu kürzen, der allein durch die Neuanschließer bedingt ist, so dass sich für die Altanschließer ein anteiliger Aufwand von 22.740.371 EUR (ca. 26 %) ergibt.

52

Dies auf die einzelnen Kostenpositionen aufgeschlüsselt, ergibt folgendes Bild:

53

aa. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitrags einfließende Kostenanteil für Kläranlagen beträgt 7.296.284 EUR (ca. 26% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kläranlagenkosten [27.804.219 EUR]). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Denn der Beklagte hat bei der Kostenposition der Kläranlagen insbesondere berücksichtigt, dass an die Kläranlage ... keine Altanschließer partizipieren, so dass diese Investitionsaufwendungen in die Berechnung – wie geschehen – nicht Eingang finden durften. Ausweislich der Seiten 3 und 4 der Kalkulation HB II hat der Beklagte auch lediglich die Kosten der Kläranlagen A-Stadt (18.270.541 EUR) und ... (1.444.843 EUR) bei der Ermittlung des Investitionsaufwandes für die Kläranlagen berücksichtigt. Gegen die Berechnung des Altanschließeranteils ist mit der obigen Darstellung nichts zu erinnern. Ausgehend von der zum Kalkulationsstichtag bestehenden Kapazität der jeweiligen Anlage (KA A-Stadt: 40.000 Einwohnerwerte, KA K...: 3.700 Einwohnerwerte) hat der Beklagte unter Verwendung sachgerechter Kriterien den Altanschließeranteil errechnet, indem er die am 15.06.1991 angeschlossenen Einwohnern ermittelt hat (KA A-Stadt: 10.163 Altanschließer, KA ….: 1.615 Altanschließer), so dass sich unter Berücksichtigung einer „Kapazitätsreserve“ [im Sinne von anderen Nutzern] von jeweils 20% (KA A-Stadt: 2.033 Einwohner, KA … 323 Einwohner) ein bis zum Jahr 2009 realisierter Investitionsaufwand von insgesamt 6.314.461 EUR (KA A-Stadt: 5.572.515 EUR, KA K...: 741.946 EUR) ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung der Einwohnerzahlen fehlerhaft erfolgt ist bzw. ein signifikanter Unterschied zu den zukünftig bevorteilten Altanschlussnehmern besteht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger in das Verfahren getragen worden. Der Beklagte war auch berechtigt, in seine Berechnung eine solche „Kapazitätsreserve“ aufzunehmen, da hierdurch berücksichtigt wird, dass mitnichten nur Einwohner an die jeweilige Anlage angeschlossen waren, sondern auch Einwohnergleichwerte (bspw. für gewerblich genutzte Grundstücke, auf denen Abwasser anfiel) Berücksichtigung zu finden haben. Dass diese vom Beklagten in die Berechnung eingestellte „Kapazitätsreserve“ von 20% überhöht wäre, ist nicht ersichtlich, zumal etwaige Anhaltspunkte hierfür vom Kläger auch nicht vorgetragen werden. Entsprechend ist der Beklagte auch bei der Ermittlung der künftigen Aufwendungen für die KA A-Stadt verfahren, indem er die zukünftigen Kosten für die Kläranlage von 3.219.090 EUR (vgl. Kalkulation HB I, Seite 15,16) bei einer Kapazität von 40.000 EW in das Verhältnis zu den Altanschließern (12.200 Einwohnerwerte) gesetzt, mithin ein Betrag von 981.822 EUR ermittelt hat. Dementsprechend beträgt der für die Kläranlagen des Beklagten ermittelte Kostenanteil der Altanschließer 7.296.284 EUR (6.314.461 EUR + 981.822 EUR).

54

Soweit der Kläger vorträgt, die Kläranlage A-Stadt sei überdimensioniert, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Ausweislich der Kalkulation des HB I wird eine etwaige Überdimensionierung der Kläranlagen des Beklagten (A-Stadt, …, …) in den Blick genommen (dort S. 21) und der zukünftige Auslastungsgrad der KA A-Stadt mit 94 % (bei Endausbau, Kapazität: 50.000 Einwohnerwerte), der KA K... mit 95% und der KA ... mit 62% angegeben. Bei der KA A-Stadt geht der Beklagte davon aus, dass im Jahr 2009 21.534 Einwohner angeschlossen sind und daneben 18.000 Einwohnergleichwerten vorliegen, was zu 39.534 Einwohnerwerten führt, die bei einer Anlagenkapazität von 40.000 Einwohnerwerten einen fast 100-igen Auslastungsgrad bedeuten. Von einer Überkapazität kann nicht die Rede sein. Zudem geht das Gericht mit dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 10.03.2011 – 4 L 67/09 –, juris) davon aus, dass eine beitragsrechtliche Überdimensionierung nur dann vorliegt, wenn die Planungen hinsichtlich der Entwicklung der Anschlusszahlen nicht auf sachgerechten Grundlagen beruhten und ob aus den so ermittelten Daten bei der Konzeption der Anlagengröße nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik die zutreffenden Schlussfolgerungen gezogen worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Anlagengröße auf sachgerechten Grundlagen und vernünftigen plausiblen Annahmen und Prognosen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Anschlussnahme beruht, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Planungen abzustellen (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.04.2006 - 4 L 187/05 -; vgl. auch Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 993; 1640 f.; 1844). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlage im beitragsrechtlichen Sinne überdimensioniert ist, ist danach das Abwasserentsorgungskonzept des Verbandes, dem im Rahmen seines Organisationsermessens ein entsprechender Entscheidungsspielraum eröffnet ist (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31.03.2010, 4 L 375/08). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte diesbezüglich „grob fehlerhaft geplant“ hat bzw. dass das aus der Kalkulation des HB I stammende Zahlenmaterial unrichtig ist, liegen weder vor noch behauptet der Kläger Entsprechendes.

55

bb. Auch gegen den in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließenden Kostenanteil für Pumpwerke und Überleitungen von 1.587.587 EUR (ca. 10% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Pumpwerke und Überleitungen [14.760.433]) ist nichts erinnerlich. In den auf den Seiten 17 und 18 der Kalkulation des HB II dargestellten „Daten des Überleitungssystems“ wurden die einzelnen Pumpwerke und Überleitungen, die auch Altanschließern zu dienen bestimmt sind, lagegenau aufgeschlüsselt und mit Kosten, die ihren Niederschlag in der Kalkulation des HB I finden, untersetzt. In Entsprechung des gewählten Einwohnerschlüssels hat der Beklagte die am Stichtag angeschlossenen Altanschließer zu den Neuanschließern ins Verhältnis gesetzt und die bis zum Jahr 2009 realisierten und zukünftigen Kosten verteilt. Kosten für Überleitungen und Pumpwerke zur KA ..., an der keine Altanschließer partizipieren (s.o. aa.), hat der Beklagte zu Recht nicht mit einbezogen. Soweit der Kläger einwendet, dass Altanschließer keinen Vorteil dadurch hätten, dass das Gefechtsübungszentrum Heer in L.. (GÜZ) und die Stadt .../... an die KA A-Stadt angeschlossen seien, so wird eine solche Sichtweise nicht dem Gesamtanlagenprinzip gerecht. Denn sowohl die Gemeinde L.., die gleichsam an der Überleitung partizipiert als auch die Stadt K.. verfügten zum maßgebenden Stichtag über Altanschließer (Gemeinde L..: 1.195 Einwohner, Stadt K..: 1.388 Einwohner), so dass eine anteilige Berücksichtigung zwingend ist. Anhaltspunkte dafür, dass Kosten für Überleitungen/Pumpwerke vom GÜZ Berücksichtigung gefunden hätten, ohne dass die Altanschließer hieran auch partizipieren, liegen nicht vor. Dass die Stadt K.. zum Stichtag eine eigene Kläranlage vorgehalten, die mit Umschluss auf die KA A-Stadt außer Betrieb genommen worden sei, führt insoweit zu keiner anderen Betrachtung. Ausgehend vom Gesamtanlagenprinzip und dem weitem Planungsermessen des Beklagten, der nunmehr Träger der Abwasserbeseitigungspflicht in der Stadt K.. ist, oblag es diesem, seine öffentlichen Einrichtungen zu bilden, mithin die Entscheidung im gesamten Verbandsgebiet lediglich eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zu betreiben. Dass er hierzu drei Kläranlagen betreibt und keine Kläranlage in der Stadt K.. vorhält, ist ohne rechtliche Relevanz, zumal auch die Sanierung der frühren KA K.. mit Kosten verbunden gewesen wäre, die im Rahmen der Kalkulation der Beiträge der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung ihren Eingang gefunden hätten. Anhaltspunkte dafür, dass keine sachgerechten Erwägungen der Bildung der öffentlichen Einrichtung zugrunde gelegen haben, sind nicht ersichtlich. Offensichtlich hat sich der Beklagte hierbei vom Solidarprinzip leiten lassen, so dass die Kosten gleichmäßig auf alle Anschlussnehmer im Verbandsgebiet verteilt werden.

56

cc. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließende Kostenanteil für Schmutzwasserkanäle mit 11.136.866 EUR (ca. 33 % der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Schmutzwasserkanäle [35.317.875]) findet ebenso seine Rechtfertigung. In den Tabellen „Erfassung des Altkanalbestandes bis 15.06.1991“ (Kalkulation HB II S. 10ff.) hat der Beklagte nach Ortslagen/Straßen die einzelnen Altkanäle unter Benennung des Baujahrs aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, welcher Kanal bei Benennung der Kosten erneuert wurde und hinsichtlich welchen Kanals nach dem Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten eine Erneuerung avisiert ist. Hierbei berücksichtigt der Beklagte zum einen das Alter im Zeitpunkt der Erfassung (2009) sowie das Alter im Zeitpunkt der avisierten Fertigstellung. Ausgehend von einer normativen Nutzungsdauer eines Schmutzwasserkanals von 60 Jahren, welche der durchschnittlichen Abschreibungsdauer für Kanalleitungen entspricht, geht der Beklagte dann von einem Erneuerungsbedarf aus, wenn der jeweilige Altkanal im Jahr 2016 die normative Nutzungsdauer überschritten hat, was bedeutet, dass der Beklagte hinsichtlich der in Jahren zwischen 1905 und 1955 gebauten Kanäle von einem Erneuerungsbedarf ausgeht. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Damit ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht verbunden, dass alle Altkanäle die im Jahr 2016 einen Erneuerungsbedarf aufweisen, bis zu diesem Zeitpunkt zu erneuern sind. Denn dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt endgültig fertig gestellt sein soll, ist weder erforderlich noch vom Beklagten beabsichtigt, so dass die danach ermittelten künftigen Kosten, die zwischen 342 EUR bis 493 EUR je Meter Kanallänge prognostiziert werden, berücksichtigungsfähig sind. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zudem einwendet, dass die „Zahlenkolonne“ des insoweit eingestellten kalkulatorischen Aufwands nicht überprüfbar sei, bedarf es keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht. Das weite, an der normativen Nutzungsdauer der Anlage ausgerichtete Ermessen hat der Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass der zugrunde gelegte Kostensatz (EUR/m) überhöht ist, sind weder ersichtlich, zumal gerichtsbekannt ist, dass die Kosten je Meter Kanallänge sich zwischen 250 € und 600 € bewegen, mithin keine Veranlassung besteht, den Einwendungen des Klägers weiter nachzugehen.

57

Der in die Kalkulation des HB II eingestellte kalkulatorische Aufwand für die Erneuerung von Altkanälen in Höhe von 9.173.487 EUR findet seinen Niederschlag auch in der Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitrages, was wegen der sich im Verhältnis der Beitragssätze widerspiegelnden Gebotes der Belastungsgleichheit erforderlich ist. Anders gewendet: Was der Ermittlung des besonderen Herstellungsbeitrages zugrunde gelegt wird, muss auch Eingang in die Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrages gefunden haben. Nur so kann dem oben erörterten gemeinsamen Wesen dieser Beiträge hinreichend Rechnung getragen werden; gleiches gilt für ggf. beabsichtigte Deckungsquoten (dazu VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04 MD).

58

dd. Auch die in der Kalkulation ihren Eingang findenden realisierten und zukünftigen Grundstücksanschlusskosten in Höhe von 2.719.643 EUR (ca. 36% der in die Kalkulation HB I eingestellten Grundstücksanschlusskosten [7.419.910 EUR]) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Zuvorderst ist festzustellen, dass nach § 2 Abs. 2 SBAS der Beitrag – mithin auch der besondere Herstellungsbeitrag – außer bei Hinterliegergrundstücken – die Kosten der erstmaligen Herstellung des ersten Grundstücksanschlusses deckt, so dass gegen die Einstellung von Grundstücksanschlusskosten nichts zu erinnern ist. Die Kostenposition ermittelt der Beklagte, indem er den Altbestand an Grundstücksanschlüssen bis zum Stichtag erfasst und die Ist-Kosten bereits erneuerter Anschlüsse sowie die Plan-Kosten im Fall einer avisierten Erneuerung zugrunde gelegt. Hierbei legt der Beklagte einen durchschnittlichen Aufwand von 1.755 EUR je Anschluss zugrunde. Dass dieser Betrag überhöht ist, ist – vor dem Hintergrund der gerichtsbekannten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten – nicht ersichtlich. Soweit der Kläger „prüfbare Zahlenkolonnen“ einfordert, um die Höhe des insoweitigen kalkulatorischen Aufwands überprüfen zu können, vermag die Kammer dies angesichts des tabellarisch dargestellten konkreten Erneuerungsbedarfs der Grundstücksanschlüsse und der zugrunde gelegten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten nicht nachzuvollziehen.

59

ee. Dass der Beklagte sowohl im Rahmen der Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrags als auch des besonderen Herstellungsbeitrags den Anteil öffentlicher Verkehrsanlagen als Abzugsposten mit 0 EUR ausweist, ist offensichtlich dadurch bedingt, dass dieser seine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung im Trenn- und nicht im Mischsystem betreibt (vgl. Schmutzwasserbeseitigungssatzung und SBAS) und im Übrigen auch nicht Aufgabenträger hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung ist. Damit ist eine Belastung der Anlage des Beklagten durch die Straßenentwässerung auszuschließen. Dergleichen gilt soweit der Kläger meint, dass „Gemeinkosten“ auszugliedern sein. Ein in abzugsfähigen Kosten auszudrückender Anteil der Allgemeinheit bedingt dadurch, dass das Kanalnetz „durchzuspülen“ (Seuchenschutz) sei oder dem Überflutungsschutz diene, vermag die Kammer gleichsam nicht zu erkennen. Etwaige Kosten können insoweit nicht entstehen, wenn die Anlage – wie hier – im Trennsystem arbeitet, mithin Oberflächenwasser nicht aufnimmt.

60

ff. Die sich danach ergebenden Aufwendungen (aa. bis dd.) von insgesamt 22.740.371 EUR (tatsächliche Aufwendungen: 10.207.863 EUR, kalkulatorische Aufwendungen von 2010 bis zur Fertigstellung der öffentlichen Einrichtung) hat der Beklagte sodann um den Anteil der eingenommenen und geplanten Zuwendungen gekürzt. Unter Berücksichtigung des im Rahmen des allgemeinen Herstellungsbeitrags einzustellenden Aufwands von 85.302.438,00 EUR ermittelt sich bei einzustellenden tatsächlichen Zuwendungen (incl. verrechneter Abwasserabgabe) von 17.900.007 EUR und geplanten Zuwendungen von 1.007.500 EUR ein Altanschließeranteil von 1.749.106 EUR bei den realisierten und 220.026 EUR bei den prognostizierten Zuwendungen. Gegen die Berechnung ist dem Grunde als auch rechnerisch nichts zu erinnern.

61

gg. Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten bereits durch Schmutzwassergebühren refinanziert worden ist. Wäre dies der Fall, würde dies gegen den in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA enthaltenen Grundsatz streiten, dass Beiträge nur für „eigenen“ [Herstellungs-]Aufwand erhoben werden können. Ist der Aufwand jedoch durch Benutzungsgebühren im Sinne von § 5 KAG LSA refinanziert worden, führt dies ungeachtet deren Rechtswidrigkeit jedoch dazu, dass dieser Aufwand nicht noch einmal über Beiträge eingenommen werden darf. Greifbare Anhaltspunkte ergeben sich weder unter Berücksichtigung der seit dem Jahr 1992 maßgebenden Gebührensätze noch aus den vormals vom Beklagten kalkulierten Beitragssätzen bis 2002 (HB I), die zwischen 29,23 DM bis 21,00 DM lagen. Auch der vom Kläger zitierte Artikel vom 22.01.2004 (Gardelegener Kreisanzeiger „Frohe Botschaft für die Kunden: Das Wasser soll billiger werden“) führt insoweit nicht weiter. Denn allein der Umstand, dass eine positive Bilanz gezogen worden sei, die dazu geführt habe, dass die Schmutzwassergebühr für das Jahr 2004 gesenkt worden sei, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Dass alle Investitionen mit der „Gebühren- und Beitragskalkulation“ finanziert worden seien – wie der Kläger behauptet –, kann dem Artikel nicht entnommen werden. Dort wird lediglich ausgeführt, dass der Verbandsgeschäftsführer, …, erläutert habe, dass Gründe für die Gebührensenkung der fast 100%-ige Anschlussgrad sowie Großkunden (GÜZ, Grocholl) seien. Hinzu käme die Reduzierung von Abschreibungen auf technische Anlagen, da diese zum Teil 12 Jahre alt und damit praktisch erwirtschaftet seien. Im Bereich ... habe der Verband durch diverse Sanierungsarbeiten in alten Pumpwerken die Energiekosten reduzieren können. Schließlich spare der Verband auch bei den Zinszahlungen, da ein Großteil der Kredite bereits abgezahlt worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten bereits refinanziert worden seien, so dass es keiner Beitragserhebung mehr bedarf, ergeben sich hiernach nicht.

62

Die Kammer sieht sich auch deshalb nicht gehalten, den Anregungen des Klägers zu einer diesbezüglichen Sachverhaltsaufklärung weiter nachzugehen, weil die Refinanzierung von Investitionskosten über Benutzungsgebühren in Sachsen-Anhalt unzulässig ist (dazu Haack, a. a. O., § 8 Rn. 2108 m. w. N.; so auch VG Halle, Urt. v. 24.04.2013, 6 A 143/11). Vor dem Hintergrund des an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten (Art. 20 Abs. 3 GG) müssten insoweit schon solche Gründe vorgetragen werden bzw. ersichtlich sein, die zwingend für einen Verstoß dagegen sprechen würden.

63

hh. Auch der Vortrag des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zweimal abgerechnet habe, weil er Abschreibungen sowohl in der der Gebührenkalkulation als auch in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags berücksichtigt habe, verfängt nicht. Denn es besteht angesichts der vorliegenden Unterlagen kein Anhalt dafür, dass der Beklagte die gebührenwirksamen Abschreibungen auch im Rahmen des Investitionsaufwands (kalkulatorische Kosten) berücksichtigt hat.

64

Der Klägervertreter verkennt in diesem Zusammenhang die Systematik der Beitrags- und Gebührenkalkulation und -erhebung. Bei der Beitragskalkulation zur Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes wird der gesamte beitragsfähige Herstellungsaufwand berechnet. Grundlage dieser Berechnung ist der Investitionsaufwand vom Beginn bis zur endgültigen Herstellung der gesamten Einrichtung. Hinsichtlich der Investitionen, die nach dem Zeitpunkt der Kalkulation erfolgen sollen, ist der Aufwand zu prognostizieren. Ist – wie hier (s.o. im Einzelnen) – die Prognose ordnungsgemäß erfolgt, kommt es auf den tatsächlichen Herstellungsaufwand nicht an. Bei der Gebührenberechnung dürfen dagegen keine Investitionskosten berücksichtigt werden. Die in § 5 Abs. 2a KAGA LSA bezeichneten Anschaffungs- und Herstellungskosten dienen lediglich der Ermittlung der Abschreibungen, wobei der aus Beiträgen aufgebrachte Anteil – ebenso wie die Zuwendungen – außer Betracht bleibt (§ 5 Abs. 2 Satz 5 KAG). Jedenfalls was das hier allein interessierende Anschlussbeitragsrecht betrifft, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass kalkulatorische Abschreibungen nicht aufwandsmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Sachsen- Anhalt, B.. v. 01.07.2003, 1 M 492/02, juris; vgl. auch Lohmann in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 848 und Klausing, a.a.O., § 8 Rn. 990, wonach Abschreibungen nur für Erneuerungsbeiträge zu berücksichtigen seien).

65

ii. Auch die der Ermittlung des Beitragssatzes zugrunde liegenden (bevorteilten) Grundstücksflächen begegnen in Ansehung der dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie der in das Verfahren getragenen Aspekte keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die sich aus der Kalkulation des HB I ergebende beitragspflichtige Fläche von 5.436.749 qm ist auch im Rahmen der Beitragskalkulation des HB II zugrunde gelegt worden. Insoweit sind auch keine Grundbuchauszüge oder Kataster vorzulegen, aus denen sich in der Addition die zugrunde gelegte Fläche ergibt, zumal durch den Beklagten hinreichend erläutert wurde, dass der Flächenermittlung – amtliche – Dokumente, wie das ALB und ALK zugrunde lagen (vgl. §§ 126 ff. GBO, §§ 19 ff. VermGeoG LSA); daran (unbegründet) zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Flächenermittlung fehlerhaft ist, liegen weder vor noch werden sie vom Kläger substantiiert in das Verfahren eingeführt. Allein die Behauptung, die Richtigkeit der Flächenangaben sei fraglich, genügt nicht, zumal der Kläger durch die zur Verfügung stehenden Unterlagen (Kalkulation HB I) in die Lage versetzt wird, die Flächenangaben zu überprüfen und Ungereimtheiten aufzuzeigen. Denn ausgehend von der Kalkulation des HB I, in der die berücksichtigungsfähigen Flächen im Verbandsgebiet im Einzelnen gemeindebezogen tabellarisch aufgeführt werden, drängt sich eine – insbesondere zu geringe – unrichtige Berücksichtigung der heranzuziehenden Flächen dem Gericht nicht auf.

66

jj. Soweit der Kläger meint, der Beklagte müsse jede einzelne – in die Kalkulation eingestellte – Investition namentlich benennen und belegen, für was, wann, an wen gezahlt worden sei, damit er in die Lage versetzt werde, überprüfen zu können, dass die Ausgaben nicht bereits durch Gebühren refinanziert worden seien, so besteht hierzu aus Sicht des Gerichts kein Anlass. Maßgebendes Abgrenzungskriterium ist das Vorhandensein tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Für-Möglich-Halten rechtfertigende Anhaltspunkte. Finden sich solche im Prozessstoff nicht und nennt auch der Kläger solche nicht, die als Grundlage für seine Vermutung in Frage kommen oder verbietet sich nach seinem sonstigen Vorbringen sogar zweifelsfrei jegliche Vermutung, darf der Schluss gezogen werden, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. In einem derartigen Fall geht es dem Kläger nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keinerlei Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 09.01.2014, 6 K 1079/12, juris). Hier geht es dem Kläger ersichtlich darum, ermitteln zu lassen, ob die auf keinerlei objektivierbare Anhaltspunkte gestützten Behauptungen nicht vielleicht doch wahr sind, so dass kein Anlass besteht, detaillierte Unterlagen vom Beklagten abzufordern und gerichtlich zu überprüfen.

67

Nach Auffassung des Gerichts ist zwar die Frage nach der Einhaltung des sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ergebenden Aufwandsüberschreitungsverbots im Zusammenhang mit der Festsetzung des Beitragssatzes jedenfalls dann in Streitigkeiten Gegenstand der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), wenn der Kläger einen Verstoß dagegen nachhaltig rügt bzw. sich ein solcher aufdrängt. Diese Pflicht bedingt dann die Beiziehung einer Kalkulation hinsichtlich des maßgeblichen Beitragssatzes. Denn erst dadurch ist das Gericht überhaupt in der Lage, eine mit dem sogenannten richterlichen Fingerspitzengefühl (dazu BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, 9 CN 1.01, juris) verbundene Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Deshalb besteht für die abgabenerhebende Körperschaft die prozessuale Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Hs.2 VwGO), spätestens im gerichtlichen Verfahren die der Ermittlung des Satzes zugrunde liegende Kalkulation vorzulegen und ggf. entsprechend zu erläutern (dazu im Gebührenrecht: OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, 4 K 253/05). Eine in sich schlüssige und verständliche, mithin prüffähige Kalkulation, ist Grundlage und Ausgangspunkt für die dem Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Sachverhaltsaufklärungspflicht.

68

Dieser Pflicht ist der Beklagte vorliegend durch Vorlage seiner Beitragskalkulationen für den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag nachgekommen. Dem steht nicht der vom Kläger geltend gemachte Umstand entgegen, dass es sich dabei zugegebenermaßen lediglich um eine Zusammenfassung und Darstellung der Kosten handelt, die sich für die öffentliche Einrichtung aus der Gesamtheit der dem Beklagten entstehenden Kosten im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung handelt. Ungeachtet des Umstandes, dass die hier vorgelegten Kalkulationen nicht nur auf ihre rechnerische Ergebnisrichtigkeit, sondern auch dahingehend überprüfbar sind, welche wesentlichen Grundsätze der Beitragsermittlung zugrunde lagen (Beitragsfähigkeit der angesetzten Kosten, Herleitung der Kosten aus den jeweiligen Anlagegruppen [Klärwerk, Kanalsystem etc.], Verteilung der Gesamtkosten nach sachgerechten Schlüsseln auf die Altanschließer, Berücksichtigung des in der Abgabensatzung gewählten Maßstabes etc.), genügt ein Beklagter seiner prozessualen Mitwirkungspflicht in der Regel bereits dann, wenn die vorgelegte Kalkulation diesen Anforderungen gerecht wird. Denn der Inhalt einer Kalkulation ist gesetzlich nicht determiniert. Es handelt sich bei derselben aus der Sicht der Behörde um ein Rechenwerk, welches unter Beachtung der abgabenrechtlichen Aspekte geeignet sein muss, den in den einzelnen Vorschriften (§§ 5 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA) enthaltenen Ge- und Verboten gerecht zu werden. Eine Pflicht zur Erstellung einer darüber hinausgehenden Kalkulation ergibt sich weder aus den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes noch aus den für die Zweckverbände entsprechend anwendbaren Vorschriften des Gemeinderechts (vgl. § 16 Abs. 1 GKG LSA). Aus diesem Grunde geht auch die Annahme des Klägers fehl, bereits bei der Beschlussfassung über den Satz müsse der dafür zuständigen Körperschaft eine solche Kalkulation vorliegen (siehe dazu OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, a. a. O.). Der Kläger hat deshalb keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den zugrunde gelegten Aufwand bereits in der Kalkulation nachvollziehbarer darstellt. Diese sind aus sich heraus verständlich und dem Grunde nach nachvollziehbar. Weder die Kalkulation noch sonstige Umstände geben Veranlassung, diese Angaben des Beklagten in Zweifel zu ziehen.

69

Bestehen für ein Gericht aufgrund der vorgelegten Kalkulation keine belastbaren Zweifel daran, dass sich der festgesetzte Beitragssatz darauf zurückführen lässt, so besteht zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen keine Veranlassung, da dieses zu einer von § 86 Abs. 1 VwGO nicht gebotenen „ungefragten Fehlersuche“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, a. a. O.) führen würde, die sich auch nicht mit dem damit ggf. eintretenden Rechtsschutzziel des Klägers rechtfertigen ließe. Deshalb muss das Gericht nicht von Amts wegen jede mögliche Alternative erwägen und jedem nur möglichen Gesichtspunkt nachgehen. Aufklärungsmaßnahmen von Amts wegen sind nur dann veranlasst, wenn sich diese nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen. Gleiches gilt aufgrund allgemein von einer Partei geäußerter Zweifel an der Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns; auch dies gebietet es nicht, von Amts wegen in eine dezidierte Fehlersuche einzutreten (dazu Geiger in: Eyermann, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 86 Rn. 10 m w. N.).

70

Der Kläger steht auch bei der so angenommenen Reichweite von § 86 Abs. 1 VwGO nicht rechtsschutzlos. Denn das Gericht ist dann zu weiterer Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, wenn der Kläger konkrete Einwendungen wegen eines vom Beklagten vorgetragenen Sachverhaltes erhebt. Denn aus den Regelungen in § 82 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO, in § 86 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 4 VwGO sowie in § 95 Abs. 1 VwGO ergibt sich, dass die Beteiligten selbst verpflichtet sind, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Es handelt sich dabei neben der prozessualen Pflicht zugleich um eine materielle Mitwirkungslast (dazu Breuning in: Posser/Wolff, VwGO, Komm., § 86 Rn. 46 m. w. N.). Die Mitwirkung eines Klägers an der Aufklärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit Feststellung eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot ist ihm auch zumutbar. Sieht ein Gericht von sich aus keine Veranlassung, aufgrund einer vorgelegten Kalkulation weitere Nachforschungen von Amts wegen anzustellen, so ist es einem Beteiligten zuzumuten, seine Zweifel an der Höhe des Beitragssatzes durch konkrete Einwendungen in einer Weise zu substantiieren, aus denen sich für das Gericht eine weitergehende Sachverhaltsaufklärungspflicht ergibt. Die Beantwortung der Frage nach weiterer Sachverhaltsaufklärung richtet sich dabei nach objektiven Kriterien und nicht nach subjektiven Fähigkeiten eines Beteiligten. Dass vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrautem Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erstattungsfähig sein können (vgl. BVerwG, B. v. 13.03.1992, 4 B 39/92, juris). Jedenfalls ist es einem Kläger, der die Auffassung vertritt, die in der Satzung festgesetzte Höhe des Beitrages verstoße gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zumutbar, sich durch detaillierte Fragen in die Lage zu versetzen, derartig konkrete Einwendungen führen zu können und substantiierte Kalkulationsrügen einzubringen. So bleibt es ihm unbenommen, im Widerspruchs- und auch im gerichtlichen Verfahren z. B. zu erfragen, wie sich die einzelnen Kostenpositionen zusammensetzen und auf welcher Grundlage die erfolgten Prognosen beruhen (vgl. zum Vorstehenden auch OVG LSA, B. v. 02.03.2010, 4 L 200/09OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.03.2011, 9 S 95.10; BayVGH, B. v. 03.01.2012, 20 ZB 11.1112; alle juris).

71

In dieser Weise hat der Kläger hier nicht vorgetragen. Vielmehr hat er lediglich allgemeine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe des Beitragssatzes geäußert und dessen Richtigkeit in Frage gestellt.

72

kk. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot verstößt.

73

Soweit hier im Rahmen der Kalkulation sowohl beim allgemeinen als auch beim besonderen Herstellungsbeitrag die verrechnete Abwasserabgabe als Abzugsposten eingestellt worden ist, ist fraglich, ob diese zur Ermittlung des „eigenen [umlagefähigen] Aufwandes“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vom beitragsfähigen Aufwand abzuziehen ist. Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es sich dabei aus seiner Sicht um „ersparten [Investitions-]Aufwand“ handelt, selbst wenn dies im Rahmen der Abwasserabgabe (§ 10 Abs. 2 bis 5 AbwAG) realisiert wurde. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die infolge der Verrechnung mit Investitionen eingetretene Folge zu keiner – wie bei direkten Zuwendungen – unmittelbaren Minderung der Investitionskosten für die öffentliche Einrichtung führt, sondern lediglich eine „Ersparnis“ in Bezug auf die eigentlich zu leistende Abwasserabgabe bewirkt (vgl. zu den Auswirkungen für die Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 5 KAG LSA auch § 7 Abs. 4 AG AbwAG LSA).

74

Ob die verrechnete Abwasserabgabe wie aufwandsmindernde Zuwendungen Dritter zu behandeln sind, kann schlussendlich deshalb dahinstehen, weil dies allenfalls einen noch höheren berücksichtigungsfähigen Aufwand bewirken würde, der höchstmögliche Beitragssatz mithin über dem ermittelten Beitragssatz von 3,82 €/m² liegen würde. Ein zu geringer Beitragssatz beschwert den Kläger jedoch nicht. Dies ergibt sich aus folgendem:

75

Für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es erforderlich, dass dieser den Kläger selbst in seinen Rechten einschließlich sog. rechtlich geschützten Interessen verletzt, d. h. Vorschriften oder allgemeine Rechtsgrundsätze verletzt, die zumindest auch den Schutz der Interessen des Klägers zum Ziel haben; sog. Schutznormen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Auflage, § 113 Rn. 26; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 11. Auflage, § 113 Rn. 20 h. M.). Ob und in welchem Umfang eine Norm des objektiven Rechts auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist, ist eine Frage der Auslegung, die unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung und der in dieser wirksamen Schutz- und Zweckbestimmungen mit den üblichen juristischen Methoden der Auslegung zu beantworten ist. Diese führt vorliegend dazu, dass der hier insbesondere einschlägigen Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ein doppelter Regelungsgehalt innewohnt. Die Norm schützt einerseits den Abgabepflichtigen in Bezug auf Art, Höhe sowie andere Umstände der Abgabe und wirkt andererseits normenkonkretisierend und -ausfüllend im Sinne kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften (§ 91 GO LSA/ § 99 KVG LSA i. V. m. § 16 Abs. 1 GKG LSA). In Bezug auf den Rechtskreis zum potentiell Beitragspflichtigen ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abgaben. In diesem Sinne ist die Vorschrift notwendige Eingriffs- und Befugnisnorm i. S. v. Art. 20 Abs. 3 GG. Sie schützt ihn insoweit, dass nur solche Abgaben und Abgaben in der Höhe erhoben werden, wie diese von Gesetzes wegen vorgesehen sind, bestimmt mithin Inhalt und Schranken des Eingriffs in seine Rechte. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erlaubt deshalb eine Beitragserhebung nur für die darin benannten Maßnahmen und nur in aufwandsdeckender Höhe (sog. Aufwandsüberschreitungsverbot).

76

Entfaltet § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA gegenüber einem potentiell Beitragspflichtigen Schutzwirkungen lediglich in diesem Umfang, kann ein Beitragsbescheid, mit dem ein Anschlussbeitrag nach § 6 KAG LSA festgesetzt wird, den Kläger nicht etwa deshalb in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen, weil er auf einer Abgabensatzung mit einem Beitragssatz beruht, der im Ergebnis den Aufwand für die beitragspflichtige Maßnahme nicht im vollen Umfange zu refinanzieren in der Lage ist. Denn erschöpfen sich die Schutzwirkungen einer gesetzlichen Norm darin, die Höhe des Beitrages zu begrenzen, so besteht keine Veranlassung, eine Verletzung in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann anzunehmen, wenn die beitragserhebende Körperschaft mit der auf der Grundlage dieser Vorschrift allein zum Zwecke des Eingriffs in die Rechte des Bürgers erlassenen Beitragssatzung ggf. gegen andere als die in der gesetzlichen Norm selbst angelegten Schutzzwecke verstößt. Von einer die Beitragserhebung nach § 6 KAG LSA umsetzenden Satzung kann mithin nicht mehr an Rechtsverletzung für einen Kläger ausgehen, als diese dem Bürger an Schutz durch die gesetzliche Norm selbst gewährt wird. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i. V. m. § 91 Abs. 1 und 2 GO LSA darüber hinaus zugleich die Verpflichtung zur Erhebung von (aufwandsdeckenden) Beiträgen enthält (zur insoweit bestehenden Beitragserhebungspflicht: Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 507), rechtfertigt ein darauf beruhender Rechtsverstoß allenfalls ein kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten nach §§ 136 ff. GO LSA/ §§ 146 ff. KVG LSA. Aus diesen Gründen sind auch Beitragssatzungen, deren Beitragssatz (wesentlich) hinter dem ermittelten bzw. ermittelbaren höchstzulässigen Beitragssatz zurückbleibt, geeignet, (sachliche) Beitragspflichten zu begründen. Deshalb findet das Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörde ihre Rechtfertigung auch nicht in der Unwirksamkeit der Satzung, sondern allein in der Korrektur einer (kommunalrechtlichen) Pflichtverletzung.

77

Vorstehendes unterscheidet sich deshalb von den Rechtsfolgen die eintreten, wenn eine Satzung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nicht gerecht wird. Denn insoweit schützt § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA den Bürger dahingehend, dass Abgaben nur auf der Grundlage einer wirksamen Satzung erhoben werden dürfen. Diese Schutzvorschrift ist bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA verletzt. Hier wird die Satzung § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA jedoch gerecht, da ein solcher Beitragssatz enthalten ist, der den Anforderungen der Schutznorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entspricht.

78

2.2.2.2. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der übrigen Regelungen der SBAS mit höherrangigem Recht bestehen ebenfalls nicht.

79

aa. Insbesondere ist der vom Beklagten in § 4 SBAS gewählte modifizierte Flächenmaßstab, der sich an der bevorteilten Grundstücksfläche und dem (zulässigen) Maß der baulichen Nutzung in der Gestalt der Anzahl der Vollgeschosse orientiert, für die Erhebung eines Beitrags zur Herstellung einer zentralen Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der geeignet ist, dem in § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA festgelegten Vorteilsprinzip Rechnung zu tragen (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn 2173 ff. m. w. N.). Da es sich dabei lediglich um den Maßstab für die Beitragserhebung für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage handelt, kommt es nicht darauf an, welcher Maßstab für andere Entsorgungsarten – zentral, dezentral, Niederschlagswasser, Bürgermeisterkanäle – für die Abgabenerhebung geeignet ist. Insoweit betreibt der Beklagte ausweislich seiner SBS zur Beseitigung des in seinem Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers vier rechtlich selbstständige Anlagen als öffentliche Einrichtung (vgl. § 1 Abs. 1 SBS, § 1 Abs. 1 lit. a bis d SBS). Hierzu zählen neben der hier streitbefangenen Einrichtung zur zentralen Beseitigung und Reinigung von Schmutzwasser die öffentliche Einrichtung zur Aufnahme und Ableitung des in Hauskläranlagen auf den Grundstücken vorbehandelten Schmutzwassers ohne anschließende Reinigung des Schmutzwassers in einem Klärwerk (Bürgermeisterkanal) sowie die öffentlichen Einrichtungen zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung für Schmutzwasser aus Sammelgruben und für Fäkalschlamm aus einzelnen Hausklär- oder gemeinschaftlichen Grundstückskläreinrichtungen. Der Beklagte ist dagegen nicht Träger der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung, so dass er insoweit auch keine öffentliche Einrichtung betreibt.

80

bb. Auch die nach Erfahrungen des Gerichts in der jüngsten Vergangenheit vermehrt in den Mittelpunkt der rechtlichen Erörterung getretene Frage nach der Vereinbarkeit der auch hier in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS enthaltenen Tiefenbegrenzungsregelung ist vorliegend zu bejahen. Zuvorderst sieht sich das Gericht jedoch veranlasst darauf hinzuweisen, dass deshalb nicht gleichsam jede Satzung insoweit auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA von Amts wegen zu untersuchen ist. Denn dass eine Tiefenbegrenzungsregelung auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen grundsätzlich rechtlich zulässig ist, ist hinreichend geklärt. Erst wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die der Tiefenbegrenzungsregelung zugrunde liegenden Tatsachen nicht zutreffend sind, besteht für das Gericht in Ansehung von § 86 Abs. 1 VwGO Veranlassung, dem weiter nachzugehen.

81

Nach § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS gilt als bevorteilte Grundstücksfläche in den Fällen, in denen die Grundstücksfläche teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegt, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen dem Grundstück, in dem der Hauptsammler verläuft (Hauptsammlergrundstück), und einer im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen. Diese Regelung ist vorteilsgerecht, was der alleinige Beurteilungsmaßstab ist, weil sie geeignet ist, orientierend an den örtlichen Verhältnissen, hinreichend den für die Ermittlung des auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen für die Beitragsbemessung maßgeblichen (bauplanungsrechtlichen) Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, 9 A 158/11 MD; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, 4 K 245/1, jeweils m. w. N; BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, 9 C 9/13 zum Erschließungsbeitragsrecht; alle juris).

82

Dies gilt auch, sofern das OVG LSA in seinem Beschluss vom 21.10.2014 unter Hinweis auf das dem Normgeber insofern zustehende Ermessen darauf verweist, Voraussetzung für dessen ordnungsgemäße Ausübung sei es, dass er die Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermittelt und das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüft, jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen darf. Insofern gilt – im Lichte der Ausführungen der Gerichte in den vorstehend zitierten Entscheidungen – das Folgende:

83

Ist die Aufnahme einer Tiefenbegrenzung in eine Beitragssatzung gesetzlich allein durch den Vorteilsbegriff des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA legitimiert, unterliegt sie in Bezug auf ihre dahingehende Vereinbarkeit der gerichtlichen Kontrolle. Hat das Gericht Veranlassung zu der Annahme, die in einer Satzung festgelegte Tiefenbegrenzung sei damit nicht vereinbar, hat es den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, dass es die Körperschaft anhält, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die festgelegte Tiefenbegrenzung ergeben soll. Eine weitergehende „Aufklärung der örtlichen Verhältnisse“ dürfte dagegen regelmäßig nicht angezeigt sein, da insofern die Vermutung besteht, dass bereits solche Unterlagen vorgelegt wurden, die aus der Sicht der Körperschaft das Ergebnis zu tragen in der Lage sind. Dies gilt selbstredend dann nicht, wenn die Unterlagen z. B. von einer ganz anderen Herangehensweise geprägt sind und die nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass die Tiefenbegrenzung den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. dazu VG Magdeburg, Urt. v. 07.03.2012, 9 A 190/10 MD zu § 86 Abs. 1 VwGO). Nicht allein maßgebend ist dagegen, ob und welche Unterlagen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorlagen. Es ist seit geraumer Zeit in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Landes Sachsen-Anhalt geklärt, dass die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm allein davon abhängt, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist (so schon OVG LSA, B. v. 19.06.2001, 1 L 267/01). Dies ist mithin auch der alleinige Maßstab für die gerichtliche Prüfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung.

84

Vorteilsgerecht ist die Festlegung einer Tiefenbegrenzung dann, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer typisierenden Wirkung geeignet ist, die bevorteilte Grundstücksfläche zu ermitteln. Zu Recht weist das OVG LSA insoweit darauf hin, dass das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüfen darf; diese ergeben sich insoweit aus dem Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA. Anhand der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht schlussendlich die Ermessensentscheidung – die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung – auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA zu beurteilen. Da der „Weg“ zum „Ergebnis“ sich – anders als bei der Ermittlung des Beitragssatzes – nicht in einem schlichten Rechenvorgang erschöpft, sondern der Körperschaft Spielräume überlässt, ist die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung dann aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sie sich innerhalb eines „Korridors“ bewegt, der durch die Tiefe der baulichen Nutzungen geprägt wird. Die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung kann vom Gericht nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzt werden; der Behörde steht insofern ein nicht weiter gerichtlich kontrollierbares Satzungsermessen zur Seite.

85

Die Tiefe der baulichen Nutzungen kann auch durch bauakzessorische Flächen geprägt werden (so auch BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, a. a. O.). Dabei handelt es sich um solche, die sich zwischen dem Hauptgebäude und dem Außenbereich befinden; bei dem „Hauptgebäude“ kann es sich entweder um ein isoliertes Gebäude (i. d. R. Wohnhaus) oder um einen Gebäudekomplex dann handeln, wenn diese in einem baulichen Zusammenhang stehen (Haus mit Stallungen, Scheune etc.); die sich daran anschließenden Flächen gehören dann zum Innenbereich, wenn darauf solche Nutzungen verwirklicht werden, die von der Hauptnutzung abgleitet sind. Dies dokumentiert sich in erster Linie darin, dass sich dort bauliche Nebenanlagen befinden (Hühnerstall, Gerätehaus, Schuppen, Pool, überdachte Sitzgelegenheiten etc). Aber auch ein Hausgarten, der sich anschließt - und dann ohne Zweifel in den Außenbereich als außenbereichstypische Nutzung übergeht -, kann zum Innenbereich gehören (vgl. zum Vorstehenden Söfker in: Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rn. 25f.). Bei der Beurteilung, ob ein Hausgarten als akzessorische Nutzung prägend ist, ist ebenfalls auf die konkreten örtlichen Verhältnisse abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Grundstücke im Innenbereich ebenso geprägt sind.

86

In Anbetracht dessen, leidet eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nur dann an einem Rechtsfehler, wenn sie diesen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Dafür liegen in Ansehung der dem Gericht vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte vor. Zwar lässt sich der am 18.03.2010 erstellten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 vorliegenden „Ermittlung der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung von Grundstücken“ entnehmen, dass die Bebauungstiefe der Grundstücke, für deren unrepräsentative Auswahl das Gericht keine Anhaltspunkte hat, durchschnittlich 40 m beträgt. Zwar ist die Ermittlung eines Durchschnittswertes für die Festlegung der Tiefenbegrenzung nicht geeignet, die bevorteilten Grundstücksflächen zu ermitteln; vielmehr ist die ortsüblich prägende Tiefe der baulichen Nutzung maßgebend (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, a. a. O.; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Den Unterlagen lässt sich jedoch auch entnehmen, dass die in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS festgelegte Tiefe von 40 m derjenigen der prägenden baulichen Nutzung entspricht. Dies hat das Gericht unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung anerkannten „Gruppenbildung“ durch Berechnung nachvollzogen. Diese Tiefe liegt jedenfalls nicht außerhalb des „Korridors“, bei dem unter Berücksichtigung der mit einer Tiefenbegrenzung regelmäßig einhergehenden Pauschalierung und Typisierung eine vorteilsgerechte Bestimmung der beitragsfähigen Grundstücksfläche vorgenommen werden kann.

87

Das Gericht sieht aus Anlass der Regelung in § 32 SBAS vom 04.02.2015 Anlass zu folgenden Hinweisen:

88

Wird eine Tiefenbegrenzung den oben dargelegten Anforderungen nicht gerecht, so dürfte dies regelmäßig zur Unwirksamkeit einer Satzung deshalb führen, weil nicht festgestellt werden kann, ob der Satzungsgeber die Satzung auch ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung erlassen hätte (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, a. a. O.; v. 28.05.2012, a. a. O. sowie B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Zwar könnte der insoweit mutmaßliche Wille des Satzungsgebers durch die Aufnahme einer salvatorischen Klausel in die Satzung dokumentierbar sein. Doch selbst wenn dieser anhand einer salvatorischen Klausel nunmehr festgestellt werden könnte, würde es der Satzung dann an einer Vorschrift für die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche für solche Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, mangeln; eine solche dürfte jedoch deshalb zwingend erforderlich sein, weil der Maßstab allgemein an die „Grundstücksfläche“ anknüpft, die dann je nach bauplanungsrechtlicher Situation des Grundstücks wegen der Vielzahl der Anwendungsfälle zwingend in der Satzung zu definieren ist und nicht der Rechtsanwendung im Einzelfall überlassen werden darf (vgl. OVG LSA, B. v. 10.07.2004, 1 M 34/04). Sofern die salvatorische Klausel darüber hinaus für den Fall der Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nur die Teile des Grundstücks als bevorteilt erklärt, die im Innenbereich belegen sind – was mithin im Einzelfall zu ermitteln ist –, so dürfte es sich dabei um eine „unter Vorbehalt“ in die Satzung aufgenommene Vorschrift handeln, die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Klarheit von Rechtnormen nicht genügt, da der Rechtsunterworfene sein Handeln daran nicht ausrichten kann. Hier wäre das Recht jedoch nur „für den Fall der Unwirksamkeit“ gesetzt, deren Beurteilung entweder der Rechtsunterworfene gar nicht vornehmen kann bzw. nicht in seiner Macht steht.

89

3. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor. So ist für das Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden (3.1.). Es bestehen zudem keine Bedenken gegen den Zeitpunkt, zu dem der Beklagte die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Beitrages geschaffen hat (3.2.); gleiches gilt hinsichtlich des Erlasses des hier streitigen Beitragsbescheides (3.3.).

90

3.1. Der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist auch für den besonderen Herstellungsbeitrag in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelt. Auch für Grundstücke, die dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, gilt deshalb, dass die sachliche Beitragspflicht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA – neben dem dort normierten Satzungserfordernis – entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Da die Rechtsprechung in erster Linie auf die Schaffung der öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne abstellt, ist es jedoch nicht erforderlich, dass sämtliche Teile der übernommenen Anlage – und damit zwingend auch die vor dem beitragspflichtig gestellten Grundstück – erneuert worden sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entstehen kann. Zwar hängt das Bestehen der Vorteilslage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA neben der tatsächlichen Möglichkeit der Anschlussnahme auch von der rechtlichen Sicherung ab. Hat aber eine Kommune oder ein Zweckverband nach Inkrafttreten des KAG LSA eine vorhandene Anlagen übernommen und den bei der Übernahme an diese Anlage angeschlossenen Altanschlussnehmern zur Nutzung zur Verfügung gestellt, setzt die dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit auch der bereits angeschlossenen Grundstücke die Widmung der Anlage voraus, die nach § 8 Satz 1 Nr. 1 GO LSA/ § 11 Abs. 2 KVG LSA grundsätzlich durch Erlass einer Satzung erfolgt, mit der die Benutzung der öffentlichen Einrichtung geregelt und der Zugang zu ihr eröffnet wird. Damit wird auch den (Alt-)Anschlussnehmern ein Anschlussrecht und eine Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung eingeräumt (vgl. OVG LSA, B. v. 22.11.2004, 1 L 41/03). Stellen (auch) die übernommenen Altkanäle eine hinreichende und dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit für die Altanschlussnehmer sicher (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, a. a. O.), so muss die öffentliche Einrichtung im Übrigen jedoch einen solchen Ausbauzustand erreicht haben, wie er für die Entstehung eines allgemeinen Herstellungsbeitrages erforderlich ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem besonderen Herstellungsbeitrag eben um einen Herstellungsbeitrag handelt und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Beitrag die mit der herzustellenden öffentlichen Einrichtung gebotene Vorteilslage und nicht die in der Vergangenheit bewirkte abgelten soll. Daraus folgt, dass zumindest die nach dem Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehene Abwasserbehandlungsanlage betriebsbereit hergestellt sein muss (vgl. OVG LSA, B. v. 12.11.2007, 4 M 253/07 zur Betriebsbereitschaft). Diese Voraussetzungen liegen hier mit dem Erreichen des mittlerweile endgültigen Ausbauzustandes der Kläranlage in A-Stadt vor.

91

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die vom Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betriebene öffentliche Einrichtung für das – dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegenden – Grundstück betriebsfertig i. S. v. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA, weshalb sie geeignet ist, dem Grundstück einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Inanspruchnahmevorteil in Bezug auf die zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Anlagen der Abwasserbeseitigung zu vermitteln, der zur Beitragserhebung berechtigt.

92

Vorliegend kann offen bleiben, ob das klägerische Grundstück – was zwischen den Beteiligten im Streit steht – zum hier maßgebenden Stichtag (15.06.1991) bereits angeschlossen gewesen war oder etwa wegen des Verlaufs des unstreitig in der Bahnhofstraße vorhandenen Hauptsammlers lediglich eine Anschlussmöglichkeit besessen hat, denn die bloße Anschlussmöglichkeit genügt, um insoweit die Beitragspflicht zu begründen.

93

3.2. Werden unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung oder wie hier in satzungsloser Zeit – denn der Beklagte hat erstmals in seiner Satzung vom 29.09.2010 (SBAS) die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrags normiert – die Voraussetzungen für eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Anschlussmöglichkeit geschaffen, entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. OVG LSA, seit B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98; B. v. 25.01.2011, 4 L 234/09; Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02, m.w.N.; vgl. auch B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98 ; Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke gleichwohl erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Abgabensatzung (dazu oben 2.). Dies gilt auch in den Fällen des sog. besonderen Herstellungsbeitrags (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris; OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Anders gewendet: Die beitragsbegründende Satzung kann der tatsächlichen Schaffung der öffentlichen Einrichtung auch nachfolgen, ohne dass es sich dabei um eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung handelt würde (vgl. OVG LSA, Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02).

94

Dass die Anschlussvoraussetzungen vorliegend bereits Anfang/ Mitte der 1990-er Jahre geschaffen wurden und erst ca. 20 Jahre später die satzungsrechtliche Grundlage für die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrages durch den Beklagten gesetzt wurde, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar war § 6 Abs. 6 KAG LSA in der bis zum 23.12.2014 geltenden Fassung auf Grund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 05.03.2013, 1 BvR 2457/08, juris) zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar (OVG LSA, B. v. 03.12.2014, 4 L 59/13 zum leitungsgebundenen Abgabenrecht; auch Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13 zum Straßenausbaubeitragsrecht). Dieses Gebot schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Regelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherstellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen – so das Bundesverfassungsgericht – liege in der Abgeltung eines tatsächlich eingetretenen Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, B. v. 05.03 2013, 1 BvR 2457/08, juris). Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben – je nach landesrechtlicher Regelung zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht – mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, B. v.. 26.08.2013, 9 B 13.13; vgl. auch Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils juris). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704, juris; VG Magdeburg, Urt. v. 25.02.2014, 2 A 44/12 MD; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13; Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147 jeweils zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 487c; ders., KStZ 2014, 181 f.; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241 f.; Martensen, LKV 2014, 446; grundsätzlich auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2014, 2 S 2228/13 sowie OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, beide juris). Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft damit auch den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag bei leitungsgebundenen Anlagen i.S.d. § 6 Abs. 1 KAG LSA, was den Gesetzgeber verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

95

Dem ist der Landesgesetzgeber nachgekommen, indem er mit der zum 24.12.2014 in Kraft getretenen Neufassung des Kommunalabgabengesetzes durch das Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA S. 522) in §§ 13b Satz 1, 18 Abs. 2 KAG LSA bestimmt hat, dass eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen ist, wobei die danach zu bestimmende Ausschlussfrist nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 endet. Dass diese Neuregelung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist im Lichte der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben mangels gesetzlicher Regelung (vgl. dazu u. a. BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, a. a. O.; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, a. a. O.; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, alle juris) weder ersichtlich noch wird dies von den Beteiligten geltend gemacht. Für das hier anhängige Verfahren bedeutet dies, dass obgleich die Vorteilslage für das klägerische Grundstück bereits mit der erstmaligen Widmung im Satzungsrecht des Beklagten bereits Anfang der 90-er Jahre entstanden ist, dieser nicht rügen kann, erst im Jahr 2011 zum besonderen Herstellungsbeitrag herangezogen worden zu sein, da die gesetzliche Ausschlussfrist gemäß § 18 Abs. 2 KAG LSA nicht vor dem 31.12.2015 ablaufen kann. Auch wenn die Neufassung des KAG LSA nur ex nunc Geltung beanspruchen würde, führt dies zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis, da das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13) unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträgen, juris) zu Recht ausgeführt hat, dass die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelung jedenfalls bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden konnte. Zwar ist es – wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 05.03.2013 ausdrücklich festgestellt hat – Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v.. 02.10.2014, 4 L 125/13) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13). Allerdings war eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10.09.2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn – wie hier – eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird bzw. erfolgt ist. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Norm in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13), geht man mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11/13, juris) davon aus, dass zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden kann. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung von Kommunalabgaben nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch VGH München, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704; BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, juris zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

96

3.3. In Anwendung der satzungsrechtlichen Regelung hat der Beklagte den besonderen Herstellungsbeitrag auch der Höhe nach auf 794,84 EUR richtig festgesetzt, indem er der Festsetzung eine Grundstücksfläche von 641 qm, einen Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung sowie einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm zugrunde gelegt hat. Soweit der Kläger (wohl) geltend macht, der Beklagte habe § 6 c Abs. 2 KAG LSA jedenfalls deshalb fehlerhaft umgesetzt, so ist das Gericht nicht gehalten, dem weiter nachzugehen (vgl. oben 2.2.2.1. jj.). Dies auch deshalb nicht, weil die Ermittlung des durchschnittlich großen Wohngrundstücks im Sinne von § 6 c Abs. 2 KAG LSA keinen Einfluss auf die Höhe des Beitragssatzes hat, sondern als gesetzlich angeordnete Billigkeitsmaßnahme, allein bei der Veranlagung des einzelnen Grundstückseigentümers zu berücksichtigen ist (vgl. dazu Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn. 2237 f.). Aus diesen Gründen besteht kein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass sich die Bestimmung des § 6 SBAS, nach der die Durchschnittsgröße 1.156 m² beträgt und das überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstück bis 1.503 m² voll herangezogen wird, Einfluss auf die hier maßgebliche Beitragsfestsetzung haben kann.

97

Soweit der Kläger rügt, er habe im Verfahren nur unzureichend Akteneinsicht erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO lediglich auf die dem Gericht vorgelegten Akten bezieht. Dass der Kläger in Wahrheit rügt, das Gericht hätte weitere Unterlagen beiziehen müssen, berührt nicht sein Akteneinsichtsrecht, sondern allenfalls sein Recht aus § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, sofern dies zu seiner Überzeugungsbildung erforderlich ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011, 4 K 31/06, juris). Dass die Beiziehung weiterer Unterlagen im vorstehend bezeichneten Sinne nicht geboten war, ist bereits unter 2.2.2.1. jj. erörtert worden.

98

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

99

III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von

1.
Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes aufweist,
2.
Schmutzwasser in ein beim Abbau von mineralischen Rohstoffen entstandenes oberirdisches Gewässer, sofern das Wasser nur zum Waschen der dort gewonnenen Erzeugnisse gebraucht wird und keine anderen schädlichen Stoffe als die abgebauten enthält und soweit gewährleistet ist, dass keine schädlichen Stoffe in andere Gewässer gelangen,
3.
Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt,
4.
Niederschlagswasser von bis zu drei Hektar großen befestigten gewerblichen Flächen und von Schienenwegen der Eisenbahnen, wenn es nicht über eine öffentliche Kanalisation vorgenommen wird.

(2) Die Länder können bestimmen, dass das Einleiten von Abwasser in Untergrundschichten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaffenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.

(3) Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, so können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Dies gilt nicht für den nach § 4 Abs. 4 erhöhten Teil der Abgabe. Ist die Abgabe bereits gezahlt, besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch; dieser Anspruch ist nicht zu verzinsen. Die Abgabe ist nachzuerheben, wenn die Anlage nicht in Betrieb genommen wird oder eine Minderung um mindestens 20 vom Hundert nicht erreicht wird. Die nacherhobene Abgabe ist rückwirkend vom Zeitpunkt der Fälligkeit an entsprechend § 238 der Abgabenordnung zu verzinsen.

(4) Für Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 60 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht oder angepasst wird, gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist.

(5) Werden in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Abwasseranlagen errichtet oder erweitert, deren Aufwendungen nach Absatz 3 oder 4 verrechnungsfähig sind, so können die Aufwendungen oder Leistungen hierzu nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 auch mit Abwasserabgaben verrechnet werden, die der Abgabepflichtige für andere Einleitungen in diesem Gebiet bis zum Veranlagungsjahr 2005 schuldet.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin.

2

Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 15. März 2007 eine Neufassung der Hundesteuersatzung, die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007 veröffentlicht wurde.

3

Nach § 1 Abs. 2 dieser Satzung ist das Halten von mehr als drei Monate alten Hunden durch natürliche Personen im Stadtgebiet Gegenstand einer Steuer.

4

Diese wird nach § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung vom Halter des Hundes, d. h. demjenigen geschuldet, der einen Hund zu persönlichen Zwecken in seinem eigenen Haushalt oder Wirtschaftsbetrieb aufgenommen hat.

5

Die als Jahressteuer erhobene Steuer entsteht nach § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung zu Beginn des Kalenderjahres. Sie wird nach § 5 Abs. 2 jährlich zum 1. Juli fällig und mit Bescheid entsprechend § 5 Abs. 1 der Satzung festgesetzt.

6

§ 6 Abs. 1 der Satzung sieht unterschiedliche Steuersätze für den ersten, den zweiten oder einen weiteren Hund bzw. für gefährliche, nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde oder Hunde einer Rasseliste vor. Es heißt dort:

7

„Die Steuer wird nach der Anzahl der gehaltenen Hunde bemessen. Sie beträgt jährlich:

8

1. für den ersten Hund

  96,00 Euro

2. für den zweiten Hund

144,00 Euro

3. für jeden weiteren Hund

192,00 Euro

4. für einen gefährlichen Hund

500,00 Euro

5. je Hund, wenn die Hundehaltung nicht ordnungsgemäß erfolgt

250,00 Euro

6. für folgende Hunde (Rasseliste) beträgt die Hundesteuer bis zum Erlass eines Landesgesetzes oder einer Landesverordnung

500,00 Euro

(…)

        

American Staffordshire Terrier oder Staffordshire Terrier

(…)”

9

In § 6 Abs. 2 der Satzung ist der Begriff des gefährlichen Hundes wie folgt definiert:

10

„Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb ein Leinen- und/oder Maulkorbzwang unanfechtbar angeordnet wurde oder die per Gesetz oder Verordnung als gefährlich eingestuft wurden.“

11

§ 6 Abs. 3 der Satzung sieht vor:

12

„Die Feststellung der nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall erfolgt durch die zuständige Sicherheitsbehörde. Nicht ordnungsgemäß ist die Hundehaltung i.S. von Abs. 1 Nr. 5 insbesondere dann, wenn der Hundehalter gegen strafrechtliche Bestimmungen oder innerhalb von 6 Monaten mehrfach gegen Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen.“

13

§ 6 Abs. 5 der Satzung ergänzt:

14

„Für nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde i.S. des Abs. 3 erfolgt eine Besteuerung nach den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Steuersätzen, wenn der Hundehalter in den letzten zwei Jahren nicht gegen strafrechtliche Bestimmungen oder Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen. Der 2-Jahres-Zeitraum beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die nicht ordnungsgemäße Hundehaltung von der zuständigen Sicherheitsbehörde festgestellt worden ist.“

15

Nachdem am 1. März 2009 das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 in Kraft getreten war, beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am 10. September 2009 die 2. Änderungssatzung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007. Diese Änderungssatzung wurde im Amtsblatt Nr. 41/2009 vom 23. Oktober 2009 veröffentlicht.

16

Hiernach wurde rückwirkend zum 1. März 2009 § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung aufgehoben. § 6 Abs. 2 wurde wie folgt geändert:

17

„(2) Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vollziehbar als gefährlich festgestellt wurden.“

18

Die Antragsteller sind Halter eines Hundes der Rasse American Staffordshire Terrier. Unter dem 2. Januar 2008 erging gegen die Antragstellerin zu 1. ein Abgabenbescheid, durch den sie zur Zahlung von Hundesteuer in Höhe von 96,00 € verpflichtet wurde. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, in einem Formular Angaben zur Rasse ihres Hundes zu tätigen. Die Antragsteller sandten das Formular mit der Angabe zur Rasse des Hundes ausgefüllt zurück, legten aber zugleich mit Schreiben vom 23. Januar 2008 Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 2. Januar 2008 ein.

19

Mit Datum vom 18. Februar 2008 erging - dieses mal gegen beide Antragsteller - ein Änderungsbescheid, mit dem die Hundesteuer wegen der Rassezugehörigkeit des Hundes abweichend auf 500,00 € festgesetzt wurde. Zugleich wandte sich die Antragsgegnerin schriftlich an die Antragsteller und schlug vor, das bereits anhängige Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Hundesteuerbescheid gegen den Abänderungsbescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 erklärten die Antragsteller, den Widerspruch nicht zurückziehen und aufrechterhalten zu wollen.

20

Unter dem 18. Mai 2009 ist - unter Hinweis auf das am 1. März 2009 in Kraft getretene Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren - ein weiterer Änderungsbescheid ergangen, der die Hundesteuer für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2009 auf 80,00 € und ab dem 1. Juli 2010 auf jeweils 96,00 € pro Jahr festsetzt.

21

Am 28. April 2008 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt.

22

Die Antragsteller machen geltend, bereits die Erhebung einer Hundesteuer als solche lasse sich durch die Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung örtlicher Aufwandsteuern in Art. 105 Abs. 2a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 87 Verf LSA, §§ 2, 3 KAG LSA nicht rechtfertigen. Die Hundesteuer habe sich historisch als Luxussteuer entwickelt. Sie entspreche nicht mehr geltenden rechtlichen Standards und stehe im Widerspruch zum modernen Steuersystem. Die Hundesteuer treffe nicht die besonders leistungsfähigen Teile der Bevölkerung, da auch Menschen mit geringen Einkünften Hunde halten würden. An einer Belastung auch dieser Bevölkerungsschichten änderten auch die Möglichkeiten von Vergünstigungen und Erlass nichts. Die Steuererhebung müsse am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein und den Schutz des Existenzminimums respektieren. Dem werde die Hundesteuer nicht gerecht. Steuern auf den Konsum würden bereits durch die Umsatzsteuer erhoben. Dieser bundesgesetzlich geregelten Steuer sei die Hundesteuer gleichartig. Die Haltung von Hunden stelle infolge einer Änderung der Lebensumstände keinen Luxus mehr dar. Die Haustierhaltung sei gesellschaftlich anerkannt und aus ökonomischen und sozialen Gründen zu unterstützen. Das gewandelte Verständnis komme in Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Ausdruck. Die Hundesteuer werde mit einer lenkenden Ordnungsfunktion - der Reduzierung des Hundebestandes, der Eindämmung der Haltung bestimmter Rassen und der Deckung der durch Hundehaltung entstehenden Kosten - gerechtfertigt. Damit habe sie aber ihren Ursprung in überholten Rechtsvorstellungen und widerspreche einem gewandelten Verständnis, das auch in neueren gesetzlichen Regelungen insbesondere des Bürgerlichen Rechts und Zivilprozessrechts Ausdruck finde.

23

Die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin widerspreche darüber hinaus wegen mehrerer Einzelregelungen höherrangigem Recht: Die Festsetzung eines höheren Steuersatzes für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung verletze den Gleichheitssatz. Hunde dieser Rasse seien nicht gefährlicher als andere in der Rasseliste nicht aufgeführte Hunde. Sie seien insbesondere im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht auffällig geworden. Es gebe auch vor dem Hintergrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen keine Statistiken oder Erhebungen, nach denen eine erhöhte Auffälligkeit belegt sei. Forschungsergebnisse der Tierärztlichen Hochschule in Hannover sprächen gegen eine besondere Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse. Die neueren fachwissenschaftlichen Erkenntnisse müssten nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts vom Normgeber verfolgt und bei der Normsetzung berücksichtigt werden. Der Hund der Antragsteller sei von freundlichem Wesen, gut erzogen und ungefährlich. Mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung überschreite der Satzungsgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz. Der Steuertatbestand sei zu unbestimmt. Hier werde Sicherheits- und Steuerrecht vermischt. Das Willkürverbot werde verletzt, weil Hundehalter, die ohnehin den Höchstsatz zahlten, keine „Strafsteuer“ zahlen müssten. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung greife in die Sachkompetenz des Landes ein, sei unbestimmt und unverhältnismäßig.

24

Nach der Veröffentlichung der 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin haben die Antragsteller ihren Antrag modifiziert. Sie tragen ergänzend vor, das rechtliche Interesse am Antrag bestehe wegen der Besteuerung für vergangene Zeiträume und wegen der Gefahr, dass wieder eine erhöhte Besteuerung für bestimmte Hunderassen eingeführt werden könnte, fort. Die Streichung der Sonderregelung für Hunde der Rasseliste sei keine bloße Klarstellung gewesen. Die neue Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei zwar klarer als die Vorgängerregelung. Sie stehe aber im Widerspruch zu den Überlegungen, die hinter der Streichung der Rasseliste stünden. Zudem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es neben den Regelungen des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren noch zusätzlich einer erhöhten Besteuerung für gefährliche Hunde bedürfe.

25

Die Antragsteller beantragen,

26

die Festsetzungen der Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin vom 28.03.2007, bekannt gegeben am 30.04.2007, insbesondere in § 6 Abs. 1 Nr. 4 - 6 und Abs. 2 - 5, für unwirksam zu erklären

27

und festzustellen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 6, der durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin, veröffentlich im Amtsblatt Nr. 41 vom 23.10. 2009, Seite 883, ab 01.03.2009 gestrichen wurde, im Zeitraum seiner Geltung vom 01.01.2008 bis 28.02.2009 unwirksam war.

28

Die Antragsgegnerin beantragt,

29

den Antrag abzulehnen.

30

Zur Antragserwiderung trägt sie zunächst mit Schriftsatz vom 12. August 2008 vor: Die angegriffene Satzung sei formell und materiell rechtmäßig und finde ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. 105 Abs. 2 a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 88 Abs. 3 Verf LSA, §§ 6, 91 Abs. 1 und 2 GO LSA sowie §§ 1 bis 3 KAG LSA. Die Hundesteuer stelle eine örtliche Aufwandsteuer dar, mit der die besondere Leistungsfähigkeit besteuert werde, die in den Aufwendungen für das Halten des Hundes, nicht seinen Erwerb zum Ausdruck komme. Im Einzelfall erfolge eine Stundung oder ein Erlass der Hundesteuer. Gegebenenfalls würden auch Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände eingreifen.

31

§ 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung habe während seiner Geltungsdauer dem Ziel der Eindämmung eines abstrakten Gefährdungspotenzials gedient. Dass auch Hunde der in Frage stehenden Rasse ein solches Potenzial aufwiesen, habe bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - anerkannt. Auf den einzelnen Hund komme es nicht an. Auch im Bereich der Antragsgegnerin sei es in der Vergangenheit zu schweren Beißvorfällen unter Beteiligung von Hunden der Rasseliste gekommen. Hieraus ergäben sich Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefährlichkeit dieser Hunde, die auch Gegenstand des Hundeverbringungs- und Hundeeinfuhrgesetzes des Bundes seien. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung diene der ordnungspolitischen Zielsetzung der Gefahrenabwehr und solle im Tierschutzinteresse die ordnungsgemäße Hundehaltung unterstützen. Die Erzielung von Einnahmen könne auch Nebenzweck der Steuererhebung sein. Die Begriffe der Norm nähmen Bezug auf Rechtsvorschriften für die Haltung und Führung von Hunden im öffentlichen Raum. Eine Ausweitung der Steuerpflicht auf Hundeführer erfolge nicht. Eine tatbestandliche Abgrenzung zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei möglich. Es finde keine doppelte Bestrafung statt. Das Willkürverbot werde nicht verletzt. In die Sachkompetenz des Landes werde nicht eingegriffen. Es gebe keinen Widerspruch zu Landesgesetzen. § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung trete automatisch außer Kraft, wenn das Land durch Gesetz oder Verordnung eine Regelung zu gefährlichen Hunden treffe.

32

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren und die 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung ist ergänzend ausgeführt worden, dass durch diese Rechtsänderungen die Normenkontrollklage gegen § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 gegenstandslos geworden sei, während für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2009 eine Antragsbefugnis fortbestehe. Durch die weiteren Änderungen der Hundesteuersatzung seien Klarstellungen und Anpassungen an das Landesrecht erfolgt.

33

Ergänzend ist weiter zur Erstreckung des Widerspruches auf den Bescheid vom 18. Februar 2008 und zur Frage nach der Zulässigkeit einer erhöhten Besteuerung nach einer Rasseliste vorgetragen worden.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

35

Der Antrag bleibt insgesamt ohne Erfolg.

36

I. Der Antrag ist jedenfalls insoweit zulässig, als er sich gegen die in der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007, veröffentlicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007, enthaltene Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 6 über den erhöhten Steuersatz für Hunde der dort aufgeführten Rassen richtet.

37

1. Der Antrag ist gegen eine Satzung gerichtet und damit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 10 AG VwGO LSA statthaft.

38

2. Die Antragsteller sind Halter eines Hundes, der unter die Rasseliste gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung vom 10. September 2009 fällt, und deswegen auch Adressaten eines auf dieser Grundlage bemessenen Hundesteuerbescheides. Sie sind damit antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO, da eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte jedenfalls möglich erscheint.

39

Der Senat lässt dahin stehen, ob den Antragstellern die Antragsbefugnis fehlt, soweit sie sich auch gegen die Steuersätze in § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung und die damit korrespondierenden Bestimmungen in § 6 Abs. 2 und 3 der Satzung wenden.

40

Fraglich ist dies, weil auf dieser Grundlage die gegen sie gerichteten Hundesteuerbescheide nicht erlassen sind. Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie sich vorsorglich auch gegen diese Bestimmungen wenden wollen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Antragsteller in den Anwendungsbereich dieser Normen fallen oder künftig fallen können. Denn die Antragsteller haben selbst vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass ihr Hund nicht konkret gefährlich ist, so dass auch nichts dafür spricht, dass er auch künftig in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 der Satzung fallen könnte. Ihrem Vortrag zur Haltung und Ausbildung ihres Hundes lässt sich auch entnehmen, dass sie ihre Verantwortung als Hundehalter bislang sorgfältig wahrnehmen. Es gibt damit keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie schwerwiegende und wiederholte Verstöße gegen Bestimmungen über die Hundehaltung und -führung begehen könnten, die eine Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 der Satzung nach sich ziehen könnten. Es liegt damit fern anzunehmen, dass die Antragsteller künftig möglicherweise in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen könnten. Eine Nichtigkeit dieser Normen würde auch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Hundesteuersatzung führen, da die Regelung des § 6 Abs. 1 der Satzung eine Zusammenstellung verschiedener Fallgruppen enthält, die ohne weiteres teilbar ist.

41

Der Antrag ist auch insoweit aber - wie nachfolgend auszuführen ist - jedenfalls unbegründet.

42

3. Dem Antrag fehlt es auch nicht deswegen an einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis, weil die Regelung durch die 2. Änderungssatzung zur Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 1. März 2009 aufgehoben wurde und in Umsetzung dieser Novellierung ein Änderungsbescheid gegen die Antragsteller ergangen ist.

43

Zwar ergibt sich dies entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht aus einer Wiederholungsgefahr. Die Antragsteller führen aus, die Antragsgegnerin hätte die Regelung nur unter dem Druck des Verfahrens aufgehoben und es stehe zu befürchten, dass wieder eine „Kampfhundebesteuerung“ eingeführt werde, wenn „dies rechtlich problemlos durchsetzbar sei“. Eine Wiederholungsgefahr kann zwar grundsätzlich trotz Aufhebung einer Norm für ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis sprechen. Sie muss aber hinreichend konkret sein (NdsOVG, Urt. v. 25.11.1996 - 3 K 4767/94 -, zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 47 Rdnr. 90). Konkrete Anhaltspunkte für entsprechende Absichten des Satzungsgebers sind aber von den Antragstellern nicht benannt und auch sonst nicht ersichtlich. Da sich auch der Landesgesetzgeber gegen Rasselisten entschieden hat und die Antragsgegnerin gerade im Hinblick auf diesen Grundsatz der Landesgesetzgebung von der Rasseliste abgerückt ist, liegt eine solche Annahme fern.

44

Jedoch besteht das Rechtsschutzinteresse deswegen fort, weil die aufgehobene Rechtsvorschrift noch Rechtswirkungen zu äußern vermag, weil ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt noch nach ihr zu entscheiden ist (Kopp/Schenke, a.a.O. m.w.N.). Denn der Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 ist noch nicht bestandskräftig. Vielmehr ist das auch ihn betreffende Widerspruchsverfahren noch anhängig und auf der Grundlage unter anderem der Normen zu entscheiden, gegen die sich der Normenkontrollantrag richtet.

45

Der Widerspruch der Antragsteller vom 23. Januar 2008 richtet sich zwar gegen den Bescheid vom 2. Januar 2008, der durch den Bescheid vom 18. Februar 2008 ersetzt worden ist. Zugleich mit dem Bescheid vom 18. Februar 2008 ist den Antragstellern aber ein Schreiben der Antragsgegnerin vom selben Tage zugegangen, in dem diese vorschlägt, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den anliegenden Bescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 haben die Antragsteller daraufhin mitgeteilt, ihren Widerspruch nicht zurückziehen und aufrecht halten zu wollen. Da die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller in diesem Schreiben deutlich machen, dass sie an ihren Einwänden gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin und insbesondere die erhöhte Hundesteuer für Hunde der Rasseliste ihres § 6 Abs. 1 Nr. 6 festhalten und sich mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen eine auf dieser Grundlage ergangene Steuerfestsetzung wehren wollen, kann dieses Schreiben als Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 verstanden werden. Die Antragssteller machen mit ihrem Schreiben ausreichend deutlich, dass sie den Vorschlag der Antragsgegnerin aus deren Schreiben vom 18. Februar 2008 aufgreifen wollen. Sie haben von Anfang an klar gestellt, das sich ihre Einwände gegen die Steuererhebung in erster Linie gegen die erhöhte Hundesteuer für Hunde bestimmter Rassen richtet, die gegen sie erst mit dem Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 festgesetzt worden ist. Für dieses Auslegungsergebnis spricht indiziell auch, dass ein Widerspruchsbescheid bislang nicht ergangen ist und die Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren jedenfalls schriftsätzlich nicht vorgebracht hat, das Steuerfestsetzungsverfahren sei bereits bestandskräftig geregelt. Erst als Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis hat sie in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit einer anderen Auslegung des Schreibens der Antragsteller in den Raum gestellt, jedoch eingeräumt, dass auch ihr Schreiben vom 18. Februar 2008 nicht eindeutig formuliert war.

46

Hiernach steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Beteiligten durch die Schreiben vom 18. Februar 2008 und vom 7. März 2008 eine Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 mit der Folge vereinbart haben, dass die Frage der Höhe der Hundesteuer jedenfalls für den Zeitraum bis zum 31.12.2008 noch nicht bestandskräftig geregelt ist.

47

4. Da sich der Antrag gegen die Neufassung der Hundesteuersatzung in der Fassung des Stadtratsbeschlusses vom 15. März 2007, bekannt gemacht am 30. April 2007, wendet und am 28. April 2008 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangen ist, ist die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO insofern gewahrt.

48

Der Antrag richtet sich allerdings unter anderem auch gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuer als solche. Diese Verpflichtung wurde nicht erstmals durch die konkret angegriffene Satzung begründet, sondern war bereits in der nach § 16 Satz 1 der Satzung aufgehobenen Vorgängersatzung vom 13. September 2001, bekannt gemacht im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 2001, enthalten. Der Normenkontrollantrag ist allerdings aus diesem Grund nicht insgesamt verfristet.

49

Eine Novellierung einer Norm setzt die Jahresfrist eines Normenkontrollverfahrens zwar grundsätzlich nur für die geänderten Vorschriften neu in Gang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 2054/09 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 m.w.N.). Die Frist wird durch die Novellierung eines Gesetzes auch dann neu eröffnet, wenn die schon zuvor angreifbare Bestimmung durch die Änderungen anderer Bestimmungen einen neue, den Antragsteller stärker als bisher belastende Wirkung erhalten hat (BVerfG a.a.O.). Auch das Landesverfassungsgericht stellt im Rahmen einer Normenkontrolle für den Lauf der Frist darauf ab, ob die gerügte Belastung bereits durch eine inhalts- oder wirkungsgleiche Vorgängervorschrift begründet worden ist; dann kommt es auf den Zeitpunkt der materiellen Vorbelastung an (LVerfG, Urt. v. 12.07.2005 - LVG 4/04 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 42 m.w.N.).

50

Dass dem Normenkontrollantrag allerdings auch insoweit das Verstreichen der Jahresfrist nicht entgegen gehalten werden kann, ergibt sich aber zum einen daraus, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Hundesteuer gerade durch die Festsetzung eines deutlich erhöhten Steuersatzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nach der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007 vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009 eine stärker belastende Wirkung hat. Zum anderen machen die Antragsteller hier auch geltend, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuern erst durch gewandelte soziale Verhältnisse und rechtliche Rahmenbedingungen nachträglich rechtswidrig geworden ist. Um die Rechtsschutzfunktion der prinzipalen Normenkontrolle in Fällen des Rechtswidrigwerdens von Normen nicht leerlaufen zu lassen, spricht in solchen Fällen Überwiegendes dafür, keine Frist laufen zu sehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rdnr. 85 m.w.N. und insbesondere BayVGH, Urt. v. 25.03.2004 - 25 N 01.308 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 f für Bebauungspläne). Für diese Rechtsauffassung sprechen die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und der Umstand, dass Sinn und Zweck der Fristregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hier nicht zwingend ein anderes Verständnis verlangen. Wird eine Belastung nämlich erst nachträglich rechtswidrig, so ist es nicht in gleicher Weise wie bei einer von Anfang an rechtswidrigen Norm geboten, dem Interesse an Rechtssicherheit Vorrang vor dem individuellen Rechtsschutz zu geben.

51

II. Der Antrag ist insgesamt unbegründet.

52

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller steht die grundsätzliche Verpflichtung des Hundeshalters, Hundesteuer zu zahlen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht. Die Begründung dieser Verpflichtung in §§ 1 und 2 der Satzung beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage in §§ 2 und 3 KAG LSA, die ihrerseits in Übereinstimmung mit Art. 105 Abs. 2 a, 28 Abs. 2 GG und Art. 87, 88 Verf LSA stehen.

53

a. Die Hundesteuer stellt eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG dar:

54

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern. Die Hundesteuer ist eine solche Aufwandsteuer. Das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen Vermögensaufwand (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4 m.w.N.). Aufwandsteuern beziehen sich nicht notwendigerweise auf „Luxusgegenstände“ (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1997 - 8 B 224/97 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6 m.w.N., OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.05.1996 - 6 A 12926/95 -, KStZ 1997, 156). Für die Annahme des Vorliegens einer Aufwandsteuer ist ohne Belang, welchen Zwecken die Einkommens- und Vermögensverwendung im Einzelfall dient und aus welchen Beweggründen sie vorgenommen wird; unerheblich ist auch, ob der Aufwand im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72/90 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 2 m.w.N.).

55

Hiernach greift die Argumentation der Antragsteller, die Hundesteuer sei zwar historisch als sogenannte Luxussteuer entstanden, zwischenzeitlich sei durch gewandelte Lebensumstände aber ein Bedeutungswandel eingetreten, der die Hundehaltung zu einer sozialadäquaten Gewohnheit aller Bevölkerungsschichten mache, nicht durch.

56

Denn auch wenn dies zutrifft, schließt es die Charakterisierung der Hundesteuer als Aufwandsteuer nicht aus. Diese knüpft nämlich nicht an einen „Luxus“ an, den sich nur kleine Teile der Bevölkerung leisten können. Vielmehr kann auch ein vergleichsweise unerheblicher Aufwand zum Gegenstand der Steuererhebung gemacht werden. Wer einen Hund hält, tätigt Aufwendungen für Futter, Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Versorgung des Hundes. Dieser Aufwand geht über dasjenige hinaus, was der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und kann damit Anknüpfungspunkt einer Besteuerung sein.

57

Dass die Hundehaltung positive Auswirkungen auf die Lebensqualität des Hundehalters hat, steht dem nicht entgegen. Schon deshalb, weil sich große Teile der Bevölkerung ohne subjektive Einbuße an Lebensqualität gegen eine Hundehaltung entscheiden, gehört diese nicht zum allgemeinen Lebensbedarf. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es auch unerheblich, dass hinter der Hundehaltung die - sozialadäquate und in der Rechtsordnung anerkannte - Liebe zu und die Absicht des Schutzes von Tieren steht.

58

Dem Aufwandcharakter steht auch nicht entgegen, dass die Hundehaltung in der Rechtsordnung - sei es im Mietrecht, im Deliktsrecht oder im Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht - Schutz genießt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der rechtliche Schutz eines Sachverhaltes in einem Rechtsgebiet in jedem Fall verlangen würde, diesen Sachverhalt in allen anderen Rechtsgebieten von Belastungen frei zu stellen. Vielmehr können die unterschiedlichen Regelungszwecke und -wirkungen es rechtfertigen, dass eine Privilegierung in einem Rechtsgebiet sich nicht als Freistellung von andersartigen Belastungen in einem anderen Rechtsgebiet auswirkt. Dies gilt insbesondere für das Recht des Schadensersatzes und die Zwangsvollstreckung. Die bestehende emotionale Beziehung zu einem Hund würde durch eine Wegnahme des Tieres im Wege der Zwangsvollstreckung oder die Inkaufnahme seiner Einschläferung wegen der Verweigerung von Behandlungskosten nämlich ungleich stärker belastet als durch die Besteuerung des Aufwandes für die Hundehaltung, die im Hinblick auf ihre relative Höhe und die Möglichkeiten von Ermäßigungen oder Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall typischerweise gerade nicht zur Abgabe eines Tieres zwingt, zu dem bereits eine emotionale Beziehung aufgebaut wurde.

59

Die Besteuerung der Hundehaltung widerspricht insbesondere nicht dem Tierschutzgedanken von Art. 20 a GG, der auch in § 90 a Satz 1 und 2 BGB Ausdruck findet, da sie dem Hund weder Schmerzen noch Leiden zufügt und es auch weder unmöglich noch unzumutbar macht, bestehende Beziehungen zwischen Mensch und Tier fortzuführen oder neue zu knüpfen. Es gibt nämlich auch nach dem Vortrag der Antragsteller keinen tatsächlichen Hinweis darauf, dass die Hundesteuererhebung auf der Grundlage der Satzung der Antragsgegnerin erdrosselnde Wirkung hätte und Hundehalter zwingen würde, die Tiere abzugeben. Entsprechende Behauptungen bleiben vage und sind gleichsam ins Blaue hinein vorgebracht und nicht durch tatsächliche Indizien unterfüttert. Sie geben daher auch keinen Anlass für weitere Aufklärungsbemühungen.

60

b. Das Verbot der Gleichartigkeit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer steht der Zulässigkeit der Hundesteuer nicht entgegen:

61

Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2 a GG lässt die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359 - Finanzreformgesetz -) üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (vgl. BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 125; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 934).

62

Da Hundesteuern zu den herkömmlichen Aufwandsteuern in diesem Sinne gehören (Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rdnr. 58; Kienemund in: Hömig, GG, 9. Auflage 2010, Art. 105 Rdnr.11), fallen sie bereits nicht in den Anwendungsbereich des Gleichartigkeitsverbots. Dass die Hundesteuer in § 3 Abs. 1 KAG LSA eine mit Art. 105 Abs. 2 a GG zu vereinbarende und hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage hat, entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 19.01.2000 - BVerwG 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265, 268), der der Senat folgt.

63

c. Der Satzungsgeber überschreitet trotz der verfolgten Lenkungswirkung mit der Hundesteuersatzung nicht den Bereich seiner Normsetzungskompetenz.

64

Eine nach Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. dem Kommunalabgabengesetz eines Landes erlassene satzungsrechtliche Steuerregelung, die Lenkungswirkungen in einem nichtsteuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, bedarf keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz. Der Satzungsgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern in dem genannten Zusammenhang zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.).

65

Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, dass die Antragsgegnerin unbestritten auch den Lenkungszweck einer Eindämmung der Hundehaltung aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr verfolgt. Dies ist gerade im dicht besiedelten Gebiet einer Stadt vielmehr sachgerecht. Auch wenn die Hundehaltung - worauf die Antragsteller mit Recht hinweisen - für viele Menschen positive Auswirkungen hat, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Einwohnern, die Hunde ablehnen. Auch die hierfür bestehenden Gründe - seien es Geräuschbelästigungen durch Hunde, hygienische Bedenken wegen Hundekot auf Gehwegen oder in Parkanlagen, die Gefahren für Menschen oder andere Tiere durch den Jagdinstinkt von Hunden oder Hundehaarallergien - weisen auf grundrechtlich geschützte Interessen hin. Zwischen den insoweit bestehenden Interessenlagen ist durch die Antragsgegnerin für die örtliche Gemeinschaft ein Ausgleich herzustellen. Sie bewegt sich innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes, wenn sie durch Gestaltung ihres Steuerrechts die Zahl der Hunde im Stadtgebiet und damit die Zahl möglicher Nutzungskonflikte und die Beeinträchtigungen für Nicht - Hundehalter klein halten will.

66

Die Verfolgung dieser Zwecke begründet entgegen der Einschätzung der Antragsteller auch keine Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung. Das Ziel einer Verbesserung des Schutzes von Tieren und der Beziehung zwischen Menschen und Tieren, das etwa in §§ 90a, 251 Abs. 2 BGB, § 811 c ZPO zum Ausdruck kommt und in Art. 20 a GG verankert ist, wird nicht dadurch gefährdet, dass die Hundehaltung Anknüpfungspunkt einer Steuererhebung ist. Denn wie ausgeführt ist durch die Steuerzahlung das Wohl des Tieres nicht gefährdet und eine Tierhaltung auch nicht unzumutbar gemacht. Eine innere Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. Mai 1998 (a.a.O.) ausgeschlossen hat, wird daher durch die Erhebung von Hundesteuer nicht begründet.

67

2. Entgegen der Einschätzung der Antragsteller stehen auch die vorliegend beanstandeten Regelungen von § 6 der Satzung, auch soweit sie nur noch für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Festsetzungsverfahren wie das der Antragsteller Geltung beanspruchen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht.

68

1. Dies gilt zunächst für § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009.

69

a. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es dem Satzungsgeber entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht, in einer Satzung Hunde bestimmter Rassen als gefährlich einzustufen und das Halten solcher Hunde wegen ihrer gesteigerten abstrakten Gefährlichkeit mit einem erhöhten Steuersatz zu belegen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05 - m.w.N.).

70

aa. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Normgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Normgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht.

71

Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Normgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereiches, der geregelt wird (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O., S. 272 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

72

bb. Diese Grundsätze verletzt die Aufnahme von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier in die Liste der Hunde nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung, für die eine erhöhte Hundesteuer zu zahlen ist, nicht. Denn der Satzungsgeber überschreitet die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes nicht, wenn er für den Zeitraum bis zum 1. März 2009 davon ausgeht, dass Hunden dieser Rasse eine abstrakte Gefährlichkeit zukommt, die es ihm geboten erscheinen lässt, generell und langfristig die Haltung solcher Hunde zurückzudrängen.

73

aaa. Es ist zunächst unerheblich, ob es eigene Erhebungen des Satzungsgebers gibt, die „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden dieser Rasse im Stadtgebiet belegen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114).

74

Vielmehr ist jeder Satzungsgeber berechtigt, Regelungen eines anderen Normgebers durch Verweisung oder wörtliche Aufnahme in seinen Normtext zu übernehmen, wenn er dieselbe oder eine vergleichbare Regelung erlassen und sich dabei den Wertungen der übernommenen Normierungen anschließen will. Dabei braucht er die der übernommenen Regelung zugrunde liegenden Erkenntnisse und Tatsachen nicht notwendig selbst erneut zu erheben und auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie offensichtlich falsch sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005 - 10 B 34/05 -, NVwZ 2005, 1325). Ein solches Vorgehen entbindet den Normgeber aber nicht der Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen und Erkenntnisse. Dies umschließt auch die Pflicht, eine übernommene Regelung unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls zu korrigieren (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005, a.a.O.).

75

bbb. Hier durfte der Satzungsgeber die Einschätzung des Bundesgesetzgebers zur abstrakten Gefährlichkeit dieser Hunde übernehmen, die den Bundesgesetzgeber zur Aufnahme von Hunden dieser Rasse in die Liste nach § 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetzes veranlasst hatten. Dass dieser Einschätzung eine verlässliche Tatsachengrundlage zugrunde lag, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 16. März 2004 (-1 BvR 1778/01 -, BVerfGE 110, 141) bestätigt. Vergleichbare Einschätzungen sind zudem auch von anderen Satzungsgebern in Sachsen-Anhalt aufgegriffen und Regelungen zur Höhe der Hundesteuer für sogenannte „Kampfhunde“ zugrunde gelegt worden. Entsprechende Bestimmungen sind durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.) und auch durch den Senat (vgl. Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Beschl. v. 31.05.2006 - 4 L 356/03 -, Urt. v. 23.01.2006 - 4 L 289/05 -, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05) im Ergebnis nicht beanstandet worden. Diese Wertung zu übernehmen, war die Antragsgegnerin damit berechtigt. Denn es gibt keinen Rechtssatz, nach dem sie bei der Übernahme von Wertungen eines anderen Normgebers auf Wertungen des Landesgesetzgebers beschränkt wäre. Sie nahm zugleich aber auch die Verpflichtung auf sich, die weitere Entwicklung zu beobachten und die Norm zu überprüfen und zu revidieren, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen (BVerfGE 110, 158).

76

Da die fragliche Norm durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung zum 1. März 2009 aufgehoben worden ist, weil die Antragsgegnerin auf eine veränderte Rechtslage auf Landesebene und die sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 reagierte, stellt sich in diesem Verfahren allein noch die Frage, ob diese Reaktion im Hinblick auf die von den Antragstellern herangezogenen, neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen.

77

(1) Die Antragsteller beziehen sich auf Erkenntnisse, die aus Forschungsprojekten der Tierärztlichen Hochschule Hannover gewonnen wurden, und nehmen ein Interview mit Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth in der Zeitschrift DER GEBRAUCHSHUND 2/2005 sowie die Dissertation von Jennifer Hirschfeld „Untersuchung einer Bullterrier-Zuchtlinie auf Hypertrophie des Aggressionsverhaltens“, Hannover 2005, die Dissertation von Böttjer „Untersuchung des Verhaltens von fünf Hunderassen und einem Hundetypus im innerartlichen Kontakt des Wesenstestes nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2003, die Dissertation von Ruth Paproth „Fälle von Hundangriffen in Deutschland, eine Internetbefragung“, Hannover 2004, die Dissertation von Angela Mittmann „Untersuchung des Verhaltens von 5 Hunderassen und einem Hundetypus im Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2002, sowie die Untersuchung von Tina Johann „Untersuchung des Verhaltens von Golden Retrievern im Vergleich zu den als gefährlich eingestuften Hunden im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“ in Bezug.

78

Die damit in Bezug genommenen Untersuchungen beziehen sich auf das Verhalten von Hunden, die nach der niedersächsischen Rechtslage in verschiedene Listen mit Hundehalter unterschiedlich schwer belastenden Restriktionen aufgenommen sind, und vergleichen diese Hunde untereinander bzw. mit „Nicht-Listenhunden“. Untersucht wurde, ob und in welchem Ausmaß sich die Hunde unterschiedlicher Listen nach der niedersächsischen Rechtslage einerseits sowie „Listenhunde“ und „Nicht-Listenhunde“ andererseits im innerartlichen Kontakt und im Kontakt mit Menschen oder sonstigen Umwelteinflüssen inadäquat oder gestört aggressiv verhalten oder nicht. Nach Einschätzung der genannten Wissenschaftler lassen sich festgestellte Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Hunderassen nicht als erheblich einstufen.

79

(2) Selbst wenn man diese Erkenntnisse berücksichtigt, hat der Satzungsgeber vor dem 1. März 2009 seinen Beurteilungsspielraum noch nicht überschritten, wenn er dennoch von einer erhöhten abstrakten Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse, insbesondere von American Staffordshire Terriern, ausgegangen ist, die Anlass zu einer die Hundehaltung möglichst eindämmenden erhöhten Steuerfestsetzung sein konnte.

80

Denn die Prognose einer abstrakten Gefährlichkeit gründet sich auf mehrere, nebeneinander stehende Faktoren. Anknüpfungspunkt für die fragliche Einschätzung ist nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit des einzelnen Hundes, sondern das genetische Potenzial und körperliche Merkmale der aufgelisteten Hunderassen, die jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Gefahr ergeben können (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2007 - 5 A 1.06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 62). Hat die abstrakte Gefährlichkeit von bestimmten Hunderassen aber multifaktorielle Ursachen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.07.2008 - 6 BN 1/08 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4), so sind die von den Antragstellern in Bezug genommenen Untersuchungen jedenfalls nur auf einzelne dieser Faktoren beschränkt: Selbst wenn man auf ihrer Grundlage davon ausgeht, dass „Listenhunde“ nicht häufiger unangemessen aggressiv reagieren als „Nicht-Listenhunde“, so ist damit keineswegs auszuschließen, das unangemessen aggressive Reaktionen von „Listenhunden“ typischerweise weitaus gravierendere Verletzungen von Menschen hervorrufen können als unangemessen aggressive Reaktionen von „Nicht-Listenhunden“. Eine solche Einschätzung kann sich jedenfalls darauf stützen, dass die sogenannten „Kampfhunde“ gerade wegen der ursprünglichen Zucht für Hundekämpfe typischerweise mit besonderer Muskel- und Beißkraft, besonderer Zähigkeit und Hartnäckigkeit beim Zubeißen ausgestattet sind. Hinzu mag noch eine besondere Loyalität gegenüber der Bezugsperson kommen, die von charakterlich ungeeigneten Hundeführern leicht ausgenutzt werden könnte. Dass sich für diese Anlagen der sogenannten „Kampfhunde“ Belege in der kynologischen Fachliteratur ergeben, lässt sich der Auswertung dieser Literatur in den Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg vom 26. März 2009 - 2 S 1619/08 - (zitiert nach juris, dort insb. Rdnrn. 31-34) und des OVG Berlin-Brandenburg vom 15. November 2007 (a.a.O., dort Rdnrn. 87) entnehmen, die in dieses Verfahren durch die Anlage zur Ladung sowie zum Teil zuvor schon durch den Vortrag der Antragsgegnerin eingeführt wurden. Gegen die tatsächlichen Feststellungen der genannten Entscheidungen zur Zuchtgeschichte und zum äußeren Erscheinungsbild der in Rede stehenden Hunderasse wurde seitens der Antragsteller nichts Abweichendes erinnert.

81

Hiernach ist für den American Staffordshire Terrier festzuhalten, dass es sich um einen bis zu 30 kg schweren und bis zu 43 bis 48 cm Schulterhöhe großen Hund handelt, der über kraftvolle, gut bemuskelte Kiefer verfügt. Die Zähne treffen als Scherengebiss aufeinander, sie sind stark und kräftig. Ein starker Unterkiefer und Beißkraft werden unter Zuchtaspekten gefordert. Entsprechend der Beißkraft können die Verletzungen, die er zufügt, lebensgefährlich und bisweilen tödlich sein, insbesondere dann, wenn er sich so in den Gegner oder das Opfer verbeißt, dass der Kiefer nur noch mit Gewalt geöffnet oder aufgebrochen werden kann. Die Rasse geht auf zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges für den Hundekampf nach Amerika importierte Hunde zurück und wird in den Vereinigten Staaten noch heute illegal als Kampfhund verwendet. In der Fachliteratur wird betont, dass der American Staffordshire Terrier eine feste Hand des Halters benötigt. Eine Spezialerziehung zur Vermeidung von Aggressivität wird empfohlen. Es gibt positive Darstellungen der Rasse als gutmütiger Familien- und Therapiehund, zugleich wird jedoch auch auf die starke menschenbezogene Gefallsucht und Anpassungsfähigkeit verwiesen, die ihn leicht führbar und instrumentalisierbar mache.

82

Hieraus folgt, dass - selbst wenn „Listenhunde“ nicht häufiger in „Beißvorfälle“ verwickelt sind als „Nicht-Listenhunde“ - „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von „Listenhunden“, insbesondere von American Staffordshire Terriern, wegen ihrer genetisch angelegten körperlichen Beschaffenheit und ihrer rassetypischen Zähigkeit und Hartnäckigkeit jedenfalls zu schweren Gesundheitsschädigungen und im Einzelfall sogar zu Todesfolgen führen können. Da Leben und Gesundheit von Menschen zu den höchstrangigen grundrechtlichen Schutzgütern gehören, kommt dem Satzungsgeber beim Schutz dieser Güter ein weiter Einschätzungsspielraum in der Frage zu, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit der Realisierung einer abstrakten Gefahr bereits Anlass zu Restriktionen gibt. Er überschreitet daher seinen Beurteilungsspielraum nicht, wenn er davon ausgeht, aufgrund der durch die fraglichen Untersuchungen der tierärztlichen Hochschule Hannover nicht in Frage gestellten körperlichen Merkmale und genetischen Dispositionen von sogenannten „Kampfhunden“ - insbesondere American Staffordshire Terriern - sei es nach wie vor wegen einer im Vergleich mit anderen Hunden erhöhten abstrakten Gefährlichkeit geboten, deren Haltung möglichst einzudämmen, auch wenn sie nicht häufiger inadäquat aggressiv reagieren als Hunde anderer Rassen.

83

Darüber hinaus durfte der Satzungsgeber in der Frage, ob eine Gleichbehandlung mit Hunden anderer Rassen - etwa Golden Retrievern - erfolgen sollte, im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch berücksichtigen, dass die Nichtaufnahme von Hunderassen trotz grundsätzlich auch bei ihnen gegebener Gefährlichkeit deswegen gerechtfertigt sein kann, weil es sich um Rassen handelt, die der Bevölkerung vertraut sind und die deshalb sozial stärker akzeptiert werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.03.2010 - 14 A 138/07 - zitiert nach juris, dort Rdnr. 21).

84

(3) Den von den Antragstellern in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen aus dem zu Protokoll gegebenen Schriftsatz vom 22. Juni 2010 war nicht nachzugehen. Denn soweit die Beweisangebote Tatsachenbehauptungen betrafen und deshalb einer Beweiserhebung zugänglich waren, waren sie für die Entscheidung unerheblich bzw. konnten als wahr unterstellt werden, ohne dass dies im Ergebnis etwas an der rechtlichen Bewertung ändern würde.

85

(a) Unter Beweis gestellt werden soll zunächst die Tatsachenbehauptung, eine erhöhte Aggressivität der Hunderasse American Staffordshire Terrier könne nicht festgestellt werden.

86

Es kann als wahr unterstellt werden, dass es keine rassespezifischen Unterschiede im Aggressionsverhalten von „American Staffordshire Terriern“ und Hunden anderer Rassen gibt. Denn wie ausgeführt, kommt es für die dem Satzungsgeber obliegende Prognose der abstrakten Gefährlichkeit nicht allein auf Verhaltensunterschiede an. Vielmehr kann er auch ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen, dass es bereits ausreicht, dass wegen der Beiß- und Muskelkraft der in Rede stehenden Hunde selbst dann eine höhere Gefährlichkeit vorliegt, wenn diese nicht häufiger zubeißen als andere Hunde, im Falle eines „Beißvorfalles“ aber wegen ihrer körperlichen Merkmale schwerwiegendere Schädigungen verursachen können.

87

(b) Unter Beweis gestellt werden soll dann die Behauptung, weder in A-Stadt noch in Sachsen-Anhalt seien in aussagekräftigem, repräsentativem Umfang Daten gesammelt worden, die auf eine Gefährlichkeit des American Staffordshire Terriers hinwiesen.

88

Es kann dahin stehen, ob diese Behauptung überhaupt Gegenstand einer Beweiserhebung sein kann, die sich grundsätzlich nur auf die konkrete Tatsachen beziehen kann. Fraglich ist dies zum einen, weil die Behauptung tatsächliche Elemente mit einer rechtlichen Wertung - der Bedeutung von Datensammlungen für die Bewertung einer Hunderasse als (abstrakt) gefährlich - miteinander vermischt. Fraglich ist dies zum anderen, weil die tatsächlichen Elemente der Behauptung vage und ungenau sind, bleibt doch unklar, welche Art von „Daten und Belegen“ Gegenstand der Behauptung sein soll.

89

Soweit das Beweisangebot im Kern auf eine konkrete Tatsachenbehauptung - etwa dass es in A-Stadt oder in Sachsen-Anhalt keine „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden der fraglichen Rasse gegeben habe - zielt, ist es allerdings unerheblich. Denn wie ausgeführt kommt es für eine rechtskonforme Ausübung des Gestaltungsspielraumes des Satzungsgebers gar nicht darauf an, ob und in welchem Umfange es auf dem Gebiet des Satzungsgebers oder in Sachsen-Anhalt bereits konkrete „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von American Staffordshire Terriern gegeben hat (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114). Der Satzungsgeber kann vielmehr Wertungen anderer Normgeber aufgreifen und damit auch deren Erfahrungen zum Anlass eigener Regelungen nehmen. Dies folgt auch daraus, dass in dem zulässigerweise verfolgten Nebenzweck der Steuererhebung eine abstrakte Gefahr Anlass und Grund des Normerlasses ist. Die Einschätzung des Normgebers, es müsse einer abstrakten Gefahr präventiv begegnet werden, liegt nicht nur dann innerhalb seines Gestaltungsspielraumes, wenn sich die abstrakte Gefahr auch auf seinem Gebiet bereits konkret realisiert hat.

90

c) Soweit im Schriftsatz vom 28. April 2008 weitere Beweisangebote enthalten sind, ist auch diesen nicht nachzugehen, weil sie sich nach der Rechtsauffassung des Senates nicht auf erhebliche Tatsachenbehauptungen beziehen.

91

Unerheblich sind insbesondere die auf die Gefährlichkeit gerade des Hundes der Antragsteller bezogenen Beweisanträge. Dass es auf die sozialen und ökonomischen Vorteile der Hundehaltung für die Frage der Zulässigkeit einer Hundesteuer nicht ankommt, wurde oben ausgeführt.

92

2. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung verletzt höherrangiges Recht nicht.

93

a. Es handelt sich entgegen der Einschätzung der Antragsteller zunächst auch hier um eine Form der Aufwandsteuer. Denn Steuergegenstand ist der Aufwand, der für das Halten eines Hundes getätigt wird. Allein in der Bemessung der Höhe der Steuer wird dem zulässigen Lenkungszweck der Steuererhebung in sachgerechter Weise Rechnung getragen.

94

b. Die Regelung widerspricht nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

95

Zwar nutzt § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung einen unbestimmten Rechtsbegriff, wenn er die Festsetzung eines Steuersatzes von 250,00 € davon abhängig macht, dass die Hundehaltung „nicht ordnungsgemäß“ erfolgt. Eine Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs anhand der herkömmlichen Auslegungsmethodik ist aber schon deshalb möglich, weil § 6 Abs. 3 der Satzung erläutert, wann von einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall auszugehen ist. Er macht nämlich das Eingreifen dieser Norm von einer Feststellung der Sicherheitsbehörde abhängig und enthält in seinem Satz 2 ein - nicht abschließendes („insbesondere“) - Regelbeispiel. Durch dieses Regelbeispiel ist der Hauptfall einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung so deutlich konkretisiert, dass der Betroffene erkennen kann, in welchen Fällen eine erhöhte Steuer fällig werden kann. Denn die Norm knüpft an sicherheitsbehördliche Feststellungen und den Verstoß gegen strafrechtliche oder Bußgeldbestimmungen an. Damit wird klargestellt, dass andere erfasste Fälle nur solche sein können, in denen durch die Hundehaltung zum einen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet wird, die den Sicherheitsbehörden auch bereits bekannt ist. Zum anderen muss diese Gefahr auch so wichtige Schutzgüter betreffen, dass sie in ihrer Bedeutung einem wiederholten straf- oder bußgeldbewehrten Verstoß zumindest gleich kommt.

96

Die von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen zur Auslegung lassen sich mit dem Wortlaut der Norm eindeutig beantworten: Der Hundeführer wird keinesfalls neben dem Hundehalter zur Steuer herangezogen, denn nur der Hundehalter ist Steuerschuldner nach § 2 Abs. 1 der Satzung. Eine Zurechnung von Verschulden des Hundeführers auf den personenverschiedenen Hundehalter scheidet aus, weil § 6 Abs. 3 Satz 2 der Satzung allein auf Verstöße des Hundehalters abstellt. Eine „Doppelerfassung“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung scheidet schon deswegen aus, weil § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung wegen des höheren Steuersatzes lex specialis und damit vorrangig ist.

97

c. Der Satzungsgeber greift damit nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Landes oder des Bundes ein. Denn wie ausgeführt ist es zulässig, dass die Einkommenserzielung durch die Steuererhebung Nebenzweck eines hinzukommenden Lenkungszweckes ist. Dieser kann auch - wie hier - darin bestehen, dass Gefahren für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft begegnet wird. Solche Gefahren können auch durch eine nicht ordnungsgemäße Hundehaltung begründet werden. Gerade in der Diskussion um die Gefährlichkeit sogenannter „Kampfhunde“ wird betont, dass die Gefahr in vielen Fällen ihre Ursache nicht nur in Anlagen des Tieres, sondern in erheblichem Ausmaße in Defiziten des Halters hat. Ist in diesem Sinne oft „der Hundehalter das Problem“, dann dient es auch der Gefahrenprävention durch einen finanziellen Anreiz auf den Halter dahingehend einzuwirken, dass dieser Tierschutzbestimmungen und die Regelungen über Hundehaltung und -führung dauerhaft und konsequent einhält. Hinzu kommt noch, dass eine nicht tierschutzgerechte Hundehaltung auch die Gefahr erhöhen kann, dass die anlagebedingte Aggressivität eines jeden Tieres gesteigert wird. Damit liegt das Setzen dieses finanziellen Anreizes für eine ordnungsgemäße Hundehaltung zugleich im Interesse des Tierschutzes wie im Interesse der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen.

98

Um eine „Doppelbestrafung“ handelt es sich ebenfalls nicht. Vielmehr werden hier zulässigerweise Lenkungszwecke verfolgt, die dazu beitragen sollen, das Zusammenleben der örtlichen Gemeinschaft gefahrloser und konfliktfreier zu gestalten. Hier soll gerade nicht repressiv auf Rechtsverstöße reagiert, sondern unerwünschten Verhaltensweisen durch steuerrechtliche, finanzielle Anreize vorgebeugt werden.

99

d. Eine unzulässige „Vermischung von Sicherheits- und Steuerrecht“ liegt nicht vor. Vielmehr sind die von den Antragstellern beschriebenen Wirkungen die notwendige Konsequenz der zulässigerweise gleichzeitigen Verfolgung des fiskalischen Zweckes der Einnahmeerzielung und des zusätzlichen Lenkungszweckes. Die handelnde Behörde ist immer die Antragsgegnerin selbst. Sie wird hier nur im Zusammenwirken verschiedener Dienststellen und damit gerade nicht durch unterschiedliche Behörden tätig. Dieses Zusammenwirken ist sachgerecht, um dem zulässigen Lenkungszweck angemessen Rechnung tragen zu können.

100

e. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist auch nicht feststellbar. Insbesondere liegt keine „Privilegierung“ der Halter von gefährlichen Hunden im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung oder von „Listenhunden“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 6 in der bis zum 1. März 2009 geltenden Fassung vor. Denn die Halter dieser Hunde zahlen auf jeden Fall eine höhere Steuer als Hundehalter, die ihre Hunde nicht ordnungsgemäß halten. Sie werden damit nicht besser, sondern schlechter gestellt. Dies erfolgt auch willkürfrei, weil der Satzungsgeber ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen kann, dass die Störungen des Zusammenlebens in der örtlichen Gemeinschaft, die von gefährlichen Hunden bzw. von „Listenhunden“ ausgehen, schwerwiegender sind als die abstrakten Gefahren durch eine nicht ordnungsgemäße Haltung anderer Hunde, die auch „ungefährliche“ Hunde auf längere Sicht durch die Haltungs- und Führungsfehler gefährlich machen kann. In beiden Fallgruppen kommt neben dem Zweck der Einkommenserzielung der zulässige weitere Lenkungszweck der Steuererhebung in Anwendung. Dieser rechtfertigt nicht nur, dass überhaupt eine höhere Steuer festgesetzt wird, sondern auch, dass zwischen den einzelnen Fällen der höheren Steuererhebung wie hier differenziert wird. Denn der Grad der Gefahr, der von nicht ordnungsgemäß gehaltenen Hunden ausgeht, kann ohne Überschreitung des Beurteilungsspielraumes als geringer eingeschätzt werden als der Grad der Gefahr, der von „gefährlichen Hunden“ bzw. Hunden der Rasseliste ausgeht.

101

3. Ein Verstoß von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung gegen höherrangiges Recht ist ebenfalls nicht feststellbar.

102

Zunächst räumen die Antragsteller ein, dass die Norm in der geltenden Fassung der 2. Änderungssatzung bestimmter ist als die Vorgängerfassung. Es kann dahin stehen, ob die Vorgängerfassung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt. Denn jedenfalls in der aktuellen Fassung definiert § 6 Abs. 2 der Satzung durch die Bezugnahme auf das Landesgesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren den unbestimmten Rechtsbegriff des „gefährlichen Hundes“ in einer Weise, die nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden eine Interpretation ohne Weiteres möglich macht.

103

Es besteht auch kein Widerspruch zur Streichung der erhöhten Besteuerung von „Listenhunden“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem 1. März 2009. Der Satzungsgeber hat den Lenkungszweck, die Haltung solcher Hunde, die für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft eine abstrakte Gefahr darstellen, durch die Streichung von § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nicht aufgegeben. Er verfolgt es vielmehr in Angleichung an die Regelungstechnik des Landesgesetzgebers mit einer anderen Methode der Bestimmung betroffener Hundehalter weiter. In Anknüpfung an die Diskussion um die landesrechtliche Regelung gibt der Satzungsgeber für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 die Entscheidung für eine Abgrenzung des Kreises als gefährlich bewerteter Hunde nach einer Rasseliste auf und beschränkt sich auf die Feststellungen nach dem Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren.

104

Dieses Vorgehen ist auch weder unverhältnismäßig noch willkürlich. Vielmehr wird es sachgerecht durch den zulässigen Lenkungszweck der Eindämmung abstrakter Gefahren gerechtfertigt. Es trifft zwar zu, dass die von den Antragstellern angeführten Vorschriften des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren einen gewichtigen Beitrag zur Eindämmung der von diesen Hunden ausgehenden Gefahren leisten. Der Satzungsgeber überschreitet seinen bei der ihm obliegenden Gefahrenprognose bestehenden Beurteilungsspielraum aber nicht, wenn er - jedenfalls solange noch keine hinreichenden praktischen Erfahrungen mit den Auswirkungen dieses Gesetzes vorliegen - die Einschätzung der Antragsteller, mit diesen Vorschriften gingen von diesen Hunden keine Gefahren mehr aus, nicht teilt. Vielmehr ist zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, ob die Sanktionsdrohungen und Kontrollmechanismen des Gesetzes tatsächlich ausreichen werden, um die abstrakte Gefahr der erfassten Hunde so weit einzudämmen, dass es auch unter Berücksichtigung des Interesses der derartige Hunde nicht haltenden Bevölkerungsteile daneben nicht mehr der Lenkungswirkung der Besteuerung bedarf. Auch die Antragsteller räumen ein, dass ein Ausschluss der Gefahr von der Einhaltung aller Vorgaben für die Halter gefährlicher Hunde abhängt. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Satzungsgeber vor einer Aufgabe der Nebenzwecke einer Besteuerung abwartet, ob diese auf andere Weise bereits hinreichend erreicht werden.

105

4. Zu einer weitergehenden Prüfung anderer Teile der Satzung hat der Senat keinen Anlass. Denn weitere Gründe für eine mögliche Rechtswidrigkeit weiterer Satzungsbestimmungen werden nicht angeführt. Es entspricht in der Regel zudem nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle, Abgabensatzungen „ungefragt“ einer Detailprüfung zu unterziehen (BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188; BVerwG, Beschl. v. 04.10.2006 - BVerwG 4 BN 26/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.09.2009 - 4 K 356/08 -).

106

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO.

107

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

108

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Beiträgen für die Herstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten.

2

Seit dem 10. April 2006 ist der Kläger Eigentümer der Grundstücke Am M. in A-Stadt (Flur A, Flurstück 1261/163 mit einer Größe von 1799 m² und Flurstück 1263/163 mit einer Größe von 4.515 m²).

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Im Jahre 1997 verlegte der Beklagte in der Straße vor den klägerischen Grundstücken erstmals die Trinkwasserhauptleitung und errichtete für das Flurstück 1263/163 im Jahre 2006 einen Trinkwasserhausanschluss. Bis 2006 - und nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 - wurde das Flurstück 1263/163 über das Flurstück 1284/0 mit Trinkwasser versorgt, d. h. das klägerische Grundstück war mit der grundstückseigenen Trinkwasserversorgungsanlage des Flurstücks 1284/0 verbunden, das seinerseits über die in der Neuen H. Straße verlegte Hauptleitung mit Trinkwasser versorgt wird. Das Flurstück 1284/0, eingetragen im Grundbuch von A-Stadt, Blatt A, stand vom 4. April 1991 bis zum 14. Oktober 1996 im Eigentum der Landtechnik Metallbau A-Stadt GmbH und vom 14. Oktober 1996 bis zum 2. Oktober 2002 im Eigentum der (...) Berlin. Seit dem 2. Oktober 2002 ist die (..) AG mit Sitz in H-Stadt Eigentümerin des Grundstücks. Die von dem Trinkwasserversorgungsnetz des Flurstücks 1284/0 abzweigende Leitung zum klägerischen Flurstück 1263/163 führt über die Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0, die bis zum 13. Juni 2002 im Eigentum der Landtechnik Metallbau A-Stadt GmbH standen. Seit dem 13. Juni 2002 ist der Kläger Eigentümer dieser Flurstücke. Für das benachbarte Flurstück 1261/163 wurde kein eigener Hausanschluss errichtet.

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Mit Bescheid vom 30. August 2006 setzte der Beklagte für das Flurstück 1261/163 einen Trinkwasserbeitrag in Höhe von 3.130,26 Euro (= 1.799 m² x 1,0 x 1,50 €/m² + 16 % MwSt.) und für das Flurstück 1263/163 einen solchen in Höhe von 7.861,32 Euro (= 4.518 m² x 1,0 x 1,50 €/m² + 16 % MwSt.) fest. Hiergegen legte der Kläger am 29. September 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 zurückwies.

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Am 3. November 2006 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es sei bekannt, dass er Eigentümer der Grundstücke H. Straße 67a, b und c (= Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0) sei. Über diese Grundstücke sei auch das Flurstück 1263/163 mittels einer Verbrauchsleitung mitversorgt worden, so dass die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erforderlich gewesen sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, wie der Beklagte die Erhebung von Beiträgen für das Flurstück 1261/163 begründen wolle. Zwar grenze das Grundstück an die im M. verlaufende zentrale öffentliche Wasserversorgungsleitung an und unterliege somit einer Beitragspflicht gemäß der Wasserbeitragssatzung des Beklagten. Jedoch verkenne der Beklagte, dass ihm § 3 Abs. 1 der Satzung ein Ermessen einräume. Den durch das Ermessen eingeräumten Spielraum habe der Beklagte nicht beachtet, indem er nicht berücksichtigt habe, dass er für das Flurstück 1261/163 keinen Anschluss benötige und das Flurstück 1263/163 im Übrigen bereits über einen Anschluss über einen auf dem Flurstück 1284/0 bestehenden Grundstücksanschluss von der Neuen H. Straße aus verfüge.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat vorgetragen, bei der von dem Grundstücksanschluss 1284/0 über weitere bürgerlich-rechtliche Grundstücke verlaufenden Verbrauchsleitung bis zum Flurstück 1263/163 handele es sich nicht um eine öffentliche Trinkwasserleitung, sondern eine Verbrauchsanlage des bzw. der damaligen Grundstückseigentümer. Die Grundstücke des Klägers verfügten über keinen eigenen Trinkwasseranschluss. Bis zur Herstellung des hier streitgegenständlichen Wasseranschlusses sei eine zentrale Wasser-versorgungsanlage für das klägerische Grundstück nicht betriebsfertig hergestellt gewesen.

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Mit dem angefochtenen Urteil vom 18. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der in § 5 Abs. 1 der Wasserbeitragssatzung des Beklagten auf 1,50 €/m² festgesetzte Beitragssatz sei nichtig, weil der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation zu wenig Grundstücke berücksichtigt habe. Ausweislich der vorgelegten Kalkulation und der Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung decke die Rechnungsperiode fast den gesamten Investitionsaufwand des Beklagten für die Herstellung der Trinkwasserversorgung ab. Berücksichtige er aber - wie vorgetragen - 90 % des Gesamtaufwandes für die Anlage, so müsse dieser Aufwand auch auf 90 % der bevorteilten Grundstücke verteilt werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Vielmehr habe der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation im Wesentlichen nur die Grundstücke eingestellt, die in der Rechnungsperiode neu angeschlossen worden seien. Dies ergebe sich zum einen aus der Aufstellung der Flächen in der Kalkulation (Stand 3/2008) und dem Vorwort zur Kalkulation („2.5.1.Flächenberechnung und Flächenaufstellung“), und es lasse sich zum anderen auch einem Vergleich der bevorteilten Flächen in der Globalkalkulation zum Herstellungsbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage mit der hier vorgelegten Kalkulation entnehmen. Bei der Kalkulation des Schmutzwasserbeitrags sei der Beklagte von einer Fläche von 8.052.046 m² ausgegangen, wohingegen er vorliegend nur eine Netto-Grundstücksfläche von 1.064.469 m² zugrunde lege, obgleich die Flächen nahezu identisch sein müssten, da in der Regel der Anfall von Abwasser eine Versorgung mit Trinkwasser voraussetze. Der Beklagte lege somit der Kalkulation der Trinkwasserbeiträge nur 1/8 der bevorteilten Grundstücksflächen zugrunde. Nicht zuletzt habe der Beklagte diese Angaben in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt und lediglich die Rechtsansicht vertreten, es müssten nur die Grundstücke eingestellt werden, die in der Rechnungsperiode angeschlossen würden. Dies sei nicht zutreffend. Der Grundsatz der Repräsentativität verlange nicht nur das Einstellen eines repräsentativen Investitionsaufwandes, sondern auch das Einstellen repräsentativer Grundstücksflächen. Auch im Rahmen einer Rechnungsperiodenkalkulation gelte das Vorteilsprinzip, auch hier müsse der Aufwand gleichmäßig verteilt werden, d.h. ein Aufwand von 90 % müsse auf 90 % der Flächen verteilt werden, und zwar auf 90 % der Gesamtflächen, denn die Rechnungsperiodenkalkulation setze das Gesamtanlagenprinzip nicht außer Kraft. Soweit der Beklagte auf Schwierigkeiten bei der Ermittlung der zu berücksichtigenden Flächen verweise, spreche dies nicht gegen die vertretene Rechtsauffassung, sondern könne eine Indiz dafür sein, dass in Fällen, in welchen bereits ein erheblicher Teil der von der Anlage bevorteilten Flächen schon vor Beginn der Rechnungsperiode und vor Beginn der Zeit, in welcher ein großer Teil des Investitionsaufwandes getätigt worden sei, angeschlossen gewesen seien, eine Rechnungsperiodenkalkulation nicht mehr in Betracht komme, sondern im Wege der Globalkalkulation zu kalkulieren sei. In jedem Fall sei die Repräsentativität auch auf der Flächenseite zu gewährleisten.

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Im Übrigen begegne der streitbefangene Bescheid jedenfalls insoweit teilweise rechtlichen Bedenken, als der Beklagte mit dem Flurstück 1263/163 ein Grundstück herangezogen habe, das jedenfalls nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen sei. Der Kläger schulde in diesem Fall für dieses Grundstück gemäß § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nur einen besonderen Herstellungsbeitrag im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt. Insoweit fehle es indessen in der Beitragssatzung des Beklagten an der Festsetzung eines Beitragssatzes.

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Der Beklagte macht zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung geltend, das Verwaltungsgericht habe die Unterschiede, die sich aus der Anwendung der Globalkalkulation einerseits und der Rechnungsperiodenkalkulation andererseits zwangsläufig ergäben, nicht hinreichend berücksichtigt. Anders als bei einer Globalkalkulation könnten bei der hier für die Trinkwasserversorgung streitgegenständlichen Rechnungsperiodenkalkulation für den Herstellungsbeitrag I nur diejenigen Grundstücke auf der Flächenseite berücksichtigt werden, die noch nicht angeschlossen seien und in dem gewählten Zeitraum der Periodenkalkulation noch angeschlossen würden. Grundstücke, die erst nach Beendigung der Kalkulationsperiode angeschlossen würden, blieben ebenso unberücksichtigt wie bereits angeschlossene Grundstücke. Wesen und bestimmendes Element der Periodenkalkulation sei es, dass nur diejenigen Kosten, die innerhalb des gewählten Zeitraums entstünden, auf die Grundstücke umgelegt würden, die durch die in der Periode durchgeführten Maßnahmen erstmals bevorteilt würden. Bereits angeschlossene Grundstücke könnten allenfalls über den Herstellungsbeitrag II an Kosten in der Rechnungsperiode beteiligt werden. Ein Herstellungsbeitrag II werde jedoch für die Trinkwasserversorgung nicht erhoben. Die vom Verwaltungsgericht bemängelten Unterschiede auf der Flächenseite der Kalkulation ergäben sich daraus, dass der Anschlussgrad an die zentrale Wasserversorgungsanlage wesentlich höher gewesen sei als bei der zentralen Abwasserbeseitigungsanlage, was sich auch der Trinkwasserkonzeption 1996-2006 entnehmen lasse. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht, dass Grundstücksflächen bei der Kalkulation des Abwasserbeitrages und bei der Kalkulation des Trinkwasserbeitrages in etwa gleich sein müssten, sei auf Grund der unterschiedlichen Kalkulationsmethoden systemwidrig und berücksichtige nicht den unterschiedlichen Anschlussgrad der Grundstücke an die jeweilige Anlage. Auch der Grundsatz der Repräsentativität stehe nicht entgegen. Insoweit müssten sowohl die Planung als auch der Ausbauzustand in den Blick genommen werden. Wenn - wie im vorliegenden Fall - bei Übernahme existierender Anlagen ein sehr hoher Ausbauzustand bzw. Anschlussgrad vorhanden sei, sei der verbleibende Aufwand zur erstmaligen Herstellung der Anlage relativ gering und dementsprechend auf relativ wenige Grundstücke zu verteilen. Dabei ergebe sich systembedingt bei der Rechnungsperiodenkalkulation, dass nicht 100 % der Kosten für die endgültige Herstellung auf alle nicht angeschlossenen Grundstücke zu verteilen seien, sondern nur die in der gewählten Rechnungsperiode entstehenden Kosten auf die in der Rechnungsperiode neu anzuschließenden Grundstücke. Eine andere Vorgehensweise würde gegen die Grundzüge der Rechnungsperiodenkalkulation verstoßen.

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Schließlich sei das klägerische Flurstück 1263/163 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits vor dem Jahre 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen. Vielmehr stünden die Grundstücke, über die die Leitung zum Flurstück 1263/163 führe, in unterschiedlichem Eigentum. Ein direkter Anschluss an die Trinkwasserversorgungsanlage sei für das klägerische Grundstück nicht vorhanden gewesen. Auch bestehe keine dauerhafte Sicherung des Leitungsrechts zu Gunsten des Grundstücks. Hinzu komme, dass nach § 7 der Wasserbeitragssatzung die sachliche Beitragspflicht entweder mit betriebsfertiger Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage vor dem Grundstück oder bei tatsächlicher Anschlussnahme im Sinne von § 3 Abs. 2 der Satzung gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung mit dessen Genehmigung entstehe; die schlichte tatsächliche Anschlussnahme reiche demgemäß nicht aus.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 18. Juni 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er meint, die Beitragskalkulation des Beklagten sei in einem wesentlichen Punkt mangelhaft, da der Beklagte auf der Flächenseite der Kalkulation zu wenig Grundstücke berücksichtigt habe. Sinn und Zweck einer Rechnungsperiode sei, dass der ihr zugrunde gelegte Aufwand stellvertretend für den Aufwand der öffentlichen Einrichtungen in ihrer endgültigen Ausdehnung stehe. Eine Rechnungsperiode repräsentiere die Gesamtzeit dadurch, dass sie sowohl den in der Vergangenheit entstandenen als auch den zukünftigen Investitionsaufwand einschließe und für diesen Zeitraum die Verteilungseinheiten (hier: Beitragsflächen) bestimme. Eine Rechnungsperiode bestehe damit grundsätzlich aus einem in der Vergangenheit liegenden „Abrechnungszeitraum“ und einem in der Zukunft liegenden „Prognosezeitraum“. Der Beitragspflichtige werde so an den Kosten der Gesamtanlage, und zwar an den in der Vergangenheit entstandenen als auch an den zukünftig entstehenden Kosten, beteiligt. Methodisch werde also die Gesamtzeit von den Anfängen bis zur künftigen Fertigstellung der Anlage durch eine kürzere zeitnahe Rechnungsperiode ersetzt. Diese repräsentiere die Gesamtzeit dadurch, dass sie sowohl den in der Vergangenheit entstandenen als auch den zukünftigen Investitionsaufwand einschließe. Der in die Kalkulation einzustellende Investitionsaufwand und/oder das gewählte Verteilungsgebiet müssten unter Berücksichtigung der Siedlungsstruktur und Entwicklung zeitlich und räumlich hinreichend repräsentativ sein. Im Übrigen sei der Beitragssatz methodisch so zu ermitteln, dass stets der gesamte umlagefähige Aufwand für die Gesamtanlage durch die Summe der Maßstabseinheiten dividiert werde. Das gelte auch dann, wenn der durchschnittliche Aufwand auf der Grundlage repräsentativer Gebiete veranschlagt werde. Zusammenfassend bleibe festzuhalten, dass im Rahmen der Rechnungsperiodenkalkulation nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, dass der Aufwand in der Rechnungsperiode stellvertretend für den Gesamtaufwand für die Anlage in ihrer endgültigen Ausdehnung stehe und somit der Aufwand gleichmäßig verteilt werden müsse, so dass ein 90%iger Aufwand auch eine ebenso repräsentative Fläche umfassen sollte. Im Übrigen bleibe er mit Blick auf den Grundstückskaufvertrag vom 19. April 2006 bei seiner Auffassung, dass das Flurstück 1263/163 bereits über einen Anschluss verfügt habe, so dass - auch mit Blick auf § 7 der Wasserbeitragssatzung - eine Herstellung des Anschlusses nicht erforderlich gewesen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Allerdings stimmt der Senat nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu, dass der angefochtene Bescheid jedenfalls insoweit teilweise rechtlichen Bedenken begegne, als der Beklagte mit dem Flurstück 1263/163 ein Grundstück herangezogen habe, das jedenfalls nach Angaben des Klägers bereits vor 1991 an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen gewesen sei. Nach den im Berufungsverfahren aufgeklärten tatsächlichen (Eigentums-)Verhältnissen an den streitbefangenen Flurstücken war das klägerische Flurstück 1263/163 zwar vor 1991 mit der grundstückseigenen Trinkwasserversorgungsanlage des Flurstücks 1284/0 verbunden, das seinerseits über die in der Neuen H. Straße verlegte Hauptleitung mit Trinkwasser versorgt wurde. Da das Flurstück 1284/0 nach dem in der erstinstanzlichen Gerichtsakte befindlichen Lageplan nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flurstück 1263/163 liegt, führte die von dem Trinkwasserversorgungsnetz des Flurstücks 1284/0 abzweigende Leitung zum klägerischen Flurstück 1263/163 über die Flurstücke 1282/0, 1285/163 und 1280/0, die seit dem 13. Juni 2002 im Eigentum des Klägers stehen. Allerdings stand das hier maßgebliche „Versorgungsgrundstück“ 1284/0 zu keinem Zeitpunkt im Eigentum des Klägers. Auch ist eine dingliche Sicherung der Trinkwasserversorgung nicht geltend gemacht oder ersichtlich, so dass das Flurstück 1263/163 mangels gesicherter Vorteilslage nicht als bereits vor 1991 angeschlossen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA gelten kann. Vielmehr ist für das Grundstück erst mit der Herstellung der Trinkwasserhauptleitung im Jahre 1997 die zur Beitragserhebung rechtfertigende Vorteilslage entstanden. Gleiches gilt im Übrigen für das Flurstück 1261/163, dem ebenfalls unstreitig erstmals mit der betriebsfertigen Herstellung der Trinkwasserhauptleitung im Jahre 1997 die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 der Wasserbeitragssatzung des Beklagten vom 8. September 2005 - WBS 05 -, die ordnungsgemäß am 30. November 2005 im Amtsblatt des Landkreises Wernigerode veröffentlicht worden ist und am 1. Januar 2006 in Kraft trat, eröffnet wurde; auf eine tatsächliche Anschlussnahme kommt es zur Begründung einer beitragsrelevanten Vorteilslage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht an.

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2. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber deswegen als rechtswidrig, weil die dem Bescheid zugrunde liegende Wasserbeitragssatzung des Beklagten vom 8. September 2005 hinsichtlich der Regelung des Beitragssatzes (§ 5 Abs. 1 WBS 05) nichtig ist. Dies wiederum zieht die Gesamtnichtigkeit der Satzung nach sich, weil diese ohne gültige Regelung zum Beitragssatz nicht mehr den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA entspricht.

25

Dabei geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:

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Die Festlegung eines der Höhe nach bestimmten Beitragssatzes, wie ihn eine Beitragssatzung im Recht der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen zwingend enthalten muss, beruht auf der Division des Betrages des beitragsfähigen Aufwands durch die Summe der Maßstabseinheiten, die in Anwendung der Maßstabsregelung der Satzung für die Gesamtheit der zu prognostizierenden Beitragsfälle zu ermitteln sind. Dabei erfordert die Bestimmung des Beitragssatzes eine differenzierte Kalkulation; denn sowohl die Aufwandsermittlung, die nur nach einer der aus § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA herzuleitenden Methoden erfolgen darf, als auch die Ermittlung der zu berücksichtigenden Grundstücksflächen sind komplexe Vorgänge, die bestimmten vom Satzungsgeber zu beachtenden gesetzlichen Anforderungen unterliegen. Fehler in der Beitragskalkulation, also in der Gesamtheit aller Ermittlungen, Berechnungen, Ermessens- und Wertentscheidungen sowie Schätzungen, die der Festsetzung des Beitragssatzes zu Grunde liegen, ziehen nur dann die Unwirksamkeit der Beitragssatzung nach sich, wenn das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erheblich oder gröblich verletzt ist, d. h. Fehler bei der Aufwandsermittlung können nicht als solche, sondern nur im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des Aufwandsüberschreitungsverbots zur Ungültigkeit der Beitragssatzregelung führen. Für die Gültigkeit des in einer Beitragssatzung festgesetzten Beitragssatzes kommt es nämlich allein darauf an, ob er sich im Ergebnis als „richtig" (im Sinne von „nicht überhöht" nach Maßgabe des Aufwandsüberschreitungsverbots) erweist (OVG LSA, Beschl. v. 02.08.2007 - 4 M 44/07 -; Urt. v. 27.07.2006 - 4 K 253/05 -; Urt. v. 07.09.2000 - 1 K 14/00 -; alle zit. nach juris). Solche zur Nichtigkeit der Beitragssatzregelung führenden Fehler bei der Aufwandsermittlung liegen erstens dann vor, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird (vgl. VG Halle, Urt. v. 18.12.2009 - 4 A 308/07 -, zit. nach juris, m. w. N.; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1997 - BVerwG 8 B 105.97 -, zit. nach juris). Darüber hinaus führen Fehler der Beitragskalkulation - zweitens - aber auch dann zur Unwirksamkeit der Satzung, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (OVG NW, Beschl. v. 03.11.2000 - 15 A 2340/97 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 03.12.2003 - 2 A 417/01 -, beide zit. nach juris).

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Allerdings wird im gerichtlichen Verfahren die Kalkulation - vorbehaltlich konkreter Rügen auf der Klägerseite - nur insoweit überprüft, als es um die Plausibilität der Berechnung des konkreten Beitragssatzes geht (zum Prüfungsmaßstab des Abgabensatzes bei Abgabensatzungen: BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, zit. nach juris; OVG LSA, Beschl. v. 02.03.2010 - 4 L 199/09 -, m. w. N.).

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der von dem Beklagten in § 5 Abs. 1 WBS 05 festgesetzte Beitragssatz zu beanstanden; denn die zur Rechtfertigung des Beitragssatzes in Höhe von 1,50 Euro/m² vorgelegte Periodenkalkulation für die Wasserversorgung (Dokumentation April 2005 und Kontrollkalkulation Stand 4/2005 und 3/2008) weist erhebliche methodische Fehler auf.

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2.1. Zwar ist die der Ermittlung der Beitragssätze zugrunde liegende sogenannte Rechnungsperiodenkalkulation eine grundsätzlich zulässige Berechnungsart für Beitragssätze (vgl. hierzu Klausing, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 8 Rdnr. 998 ff.; OVG LSA, Beschl. v. 09.07.2007 - 4 M 168/07 -, m. w. N.). Sie erfasst nicht wie die Gesamtanlagenkalkulation im Sinne einer Globalkalkulation die gesamte öffentliche Einrichtung mit allen ihren vorhandenen und absehbar geplanten Anlagen (Kosten von Baubeginn bis Fertigstellung), sondern nur den in einem bestimmten Zeitraum, der zeitlich abgegrenzten Rechnungsperiode, durchschnittlich anfallenden Aufwand für die Einrichtung (Klausing, a. a. O., § 8 Rdnr. 994). Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass das Kommunalabgabengesetz für das Land Sachsen-Anhalt dieser Kalkulationsmethode nicht entgegen steht, sondern der Zweckverband (bzw. die Gemeinde) in Ausübung seines (ihres) Ermessens wählen kann, ob er (sie) bei der Aufwandsermittlung auf die Gesamtanlage oder auf den in einer Rechnungsperiode durchschnittlich anfallenden Aufwand abstellen will. Zwar könnte die Formulierung der von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA, wonach bei leitungsgebundenen Einrichtungen „der durchschnittliche Aufwand für die gesamte Einrichtung veranschlagt und zugrunde gelegt werden“ kann, gegen die Möglichkeit der Ermittlung des durchschnittlichen Aufwandes für eine Rechnungsperiode sprechen, weil die Vorschrift auf den durchschnittlichen Aufwand der „gesamten Einrichtung“ und damit auf den wesentlichen Anknüpfungspunkt der Globalkalkulation abstellt. Allerdings hebt die Vorschrift auch ab auf den „durchschnittlichen“ Aufwand, so dass sie - wie das Verwaltungsgericht zu Recht annimmt - auch „zeitlich“ in dem Sinne verstanden werden kann, dass der in einer bestimmten, zeitlich begrenzten Rechnungsperiode anfallende Investitionsaufwand für die Herstellung der gesamten Einrichtung in dieser Zeit zu ermitteln ist (vgl. Klausing, a. a. O., § 8 Rdnr. 998 m. w. N. zu ähnlichen Regelungen in § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG des Landes Nordrhein-Westfalen, § 6 Abs. 3 Satz 5 KAG des Landes Niedersachsen). Ausgehend von diesen Erwägungen hält der Senat gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA sowohl die Global- als auch die Rechnungsperiodenkalkulation im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen nach dem KAG LSA für zulässig.

30

Auch ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass die von dem Beklagten vorgenommene zeitliche Einordnung der Periode nicht zu beanstanden ist, soweit mit ihr zwar der Zeitpunkt seit der Übernahme der Trinkwasserversorgung im Verbandsgebiet, nicht aber der davor liegende Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG LSA abgedeckt wird. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beginn der Rechnungsperiode nicht zwingend mit dem erstmaligen Inkrafttreten des KAG LSA zusammen fallen muss (so aber OVG MV, Beschl. v. 15.02.2002 - 1 M 70/01 -, zit. nach juris); denn in dem Zeitraum vor 1996 war der Beklagte nicht Einrichtungsträger, so dass weder die Einrichtungsidentität gegeben war noch der Verband Investitionen tätigen konnte.

31

2.2. Die von dem Beklagten vorgelegte Rechnungsperiodenkalkulation weist jedoch methodische Fehler auf, indem sie den in der Rechnungsperiode entstandenen Aufwand, der nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht 90 % des Gesamtaufwandes ausmacht, ausschließlich auf diejenigen Grundstücke verteilt, die noch nicht angeschlossen sind und in dem gewählten Zeitraum der Periodenkalkulation tatsächlich noch angeschlossen werden (vgl. Nr. 2.5.1. der Periodenkalkulation).

32

2.2.1. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Aufwandsermittlung, die für bereits abgeschlossene Investitionen und für die bis zum voraussichtlichen Ausbauzustand 2011 geplanten Anlagenteile prozentual bestimmte Kosten in Ansatz bringt, bezogen auf die Kosten für zentrale Einrichtungen den Grundsätzen einer Rechnungsperiodenkalkulation entspricht; insbesondere ist nicht erkennbar, ob der Beklagte bei der Veranschlagung der Kosten beachtet hat, dass diese (innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode hergestellten) Anlagenteile nach ihrer Funktion häufig einem größeren Gebiet, u. U. sogar dem gesamten Gebiet des Zweckverbands dienen als den Grundstücken, denen in der gewählten Rechnungsperiode eine Anschlussmöglichkeit geboten wird. Es wäre deshalb nicht gerechtfertigt, diese Aufwendungen in ihrer gesamten oder in einer zu geringen Höhe dem Aufwand für eine Rechnungsperiode zuzurechnen. Der Aufwand muss vielmehr zunächst auf die Summe der Maßstabseinheiten des gesamten Satzungsgebietes verteilt werden, um auf der Grundlage der auf die Rechnungsperiode entfallenden Maßstabseinheiten eine sachgerechte Zuordnung dieses Aufwandes zu ermöglichen (BayVGH, Urt. v. 09.07.2009 - 20 B 09.28 -, zit. nach juris; vgl. auch Dietzel, in: Driehaus, a. a. O., § 8 Rdnr. 590). Insoweit fließen in die Rechnungsperiodenkalkulation auch Elemente der Globalkalkulation ein (vgl. Hatopp Kommentar zum NKAG, § 6 Rdnr. 240). Ob der Beklagte diese Grundsätze befolgt hat, lässt sich nicht abschließend feststellen. Aus 2.5. (Kostenzusammenstellung) ergibt sich allerdings, dass Gegenstand der Kostenaufstellung (Anlage 1: Grunddaten Kostenaufstellung Wasserversorgung) das gesamte , also grundsätzlich auch das zentrale Anlagevermögen der Rechnungsperiode ist.

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Auch bestehen vom Ansatz her mit Blick auf die noch nicht endgültige Herstellung der Trinkwasserversorgungseinrichtung des Beklagten keine Bedenken in Bezug auf die Länge der gewählten Periode von immerhin fünfzehn Jahren (1996 bis 2011).

34

2.2.2. Allein eine nicht zu beanstandende Zeitdauer reicht jedoch für eine ordnungsgemäß durchgeführte Rechnungsperiodenkalkulation nicht aus. Vielmehr ist kennzeichnendes Merkmal dieser Kalkulationsmethode, dass sie auf den durchschnittlichen Aufwand der Anlage in einem bestimmten Abschnitt aus der Zeit von Beginn der Herstellung bis zur Fertigstellung der Anlage abstellt. Dies wiederum macht es nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur erforderlich, dass die gewählte Rechnungsperiode den Aufwand für die gesamte Anlage innerhalb der Gesamtzeit hinreichend repräsentiert (Dietzel, a. a. O., § 8 Rdnr. 589a; Hatopp, a. a. O., § 6 Rdnr. 238; Habermann, Kommentar zum KAG SH, § 8 Rdnr. 546). In diesem Sinne setzt die Rechnungsperiodenkalkulation kontinuierlich entstehenden und sich auf den Gesamtzeitraum etwa gleichmäßig verteilenden Aufwand voraus; sie ist deshalb vom Ansatz her zugeschnitten auf den laufend anfallenden Anschaffungsaufwand für das durch das Hinzukommen neuer Baugebiete ständig erweitere Leitungsnetz (vgl. BayVGH, Urt. v. 23.07.2009 - 20 BV 08.1197 -, zit. nach juris). Dabei kann auf den Durchschnitt der in der Vergangenheit und Zukunft angeschlossenen oder anzuschließenden Maßstabseinheiten abgestellt werden. Ebenso können Aspekte der gemeindlichen Siedlungsstruktur als typische Indizien für die durchschnittliche Entwicklung des Verteilungsgebiets herangezogen werden. Repräsentativ sind dabei Gebiete, die in ihrer Gesamtheit aufgrund der örtlichen, geographischen und geologischen Gegebenheiten und sonstiger relevanter Umstände mit den sonstigen Gebieten (im Gemeindegebiet) vergleichbar sind (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 20.02.2008 - RN 3 K 07.00735 -, zit. nach juris, m. w. N.). Die Rechnungsperiodenkalkulation soll es dem Satzungsgeber also nur ermöglichen, stellvertretend für die gesamte Einrichtung auf einen zeitlichen Ausschnitt, der Rechnungsperiode, abzustellen. Im Ergebnis sollen danach der Investitionsaufwand und die in der Rechnungsperiode angeschlossenen Gebiete mit dem Durchschnitt des gesamten erschlossenen und zu erschließenden Satzungsgebietes vergleichbar sein. Mithin ist dem Repräsentativerfordernis, das die Anwendbarkeit der Rechnungsperiodenkalkulation im Hinblick auf den Solidaritätsgedanken (gleichbleibende Beitragsstruktur) einschränkt, nur Genüge getan, wenn - im Rahmen einer anzustellenden Kontrollberechnung - das Verhältnis von Aufwand und Maßstabeinheiten in der Rechnungsperiode mit dem Verhältnis von (Gesamt)Aufwand und den (prognostischen) Maßstabseinheiten im Gesamtgebiet des Verbandes vergleichbar ist. Nur dann ist das der Rechnungsperiode zugrunde liegende Gebiet als repräsentativ anzusehen (BayVGH, Urt. v. 23.07.2009, a. a. O.) Dabei mag sich angesichts einer der Globalkalkulation angenäherten Kontrollberechnung zwar die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Rechnungsperiodenkalkulation stellen (vgl. zu den Vorteilen: Habermann, a. a. O., § 8 Rdnr. 544), eine Kontrollberechnung stellt sich indes mit Blick auf das Repräsentativerfordernis als nicht entbehrlich dar.

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Diesen für eine Rechnungsperiodenkalkulation nach Auffassung des Senats durch die Verwendung des Begriffs „durchschnittlich“ in § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA notwendigen Vergleich mit der gesamten Einrichtung zur Wahrung des Grundsatzes der Repräsentativität hat der Beklagte im Rahmen seiner Periodenkalkulation jedoch unstreitig nicht angestellt, weil er die Auffassung vertritt und - auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - vertreten hat, Wesen und bestimmendes Element der Periodenkalkulation sei es, (schlicht) nur diejenigen Kosten, die innerhalb des gewählten Zeitraums entstünden, auf die Grundstücke umzulegen, die durch die in der Periode durchgeführten Maßnahmen erstmals bevorteilt würden (vgl. auch Schriftsatz vom 06.08.2008, Seite 3). Dementsprechend lässt die vorliegende Periodenkalkulation keine Beschränkung auf eine bestimmte als repräsentativ für den Gesamtzeitraum der Herstellung angesehene, zeitlich eingeschränkte Rechnungsperiode erkennen, sondern hebt ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum ab Übernahme der Trinkwasserversorgung im Jahre 1996 bis zum Jahre 2011 ab. Folgerichtig lassen sich den Kalkulationsunterlagen - von dem Beklagten zu Unrecht auch als nicht erforderlich erachtete - Berechnungen, ob der für die Rechnungsperiode ermittelte Beitragssatz mit dem auf der Grundlage des Gesamtaufwandes und der Maßstabseinheiten insgesamt berechnete Satz vergleichbar ist, nicht entnehmen. Damit weicht der Beklagte aber von den maßgeblichen methodischen Grundsätzen der Rechnungsperiodenkalkulation ab, dass die Kalkulation nachvollziehbar und belegbar anhand einer für das gesamte Einrichtungsgebiet repräsentativen Rechnungsperiode zu erfolgen hat. Der bloße Hinweis des Beklagten, dass - mit Blick auf Beitragssätze weiterer Rechnungsperioden - durch die Länge der vorliegend gewählten Rechnungsperiode dem Repräsentativ- und Solidargedanken widersprechende Beitragssätze vermieden werden, ist allein nicht ausreichend.

36

2.2.3. Unabhängig davon hat der Beklagte im Rahmen seiner Periodenkalkulation methodisch fehlerhaft die bis zur Übernahme der Trinkwasserversorgung im Jahre 1996 angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke bei der Ermittlung der Grundstücksflächen nicht berücksichtigt, obwohl auch sie durch die streitgegenständliche Trinkwasserversorgungseinrichtung erstmals bevorteilt werden und deshalb grundsätzlich der Herstellungsbeitragspflicht unterfallen (VG Cottbus, Urt. v. 05.02.2009 - 6 K 24/08 -, zit. nach juris). Denn erst mit der Übernahme der Trinkwasserversorgung durch den Beklagten kann ein hier im Rahmen der Beitragskalkulation für die hiesige Einrichtung zu berücksichtigender „Vorteil“ entstanden sein, auch wenn faktisch schon zuvor der Anschluss bestand bzw. eine Anschlussmöglichkeit gegeben war. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Trinkwasserversorgung erst im Jahre 1996 übernommen hat. Ist die Aufgabe der Trinkwasserversorgung von einem Einrichtungsträger - hier den Stadtwerken - auf einen anderen Einrichtungsträger - hier den Beklagten - übergegangen, ist dieser grundsätzlich befugt, einen Herstellungsbeitrag zur Deckung des Aufwandes für seine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung auch von den Eigentümern, die bereits vor der Übernahme an die öffentliche Einrichtung angeschlossen waren, zu erheben, da die öffentliche Einrichtung des Zweckverbandes mit der vormaligen Einrichtung nicht identisch ist (bei Wechsel von Mitgliedsgemeinde auf Zweckverband entschieden vom BayVGH, Urt. v. 31.03.1992 - 23 B 89.1906 -, KStZ 1994, 55 f.; VG Halle, Beschl. v. 26.03.2008 - 4 B 521/07 -, zit. nach juris).

37

Daraus folgt, dass zwar in der Zeit vor 1996 mangels Vorliegen einer wirksamen Satzung für kein Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, aber dennoch grundsätzlich alle Flächen, die in dieser Zeit (in tatsächlicher Hinsicht) bevorteilt werden bzw. wurden, in die Kalkulation einzubeziehen sind bzw. waren. Die sich in diesem Zusammenhang stellende Frage nach den „Baukostenzuschüssen“ ist in den vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend aufgezeigt.

38

2.2.4. Die unter 2.2.2. und 2.2.3. festgestellten schwerwiegenden methodischen Fehler führen ohne weitere Nachprüfung der Kalkulationsunterlagen zur Nichtigkeit des kalkulierten Beitragssatzes und der Unwirksamkeit der Satzung insgesamt; denn die Kalkulation beruht offensichtlich nicht nur auf einem fehlerhaften Rechenvorgang, der vom Gericht korrigiert werden könnte, sondern macht aufgrund der fehlerhaften Grundannahmen des Beklagten von vornherein die Feststellung unmöglich, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (vgl. OVG NW, Beschl. v. 03.11.2000 -, a. a. O.). Insoweit war das Gericht auch eine mit Blick auf die für das Land Sachsen-Anhalt entwickelte ständige obergerichtliche sog. Ergebnisrechtsprechung (vgl. z. B. OVG LSA, Beschl. v. 02.08.2007, a. a. O.) nicht gehalten, den Beklagten aufzufordern, spätestens bis zur mündlichen Verhandlung eine nachvollziehbare und fehlerfreie Kalkulation unter Einbeziehung einer Kontrollberechnung im vorstehenden Sinne vorzulegen. Insbesondere liegt die Bestimmung des zeitlichen Rahmens der Rechnungsperiode, dem nach den vorstehenden Ausführungen maßgebliche Bedeutung für die Wahrung des Repräsentativerfordernisses zukommt, im Ermessen des Beklagten und ist damit nicht vom Gericht vorzugeben.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines von dem Beklagten als Herstellungsbeitrag II bezeichneten Beitrags.

2

Der Kläger ist seit dem 17.06.1999 Eigentümer des in der Gemarkung A-Stadt, Flur gelegenen Flurstücks, das im Grundbuch von A-Stadt Blatt 6186 unter der laufenden Nr. 1 als Gebäude- und Freifläche, A-Straße mit einer Größe von 641 qm eingetragen ist. Das Grundstück ist zweigeschossig bebaut. Bereits vor dem 15.06.1991 verlief vor dem klägerischen Grundstück ein Hauptsammler für Abwasser.

3

Mit Bescheid vom 21.03.2011 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das vorbezeichnete Grundstück einen „Herstellungsbeitrag II Schmutzwasser“ in Höhe von 794,84 EUR ausgehend von einer angeschlossenen Fläche von 641 qm, einem Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung und einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm fest.

4

Der Kläger hat gegen den Beitragsbescheid unter dem 25.03.2011 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, das Grundstück im Dezember 1998 erworben zu haben und im Zuge von Umbaumaßnahmen einen neuen Anschluss erhalten zu haben, den er auch bezahlt habe.

5

Mit dem Kläger am 02.07.2011 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wies der Beklagte den klägerischen Widerspruch zurück.

6

Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2011 Klage beim erkennenden Gericht erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.06.2012 den Eilantrag abgelehnt (Az.: 9 B 91/12 MD).

7

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das im Jahr 1916 bebaute Grundstück im Jahr 1991 nicht angeschlossen gewesen, mithin der Tatbestand des § 5 Abs. 2 der Abgabensatzung nicht erfüllt sei. Der Beklagte gehe in seiner „Beitragsbedarfsberechnung vom 25.03.2002“ (vgl. Generalvorgang) selbst davon aus, dass sein Grundstück erstmals 1994 an die fertig gestellte Anlage angeschlossen gewesen sei bzw. hätte angeschlossen werden können. Beim Erwerb des Hauses im Jahr 1998 sei dieses schon langjährig unbewohnt gewesen und aufgrund des Reparaturstaus überhaupt nicht nutzbar. Die von ihm beauftragte Firma ... GmbH habe im Jahr 1999 mit der Sanierung begonnen, dabei sei festgestellt worden, dass die Pläne des Beklagten hinsichtlich der Anschlusssituation nicht mit dem tatsächlichen Bestand übereingestimmt hätten. Das Grundstück sei nicht angeschlossen gewesen, sondern über Güllegruben entsorgt worden. Vom Vorderhaus seien keinerlei Abflussleitungen zur Straße geführt worden. Die Entwässerung erfolgte rückwärtig zu einer Güllegrube, die im Rahmen der Baumaßnahme verfüllt worden sei.

8

Der Beklagte sei nicht berechtigt, den streitbefangenen Beitrag zu erheben, denn die Anlage sei unter Wahrung ihrer Identität lediglich erneuert worden, da aufgrund Verschleißes eine Modernisierung notwendig gewesen sei. Es komme nicht auf die Identität des Rechtsträgers der Altanlage, sondern auf die Identität der Anlage selbst an. Die Schaffung einer neuen Anlage liege nicht vor. Der Herstellungsbeitrag scheide auch bereits dem Grunde nach aus. Den Gemeinden oblag nach der aufgrund Einigungsvertrags anwendbaren Kommunalverfassung der DDR vom 17.05.1990 bereits vor Inkrafttreten des Landeswassergesetzes Sachsen-Anhalt die Pflicht zur Abwasserentsorgung und Wasserversorgung. Da die Rechtsprechung eine Rechtsnachfolge von DDR-Kommunen ablehne, gewinne entscheidungserheblicher Bedeutung, dass Gemeinden sich faktisch den Altanlagen bemächtigt und jedenfalls konkludent durch Öffnung der Anlage gewidmet haben. In der Folge seien Benutzungsgebühren erhoben und die Eigentümer dem Benutzungszwang unterworfen worden. Den Gemeinden – hier die Stadt A-Stadt – seien die Altanlagen zugeordnet worden. Mit dieser Zuordnung sei die (neue) öffentliche Einrichtung entstanden, hierin sei die erstmalige Herstellung zu erblicken, da sich der Vorteil bereits ergeben habe. Heute erfolgende Baumaßnahmen dürften folglich nicht mehr als erstmalige Herstellung einer Anlage deklariert werden. Die Vorteilslage sei bereits „mit dem Eintritt des Verbandes“ und seinem Benutzungszwang des bestehenden Altsystems gegeben gewesen.

9

Der Alteigentümer werde gegenüber den Neuanschlussnehmern benachteiligt; Vorteilsgerechtigkeit sei nicht gegeben.

10

Der streitbefangene Bescheid sei zu unbestimmt. Umlagefähige Maßnahmen, die ausgeführt worden seien, würden nicht bezeichnet. Welche beitragsfähigen Neuanlagen mit welchem Kostenanteil in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt worden seien, werde nicht ansatzweise ausgeführt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte unzulässige Sanierungskosten in den Herstellungsbeitrag II eingestellt habe, denn Teile der Anlage stammten aus den 30-er Jahren. Auch Unterhaltungsmaßnahmen seien lediglich gebühren-, jedoch nicht beitragsfähig. Der faktische Austausch der tatsächlich bestehenden Anlage wegen Verschleißes und deren Modernisierung, sei keine Herstellung, denn eine Anlage sei nicht nur rein technisch, sondern auch rechtlich zu verstehen. Eine neue Anlage sei nicht geschaffen worden, da die Identität der Anlage gewahrt geblieben sei.

11

Mit Nichtwissen werde bestritten, dass nach dem maßgebenden Stichtag überhaupt beitragsfähige Anlagenteile geschaffen worden seien.

12

Nicht nachvollziehbar sei, ob der Beklagte denjenigen Aufwand herausgerechnet habe, der ausschließlich Neuanschlussnehmern diene. Es bestehe der Anschein, dass der Beklagte Deckungslücken über Beiträge refinanziert habe, anstatt den nicht beitragsfähigen Investitionsanteil über laufende Benutzungsgebühren zu finanzieren.

13

Der in der Beitragssatzung verwendete Vollgeschossfaktor sei willkürlich gegriffen worden und finde im Gesetz keinen Niederschlag.

14

Der in der Satzung festgelegte Beitragssatz sei überhöht und in wesentlichen Teilen nicht nachprüfbar. Aus den Medien sei bekannt, dass der Beklagte einen Teil seines Herstellungsaufwands durch Gebühren/Entgelte realisiert habe, diese seien vom Aufwand abzusetzen. Die tabellarische Übersicht zeige, dass sich die Gebührensätze seit 1992 auf einem hohen Level befunden hätten. Weshalb es der Einnahme eines Herstellungsbeitrags II aufgrund der Satzung vom 29.09.2010 bedurft habe, sei deshalb nicht erkennbar, weil – wie der frühere Geschäftsführer des Beklagten, Herr P…, in einem Interview im „… Kreisanzeiger“ vom 22.01.2004 erläutert habe – die Senkung der Gebühren deshalb möglich sei, weil „a l l e“ Investitionen durch die Gebühren- und Beitragskalkulation bereits finanziert worden seien. Die Anlagen seien zum Teil schon 12 Jahre alt und damit praktisch schon erwirtschaftet. Mindestens 10,208 Mio. EUR, die der Beklagte in die Kalkulation des Herstellungsbeitrags II eingestellt habe, seien bereits durch Gebühren gedeckt. Das Niveau des Beitragssatzes sei seit 1992 nahezu gleichbleibend, so dass die Vermutung naheliege, dass zuvor eine Gebührenfinanzierung erfolgt sei, d.h. dieser Anteil aus dem beitragsfähigen Investitionsaufwand herauszurechnen sei. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zwei Mal abrechne, einmal über Abschreibungen (kalkulatorische Kosten der Anlage) als auch über den Herstellungsbeitrag II. Denn der Beklagte verlange im Rahmen des kalkulatorischen Aufwands faktisch Vorschüsse auf Maßnahmen der nächsten 40 Jahre. Die Kosten für die Erneuerung der Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse würden durch Abschreibungen über den Gebührenhaushalt refinanziert, so dass sie nicht zum Aufwand des Herstellungsbeitrags II gehören könnten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Aufwand bereits in den vorangegangenen Gebührenkalkulationen seinen Niederschlag gefunden habe, mithin nunmehr doppelt berücksichtigt werde.

15

Die Satzung vom 29.09.2010 sei nicht wirksam, weil Altanschließer zeitlich unbeschränkt herangezogen werden dürften und sie dadurch unangemessen benachteiligt würden. Die Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes (§§ 13b, 18 KAG LSA) habe weder eine Heilung der Satzung noch des Bescheides herbeigeführt. Es sei nicht Wille des Landesgesetzgebers gewesen, eine unwirksame Satzung zu heilen. Die neue Satzung des Beklagten vom 04.02.2015 verstoße gegen das Schlechterstellungsverbot, da in § 10 der Satzung höhere Mahngebühren verlangt würden.

16

Vor Maßnahmebeginn hätte eine Satzung mit einer Verteilungsregel beschlossen sein müssen, ansonsten entstehe keine sachliche Beitragspflicht, eine nachträglich rückwirkende Heilung der Satzung sei ausgeschlossen. Dies müsse auch für den Herstellungsbeitrag II gelten. Auch sei keine Unterrichtung der Beitragspflichtigen gemäß § 6d KAG LSA erfolgt.

17

Der in die Kalkulation eingestellte Aufwand für Druckleitungen und Pumpwerke in Höhe von 1.587.578 EUR bedeute für die Altanschließer keinen Vorteil. Der eingestellte Investitionsaufwand von 20.771.240 EUR enthalte diesen Aufwand, obgleich der Anschluss des Gefechtsübungszentrums L… und der Stadt … an das System A-Stadt keinen Vorteil für die Altanschließer bringe.

18

Die Kalkulation sei nicht nachprüfbar. Dies gelte sowohl für den Aufwand im Einzelnen, als auch die in den Ansatz gebrachten Flächen, da jedenfalls Übertragungs- und Additionsfehler nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Höhe der in den Ansatz gebrachten Einzelpositionen werde bestritten, sie würden nicht tief genug vereinzelt. Ohne nähere Angaben und Belege könne die Richtigkeit nicht unterstellt werden. Jede eingestellte Position müsse im Einzelnen namentlich benannt und belegt werden. Nur so könne geprüft werden, ob gebührenfähiger Aufwand oder solcher, der allein Neuanschlussnehmer bevorteile, enthalten sei. Die tabellarisch erfassten Flächen würden aus der Liegenschaftskarte bzw. aus dem Liegenschaftsbuch des Beklagten stammen. Es könne nicht geprüft werden, ob der Beklagte das Flächenmaß aus dem Grundbuch oder dem Kataster richtig übernommen habe, da keine Auszüge vorlägen. Zudem seien öffentliche Verkehrsflächen sowie sonstige öffentliche Flächen zu Unrecht herausgerechnet worden. Schließlich bestehe eine Diskrepanz zwischen der Grundbuchfläche und der Beitragsfläche. Die beim Herstellungsbeitrag I berücksichtigten Flächen stimmten nicht mit denen überein, die bei der Ermittlung des Beitragssatzes des Herstellungsbeitrags II Berücksichtigung gefunden hätten. Der Kläger habe wiederholt Akteneinsicht beantragt, dem sei – auch im gerichtlichen Verfahren – nicht nachgekommen worden.

19

Der Vorteil der Allgemeinheit müsse vom Aufwand abgesetzt werden. Denn der gleiche Vorteil, den die privaten Altanschlussnehmer hätten, habe auch die Allgemeinheit, die die Anlage auch vor dem Stichtag habe nutzen können. Materielle Vorteile der Allgemeinheit seien bspw. die Bereitstellung von Löschwasser, das Durchspülen der Kanalisation, Reinigung der Straßen nach Unfällen, Oberflächenwasserentsorgung (Entwässerung von Straßen, Wegen und Plätzen), Anlagen des Überflutungsschutzes; auch dies müsse bewertet werden.

20

Erneuerungskosten seien keine beitragsfähigen Kosten im Rahmen des Herstellungsbeitrags II. Denn Kosten der Unterhaltung und des Betriebs seien allein gebührenfähig. Die Beitragspflicht erlischt ein für alle mal, wenn die öffentliche Einrichtung hergestellt sei. Dies sei hier der Fall. Auch der Tatbestand der Erweiterung sei nicht erfüllt.

21

Der Beklagte habe zu Unrecht im Rahmen der Kalkulation den Aufwand für Hausanschlüsse berücksichtigt. Diese Kosten müsse jeder Grundstückseigentümer selbst tragen.

22

§ 6 Abs. 3 KAG LSA sei missachtet worden. Die Kläranlage in A-Stadt sei überdimensioniert und nach unrealistischen Einwohnergleichwerten geplant worden (geplanter Großschlachthof, ansässiger Großbetrieb: Asbestzementwerk, A-Stadt war Garnisonsstadt); auch die Leitungen seien so überdimensioniert, dass sie zusätzlich gespült werden müssten. Die hierdurch veranlassten Mehrkosten seien nicht beitragsfähig, da sie nicht notwendig gewesen seien.

23

Die in der Abgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung sei fehlerhaft, da der Beklagte lediglich einen Durchschnittswert ermittelt habe, so dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ein methodischer Fehler vorliege. Die zugrunde gelegten Grundstücke seien nicht repräsentativ. In A-Stadt gebe es 371 Straßen, weshalb die drei vom Beklagten berücksichtigten Straßen gewählt worden seien, bleibe offen. Die im Übrigen berücksichtigten Straßen in den Gemeinden Jävenitz, Altmersleben, Engersen, L.., ..., ...rhorst und Solpke seien bereits deshalb nicht repräsentativ, weil diese Gemeinden am Herstellungsbeitrag II nicht teilnehmen würden.

24

Auch die durchschnittliche Grundstücksgröße sei weder repräsentativ noch nachvollziehbar, sondern willkürlich ermittelt worden.

25

Der Kläger beantragt,

26

den Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 aufzuheben.

27

Der Beklagte beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte verteidigt seinen Beitragsbescheid.

30

Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.06.2013 das ursprünglich unter dem Aktenzeichen 9 A 203/11 MD geführte Verfahren ausgesetzt und am 01.06.2014 wiederaufgenommen.

31

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 gestellten und entschiedenen Beweisantrags wird wegen des Inhalts und der begründeten Entscheidung auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die beim Gericht geführte Generalakte des Beklagten – die insbesondere dessen Satzungsrecht, die Kalkulation des Beitragssatzes des Beklagten vom 14.07.2010 (im Folgenden Kalkulation HB II), die Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitragssatzes vom 01.07.2010 (im Folgenden: Kalkulation HB I) sowie die Ermittlung der Tiefenbegrenzung enthält – verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

32

I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

33

Der Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen besonderen Herstellungsbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Abgaben für die Schmutzwasserbeseitigung des Beklagten vom 29.09.2010 – SBAS 2010 –, die in Entsprechung des § 26 Abs. 1 der Verbandssatzung des Beklagten vom 13.10.2005 ordnungsgemäß im Amtsblatt des Altmarkkreises … und des Landkreises … jeweils vom 20.10.2010 bekanntgemacht worden und am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Danach erheben Landkreise und Gemeinden bzw. Zweckverbände nach wirksam erfolgter Aufgabenübertragung – § 6 GKG-LSA – zur Deckung ihres Aufwandes unter anderem für die erforderliche Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen von den Beitragspflichtigen im Sinne von § 6 Abs. 8 KAG LSA, denen durch die Inanspruchnahme oder die Möglichkeit derselben ein Vorteil entsteht, Beiträge auf der Grundlage einer Satzung (§ 2 Abs. 1 KAG LSA), soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist.

35

Zu Recht erhebt der Beklagte danach von dem Kläger einen Beitrag für die Herstellung seiner öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung in der Form eines besonderen Herstellungsbeitrages (1.). Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung – SBAS – ist wirksam (2.). Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor (3.).

36

1. Bei den der Beitragserhebung zugrunde liegende Maßnahmen des Beklagten handelt es sich um die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hier der zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung (vgl. § 1 Abs. 1 lit. a) der Satzung über die Schmutzwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage vom 29.09.2010 – SAS –, § 1 Abs. 1 lit. a) SBAS 2010).

37

Der Beklagte als für die Abwasserbeseitigung zuständige Körperschaft errichtet abwassertechnische Anlagen zur zentralen Beseitigung des im Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts, nachdem im Verbandsgebiet bis in die 1990-er Jahre Kläranlagen in A-Stadt und … sowie mehrere Oxidationsteiche mit den dazugehörigen Leitungsnetzen betrieben wurden. Diese hat der Beklagte mit Aufgabenübertragung faktisch übernommen. Die zunächst vom Abwasserzweckverband … errichteten Anlagen wurden durch Zusammenschluss des Beklagten und des Abwasserzweckverbandes … am 01.02.2002 Teil der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung. Entsprechend seines Abwasserbeseitigungskonzepts hat der Beklagte die bereits vorhandenen technischen Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung (teilweise) dem Stand der Technik angepasst und erschließt bislang noch nicht angeschlossene Grundstücke durch Errichtung neuer Anlagen. Er beabsichtigt, über die drei vorhandenen Kläranlagen (A-Stadt, …, …), die eine Kapazität von ca. 53.7000 Einwohnerwerten (Kalkulationsstichtag 31.12.2009) aufweisen, das Abwasser dauerhaft zu entsorgen. In zulässiger Weise erhebt der Beklagte zur Deckung des insoweit erforderlichen Aufwandes Herstellungsbeiträge deshalb, weil allen davon abwasserseitig erschlossenen Grundstücken erstmalig eine dauerhafte Anschlussmöglichkeit geboten wird.

38

Die Erhebung – auch eines besonderen – Herstellungsbeitrages kommt selbstredend nur dann in Betracht, wenn für das Grundstück bislang zu keiner Zeit eine öffentliche Einrichtung (im Rechtssinne) betriebsbereit zur Verfügung gestellt wurde. Bei dieser Betrachtung ist allein daran anzuknüpfen, ob nach Lage der Dinge davon auszugehen ist, dass bereits vor der Gründung des Beklagten ein Abwasserbeseitigungskonzept beschlossen und eine diesem Konzept entsprechende Anlage vor der Gründung des Beklagten geschaffen worden ist. Hier käme allenfalls die Schaffung einer solchen öffentlichen Einrichtung durch die zum Verband gehörenden Gemeinden in Betracht, was jedoch nicht der Fall war. Mithin kann die gemeindliche Abwasserbeseitigung nach 1990 mittels der vorhandenen Altanlagen nur als (provisorische) Übergangslösung bis zur (erstmaligen) Schaffung der Abwasserbeseitigungsanlage durch den Beklagten angesehen werden (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005 - 9 A 118/04; juris).

39

Aus diesem Grunde vermag auch der Einwand, die Maßnahmen des Beklagten seien keine „Herstellung“ im rechtlichen Sinne, sondern allenfalls solche der „Unterhaltung“ oder „Sanierung“ von durch Zeitablauf mittlerweile sanierungsbedürftiger Anlageteile, nicht zu tragen. Denn der Beklagte stellt – wie dargestellt – nunmehr auch dem Grundstück des Klägers erstmals eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zur Verfügung (VG Magdeburg, B. v. 12.06.2012, 9 B 91/12, Rn. 26, juris). Das OVG Berlin-Brandenburg führt in dem Beschluss vom 01.03.2012 (OVG 9 S 9.12; juris) zu einem vergleichbaren Fall aus:

40

„Spätestens aufgrund der Anordnung über die Bildung der VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) gab es auf dem Gebiet der damaligen DDR - rechtlich - keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr. Erst infolge des Einigungsvertrages sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der durch die DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu konstituierten Kommunen geworden, so dass öffentliche Einrichtungen der Kommunen in diesem Aufgabenbereich neu entstehen konnten. Eine rechtliche Kontinuität der kommunalen Einrichtungen besteht daher selbst insoweit nicht, wie eine Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 15 ff. m. w. N.). Vielmehr sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand.“

41

Der Erhebung eines besonderen Herstellungsbeitrags steht nicht entgegen, dass die den Vorteil vermittelnde öffentliche Einrichtung wesensgleich mit einer technischen Anlage ist, für die ggf. bereits einmal (bspw. vor 1945) ein mit dem heutigen Anschlussbeitrag vergleichbarer Anspruch entstanden war. Ein Fall der Doppelveranlagung liegt nicht vor. Denn eine gegebenenfalls in der Vergangenheit einmal bestehende öffentliche Einrichtung ist (ersatzlos) untergegangen und konnte deshalb auch nicht nach 1990 wieder aufleben. Der Untergang wurde durch den Übergang zu einer nach den Regeln der Planwirtschaft organisierten Abwasserbeseitigung vor dem Hintergrund der in der DDR geltenden Rechtsordnung bewirkt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Das dem Betrieb der ehemaligen öffentlichen Einrichtung von den Kommunen vorgehaltene Vermögen wurde ihnen entzogen, vergesellschaftet und erst durch die Kommunalisierungsvorschriften erneut dem ehemaligen Träger zugeordnet (vgl. Haack in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand September 2014, § 8 Rn. 2128). Die Gemeinde haben die (faktisch) bestehenden Abwasserbeseitigungsanlagen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des KAG LSA (15.06.1991) übernommen und diese übergangsweise fortgeführt. Bei diesen technischen Altanlagen handelte es sich nicht um kommunale öffentliche Einrichtungen im Rechtssinne, sie gelten mithin in der Regel nicht als „hergestellt“ im rechtlichen Sinne. Auch wenn die Gemeinde – hier die Stadt A-Stadt – eine solche Altanlage übergangsweise fortbetrieben hatte, führt dies nicht zur Annahme einer „Herstellung“. Denn es besteht keine Vermutung dergestalt, dass die Kommunen damit beabsichtigt hatten, gerade mit dem faktisch übernommenen Abwasserbeseitigungssystem den Grundstückseigentümern eine – wie aus einer Herstellung resultierende – dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit zu bieten (vgl. OVG LSA, Urt. v. 05.07.2007, 4 L 229/06, juris). Gleiches gilt für den Beklagten in der Zeit, in der sich dieser Anlagen lediglich bediente, um die Abwasserbeseitigung übergangsweise aufrecht zu erhalten, da auch insoweit auf den – rechtlich allein beachtlichen – Planungswillen abzustellen ist (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 2127, m.w.N.).

42

Handelt es sich mithin bei den beitragspflichtig gestellten Maßnahmen um eine Herstellung i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, hat der Beklagte dafür zu Recht keinen allgemeinen, sondern einen besonderen Herstellungsbeitrag festgesetzt. Zwar handelt es sich auch bei diesem Beitragsanspruch um einen Herstellungsbeitrag (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris; B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; Urt. v. 04.11.2003, a. a. O.), der sich jedoch hinsichtlich seiner Höhe wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von dem allgemeinen Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Anlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des KAG LSA abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d. h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss. Obwohl durch diese Maßnahmen im Rahmen der (erstmaligen) Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, 1 L 226/01, juris) auch den bereits am 15.06.1991 angeschlossenen Grundstücken eine dauerhaft gesicherte Möglichkeit zum Anschluss geboten wird, unterliegen diese wegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA nicht der (allgemeinen) Herstellungsbeitragspflicht, was auch mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (OVG LSA, Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.). Denn nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bedarf es einer für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht grundstücksbezogenen Betrachtungsweise in Abhängigkeit davon, ob das jeweilige Grundstück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG LSA am 15.06.1991 bereits von (abgeschlossenen) Investitionen „betroffen“ war, aus denen sich in Bezug auf die Möglichkeit der Abwasserableitung gegenüber den davon nicht „betroffenen“ Grundstücken ein Vorteil ergab. Der vom Gesetzgeber insoweit vorgesehenen Differenzierung unterfallen jedoch nur solche Grundstücke, die vor der Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits von einer wesensgleichen, weil zentralen, von staatlichen Stellen betriebenen Abwasserbeseitigungsanlage bevorteilt waren (dazu OVG LSA, B. v. 10.07.2002, 1 L 335/01; Urt. v. 04.09.2003, 1 L 493/02; Urt. v. 04.12.2003, a. a. O.; zusammenfassend bei Haack in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2217 ff.). Für diese Grundstückseigentümer tritt – wie hier – an die Stelle des Herstellungsbeitrages wegen der durch die abgeschlossenen Investitionen bestehenden Vorteilslage ein besonderer Herstellungsbeitrag (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

43

2. Die SBAS ist entgegen der Auffassung des Klägers formell und materiell rechtmäßig.

44

2.1. Die Verbandsversammlung des Beklagten hat in der öffentlichen Sitzung vom 29.09.2010 die SBAS beschlossen (vgl. §§ 4 Abs. 2, 16 Abs. 1 GKG, §§ 6 Abs. 1, 50 Abs. 1 GO LSA). Anhaltspunkte für eine fehlende Beschlussfähigkeit (vgl. § 11 Abs. 5 GKG). liegen weder vor und noch werden solche vom Kläger behauptet. Die Verbandsgeschäftsführerin hat am gleichen Tag die Satzung in Entsprechung des § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA ausgefertigt (vgl. dazu zuletzt OVG LSA, B. v. 23.11.2012, 4 L 158/12) und – wie bereits dargestellt – in den nach der Verbandssatzung vorgeschriebenen Bekanntmachungsorganen öffentlich bekannt gemacht worden (vgl. § 16 Abs. 1 GKG, § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA). Der Beklagte dürfte schließlich auch seiner Mitteilungspflicht gegenüber der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 16 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 GO LSA nachgekommen sein. Dies bedarf keiner abschließenden Prüfung, da ein etwaiger Mangel nach § 6 Abs. 4 GO LSA wegen Zeitablaufs die Wirksamkeit der Satzung nicht berührt.

45

2.2. Materielle Rechtsmängel haften der SBAS ebenfalls nicht an.

46

2.2.1. Die Satzung wird den Anforderungen an § 2 Abs. 1 KAG LSA gerecht. Sie bestimmt in Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, die Entstehung der Schuld und den Satz der Abgabe (§§ 2 ff. SBAS). Auch der Umstand, dass nach § 5 Abs. 2 SBAS nur die Grundstücke dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, die „bereits am 15. Juni 1991 an damals bestehende Schmutzwasserreinigungsanlagen angeschlossen waren und soweit deren Schmutzwasser nach dem damaligen Stand der Technik zentral behandelt wurde“, steht dem nicht etwa deshalb entgegen, weil nicht nur die angeschossenen, sondern auch die anschließbaren Grundstücke einem (nur) besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen. Denn welche Grundstücke bevorteilt bzw. – wie hier – zwar bevorteilt, aber nur zu einem geringeren Beitrag heranzuziehen sind, ergibt sich bereits zwingend aus dem Gesetz (§ Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 6 Satz 3 KAG LSA), weshalb dies gar nicht in der Gestaltungsbefugnis des Satzungsgeber liegt. Verstößt eine Satzung insoweit gegen höherrangiges Recht, führt dies jedoch lediglich zur Teilnichtigkeit der Satzung, weil mit dem in § 5 Abs. 2 SBAS ebenfalls enthaltenen abgesenkten Beitragssatz jedenfalls eine Heranziehung zum besonderen Herstellungsbeitrag weiterhin möglich ist und es wegen der gesetzlichen Regelung auf den mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers nicht ankommt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, 4 L 181/07 sowie v. 28.05.2012, 4 L 231/11 jeweils zu Fragen der Teilnichtigkeit von kommunalen Satzungen).

47

2.2.2. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot.

48

Den Grundstücken, denen am 15.06.1991 durch die vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlagen bereits Vorteil vermittelt wurde, ist durch einen im Vergleich zum allgemeinen Herstellungsbeitrag verminderten Beitrag Rechnung zu tragen.

49

2.2.2.1. Wie oben festgestellt, betreffen die Maßnahmen des Beklagten in Umsetzung seines Abwasserbeseitigungskonzeptes sowohl Alt- als auch Neuanschließer und wirken sich für sie - lediglich in unterschiedlicher Weise - vorteilhaft aus. Aus diesem Grunde bedarf es einer gesonderten Feststellung des auf die Altanschließer entfallenden Anteils am Gesamtaufwand. Der durch § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA erfolgten Privilegierung der Altanschlussnehmer ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Teil des Aufwandes für die nach dem 15.06.1991 geschaffenen Anlagenteile, der dazu dient, neue Flächen durch die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage zu erschließen, bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages unberücksichtigt bleibt. Nur dadurch, dass der Aufwand für diese Gruppe gesondert ermittelt wird, kann ihrer „priviligierten“ Stellung innerhalb der Gesamtheit der durch die öffentliche Einrichtung bevorteilten Grundstücke hinreichend Rechnung getragen werden. Dies bedeutet, dass bei der Ermittlung des Beitragssatzes für den besonderen Herstellungsbeitrag nicht nur - wie etwa bei einem Verbesserungsbeitrag - der Aufwand einbezogen werden darf, der notwendig war, um einen im Verhältnis zur ersetzen Anlage größeren Reinigungseffekt zu erzielen (OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04, S. 7 BA; Urt. v. 19.05.2005, 1 L 252/04, juris). Aufwandsfähig sind vielmehr alle Kosten, die zur Erreichung der beitragsfähig gestellten Maßnahme erforderlich sind. Dabei ist es jedoch nicht angezeigt, die zur Zweckerreichung erforderlichen Investitionen in der Abgabensatzung bzw. in einem Abwasserbeseitigungskonzept darzustellen; entsprechende Anforderungen enthalten weder das Kommunalabgabengesetz noch andere einschlägige Fachgesetze (hier z. B. Wassergesetz LSA, GO LSA). Der zur Rechtfertigung des Beitragssatzes berücksichtigungsfähige Aufwand unterliegt allein der Beurteilung danach, ob er aus anlagen- bzw. kostenbezogener Sicht notwendig und erforderlich war, um die Anlage in Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht herzustellen, was letztendlich - mithin ggf. auch ohne vorherige Kalkulation - der abschließenden Beurteilung des Gerichts obliegt (zur sog. Ergebnisrechtsprechung OVG LSA, B. v. 06.04.2004, 1 L 433/02). Sofern bei der Ermittlung des Aufwandes auch solcher für die "Erneuerung" von Altkanälen berücksichtigt werden soll, muss es sich dabei jedoch um solche Maßnahmen handeln, die noch in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten endgültigen Herstellung der öffentlichen Einrichtung im Übrigen stehen, wobei insoweit eine das planerische Ermessen des Einrichtungsträgers berücksichtigende großzügige Frist angezeigt ist (vgl. OVG LSA, Urt. v. 28.10.2009, 4 L 117/07, in dem 25 Jahre zwischen der Schaffung der „neuen“ Anlageteile und der „Sanierung der Altkanäle“ unbeanstandet blieb). Regelmäßig dürfte jedoch die Berücksichtigung von solchem Aufwand für das Ersetzen von Altkanälen ausscheiden, der sich erst zu einem Zeitpunkt realisiert, in dem die vom Beklagten errichteten Anlagen gewöhnlicher Weise einer Erneuerung bedürfen. Dem Umstand, dass der besondere Herstellungsbeitrag lediglich ein verminderter Herstellungsbeitrag sein soll, ist zudem dadurch Rechnung zu tragen, dass die gewährten Zuwendungen Dritter, die im Zusammenhang mit der Schaffung der Abwasseranlage insbesondere nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von wasserwirtschaftlichen Vorhaben – RZWasR – (RdErl. des MU v. 07.01.1993, MBl. LSA S. 690, in der Fassung des RdErl. des MRLU v. 05.12.2001, MBl. LSA S. 109, sowie Erl. Des MLU v. 16.03.2009, MBl. LSA S. 289) allen Beitragspflichtigen zu Gute kommen und zwar unabhängig davon, aus Anlass welcher konkreten Maßnahme die Zuwendung erfolgt ist. Der sich um die Zuwendungen Dritter verminderte beitragsfähige Aufwand ist mithin danach zu beurteilen, in welchem Umfang er nur der Gruppe der altangeschlossenen Grundstücke zu dienen bestimmt ist. Daraus folgt, dass Aufwand, der nur der fortdauernden Anschlussmöglichkeit von Altanschlussnehmern dient, diesen „direkt“ zuzuordnen ist. Dienen Anlageteile sowohl Alt- als auch Neuanschließern, ist der Aufwand nach sachgerechten Kriterien dieser Gruppe zuzuordnen. Dabei dürfte im Regelfall zwischen den Anlageteilen Kanalsystem, Pumpstationen/ Überleitungen, Abwasserbehandlungsanlage dann zu unterscheiden sein, wenn sich bei isolierter Betrachtung signifikante Unterschiede in den den Altanschlussnehmern zuzuordnenden Anteilen ergeben. So bestehen keine durchgreifenden Bedenken, wenn der Aufwand für den besonderen Herstellungsbeitrag aus dem Verhältnis ermittelt wird, wie es der Anzahl der Gruppenmitglieder (Einwohner bzw. Einwohner[gleich]werte) entspricht (VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris). Bei der Ermittlung dieser Anteile ist vorrangig das zukünftige Verhältnis zwischen Alt- und Neuanschließern und sich daraus ggf. ergebende Besonderheiten (ggf. hohe gewerbliche Anteile bei Neuanschließern etc.) in den Blick zu nehmen. Weil der so ermittelte Aufwand für die Bestimmung des besonderen Herstellungsbeitragssatzes immer einrichtungsbezogen ist, da er sich regelmäßig auf die gesamte öffentliche Einrichtung bezieht, ist auch der „besondere Herstellungsaufwand“ zur Ermittlung des Beitragssatzes in das Verhältnis zur gesamten Beitragsfläche des Einrichtungsgebietes zu setzen (so auch OVG LSA, Urt. v. 25.05.2005, a. a. O.;VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris).

50

Diesen Anforderungen wird der in § 5 Abs. 2 SBAS normierte Beitragssatz gerecht.

51

Bei der Aufwandsermittlung hat der Beklagte den im Zeitraum 1991 bis 2009 realisierten Herstellungsaufwand, dem auf der Grundlage des Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten zukünftigen Herstellungsaufwand und dem bisherigen bzw. künftigen Aufwand für die Erneuerung der bereits zum 15.06.1991 bestandenen Schmutzwasserkanäle (sog. Altkanäle) sowie den bisherigen und zukünftigen Kosten für den ersten Grundstücksanschluss, der nach der Satzungslage des Beklagten Bestandteil des Herstellungsbeitrags ist, zu Recht in seine Berechnung eingestellt. Dies ergibt einen Aufwand für Kläranlagen, Pumpwerke/Überleitungen, Schmutzwasserkanäle und Hausanschlüsse von insgesamt 85.302.438,00 EUR (vgl. Kalkulation HB I). Dieser Aufwand ist um den Anteil zu kürzen, der allein durch die Neuanschließer bedingt ist, so dass sich für die Altanschließer ein anteiliger Aufwand von 22.740.371 EUR (ca. 26 %) ergibt.

52

Dies auf die einzelnen Kostenpositionen aufgeschlüsselt, ergibt folgendes Bild:

53

aa. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitrags einfließende Kostenanteil für Kläranlagen beträgt 7.296.284 EUR (ca. 26% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kläranlagenkosten [27.804.219 EUR]). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Denn der Beklagte hat bei der Kostenposition der Kläranlagen insbesondere berücksichtigt, dass an die Kläranlage ... keine Altanschließer partizipieren, so dass diese Investitionsaufwendungen in die Berechnung – wie geschehen – nicht Eingang finden durften. Ausweislich der Seiten 3 und 4 der Kalkulation HB II hat der Beklagte auch lediglich die Kosten der Kläranlagen A-Stadt (18.270.541 EUR) und ... (1.444.843 EUR) bei der Ermittlung des Investitionsaufwandes für die Kläranlagen berücksichtigt. Gegen die Berechnung des Altanschließeranteils ist mit der obigen Darstellung nichts zu erinnern. Ausgehend von der zum Kalkulationsstichtag bestehenden Kapazität der jeweiligen Anlage (KA A-Stadt: 40.000 Einwohnerwerte, KA K...: 3.700 Einwohnerwerte) hat der Beklagte unter Verwendung sachgerechter Kriterien den Altanschließeranteil errechnet, indem er die am 15.06.1991 angeschlossenen Einwohnern ermittelt hat (KA A-Stadt: 10.163 Altanschließer, KA ….: 1.615 Altanschließer), so dass sich unter Berücksichtigung einer „Kapazitätsreserve“ [im Sinne von anderen Nutzern] von jeweils 20% (KA A-Stadt: 2.033 Einwohner, KA … 323 Einwohner) ein bis zum Jahr 2009 realisierter Investitionsaufwand von insgesamt 6.314.461 EUR (KA A-Stadt: 5.572.515 EUR, KA K...: 741.946 EUR) ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung der Einwohnerzahlen fehlerhaft erfolgt ist bzw. ein signifikanter Unterschied zu den zukünftig bevorteilten Altanschlussnehmern besteht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger in das Verfahren getragen worden. Der Beklagte war auch berechtigt, in seine Berechnung eine solche „Kapazitätsreserve“ aufzunehmen, da hierdurch berücksichtigt wird, dass mitnichten nur Einwohner an die jeweilige Anlage angeschlossen waren, sondern auch Einwohnergleichwerte (bspw. für gewerblich genutzte Grundstücke, auf denen Abwasser anfiel) Berücksichtigung zu finden haben. Dass diese vom Beklagten in die Berechnung eingestellte „Kapazitätsreserve“ von 20% überhöht wäre, ist nicht ersichtlich, zumal etwaige Anhaltspunkte hierfür vom Kläger auch nicht vorgetragen werden. Entsprechend ist der Beklagte auch bei der Ermittlung der künftigen Aufwendungen für die KA A-Stadt verfahren, indem er die zukünftigen Kosten für die Kläranlage von 3.219.090 EUR (vgl. Kalkulation HB I, Seite 15,16) bei einer Kapazität von 40.000 EW in das Verhältnis zu den Altanschließern (12.200 Einwohnerwerte) gesetzt, mithin ein Betrag von 981.822 EUR ermittelt hat. Dementsprechend beträgt der für die Kläranlagen des Beklagten ermittelte Kostenanteil der Altanschließer 7.296.284 EUR (6.314.461 EUR + 981.822 EUR).

54

Soweit der Kläger vorträgt, die Kläranlage A-Stadt sei überdimensioniert, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Ausweislich der Kalkulation des HB I wird eine etwaige Überdimensionierung der Kläranlagen des Beklagten (A-Stadt, …, …) in den Blick genommen (dort S. 21) und der zukünftige Auslastungsgrad der KA A-Stadt mit 94 % (bei Endausbau, Kapazität: 50.000 Einwohnerwerte), der KA K... mit 95% und der KA ... mit 62% angegeben. Bei der KA A-Stadt geht der Beklagte davon aus, dass im Jahr 2009 21.534 Einwohner angeschlossen sind und daneben 18.000 Einwohnergleichwerten vorliegen, was zu 39.534 Einwohnerwerten führt, die bei einer Anlagenkapazität von 40.000 Einwohnerwerten einen fast 100-igen Auslastungsgrad bedeuten. Von einer Überkapazität kann nicht die Rede sein. Zudem geht das Gericht mit dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 10.03.2011 – 4 L 67/09 –, juris) davon aus, dass eine beitragsrechtliche Überdimensionierung nur dann vorliegt, wenn die Planungen hinsichtlich der Entwicklung der Anschlusszahlen nicht auf sachgerechten Grundlagen beruhten und ob aus den so ermittelten Daten bei der Konzeption der Anlagengröße nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik die zutreffenden Schlussfolgerungen gezogen worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG LSA). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Anlagengröße auf sachgerechten Grundlagen und vernünftigen plausiblen Annahmen und Prognosen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Anschlussnahme beruht, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Planungen abzustellen (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.04.2006 - 4 L 187/05 -; vgl. auch Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 993; 1640 f.; 1844). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlage im beitragsrechtlichen Sinne überdimensioniert ist, ist danach das Abwasserentsorgungskonzept des Verbandes, dem im Rahmen seines Organisationsermessens ein entsprechender Entscheidungsspielraum eröffnet ist (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31.03.2010, 4 L 375/08). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte diesbezüglich „grob fehlerhaft geplant“ hat bzw. dass das aus der Kalkulation des HB I stammende Zahlenmaterial unrichtig ist, liegen weder vor noch behauptet der Kläger Entsprechendes.

55

bb. Auch gegen den in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließenden Kostenanteil für Pumpwerke und Überleitungen von 1.587.587 EUR (ca. 10% der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Pumpwerke und Überleitungen [14.760.433]) ist nichts erinnerlich. In den auf den Seiten 17 und 18 der Kalkulation des HB II dargestellten „Daten des Überleitungssystems“ wurden die einzelnen Pumpwerke und Überleitungen, die auch Altanschließern zu dienen bestimmt sind, lagegenau aufgeschlüsselt und mit Kosten, die ihren Niederschlag in der Kalkulation des HB I finden, untersetzt. In Entsprechung des gewählten Einwohnerschlüssels hat der Beklagte die am Stichtag angeschlossenen Altanschließer zu den Neuanschließern ins Verhältnis gesetzt und die bis zum Jahr 2009 realisierten und zukünftigen Kosten verteilt. Kosten für Überleitungen und Pumpwerke zur KA ..., an der keine Altanschließer partizipieren (s.o. aa.), hat der Beklagte zu Recht nicht mit einbezogen. Soweit der Kläger einwendet, dass Altanschließer keinen Vorteil dadurch hätten, dass das Gefechtsübungszentrum Heer in L.. (GÜZ) und die Stadt .../... an die KA A-Stadt angeschlossen seien, so wird eine solche Sichtweise nicht dem Gesamtanlagenprinzip gerecht. Denn sowohl die Gemeinde L.., die gleichsam an der Überleitung partizipiert als auch die Stadt K.. verfügten zum maßgebenden Stichtag über Altanschließer (Gemeinde L..: 1.195 Einwohner, Stadt K..: 1.388 Einwohner), so dass eine anteilige Berücksichtigung zwingend ist. Anhaltspunkte dafür, dass Kosten für Überleitungen/Pumpwerke vom GÜZ Berücksichtigung gefunden hätten, ohne dass die Altanschließer hieran auch partizipieren, liegen nicht vor. Dass die Stadt K.. zum Stichtag eine eigene Kläranlage vorgehalten, die mit Umschluss auf die KA A-Stadt außer Betrieb genommen worden sei, führt insoweit zu keiner anderen Betrachtung. Ausgehend vom Gesamtanlagenprinzip und dem weitem Planungsermessen des Beklagten, der nunmehr Träger der Abwasserbeseitigungspflicht in der Stadt K.. ist, oblag es diesem, seine öffentlichen Einrichtungen zu bilden, mithin die Entscheidung im gesamten Verbandsgebiet lediglich eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zu betreiben. Dass er hierzu drei Kläranlagen betreibt und keine Kläranlage in der Stadt K.. vorhält, ist ohne rechtliche Relevanz, zumal auch die Sanierung der frühren KA K.. mit Kosten verbunden gewesen wäre, die im Rahmen der Kalkulation der Beiträge der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung ihren Eingang gefunden hätten. Anhaltspunkte dafür, dass keine sachgerechten Erwägungen der Bildung der öffentlichen Einrichtung zugrunde gelegen haben, sind nicht ersichtlich. Offensichtlich hat sich der Beklagte hierbei vom Solidarprinzip leiten lassen, so dass die Kosten gleichmäßig auf alle Anschlussnehmer im Verbandsgebiet verteilt werden.

56

cc. Der in die Kalkulation des besonderen Herstellungsbeitragssatzes einfließende Kostenanteil für Schmutzwasserkanäle mit 11.136.866 EUR (ca. 33 % der in der Kalkulation HB I eingestellten Kosten für Schmutzwasserkanäle [35.317.875]) findet ebenso seine Rechtfertigung. In den Tabellen „Erfassung des Altkanalbestandes bis 15.06.1991“ (Kalkulation HB II S. 10ff.) hat der Beklagte nach Ortslagen/Straßen die einzelnen Altkanäle unter Benennung des Baujahrs aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, welcher Kanal bei Benennung der Kosten erneuert wurde und hinsichtlich welchen Kanals nach dem Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten eine Erneuerung avisiert ist. Hierbei berücksichtigt der Beklagte zum einen das Alter im Zeitpunkt der Erfassung (2009) sowie das Alter im Zeitpunkt der avisierten Fertigstellung. Ausgehend von einer normativen Nutzungsdauer eines Schmutzwasserkanals von 60 Jahren, welche der durchschnittlichen Abschreibungsdauer für Kanalleitungen entspricht, geht der Beklagte dann von einem Erneuerungsbedarf aus, wenn der jeweilige Altkanal im Jahr 2016 die normative Nutzungsdauer überschritten hat, was bedeutet, dass der Beklagte hinsichtlich der in Jahren zwischen 1905 und 1955 gebauten Kanäle von einem Erneuerungsbedarf ausgeht. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Damit ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht verbunden, dass alle Altkanäle die im Jahr 2016 einen Erneuerungsbedarf aufweisen, bis zu diesem Zeitpunkt zu erneuern sind. Denn dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt endgültig fertig gestellt sein soll, ist weder erforderlich noch vom Beklagten beabsichtigt, so dass die danach ermittelten künftigen Kosten, die zwischen 342 EUR bis 493 EUR je Meter Kanallänge prognostiziert werden, berücksichtigungsfähig sind. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zudem einwendet, dass die „Zahlenkolonne“ des insoweit eingestellten kalkulatorischen Aufwands nicht überprüfbar sei, bedarf es keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht. Das weite, an der normativen Nutzungsdauer der Anlage ausgerichtete Ermessen hat der Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass der zugrunde gelegte Kostensatz (EUR/m) überhöht ist, sind weder ersichtlich, zumal gerichtsbekannt ist, dass die Kosten je Meter Kanallänge sich zwischen 250 € und 600 € bewegen, mithin keine Veranlassung besteht, den Einwendungen des Klägers weiter nachzugehen.

57

Der in die Kalkulation des HB II eingestellte kalkulatorische Aufwand für die Erneuerung von Altkanälen in Höhe von 9.173.487 EUR findet seinen Niederschlag auch in der Kalkulation des allgemeinen Herstellungsbeitrages, was wegen der sich im Verhältnis der Beitragssätze widerspiegelnden Gebotes der Belastungsgleichheit erforderlich ist. Anders gewendet: Was der Ermittlung des besonderen Herstellungsbeitrages zugrunde gelegt wird, muss auch Eingang in die Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrages gefunden haben. Nur so kann dem oben erörterten gemeinsamen Wesen dieser Beiträge hinreichend Rechnung getragen werden; gleiches gilt für ggf. beabsichtigte Deckungsquoten (dazu VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04 MD).

58

dd. Auch die in der Kalkulation ihren Eingang findenden realisierten und zukünftigen Grundstücksanschlusskosten in Höhe von 2.719.643 EUR (ca. 36% der in die Kalkulation HB I eingestellten Grundstücksanschlusskosten [7.419.910 EUR]) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Zuvorderst ist festzustellen, dass nach § 2 Abs. 2 SBAS der Beitrag – mithin auch der besondere Herstellungsbeitrag – außer bei Hinterliegergrundstücken – die Kosten der erstmaligen Herstellung des ersten Grundstücksanschlusses deckt, so dass gegen die Einstellung von Grundstücksanschlusskosten nichts zu erinnern ist. Die Kostenposition ermittelt der Beklagte, indem er den Altbestand an Grundstücksanschlüssen bis zum Stichtag erfasst und die Ist-Kosten bereits erneuerter Anschlüsse sowie die Plan-Kosten im Fall einer avisierten Erneuerung zugrunde gelegt. Hierbei legt der Beklagte einen durchschnittlichen Aufwand von 1.755 EUR je Anschluss zugrunde. Dass dieser Betrag überhöht ist, ist – vor dem Hintergrund der gerichtsbekannten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten – nicht ersichtlich. Soweit der Kläger „prüfbare Zahlenkolonnen“ einfordert, um die Höhe des insoweitigen kalkulatorischen Aufwands überprüfen zu können, vermag die Kammer dies angesichts des tabellarisch dargestellten konkreten Erneuerungsbedarfs der Grundstücksanschlüsse und der zugrunde gelegten durchschnittlichen Grundstücksanschlusskosten nicht nachzuvollziehen.

59

ee. Dass der Beklagte sowohl im Rahmen der Ermittlung des allgemeinen Herstellungsbeitrags als auch des besonderen Herstellungsbeitrags den Anteil öffentlicher Verkehrsanlagen als Abzugsposten mit 0 EUR ausweist, ist offensichtlich dadurch bedingt, dass dieser seine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung im Trenn- und nicht im Mischsystem betreibt (vgl. Schmutzwasserbeseitigungssatzung und SBAS) und im Übrigen auch nicht Aufgabenträger hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung ist. Damit ist eine Belastung der Anlage des Beklagten durch die Straßenentwässerung auszuschließen. Dergleichen gilt soweit der Kläger meint, dass „Gemeinkosten“ auszugliedern sein. Ein in abzugsfähigen Kosten auszudrückender Anteil der Allgemeinheit bedingt dadurch, dass das Kanalnetz „durchzuspülen“ (Seuchenschutz) sei oder dem Überflutungsschutz diene, vermag die Kammer gleichsam nicht zu erkennen. Etwaige Kosten können insoweit nicht entstehen, wenn die Anlage – wie hier – im Trennsystem arbeitet, mithin Oberflächenwasser nicht aufnimmt.

60

ff. Die sich danach ergebenden Aufwendungen (aa. bis dd.) von insgesamt 22.740.371 EUR (tatsächliche Aufwendungen: 10.207.863 EUR, kalkulatorische Aufwendungen von 2010 bis zur Fertigstellung der öffentlichen Einrichtung) hat der Beklagte sodann um den Anteil der eingenommenen und geplanten Zuwendungen gekürzt. Unter Berücksichtigung des im Rahmen des allgemeinen Herstellungsbeitrags einzustellenden Aufwands von 85.302.438,00 EUR ermittelt sich bei einzustellenden tatsächlichen Zuwendungen (incl. verrechneter Abwasserabgabe) von 17.900.007 EUR und geplanten Zuwendungen von 1.007.500 EUR ein Altanschließeranteil von 1.749.106 EUR bei den realisierten und 220.026 EUR bei den prognostizierten Zuwendungen. Gegen die Berechnung ist dem Grunde als auch rechnerisch nichts zu erinnern.

61

gg. Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die öffentliche Einrichtung des Beklagten bereits durch Schmutzwassergebühren refinanziert worden ist. Wäre dies der Fall, würde dies gegen den in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA enthaltenen Grundsatz streiten, dass Beiträge nur für „eigenen“ [Herstellungs-]Aufwand erhoben werden können. Ist der Aufwand jedoch durch Benutzungsgebühren im Sinne von § 5 KAG LSA refinanziert worden, führt dies ungeachtet deren Rechtswidrigkeit jedoch dazu, dass dieser Aufwand nicht noch einmal über Beiträge eingenommen werden darf. Greifbare Anhaltspunkte ergeben sich weder unter Berücksichtigung der seit dem Jahr 1992 maßgebenden Gebührensätze noch aus den vormals vom Beklagten kalkulierten Beitragssätzen bis 2002 (HB I), die zwischen 29,23 DM bis 21,00 DM lagen. Auch der vom Kläger zitierte Artikel vom 22.01.2004 (Gardelegener Kreisanzeiger „Frohe Botschaft für die Kunden: Das Wasser soll billiger werden“) führt insoweit nicht weiter. Denn allein der Umstand, dass eine positive Bilanz gezogen worden sei, die dazu geführt habe, dass die Schmutzwassergebühr für das Jahr 2004 gesenkt worden sei, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Dass alle Investitionen mit der „Gebühren- und Beitragskalkulation“ finanziert worden seien – wie der Kläger behauptet –, kann dem Artikel nicht entnommen werden. Dort wird lediglich ausgeführt, dass der Verbandsgeschäftsführer, …, erläutert habe, dass Gründe für die Gebührensenkung der fast 100%-ige Anschlussgrad sowie Großkunden (GÜZ, Grocholl) seien. Hinzu käme die Reduzierung von Abschreibungen auf technische Anlagen, da diese zum Teil 12 Jahre alt und damit praktisch erwirtschaftet seien. Im Bereich ... habe der Verband durch diverse Sanierungsarbeiten in alten Pumpwerken die Energiekosten reduzieren können. Schließlich spare der Verband auch bei den Zinszahlungen, da ein Großteil der Kredite bereits abgezahlt worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten bereits refinanziert worden seien, so dass es keiner Beitragserhebung mehr bedarf, ergeben sich hiernach nicht.

62

Die Kammer sieht sich auch deshalb nicht gehalten, den Anregungen des Klägers zu einer diesbezüglichen Sachverhaltsaufklärung weiter nachzugehen, weil die Refinanzierung von Investitionskosten über Benutzungsgebühren in Sachsen-Anhalt unzulässig ist (dazu Haack, a. a. O., § 8 Rn. 2108 m. w. N.; so auch VG Halle, Urt. v. 24.04.2013, 6 A 143/11). Vor dem Hintergrund des an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten (Art. 20 Abs. 3 GG) müssten insoweit schon solche Gründe vorgetragen werden bzw. ersichtlich sein, die zwingend für einen Verstoß dagegen sprechen würden.

63

hh. Auch der Vortrag des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zweimal abgerechnet habe, weil er Abschreibungen sowohl in der der Gebührenkalkulation als auch in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags berücksichtigt habe, verfängt nicht. Denn es besteht angesichts der vorliegenden Unterlagen kein Anhalt dafür, dass der Beklagte die gebührenwirksamen Abschreibungen auch im Rahmen des Investitionsaufwands (kalkulatorische Kosten) berücksichtigt hat.

64

Der Klägervertreter verkennt in diesem Zusammenhang die Systematik der Beitrags- und Gebührenkalkulation und -erhebung. Bei der Beitragskalkulation zur Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes wird der gesamte beitragsfähige Herstellungsaufwand berechnet. Grundlage dieser Berechnung ist der Investitionsaufwand vom Beginn bis zur endgültigen Herstellung der gesamten Einrichtung. Hinsichtlich der Investitionen, die nach dem Zeitpunkt der Kalkulation erfolgen sollen, ist der Aufwand zu prognostizieren. Ist – wie hier (s.o. im Einzelnen) – die Prognose ordnungsgemäß erfolgt, kommt es auf den tatsächlichen Herstellungsaufwand nicht an. Bei der Gebührenberechnung dürfen dagegen keine Investitionskosten berücksichtigt werden. Die in § 5 Abs. 2a KAGA LSA bezeichneten Anschaffungs- und Herstellungskosten dienen lediglich der Ermittlung der Abschreibungen, wobei der aus Beiträgen aufgebrachte Anteil – ebenso wie die Zuwendungen – außer Betracht bleibt (§ 5 Abs. 2 Satz 5 KAG). Jedenfalls was das hier allein interessierende Anschlussbeitragsrecht betrifft, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass kalkulatorische Abschreibungen nicht aufwandsmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Sachsen- Anhalt, B.. v. 01.07.2003, 1 M 492/02, juris; vgl. auch Lohmann in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 848 und Klausing, a.a.O., § 8 Rn. 990, wonach Abschreibungen nur für Erneuerungsbeiträge zu berücksichtigen seien).

65

ii. Auch die der Ermittlung des Beitragssatzes zugrunde liegenden (bevorteilten) Grundstücksflächen begegnen in Ansehung der dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie der in das Verfahren getragenen Aspekte keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die sich aus der Kalkulation des HB I ergebende beitragspflichtige Fläche von 5.436.749 qm ist auch im Rahmen der Beitragskalkulation des HB II zugrunde gelegt worden. Insoweit sind auch keine Grundbuchauszüge oder Kataster vorzulegen, aus denen sich in der Addition die zugrunde gelegte Fläche ergibt, zumal durch den Beklagten hinreichend erläutert wurde, dass der Flächenermittlung – amtliche – Dokumente, wie das ALB und ALK zugrunde lagen (vgl. §§ 126 ff. GBO, §§ 19 ff. VermGeoG LSA); daran (unbegründet) zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Flächenermittlung fehlerhaft ist, liegen weder vor noch werden sie vom Kläger substantiiert in das Verfahren eingeführt. Allein die Behauptung, die Richtigkeit der Flächenangaben sei fraglich, genügt nicht, zumal der Kläger durch die zur Verfügung stehenden Unterlagen (Kalkulation HB I) in die Lage versetzt wird, die Flächenangaben zu überprüfen und Ungereimtheiten aufzuzeigen. Denn ausgehend von der Kalkulation des HB I, in der die berücksichtigungsfähigen Flächen im Verbandsgebiet im Einzelnen gemeindebezogen tabellarisch aufgeführt werden, drängt sich eine – insbesondere zu geringe – unrichtige Berücksichtigung der heranzuziehenden Flächen dem Gericht nicht auf.

66

jj. Soweit der Kläger meint, der Beklagte müsse jede einzelne – in die Kalkulation eingestellte – Investition namentlich benennen und belegen, für was, wann, an wen gezahlt worden sei, damit er in die Lage versetzt werde, überprüfen zu können, dass die Ausgaben nicht bereits durch Gebühren refinanziert worden seien, so besteht hierzu aus Sicht des Gerichts kein Anlass. Maßgebendes Abgrenzungskriterium ist das Vorhandensein tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Für-Möglich-Halten rechtfertigende Anhaltspunkte. Finden sich solche im Prozessstoff nicht und nennt auch der Kläger solche nicht, die als Grundlage für seine Vermutung in Frage kommen oder verbietet sich nach seinem sonstigen Vorbringen sogar zweifelsfrei jegliche Vermutung, darf der Schluss gezogen werden, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. In einem derartigen Fall geht es dem Kläger nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keinerlei Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 09.01.2014, 6 K 1079/12, juris). Hier geht es dem Kläger ersichtlich darum, ermitteln zu lassen, ob die auf keinerlei objektivierbare Anhaltspunkte gestützten Behauptungen nicht vielleicht doch wahr sind, so dass kein Anlass besteht, detaillierte Unterlagen vom Beklagten abzufordern und gerichtlich zu überprüfen.

67

Nach Auffassung des Gerichts ist zwar die Frage nach der Einhaltung des sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ergebenden Aufwandsüberschreitungsverbots im Zusammenhang mit der Festsetzung des Beitragssatzes jedenfalls dann in Streitigkeiten Gegenstand der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), wenn der Kläger einen Verstoß dagegen nachhaltig rügt bzw. sich ein solcher aufdrängt. Diese Pflicht bedingt dann die Beiziehung einer Kalkulation hinsichtlich des maßgeblichen Beitragssatzes. Denn erst dadurch ist das Gericht überhaupt in der Lage, eine mit dem sogenannten richterlichen Fingerspitzengefühl (dazu BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, 9 CN 1.01, juris) verbundene Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Deshalb besteht für die abgabenerhebende Körperschaft die prozessuale Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Hs.2 VwGO), spätestens im gerichtlichen Verfahren die der Ermittlung des Satzes zugrunde liegende Kalkulation vorzulegen und ggf. entsprechend zu erläutern (dazu im Gebührenrecht: OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, 4 K 253/05). Eine in sich schlüssige und verständliche, mithin prüffähige Kalkulation, ist Grundlage und Ausgangspunkt für die dem Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Sachverhaltsaufklärungspflicht.

68

Dieser Pflicht ist der Beklagte vorliegend durch Vorlage seiner Beitragskalkulationen für den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag nachgekommen. Dem steht nicht der vom Kläger geltend gemachte Umstand entgegen, dass es sich dabei zugegebenermaßen lediglich um eine Zusammenfassung und Darstellung der Kosten handelt, die sich für die öffentliche Einrichtung aus der Gesamtheit der dem Beklagten entstehenden Kosten im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung handelt. Ungeachtet des Umstandes, dass die hier vorgelegten Kalkulationen nicht nur auf ihre rechnerische Ergebnisrichtigkeit, sondern auch dahingehend überprüfbar sind, welche wesentlichen Grundsätze der Beitragsermittlung zugrunde lagen (Beitragsfähigkeit der angesetzten Kosten, Herleitung der Kosten aus den jeweiligen Anlagegruppen [Klärwerk, Kanalsystem etc.], Verteilung der Gesamtkosten nach sachgerechten Schlüsseln auf die Altanschließer, Berücksichtigung des in der Abgabensatzung gewählten Maßstabes etc.), genügt ein Beklagter seiner prozessualen Mitwirkungspflicht in der Regel bereits dann, wenn die vorgelegte Kalkulation diesen Anforderungen gerecht wird. Denn der Inhalt einer Kalkulation ist gesetzlich nicht determiniert. Es handelt sich bei derselben aus der Sicht der Behörde um ein Rechenwerk, welches unter Beachtung der abgabenrechtlichen Aspekte geeignet sein muss, den in den einzelnen Vorschriften (§§ 5 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA) enthaltenen Ge- und Verboten gerecht zu werden. Eine Pflicht zur Erstellung einer darüber hinausgehenden Kalkulation ergibt sich weder aus den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes noch aus den für die Zweckverbände entsprechend anwendbaren Vorschriften des Gemeinderechts (vgl. § 16 Abs. 1 GKG LSA). Aus diesem Grunde geht auch die Annahme des Klägers fehl, bereits bei der Beschlussfassung über den Satz müsse der dafür zuständigen Körperschaft eine solche Kalkulation vorliegen (siehe dazu OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006, a. a. O.). Der Kläger hat deshalb keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den zugrunde gelegten Aufwand bereits in der Kalkulation nachvollziehbarer darstellt. Diese sind aus sich heraus verständlich und dem Grunde nach nachvollziehbar. Weder die Kalkulation noch sonstige Umstände geben Veranlassung, diese Angaben des Beklagten in Zweifel zu ziehen.

69

Bestehen für ein Gericht aufgrund der vorgelegten Kalkulation keine belastbaren Zweifel daran, dass sich der festgesetzte Beitragssatz darauf zurückführen lässt, so besteht zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen keine Veranlassung, da dieses zu einer von § 86 Abs. 1 VwGO nicht gebotenen „ungefragten Fehlersuche“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, a. a. O.) führen würde, die sich auch nicht mit dem damit ggf. eintretenden Rechtsschutzziel des Klägers rechtfertigen ließe. Deshalb muss das Gericht nicht von Amts wegen jede mögliche Alternative erwägen und jedem nur möglichen Gesichtspunkt nachgehen. Aufklärungsmaßnahmen von Amts wegen sind nur dann veranlasst, wenn sich diese nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen. Gleiches gilt aufgrund allgemein von einer Partei geäußerter Zweifel an der Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns; auch dies gebietet es nicht, von Amts wegen in eine dezidierte Fehlersuche einzutreten (dazu Geiger in: Eyermann, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 86 Rn. 10 m w. N.).

70

Der Kläger steht auch bei der so angenommenen Reichweite von § 86 Abs. 1 VwGO nicht rechtsschutzlos. Denn das Gericht ist dann zu weiterer Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, wenn der Kläger konkrete Einwendungen wegen eines vom Beklagten vorgetragenen Sachverhaltes erhebt. Denn aus den Regelungen in § 82 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO, in § 86 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 4 VwGO sowie in § 95 Abs. 1 VwGO ergibt sich, dass die Beteiligten selbst verpflichtet sind, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Es handelt sich dabei neben der prozessualen Pflicht zugleich um eine materielle Mitwirkungslast (dazu Breuning in: Posser/Wolff, VwGO, Komm., § 86 Rn. 46 m. w. N.). Die Mitwirkung eines Klägers an der Aufklärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit Feststellung eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot ist ihm auch zumutbar. Sieht ein Gericht von sich aus keine Veranlassung, aufgrund einer vorgelegten Kalkulation weitere Nachforschungen von Amts wegen anzustellen, so ist es einem Beteiligten zuzumuten, seine Zweifel an der Höhe des Beitragssatzes durch konkrete Einwendungen in einer Weise zu substantiieren, aus denen sich für das Gericht eine weitergehende Sachverhaltsaufklärungspflicht ergibt. Die Beantwortung der Frage nach weiterer Sachverhaltsaufklärung richtet sich dabei nach objektiven Kriterien und nicht nach subjektiven Fähigkeiten eines Beteiligten. Dass vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrautem Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erstattungsfähig sein können (vgl. BVerwG, B. v. 13.03.1992, 4 B 39/92, juris). Jedenfalls ist es einem Kläger, der die Auffassung vertritt, die in der Satzung festgesetzte Höhe des Beitrages verstoße gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA zumutbar, sich durch detaillierte Fragen in die Lage zu versetzen, derartig konkrete Einwendungen führen zu können und substantiierte Kalkulationsrügen einzubringen. So bleibt es ihm unbenommen, im Widerspruchs- und auch im gerichtlichen Verfahren z. B. zu erfragen, wie sich die einzelnen Kostenpositionen zusammensetzen und auf welcher Grundlage die erfolgten Prognosen beruhen (vgl. zum Vorstehenden auch OVG LSA, B. v. 02.03.2010, 4 L 200/09OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.03.2011, 9 S 95.10; BayVGH, B. v. 03.01.2012, 20 ZB 11.1112; alle juris).

71

In dieser Weise hat der Kläger hier nicht vorgetragen. Vielmehr hat er lediglich allgemeine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe des Beitragssatzes geäußert und dessen Richtigkeit in Frage gestellt.

72

kk. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der in § 5 Abs. 2 SBAS auf 3,10 €/m² Beitragsfläche festgesetzte Beitragssatz weder gegen § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA noch gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA normierte Aufwandsüberschreitungsverbot verstößt.

73

Soweit hier im Rahmen der Kalkulation sowohl beim allgemeinen als auch beim besonderen Herstellungsbeitrag die verrechnete Abwasserabgabe als Abzugsposten eingestellt worden ist, ist fraglich, ob diese zur Ermittlung des „eigenen [umlagefähigen] Aufwandes“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vom beitragsfähigen Aufwand abzuziehen ist. Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es sich dabei aus seiner Sicht um „ersparten [Investitions-]Aufwand“ handelt, selbst wenn dies im Rahmen der Abwasserabgabe (§ 10 Abs. 2 bis 5 AbwAG) realisiert wurde. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die infolge der Verrechnung mit Investitionen eingetretene Folge zu keiner – wie bei direkten Zuwendungen – unmittelbaren Minderung der Investitionskosten für die öffentliche Einrichtung führt, sondern lediglich eine „Ersparnis“ in Bezug auf die eigentlich zu leistende Abwasserabgabe bewirkt (vgl. zu den Auswirkungen für die Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 5 KAG LSA auch § 7 Abs. 4 AG AbwAG LSA).

74

Ob die verrechnete Abwasserabgabe wie aufwandsmindernde Zuwendungen Dritter zu behandeln sind, kann schlussendlich deshalb dahinstehen, weil dies allenfalls einen noch höheren berücksichtigungsfähigen Aufwand bewirken würde, der höchstmögliche Beitragssatz mithin über dem ermittelten Beitragssatz von 3,82 €/m² liegen würde. Ein zu geringer Beitragssatz beschwert den Kläger jedoch nicht. Dies ergibt sich aus folgendem:

75

Für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es erforderlich, dass dieser den Kläger selbst in seinen Rechten einschließlich sog. rechtlich geschützten Interessen verletzt, d. h. Vorschriften oder allgemeine Rechtsgrundsätze verletzt, die zumindest auch den Schutz der Interessen des Klägers zum Ziel haben; sog. Schutznormen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Auflage, § 113 Rn. 26; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 11. Auflage, § 113 Rn. 20 h. M.). Ob und in welchem Umfang eine Norm des objektiven Rechts auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist, ist eine Frage der Auslegung, die unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung und der in dieser wirksamen Schutz- und Zweckbestimmungen mit den üblichen juristischen Methoden der Auslegung zu beantworten ist. Diese führt vorliegend dazu, dass der hier insbesondere einschlägigen Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ein doppelter Regelungsgehalt innewohnt. Die Norm schützt einerseits den Abgabepflichtigen in Bezug auf Art, Höhe sowie andere Umstände der Abgabe und wirkt andererseits normenkonkretisierend und -ausfüllend im Sinne kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften (§ 91 GO LSA/ § 99 KVG LSA i. V. m. § 16 Abs. 1 GKG LSA). In Bezug auf den Rechtskreis zum potentiell Beitragspflichtigen ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abgaben. In diesem Sinne ist die Vorschrift notwendige Eingriffs- und Befugnisnorm i. S. v. Art. 20 Abs. 3 GG. Sie schützt ihn insoweit, dass nur solche Abgaben und Abgaben in der Höhe erhoben werden, wie diese von Gesetzes wegen vorgesehen sind, bestimmt mithin Inhalt und Schranken des Eingriffs in seine Rechte. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erlaubt deshalb eine Beitragserhebung nur für die darin benannten Maßnahmen und nur in aufwandsdeckender Höhe (sog. Aufwandsüberschreitungsverbot).

76

Entfaltet § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA gegenüber einem potentiell Beitragspflichtigen Schutzwirkungen lediglich in diesem Umfang, kann ein Beitragsbescheid, mit dem ein Anschlussbeitrag nach § 6 KAG LSA festgesetzt wird, den Kläger nicht etwa deshalb in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen, weil er auf einer Abgabensatzung mit einem Beitragssatz beruht, der im Ergebnis den Aufwand für die beitragspflichtige Maßnahme nicht im vollen Umfange zu refinanzieren in der Lage ist. Denn erschöpfen sich die Schutzwirkungen einer gesetzlichen Norm darin, die Höhe des Beitrages zu begrenzen, so besteht keine Veranlassung, eine Verletzung in eigenen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann anzunehmen, wenn die beitragserhebende Körperschaft mit der auf der Grundlage dieser Vorschrift allein zum Zwecke des Eingriffs in die Rechte des Bürgers erlassenen Beitragssatzung ggf. gegen andere als die in der gesetzlichen Norm selbst angelegten Schutzzwecke verstößt. Von einer die Beitragserhebung nach § 6 KAG LSA umsetzenden Satzung kann mithin nicht mehr an Rechtsverletzung für einen Kläger ausgehen, als diese dem Bürger an Schutz durch die gesetzliche Norm selbst gewährt wird. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i. V. m. § 91 Abs. 1 und 2 GO LSA darüber hinaus zugleich die Verpflichtung zur Erhebung von (aufwandsdeckenden) Beiträgen enthält (zur insoweit bestehenden Beitragserhebungspflicht: Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 507), rechtfertigt ein darauf beruhender Rechtsverstoß allenfalls ein kommunalaufsichtsrechtliches Einschreiten nach §§ 136 ff. GO LSA/ §§ 146 ff. KVG LSA. Aus diesen Gründen sind auch Beitragssatzungen, deren Beitragssatz (wesentlich) hinter dem ermittelten bzw. ermittelbaren höchstzulässigen Beitragssatz zurückbleibt, geeignet, (sachliche) Beitragspflichten zu begründen. Deshalb findet das Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörde ihre Rechtfertigung auch nicht in der Unwirksamkeit der Satzung, sondern allein in der Korrektur einer (kommunalrechtlichen) Pflichtverletzung.

77

Vorstehendes unterscheidet sich deshalb von den Rechtsfolgen die eintreten, wenn eine Satzung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nicht gerecht wird. Denn insoweit schützt § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA den Bürger dahingehend, dass Abgaben nur auf der Grundlage einer wirksamen Satzung erhoben werden dürfen. Diese Schutzvorschrift ist bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA verletzt. Hier wird die Satzung § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA jedoch gerecht, da ein solcher Beitragssatz enthalten ist, der den Anforderungen der Schutznorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entspricht.

78

2.2.2.2. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der übrigen Regelungen der SBAS mit höherrangigem Recht bestehen ebenfalls nicht.

79

aa. Insbesondere ist der vom Beklagten in § 4 SBAS gewählte modifizierte Flächenmaßstab, der sich an der bevorteilten Grundstücksfläche und dem (zulässigen) Maß der baulichen Nutzung in der Gestalt der Anzahl der Vollgeschosse orientiert, für die Erhebung eines Beitrags zur Herstellung einer zentralen Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der geeignet ist, dem in § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA festgelegten Vorteilsprinzip Rechnung zu tragen (vgl. Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn 2173 ff. m. w. N.). Da es sich dabei lediglich um den Maßstab für die Beitragserhebung für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage handelt, kommt es nicht darauf an, welcher Maßstab für andere Entsorgungsarten – zentral, dezentral, Niederschlagswasser, Bürgermeisterkanäle – für die Abgabenerhebung geeignet ist. Insoweit betreibt der Beklagte ausweislich seiner SBS zur Beseitigung des in seinem Verbandsgebiet anfallenden Schmutzwassers vier rechtlich selbstständige Anlagen als öffentliche Einrichtung (vgl. § 1 Abs. 1 SBS, § 1 Abs. 1 lit. a bis d SBS). Hierzu zählen neben der hier streitbefangenen Einrichtung zur zentralen Beseitigung und Reinigung von Schmutzwasser die öffentliche Einrichtung zur Aufnahme und Ableitung des in Hauskläranlagen auf den Grundstücken vorbehandelten Schmutzwassers ohne anschließende Reinigung des Schmutzwassers in einem Klärwerk (Bürgermeisterkanal) sowie die öffentlichen Einrichtungen zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung für Schmutzwasser aus Sammelgruben und für Fäkalschlamm aus einzelnen Hausklär- oder gemeinschaftlichen Grundstückskläreinrichtungen. Der Beklagte ist dagegen nicht Träger der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung, so dass er insoweit auch keine öffentliche Einrichtung betreibt.

80

bb. Auch die nach Erfahrungen des Gerichts in der jüngsten Vergangenheit vermehrt in den Mittelpunkt der rechtlichen Erörterung getretene Frage nach der Vereinbarkeit der auch hier in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS enthaltenen Tiefenbegrenzungsregelung ist vorliegend zu bejahen. Zuvorderst sieht sich das Gericht jedoch veranlasst darauf hinzuweisen, dass deshalb nicht gleichsam jede Satzung insoweit auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA von Amts wegen zu untersuchen ist. Denn dass eine Tiefenbegrenzungsregelung auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen grundsätzlich rechtlich zulässig ist, ist hinreichend geklärt. Erst wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die der Tiefenbegrenzungsregelung zugrunde liegenden Tatsachen nicht zutreffend sind, besteht für das Gericht in Ansehung von § 86 Abs. 1 VwGO Veranlassung, dem weiter nachzugehen.

81

Nach § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS gilt als bevorteilte Grundstücksfläche in den Fällen, in denen die Grundstücksfläche teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegt, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen dem Grundstück, in dem der Hauptsammler verläuft (Hauptsammlergrundstück), und einer im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen. Diese Regelung ist vorteilsgerecht, was der alleinige Beurteilungsmaßstab ist, weil sie geeignet ist, orientierend an den örtlichen Verhältnissen, hinreichend den für die Ermittlung des auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen für die Beitragsbemessung maßgeblichen (bauplanungsrechtlichen) Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, 9 A 158/11 MD; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, 4 K 245/1, jeweils m. w. N; BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, 9 C 9/13 zum Erschließungsbeitragsrecht; alle juris).

82

Dies gilt auch, sofern das OVG LSA in seinem Beschluss vom 21.10.2014 unter Hinweis auf das dem Normgeber insofern zustehende Ermessen darauf verweist, Voraussetzung für dessen ordnungsgemäße Ausübung sei es, dass er die Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermittelt und das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüft, jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen darf. Insofern gilt – im Lichte der Ausführungen der Gerichte in den vorstehend zitierten Entscheidungen – das Folgende:

83

Ist die Aufnahme einer Tiefenbegrenzung in eine Beitragssatzung gesetzlich allein durch den Vorteilsbegriff des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA legitimiert, unterliegt sie in Bezug auf ihre dahingehende Vereinbarkeit der gerichtlichen Kontrolle. Hat das Gericht Veranlassung zu der Annahme, die in einer Satzung festgelegte Tiefenbegrenzung sei damit nicht vereinbar, hat es den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, dass es die Körperschaft anhält, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die festgelegte Tiefenbegrenzung ergeben soll. Eine weitergehende „Aufklärung der örtlichen Verhältnisse“ dürfte dagegen regelmäßig nicht angezeigt sein, da insofern die Vermutung besteht, dass bereits solche Unterlagen vorgelegt wurden, die aus der Sicht der Körperschaft das Ergebnis zu tragen in der Lage sind. Dies gilt selbstredend dann nicht, wenn die Unterlagen z. B. von einer ganz anderen Herangehensweise geprägt sind und die nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass die Tiefenbegrenzung den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. dazu VG Magdeburg, Urt. v. 07.03.2012, 9 A 190/10 MD zu § 86 Abs. 1 VwGO). Nicht allein maßgebend ist dagegen, ob und welche Unterlagen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorlagen. Es ist seit geraumer Zeit in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Landes Sachsen-Anhalt geklärt, dass die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm allein davon abhängt, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist (so schon OVG LSA, B. v. 19.06.2001, 1 L 267/01). Dies ist mithin auch der alleinige Maßstab für die gerichtliche Prüfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung.

84

Vorteilsgerecht ist die Festlegung einer Tiefenbegrenzung dann, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer typisierenden Wirkung geeignet ist, die bevorteilte Grundstücksfläche zu ermitteln. Zu Recht weist das OVG LSA insoweit darauf hin, dass das Gericht die Auswahl repräsentativer Grundstücke, die Entscheidung zur Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzungen und die Gewichtung der Bebauungstiefen nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen überprüfen darf; diese ergeben sich insoweit aus dem Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA. Anhand der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht schlussendlich die Ermessensentscheidung – die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung – auf ihre Vereinbarkeit mit § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA zu beurteilen. Da der „Weg“ zum „Ergebnis“ sich – anders als bei der Ermittlung des Beitragssatzes – nicht in einem schlichten Rechenvorgang erschöpft, sondern der Körperschaft Spielräume überlässt, ist die konkrete Festlegung der Tiefe der baulichen Nutzung dann aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sie sich innerhalb eines „Korridors“ bewegt, der durch die Tiefe der baulichen Nutzungen geprägt wird. Die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung kann vom Gericht nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzt werden; der Behörde steht insofern ein nicht weiter gerichtlich kontrollierbares Satzungsermessen zur Seite.

85

Die Tiefe der baulichen Nutzungen kann auch durch bauakzessorische Flächen geprägt werden (so auch BVerwG, Urt. v. 12.11.2014, a. a. O.). Dabei handelt es sich um solche, die sich zwischen dem Hauptgebäude und dem Außenbereich befinden; bei dem „Hauptgebäude“ kann es sich entweder um ein isoliertes Gebäude (i. d. R. Wohnhaus) oder um einen Gebäudekomplex dann handeln, wenn diese in einem baulichen Zusammenhang stehen (Haus mit Stallungen, Scheune etc.); die sich daran anschließenden Flächen gehören dann zum Innenbereich, wenn darauf solche Nutzungen verwirklicht werden, die von der Hauptnutzung abgleitet sind. Dies dokumentiert sich in erster Linie darin, dass sich dort bauliche Nebenanlagen befinden (Hühnerstall, Gerätehaus, Schuppen, Pool, überdachte Sitzgelegenheiten etc). Aber auch ein Hausgarten, der sich anschließt - und dann ohne Zweifel in den Außenbereich als außenbereichstypische Nutzung übergeht -, kann zum Innenbereich gehören (vgl. zum Vorstehenden Söfker in: Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rn. 25f.). Bei der Beurteilung, ob ein Hausgarten als akzessorische Nutzung prägend ist, ist ebenfalls auf die konkreten örtlichen Verhältnisse abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Grundstücke im Innenbereich ebenso geprägt sind.

86

In Anbetracht dessen, leidet eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nur dann an einem Rechtsfehler, wenn sie diesen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Dafür liegen in Ansehung der dem Gericht vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte vor. Zwar lässt sich der am 18.03.2010 erstellten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 vorliegenden „Ermittlung der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung von Grundstücken“ entnehmen, dass die Bebauungstiefe der Grundstücke, für deren unrepräsentative Auswahl das Gericht keine Anhaltspunkte hat, durchschnittlich 40 m beträgt. Zwar ist die Ermittlung eines Durchschnittswertes für die Festlegung der Tiefenbegrenzung nicht geeignet, die bevorteilten Grundstücksflächen zu ermitteln; vielmehr ist die ortsüblich prägende Tiefe der baulichen Nutzung maßgebend (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.04.2013, a. a. O.; OVG LSA, B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Den Unterlagen lässt sich jedoch auch entnehmen, dass die in § 4 Abs. 3 lit. c) Ziffer 2 SBAS festgelegte Tiefe von 40 m derjenigen der prägenden baulichen Nutzung entspricht. Dies hat das Gericht unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung anerkannten „Gruppenbildung“ durch Berechnung nachvollzogen. Diese Tiefe liegt jedenfalls nicht außerhalb des „Korridors“, bei dem unter Berücksichtigung der mit einer Tiefenbegrenzung regelmäßig einhergehenden Pauschalierung und Typisierung eine vorteilsgerechte Bestimmung der beitragsfähigen Grundstücksfläche vorgenommen werden kann.

87

Das Gericht sieht aus Anlass der Regelung in § 32 SBAS vom 04.02.2015 Anlass zu folgenden Hinweisen:

88

Wird eine Tiefenbegrenzung den oben dargelegten Anforderungen nicht gerecht, so dürfte dies regelmäßig zur Unwirksamkeit einer Satzung deshalb führen, weil nicht festgestellt werden kann, ob der Satzungsgeber die Satzung auch ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung erlassen hätte (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 14.04.2008, a. a. O.; v. 28.05.2012, a. a. O. sowie B. v. 21.10.2014, a. a. O.). Zwar könnte der insoweit mutmaßliche Wille des Satzungsgebers durch die Aufnahme einer salvatorischen Klausel in die Satzung dokumentierbar sein. Doch selbst wenn dieser anhand einer salvatorischen Klausel nunmehr festgestellt werden könnte, würde es der Satzung dann an einer Vorschrift für die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche für solche Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, mangeln; eine solche dürfte jedoch deshalb zwingend erforderlich sein, weil der Maßstab allgemein an die „Grundstücksfläche“ anknüpft, die dann je nach bauplanungsrechtlicher Situation des Grundstücks wegen der Vielzahl der Anwendungsfälle zwingend in der Satzung zu definieren ist und nicht der Rechtsanwendung im Einzelfall überlassen werden darf (vgl. OVG LSA, B. v. 10.07.2004, 1 M 34/04). Sofern die salvatorische Klausel darüber hinaus für den Fall der Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nur die Teile des Grundstücks als bevorteilt erklärt, die im Innenbereich belegen sind – was mithin im Einzelfall zu ermitteln ist –, so dürfte es sich dabei um eine „unter Vorbehalt“ in die Satzung aufgenommene Vorschrift handeln, die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Klarheit von Rechtnormen nicht genügt, da der Rechtsunterworfene sein Handeln daran nicht ausrichten kann. Hier wäre das Recht jedoch nur „für den Fall der Unwirksamkeit“ gesetzt, deren Beurteilung entweder der Rechtsunterworfene gar nicht vornehmen kann bzw. nicht in seiner Macht steht.

89

3. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung des hier streitigen Beitrages liegen vor. So ist für das Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden (3.1.). Es bestehen zudem keine Bedenken gegen den Zeitpunkt, zu dem der Beklagte die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Beitrages geschaffen hat (3.2.); gleiches gilt hinsichtlich des Erlasses des hier streitigen Beitragsbescheides (3.3.).

90

3.1. Der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist auch für den besonderen Herstellungsbeitrag in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelt. Auch für Grundstücke, die dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegen, gilt deshalb, dass die sachliche Beitragspflicht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA – neben dem dort normierten Satzungserfordernis – entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Da die Rechtsprechung in erster Linie auf die Schaffung der öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne abstellt, ist es jedoch nicht erforderlich, dass sämtliche Teile der übernommenen Anlage – und damit zwingend auch die vor dem beitragspflichtig gestellten Grundstück – erneuert worden sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entstehen kann. Zwar hängt das Bestehen der Vorteilslage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA neben der tatsächlichen Möglichkeit der Anschlussnahme auch von der rechtlichen Sicherung ab. Hat aber eine Kommune oder ein Zweckverband nach Inkrafttreten des KAG LSA eine vorhandene Anlagen übernommen und den bei der Übernahme an diese Anlage angeschlossenen Altanschlussnehmern zur Nutzung zur Verfügung gestellt, setzt die dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit auch der bereits angeschlossenen Grundstücke die Widmung der Anlage voraus, die nach § 8 Satz 1 Nr. 1 GO LSA/ § 11 Abs. 2 KVG LSA grundsätzlich durch Erlass einer Satzung erfolgt, mit der die Benutzung der öffentlichen Einrichtung geregelt und der Zugang zu ihr eröffnet wird. Damit wird auch den (Alt-)Anschlussnehmern ein Anschlussrecht und eine Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung eingeräumt (vgl. OVG LSA, B. v. 22.11.2004, 1 L 41/03). Stellen (auch) die übernommenen Altkanäle eine hinreichende und dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit für die Altanschlussnehmer sicher (vgl. OVG LSA, B. v. 17.03.2006, a. a. O.), so muss die öffentliche Einrichtung im Übrigen jedoch einen solchen Ausbauzustand erreicht haben, wie er für die Entstehung eines allgemeinen Herstellungsbeitrages erforderlich ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem besonderen Herstellungsbeitrag eben um einen Herstellungsbeitrag handelt und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Beitrag die mit der herzustellenden öffentlichen Einrichtung gebotene Vorteilslage und nicht die in der Vergangenheit bewirkte abgelten soll. Daraus folgt, dass zumindest die nach dem Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehene Abwasserbehandlungsanlage betriebsbereit hergestellt sein muss (vgl. OVG LSA, B. v. 12.11.2007, 4 M 253/07 zur Betriebsbereitschaft). Diese Voraussetzungen liegen hier mit dem Erreichen des mittlerweile endgültigen Ausbauzustandes der Kläranlage in A-Stadt vor.

91

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die vom Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betriebene öffentliche Einrichtung für das – dem besonderen Herstellungsbeitrag unterliegenden – Grundstück betriebsfertig i. S. v. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA, weshalb sie geeignet ist, dem Grundstück einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Inanspruchnahmevorteil in Bezug auf die zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Anlagen der Abwasserbeseitigung zu vermitteln, der zur Beitragserhebung berechtigt.

92

Vorliegend kann offen bleiben, ob das klägerische Grundstück – was zwischen den Beteiligten im Streit steht – zum hier maßgebenden Stichtag (15.06.1991) bereits angeschlossen gewesen war oder etwa wegen des Verlaufs des unstreitig in der Bahnhofstraße vorhandenen Hauptsammlers lediglich eine Anschlussmöglichkeit besessen hat, denn die bloße Anschlussmöglichkeit genügt, um insoweit die Beitragspflicht zu begründen.

93

3.2. Werden unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung oder wie hier in satzungsloser Zeit – denn der Beklagte hat erstmals in seiner Satzung vom 29.09.2010 (SBAS) die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrags normiert – die Voraussetzungen für eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dauerhaften Anschlussmöglichkeit geschaffen, entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. OVG LSA, seit B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98; B. v. 25.01.2011, 4 L 234/09; Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02, m.w.N.; vgl. auch B. v. 10.11.1999, B 3 S 29/98 ; Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke gleichwohl erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Abgabensatzung (dazu oben 2.). Dies gilt auch in den Fällen des sog. besonderen Herstellungsbeitrags (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 22.11.2005, 9 A 118/04, juris; OVG LSA, B. v. 18.11.2004, 1 M 61/04; B. v. 17.03.2006, 4 L 127/06, juris). Anders gewendet: Die beitragsbegründende Satzung kann der tatsächlichen Schaffung der öffentlichen Einrichtung auch nachfolgen, ohne dass es sich dabei um eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung handelt würde (vgl. OVG LSA, Urt. v. 06.03.2003, 1 L 318/02).

94

Dass die Anschlussvoraussetzungen vorliegend bereits Anfang/ Mitte der 1990-er Jahre geschaffen wurden und erst ca. 20 Jahre später die satzungsrechtliche Grundlage für die Erhebung des besonderen Herstellungsbeitrages durch den Beklagten gesetzt wurde, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar war § 6 Abs. 6 KAG LSA in der bis zum 23.12.2014 geltenden Fassung auf Grund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 05.03.2013, 1 BvR 2457/08, juris) zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar (OVG LSA, B. v. 03.12.2014, 4 L 59/13 zum leitungsgebundenen Abgabenrecht; auch Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13 zum Straßenausbaubeitragsrecht). Dieses Gebot schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Regelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherstellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen – so das Bundesverfassungsgericht – liege in der Abgeltung eines tatsächlich eingetretenen Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, B. v. 05.03 2013, 1 BvR 2457/08, juris). Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben – je nach landesrechtlicher Regelung zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht – mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, B. v.. 26.08.2013, 9 B 13.13; vgl. auch Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils juris). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704, juris; VG Magdeburg, Urt. v. 25.02.2014, 2 A 44/12 MD; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13; Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147 jeweils zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. weiter Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 487c; ders., KStZ 2014, 181 f.; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241 f.; Martensen, LKV 2014, 446; grundsätzlich auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2014, 2 S 2228/13 sowie OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, beide juris). Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft damit auch den allgemeinen und besonderen Herstellungsbeitrag bei leitungsgebundenen Anlagen i.S.d. § 6 Abs. 1 KAG LSA, was den Gesetzgeber verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

95

Dem ist der Landesgesetzgeber nachgekommen, indem er mit der zum 24.12.2014 in Kraft getretenen Neufassung des Kommunalabgabengesetzes durch das Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA S. 522) in §§ 13b Satz 1, 18 Abs. 2 KAG LSA bestimmt hat, dass eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen ist, wobei die danach zu bestimmende Ausschlussfrist nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 endet. Dass diese Neuregelung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist im Lichte der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben mangels gesetzlicher Regelung (vgl. dazu u. a. BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, a. a. O.; OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, a. a. O.; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13, alle juris) weder ersichtlich noch wird dies von den Beteiligten geltend gemacht. Für das hier anhängige Verfahren bedeutet dies, dass obgleich die Vorteilslage für das klägerische Grundstück bereits mit der erstmaligen Widmung im Satzungsrecht des Beklagten bereits Anfang der 90-er Jahre entstanden ist, dieser nicht rügen kann, erst im Jahr 2011 zum besonderen Herstellungsbeitrag herangezogen worden zu sein, da die gesetzliche Ausschlussfrist gemäß § 18 Abs. 2 KAG LSA nicht vor dem 31.12.2015 ablaufen kann. Auch wenn die Neufassung des KAG LSA nur ex nunc Geltung beanspruchen würde, führt dies zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis, da das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13) unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträgen, juris) zu Recht ausgeführt hat, dass die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelung jedenfalls bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden konnte. Zwar ist es – wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 05.03.2013 ausdrücklich festgestellt hat – Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v.. 02.10.2014, 4 L 125/13) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 59/13). Allerdings war eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10.09.2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn – wie hier – eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird bzw. erfolgt ist. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Norm in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.12.2014, 4 L 220/13), geht man mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11/13, juris) davon aus, dass zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden kann. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung von Kommunalabgaben nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch VGH München, Urt. v. 14.11.2013, 6 B 12.704; BVerwG, Urt. v. 20.03.2014, 4 C 11.13, juris zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB; OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014, 1 L 142/13) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

96

3.3. In Anwendung der satzungsrechtlichen Regelung hat der Beklagte den besonderen Herstellungsbeitrag auch der Höhe nach auf 794,84 EUR richtig festgesetzt, indem er der Festsetzung eine Grundstücksfläche von 641 qm, einen Vollgeschossfaktor von 0,4 für die zweigeschossige Bebauung sowie einem Beitragssatz von 3,10 EUR/qm zugrunde gelegt hat. Soweit der Kläger (wohl) geltend macht, der Beklagte habe § 6 c Abs. 2 KAG LSA jedenfalls deshalb fehlerhaft umgesetzt, so ist das Gericht nicht gehalten, dem weiter nachzugehen (vgl. oben 2.2.2.1. jj.). Dies auch deshalb nicht, weil die Ermittlung des durchschnittlich großen Wohngrundstücks im Sinne von § 6 c Abs. 2 KAG LSA keinen Einfluss auf die Höhe des Beitragssatzes hat, sondern als gesetzlich angeordnete Billigkeitsmaßnahme, allein bei der Veranlagung des einzelnen Grundstückseigentümers zu berücksichtigen ist (vgl. dazu Haack in Driehaus, a. a. O., § 8, Rn. 2237 f.). Aus diesen Gründen besteht kein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass sich die Bestimmung des § 6 SBAS, nach der die Durchschnittsgröße 1.156 m² beträgt und das überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstück bis 1.503 m² voll herangezogen wird, Einfluss auf die hier maßgebliche Beitragsfestsetzung haben kann.

97

Soweit der Kläger rügt, er habe im Verfahren nur unzureichend Akteneinsicht erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Akteneinsichtsrecht nach § 100 VwGO lediglich auf die dem Gericht vorgelegten Akten bezieht. Dass der Kläger in Wahrheit rügt, das Gericht hätte weitere Unterlagen beiziehen müssen, berührt nicht sein Akteneinsichtsrecht, sondern allenfalls sein Recht aus § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, sofern dies zu seiner Überzeugungsbildung erforderlich ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011, 4 K 31/06, juris). Dass die Beiziehung weiterer Unterlagen im vorstehend bezeichneten Sinne nicht geboten war, ist bereits unter 2.2.2.1. jj. erörtert worden.

98

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

99

III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 8. Juni 2009 wird insoweit aufgehoben, als die dort unter I. festgesetzte Gebühr für die Fleischuntersuchung den sich unter Zugrundelegung der unionsrechtlichen Mindestgebühr ergebenden Betrag von 122.231,00 EUR überschreitet

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen


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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen.

(2) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden durch Festsetzung

1.
der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
der Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl oder der Baumasse,
3.
der Zahl der Vollgeschosse,
4.
der Höhe baulicher Anlagen.

(3) Bei Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan ist festzusetzen

1.
stets die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können.

(4) Bei Festsetzung des Höchstmaßes für die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, für die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan kann zugleich ein Mindestmaß festgesetzt werden. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen können auch als zwingend festgesetzt werden.

(5) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen unterschiedlich festgesetzt werden; die Festsetzungen können oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden.

(6) Im Bebauungsplan können nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen von dem festgesetzten Maß der baulichen Nutzung vorgesehen werden.

Tenor

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg -7. Kammer -vom 29. Juli 2008 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Rechtsmittelverfahren auf 576,40 € festgesetzt.

Gründe

1

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

1. Das Vorbringen der Kläger begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn mit der Zulassungsschrift wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.01.2009 -1 BvR 2524/06 -; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 -1 BvR 830/00 -, beide zitiert nach juris).

3

Das Verwaltungsgericht hat die zwischen dem Beklagten und der Stadt B. geschlossene Vereinbarung als öffentlich-rechtlichen Vertrag und nicht als die Wahrnehmung kommunaler Gemeinschaftsarbeit gewertet. Weder haben der Beklagte und die Stadt

4

B. mit der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung vom 26. Januar 1996 einen Zweckverband gebildet noch wurde die Stadt B. dadurch Mitglied in dem Beklagten. Die Vereinbarung betrifft allein die Ableitung und Reinigung des Abwassers der Stadt durch den Beklagten (OVG LSA, Beschl. v. 24. April 2006 -4 L 220/05 -).

5

Der dagegen von den Klägern erhobene Einwand, durch die Entsorgung des in der Stadt B. anfallenden Abwassers werde die Aufgabenerfüllung zu vertretbaren Bedingungen im Sinne des § 157 Abs. 1 Satz 1 WG LSA ausgeschlossen oder beeinträchtigt, ist entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO schon nicht hinreichend substanziiert dargelegt. Soweit die Kläger die wirksame Gründung des Beklagten mit dem Einwand bestreitet, es fehle jeglicher Hinweis des Gerichts, dass eine vertretbare Aufgabenwahrnehmung durch die in dem Beklagten verbundenen Mitglieder auch dann gegeben sei, wenn 50 % der Kapazität seiner zentralen Schmutzwasserentsorgungseinrichtung in der ersten realisierten Ausbaustufe durch einen Entsorger beansprucht werde, der nicht die aus der Mitgliedschaft erwachsenen sozialen Rechte und Pflichten eines Verbandsmitgliedes wahrzunehmen habe, ist dieses Vorbringen von vornherein nicht geeignet, die jedenfalls erfolgte Bildung des Beklagten nach den Vorschriften des GKG LSA in Frage zu stellen (OVG LSA, a. a. O.).

6

Im Übrigen regelt § 157 Abs. 1 WG LSA lediglich Zusammenschlüsse von Aufgabenträgern des Landes Sachen-Anhalt zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, steht dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entsprechend den vorinstanzlichen Ausführungen mit einer Gemeinde im Land Niedersachen über die Beseitigung von Abwasser aber nicht entgegen.

7

Darüber hinaus legen die Kläger nicht dar, welche Auswirkungen es auf die streitbefangene Beitragserhebung haben sollte, wenn der Vertrag zwischen der Stadt B. und dem Beklagten den Bestimmungen des Staatsvertrages unterfiele.

8

Auch vermag allein der unter Hinweis auf eine angebliche Widersprüchlichkeit der vorinstanzlichen Auffassung und im Übrigen nicht näher begründete Einwand der Kläger, die zwischen dem Beklagten und der Stadt B. bestehende Vereinbarung unterfalle entgegen der Auffassung des Gerichts den Bestimmungen des Privatrechts, die erstinstanzliche Auffassung, wonach es sich bei der bezeichneten Vereinbarung um einen „öffentlich-rechtlichen Vertrag“ handele, der allerdings nicht die gemeinschaftliche Wahrnehmung von Aufgaben betreffe, nicht zu erschüttern. Der öffentlichrechtliche Charakter der Vereinbarung ist im Übrigen nicht zweifelhaft.

9

Ohne Erfolg bleibt das Vorbringen der Kläger, das unterschiedliche methodische Herangehen bei der Aufwandsermittlung für den der dezentralen Abwasserentsorgungseinrichtung zuzurechnenden Aufwand einerseits und den für die Entsorgung des Abwassers für die Stadt B. vorgehaltenen Aufwand andererseits erfolge durch den Beklagten willkürlich und führe zu einer fehlerhaften Bestimmung des Beitrages. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, der Beklagte habe die auf die Entsorgung von Fremdabwasser fallenden Kostenanteile in der „Investitionskostenermittlung“ sowohl von den Leitungskosten als auch von den Kosten für die Zentralkläranlage abgezogen, so dass sich aus der Entsorgung des Fremdabwassers schon deshalb keine Anhaltspunkte für Kostenüberschreitungen ergeben, weil der Beklagte die insoweit entstehenden Mehrkosten nicht als beitragsfähigen Aufwand berücksichtigt hat. Warum nur der von den Klägern errechnete Aufwand, wie sie einwenden, dem Verbandsgebiet des Beklagten einen Vorteil vermittle, ist vor dem Hintergrund der der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Kalkulationsunterlagen nicht hinreichend substanziiert dargetan. Dass der für den streitgegenständlichen Beitrag heranzuziehende beitragsfähige Aufwand nach ihrem Vorbringen entsprechend dem beitragsfähigen Aufwand für die dezentralen Anteile der Kläranlage R. zu ermitteln sei, genügt insoweit nicht; denn die auf die dezentrale Entsorgung entfallenden Baukosten sind in den Gesamtkosten der Kläranlage R. nicht enthalten und entsprechend Anlage 9 der Kalkulation (Seite 26 und 27 der Beiakte B zu dem Verfahren 4 L 374/08) aus dem beitragsfähigen Aufwand ausgegliedert worden (vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 19.07.2005 -4 M 189/05 -).

10

Soweit die Kläger geltend machen, eine Überdimensionierung der Zentralkläranlage R. liege im Gegensatz zu der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch dann vor, wenn der für die Beitragsberechnung heranzuziehende Aufwand für den geplanten Ausbauabschnitt überschritten werde, weil dem Grundstück der Kläger für die im zweiten Abschnitt herzustellenden Anlagenteile kein Vorteil vermittelt werde, können sie dies der streitbefangenen Beitragserhebung ebenfalls nicht entgegenhalten. Denn ob Mehrkosten entstanden sind, die darauf beruhen, dass eine Anlage in einer Größe errichtet wurde, die eine Auslastung auf Dauer erwarten lässt und die im Rahmen einer Beitragserhebung nicht umlagefähig sind, hängt allein davon ab, ob die gewählte Anlagengröße auf sachgerechten Grundlagen und vernünftigen plausiblen Annahmen und Prognosen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Anschlussnahme beruht (OVG LSA, Beschl. v. 19.07.2005, a.a.O.). Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Planungen abzustellen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 06.03.2003 1 L 318/02 -). Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlage im beitragsrechtlichen Sinne überdimensioniert ist, ist danach, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht die verwirklichte Ausbaustufe, sondern das Abwasserentsorgungskonzept des Beklagten, dem im Rahmen seines Organisationsermessens ein entsprechender Entscheidungsspielraum eröffnet ist. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sieht das Entsorgungskonzept die Verwirklichung der zentralen Kläranlage R. in zwei Bauabschnitten vor mit der Folge, dass Grundlage der Beitragskalkulation die geplante Endausbaustufe ist. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Beklagten für die Entsorgung der Abwässer aus seinem Verbandsgebiet auf 30 000 EW bemessene Kläranlage insoweit entgegen den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik zu groß geplant und errichtet worden ist, haben die Kläger gerade nicht genannt.

11

Soweit sie in diesem Zusammenhang das methodische Herangehen des Beklagten bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands für die Entsorgung des Abwassers der Stadt B. rügen, geht ihr Einwand entsprechend den vorstehenden Ausführungen schon deshalb fehl, weil die auf die Stadt B. entfallenden Kostenanteile nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in die Kalkulation der Verbesserungsbeiträge eingegangen sind.

12

Schließlich verstößt entgegen der Auffassung der Kläger der in § 3 der Verbesserungsbeitragssatzung des Beklagten vom 21. September 1999 (VBS) geregelte Vollgeschoßmaßstab schon deshalb nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 VBS auch bei allen in anderer Weise als gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken erst je vollendete 2,30 m Höhe des Bauwerks als ein Vollgeschoß gerechnet wird. Insoweit besteht kein Unterschied zu der in § 2 Abs. 4 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Februar 2001 definierten Geschoßhöhe.

13

1. Den geltend gemachten Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO haben die Kläger schon nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Selbst wenn man davon ausgeht, sie wollten einen Verfahrensverstoß des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf eine fehlerhafte Würdigung der Kalkulationsunterlagen des Beklagten rügen, hätte diese Rüge von vornherein keinen Erfolg. Eine fehlerhafte rechtliche Würdigung des Sachverhalts stellt keinen Verfahrensverstoß im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar.

14

2. Die hinsichtlich der Anwendbarkeit der für die Entscheidung eines Gerichts maßgeblichen Rechtsvorschriften gerügte Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu der von den Klägern genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts besteht schon deshalb nicht, weil sich die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beitragserhebung maßgebliche Sach-und Rechtslage -und dementsprechend auch das der Beitragserhebung zu Grunde zu legende Landes-und Satzungsrecht -nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im (Erschließungs-)Beitragsrecht einzig nach dem Zeitpunkt bestimmt, in dem für das Grundstück die sachliche Beitragspflicht entsteht und deshalb auch eine spätere Änderung dieser Verhältnisse keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines ergangenen Beitragsbescheids hat (BVerwG, Beschl. v. 13.03.1995 -8 B 5/95 -, m.w.N., zitiert nach juris). Die behauptete Divergenz bleibt auch deshalb ohne Erfolg, weil sich die angeblich divergierende Entscheidung auf eine andere Rechtsvorschrift bezieht.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

16

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn der Antragsgegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in A-Stadt. Der Antragsgegner betreibt in seinem Verbandsgebiet eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung. Das Grundstück der Antragstellerin ist an diese Anlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2013 setzte der Antragsgegner gegen die Antragstellerin einen Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung in Höhe von 1.863,92 Euro fest. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid ist noch nicht entschieden.

2

Nachdem das erkennende Gericht mit Urteil vom 14. September 2010 (– 4 K 12/07 –, juris) die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam erklärt hatte, beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners am 9. Dezember 2010 die hier streitgegenständliche Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ (nachfolgend: Trinkwasserbeitragssatzung). Gegenstand der Beschlussvorlage war neben dem Satzungstext auch eine Begründung zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzung und zur Kalkulation des Beitragssatzes. Die Satzung wurde am 10. Dezember 2010 ausgefertigt und am 11. Dezember 2010 in der „Schweriner Volkszeitung“ öffentlich bekanntgemacht.

3

Am 7. November 2011 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gegen die Trinkwasserbeitragssatzung gestellt.

4

Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:

5

Die Satzungsregelung zum Beginn der Verjährung in § 3 Trinkwasserbeitragssatzung sei wie auch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) verfassungswidrig. Die Vorschriften seien nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendem Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit vereinbar. Die Bestimmung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, ermögliche auf eine unbegrenzte Zeit die Festsetzung von Beiträgen. In bestimmten Fällen lasse die Trinkwasserbeitragssatzung sogar einen späteren Zeitpunkt als das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung für das Entstehen der Beitragspflicht maßgeblich werden.

6

Soweit § 4 Abs. 2 Buchst. d Trinkwasserbeitragssatzung eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Tiefenbegrenzungslinie sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Zwar sei es möglich, die örtlichen Verhältnisse auf der Grundlage repräsentativer Grundstücke und Ortslagen zu ermitteln, dies setze jedoch voraus, dass die ausgewählten Grundstücke und Ortslagen tatsächlich repräsentativ seien. Daran fehle es. Der Antragsgegner habe die Anzahl der Ortslagen, die von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffen seien, unzutreffend ermittelt. Dies zeige sich schon daran, dass die Ermittlung nicht zwischen den öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Trinkwasserversorgung und denen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterscheide, obwohl der Anschlussgrad im Schmutzwasserbereich deutlich niedriger liege. Der Antragsgegner habe es versäumt, die ortsübliche Bebauungstiefe anlagenbezogen festzustellen. Für eine vorteilsgerechte Regelung wäre er sogar verpflichtet gewesen, innerhalb derselben Einrichtung unterschiedliche Tiefenbegrenzungslinien zu bestimmen.

7

Doch selbst wenn man dazu kommen wollte, dass die ausgewählten Grundstücke die tatsächlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet repräsentieren würden, sei die Schlussfolgerung einer ortsüblichen Bebauungstiefe von 40 Metern fehlerhaft. Im Verbandsgebiet existierten nicht nur eine Vielzahl von Ortslagen, diese differierten auch hinsichtlich der durchschnittlichen Bebauungstiefe beim Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich. Eine homogene und typische Bebauung existiere im Verbandsgebiet nicht. Die Gemeinden unterschieden sich hinsichtlich Größe und Bebauungsstruktur nachhaltig voneinander. Selbst in den einzelnen Gemeinden bestehe keine typische Bebauungstiefe. Bei einer inhomogenen Bebauung im Verbandsgebiet sei die Festsetzung einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung ausgeschlossen.

8

Der Antragsgegner habe bis zur Beschlussfassung über die Kalkulation des Beitragssatzes bereits die beitragspflichtige Fläche für sämtliche Grundstücke ermittelt. Damit sei er nicht mehr berechtigt gewesen, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf einzelne, nach seiner Auffassung repräsentative Ortslagen zu beschränken. Für eine Tiefenbegrenzung habe deshalb keine sachliche Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung mehr bestanden. Auch der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität könne eine Abweichung von der einzelfallbezogenen Vorteilsgerechtigkeit nicht legitimieren. Die konkrete Feststellung, wie weit im Einzelfall die Erschließungswirkung einer öffentlichen Einrichtung auf Grundstücke im Übergang zum Außenbereich reiche, könne zwar schwierig sein. Da der Antragsgegner bei der Ermittlung sowohl der repräsentativen Bautiefe als auch sämtlicher beitragspflichtigen Flächen im Verbandsgebiet ausschließlich auf die hintere Kante des letzten Gebäudes abgestellt habe, sei die Rechtsanwendung jedoch einfach. Diese Methodik sei zudem baurechtlich unzutreffend. Zwar ende der Bebauungszusammenhang in der Regel am letzten vorhandenen Gebäude, zu diesem Zusammenhang zählten jedoch nur Bauten, die optisch wahrnehmbar seien und ein gewisses Gewicht hätten. Untergeordnete Baulichkeiten seien, anders als der Antragsgegner meine, nicht zu berücksichtigen.

9

Die Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der die Tiefenbegrenzungslinie bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden seien, vom Ende der Zuwegung an gemessen werde, lasse gleichheitswidrig unberücksichtigt, dass auch der als Zuwegung genutzte Teil eines Buchgrundstücks bei der Kalkulation und bei der Beitragserhebung berücksichtigt werden müsse.

10

Als unwirksam erweise sich auch die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 2 Buchst. f der Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift erfasse die atypischen Fälle einer übergreifenden Grundstücksnutzung. Nach dem Willen des Satzungsgebers solle bei der Festsetzung des Beitrags jede Grundstückfläche im Außenbereich bis zur hinteren Grenze der letzten baulichen Nutzung berücksichtigt werden. Das stehe im Widerspruch zu dem Vorteil, den die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners für das Grundstück vermittele. Im Außenbereich vermittelten die öffentlichen Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung trotz einer baulichen oder gewerblichen Nutzung keinen Vorteil, solange das Gebäude nicht tatsächlich angeschlossen sei.

11

Die Kalkulation des Beitragssatzes sei fehlerhaft. Dies führe zu einer unwirksamen Regelung über den Beitragssatz und damit zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung. Die Methode der Beitragskalkulation habe eine teilweise Doppelfinanzierung des Herstellungsaufwands der öffentlichen Einrichtung zum Ergebnis und verstoße gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot. Soweit der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits durch andere Einnahmen gedeckt sei, scheide die Erhebung eines Beitrags aus. Insoweit sei eine abgabenübergreifende Gesamtschau des Aufkommens aus Beiträgen und Gebühren geboten.

12

Der Antragsgegner habe die über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen auf das kostenlos übernommene Vermögen nicht aufwandsmindernd berücksichtigt. Der Substanzwert dieser Einrichtungsbestandteile sei gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Basis des wertmäßigen Kostenbegriffs abzuschreiben gewesen. Für die Bemessung der Abschreibungsbasis sei dabei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 DMBilG der Sachzeitwert in der Eröffnungsbilanz maßgeblich gewesen. Die Abschreibung auch des unentgeltlich übernommenen Vermögens führe zu Einnahmen, die etwa 30 Prozent des im Rahmen der Kalkulation nach Abzug der Fördermittel verbliebenen beitragsfähigen Aufwandes entsprechen würden. Diese Einnahmen lägen deutlich über der Differenz zwischen dem höchstmöglichen und dem beschlossenen Beitragssatz. Bei Fertigstellung der Anlage werde die Dauer der Abschreibung für die unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile bereits über 25 Jahre betragen. Bei durchschnittlichen Abschreibungssätzen entspreche dies nahezu dem vollen Herstellungsaufwand. Der Antragsgegner habe verkannt, dass der Herstellungsaufwand für den technischen Ersatz der unentgeltlich übernommenen Anlagengüter in der Herstellungsphase bereits zum Teil durch die dafür vereinnahmten Abschreibungen gedeckt gewesen sei. Insoweit liege Zweckgleichheit vor. Der Antragsgegner hätte bei der Festsetzung des Beitragssatzes einen Abzug für denjenigen Anschaffungs- und Herstellungsaufwand vornehmen müssen, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anschlussbeitragssatzung durch in den Gebühren enthaltene Abschreibungen gedeckt war. Die erstmalige Herstellung des Anlagengutes im rechtlichen Sinne führe dazu, dass das im technischen Sinne erneuerte Anlagegut nach wirtschaftlichen Grundsätzen untergehe. Gebührenrechtlich sei der Wertverzehr jedoch immer auf das jeweilige Anlagegut bezogen über die Abschreibung festzusetzen.

13

Der Berücksichtigung der über Abschreibungen erzielten Einnahmen bei der Kalkulation des Anschlussbeitrages stehe der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Der Kreis der Gebührenschuldner nach § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG M-V sei mit dem Kreis der Beitragspflichtigen nach § 7 KAG M-V nicht identisch, die Beitragsschuldner könnten deshalb als „Dritte“ im gesetzlichen Sinne angesehen werden. Diesem Verständnis stehe nicht entgegen, dass § 9 KAG M-V den Abzug von Abschreibungen nicht ausdrücklich vorschreibe. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung von § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V zum Ausdruck gebracht, dass im Ergebnis eine Doppelbelastung auszuschließen sei. Was für die Gebührenkalkulation im Zusammenwirken mit den Beiträgen bereits ausdrücklich geregelt worden sei, gelte im Umkehrschluss auch für die Anrechnung der Abschreibungen im Rahmen der Beitragskalkulation.

14

Soweit die Auffassung vertreten werde, dass diese Abschreibungen ausschließlich bei den Erneuerungsbeiträgen zu berücksichtigen seien, sei dies unzutreffend. Anlagenbestandteile, die nach dem Konzept des Zweckverbandes rechtlich durch ihn erstmalig hergestellt wurden, würden nach Fertigstellung der Anlage erneut mit den vollen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Anlagenbuchhaltung übernommen. Der volle Herstellungsaufwand unterliege dann erneut der Abschreibung. Ausschließlich diese nach der rechtlichen Herstellung vereinnahmten Abschreibungen seien jedoch bei einem möglichen Erneuerungsbeitrag zu berücksichtigten.

15

Soweit der Antragsgegner hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweise, sei der der Entscheidung (BVerwG, Beschl. v. 05.11.2012 – 9 B 2/12 –) zugrunde liegende Sachverhalt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die in den Gebühren enthaltenen Abschreibungen hätten durchaus eine Finanzierungsfunktion für die Herstellung der Anlage. Abschreibungen dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagengüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Die Investitionen von 2006 bis zur Fertigstellung der Anlage seien ganz überwiegend eine Ersatzbeschaffung im technischen und betriebswirtschaftlichen Sinne. Die Berücksichtigung der Abschreibungen beim Herstellungsbeitrag entspreche auch der Absicht des Landesgesetzgebers, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (Landtagsdrucksache 4/1307, Seite 33) ergebe. Dort habe der Gesetzgeber die Funktion der Abschreibung mit der „Substanzerhaltung des Anlagevermögens und der Bereitstellung von Mitteln für die spätere Erneuerung“ beschrieben. Das Bundesverwaltungsgericht hätte dagegen über einen Fall entschieden, in dem die neben den Beiträgen erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern ausschließlich zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienten. Das sei hier nicht der Fall. Zudem habe der Antragsgegner erst ab dem Jahre 2005 erstmalig die flächendeckende Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage einer Globalkalkulation veranlasst. Zuvor sei im Wege einer Rechnungsperiodenkalkulation lediglich das Leitungssystem über Beiträge abgerechnet worden. Dies sei 14 Jahre nach der Gründung des Zweckverbandes mit einer Umstellung des Finanzierungssystems im Sinne eines vom Bundesverwaltungsgericht als Ausnahmefall benannten Systemwechsels gleichzusetzen. Bis dahin sei die Anlage nahezu ausschließlich über Gebühren finanziert worden.

16

Soweit der Antragsgegner auf die Anrechnungsvorschrift des § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V Bezug nehme, gelte dieser Mechanismus nur für die jeweilige Kalkulationsperiode. Entscheide sich der Versorgungsträger, den Herstellungsaufwand für ein Anlagegut über Beiträge zu finanzieren, sei für die Abschreibungen der Anlagewert in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um den Beitrag zu kürzen. Dies betreffe jedoch nur den Zeitraum von der (rechtlichen) Herstellung des Anlagegutes bis zu seiner Erneuerung. Das Anlagegut, das bereits vor der Herstellung im Rechtssinne bestanden habe, werde von der Norm dagegen nicht erfasst. Entscheide sich der Versorgungsträger, ein tatsächlich vorhandenes Anlagegut bereits vor der (rechtlichen) Herstellung abzuschreiben, sei dies zwar zulässig, die Abschreibungen darauf seien dann jedoch in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen.

17

Die Maßstabsregel in § 5 Abs. 4 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung sei unwirksam. Im Verbandsgebiet bestünden mehrere Bebauungspläne, in denen die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt sei, sondern stattdessen nur die zulässige Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt werde. Die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie für diesen Fall nicht bestimme, welche der Methoden zur Berechnung der Anzahl der Vollgeschosse zur Anwendung komme. Zudem kläre das Satzungsrecht des Antragsgegners nicht, welche von mehreren Höhenfestsetzungen im Bebauungsplan maßgeblich sei, etwa wenn dort eine höchstzulässige Firsthöhe und eine höchstzulässige Traufhöhe bestimmt sei oder ausnahmsweise Abweichungen von Höhenmaßen zugelassen würden. Unabhängig davon sei der Divisor von 3,5 nicht vorteilsgerecht. Der Antragsgegner habe sich mit dieser Umrechnungsformel nicht an der durchschnittlichen Höhe der Vollgeschosse bei Wohngebäuden im Verbandsgebiet orientiert und keine Differenzierung nach der Art der baulichen Nutzung vorgenommen. Außerdem sei nicht ersichtlich, warum der Satzungsgeber von allgemeinen mathematischen Grundsätzen abgewichen sei und eine Aufrundung auf ein weiteres Vollgeschoss bereits bei einer Bruchzahl von mehr als 0,4 anordne.

18

Die Nichtigkeit von Maßstabsregeln führe wegen des Gebots der konkreten Vollständigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Auf eine Maßstabsregelung könne nur dann verzichtet werden, wenn betreffende Anwendungsfälle derzeit nicht vorhanden seien und dem Zweckverband gesicherte Erkenntnisse darüber vorlägen, dass während der Geltung der Beitragssatzung im Herstellungszeitraum der öffentlichen Einrichtung eine solche Grundstückssituation auch nicht entstehen werde. Dazu sei nichts vorgetragen.

19

Obwohl nach dem Satzungsrecht des Antragsgegners die Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien, erfolge die Refinanzierung des Aufwandes für die Herstellung sowohl über Beiträge als auch über Kostenerstattungsansprüche. Dies sei unzulässig. Die Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen nach § 10 KAG M-V sei nur zulässig, wenn die Grundstücksanschlüsse nicht zugleich Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien. Das Satzungsrecht des Antragsgegners regele demgegenüber jedoch, dass auch die weiteren Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung würden.

20

Die Antragstellerin beantragt,

21

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären.

22

Der Antragsgegner beantragt,

23

den Antrag zurückzuweisen.

24

Die Verbandsversammlung habe unter Beachtung der zur Vorgängersatzung ergangenen Rechtsprechung die streitbefangene Satzung einschließlich einer Tiefenbegrenzungsregelung auf der Grundlage einer aktualisierten Ermittlung der örtlichen Verhältnisse und ohne die vom Oberverwaltungsgericht beanstandete Kombination mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit neu beschlossen. Die Ermittlungsmethode des Zweckverbandes sei vom Oberverwaltungsgericht grundsätzlich anerkannt worden. Die Antragstellerin verkenne, dass der Antragsgegner nur diejenigen Ortslagen für die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in Betracht gezogen habe, die Übergangsgrundstücke vom Innen- zum Außenbereich aufwiesen. Nur in diesen Ortslagen komme die beanstandete Regelung zur Anwendung. Aus den Ermittlungen zur ortsüblichen Bebauungstiefe lasse sich kein Rückschluss auf die Homogenität des Verbandsgebietes ziehen. Vielmehr würden die Ergebnisse der Ermittlungen nach diesen Kriterien zeigen, dass vergleichbare örtliche Verhältnisse vorliegen. Die Flächenermittlung stehe im Einklang mit den Regelungen der Beitragssatzung.

25

Die Maßstabsregelung über die qualifizierte Tiefenbegrenzung sei vorteilsgerecht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin komme es bei der Beurteilung der ortsüblichen Bebauungstiefe nicht auf die Bebauungstiefen innerhalb einzelner Gemeinden oder Ortsteile, sondern auf die Vergleichbarkeit der örtlichen Verhältnisse im gesamten Verbandsgebiet an. Die Tiefenbegrenzung nach Ortslagen zu differenzieren liefe dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung zuwider. Der Antragsgegner betreibe im Verbandsgebiet jeweils nur eine Anlage zur zentralen Trinkwasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung. Entscheidend sei, ob sich eine hinreichend große Vergleichsgruppe im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern feststellen lasse. In dem vorliegenden Fall sei für die Gruppe der bis zu 40 Meter tief bebauten Grundstücke ein Anteil von ca. 70 Prozent aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke ermittelt worden, wobei die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke zudem 38,19 Meter betrage. Hinsichtlich des Einflusses und der Maßgeblichkeit der Bebauungsstruktur einzelner Gemeinden oder Ortsteile unterliege die Antragstellerin einem grundsätzlichen Irrtum. Die Bebauungsstruktur einer Ortslage betreffe sämtliche Bauten, insbesondere auch auf reinen Innenbereichsgrundstücken und nicht nur auf sogenannten Übergangsgrundstücken. Die Bebauungsstruktur beschreibe ohne Ansehung von Grundstücksgrenzen lediglich die räumliche Anordnung von Baulichkeiten. Die bauplanungsrechtliche Zugehörigkeit der einzelnen Grundstücke zum Innen-, Übergangs- oder Außenbereich spiele für die Bebauungsstruktur keine Rolle. Aus dieser lasse sich folglich keine Aussage zu den Bebauungstiefen der sogenannten Übergangsgrundstücke treffen. Allein das Vorhandensein von unterschiedlichen Bebauungsstrukturen oder von Städten neben kleineren Gemeinden in einem Verbandsgebiet führe nicht automatisch zum Ausschluss einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, sondern vom Gesetzgeber gewollt, dass prinzipiell mit der Schaffung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne eine Nivellierung der Beiträge und Gebühren eintrete. Dies liege im Wesen einer Pauschalierung. Beim Verbandsgebiet des Antragsgegners handele es sich insgesamt um ein ländlich geprägtes Gebiet. Die Kerngebiete größerer Städte wie C-Stadt oder D-Stadt gehörten gerade nicht zum Verbandsgebiet. Die beiden größten Gemeinden im Verbandsgebiet seien die beiden Kleinstädte E- Stadt und A-Stadt. Diese seien in ihrer Randlagenbebauung mit Dörfern vergleichbar.

26

Der Antragsgegner habe für die Beschlussfassung über den Beitragssatz die bevorteilten Grundstücksflächen für sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet ermitteln müssen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin hieraus den Schluss ziehe, der Antragsgegner sei nicht mehr berechtigt, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf repräsentative Ortslagen zu beschränken. Die festgestellte ortsübliche Bebauungstiefe bilde erst die Grundlage für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung und damit die Ermittlung der bevorteilten Grundstücksflächen. Der Antragsgegner habe dabei keine rechtlich schwierigen Einzelfallentscheidungen für jedes einzelne Übergangsgrundstück mehr treffen müssen.

27

Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich sei anhand des Bebauungszusammenhangs erfolgt. Der Bebauungszusammenhang ende grundsätzlich unmittelbar hinter dem letzten Gebäude. Demzufolge sei es nicht zu beanstanden, bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse auf die Bebauungstiefe abzustellen. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern habe ausgesprochen, dass die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich nach Maßgabe der hinteren Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes oder unter Einbeziehung der bauakzessorischen Nutzung bzw. der topographischen Verhältnisse erfolgen könne. Dies unterliege der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung, beide Vorgehensweisen seien zulässig. Der Antragsgegner habe sich dafür entschieden, die hintere Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes anzusetzen, weil sich diese hinreichend verlässlich feststellen lasse. Die Antragstellerin verkenne, dass auch Baulichkeiten wie Scheunen und Ställe maßstabsbildend sein könnten. Auch diese Gebäude seien für die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang reiche, gegebenenfalls von Bedeutung. Der Antragsgegner habe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe nur diejenigen Gebäude berücksichtigt, die am Bebauungszusammenhang teilnähmen und nicht solche, die eindeutig dem Außenbereich zuzuordnen seien.

28

Die Regelung in der Satzung, wonach sich bei sogenannter übergreifender Bebauung die Tiefenbegrenzungslinie bis zur hinteren Grenze der baulichen Nutzung verschiebe, sei nicht zu beanstanden. Dabei gehe es nur um eine „übergreifende“ Grundstücksnutzung und gerade nicht um Grundstücksflächen oder Gebäude, die im Außenbereich belegen seien. Die Vermutungsregelung der Tiefenbegrenzung werde in diesen atypischen Fällen durchbrochen. Für die beitragsrechtliche Vorteilslage komme es nicht darauf an, ob die übergreifenden Baulichkeiten tatsächlich angeschlossen oder anzuschließen seien.

29

Die Behauptung der Antragstellerin, die Nichtberücksichtigung von Abschreibungen auf kostenlos übernommenes Altanlagevermögen in der Beitragskalkulation führe zu einer Kostenüberdeckung und Doppelfinanzierung der öffentlichen Einrichtung, sei unzutreffend. Die Antragstellerin verkenne, dass Anschlussbeiträge der einmaligen Deckung des Aufwandes für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten. Abschreibungen hätten dagegen eine andere Funktion und dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagegüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Abschreibungen bewirkten anders als Beiträge mithin keinen zusätzlichen Kapitalzufluss. Bereits die unterschiedliche Finanzierungsfunktion zeige, dass Abschreibungen nicht in der Beitrags- sondern in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen seien. Zudem komme es auch deshalb zu keiner Doppelfinanzierung, weil gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V für die Abschreibungen die Anlagewerte in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um Beiträge und ähnliche Entgelte zu kürzen bzw. diese gemäß Satz 3 ertragswirksam aufzulösen seien. Nach der Gesetzeslage in Mecklenburg-Vorpommern sei es mithin gerade umgekehrt: Abschreibungen seien nicht in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen, sondern das Beitragsaufkommen finde für die Abschreibungen in der Gebührenkalkulation Berücksichtigung. Wenn die Antragstellerin meine, Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, verkenne sie wiederum den Regelungszusammenhang. Leistungen und Zuschüsse Dritter im Sinne dieser Vorschrift seien Sach- oder Geldmittel, die der Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten, nicht jedoch dem Ausgleich des Wertverzehrs. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urt. v. 14.11.2013 – 9 B 35/12 –) hinweise, sei dazu anzumerken, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 5. November 2012 mit Blick auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Argument der Doppelbelastung bereits auseinandergesetzt habe. Die Frage der Doppelbelastung könne sich danach allenfalls im Rahmen der Erhebung von Erneuerungsbeiträgen stellen. Würden die Abschreibungen bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes berücksichtigt, käme dies nicht den Gebührenschuldnern, die die Abschreibungen finanziert hätten, sondern den Beitragsschuldnern zugute.

30

Dem Anschlussbeitrag liege eine Globalkalkulation zugrunde. Darin sei für die Vergangenheit der gesamte tatsächlich entstandene und für die Zukunft der gesamte prognostizierte Investitionsaufwand für die Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung eingestellt worden. Maßgeblich hierfür sei ausschließlich die Einrichtungsdefinition zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Es könne deshalb dahinstehen, wie die öffentliche Einrichtung zuvor definiert gewesen sei. Die Vorfinanzierung bereits hergestellter Anlagenteile spiele für die Beitragskalkulation keine Rolle. Dass auch vorfinanzierte Investitionen einzustellen seien, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach es auch auf die tatsächlich entstandenen Kosten ankomme. Soweit in der Vergangenheit bereits Beiträge gezahlt worden seien, sei dies bei der Veranlagung zu Anschlussbeiträgen aufgrund der aktuellen Satzung zu berücksichtigen, nicht jedoch bei der Kalkulation des Beitragssatzes. Irreführend sei der Hinweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung zur „Systemumstellung“. Einen Systemwechsel habe der Antragsgegner nicht vorgenommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es im Verbandsgebiet ein reines Gebührenmodell gegeben.

31

Die Auffassung der Antragstellerin, der Herstellungsaufwand der Anlage dürfe grundsätzlich nicht über Gebühren finanziert werden, sei unzutreffend. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern halte sogar eine vollständige Finanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes über die Gebühren für zulässig (Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –). Es sei anerkannt, dass die Beitragsfinanzierung dieses Aufwandes nur anteilig erfolgen könne und damit auch immer über die Benutzungsgebühren eine Mitfinanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes nötig sei.

32

Es sei sachlich zwingend, die Refinanzierung weiterer Grundstücksanschlüsse über eine Kostenerstattung und nicht über den Herstellungsbeitrag vorzunehmen, § 10 Abs. 3 KAG M-V sei insoweit eine abschließende und spezielle Regelung.

33

Die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung schließlich sei vom weiten Satzungsermessen der Verbandsversammlung gedeckt, vorteilsgerecht und nicht mehrdeutig.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. April 2015 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 ist wirksam (2.).

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1. Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag der Antragstellerin, die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmungen in § 11 Trinkwasserbeitragssatzung nicht angegriffen sind. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 17).

37

Der so verstandene Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da der aufgrund dieser Satzung gegen sie ergangene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand des Beitragsbescheids von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Trinkwasserbeitragssatzung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten, der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

38

2. Der Normenkontrollantrag ist jedoch nicht begründet. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 steht mit höherrangigem Recht in Einklang und ist wirksam.

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a) Die Regelung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung, wonach die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung, ist wirksam. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss eine Abgabensatzung in Mecklenburg-Vorpommern auch den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabe regeln. Die Vorschrift regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Dass das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Anschlussbeitragspflicht nicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lässt, liegt im rechtlichen Charakter der sachlichen Beitragspflicht begründet. Das Landesrecht geht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Das setzt voraus, dass der Beitrag, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird und der als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V) ruht, auch der Höhe nach ausgeprägt ist. Die sachliche Beitragspflicht steht der Höhe nach unveränderlich fest und begründet mit diesem Inhalt ein abstraktes Beitragsschuldverhältnis. Da die Höhe des Beitrags unter anderem von den Maßstabsregeln und dem Beitragssatz abhängt, die in der Beitragssatzung normiert sind, ist ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50 f.). Zu einem früheren Zeitpunkt kann die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen. Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen.

40

Die Satzungsvorschrift unterliegt auch in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer zeitlich unbegrenzten Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht durch eine Rechtsnorm ist – wie erläutert – zwingende Voraussetzung der Beitragserhebung. Die Satzungsbestimmung steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, wie lange der Antragsgegner nach Eintritt der Vorteilslage einen Anschlussbeitrag erheben darf. Ihr Regelungsgegenstand ist insbesondere nicht die Verjährung des Beitragsanspruchs. Diese richtet sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften in § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 Abs. 1, 170 Abs. 1 AO. Das Gesetz knüpft dabei zwar tatbestandlich an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die Bestimmung des Beginns der Festsetzungsfrist an. Die Rechtsfolge – das Erlöschen des Beitragsanspruchs nach Ablauf von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist – wird jedoch entsprechend der Kompetenzordnung durch den Landesgesetzgeber und nicht durch den kommunalen Satzungsgeber gesetzt.

41

Dementsprechend weist das Bundesverfassungsgericht auch dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen und dem Interesse des Beitragsschuldners, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen oder anderweitige Regelungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 42, 45). Fehlt eine solche gesetzliche Bestimmung, lässt das die Wirksamkeit einer Beitragssatzung grundsätzlich unberührt. Ihr Fehlen kann sich erst auf der Ebene der Rechtsanwendung im Einzelfall auswirken, wenn im konkreten Erhebungsfall die Schlussfolgerung gerechtfertigt wäre, die Legitimation für die Beitragserhebung sei mit Blick auf den Zeitraum zwischen der Entstehung der Vorteilslage und der Beitragserhebung entfallen.

42

Aus den vorgenannten Erwägungen folgt zugleich, dass die Bestimmung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht deshalb unwirksam ist, weil deren landesgesetzliche Grundlage in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V gegen Verfassungsrecht verstieße. Auch diese Vorschrift ist zum einen nach der beitragsrechtlichen Systematik unverzichtbar und betrifft zum anderen unmittelbar nur das Entstehen des Beitragsanspruchs, nicht dessen Erlöschen. Der Eintritt der Vorteilslage durch die Möglichkeit des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Einrichtung, den das Bundesverfassungsgericht zum Anknüpfungspunkt für die Legitimation der Beitragserhebung macht, fällt mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht notwendigerweise, sondern nur dann zusammen, wenn zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Beitragssatzung besteht. Für diesen Fall stellt sich aber das verfassungsrechtliche Problem der Rechtssicherheit nicht, weil zugleich die Festsetzungsverjährungsfrist in Gang gesetzt wird, die das Interesse der Abgabenschuldner hinreichend schützt. Fallen der Eintritt der Vorteilslage und das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auseinander, weil bei Anschlussmöglichkeit wirksames Satzungsrecht noch nicht besteht, kommt es für die verfassungsrechtliche Frage der Rechtssicherheit auf den späteren Zeitpunkt (des Inkrafttretens wirksamen Beitragsrechts) ohnehin nicht an. Der Gesetzgeber muss die zeitliche Legitimation der Beitragserhebung vielmehr mit Blick auf den Zeitraum sicherstellen, der seit dem Eintritt der Vorteilslage vergangen ist.

43

Mit diesen Überlegungen korrespondiert der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeitsfeststellung in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) nicht auf die Vorschriften zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im bayerischen Kommunalabgabengesetz, sondern lediglich auf die Regelung zum Beginn der Festsetzungsfrist erstreckt hat. Eine Gesamtunwirksamkeit des bayerischen Kommunalabgabengesetzes hat das Bundesverfassungsgericht selbst für den Fall nicht angenommen, dass die mit dem Grundgesetz unvereinbare Bestimmung nach Ablauf der gesetzten Anpassungsfrist nicht neu geregelt worden ist. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das – im Übrigen wirksame – Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 52). Nach alledem sind weder § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V noch das gesamte Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar, mit der Folge, dass keine Satzungsermächtigung für den Antragsgegner mehr bestünde.

44

Der Senat muss deshalb für diese Entscheidung nicht klären, ob an seiner Rechtsprechung, wonach das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich bringt (OVG Greifswald Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, juris Rn. 62), auch nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (– 9 C 15.14 bis 9 C 21.14 –), die im Übrigen noch nicht vollständig abgefasst vorliegen, festzuhalten ist.

45

Soweit § 3 Abs. 2 und 3 Trinkwasserbeitragssatzung spätere Zeitpunkte für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht begründen, finden die Vorschriften ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit stehen diesen Bestimmungen in gleicher Weise keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen, soweit sie das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht neben dem tatsächlichen Anschluss an die öffentliche Einrichtung vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung abhängig machen.

46

b) Die Bestimmung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 1 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der als (bevorteilte) Grundstücksfläche bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen gilt, ist gleichfalls mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

47

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Eine Tiefenbegrenzung findet im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie hier in § 4 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen.

48

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.).

49

Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die hier zu überprüfende Bestimmung. Der Satzungsgeber hat die örtlichen Verhältnisse methodisch fehlerfrei ermittelt. Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzung hält sich im Rahmen seines Satzungsermessens.

50

aa) Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass wegen des unterschiedlichen Anschlussgrades für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe von vornherein nur solche Ortslagen zu berücksichtigen seien, die an die betreffende zentrale Einrichtung angeschlossen seien oder in der Herstellungsphase noch angeschlossen werden sollten, ist dem nicht zu folgen. Es besteht kein rechtliches Gebot, die örtlichen Verhältnisse zur Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie nur an den Verhältnissen im Bereich der von der Satzungsregelung konkret betroffenen Grundstücke zu messen. Vielmehr reicht es aus, die Bestimmung einer Tiefenbegrenzung an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Bestimmung auszurichten. Regelungen über eine qualifizierte Tiefenbegrenzung zur Bestimmung der bevorteilten Grundstücksfläche gelten aber jedenfalls dann im gesamten Verbandsgebiet, wenn die betreffende Körperschaft – wie hier – nur eine zentrale Anlage zur Trinkwasserversorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich betreibt (vgl. § 1 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-Lübz vom 29. September 2006). Jedenfalls in diesen Fällen ist nichts dagegen zu erinnern, im Ausgangspunkt das gesamte Verbandsgebiet bei der Ermittlung einer ortsüblichen Bebauungstiefe in den Blick zu nehmen. Ob im Falle von mehreren Einrichtungen im Verbandsgebiet etwas anderes gelten muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 54), ist hier nicht zu entscheiden.

51

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken darf (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 78). Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Vorliegend hat der Satzungsgeber 47 Ortslagen mit sog. Übergangsgrundstücken identifiziert. Dass er dabei die von einer baurechtlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfassten Gemeindegebiete unberücksichtigt gelassen hat, unterfällt seinem Ermessensspielraum (OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 19). Diese Ortslagen hat die Verbandsversammlung nach Größe und Siedlungsstruktur kategorisiert und unter Wahrung der Relation zueinander 16 Ortslagen bestimmt, in denen die tatsächliche Bebauungstiefe aller von der Satzungsbestimmung betroffenen Grundstücke zu ermitteln war. Gegen diese Verfahrensweise ist nichts einzuwenden, sie erscheint dem Senat hinreichend nachvollziehbar.

52

Der Zweckverband hat für die so aufgefundenen repräsentativen Ortslagen alle 780 Übergangsgrundstücke hinsichtlich der Bebauungstiefe untersucht. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass er dabei auf die rückwärtige Grenze des letzten dem Innenbereich zuzurechnenden Gebäudes abgestellt hat. Eine eventuell daneben bestehende und den planungsrechtlichen Innenbereich „in die Tiefe“ erweiternde bauakzessorische Nutzung (zum Beispiel einen Hausgarten) musste die Verbandsversammlung nicht aus Rechtsgründen berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 zu deutlich geringeren Bautiefen als die Verbandsversammlung gelangt ist, beruht das im Wesentlichen auf der unzutreffenden Annahme, dass die Tiefe der Wohnbebauung insoweit maßgeblich sei. Zwar sind für die Frage, ob ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet, grundsätzlich nur solche Gebäude als gebietsprägend zu berücksichtigen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – 4 B 7/07 –, juris Rn. 5). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang eines (bauplanungsrechtlichen) Ortsteils reicht. Zum Bebauungszusammenhang gehört die tatsächlich vorhandene Bebauung, soweit sie von einem gewissen Gewicht ist, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich bei dabei um Wohnhäuser, gewerblich genutzte Vorhaben, landwirtschaftliche Anwesen oder auch Nebengebäude handelt; dies ist für die Frage der Ausdehnung des Bebauungszusammenhangs gleichgültig (vgl. zusammenfassend OVG Greifswald, Urt. v. 05.07.2001 – 3 L 197/00 –, NordÖR 2002, 18). An diesen planungsrechtlichen Kriterien hat sich der Zweckverband bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe ersichtlich orientiert.

53

bb) Schließlich leidet auch die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung hinsichtlich der metrischen Festsetzung der Tiefenbegrenzung nicht an Rechtsfehlern.

54

Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es allerdings nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Das bringen die Begriffe „ortsüblich“ und „orientieren“ mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben wird, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, sodass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83).

55

Dem Satzungsbeschluss liegt eine hinreichende Orientierung an der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde. Zwar hat die Verbandsversammlung ausweislich der dokumentierten Ermessenserwägungen keine Aufstellung der Ermittlungsergebnisse dahingehend vorgenommen, dass sie die Gruppe der betreffenden Grundstücke mit einer Bebauungstiefe von etwa 40 Metern gesondert dargestellt hätte. Die Dokumentation stellt lediglich fest, dass 69 Prozent aller untersuchten Grundstücke bis zu einer Tiefe von 40 Metern bebaut sind und die durchschnittliche Bebauungstiefe 38,19 Meter beträgt. Diese Feststellungen bilden jedoch zusammengenommen eine genügende Tatsachengrundlage für die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung.

56

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass der Satzungsgeber bei der Festsetzung einer Tiefenbegrenzung zwar nicht ausschließlich, aber auch auf die durchschnittliche Bebauungstiefe abstellen darf, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie hier – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt und „Ausreißer“ deshalb weitgehend eliminiert werden (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 53 f., in Fortführung von OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83). Die durchschnittliche Bebauungstiefe weist einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe auf. Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen. Dieser Wert hat Aussagekraft auch für die Frage, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage halten und sich die Mengen der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits bzw. jenseits der Tiefenbegrenzungslinie endet, in etwa entsprechen.

57

Gleichermaßen berücksichtigungsfähig war der vom Zweckverband herangezogene Umstand, dass 69 Prozent aller betreffenden Grundstücke nicht tiefer als 40 Meter bebaut sind. Auch dies entspricht der Spruchpraxis des Gerichts in den vorerwähnten Entscheidungen. Der vom Antragsgegner ermittelte Befund lässt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine Typisierung der bevorteilten Grundstücksflächen durch eine Tiefenbegrenzungslinie zu. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel und bei Berücksichtigung des weiten Satzungsermessens gemeinsam mit der ermittelten durchschnittlichen Bebauungstiefe als genügende Grundlage für die Ermessensbetätigung des Satzungsgebers.

58

Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung nur im Falle einer homogenen Bebauungsstruktur im Verbandsgebiet in Betracht komme, an der es vorliegend fehle, dringt sie damit nicht durch. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht. Zwar mag eine Tiefenbegrenzungsregelung bei einem großen und inhomogenen Verbandsgebiet ausscheiden (vgl. Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2012, § 8, Rn. 1655). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer qualifizierten Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht ist dabei aber nicht der Umstand der Homogenität der Bebauungsstruktur, sondern die Frage, ob im maßgeblichen Verbandsgebiet eine ortsübliche Bebauungstiefe bei sog. Übergangsgrundstücken besteht. Das ist vorliegend der Fall.

59

cc) Der Antragstellerin ist auch nicht in ihrer Ansicht zu folgen, wonach Gründe der Verwaltungsvereinfachung eine Tiefenbegrenzungsregelung nicht mehr zu rechtfertigen vermögen, weil der Antragsgegner ohnehin sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet nach Innen- und Außenbereich erfasst habe. Unabhängig von der Frage, ob ein solches Vorgehen die Normierung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung überhaupt ausschließen würde, trägt der Antragsgegner dazu vor, die Einzelerfassung der Grundstücke sei unter Anwendung der Tiefenbegrenzungsvorschrift erfolgt und habe der Ermittlung der beitragsfähigen Vorteilsfläche bei der Kalkulation des Beitragssatzes gedient. Der Vortrag der Antragstellerin geht daher ins Leere.

60

c) Wirksam ist auch die Regelung zu sog. „Pfeifenstielgrundstücken“ in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der der Abstand zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der dazu verlaufenden Parallelen bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die aus dem Vorteilsprinzip folgenden Bedenken der Antragstellerin sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenbegrenzungslinie, indem insoweit der Abstand erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Bei „Pfeifenstielgrundstücken“ wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 40 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung – anders als die Antragstellerin meint – in die beitragspflichtige Fläche (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 48).

61

d) Ebenso mit höherrangigem Recht vereinbar ist § 4 Abs. 2 Buchst. f Trinkwasserbeitragssatzung. Nach dieser Vorschrift ist für die Begrenzung der bevorteilten Grundstücksfläche die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die rückwärtige Grenze der baulichen Nutzung bestimmt wird, wenn die bauliche oder gewerbliche Nutzung über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus reicht. Die Regelung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass in den Fällen übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, dass der planungsrechtliche Innenbereich an der Tiefenbegrenzungslinie ende, widerlegt ist und zugunsten einer konkreten Vorteilsbetrachtung nach Maßgabe der hinteren Grenze der betreffenden Nutzung zurücktritt (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 02.02.2012 – 6 A 11232/11 –, juris Rn. 18; VG Greifswald, Urt. v. 20.09.2006 – 3 A 2268/04 –).

62

e) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Regelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift trifft Bestimmungen zur Anzahl der Vollgeschosse, die bei der Bewertung der bevorteilten Grundstücksfläche gemäß § 4 Abs. 3 Trinkwasserbeitragssatzung zu berücksichtigen sind. Soweit die Antragstellerin hierzu rügt, die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie im Fall eines Bebauungsplans, der keine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse festsetze, ungeregelt lasse, wie viele Vollgeschosse zu berücksichtigen seien, folgt der Senat dem nicht. Das Gebot der konkreten Vollständigkeit ist nicht verletzt. Wenn der Bebauungsplan keine Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse enthält, gilt § 4 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung schon nach seinem Wortlaut. Maßgeblich ist dann die Zahl der auf dem Grundstück tatsächlich vorhandenen, der genehmigten bzw. der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Hiervon macht § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung als speziellere Regelung eine Ausnahme für den Fall, dass im Bebauungsplan eine Baumassenzahl und bzw. oder die zulässige Höhe der baulichen Anlagen auf dem betreffenden Grundstück festgesetzt ist. Dann ist die Baumassenzahl bzw. die festgesetzte Höhe durch 3,5 zu teilen und nach § 4 Abs. 4 Satz 3 Trinkwasserbeitragssatzung ab- bzw. aufzurunden. Die hier zur Überprüfung stehende Beitragssatzung enthält auch (insofern lag der Sachverhalt in OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 72 anders) eine Kollisionsregel für den Fall, dass der Bebauungsplan für das betreffende Grundstück gleichermaßen Baumassenzahl und zulässige Höhe festsetzt. In diesem Fall ist die Baumassenzahl vorrangig, der zweite Halbsatz des § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung kommt nach seinem Wortlaut ausschließlich dann zur Anwendung, wenn „nur“ die zulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist.

63

Aus dem Regelungszusammenhang der Satzung ergibt sich zwanglos, dass mit der „zulässigen Höhe“ die „höchstzulässige Höhe“ in Gestalt der Firsthöhe gemeint ist, da die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks in einem solchen Fall nicht mit der Traufhöhe endet (so auch VG Schwerin, Urt. v. 11.04.2013 – 4 A 1250/12 –, juris Rn. 79). Auch insoweit ist die Satzungsregelung einer eindeutigen Auslegung zugänglich und hinreichend bestimmt.

64

Soweit die Antragstellerin schließlich (im Anschluss an VG Schwerin, Urt. v. 05.05.2011 – 4 A 826/08 –, zit. n. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand April 2013, § 7, Anm. 9.1.6.) der Auffassung ist, dass die Beitragssatzung bei der Bestimmung der Anzahl der anzusetzenden Vollgeschosse im Falle eines Bebauungsplans ohne entsprechende Festsetzung nicht unterschiedslos denselben Divisor (hier 3,5) zur Anwendung bringen dürfe, sondern nach der Art der baulichen Nutzung differenzieren müsse, führt das gleichfalls nicht zur Unwirksamkeit der Vorschrift. Die Verbandsversammlung bewegt sich innerhalb ihres weiten Satzungsermessens im Rahmen des Vorteilsprinzips, wenn sie auf eine entsprechende Differenzierung verzichtet. Es ist schon fraglich, ob es einen Erfahrungssatz gibt, dass gewerblich genutzte Gebäude (zu denen auch zum Beispiel Bürogebäude gehören) im Bereich eines Bebauungsplans nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung regelmäßig größere Vollgeschosshöhen als Wohngebäude aufweisen. Zudem muss der Satzungsgeber jedenfalls zu vermeiden suchen, dass beitragsrechtlich mehr Vollgeschosse berücksichtigt werden, als baurechtlich zulässigerweise errichtet werden können. Dem beugen ein großzügiger Divisor und eine Abrundungsregel vor. Die Divisionsregel stellt sich zusammen mit der Rundungsregel als zulässige Typisierung eines Mittelwerts der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks in Hinblick auf die Anzahl der Vollgeschosse dar. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem die Rundung nach kaufmännischen oder mathematischen Regeln zu erfolgen hat. Der Divisor von 3,5, der für eine angenommene Vollgeschosshöhe von 3,5 Metern steht, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (so bereits OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2007 – 1 L 256/06 –, juris Rn. 13 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 – IV C 61.75 –, BVerwGE 57, 240 und § 21 Abs. 4 BauNVO; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 52).

65

f) Soweit § 9 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung einen Kostenerstattungsanspruch des Zweckverbandes für die auf Antrag des Grundstückseigentümers vorgenommene Herstellung eines weiteren oder Verlegung eines bestehenden Grundstücksanschlusses begründet, bestehen dagegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar gehören gemäß §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-D-Stadt vom 25. September 2006 (Wasserversorgungssatzung) in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 29. November 2013 sämtliche Grundstücksanschlüsse zur öffentlichen Einrichtung des Antragsgegners. Es gilt ferner der Grundsatz, dass Aufwendungen für die Herstellung von der öffentlichen Einrichtung zugehörigen Grundstücksanschlüssen nur über Beiträge gedeckt werden können und ein Erstattungsanspruch nur in Betracht kommt, wenn die Haus- bzw. Grundstücksanschlussleitungen nicht Teil der öffentlichen Einrichtung sind (OVG Greifswald, Urt. v. 16.07.2008 – 3 L 336/05 –, juris Rn. 35). Allerdings trifft das Gesetz in den Fällen von weiteren Grundstücksanschlüssen neben dem Erstanschluss mit § 10 Abs. 3 KAG M-V eine abschließende Regelung zur Refinanzierung, die unabhängig von der Frage eingreift, ob diese Grundstücksanschlüsse Teil der öffentlichen Einrichtung werden (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand August 2010, § 10, Anm. 8). Nach dieser Vorschrift ist für die Herstellung weiterer vom Anschlussberechtigten zusätzlich geforderter Anschlussleitungen und für die Beseitigung von Anschlüssen eine Kostenerstattung in Höhe des tatsächlich entstandenen Aufwandes als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu leisten. Als Beseitigung und Neuherstellung lässt sich die Verlegung eines Grundstücksanschlusses verstehen. Für diese Auffassung spricht zudem der Umstand, dass eine Kalkulation weiterer Grundstücksanschlüsse in den Herstellungsbeitrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V schon deshalb ausscheidet, weil sich dieser Aufwand schwerlich prognostizieren lässt.

66

g) Schließlich ist auch die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 Trinkwasserbeitragssatzung rechtlich nicht zu beanstanden. Diese beruht insbesondere auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation.

67

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts muss dem Rechtssetzungsorgan – neben der Beschlussvorlage über die Satzung – bei der Beschlussfassung eine Kalkulation über den Abgabensatz vorliegen. Wird dem Vertretungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Unwirksamkeit der Bestimmung des Abgabensatzes zur Folge. Die Unwirksamkeit eines festgelegten Abgabensatzes ist dabei dann anzunehmen, wenn erstens in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder zweitens, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht. Die Unwirksamkeit der Festsetzung eines Abgabensatzes tritt als zwingende Folge immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan anderenfalls sein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142, m.w.N.)

68

Wie der Aufwand für einen Herstellungsbeitrag zu kalkulieren ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG M-V. Danach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Die Aufwandsermittlung hat für die gesamte öffentliche Einrichtung (Globalkalkulation) oder für einen sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Bauprogramms sowie der bevorteilten Grundstücke repräsentativen Teil der öffentlichen Einrichtung (Rechnungsperiodenkalkulation) zu erfolgen.

69

Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Antragsgegner ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen „Kalkulation Baukostenbeitrag Trinkwasser“ verfahren. Es handelt sich dabei um eine gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V zulässige Globalkalkulation. Die Kalkulation ermittelte aufwandsseitig das zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bestehende Anlagevermögen einschließlich der tatsächlichen Investitionen aus dem Zeitraum 2006/09 zuzüglich der prognostizierten Investitionen für den Zeitraum bis zur geplanten endgültigen Herstellung der Anlage. Davon wurde das dem Betrieb der Anlage und nicht deren Herstellung dienende Anlagevermögen abgezogen. Ein Abzug erfolgte auch hinsichtlich des vom Verband unentgeltlich übernommenen Vermögens. Das entspricht der Rechtsprechung des Gerichts. Wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, ist es rechtlich nicht zulässig, für diese einen Wert in die Kalkulation einzustellen, da es sich dabei nicht um Aufwand handelt, der dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 23). So ist hier verfahren worden.

70

Insoweit greift die Antragstellerin die Kalkulation des Beitragssatzes auch nicht an. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass der Antragsgegner die bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V eingestellten Abschreibungen in der Beitragskalkulation als Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V aufwandsmindernd berücksichtigen müsse. Dem folgt der Senat nicht.

71

Allerdings ist der Antragstellerin im Ausgangspunkt zuzustimmen: Entscheidet sich der Träger der öffentlichen Einrichtung für ein gemischtes System der Refinanzierung aus Beiträgen und Gebühren, muss er sicherstellen, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner kommt. Der Senat hat das für die Fälle des – hier nicht vorliegenden – Systemwechsels von einem gemischten Refinanzierungssystem zu einem reinen Gebührenmodell bereits mehrfach ausgesprochen (OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris Rn. 106; OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, juris Rn. 60), der angesprochene Rechtssatz gilt jedoch als allgemeiner Grundsatz über diese Fallgestaltung hinaus.

72

Der Antragstellerin ist jedoch nicht darin zu folgen, dass das Verbot der Doppelbelastung dazu führt, dass diejenigen Anschaffungs- und Herstellungskosten vom beitragsfähigen Aufwand abzusetzen sind, die der Höhe der Anteile für Abschreibungen in der Kalkulation der Benutzungsgebühren für die Anlage entsprechen. Das gilt unabhängig davon, ob man diesen Einwand nur auf die bei Inkrafttreten der Beitragssatzung schon vereinnahmten Abschreibungen, auf die bis zur endgültigen Herstellung der Anlage noch zu erwartenden gebührenfähigen Abschreibungen oder nur auf die Abschreibungen auf unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile beziehen will. Die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, an die die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen anknüpft (OVG Berlin, Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51 ff.), lässt sich auf das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragen.

73

Dagegen sprechen durchgreifend Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Aufwandsermittlung ist in § 9 Abs. 2 KAG M-V ohne die Berücksichtigung von über die Benutzungsgebühr vereinnahmten Abschreibungen geregelt. Das verkennt auch die Antragstellerin nicht, die Abschreibungen deshalb als „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift verstehen will. Gegen ein solches Gesetzesverständnis spricht aber in systematischer Hinsicht, dass das Gesetz selbst den Begriff der Abschreibung in § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V verwendet. Hätte der Gesetzgeber die Anrechnung von Abschreibungen auf den Herstellungsaufwand anordnen wollen, hätte es nahegelegen, dass er diesen Rechtsbegriff auch in § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V zur Anwendung bringt. Das Gesetz verwendet die Begriffe „Abschreibungen“, „Leistungen“ und „Zuschüsse“ in den §§ 6, 9 KAG M-V in differenzierter Weise. Dies zeigt sich insbesondere in dem Umstand, dass der Gesetzgeber im umgekehrten Fall einer Anrechnungsvorschrift – der Kürzung der Anlagewerte für Abschreibungen nach § 6 Abs. 2a Satz 1 bzw. der ertragswirksamen Auflösung der Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a Satz 3 KAG M-V in der Gebührenkalkulation – den Rechtsbegriff des Beitrags in einer eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Weise benutzt. Es spricht nichts dafür, dass die mit Blick auf § 6 KAG M-V vergleichsweise wenig komplexe Anrechnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V über den Wortlaut hinaus auszulegen ist. „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift sind Erlöse aus der Erhebung von privatrechtlich erhobenen Benutzungsentgelten, soweit diese der Refinanzierung von Herstellungskosten der öffentlichen Wasserversorgungsanlage dienten. Im Übrigen ist die Berücksichtigung von Erlösen aus der Erhebung von Beiträgen und Gebühren in einer Beitragskalkulation nach § 9 Abs. 2 KAG M-V nicht vorgesehen und damit prinzipiell unzulässig (OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 53 ff., 62). Darauf würde eine aufwandsmindernde Berücksichtigung von (gebührenwirksamen) Abschreibungen indes hinauslaufen. Aus alledem ergibt sich, dass der Aufgabenträger der Gefahr einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner nicht in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags zu begegnen hat (so im Ergebnis auch VG Schwerin, Urt. v. 27.05.2011 – 8 A 898/10 –, juris Rn. 28 f. und VG Greifswald, Urt. v. 16.10.2014 – 3 A 509/13 –, juris Rn. 35).

74

Eine Gesetzesauslegung im Sinne der Antragstellerin ist auch deshalb nicht geboten, weil die Durchsetzung des Verbots der Doppelbelastung als systemübergreifende Ausprägung des Kostenüberdeckungsverbots an einem anderen Ort als der Aufwandsermittlung für den Herstellungsbeitrag näherliegt. Dazu kommen verschiedene Modelle in Betracht. Der Senat kann für diese Entscheidung offenlassen, ob das von der Antragstellerin grundsätzlich zu Recht aufgeworfene Problem bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren, bei der Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen, bei beiden Kalkulationsvorgängen oder auf andere Weise zu lösen ist, da dies für die hier zu beurteilende Frage der Wirksamkeit der Beitragssatzung unerheblich ist.

75

In Betracht kommt eine Anrechnung der nach § 6 Abs. 2a KAG M-V gekürzten Abschreibungen auf den beitragsfähigen Aufwand bei einem Erneuerungsbeitrag, soweit die Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.2012 – 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3 m.w.N.; VG Cottbus, Urt. v. 10.02.2015 – 6 K 756/14 –, juris Rn. 54; ausdrücklich geregelt in § 8 Abs. 4 Satz 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg: „Bei der Erneuerung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen bleiben die bei der Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 2 kalkulierten Abschreibungen außer Ansatz“). Erwägenswert erscheint dem Senat auch eine Verkürzung der gebührenfähigen Kosten der Anlage um die im Kalkulationszeitraum der Benutzungsgebühr vereinnahmten Herstellungsbeiträge (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 28.10.2010 – 5 D 5/06 –, juris Rn. 111, unter Verweis auf § 12 Abs. 1 SächsKAG), zumal sich das Gebührenrecht mit der Möglichkeit des Ausgleichs von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2d Satz 2 KAG M-V und kürzeren Kalkulationsperioden im Vergleich zur Globalkalkulation eines Herstellungsbeitrags als im Sinne des Vorteilsprinzips anpassungsfähiger für in der Zukunft liegende Entwicklungen erweist. Schließlich hat der Senat erwogen, ob wegen der Kalkulation von Abschreibungen in die gebührenfähigen Kosten die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen überhaupt ausgeschlossen ist, soweit der Finanzbedarf der Ersatzinvestitionen nicht über den Finanzbedarf der Erstinvestition hinausgeht (in diesem Sinne Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand Juli 2014, § 6, Anm. 6.3.2.4.2.3, unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 09.10.1990 – 9 L 279/89 –, juris Rn. 7). Dabei wäre jedoch zu bedenken, dass § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V die Erhebung von Erneuerungsbeiträge ausdrücklich vorsieht und die Abschreibungen zudem wegen der eingenommenen Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a KAG M-V zu kürzen sind.

76

Einer abschließenden Entscheidung bedürfen diese Fragen für das vorliegende Normenkontrollverfahren jedoch nicht.

77

3. Da der Antrag erfolglos bleibt, hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Grundlage der Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Beklagten.

2

Die 1991 gegründete Klägerin, die bis zum 28. März 2003 als Chemiewerke A-Stadt GmbH firmierte, übernahm Flächen eines ehemaligen Betriebsteils der VEB Sprengstoffwerk A-Stadt, die durch jahrzehntelange Sprengstoffherstellung kontaminiert worden waren. Nachdem die Produktion eingestellt worden war, begann die Klägerin mit der Altlastensanierung und der Vorbereitung der Flächen für eine Neubesiedlung, u.a. durch Dekontaminierung der Sprengstoffanlagen und die Demontage von Gebäuden. Ihr Unternehmensgegenstand wurde die Vermietung und Verpachtung von gewerblich nutzbaren Flächen. In dem Areal des ehemaligen Sprengstoffwerks befinden sich weitere ehemalige Industriegrundstücke anderer Eigentümer. Die Bebauung ist aufgelockert, es befinden sich dort Grünflächen und alter Baumbestand. Die Altlasten aus der Zeit der Nutzung des Geländes als Sprengstoffwerk führten zur Errichtung eines Sicherheitszaunes. Es besteht für das Areal ein Flächennutzungsplan sowie eine Innenbereichs- und Arrondierungssatzung der Beklagten.

3

Mit Bescheid vom 14. August 2002, gefertigt von der Abwasserentsorgung A-Stadt - (...) - GmbH namens und im Auftrag der Beklagten, wurde gegenüber der Klägerin nach Anhörung für eine aus den Flurstücken 137, 138, 139, 412/48, 418/48 und 48/5 bestehende 420.174 m2 große Fläche ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 581.940,99 € festgesetzt. Ein Betrag in Höhe von 20.387,20 € wurde gestundet. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 in einer Höhe von 568.710,78 € zurück (Nr. 1 des Tenors). Weiterhin wurde die bislang gewährte Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Teilbetrages in Höhe von 407.140,75 € aufgehoben (Nr. 2 des Tenors), eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen (Nr. 3 des Tenors) und darauf hingewiesen, dass für den Widerspruchsbescheid eine Verwaltungsgebühr erhoben werde, wozu ein gesonderter Bescheid ergehe (Nr. 4 des Tenors).

4

Am 23. Januar 2004 entrichtete die Klägerin einen Betrag in Höhe von 20.000,- €.

5

Am 13. Februar 2004 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben (9 A 39/04 MD) und einstweiligen Rechtsschutz begehrt. In dem Eilverfahren hat die Beklagte eine Berichtigung gem. § 129 AO vorgenommen und erklärt, unter Heranziehung einer beitragsrechtlich relevanten Fläche von 415.766 m2 ergebe sich für die Klägerin ein Kanalbaubeitrag in Höhe von 575.835,91 €.

6

Mit Beschluss vom 1. Juni 2004 (9 B 81/04 MD) hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet: Bei den herangezogenen Flurstücken handele es sich jeweils um eigene Grundstücke.

7

Die Beklagte hat daraufhin unter Bezugnahme auf diesen Beschluss einen „geänderten Widerspruchsbescheid“ vom 27. September 2004 erlassen. Darin hat sie unter Nr. 1 des Tenors jeweils für die als eigene Grundstücke anzusehenden Flurstücke 137, 138, 139, 48/5, 412/48, 414/48, 38/1 und 48/7 unter Zugrundelegung eines Nutzungsfaktors von 0,25 für zwei Geschosse gesonderte Anschlussbeiträge festgesetzt. Weiter heißt es in dem Tenor unter Nr. 1: „Im Übrigen wird der Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid 0-1604 zum Beitrag für die öffentliche Schmutzwasserkanalisation vom 14.08.2002 aufgehoben. Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2004 bleibt in den übrigen Punkten unberührt.“ In der Nr. 2 des Tenors des Bescheides ist eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Beklagten erfolgt und unter Nr. 3 eine Entscheidung zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes. Unter Berücksichtigung von 20.000,- €, welche die Klägerin bereits bezahlt hatte, hat die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von 561.990,86 € aufgefordert.

8

Am 1. November 2004 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und ausgeführt, ihre Klage richte sich allein gegen die belastenden Regelungen des Bescheides vom 27. September 2004.

9

In einem Schriftsatz vom 3. November 2008 hat die Beklagte “klarstellend und unter gleichzeitiger Berichtigung der Beitragsfestsetzungen im geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004“ erklären lassen:

10

 - Der Beitrag für das Flurstück 10059 (früher 137) werde auf 291.726,70 € festgesetzt und der bislang höhere Beitrag aufgehoben.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10078 bis 10081 (früher 414/48) werde auf 199.499,55 € festgesetzt, aber in der Höhe auf den bisherigen Beitrag von 199.370,75 € beschränkt.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10084 und 10085 (früher 412/48) betrage an sich 42.480,72 €, solle aber bei 42.412,85 € verbleiben.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10082 und 10083 (früher 48/7) werde auf 4.398,76 € festgesetzt und der bislang höhere Beitrag aufgehoben.

 - Der Beitrag für das Flurstück 38/1 verbleibe unverändert bei 8.827,99 €.

11

In einem Schriftsatz vom 28. Januar 2009 hat die Beklagte erklären lassen, sie halte trotz eines Bestehens von drei Vollgeschossen auf dem Flurstück 10146 an dem für das Ausgangsflurstück 10059 festgesetzten Beitrag ebenso fest wie an dem Beitrag für die Flurstücke 10078, 10079, 10080, 10081. Hinsichtlich des Flurstücks 139 halte sie gleichfalls an dem festgesetzten Beitrag fest, da sie das Grundstück nicht habe betreten können. Für die übrigen Flurstücke hat sie den Beitrag unter Herabsetzung auf insgesamt 552.258,36 € im Einzelnen wie folgt abändern und Teilrücknahmen in Höhe von insgesamt 29.732,50 € erklären lassen:

12

 - Flurstücke 10082 und 10083 auf 2.199,38 € unter Zugrundlegung einer Bebauung mit einem Vollgeschoss,

 - Flurstücke 10084 und 10085 auf 21.240,36 €,

 - Flurstück 38/1 auf 4.413,99 €,

 - Flurstück 138 auf 968,12 €,

 - Flurstück 48/5 auf 755,52 €

13

jeweils unter Zugrundlegung einer Umgebungsbebauung mit einem Vollgeschoss.

14

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2008 hat die Klägerin hilfsweise mit einem Rückforderungsanspruch von 115.752,50 € aufgerechnet. Ihr stehe ein „gegenwärtig nicht bezifferbarer Rückforderungsanspruch“ gegen die Beklagte in Höhe von 95.752,50 € aus einem Ablösungsvertrag nach dem BauGB zu, außerdem sei der von ihr bereits geleistete Betrag von 20.000,- € zurückzuzahlen.

15

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, den geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 aufzuheben, hilfsweise den Bescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 und des geänderten Widerspruchsbescheides vom 27. September 2004 aufzuheben, hat sie mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 beantragt, den als „geänderten Widerspruchsbescheid“ bezeichneten Bescheid vom 27. September 2004 in der ggfs. durch den Schriftsatz der Beklagten vom 3. November 2008 gefundenen Fassung aufzuheben, sowie „klageerweiternd im Wege der Untätigkeitsklage“ die Beklagte zu verpflichten, die auf Erlass und Stundung gerichteten Anträge zu bescheiden.

16

In einer mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2008 hat das Verwaltungsgericht Beweis über die Altlastenproblematik durch Vernehmung einer Mitarbeiterin der Landesanstalt für Altlastenfreistellung erhoben. In einer mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2009 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen und auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Die Klägerin hat den Vergleich widerrufen, weil sie davon ausging, erhebliche Teilflächen der streitbefangenen Grundstücke lägen außerhalb des Bereiches der Innenbereichs - und Arrondierungssatzung der Beklagten.

17

Mit Urteil vom 24. Juni 2009 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren teilweise eingestellt. Weiterhin hat es das Verfahren hinsichtlich der Verpflichtung zur Bescheidung der Billigkeitsanträge abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 9 A 174/09 MD fortgeführt. Schließlich hat das Gericht den geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt der Änderungen durch die Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und vom 28. Januar 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte für das Flurstück 139 einen Beitrag von 31.583,54 € und für das Flurstück 138 einen Beitrag von 968,12 € festgesetzt hat. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen:

18

Das Verfahren sei einzustellen gewesen, soweit die Klägerin ihre Klage durch Änderung ihres Klageantrages im Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 inzident zurückgenommen habe. Soweit sie auf die Änderung des Bescheides durch Schriftsatz der Beklagten vom 28. Januar 2009 ihre Klage nicht geändert habe, sei die Klage unzulässig, da der Klägerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

19

Die Klage sei im Übrigen zulässig. Zwar klage die Klägerin isoliert gegen einen als Widerspruchsbescheid bezeichneten Bescheid und der Ausgangsbescheid sei auch nicht etwa nichtig. Dennoch sei sie ausnahmsweise befugt, nur den Widerspruchsbescheid anzugreifen, weil dieser sich auf Grund der darin enthaltenen neuen Berechnungen und Festsetzungen wie ein erstmaliger Beitragsbescheid darstelle.

20

Der Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Abwasserabgabensatzung vom 14. Dezember 2006, bei der es sich um die erste wirksame Beitragssatzung der Beklagten handele. Formale Bedenken bestünden weder hinsichtlich der Satzung noch hinsichtlich des Bescheides in der Gestalt der letzten Änderung durch Schriftsatz der Beklagten. Die Satzung verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

21

Die vom Beitragsbescheid in der nunmehrigen Fassung betroffenen Grundstücke der Klägerin seien grundsätzlich bebaubar. Sie befänden sich unfraglich jedenfalls im unbeplanten Innenbereich. Denn der Industriepark West bilde, unabhängig von der Wirksamkeit und rechtlichen Wirkung der von der Beklagten erlassenen Innenbereichs- und Arrondierungssatzung, selbst einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Er stelle sich nach seinem äußeren Eindruck als typisches Gewerbegebiet dar. Auch hinderten die auf dem Grundstück befindlichen Altlasten weder die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht noch minderten sie die der Beitragsbemessung zugrunde liegende Vorteilsfläche. Die Grundstücke seien nicht Unland gleichzusetzen, weil sie nicht auf unabsehbare Zeit unsanierbar seien. Dabei sei zu beachten, dass jeweils nur Teilflächen betroffen seien und die Klägerin von dem Vorteil der Anschlussmöglichkeit in der Vergangenheit durch Verkauf oder Vermietung sanierter Flächen auch Gebrauch gemacht habe. Die sachliche Beitragspflicht sei für die Flurstücke 48/5, 10078 - 10081, 10059, 10084/10085, 10082/10083 und 38/1 am 1. Januar 2006 entstanden, weil diese Flurstücke zu diesem Zeitpunkt im Eigentum der Klägerin gestanden und jeweils über eine gesicherte Anschlussmöglichkeit verfügt hätten. Auch die Billigkeitsregelungen nach § 8 Abs. 2 der Satzung führten nicht zur Kürzung des Beitragsanspruches. Denn danach werde lediglich die Vollgeschosszahl derjenigen Gebäude nicht berücksichtigt, die keinen Bedarf nach Anschluss hätten, nicht etwa werde die Grundstücksfläche um die Grundfläche der Gebäude gekürzt. Soweit die Klägerin mit einem angeblichen Gegenanspruch hilfsweise aufrechne, sei eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich.

22

Nur für die als Hinterliegergrundstücke anzusehenden Flurstücke 138 und 139 sei die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden, weil die mit einer Grundstücksentwässerungsanlage zu überwindende Strecke ca. 400 m betrage und der damit einhergehende wirtschaftliche Aufwand unzumutbar sei.

23

Mit Bescheid vom 7. Juni 2010, gegen den die Klägerin - einen bislang noch nicht beschiedenen - Widerspruch erhoben hat, hat die Beklagte die Fälligkeit für mehrere Grundstücke und Teilflächen auf den 30. Juni 2010 festgesetzt und folgende Billigkeitsmaßnahmen vorgenommen:

24

Erlass des festgesetzten Beitrages für folgende Grundstücke.

25

 - 10059 (vormals 137) in einer Höhe von 173.457,40 €,

 - 38/1 vollständig (4.414,- €),

 - 414/48 (neues Flurstück 10124) in einer Höhe von 677,27 €.

26

Stundung des Beitrages bis zum 29. Juni 2025 mit einem Zinssatz von 1% p.a. für folgende Grundstücke:

27

 - 10146 (alt 137)

 113.257,- €,

 - 10147 (alt 414/48)

 123.285,78 €,

 - 10085 (alt 412/48)

  16.912,32 €,

 - 10083 (alt 48/7)

  1.334,45 €,

 - 48/5

  755,52 €.

28

In Schriftsätzen vom 3. August sowie 10. September 2010 und vom 30. August sowie 23. September 2010 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in dem Verfahren teilweise für erledigt erklärt, soweit die Beitragsforderungen erlassen worden sind.

29

Mit Beschluss vom 27. September 2011 hat der erkennende Senat auf den Antrag der Klägerin die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:

31

Hinsichtlich der von Restitutions- und Vermögenszuordnungsbescheiden erfassten Flurstücke 48/5 und 48/7 sei noch vor dem 1. Januar 2006 ein Eigentumsübergang auf einen Dritten eingetreten. Die Eigentumsänderung nach dem VermG trete durch den Restitutionsbescheid selbst ein. Auch habe die Beklagte für Teilflächen durch notariellen Kaufvertrag die öffentlichen Lasten für leitungsgebundene Anlagen ab Besitzübergang übernommen, der vor dem 1. Januar 2006 gelegen habe.

32

In der Beitragssatzung vom 14. Dezember 2006 sei das Datum der Ausfertigung durch den Oberbürgermeister nicht angegeben und zwar sowohl in der Bekanntmachung als auch in der lediglich paraphierten Originalfassung. Sie habe durchgehend bestritten, dass die Satzung am Sonntag, dem 24. Dezember 2006, ortsüblich bekannt gegeben worden sei. Eine gemäß § 10 Abs. 1 KAG LSA zulässige satzungsmäßige Ermächtigung für die Beauftragung Dritter fehle in der Satzung.

33

Die rückwirkende Schaffung einer Satzungsgrundlage für den als Neufestsetzung anzusehenden, sogenannten geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 durch die Satzung vom 14. Dezember 2006 verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Schranken rückwirkender Abgabensatzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA. Es sei vorliegend eine sogenannte echte Rückwirkung gegeben, die mit dem Vertrauensschutz unvereinbar sei. Selbst wenn man eine lediglich unechte Rückwirkung annehmen wolle, scheitere sie bereits an der erforderlichen Abwägung, denn durch die neue Satzung seien die Unklarheiten nicht beseitigt, sondern verstärkt worden. Die landesgesetzlichen Schranken rückwirkender Abgabensatzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KAG LSA seien ebenfalls nicht gewahrt. Die Satzung verstoße auch gegen das Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA.

34

Weiterhin seien durch die neue Beitragssatzung vom 30. Mai 2012 die abweichenden Bestimmungen der Vorgängersatzung aufgehoben worden, wozu auch die Rückwirkungsanordnung in der Satzung vom 14. Dezember 2006 gehöre. Allerdings sei die Festsetzungsverjährung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits abgelaufen und die ohne Rückwirkung erlassene Satzung vom 30. Mai 2012 könne den vor acht Jahren erlassenen Bescheiden nicht nachträglich die erforderliche Satzungsgrundlage verschaffen. Es werde beantragt, der Beklagten aufzugeben, mehrere der von ihr genannten Gerichtsurteile vorzulegen, und ihr - der Klägerin - für die Prüfung dieser Satzung eine Frist einzuräumen. Im Übrigen werde ausdrücklich gerügt, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 11. Juni 2012 eingereicht worden sei, als die neue Satzung bereits veröffentlicht gewesen sei, was offenbar ihrer Irreführung und Desinformation habe dienen sollen.

35

Die Unrichtigkeit des Urteils ergebe sich aus der mangelnden Bestimmtheit des Bescheides vom 27. September 2004 in Verbindung mit diversen Änderungserklärungen in den Beklagtenschriftsätzen und mit dem auf diese verweisenden Urteilstenor. Selbst wenn durch die Bezeichnung der Buchgrundstücke zum 1. Januar 2006 in den Schriftsätzen dem Bestimmtheitserfordernis als solchem Genüge getan sein sollte, so werde verkannt, dass die sachliche Beitragspflicht neben einer wirksamen Satzung die konkrete Bevorteilung bei sonstiger, insbesondere straßenseitiger Erschließung und eine tatsächlich und rechtlich dauerhafte Sicherung der Anschlussmöglichkeit voraussetze. Es sei also nicht am 1. Januar 2006 zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gekommen, sondern - wenn überhaupt - später zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in denen wiederum überdies ganz andere Buchgrundstücke bestanden hätten. Die vermeintlich klarstellenden Schriftsätze hätten in Wirklichkeit zur Unklarheit und Unbestimmtheit geführt.

36

Die verkehrliche Erschließung der herangezogenen Grundflächen sei im maßgeblichen Zeitraum bis 2006 einschließlich ausdrücklich gerade nicht über die W-Straße und den M-Ring vorgenommen worden. Auch eine verkehrliche Erschließung über die Verlängerung der Hohendorfer Straße habe am 1. Januar 2006 nicht vorgelegen.

37

Weiterhin läge auf den noch streitgegenständlichen Flurstücken eine erhebliche Verunreinigung mit ökologischen Altlasten und mit Sprengstoffen vor, die die Flächen jedenfalls teilweise zu Unland mache. Mit Ausnahme des tatsächlich genutzten Verwaltungsgebäudes und der wenigen sanierten Flächen könne in keiner der ihr verbliebenen Teilflächen innerhalb des früheren eingefriedeten Sprengstoffwerkgeländes von einer selbständigen baulichen Nutzbarkeit ausgegangen werden. Gäbe es auf dem Gelände nachweislich nennenswerte unbelastete Flächen, hätte das Landesamt sie aus der Störerverantwortlichkeit entlassen müssen. In den vorliegenden Berichten seien einige hochgradig kontaminierte Flächen nicht erwähnt, insbesondere in Altkanälen. Daneben gebe es Bereiche, die bis heute nicht untersucht seien, in denen aber hohe Bodenbelastungen zu erwarten seien, so insbesondere im Bereich ehemaliger Tanklager. Auf Grund der Sanierungskosten könne für keines der verbleibenden, für den Beitrag herangezogenen Buchgrundstücke innerhalb der Umfriedung des früheren Sprengstoffwerks ein nach Abzug der Kosten der Altlastenbeseitigung noch verbleibender positiver Verkehrswert angenommen werden. Es fehle überdies an einer Beitragspflicht nach § 3 der Satzung vom 14. Dezember 2006, da große, großflächig kontaminierte Altlasten- und Altlastenverdachtsflächen nach der Verkehrsauffassung gerade kein Bauland seien. Ihr gesamtes Gelände sei im Altlastenkataster des Landes als Altlastenfläche ausgewiesen. Eine Beplanung von Altlastenflächen durch Bebauungsplan sei rechtswidrig und würde zu Amtshaftungsansprüchen gegen die Gemeinde führen. Daher könne selbst in Bereichen, in denen eine Bebauung im Zusammenhang oder ein Ortsteil als Planersatz vorläge, eine Nutzbarkeit von Altlastenflächen nicht angenommen werden.

38

Es handele sich bei den streitgegenständlichen Flächen insgesamt um Grundstücke im Außenbereich, mindestens gingen die meisten und insbesondere die größeren unter ihnen unmittelbar in den Außenbereich über. Es bleibe nach dem angefochtenen Urteil unklar, was das Verwaltungsgericht überhaupt als „Gebiet“ und was es als „Industriepark West“ ansehe und wo nach seiner Auffassung der Bebauungszusammenhang anfange und aufhöre. Die wenigen, am 1. Januar 2006 aufstehenden Gebäude, von denen ein Großteil Ruinen und durch Kontaminationen nicht nutzbar seien, hätten keinen Ortsteil und keinen Bebauungszusammenhang gebildet. Sie sei nicht auf eine gesonderte Anfechtung der lediglich deklaratorisch wirkenden Innenbereichs- und Arrondierungssatzung vom 28. November 2002 zu verweisen. Die Satzung enthalte mit der das gesamte umfriedete Werksgelände umfassenden „Klarstellungslinie“ eine Klarstellungsfestsetzung i.S.d. § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB a.F. Einzelne herangezogene Flächen lägen indessen außerhalb dieser Linie und der Umfriedung des früheren Werks. Die Beklagte habe selbst mittelbar bestätigt, dass sie bestimmte Flächen in der Satzung selbst dem Außenbereich zugeordnet habe. Die Festsetzung sei auch im Übrigen unwirksam. Durch eine Klarstellungssatzung könnten allenfalls die Grenzen eines schon vorhandenen Ortsteils festgelegt werden, nicht aber eine Industriebrache im Außenbereich zum Ortsteil erhoben werden. Auch eine Festsetzung durch eine Abrundungs-, Einbeziehungs- oder Ergänzungssatzung wäre unwirksam und rechtswidrig.

39

Es habe keine Anschlüsse und Anschlussmöglichkeiten vor dem Jahr 2006 gegeben, da die Übergabeschächte nicht vor den von der Beklagten genannten Grundstücken, sondern hinter dazwischen liegenden Fremdgrundstücken bzw. hinter Außenbereichsflächen gelegen hätten. Am 1. Januar 2006 bis heute lägen zwischen den erst viel später hergestellten Abwasserleitungen in der M-Allee und in der W-Straße jeweils Fremdgrundstücke. Von dem damaligen Endpunkt der Abwasseranlage in der Hohendorfer Straße habe sie gerade nicht angeschlossen werden können. Ob irgendeiner der von der Beklagten angegebenen Kanalabschnitte an der sogenannten Grenzlinie ende oder ob eine rechtliche Anschlussmöglichkeit der Hinterliegergrundstücke über ein Leitungsrecht oder eine Dienstbarkeit zu den Straßen vorgelegen habe, sei nicht festgestellt. Diese Voraussetzungen lägen auch erkennbar nicht vor. Die maßgebliche Formulierung in der Satzung, dass die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der Schmutzwasseranlage für das zu entwässernde Grundstück entstehe, sei mehr als unklar und unbestimmt. Die sachliche Beitragspflicht sei auch nicht bereits mit der betriebsfertigen Herstellung des Hauptsammlers entstanden, zu der - und deren Zeitpunkt - die Beklagte nichts weiter vortrage. Denn es habe mangels wirksamer Satzung keinen Erstattungsanspruch nach § 8 KAG LSA gegeben. Daneben seien die Hausanschlüsse, wie die Beklagte selbst vortrage, ausschließlich von dieser selbst herzustellen, so dass durchweg nicht die betriebsbereite Herstellung der Hauptsammler irgendwo vor den herangezogenen Grundstücken genüge.

40

Es fehle weiterhin auf Grund der Entfernungen von Hunderten von Metern und dazwischen liegenden Hindernisse (Altlasten, Ruinen, Betonfundamente, Altleitungen) jedenfalls an der Zumutbarkeit einer Anschlussnahme. Die durchschnittliche Leitungslänge habe über 200 m betragen. Fehlerhaft sei auch die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass es keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursacht hätte, über das Flurstück 10085 und das Flurstück 10059 jeweils Anschlussleitungen zu den Hinterliegergrundstücken zu legen.

41

Bei der Ermittlung der Vollgeschosszahlen sei § 8 Abs. 2 Satz 1 der Satzung zu Unrecht nicht angewandt worden und zwar weder auf die zahlreichen Ruinen noch die denkmalgeschützten Baulichkeiten und Bunker noch die kontaminierten und deswegen nicht nutzbaren Baulichkeiten. Die Ermittlung sei weiterhin offenkundig fehlerhaft gewesen. Das Verwaltungsgericht beziehe sich auf die Durchschnittsbetrachtungen durch die (...) bzw. die ... aus dem Jahr 2002. Dabei seien die 25 einstöckigen und überwiegend denkmalgeschützten Bunker nicht berücksichtigt worden und es fehle eine Ermächtigung zur Beauftragung Dritter in der Satzung. Auch auf Grund der Änderungen in den maßgeblichen Satzungsregelungen und der Bebauung sei es unzulässig, auf diese Durchschnittszahlen zurückzugreifen. Zahlreiche Gebäude seien abgerissen worden. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht einen methodischen Fehler begangen. Auch sei die Bezugnahme auf die „nähere Umgebung“ in der Beitragssatzung zu unbestimmt und die vorgenommene Ermittlung einer näheren Umgebung der streitbefangenen Grundstücke entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Schließlich sei die flächendeckende Heranziehung mit zwei Vollgeschossen wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig, weil die benachbarte L... GmbH mit nur einem Vollgeschoss herangezogen worden sei.

42

Die vorgenommenen Aufrechnungen seien zu Unrecht nicht anerkannt worden. Die Zahlung und die Verrechnung eines Betrages in Höhe von 20.000,- € seien unstreitig. Sie habe die Hilfsaufrechnung allein deswegen nochmals erklärt, weil die verschiedenen Verrechnungen der Beklagten sich widersprochen hätten und die Beweislage ungewiss gewesen sei. Die weitergehende Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 95.752,50 € wegen des Ablösebetrages für den Straßenausbau sei nicht unzulässig. Diese Forderung sei nicht bestritten worden. Eine solche Feststellung ergebe sich weder aus einem Protokoll noch aus dem Tatbestand des Urteils oder einem Beklagtenschriftsatz. Die Anrechnung im angefochtenen Bescheid sei durch den Billigkeitsbescheid auch aufgehoben worden.

43

Ihr Eigentum werde durch diverse Zugriffe der öffentlichen Stellen des Landes gänzlich ausgehöhlt. Die Sanierungskosten gemeinsam mit den geforderten Beiträgen und den Kosten der behördlicherseits auferlegten Bewachung der Altlast hätten eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende erdrosselnde Wirkung.

44

Die Klägerin beantragt,

45

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24. Juni 2009 abzuändern und den Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2004, ihres Schriftsatzes vom 13. April 2004 und ihres Bescheides vom 27. September 2004 sowie der Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 und ihres Bescheides vom 7. Juni 2010 aufzuheben, soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache auf Grund des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist,

46

hilfsweise,

47

zum Beweis der Behauptung der Klägerin, es seien auf jedem einzelnen der streitgegenständlichen Grundstücke selbständig baulich nutzbare, von Altlasten unbelastete oder nur unwesentlich unterhalb der Gefahrenschwelle belastete Grundflächen nicht vorhanden, und zur Widerlegung der gegenteiligen Behauptung der Beklagten

48

die Einholung eines Sachverständigengutachtens,
die Einholung einer Auskunft der Landesanstalt für Altlastenfreistellung,
zum Beweis der Behauptung der Klägerin, es liege in der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Grundstücke eine eingeschossige Bebauung vor,
die Einholung eines Sachverständigengutachtens,

49

weiter hilfsweise,

50

Beweis zu folgenden Fragen zu erheben:

51

welche Grundstücke der Klägerin sind von Altlasten betroffen, welche Altlasten lagern dort ?

52

Beeinträchtigten die Altlasten die Bebaubarkeit/Nutzung der Grundstücke und können die Altlasten beseitigt werden ?

53

In welchem Zeitraum und mit welchem Kostenaufwand können die Altlasten für die jeweiligen Grundstücke beseitigt werden ?

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Berufung zurückzuweisen.

56

Sie trägt vor, die der Satzung vom 14. Dezember 2006 vorgehenden Abwasserbeseitigungsabgabensatzungen seien mit ihrem Beitragsteil jeweils nichtig, da sie einen unvollständigen und damit fehlerhaften Beitragsmaßstab enthielten.

57

Die Klägerin sei ausweislich einer Stellungnahme des Liegenschaftsamtes am 1. Januar 2006 Eigentümerin des Flurstücks 48/5 gewesen und ausweislich eines Schreibens des Amtsgerichts Schönebeck zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Eigentümerin des Flurstücks 48/7.

58

Eine Kontamination durch Altlasten habe keinen Einfluss auf die Beitragshöhe. Alle Grundstücke seien schon allein wegen ihrer Bebauung und der auf ihr ausgeübten gewerblichen Nutzung fähig, aus der Anschlussmöglichkeit bevorteilt zu werden. Nur wenn durch die Kontamination für die Gesamtfläche eines Grundstücks jede Art einer beitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit ausgeschlossen sei, bleibe ein solches Grundstück bis zur Beseitigung des der Nutzbarkeit entgegen stehenden Hindernisses beitragsfrei. Derartige Gegebenheiten gebe es bei den streitbefangenen Grundstücken nicht. Ein Baugrundstück sei - mit Ausnahme von Grundstücken in Kerngebieten - nie vollständig überbaubar. Eine andere Frage sei, ob bei der Großflächigkeit der Altlastenbelastung nicht möglicherweise die uneingeschränkte Beitragsbelastung eine sachliche Härte darstelle. Der jetzt behaupteten „Schwerstkontamination“ müsse im Rahmen des Widerspruchs gegen den Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 nachgegangen werden. Eine künftige Nutzung von Teilflächen sei in den Berichten der von der Landesanstalt für Altlastenfreistellung beauftragten Firma nicht ausgeschlossen. Es sei auch relevant, dass auf Antrag der Klägerin die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Errichtung eines Solarparks beschlossen worden sei, der teilweise streitbefangene Flächen erfasse. Bei den noch streitigen Grundstücksflächen, die von der Klägerin als „schwerst kontaminiert“ bezeichnet würden, handele es sich wohl um eine Fläche von 14.785 m2 südlich des sog. Sicherheitszaunes. Die Flurstücksbezeichnungen dieser „schwerst kontaminierten Flächen“ könnten nicht nachvollzogen werden.

59

Die Innenbereichs- und Arrondierungssatzung sei seit dem Jahre 2002 nicht überarbeitet worden. Nach dem aktuellen Flächennutzungsplan lägen Teilflächen der von der Beitragserhebung erfassten Grundstücke nicht im Geltungsbereich der Satzung. Durch den Neubau der im Oktober 2003 gewidmeten „W-Straße“ sei allerdings fraglich, ob die Annahme des Außenbereichs noch zutreffend sei. Auch das Verwaltungsgericht habe angenommen, der Industriepark West bilde selbst einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil.

60

Es komme nach der Satzungslage für das Entstehen der Vorteilslage jeweils nur auf die betriebsfertige Herstellung des Hauptsammlers an. Aus den bereits erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen ergebe sich die betriebsfertige Herstellung der Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung im Jahre 1999 in dem östlichen Teil der „Hohendorfer Straße“ bis westlich des heutigen Abzweigs der „W-Straße“. Von dem Endpunkt in der „Hohendorfer Straße“ habe die Klägerin mit dem früheren Flurstück 137 angeschlossen werden können. Von der „W-Straße“ aus seien zwei Grundstücksanschlüsse vom Flurstück 412/48 bereits im Jahre 2003 hergestellt worden. Darüber hinaus habe wegen der Eigentümeridentität auch für das aus den Flurstücken 10078, 10079, 10080 und 10081 bestehende bürgerlich-rechtliche Grundstück und für das aus den Flurstücken 10082 und 10083 bestehende bürgerlich-rechtliche Grundstück die tatsächlich und rechtlich gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit zur „W-Straße“ bestanden, da die Klägerin es allein in der Hand gehabt habe, ihre Anschlussrechte für das Flurstück 10085 wahrzunehmen. Dieser Anschluss wäre mit verhältnismäßig geringen Kosten möglich gewesen.

61

Die Widmung der Straßen im Industriepark West als öffentliche Straßen sei mit Eintritt der Bestandskraft der ortsüblichen Bekanntgabe am 10. Oktober 2003 erfolgt. Die „Hohendorfer Straße“ habe zunächst aus dem östlich des Flurstücks 38/1 verlaufenden Straßenteil bestanden, der seit Oktober 2003 straßenrechtlich öffentlich sei. Die auf dem Flurstück 38/1 verlaufende Teillänge der „Hohendorfer Straße“ sei u.a. einschließlich der Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung in der Zeit von Mai 2005 bis Juni 2006 endgültig hergestellt worden. Gewidmet worden sei diese Teillänge durch die nach dem 26. März 2007 bestandskräftig gewordene Widmungsverfügung. Da bereits Ende 1999 die Anschlussmöglichkeit gesichert gewesen sei, komme es auf die Verlegung der Einrichtung in der Verlängerung der „Hohendorfer Straße“ nicht an.

62

Die von der Klägerin geltend gemachten Gegenforderungen seien von ihr bestritten worden und würden weiterhin bestritten.

63

In ihrem Amtsblatt vom 10. Juni 2012 hat die Beklagte eine Abwasserabgabensatzung vom 30. Mai 2012 bekannt gemacht, die am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten sollte.

64

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten - jeweils dieses Verfahrens und des Streitverfahrens 4 L 160/09 - Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

65

Das Verfahren ist zunächst einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache auf Grund des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dies betrifft zum einen auf Grund des in dem Billigkeitsbescheid vorgenommenen Erlasses die Festsetzung von Beiträgen in Höhe von 173.457,40 € für das (ehemalige) Flurstück 137, in Höhe von 4.414,- € für das Flurstück 38/1 und in Höhe von 677,27 € für das (ehemalige) Flurstück 414/48. Zum anderen ist der Rechtsstreit auch für erledigt erklärt worden, soweit in dem Billigkeitsbescheid für verschiedene Beitragsforderungen der Fälligkeitszeitraum nachträglich verringert worden ist. Auch wenn sich die Erledigungserklärungen teilweise nach ihrem Wortlaut nur auf die erlassenen Beiträge bezogen haben, ergab sich doch aus den Gesamtumständen, dass die Beteiligten der Erledigungswirkung des Billigkeitsbescheides Rechnung tragen wollten.

66

Die Berufung ist weiterhin ausweislich ihrer Begründung dahingehend auszulegen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet, soweit darin die Klage als unbegründet abgewiesen worden ist. Soweit in dem Urteil die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen worden ist, weil die Klägerin nicht auf die teilweise Bescheidaufhebung durch den Schriftsatz der Beklagten vom 28. Januar 2009 reagiert habe, ist damit das Urteil und insbesondere die damit verbundene Kostenentscheidung nicht Gegenstand der Berufung.

67

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

68

Der Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2004, ihres Schriftsatzes vom 13. April 2004 und ihres Bescheides vom 27. September 2004 sowie der Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 und ihres Bescheides vom 7. Juni 2010 ist - soweit er im Berufungsverfahren noch streitbefangen ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

69

1. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist zulässig.

70

Die Klage hat insbesondere den richtigen Verwaltungsakt zum Klagegegenstand gemacht. Nach Erlass des Ausgangsbescheides vom 14. August 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 sowie einer Berichtigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 129 AO in einem Schriftsatz vom 13. April 2004 hat die Beklagte einen „geänderten Widerspruchsbescheid“ vom 27. September 2004 erlassen. Es handelte sich dabei nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont trotz der missverständlichen Bezeichnung nicht um die Ersetzung, sondern die Abänderung (vgl. dazu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1375 m.w.N., Rdnr. 1510) des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004. Wie sich aus der mehrfachen Bezugnahme auf den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts in der Einleitung und der Begründung des Bescheides vom 27. September 2004 ergibt, trug die Beklagte mit diesem Bescheid lediglich der Beanstandung der Veranlagung mehrerer selbständiger Grundstücke als ein Grundstück Rechnung. Der Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 sollte nach der Nr. 1 des Tenors des Bescheides vom 27. September 2004 ausdrücklich „in den übrigen Punkten unberührt“, d.h. bestehen, bleiben. Auch wenn Beiträge und Leistungsgebot neu festgesetzt worden sind, entfaltete danach zumindest die Aufhebung der gewährten Aussetzung der Vollziehung (Nr. 2 des Tenors des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004) weiter eine Regelungswirkung. Daneben sollte ersichtlich ansonsten die in dem Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 enthaltene Begründung für die Zurückweisung des Widerspruchs fortgelten. Eine zumindest der Sache nach vollständige Ersetzung (vgl. dazu OVG Sachsen, Beschl. v. 10. Februar 2012 - 5 A 12/09 -; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011 - 4 EO 39/11 -, m.w.N. jeweils zit. nach JURIS) des Ausgangsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 liegt im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts danach ebenfalls nicht vor. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 27. September 2004, in der auf die Klagemöglichkeit verwiesen wird, ist für die Unterscheidung zwischen Ersetzung und Abänderung von vornherein nicht maßgeblich, weil in beiden Fällen eine Anfechtungsklage zumindest statthaft wäre. Es macht auch keinen Unterschied, dass nur der Widerspruchsbescheid und nicht ausdrücklich der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert worden ist (vgl. auch OVG Niedersachsen, Urt. v. 12. Dezember 1989 - 9 A 62/88 -, NVwZ 1990, 590). Denn Ausgangs- und Widerspruchsbehörde sind vorliegend identisch und der Widerspruchsbescheid gab gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dem Ausgangsbescheid seine endgültige Gestalt. Dass in dem Bescheid vom 27. September 2004 der Ausgangsbescheid „im Übrigen“ aufgehoben worden ist, sollte daher auch lediglich klarstellen, dass die dem Bescheid vom 27. September 2004 entgegenstehenden Regelungsbestandteile des Ausgangsbescheides keine Rechtswirkung mehr entfalten sollten.

71

Durch die im Klageverfahren vorgelegten Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 erfolgte ausdrücklich eine weitere Abänderung durch teilweise Aufhebung der Beitragsfestsetzungen. Schließlich wurde durch den Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 der Fälligkeitszeitpunkt für bestimmte Grundstücke und Teilflächen abweichend von der bisherigen Zahlungsanforderung auf den 30. Juni 2010 festgesetzt und damit eine teilweise Aufhebung des Bescheides vorgenommen.

72

Die im Klageverfahren erfolgte Einbeziehung des Schriftsatzes vom 3. November 2008 und die erst im Berufungsverfahren erfolgte Einbeziehung des Schriftsatzes vom 28. Januar 2009 und des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 waren jeweils nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klagebeschränkungen. Soweit die Klägerin erst im Berufungsverfahren den Ausgangsbescheid vom 14. August 2002, die Berichtigung in dem Schriftsatz vom 13. April 2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 in ihren Klageantrag einbezogen hat, stellte dies eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar.

73

2. Die Klage ist auch begründet.

74

Als erste wirksame Beitragssatzung kommt allein die im Juni 2012 in Kraft getretene Abwasserabgabensatzung der Beklagten vom 30. Mai 2012 - AAS 2012 - in Betracht (a). Deshalb kann die sachliche Beitragspflicht - bei unterstellter Wirksamkeit dieser Satzung - jeweils erst im Juni 2012 entstanden sein und die Klägerin für die zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke nicht herangezogen werden (b). Die zu diesem Zeitpunkt in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke werden in dem streitbefangenen Beitragsbescheid nicht hinreichend benannt (c). Ob sonstige Einwendungen der Klägerin gegen die Beitragserhebung durchgreifen, muss danach nicht abschließend entschieden werden (d).

75

a) (1) Die vor der Abwasserabgabensatzung in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2006 erlassenen Abwasserabgabensatzungen der Beklagten waren sämtlich wegen Unvollständigkeit des jeweiligen Verteilungsmaßstabs zumindest in ihrem Beitragsteil nichtig. Grundsätzlich muss im Anschlussbeitragsrecht der Verteilungsmaßstab alle im Versorgungsgebiet in Betracht kommenden Anwendungsfälle regeln (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30. Juni 2004 - 4 K 34/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 21. Juni 2006 - 4 N 574/98 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 12. August 2003 - 9 LA 36/03 -; OVG Sachsen, Urt. v. 29. November 2001 - 5 D 25/00 -; jeweils zit. nach JURIS; BVerwG, Urt. v. 19. August 1994 - 8 C 23/92 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht). Inwieweit auf eine Maßstabsregelung ausnahmsweise verzichtet werden kann, weil Anwendungsfälle tatsächlich nicht entstehen und auch nicht entstehen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27. Juni 2012 - OVG 9 B 20.11 -; jeweils zit. nach JURIS) oder die Unvollständigkeit ohne Auswirkung auf die im Beitragssatz zum Ausdruck kommende vorteilsgerechte Verteilung des Aufwandes bleibt (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 15. Dezember 2011 - 9 A 272/10 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2200 m.w.N.) bzw. nur wenige atypische Fälle nicht geregelt werden (vgl. VGH Hessen, Urt. v. 17. März 1994 - 5 UE 2001/91 -, zit. nach JURIS; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 6 Rdnr. 192), muss dabei angesichts des Umfanges der vorliegend jeweils nicht geregelten Anwendungsfälle nicht abschließend entschieden werden.

76

Die Abwasserabgabensatzung vom 27. Januar 1994 enthielt schon keine ausdrückliche Regelung zu Grundstücken im Außenbereich, sondern nur eine einheitliche Bestimmung bei Nichtbestehen eines Bebauungsplans. In der Abwasserabgabensatzung vom 3. April 1997 waren - auch in der Gestalt der Änderungssatzung vom 26. März 1998 - keine Regelungen für Grundstücke enthalten, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen. In den Abwasserabgabensatzungen vom 27. Februar 2001 und vom 20. Juni 2002 fehlten Regelungen zur Zahl der Vollgeschosse bei Außenbereichsgrundstücken. Die Bestimmungen in § 4 Abs. 3 Buchst. d dieser Satzungen bezogen sich ersichtlich nur auf Innenbereichsgrundstücke. Zudem wäre es bei bebauten Außenbereichsgrundstücken nicht erlaubt, auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse der Baulichkeiten auf einem Grundstück abzustellen, da es nur auf die angeschlossenen Baulichkeiten des Grundstücks ankommt.

77

(2) Die Abwasserabgabensatzung in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2006, die rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft treten sollte, ist nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, da in dem veröffentlichten Satzungstext das Datum der bei der Ausfertigung geleisteten Unterschrift des zuständigen Amtsträgers fehlt und die Veröffentlichung des Datums auch nicht nachgeholt worden ist.

78

§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA bestimmt, dass Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekanntzumachen sind. Die Angabe des Datums der Unterschriftsleistung ist für die Wirksamkeit der Ausfertigung zwingend notwendig, weil nur so die Einhaltung der notwendigen zeitlichen Reihenfolge von Normerlass, Ausfertigung und Bekanntmachung gewährleistet werden kann (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426; OVG Niedersachsen, Urt. v. 5. September 2007 - 1 KN 204/05 -; zit. nach JURIS m.w.N.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. A., Rdnr. 279; Lübking/Beck, GO LSA, § 6 Rdnr. 40; Ziegler, DVBl. 1987, 280, 283; a.M.: Wiegand, Kommunalverfassungsrecht Sachsen-Anhalt, § 6 GO LSA, Nr. 7, S. 9). Da mit der Ausfertigung bezeugt wird, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt, ist es weiterhin nicht nur unverzichtbar, dass die Unterschrift als nach der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens mit der Satzung veröffentlicht wird (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS), sondern auch das Datum der Unterschriftsleistung. Die Veröffentlichung der Ausfertigung bzw. des Ausfertigungsvermerks dient der Sicherung des Rechtsetzungsverfahrens, insbesondere der Gewährleistung der Übereinstimmung von Urkundeninhalt und Beschlussinhalt, und erfüllt darüber hinaus auch die Verlautbarungsfunktion der Bekanntmachung, die zum Ausdruck bringen muss, dass Gegenstand der Publikation eine Rechtsnorm ist, und als amtliche Verlautbarung im Sinne eines zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts erkennbar sein muss. Unterbleibt diese Veröffentlichung gemeinsam mit der Satzung, ist dies nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird.

79

(3) Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der im Amtsblatt der Beklagten vom 10. Juni 2012 (einem Sonntag) veröffentlichten Abwasserabgabensatzung vom 30. Mai 2012, insbesondere gegen die ordnungsgemäße Ausfertigung und Bekanntmachung dieser Satzung sind weder substanziiert geltend gemacht noch ersichtlich. Ein Bekanntmachungsnachweis für diese Satzung liegt vor. Der von der Klägerin gegen die Satzung vom 14. Dezember 2006 erhobene Einwand, eine ortsübliche Bekanntmachung einer Satzung in einem an einem Sonntag erscheinenden Amtsblatt sei nicht zulässig, verfängt nicht. Es gibt keinerlei rechtliche Begründung dafür, dass ein Amtsblatt nicht an einem Sonntag erscheinen darf.

80

Auch materiell-rechtliche Fehler der Satzung sind bislang nicht vorgetragen. Dass in der Satzung eine Regelung nach § 10 Abs. 1 KAG LSA für die Ermächtigung Dritter (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2248; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 20. August 2009 - 4 L 173/07 -, zit. nach JURIS) fehlt, stellt keinen Mangel der Satzung dar, sondern führt allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides, falls ein Dritter bei der Beitragserhebung eingeschaltet worden ist.

81

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. September 2012 anscheinend geltend macht, sie habe erst nachträglich von der Bekanntmachung dieser Satzung erfahren, und um eine „auskömmliche Prüfungs- und Erklärungsfrist von 8 Wochen“ bittet, war dem nicht nachzukommen. Es erscheint schon eher fernliegend, dass ein mit der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Gemeindegebiet befasstes Unternehmen nicht über die Veröffentlichung einer neuen Abwasserabgabensatzung dieser Gemeinde informiert sein soll. Auch obliegt es der Klägerin selbst, sich die vom Prozessgegner benannten Gerichtsurteile zu beschaffen. Jedenfalls aber kommt es die Wirksamkeit der Abwasserabgabensatzung der Beklagten vom 30. Mai 2012 nicht entscheidungserheblich an.

82

b) Denn die sachliche Beitragspflicht kann danach (frühestens) auf Grund dieser Abwasserabgabensatzung entstanden sein.

83

Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, so entsteht für diese Grundstücke die sachliche Beitragspflicht erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012, a.a.O. m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2202 m.w.N.). Eine solche nachträglich erlassene Beitragssatzung kann auch dann als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen, wenn sie sich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe oder der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beimisst. Eine auf Grund fehlender Satzungsgrundlage bestehende Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides wird durch die neue Satzung ex nunc geheilt; der Betroffene ist prozessrechtlich dadurch geschützt, dass er das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären kann (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 173 m.w.N.).

84

Ohne Erfolg macht die Klägerin daher geltend, eine ohne Rückwirkung erlassene Satzung könne nicht als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen. Ebenfalls von vornherein nicht begründet ist ihr Vorbringen, die Festsetzungsverjährungsfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. §§ 169 ff. AO sei abgelaufen. Dabei verkennt sie, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

85

Da die sachliche Beitragspflicht erstmalig im Juni 2012 entstanden sein konnte, waren nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Grundbuchsituation allenfalls die noch im Eigentum der Klägerin befindlichen Flurstücke 10192, 10199 und 10203 beitragspflichtig, bei denen es sich jeweils um eigene Grundstücke handelt bzw. gehandelt hat. Die in der mit der Berufungserwiderung vorgelegten Aufstellung zusätzlich genannten Flurstücke 10202, 10197 und 10198 standen seit der am 5. April 2012 im Grundbuch erfolgten Eintragung im Eigentum der (...) C. GmbH.

86

Soweit in dem streitbefangenen Bescheid Grundstücke herangezogen werden, die im Juni 2012 im Eigentum von Dritten standen, ist der Bescheid schon deshalb rechtswidrig. Auch wenn § 6 Abs. 8 KAG LSA für die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides abstellt, kann die persönliche Beitragspflicht nicht vor der sachlichen Beitragspflicht entstehen. Entstehen die sachlichen Beitragspflichten (ausnahmsweise) erst nach der Bekanntgabe des Bescheides, ist zwar grundsätzlich derjenige persönlich beitragspflichtig, dem der Bescheid bereits bekannt gegeben worden ist. Dies gilt allerdings nur, sofern er im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten noch Eigentümer bzw. Erbbau- oder Nutzungsberechtigter ist (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012 - 4 L 226/11 -; Beschl. v. 5. November 2009 - 4 M 94/09 - jeweils zit. nach JURIS).

87

c) Einem Entstehen der persönlichen Beitragspflicht und damit der Heranziehung der Flurstücke 10192, 10199 und 10203 steht entgegen, dass sie in dem streitbefangenen Bescheid nicht mit ihrer jeweiligen Flurstücksbezeichnung benannt werden.

88

Für eine Heilung eines Beitragsbescheids durch eine die sachliche Beitragspflicht an sich erst herbeiführende Beitragssatzung ist kein Raum, wenn das in diesem Bescheid benannte Grundstück vor Inkrafttreten der Satzung durch Vereinigung mit anderen Grundstücken bzw. Aufteilung in neue Grundstücke seine rechtliche Existenz verloren hat (so auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9. April 1992 - 2 S 1958/90 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht). Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit mit dem erstmaligen Erlass eines Beitragsbescheides. Dass einer später wirksam gewordenen Beitragssatzung eine Heilungswirkung für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid zugebilligt wird, beruht vor allem darauf, dass dieser Bescheid bei einer Aufhebung mit demselben Inhalt sofort wieder erlassen werden müsste (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. April 1990 - 8 C 87/88 -, zit. nach JURIS). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Weiterhin zwingt die Tatsache, dass ab Entstehen der sachlichen Beitragspflicht die öffentliche Last (§ 6 Abs. 9 KAG LSA) auf dem (Buch)Grundstück ruht, zu einer formalen Auslegung hinsichtlich der Benennung der von der Beitragspflicht erfassten Grundstücke.

89

Die im Juni 2012 bestehenden Buchgrundstücke der Klägerin waren auf Grund der abweichenden Flurstücksbezeichnungen nicht Gegenstand des streitbefangenen Beitragsbescheides, auch nicht in Gestalt der vorgenommenen Änderungen. Der Beitragsbescheid bezieht sich allein auf Grundstücke, die entweder nicht mehr im Eigentum der Klägerin stehen oder durch Trennungen rechtlich untergegangen sind. Auch können die Flächen der untergegangenen Grundstücke nicht auf die Flächen der neu gebildeten Grundstücke der Klägerin reduziert werden. Denn Gegenstand der Beitragserhebung ist das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn. Eine Auslegung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass sich die Veranlagung der untergegangenen Grundstücke auf inzwischen neu gebildete Grundstücke beziehen soll, wäre mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 119 Abs. 1 AO nicht vereinbar. Dieses Erfordernis setzt voraus, dass ein Beitragsbescheid in seinem verfügenden Teil, d.h. dem Entscheidungssatz oder Spruch, dem die Regelungswirkung zukommt, hinreichend deutlich erkennen lässt, von wem was für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird (vgl. auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots ist genügt, wenn der Betroffene aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus der von dem Beklagten gegebenen Begründung oder aus den ihm bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit über den Inhalt des Spruchs gewinnen kann (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26. Oktober 2010 - 4 L 55/09 - und v. 13. Oktober 2008 - 4 L 408/06 -, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 76, Rdnr. 1505). Danach muss der Beitragsbescheid das der sachlichen Beitragspflicht unterliegende (Buch-)Grundstück, für das der Beitrag festgesetzt wird, auch konkret benennen. Die bloße Erwähnung der zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht noch existenten Grundstücke der Klägerin in dem Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 oder in Berufungsschriftsätzen der Beklagten ist nicht ausreichend,

90

d) Zu den sonstigen Einwendungen der Klägerin weist der Senat - ohne insoweit eine abschließende Prüfung vorgenommen zu haben - auf folgendes hin:

91

Auf den von der Klägerin behaupteten Eigentumsübergang der Flurstücke 48/5 und 48/7 schon vor dem 1. Januar 2006 - dem die Beklagte allerdings substanziiert widersprochen hat - kommt es auf Grund der Nichtigkeit der Satzung vom 14. Dezember 2006 ebenso wenig an wie auf ihren Vortrag, die Beklagte habe mit einem notariellen Vertrag einer Übernahme öffentlicher Lasten schon ab Besitzübergang zugestimmt.

92

Ebenfalls nicht entschieden werden muss, ob die Rückwirkungsanordnung in dieser Satzung fehlerhaft ist. Allerdings liegt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Anschlussbeitragsrecht ein Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA oder gegen § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA nicht vor, wenn die Beitragssatzung mit ihrer Rückwirkungsanordnung Zeiträume erfasst, in denen nichtige Beitragssatzungen eigentlich gelten sollten. Einer Rückwirkung steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Bekanntgabe des Beitragsbescheides und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch die rückwirkend in Kraft getretene Satzung Eigentumsveränderungen stattfanden. Dabei handelt es sich - wie oben dargelegt - um Fragen der persönlichen Beitragspflicht nach § 6 Abs. 8 KAG LSA.

93

Soweit streitig ist, ob die herangezogenen Grundstücke im Innenbereich oder (teilweise) im Außenbereich liegen, spricht Überwiegendes dafür, dass eine Innenbereichsabgrenzung durch eine nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB erlassene Satzung der Gemeinde für das Gericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Anschlussbeitrags maßgeblich und verbindlich ist (VG Cottbus, Urt. v. 19. Mai 2011 - 6 K 198/08 -, zit. nach JURIS m.w.N.; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1031, 1465; a.M.: OVG Sachsen, Beschl. v. 2. März 2010 - 5 D 149/09 -; VG Dessau, Urt. v. 28. April 2006 - 1 A 466/05 -, jeweils zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 550). Denn für die Beitragserhebung ist grundsätzlich von der Rechtsverbindlichkeit bauplanerischer Satzungen auszugehen, solange diese nicht aufgehoben oder durch (allgemein-)verbindlichen Ausspruch in einer gerichtlichen Entscheidung, ggf. in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO für nichtig bzw. unwirksam erklärt worden sind (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. September 2011 - 4 L 196/10 -, zit. nach JURIS zu einem Bebauungsplan; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29. Juni 2005 - 1 L 411/04 -). Zwar ist die Gemeinde bei der Aufstellung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB an die Grenzen des tatsächlich vorhandenen Innenbereichs gebunden; sie ist nicht ermächtigt, planerisch über die Zugehörigkeit von Flächen zum Innenbereich zu entscheiden. In diesem Sinne hat eine Klarstellungssatzung lediglich deklaratorische Wirkung (so BVerwG, Urt. v. 22. September 2010 - 4 CN 2/10 -, zit. nach JURIS). Entscheidend im Rahmen der Prüfung einer beitragsrechtlichen Vorteilslage dürfte aber sein, dass der Klarstellungssatzung gegenüber öffentlichen Planungsträgern und sonstigen öffentlichen Stellen - ähnlich dem § 7 BauGB - Bindungswirkung zukommt. Insbesondere ist die Baugenehmigungsbehörde an die Festlegung der Grenzen gebunden (so OVG Sachsen, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, zit. nach JURIS; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rdnr. 99; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 414). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung anscheinend die Rechtsauffassung vertreten hat, die Klägerin könne im beitragsrechtlichen Verfahren mit Erfolg die Innenbereichslage ihrer Grundstücke negieren und gleichzeitig im bau(planungs)rechtlichen Verfahren einen Anspruch auf Bebauung dieser Grundstücke auf der Grundlage einer Innenbereichssatzung durchsetzen, trifft dies nicht zu.

94

Falls Grundstücke nur teilweise von der Geltungswirkung einer Innenbereichssatzung erfasst werden, dürfte allerdings nach den Vorgaben der Beitragssatzung vom 30. Mai 2012 von vornherein nur die von der Innenbereichssatzung erfasste Fläche herangezogen werden dürfen. Denn nach § 4 Abs. 3 Buchst. Nr. 3 AAS 2012 gilt bei Grundstücken, die im Bereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB liegen sowie bei Grundstücken, die über die Grenzen einer solchen Satzung hinausreichen, - sofern sie nicht unter Nr. 6 oder Nr. 7 fallen - die Fläche im Satzungsbereich, wenn diese baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Damit dürfte eine Anwendbarkeit des § 4 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a AAS 2012 auf die Grundstücksteile, die nicht von der Innenbereichssatzung erfasst werden, ausgeschlossen sein.

95

Sollte es darauf ankommen, wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB und damit die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht verläuft, lässt sich dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung aufgrund einer „echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts". Bei dieser Wertung und Bewertung kann nur eine komplexe, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigende Betrachtungsweise im Einzelfall zu einer sachgerechten Entscheidung führen. Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse und Straßen. Zu berücksichtigen sind indes nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Die Anwendbarkeit des § 34 BauGB setzt danach eine bestehende aufeinander folgende Bebauung voraus (Bebauungszusammenhang), die einen „Ortsteil“ bildet. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Dabei erfordert das Merkmal der organischen Siedlungsstruktur nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt. Auch eine unterschiedliche, unter Umständen sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. Ebenso wenig kommt es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung oder darauf an, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27. April 2011 - 4 M 43/11 - und v. 19. Dezember 2011 - 4 L 75/11 -, jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Danach unterbricht ein tatsächlich bebautes Grundstück grundsätzlich nicht den Bebauungszusammenhang. Insoweit kann auch eine aufgegebene oder dem Verfall preisgegebene Bebauung eine fortdauernd prägende Wirkung entfalten. Unter den Begriff „Bebauung“ fallen allerdings auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Bauwerke, die maßstabsbildend, also optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind. Eine ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung kann zwar auch noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe einer Nutzung nachwirken. Eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert indes ihre maßstabsbildende Wirkung, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihr nicht mehr gerechnet werden kann (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27. April 2011 - 4 M 43/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

96

Ein Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 5. Mai 2011 - 4 L 175/09 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2152) entsteht nur bei baulich oder zumindest abwasserrechtlich vergleichbar nutzbaren Grundstücken. Dementsprechend macht § 3 Abs. 1 Nr. 2 AAS 2012 bei Grundstücken, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, die Beitragspflicht davon abhängig, ob sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung in der Stadt zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen und es gilt gem. § 4 Abs. 3 Nr. 3 AAS 2012 bei der Flächenermittlung von Grundstücken im Bereich von § 34 BauGB-Satzungen eine Einschränkung hinsichtlich ihrer baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit.

97

Die Vorteilslage besteht nicht oder nicht in vollem Umfang, wenn die Bebaubarkeit bzw. Nutzbarkeit eines Grundstücks durch darauf lagernde Altlasten (wie hier durch Munition, Munitionsteile und andere chemische Stoffe) im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies ist voraussichtlich erst dann der Fall, wenn auch eine Räumung bzw. Sanierung des Grundstücks tatsächlich nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen objektiv nicht vertretbar ist. Dann ist es sog. Unland gleichzusetzen, zu dem gem. § 45 Abs. 1 BewG die Betriebsflächen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen gehören, die auch bei geordneter Wirtschaftsweise keinen Ertrag abwerfen können. Die Eintragung im Altlastenregister an sich bzw. die fehlende Entlassung der Klägerin aus der Störerverantwortlichkeit führt danach allerdings noch nicht zu einer fehlenden Vorteilslage, weil eine Sanierbarkeit gegeben sein könnte. Die Sanierungspflichten des Eigentümers nach § 4 Abs. 3 BBodSchG wiederum sind allein nicht ausreichend, eine Vorteilslage anzunehmen. Denn diese Pflichten sollen nach der Regelung lediglich Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für Einzelne oder die Allgemeinheit ausschließen (Satz 1) und es wird ausdrücklich auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgestellt (Satz 3).

98

Es spricht Überwiegendes dafür, dass im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten nicht die Gesamtfläche eines Grundstücks durch Kontamination einer beitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit entzogen sein muss, um von einer fehlenden Bevorteilung auszugehen. Selbst wenn nur Teilflächen dieses Grundstücks derart betroffen sind, dürfte ein Vorteil für diese Teilflächen nicht gegeben sein. Dass bau(planungs)rechtlich nicht immer die gesamte Grundstücksfläche nutzbar ist, dürfte bei der Betroffenheit durch Altlasten weder dazu führen, dass diese Einschränkungen erst im Rahmen von Billigkeitsentscheidungen zu berücksichtigen sind, noch, dass hinsichtlich derart betroffener Flächen eine Gleichbehandlung mit den einen Verminderungszwang auslösenden öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10. März 2006 - 4 L 250/05 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2178, 2181) vorzunehmen ist (a.M.: VGH Hessen, Urt. v. 17. Dezember 2003 - 5 UE 1734/02 -, zit. nach JURIS). Abgesehen davon, dass bei Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 AAS 2012 schon auf Grund der ausdrücklichen Anordnung zur baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit der heranzuziehenden Grundstücksfläche eine solche Nutzbarkeit Voraussetzung für die Grundstücksflächenermittlung ist, besteht zwischen öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen und dem Ausschluss jeglicher Nutzbarkeit durch Altlasten ein substanzieller und auch rechtlich erheblicher Unterschied (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9. August 2006 - 4 L 255/06 -, zit. nach JURIS).

99

Die Ermittlung derart unsanierbarer Grundstücksflächen obliegt nach dem im Abgabenrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 88 AO) der Behörde, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 99 AO dazu Betretungsrechte hat. Sie kann dazu auch sachverständige Aussagen anderer Behörden, etwa der Landesanstalt für Altlastenfreistellung, verwenden. Jedoch hat der Grundstückseigentümer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 90 Abs. 1 AO umfassende Mitwirkungspflichten bei der Ermittlung von Art und Umfang der Kontaminierungen. Die pauschalen Behauptungen der Klägerin zu den bestehenden Altlasten ohne eine nähere Substanziierung wären daher keinesfalls ausreichend. Dies gilt umso mehr, weil die Klägerin einen Großteil der streitbefangenen Flächen zum Verkauf anbietet oder angeboten hat bzw. solche Flächen tatsächlich verkauft worden sind und schon deshalb zumindest eine erhebliche Indizwirkung dafür besteht, dass es sich dabei um baulich nutzbare Flächen handelt bzw. eine Sanierung wirtschaftlich vertretbar ist. Auf das Vorbringen der Klägerin, es seien auf jedem einzelnen der streitgegenständlichen Grundstücke selbständig baulich nutzbare, von Altlasten unbelastete oder nur unwesentlich unterhalb der Gefahrenschwelle belastete Grundflächen nicht vorhanden, kommt es schon deshalb nicht an, weil auch sanierungsfähige Flächen aus der Anschlussmöglichkeit einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen können. Es kann daher offen bleiben, ob diese Behauptung zudem nicht schon durch ihren sonstigen Vortrag und die dargestellten tatsächlichen Umstände zu dem Verkauf von Teilflächen widerlegt wird.

100

Zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht muss - falls das herangezogene Grundstück nicht schon tatsächlich an die zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen ist - jedenfalls die gesicherte Möglichkeit der Anschlussnahme an die Einrichtung gegeben sein. In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 6 Abs. 1 AAS 2012, wonach die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage für das zu entwässernde Grundstück entsteht, dahingehend auszulegen, dass dazu die betriebsfertige Herstellung des Hauptsammlers vor dem zu entwässernden Grundstück ausreicht. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist diese Regelung nicht zu unbestimmt. Die betriebsfertige Herstellung i.S.d. § 6 Abs. 1 AAS 2012 umfasst weiterhin nicht die Herstellung des Grundstücksanschlusses. Zwar gehören nach § 2 Abs. 8 Buchst. a Satz 2 der Abwassersatzung der Beklagten in der Fassung der 4. Novellierung vom 20. Juni 2002 in der Gestalt der 2. Änderungssatzung vom 10. März 2005 - AbwS - zur öffentlichen Einrichtung der zentralen Abwasseranlage auch die Grundstücksanschlüsse. Bei einer Erhebung von gesonderten Kosten für die Grundstücksanschlüsse, wie sie in den §§ 17 ff. AAS 2012 vorgesehen ist, genügt es für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, dass der Hauptsammler betriebsfertig hergestellt ist. Die in § 8 Satz 2 KAG LSA ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen auch dann Kostenerstattungen nach § 8 Satz 1 KAG LSA geltend zu machen, wenn der Grundstücksanschluss durch Satzung zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmt wurde, bewirkt eine Aufwandspaltung (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. September 2006 - 4 M 44/06 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1068, Rdnr. 2204). Daher ist es auch unbeachtlich, dass die Herstellung der Grundstücksanschlüsse als Teil der öffentlichen Einrichtung gem. § 11 Abs. 3 AbwS der (...) GmbH oder einem von ihr beauftragten Unternehmen obliegt.

101

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Größe der Grundstücke und Hindernisse auf den Grundstücken die Zumutbarkeit der Anschlussmöglichkeit bestreitet, fehlt sowohl hinsichtlich einer Anschlussmöglichkeit der Vorderliegergrundstücke (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 542, Rdnr. 1050, Rdnr. 2205 jeweils m.w.N.) als auch hinsichtlich einer Anschlussmöglichkeit von Hinterliegergrundstücken (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1050b, Rdnr. 2211 jeweils m.w.N.; Rosenzweig/Freese, a.a.O., § 6 Rdnr. 243 m.w.N.) schon eine hinreichende Substanziierung. Die pauschale Auflistung von tatsächlichen Hindernissen ohne Anknüpfung an die konkrete Grundstückssituation und der bloße Hinweis auf eine „durchschnittliche Leitungslänge“ von „über 200 m“ und die bloße Rüge, das Verwaltungsgericht habe insbesondere verschiedene Kostenpositionen nicht ermittelt, ist nicht ausreichend. Darüber hinaus dürfte auch hier zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin diese Flächen bzw. erhebliche Teile davon als Gewerbeflächen zum Verkauf anbietet und angeboten hat.

102

Soweit die Klägerin geltend macht, die Ermittlung der Vollgeschosszahlen, die sich bei Innenbereichsgrundstücken i.S.d. § 3 Abs. 3 Nr. 3 bis 5 AAS 2012 gem. § 4 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a und b AAS 2012 nach der höchsten Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken und der Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse bei unbebauten Grundstücken richtet, sei auf Grund von Ermittlungsfehlern im Einzelfall und auf Grund von mehreren methodischen Fehlern offenkundig verfehlt, lässt ihr Vorbringen nicht einmal ansatzweise erkennen, von welchen Vollgeschosszahlen stattdessen auszugehen sei. Ihr Einwand, der Begriff „nähere Umgebung“ sei zu unbestimmt, ist angesichts der gleichlautenden Formulierung in § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauGB offensichtlich unbegründet (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. Januar 2004 - 1 L 146/03 -, zit. nach JURIS). Der weiterhin geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich der benachbarten L... GmbH läuft auf eine unzulässige (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2. September 2009 - 4 L 467/08 - und Beschl. v. 25. Juli 2006 - 4 M 293/06 -, jeweils zit. nach JURIS) Gleichbehandlung im Unrecht hinaus. Im Übrigen geht die Klägerin zu Unrecht von einer „flächendeckenden Heranziehung mit zwei Vollgeschossen“ aus. In dem Schriftsatz vom 28. Januar 2009 hat die Beklagte für mehrere Grundstücke nur noch eine (Umgebungs)Bebauung von einem Vollgeschoss angenommen und die Beiträge entsprechend festgesetzt.

103

Eine Aufrechnung mit dem von der Klägerin schon gezahlten Betrag in Höhe von 20.000,- € ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um einen Gegenanspruch i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 226 Abs. 3 AO handelt.

104

Hinsichtlich der Aufrechnung mit einer Rückforderung in Höhe von 95.752,50 € aus einem Ablösevertrag nach dem Baugesetzbuch müsste für die Frage, ob diese Forderung i.S.d. § 226 Abs. 3 AO unbestritten ist, im Einzelnen geprüft werden, wann die Beklagte den Anspruch bestritten hat und ob diese Erklärung nicht als verspätet angesehen werden muss (vgl. dazu Pahlke, AO, 2. A., § 226 Rdnr. 32; Klein, AO, 11. A., § 226 Rdnr. 40; vgl. auch BFH, Urt. v. 5. Februar 1985 - VII R 124/80 -, zit. nach JURIS).

105

Eine fehlerhafte Anwendung der satzungsrechtlichen Billigkeitsregelungen nach § 6c Abs. 3 KAG LSA hat die Klägerin lediglich behauptet, ohne substanziiert darzustellen, für welche Grundstücke eine abweichende Berechnung des Beitrages geboten gewesen wäre.

106

Der bloße Einwand, ihr Eigentum werde „gänzlich ausgehöhlt“ und die Belastungen durch staatliche Forderungen überstiegen den jeweiligen Grundstückswert, ist schließlich - unabhängig von der fehlenden Konkretisierung und Substanziierung dieser Behauptung - von vornherein nicht geeignet, im Rahmen einer Anfechtungsklage Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung zu wecken. Insoweit müsste die Klägerin mit einer Verpflichtungsklage Billigkeitsmaßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 163 Abs. 1 AO oder nach § 13a Abs. 1 KAG LSA i.V.m. § 227 AO verfolgen.

107

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin voll obsiegt, für das erstinstanzliche Verfahren ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Klage unzulässig war. Im Rahmen der Kostenentscheidung gem. § 161 Abs. 2 VwGO über den durch die Erledigungserklärungen erfassten Teil des Rechtsstreits entspricht es billigem Ermessen, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trägt. Denn die Klage hätte auch hinsichtlich der insoweit betroffenen Grundstücke Erfolg gehabt.


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.