Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Jan. 2016 - 6 K 1036/14.A

ECLI:ECLI:DE:VGAC:2016:0130.6K1036.14A.00
bei uns veröffentlicht am30.01.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Jan. 2016 - 6 K 1036/14.A

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Jan. 2016 - 6 K 1036/14.A

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Jan. 2016 - 6 K 1036/14.A zitiert 13 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Jan. 2016 - 6 K 1036/14.A zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

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Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg

Referenzen

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

2

Der Kläger reiste 2013 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) über einen Eurodac-Treffer Kenntnis davon erhielt, dass der Kläger 2009 in Italien einen Asylantrag gestellt hat, richtete es im November 2013 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, das nicht beantwortet wurde. Daraufhin entschied es mit Bescheid vom 21. Januar 2014, dass der Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2).

3

Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 4. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an. Mit Urteil vom 28. November 2014 wies es die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 2016 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Nach der Dublin II-Verordnung sei die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht rechtzeitig nach Italien überstellt worden sei. Die sechsmonatige Überstellungsfrist habe nach dem Wiederaufnahmegesuch vom November 2013 und der fehlenden Reaktion der Italiener im Dezember 2013 begonnen. Mit Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht sei sie im März 2014 zwar unterbrochen worden, habe mit Ende der aufschiebenden Wirkung im April 2015 aber erneut begonnen. Werde die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen, ende die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies sei hier der innerhalb eines Monats zu stellende und zu begründende Antrag auf Zulassung der Berufung. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Das Fristenregime der Dublin II-Verordnung begründe für sich genommen zwar keine einklagbaren subjektiven Rechte. Der Kläger habe aber aus dem materiellen Recht einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüfe. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats positiv feststehe. Dies sei hier nicht der Fall. Durch die (fingierte) Erklärung zur Wiederaufnahme habe Italien nur eine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist akzeptiert. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit sei, das Asylverfahren durchzuführen. Vorliegend fehlten jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwende. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

4

Die Beklagte macht mit der Revision insbesondere geltend, dass die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Ordne das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage an, beginne die Frist auch bei einem klagabweisenden Urteil erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung. Denn erst dann sei sichergestellt, dass die Überstellung tatsächlich erfolgen werde, und es müssten nur noch die Modalitäten geregelt werden.

5

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 in Verbindung mit § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

7

Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bescheid des Bundsamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 21. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht vor (1.). Die (Unzulässigkeits-)Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (2.) und verletzt den Kläger unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (3.). Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz (IntG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51), ohne dass hierdurch materiell die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (bislang: § 27a Asyl(Vf)G; nunmehr: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) in der Sache geändert worden sind.

9

1. Ungeachtet der gewählten Formulierung hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 1 ("Der Asylantrag ist unzulässig") eine rechtsgestaltende Regelung über die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a Asyl(Vf)G (inzwischen: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) getroffen; hiergegen ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 13 ff.).

10

Die Klage ist insoweit auch begründet. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

11

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO weiterhin die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 050 S. 1) - Dublin II-VO -, maßgeblich ist, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind.

12

b) Ob nach der Dublin II-Verordnung - wie vom Berufungsgericht angenommen - zunächst Italien (originär) zuständig war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Zuständigkeit jedenfalls wegen nicht fristgerechter Überstellung auf Deutschland übergegangen ist.

13

Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags auf den Mitgliedstaat über, in dem der Antrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Verlängerungsmöglichkeiten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO - nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist beginnt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO mit der Annahme des Wiederaufnahmeantrags durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

14

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich nach der ersten Variante mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat anläuft und die zweite Variante erst greift, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung zukommt. Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war, da die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Entfällt die aufschiebende Wirkung, sind die Behörden ab diesem Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 21 f. zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Folglich ist der Fristanlauf bei der zweiten Alternative nur für die Dauer der aufschiebenden Wirkung herausgeschoben. Endet diese vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, kann die Überstellungsentscheidung ab diesem Zeitpunkt vollzogen werden und sind nur noch die Modalitäten der Überstellung zu regeln. Damit entfällt die Rechtfertigung für einen weiteren Aufschub des Fristanlaufs und ist sichergestellt, dass den Mitgliedstaaten - ausgehend von dem Ziel der Bestimmung, ihnen bei beiden Varianten die gleiche Frist von sechs Monaten zur Durchführung der Überstellung einzuräumen - keine kürzere, aber auch keine längere Frist zur Regelung der Modalitäten zur Verfügung steht.

15

Nach nationalem Recht kommt der gegen eine Überstellungsentscheidung erhobenen Klage zwar nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG). Der Betroffene kann aber - innerhalb einer Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) - nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung stellen. Gibt das Verwaltungsgericht diesem Antrag - wie hier geschehen - statt, endet die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels, wenn nicht das Oberverwaltungsgericht nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Antrag die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnet. Dabei ist maßgebliches Rechtsmittel, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zulässt, der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO mit der Folge, dass als Bezugspunkt für die Dreimonatsfrist auf den Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe und nicht auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 22).

16

Der Wortlaut des § 80b Abs. 1 VwGO steht dieser Auslegung nicht entgegen, auch wenn nach dem Rechtsmittelrecht das gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts gegebene Rechtsmittel - auch bei der Zulassungsberufung - die Berufung selbst (§ 124 Abs. 1 VwGO) und nicht der Antrag auf Zulassung der Berufung ist und der in § 80b Abs. 1 VwGO verwendete Begriff "gesetzliche Begründungsfrist" terminologisch eher eine Verknüpfung mit der nach Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO zu wahrenden Berufungsbegründungsfrist aufweist, während es im Zulassungsverfahren einer Darlegung der Zulassungsgründe bedarf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO/§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Vor allem teleologische Gründe sprechen dafür, bei der Zulassungsberufung bereits den Antrag auf Zulassung der Berufung als "Rechtsmittel" im Sinne des § 80b Abs. 1 VwGO anzusehen. Denn nach Sinn und Zweck soll die Begrenzung der aufschiebenden Wirkung der missbräuchlichen Ausnutzung des Suspensiveffektes entgegenwirken (BT-Drs. 13/3993 S. 9 und 11). Da das erstinstanzliche Urteil mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), käme § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO bei einem Abstellen auf die Berufungsbegründungsfrist von vornherein nur im Falle einer positiven Zulassungsentscheidung durch das Berufungsgericht zur Anwendung, also in Konstellationen, in denen ein Zulassungsgrund vorliegt und damit nicht selten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 80b Abs. 2 VwGO gegeben sein dürften. Bei aussichtslosen Rechtsmitteln, auf deren Verhinderung die Bestimmung gerade zielt, würde sie hingegen leerlaufen. Zudem hinge das Ende der aufschiebenden Wirkung von der (ungewissen) Dauer des obergerichtlichen Zulassungsverfahrens ab und würde gerade in den Fällen, in denen das Verwaltungsgericht - soweit außerhalb des gerichtlichen Asylverfahrens möglich - keine Veranlassung zur Zulassung der Berufung sieht, die aufschiebende Wirkung länger andauern als bei Zulassung der Berufung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht. Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn im Gesetzgebungsverfahren wurde das Fristende um drei Monate nach hinten verschoben. Diese Verschiebung wurde vor allem mit einer "Parallelisierung" der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Berufung und einer Eilentscheidung gemäß § 80b Abs. 2 VwGO begründet (BT-Drs. 13/5098 S. 23).

17

Ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung an, weist es die Klage in der Hauptsache aber ab, endet die aufschiebende Wirkung folglich - vorbehaltlich einer nach § 80b Abs. 2 VwGO möglichen Anordnung des Oberverwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert - nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe. In diesem Fall stellt das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts die vom EuGH geforderte gerichtliche Entscheidung dar, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird. Der Durchführung der Überstellung steht nach nationalem Prozessrecht aber erst mit dem gesetzlich auf einen späteren Zeitpunkt festgelegten Ende der aufschiebenden Wirkung nichts mehr im Wege. Dies hat - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - zur Folge, dass die Überstellungsfrist nicht schon mit der Zustellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils, sondern erst mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung beginnt, da der für die Überstellung zuständigen Behörde ansonsten nicht die mit der Regelung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO bezweckte zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung stünde, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind.

18

Etwaigen Unwägbarkeiten bei der Durchführung der Überstellung, die sich daraus ergeben können, dass die Überstellungsfrist mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung automatisch in Gang gesetzt wird, der Kläger nach Zulassung der Berufung aber jederzeit einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stellen kann, dem das Berufungsgericht bei entsprechenden Erfolgsaussichten stattgeben wird, kann das Bundesamt dadurch begegnen, dass es jedenfalls in Fällen, in denen aufgrund der Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung bestehen, von sich aus nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung der Abschiebungsanordnung bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung förmlich aussetzt. Eine derartige behördliche Entscheidung steht in ihren Wirkungen einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung gleich und hat zur Folge, dass die Verfügung weiterhin nicht vollzogen werden darf (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) und damit die Überstellungsfrist erneut unterbrochen wird. Unionsrecht steht einem solchen Vorgehen für diese Fallkonstellation nicht entgegen. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der Dublin III-VO aus der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Dass eine behördliche Aussetzungsentscheidung auch im Geltungsbereich der Dublin II-VO zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist nach der zweiten Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO führt, ergibt sich daraus, dass es sich bei dem dort verwendeten Begriff der "aufschiebenden Wirkung" um einen unionsrechtlichen Begriff handelt, der alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung nach den nationalen Vorschriften zur Ausgestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht vollzogen werden darf (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 19 zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

19

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hier die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO maßgeblich geworden ist. Mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden im Dezember 2013 begann die Überstellungsfrist zwar zunächst nach der ersten Variante. Die Beklagte hat aber noch im gleichen Monat und damit rechtzeitig vor Ablauf der Frist nach der ersten Variante die streitgegenständliche (Überstellungs-)Entscheidung getroffen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hatte zwar nicht von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, der Kläger hat aber rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 stattgegeben hat. Mit dieser Entscheidung lagen die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach der zweiten Alternative (Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt) vor.

20

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Überstellungsfrist nach der zweiten Variante zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelaufen war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere beginnt die Überstellungsfrist hier - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung zu laufen. Da das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 28. November 2014 abgewiesen und das Berufungsgericht nicht die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet hat, endete die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 1 VwGO von Gesetzes wegen drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dabei kommt als Rechtsmittel im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG in Betracht. Für diesen Antrag waren die Zulassungsgründe aufgrund der Sonderregelung für asylgerichtliche Verfahren in § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG innerhalb der einmonatigen Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung darzulegen. Nachdem die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 2. Dezember 2014 erfolgte, endete die aufschiebende Wirkung folglich am 2. April 2015. Damit begann die sechsmonatige Überstellungsfrist und ist die Zuständigkeit jedenfalls mit ihrem Ablauf am 2. Oktober 2015 - und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts im Februar 2016 - auf Deutschland übergegangen.

21

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Ziffer 1 des Bescheids auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist, weil es sich um einen Zweitantrag handelt und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a AsylG nicht vorliegen. Denn bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in Verbindung mit § 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung würde es sich prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen handeln, weil sie zur Folge hätte, dass der (Zweit-)Antrag des Klägers auch von keinem anderen Staat geprüft würde und er grundsätzlich in jeden zu seiner Aufnahme bereiten Staat einschließlich seines Herkunftslands abgeschoben werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff.). Die Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann auch nicht in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung umgedeutet werden.

22

3. Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen auch einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Zwar sind die Fristenregelungen in der Dublin II-Verordnung - anders als die Regelungen in der Dublin III-Verordnung (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juni 2016 - C-63/15 [ECLI:EU:C:2016:409], Ghezelbash und C-155/15 [ECLI:EU:C:2016:410], Karim - grundsätzlich nicht individualschützend. Sie dienen der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 17 ff. m.w.N. zur Fristenregelung für die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO). Dies gilt auch für die Überstellungsfristen bei der (Wieder-)Aufnahme und den damit verbundenen Zuständigkeitswechsel.

23

Der nach den Dublin-Bestimmungen zuständige Mitgliedstaat darf einen Schutzsuchenden aber dann nicht auf eine Prüfung durch einen anderen (unzuständigen) Mitgliedstaat verweisen, wenn dessen (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. Danach kann sich ein Schutzsuchender den für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht selbst aussuchen, er hat aber einen Anspruch darauf, dass ein von ihm innerhalb der EU gestellter Antrag auf internationalen Schutz innerhalb der EU geprüft wird. Könnte sich der Schutzsuchende auch bei fehlender (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen, entstünde die Situation eines "refugee in orbit", in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies würde dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwiderlaufen, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO bzw. 5 der Dublin III-VO). Das schließt allerdings nicht aus, dass Asylanträge aus anderen Gründen, etwa wegen mangelndem Betreiben des Asylverfahrens durch den Antragsteller, ohne Sachprüfung abgelehnt werden können. Das gilt nicht nur für Erstanträge, sondern gleichermaßen für Zweitanträge, auch wenn diese nur unter besonderen Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 20). Diese vom Senat zur Dublin III-Verordnung entwickelten Grundsätze sind dort aufgrund der Urteile des EuGH vom 7. Juni 2016 (C-63/15, Ghezelbash und C-155/15, Karim) inzwischen zwar überholt; sie gelten aber weiterhin für Verfahren, bei denen die Dublin II-VO zur Anwendung kommt.

24

Vorliegend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass jegliche Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwendet. Diese den Senat bindende tatrichterliche Feststellung (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht insbesondere nicht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage, weil das Berufungsgericht keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Denn es hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung auf den Ablauf der Überstellungsfrist und die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Bei dieser Sachlage hätte das Bundesamt, dem aufgrund seiner Mitwirkung bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen bekannt ist, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf den mit dem Ablauf der Überstellungsfrist verbundenen Zuständigkeitswechsel reagieren, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten substantiiert auf etwaige Besonderheiten speziell bei der Durchführung von Überstellungen nach Italien hinweisen können und müssen. Nachdem dies nicht geschehen war, durfte das Berufungsgericht das Schweigen des Bundesamts hier auch ohne weitere Nachfrage dahin würdigen, dass dort keine weiterführenden Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich Hinweise für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft ergeben, und damit letztlich allein aus dem Verhalten des Bundesamts auf die fehlende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft Italiens schließen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 23).

25

4. Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid deshalb insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht vor.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Asylbewerber aus Somalia. Er wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

2

Der Kläger stellte Mitte August 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 9. September 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger und am 1. Januar 1981 in Mogadischu geboren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab, die sich später als nicht verwertbar erwiesen. Der damit betraute Mitarbeiter stellte bereits bei der Abnahme fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Veränderungen aufwiesen, die voraussichtlich zur Unverwertbarkeit der abgenommenen Fingerabdrücke führen würden. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

3

Mit Schreiben vom 9. September 2010 wies das Bundesamt den Kläger darauf hin, dass die Beschädigung der Fingerkuppen den Verdacht begründe, dass der Kläger nicht bereit sei, an der Überprüfung seiner Identität mitzuwirken. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in die Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren. Zu seinem Reiseweg und zur Frage weiterer Asylanträge machte er innerhalb der Monatsfrist keine Angaben.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nummer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nummer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nummer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), weiter hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) hinsichtlich Somalia, sowie die Aufhebung der gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Den vom Bundesamt hierzu für den 15. November 2011 anberaumten Termin nahm der Kläger - nach eigenem Vorbringen wegen Verspätung - nicht wahr, bat das Bundesamt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2011 aber um einen neuen Termin. Ein solcher wurde jedoch nicht anberaumt.

7

Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid vom 22. Oktober 2010 auf. Während des Berufungsverfahrens erfuhr das Bundesamt, dass der Kläger im Rahmen einer polizeilichen Fahndungsmaßnahme im Oktober 2012 aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass sich der Kläger schon im Oktober 2009 unter einer anderen Identität in Deutschland aufgehalten hatte und ihm im Rahmen eines Rückübernahmeersuchens Fingerabdrücke abgenommen worden waren. Zugleich führte ein Abgleich mit der Eurodac-Datenbank zu einem Treffer. Danach hatte der Kläger bereits am 18. April 2009 in Italien und am 23. Oktober 2009 sowie am 22. Februar 2010 in Schweden Asyl beantragt. Das italienische Innenministerium hatte den schwedischen Behörden in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger in Italien bereits die Flüchtlingseigenschaft ("refugee status") zuerkannt worden und das Dublin-Verfahren abgeschlossen sei.

8

Darauf erklärte der Vertreter des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen") auf. Weiter hebe er die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat in Satz 2 von Nummer 3 des Bescheides auf. Stattdessen werde dem Kläger die Abschiebung nach Italien angedroht. Daraufhin kündigte der Klägervertreter hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien die Erhebung einer Klage an, sobald ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes zugestellt worden sei. Gleichzeitig erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit das Bundesamt den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben habe. Der Beklagtenvertreter stimmte der Hauptsacheerledigungserklärung insoweit zu, als Satz 1 von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (Nummer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2010) festgestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Einstellung des Verfahrens in Nummer 1 des Bescheids sei rechtswidrig. Denn diese Rechtsfolge sehe § 32 Satz 1 AsylVfG nur für den Fall der Asylantragsrücknahme oder des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG vor. Als geeignete Reaktion auf die Anerkennung als Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat käme etwa die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie 2005) in Betracht. Eine Umdeutung der Verfahrenseinstellung in eine andere Form der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung nach § 47 VwVfG sei nicht möglich.

10

Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorlägen, habe nicht aufrechterhalten werden können, da seit Oktober 2012 bekannt sei, dass dem Kläger in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Soweit das Bundesamt in Nummer 3 seiner Verfügung die Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers aufgehoben und durch die Androhung der Abschiebung nach Italien ersetzt hat, habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dem Feststellungsbegehren des Klägers sei zu entsprechen, weil das Bundesamt seinen Bescheid in Nummer 3 durch die Androhung der Abschiebung nach Italien verändert, der Kläger aber diesen neuen Verwaltungsakt nicht im Wege einer objektiven Klageänderung in das Verfahren einbezogen habe. Vielmehr habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, Klage zu erheben, wenn hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien ein entsprechender Bescheid der Beklagten zugestellt worden sei.

11

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Diese begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Der Verwaltungsgerichtshof hätte zunächst prüfen müssen, ob das Verfahren schon vor den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt gewesen sei, weil der Kläger einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen war. In diesem Fall hätte er die Klage abweisen müssen. Das Bundesamt sei sehr wohl befugt, ein Asylverfahren auch dann ohne Sachentscheidung einzustellen, wenn sich - wie hier - herausstelle, dass der Asylbewerber bereits im Ausland als Flüchtling anerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AufenthG (n.F.) sehe ausdrücklich vor, dass das Bundesamt bei einer ausländischen Anerkennung kein (weiteres) Asylverfahren mehr durchzuführen habe. Das entspreche Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in derartigen Fällen als unzulässig behandeln könnten. Der deutsche Gesetzgeber habe für diese Konstellation zwar keine konkrete Regelung getroffen, die vorhandene Regelungslücke sei aber durch die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung in Anlehnung an § 32 AsylVfG zu schließen. Dann könne Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auch entsprechend umgedeutet werden. Eine Erledigung sei zu Nummer 3 des angefochtenen Bescheids durch die Änderung des Zielstaats der Abschiebung nicht eingetreten. Der Hinweis auf den Herkunftsstaat habe keinen Regelungscharakter, so dass der Kläger hierdurch auch nicht beschwert sei. Selbst bei Bejahung von Abschiebungsverboten bleibe die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt.

12

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 hat die Beklagte durch ergänzenden Bescheid vom 15. Mai 2014 Italien als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bestimmt (Nummer 1) und angeordnet, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Nummer 2). Der Kläger hat gegen den ergänzenden Bescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Soweit sich die Klage gegen den fehlenden Ausschluss von Somalia als Zielstaat einer Abschiebung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Oktober 2010 gerichtet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

14

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2010 bestätigt hat. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Hingegen hat die Revision überwiegend keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheids richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht eine Erledigung der Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung angenommen. Diese ist vielmehr aufrechtzuerhalten. Allerdings hat er mit Recht entschieden, dass die nachträgliche Bestimmung von Italien als Zielstaat der Abschiebung nicht in das vorliegende Verfahren einbezogen wurde. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über die Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt haben, beruht dies auf der rechtlich gebotenen nachträglichen Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Insoweit hat die Beklagte dem Anfechtungsbegehren des Klägers entsprochen und war das Verfahren einzustellen.

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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

16

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt, weil die Voraussetzungen für ein Nichtbetreiben des Verfahrens vorliegen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Betreibensfrist nicht die von ihm geforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zur Frage einer Asylantragstellung im Ausland gemacht.

17

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG (a.F.) auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, hingegen noch nicht das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.), als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG (a.F.) vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG (a.F.) ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) eine Woche. Für die Beurteilung des Regelungsinhalts des vorliegenden Bescheids ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen, da eine nachträgliche Erweiterung seiner Einstellungswirkung auch auf die Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes eine echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bedeuten würde, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).

18

1.1 Das Berufungsgericht durfte von der Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht wegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen absehen. Zwar hat dieser erklärt, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auf ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen"). Die erklärte Aufhebung ging jedoch ins Leere. Denn der Ausspruch der Rücknahmefiktion des Asylantrags durch das Bundesamt hat nach der gesetzlichen Ausgestaltung in § 33 und § 32 AsylVfG keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Wirksamkeit der Rücknahme bedarf keiner Feststellung durch das Bundesamt; sie ist lediglich Vorfrage für den gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG zu treffenden feststellenden Ausspruch, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diesen hat das Bundesamt aufrechterhalten. Im Übrigen konnte das Bundesamt eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Einstellungswirkung nicht nachträglich aufheben.

19

1.2 Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG war gerechtfertigt. Sie setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben. Zu diesen gehört die Pflicht des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 19). Nach den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen bestanden hier solche berechtigten Zweifel, weil bereits bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung Gründe für die voraussichtliche Nichtverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert worden waren, ohne dass der Kläger dazu substantiiert Stellung genommen hatte.

20

1.3 Allerdings führte die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, soweit vom Kläger die Mitwirkung an der Abgabe seiner Fingerabdrücke verlangt wurde. Denn Nummer 1 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 verlangte von ihm die Abgabe "auswertbarer Fingerabdrücke" und entsprach damit nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 24 und 35). Die Aufforderung vom 26. Oktober 2011 entsprach dann zwar den gesetzlichen Vorgaben, weil sie vom Kläger lediglich verlangte, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 39). Der Kläger kam dieser zweiten Betreibensaufforderung auch nicht nach, denn er erschien zu dem vom Bundesamt anberaumten Termin zur erneuten Fingerabdrucknahme am 15. November 2011 nicht. Ein mangelndes Betreiben des Verfahrens liegt trotz dieser Säumnis aber deshalb nicht vor, weil der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. November 2011 um einen neuen Termin zur erkennungsdienstlichen Behandlung gebeten hatte. Die versäumte Mitwirkungshandlung hätte damit noch innerhalb der gesetzten Betreibensfrist nachgeholt werden können. Eine Gelegenheit hierzu hat das Bundesamt dem Kläger aber nicht mehr eingeräumt.

21

1.4 Die Einstellungswirkung des § 32 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dadurch eingetreten, dass der Kläger der selbständigen Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung nicht fristgerecht nachgekommen ist (Nummer 2 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010).

22

Der Kläger war nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verpflichtet, die vom Bundesamt angeforderten Angaben zu machen. Zu den Angaben, die von einem Asylbewerber verlangt werden können, zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 33). Die Aufforderung vom 9. September 2010, das Verfahren durch entsprechende schriftliche Angaben zu betreiben, entspricht hier auch den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 AsylVfG.

23

Der Kläger hat die geforderten schriftlichen Angaben nicht innerhalb der Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG gemacht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers dies mit Schreiben vom 2. November 2010 - nach Ablauf der Monatsfrist - nachzuholen versucht. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung ergeben sich aus dem Schreiben jedoch nicht (zur Anwendung des § 32 VwVfG auf die Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Danach soll die Versäumung der Frist auf einem beim Kläger hervorgerufenen Irrtum beruhen. Dieser habe geglaubt, seiner Verpflichtung aus der Betreibensaufforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er am 7. Oktober 2010 bei der Außenstelle des Bundesamtes erschienen sei und sich dort erneut habe Fingerabdrücke abnehmen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass er nunmehr zeitnah vom Bundesamt zu seinen Asylgründen, zu seinem Reiseweg und zur Asylantragstellung in anderen Ländern befragt werde. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine unverschuldete Fristversäumnis. Denn die Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 bezieht sich auf zwei voneinander unabhängige Handlungen: (1) die Abnahme von Fingerabdrücken und (2) die schriftliche Darlegung zum Reiseweg sowie einer möglichen Asylantragstellung. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, durch eine Mitwirkung an der Abnahme von Fingerabdrücken zugleich seiner Pflicht nachgekommen zu sein, die geforderten schriftlichen Angaben zu machen. Dass auch für die in der Betreibensaufforderung genannten schriftlichen Angaben die Monatsfrist gilt, ergibt sich aus der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Nichtbetreibens, in der sich die Monatsfrist erkennbar auf beide Mitwirkungshandlungen bezieht. Einer zusätzlichen Erwähnung der Monatsfrist in der Aufforderung zu schriftlichen Darlegungen - wie sie bei der Aufforderung zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt ist - bedurfte es angesichts der Eindeutigkeit der auf beide Mitwirkungshandlungen bezogenen Aussage zu den Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der gesetzten Frist nicht. Der Kläger konnte dies auch verstehen, da ihm der Bescheid am 9. September 2010 nicht nur in deutsch, sondern auch in einer in die Sprache Somali übersetzten Fassung überreicht wurde.

24

1.5 Ist das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG eingestellt, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Verwaltungsgerichtshof als erheblich angesehene Frage, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden kann.

25

1.6 Die Beklagte war für die erfolgte Einstellung des Verfahrens auch international zuständig. Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union besteht nicht.

26

Es kann offenbleiben, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind und das auch für Entscheidungen über die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gilt. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Doch selbst wenn diese Regelungen anwendbar sein sollten, wäre Deutschland der für die Entscheidung zuständige Mitgliedstaat geworden, ohne dass sich insoweit eine zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtende Zweifelsfrage stellt.

27

Nach der in Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) getroffenen Übergangsregelung ist die Dublin III-VO zwar erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Hier war der Antrag bereits im August 2010 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden, so dass auf ihn grundsätzlich noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1 - Dublin II-VO) anwendbar wäre. Allerdings findet die Dublin III-VO darüber hinaus auf die Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - Anwendung. Im vorliegenden Fall käme eine Zuständigkeit Italiens anstelle Deutschlands in Betracht, weil der Kläger dort bereits im April 2009 einen Asylantrag gestellt hat und ihm dort die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Art. 13 Dublin II-VO und Dublin III-VO). Eine Überstellung des Klägers nach Italien zur Prüfung des danach in Deutschland gestellten weiteren Antrags wäre nur im Wege der Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO, Art. 23 ff. Dublin III-VO) möglich. Für Gesuche auf Wiederaufnahme - sofern sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden - ist jedenfalls für das zu beachtende Verfahren die Dublin III-VO maßgeblich. Danach sind derartige Gesuche nunmehr gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von zwei bzw. drei Monaten zu stellen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 31). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verstrichen, ohne dass das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet hat. Damit ist Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des hier gestellten (neuen) Asylantrags zuständig, wenn man von der Anwendbarkeit der Dublin-Regelungen auf den vorliegenden Asylantrag ausgeht.

28

2. Der Kläger kann mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) nicht durchdringen. Dieser Anspruch wird zwar nicht schon von der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) erfasst (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). Seine Geltendmachung ist jedoch nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.

29

Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).

30

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

31

Für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach der vor dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm diese Aufhebung keinerlei Vorteile bringen kann, nachdem sein Begehren auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach dem nunmehr geltenden Recht unzulässig ist.

32

3. Auch der vom Kläger weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias ist unzulässig. Denn ihm steht kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf Somalia bereits aufgrund seiner ausländischen Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu (siehe oben Rn. 29). Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehlt dem Kläger hier das Rechtsschutzbedürfnis.

33

Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, da er aufgrund der in Italien ausgesprochenen Anerkennung als Flüchtling bereits - wie oben ausgeführt - den begehrten Abschiebungsschutz in Deutschland genießt.

34

4. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids hat sich durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Erklärungen nicht erledigt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 29) verletzt Bundesrecht.

35

Zwar hat der Kläger die Ersetzung der Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat durch eine solche nach Italien, wie sie von dem Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 14. Januar 2013 erfolgt ist, nicht im Wege der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in das vorliegende Verfahren einbezogen. Das unterliegt im Verwaltungsprozess aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als nach § 68 FGO und § 86 SGG - allein seiner Entscheidung. Eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitert daran, dass es sich beim Austausch des Zielstaats um eine weitgehende inhaltliche Änderung der Abschiebungsandrohung handelt. Das gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsbegehren des Klägers hat sich aber durch die fehlende Einbeziehung der neuen Zielstaatsbestimmung in das Verfahren nicht erledigt. Denn der Klägerbevollmächtigte hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nur insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben hat. Bei der Abschiebungsandrohung hat die Beklagte aber nur die Zielstaatsbezeichnung "in seinen Herkunftsstaat" aufgehoben, nicht die Abschiebungsandrohung als solche. Die Abschiebungsandrohung besitzt auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 a.a.O. Rn. 25). Die Erledigungserklärung geht insoweit ins Leere, denn die nicht konkretisierte Zielstaatsbestimmung "in seinen Herkunftsstaat" stellte - ebenso wie ihre Aufhebung - mangels Regelungswirkung keinen anfechtungsfähigen Verwaltungsakt dar.

36

Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung erfüllt in ihrer durch Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 erlangten Fassung die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylVfG. Allerdings war sie in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit rechtswidrig, als sie entgegen § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht Somalia als den Staat bezeichnet hat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Hierzu war die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung der italienischen Flüchtlingsanerkennung, die aufgrund der somalischen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgte, verpflichtet. Diesen rechtlichen Mangel hat die Beklagte durch nachträgliche Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf, in Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 ausgeräumt. In der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden darf, liegt nach dem Gedanken der § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine verselbständigungsfähige Teilregelung. Die Parteien haben der veränderten Sachlage durch übereinstimmende Erledigungserklärungen Rechnung getragen. Damit ist der Rechtsstreit in Bezug auf diese Teilregelung der Abschiebungsandrohung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorangegangenen Entscheidungen hierzu werden entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos erklärt. Im Übrigen war die Klage gegen die Abschiebungsandrohung abzuweisen.

37

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit streitig entschieden wurde, aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Unterliegens des Klägers bei der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG sowie bei dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz erschien dem Senat - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu tragenden Kosten des eingestellten Verfahrensteils - eine Kostenverteilung sachgerecht, wonach der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein pakistanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

2

Der 1992 geborene Kläger reiste eigenen Angaben zufolge im Oktober 2013 nach Deutschland ein und stellte hier einen Asylantrag. Er gab gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - an, im Monat zuvor mit dem Schiff kommend in Italien eingereist zu sein, wo er auch erkennungsdienstlich behandelt worden sei.

3

Das Bundesamt hielt in seiner "Checkliste Aktenabgabe im Dublin-II-Verfahren" (ohne Datum) fest, dass kein Eurodac-Treffer der "Cat 1" (Asylbewerber) vorliege, wohl aber ein solcher der "Cat 2" (illegal Eingereiste). Am 30. Dezember 2013 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien und stützte dies auf Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung. Da die zuständigen italienischen Stellen hierauf nicht reagierten, wies das Bundesamt das italienische Innenministerium mit Schreiben vom 3. März 2014 darauf hin, dass das Übernahmeersuchen als angenommen gelte.

4

Mit Bescheid vom 12. März 2014 entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziffer 1 des Bescheids), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG an (Ziffer 2 des Bescheids). Ein beim Verwaltungsgericht gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss vom 7. April 2014 abgelehnt. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das Urteil hinsichtlich der Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bundesamtsbescheids) zugelassen, hinsichtlich der Zulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bundesamtsbescheids) jedoch abgelehnt. Durch Urteil vom 27. August 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat er im Wesentlichen wie folgt begründet: Die auf § 34a AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung der Beklagten sei mit Unionsrecht vereinbar, insbesondere mit den Dublin-Verordnungen zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats von 2003 und 2013. Es könne offenbleiben, welche dieser Verordnungen in einer Situation wie der vorliegenden anwendbar sei, in der das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen während der Geltung der Dublin II-Verordnung gestellt, das hier streitige Überstellungsverfahren aber erst nach Inkrafttreten der Dublin III-Verordnung eingeleitet worden sei. Es widerspreche nicht dem Unionsrecht, wenn nach § 34a AsylVfG zwingend der Erlass einer Abschiebungsanordnung vorgesehen sei. Denn der Wortlaut der Vorschrift sei in einer Weise offen, dass eine Abschiebung nicht ausnahmslos stattfinden müsse, etwa dann nicht, wenn Unionsrecht dem entgegenstehe. Zwar gewährten die Dublin-Regelungen den Mitgliedstaaten insoweit einen gewissen Spielraum, dieser werde aber durch den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Daher sei es unionsrechtlich nicht zulässig, die Überstellung allein im Wege der Abschiebung vorzusehen und durchzuführen. Dies sei bei der Entscheidung über den Vollzug der Überstellungsentscheidung von den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder zu beachten. Insoweit bedürfe es keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts. Die Verlagerung der Entscheidung über die Modalitäten der Überstellung auf die Ausländerbehörden entspreche der föderalen Struktur Deutschlands. Gegen die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung könne nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass eine Überstellung nach Italien nicht mehr möglich sei. Zum einen sei dies nach wie vor der Fall. Im Übrigen könne sich der Kläger auf einen Rückfall der Zuständigkeit auf Deutschland auch nicht berufen, weil Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids in Bestandskraft erwachsen und damit die Zuständigkeitsfrage rechtskräftig geklärt sei.

6

Der Kläger wendet sich mit seiner Revision gegen die Rechtsauslegung des Berufungsgerichts und sieht darin einen Verstoß gegen das im Grundgesetz und im Unionsrecht verankerte Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Überstellung eines Asylbewerbers diene nur der Durchsetzung einer Zuständigkeitsregelung. Es sei unverhältnismäßig, hierfür allein das Zwangsmittel einer Abschiebungsanordnung vorzusehen. Eine Abschiebung werde typischerweise mit Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt. Die Anordnung der Abschiebung schließe bei realistischer Betrachtung das abgestufte Regelungswerk unterschiedlicher Modalitäten der Überstellung aus, wie es das Unionsrecht vorgebe. Es sei auch keine unionsrechtskonforme Auslegung oder Handhabung möglich, da der Inhalt des Begriffs der Abschiebungsanordnung einen zwingenden Imperativ enthalte, von dem nicht abgerückt werden könne. Der Verweis des angefochtenen Urteils auf den Handlungsspielraum der Ausländerbehörden beim Vollzug der Überstellung könne eine unionsrechtskonforme Anwendung nicht gewährleisten. Wenn das Bundesamt eine Überstellung durch Erlass einer Abschiebungsanordnung regele, seien die Ausländerbehörden hieran gebunden. Auch spreche viel dafür, dass das Unionsrecht eine einzige Grundentscheidung über die Unzuständigkeit und die Modalitäten der Überstellung fordere und dabei generell die Möglichkeit einer "freiwilligen Selbstüberstellung" einzuräumen sei.

7

Die Beklagte hält die verfügte Abschiebungsanordnung für rechtmäßig. Die unionsrechtlichen Regelungen machten dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben, welche der unionsrechtlich zulässigen Überstellungsvarianten er vorzusehen habe. Seit April 2015 werde in den Bescheiden des Bundesamts die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise angeboten, wenn diese mit allen beteiligten Stellen abgestimmt sei. Hierauf bestehe jedoch kein Rechtsanspruch.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Die angefochtene Abschiebungsanordnung erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Rechtsgrundlage ist mit Unionsrecht vereinbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Entscheidung der Ausländerbehörden über den Vollzug der angeordneten Abschiebung zu beachten. Die Anordnung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die Überstellung nach Italien nicht mehr vollzogen werden könnte.

10

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das Asylverfahrensgesetz zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), das Aufenthaltsgesetz zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

11

Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids angeordnete Abschiebung des Klägers nach Italien die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG erfüllt. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Abschiebung eines Ausländers in den nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Vorschrift dient der Umsetzung der Dublin-Verordnungen der Europäischen Union über die Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.

12

1. Aufgrund der rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids steht fest, dass der Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylVfG unzulässig ist. Dabei handelt es sich - ungeachtet der gewählten Formulierung des Bundesamts ("Der Asylantrag ist unzulässig") - nicht um eine Feststellung, sondern um eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, wie das § 31 Abs. 6 AsylVfG verlangt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 - DVBl 2015, 118, 123).

13

2. § 34a Abs. 1 AsylVfG ist mit den unionsrechtlichen Bestimmungen des Dublin-Regelungswerks vereinbar, und zwar sowohl mit der hier anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO - und der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Dublin II-VO (ABl. L 222 S. 3) - Dublin-DVO - als auch mit der hier nicht anwendbaren Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO -.

14

a) Im vorliegenden Fall ist weiterhin die Dublin II-VO anwendbar. Das ergibt sich aus der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 der Dublin III-VO. Nach dieser Vorschrift ist die Dublin III-VO erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden, also ab dem 1. Januar 2014. Hier war der Antrag im Oktober 2013 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden. Darüber hinaus gilt die Dublin III-VO zwar ab dem 1. Januar 2014 für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung -, dies aber nur dann, wenn sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 27). Hier war der Aufnahmeantrag am 30. Dezember 2013 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden. Eine Anwendbarkeit der Dublin III-VO lässt sich auch nicht aus der Überlegung ableiten, dass mit der hier zu beurteilenden Abschiebungsanordnung das Überstellungsverfahren im Sinne von Art. 29 ff. Dublin III-VO und damit ein eigenständiger Verfahrensabschnitt eingeleitet wurde. Denn die Stichtagsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO gilt grundsätzlich für alle Anträge auf internationalen Schutz und enthält nur für nach dem Stichtag gestellte Gesuche um Aufnahme und Wiederaufnahme eine Rückausnahme. Da der Aufnahmeantrag hier am 30. Dezember 2013 gestellt worden ist, findet folglich auch auf die das Überstellungsverfahren einleitende Abschiebungsanordnung die Dublin II-VO Anwendung.

15

b) Die Dublin-Verordnungen geben keine Rangfolge hinsichtlich der drei von ihnen vorgesehenen Überstellungsmodalitäten vor. Möglich ist danach eine Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist (Art. 7 Abs. 1a Dublin-DVO, Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1e Dublin II-VO, Art. 26 Abs. 2 Dublin III-VO), eine bis zum Besteigen des Beförderungsmittels im Inland von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitete Überstellung (Art. 7 Abs. 1b Dublin-DVO, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO) und eine bis zur Übergabe an die Behörden des zuständigen Staates eskortierte Überstellung (Art. 7 Abs. 1c Dublin-DVO, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO -; eine Abgrenzung dieser drei Varianten unternimmt das Urteil des französische Conseil d'Etat vom 11. Oktober 2011 - No. 353002). In welcher dieser Varianten die Überstellung erfolgt, obliegt der Regelungskompetenz des ersuchenden Mitgliedstaats ("gemäß den nationalen Rechtsvorschriften" - so Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, entsprechend Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

16

Ein genereller Vorrang der Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO (entsprechend Art. 26 Abs. 2 Dublin III-VO) Mitteilungspflichten für den Fall der Überstellung auf eigene Initiative regelt. Denn diese werden ausdrücklich nur für den Fall normiert, dass dem Asylbewerber diese Möglichkeit eingeräumt wird ("gegebenenfalls"). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der hier nicht anwendbaren Dublin III-VO. Nach deren 24. Erwägungsgrund "sollten" sich die Mitgliedstaaten durch entsprechende Information des Antragstellers zwar für Überstellungen auf freiwilliger Basis einsetzen, ein Vorrang der selbstorganisierten Ausreise ergibt sich daraus jedoch nicht.

17

c) Eine Verpflichtung, dem Asylsuchenden zunächst eine Überstellung ohne Verwaltungszwang zu ermöglichen, ergibt sich auch nicht aus Regelungen der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) - Rückführungsrichtlinie. Zwar räumt Art. 7 dieser Richtlinie - anders als die Dublin-Regelungen - dem sich unrechtmäßig aufhaltenden Ausländer im Regelfall die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise ein, bevor Zwangsmaßnahmen ergriffen werden dürfen. Die Rückführungsrichtlinie findet grundsätzlich auf alle illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen Anwendung (Art. 2 Abs. 1 Richtlinie). Hierzu gehören auch illegal aus einem Drittstaat eingereiste Asylbewerber, denen gegenüber das Bundesamt das Bestehen einer Ausreisepflicht festgestellt hat (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2013, § 34a AsylVfG Rn. 11). Die Dublin-Verordnungen sind hinsichtlich der Modalitäten einer Überstellung aber leges speciales gegenüber den Vorschriften der Rückführungsrichtlinie.

18

Das ergibt sich schon daraus, dass die Rückführungsrichtlinie die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger regelt. Dieses Ziel ist mit einer freiwilligen Ausreise zu erreichen, die hierfür das mildeste und damit vorrangige Mittel darstellt. Die Überstellungsregelungen der Dublin-Verordnungen dienen hingegen dem Zweck, dass der Asylbewerber im Rahmen eines behördlich überwachten Verfahrens den Behörden des für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats übergeben wird oder sich selbst bei diesen meldet. Erst mit dem Eintreffen bei der zuständigen Behörde ist die Überstellung vollzogen, bis zu diesem Zeitpunkt läuft die maßgebliche Überstellungsfrist (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 11. November 2013 - 2 C 861/2013 - BGE 140 II 74, 77). Kommt es nicht zu einer fristgerechten Überstellung, geht die Zuständigkeit auf den überstellenden Mitgliedstaat über (vgl. Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO). Eine freiwillige Ausreise im Sinne des Art. 7 Rückführungsrichtlinie vermag den von den Dublin-Regelungen erstrebten Übergang der Verantwortlichkeit auf den zuständigen Mitgliedstaat nicht zu begründen. Deshalb kennen die Dublin-Verordnungen auch nicht das Institut der freiwilligen Ausreise. Jede Dublin-Überstellung ist eine staatlich überwachte Ausreise des Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat, auch wenn sie auf Initiative des Asylbewerbers und ohne Anwendung von Verwaltungszwang erfolgt (vgl. Art. 7 Abs. 1a Dublin-DVO). Sie muss hinsichtlich der Orts- und Terminabstimmung immer behördlich organisiert sein (vgl. Art. 7 bis 10 Dublin-DVO).

19

3. § 34a AsylVfG steht in der vom Senat vorgenommenen Auslegung auch mit dem unionsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit in Einklang.

20

a) Nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen von Grundrechten (hier: der Freizügigkeit nach Art. 6 GR-Charta) nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und unter anderem den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entsprechen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GR-Charta). Die gesetzliche Regelung des § 34a AsylVfG dient der Gewährleistung einer den Regeln der Dublin-Verordnungen entsprechenden Überstellung eines Asylantragstellers und damit dem Funktionieren des einheitlichen europäischen Asylsystems. Dies ist ein Gemeinwohlziel im Sinne von Art. 78 Abs. 2 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. - Rn. 79 ff.).

21

Der deutsche Gesetzgeber durfte die Anordnung von Verwaltungszwang auch als grundsätzlich erforderlich zur Durchführung einer fristgerechten Überstellung nach der Dublin-Verordnung ansehen. In den Gesetzgebungsmaterialien wird die Notwendigkeit einer Abschiebungsanordnung damit begründet, dass eine Rückführung in den Drittstaat regelmäßig nur kurzfristig durchgeführt werden kann und die Möglichkeit einer freiwilligen Rückreise in den Drittstaat im Allgemeinen nicht besteht (vgl. BT-Drs. 12/4450 S. 23 zur Rückführung in einen sicheren Drittstaat). Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 wurde die Regelung auf Überstellung in Dublin-Verfahren erweitert (vgl. BT-Drs. 16/5065 S. 218). Die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Ausreise ist deshalb erheblich erschwert, weil der Ausländer zwar regelmäßig ein Recht auf Einreise in den Staat seiner Staatsangehörigkeit besitzt, nicht aber in einen anderen Staat, in dem sein Asylantrag nach den Regeln des Dublin-Verfahrens geprüft werden soll. Zudem ist eine Überstellung ohne staatliche Begleitung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Dublin-DVO im Regelfall auch deshalb kein gleich geeignetes Mittel wie die Überstellung im Wege der Abschiebung, weil ihr Erfolg von der Kooperationsbereitschaft des Asylantragstellers abhängt und die Nichtbeachtung der Überstellungsfristen einen Zuständigkeitswechsel zur Folge hat. Dabei trägt der überstellende Staat die Konsequenzen aus der Wahl einer in der Praxis ungeeigneten Überstellungsmethode (so auch Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, S. 290 Anm. K2).

22

Die nationale Umsetzung der Dublin-Regelungen durch ein Regel-Ausnahme-System zugunsten der behördlich überwachten Überstellung entspricht auch der Handhabung in anderen am Dublin-Verfahren teilnehmenden Staaten. So hat das Schweizerische Bundesgericht mit Urteil vom 11. November 2013 (2 C 861/2013 - BGE 140 II 74) entschieden, dass die behördlich organisierte Überstellung Vorrang gegenüber einer solchen ohne Verwaltungszwang genießt. Es hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass zur Erfüllung der Pflichten nach den Dublin-Verordnungen sichergestellt sein muss, dass der zu überstellende Asylbewerber auch tatsächlich an seinem Bestimmungsort ankommt. Deshalb kommt die freiwillige Rückkehr nach der zitierten Entscheidung nur dann in Betracht, wenn keine Veranlassung zu der Annahme besteht, dass das Rückkehrverfahren dadurch gefährdet wird.

23

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem unionsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit im föderalen Gefüge Deutschlands durch die mit dem Vollzug der Überstellungsentscheidung betrauten Ausländerbehörden der Länder Rechnung getragen werden kann. Zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit sind diese Behörden auch nach nationalem Recht verpflichtet.

24

Die für den Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG zuständige Ausländerbehörde darf zwar für den Regelfall davon ausgehen, dass eine Überstellung im Sinne der Dublin-Verordnungen nur im Wege des Verwaltungszwangs vollzogen werden kann, sei es durch Begleitung des Ausländers bis zum Besteigen des Transportmittels, sei es durch Eskortierung bis zur verantwortlichen Behörde im zuständigen Mitgliedstaat. Allerdings kann im Einzelfall ausnahmsweise auch die Überstellung ohne behördliche Überwachung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Dublin-DVO geeignet sein, einen Asylbewerber fristgerecht in die Obhut der Behörden im zuständigen Mitgliedstaat zu bringen. Das ist z.B. denkbar in Fällen der von ihm gewünschten Familienzusammenführung in dem anderen Mitgliedstaat. Die Initiative hierzu muss jedoch vom Asylbewerber ausgehen und er muss sich vorbehaltlich einer entgegenstehenden Regelung (vgl. etwa Art. 30 Abs. 3 Dublin III-VO) grundsätzlich auch die finanziellen Mittel für die Ausreise beschaffen. Erscheint nach Prüfung der Umstände des konkreten Falles eine rechtzeitige Überstellung auch bei einer selbstorganisierten Ausreise gesichert, muss die für den Vollzug zuständige Ausländerbehörde dem Ausländer diese Möglichkeit einräumen. Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur wegen des Eingriffs in die persönliche Freiheit durch den mit einer Abschiebung verbundenen unmittelbaren Zwang, sondern auch wegen der durch eine vollzogene Abschiebung bewirkten Einreisesperre gemäß § 11 AufenthG, die den Ausländer zusätzlich belastet.

25

Eine derartige Verhältnismäßigkeitsprüfung obliegt den Vollstreckungsbehörden auch nach nationalem Verwaltungsvollstreckungsrecht. So hat die Vollstreckungsbehörde nach § 19 Abs. 2 des hier maßgeblichen LVwVG Baden-Württemberg bei der Wahl unter verschiedenen geeigneten Vollstreckungsmitteln dasjenige anzuwenden, das den Pflichtigen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Aber auch im Rahmen der Anwendung unmittelbaren Zwangs - wie er eine Abschiebung kennzeichnet - ist unter verschiedenen Formen des unmittelbaren Zwangs das jeweils mildeste Mittel zu wählen (vgl. Deusch/Burr, Beck'scher Online-Kommentar VwVG, Stand 1. Juli 2015, § 12 Rn. 4). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet auch in der Rechtsprechung zum sogenannten "Austauschmittel" Ausdruck. Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es nach dieser Rechtsprechung, wenn eines davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel (Austauschmittel) anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 30. Oktober 1991 - 3 S 2273/90 - juris). Auch hier hat aber die Initiative zur Wahl eines anderen Mittels vom Betroffenen auszugehen - wie bei der selbstorganisierten Überstellung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Dublin-DVO. Durch die den Ausländerbehörden übertragene Prüfung, ob im Einzelfall ausnahmsweise vom Vollzug der Überstellung im Wege der Abschiebung abgesehen werden kann, wird - entgegen der Auffassung der Revision - auch dem nationalen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, soweit für diesen neben dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch Raum besteht.

26

Schon der Verwaltungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Zuweisung der Verantwortung an die Ausländerbehörden, die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall herzustellen, unter Umständen eine Verdoppelung von Rechtsbehelfen zur Folge hat. Denn der Asylantragsteller, der seinen Antrag in Deutschland beschieden haben will, muss im Falle einer für ihn nachteiligen Zuständigkeitsentscheidung zunächst Rechtsmittel gegen die Verfügung des Bundesamts einlegen und im Fall eines Unterliegens in diesem Verfahren ein zweites gerichtliches Verfahren gegen die Ausländerbehörde einleiten, wenn er seine Überstellung ohne Verwaltungszwang durchsetzen will. Dies ist jedoch die Folge der unterschiedlichen Behördenzuständigkeit in einem föderal gegliederten Staatswesen und entspricht auch der Praxis in anderen föderal gegliederten Staaten wie etwa der Schweiz (Zuständigkeit der Kantonsbehörden; vgl. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 11. November 2013 - 2 C 861/2013 - BGE 140 II 74, 75). Zudem erlaubt sie die Berücksichtigung aktueller Entwicklungen, die erst nach Erlass des Bundesamtsbescheids eingetreten sind, etwa die nachträgliche Aufnahme von Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat, mit denen der Antragsteller zusammengeführt werden möchte. Auch lässt sich regelmäßig erst in diesem Verfahrensstadium konkretisieren, in welcher Form der Asylsuchende an seiner Überstellung mitwirken kann.

27

c) Der Senat weist darauf hin, dass eine etwaige vom Bundesamt bei Erlass der Abschiebungsanordnung festgesetzte Sperrfrist nach § 11 AufenthG keine Geltung für Fälle der Überstellung ohne Verwaltungszwang nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Dublin-DVO besitzt. Denn nur eine vollzogene Abschiebung bewirkt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG, die Abschiebungsanordnung allein reicht hierfür nicht. Ferner kann die (nachträgliche) Reduzierung einer festgesetzten Sperrfrist bei Kooperation des Ausländers im Rahmen einer zwangsweisen Überstellung geboten sein, die im Einzelfall sogar zu einer Reduzierung der Sperre auf Null führen kann.

28

4. Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids steht nicht entgegen, dass dieser keine Belehrung über die Möglichkeit der Beantragung einer Überstellung ohne Verwaltungszwang bei der für den Kläger zuständigen Ausländerbehörde enthält, was die Revision rügt.

29

Zwar ist nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO von der zuständigen Behörde "gegebenenfalls der Zeitpunkt und der Ort zu nennen, zu dem bzw. an dem sich der Antragsteller zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt". Entsprechende Angaben enthält der angefochtene Bescheid des Bundesamts nicht. Es kann offenbleiben, ob das Fehlen entsprechender Angaben überhaupt Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsanordnung hat. Denn bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass entsprechende Angaben nur dann zu machen sind ("gegebenenfalls"), wenn dem Asylbewerber die Möglichkeit der Überstellung auf eigene Initiative eingeräumt wird. Das war hier nicht der Fall und würde zudem - wie oben ausgeführt - der Zuständigkeit der Ausländerbehörde obliegen. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber der Bescheid des Bundesamts und nicht die nachgelagerte Entscheidung der Ausländerbehörde.

30

Allerdings entspricht es dem Ziel der Transparenz des Dublin-Verfahrens, wenn das Bundesamt die Betroffenen auch ohne ausdrückliche Rechtspflicht auf die Möglichkeit der Beantragung einer Überstellung auf eigene Initiative bei der Ausländerbehörde gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Dublin-DVO hinweist und damit der Zielstellung des 24. Erwägungsgrund der Dublin III-VO ("sollte") Rechnung trägt.

31

5. Die angefochtene Abschiebungsanordnung erfüllt auch das gesetzliche Erfordernis des § 34a Abs. 1 AsylVfG, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Der Durchführbarkeit der Abschiebung steht insbesondere nicht ein Verstreichen der Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO entgegen. Es kann offenbleiben, ob sich der Kläger überhaupt auf einen möglichen Fristablauf und den damit verbundenen Zuständigkeitswechsel berufen könnte. Denn die Überstellungsfrist war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht verstrichen.

32

Maßgebend sind insoweit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Dublin-Regeln für die Aufnahme. Diese finden auf Asylantragsteller Anwendung, für die ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c, d oder e Dublin II-VO vorliegen, etwa weil er sich in dem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat, bevor er in denjenigen eingereist ist, in dem er erstmals einen Asylantrag gestellt hat. Hingegen finden die Regeln über die Wiederaufnahme Anwendung, wenn einer der Tatbestände des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c, d oder e Dublin II-VO erfüllt ist, wenn der Asylbewerber also - anders als hier - schon in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat.

33

Hier finden aus folgenden Gründen die Regeln über die Aufnahme (Art. 19 Dublin II-VO) Anwendung: Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass der Kläger in Italien einen Asylantrag gestellt hat, das hat dieser auch selbst gar nicht behauptet. Auch das Bundesamt hat die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers aus dessen Ersteinreise in dieses Land abgeleitet (Eurodac-Treffer nach Cat 2, nicht nach Cat 1). Dem entsprechend hat es sein Übernahmeersuchen an Italien vom 30. Dezember 2013 auf Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO - illegaler Grenzübertritt - gestützt und nicht auf ein dortiges Asylverfahren gemäß Art. 13 Dublin II-VO. Damit finden die Regeln über die Aufnahme eines Asylantragstellers Anwendung und die Beantwortungsfrist für Italien betrug zwei Monate (Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO). Auf die Zwei-Monats-Frist nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO hat sich auch das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2014 bezogen, um den erfolgten Zuständigkeitsübergang auf Italien zu begründen.

34

Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Regeln über die Wiederaufnahme und damit von der Annahme des an Italien gerichteten Gesuchs schon nach zwei Wochen gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO ausgegangen. Sind aber die Fristen für ein Aufnahmegesuch maßgeblich, war die Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO zum auch für die Revisionsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vom 27. August 2014 noch nicht abgelaufen.

35

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben 1984 geboren und ein kurdischer Volkszugehöriger aus Syrien, der bis zu seiner Ausreise in Kamischli gelebt hat und staatenlos ist.
Er stellte am 20.11.2013 bei der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe einen Asylantrag und gab an, er sei am 08.11.2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte der Kläger, er sei über die Türkei zunächst nach Bulgarien eingereist. Dort sei er gleich festgenommen und zweieinhalb Monate in drei verschiedenen Asylcamps untergebracht gewesen. Die Bedingungen seien schlecht gewesen, teilweise habe er nur dreißig Minuten am Tag in den Hof gedurft, habe lediglich ein halbes trockenes Brot und kalte Suppe zu essen bekommen. Das dritte Camp sei ein offenes Camp gewesen; dort habe er die Einrichtung verlassen können. Er sei dann nach Ungarn weitergereist, wo er für drei Tage inhaftiert worden sei. Er sei schließlich mit Hilfe eines Schleusers mit dem LKW nach Stuttgart befördert worden.
Am 20.12.2013 stellte das Bundesamt ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Der Kläger habe ausweislich eines Abgleichs der Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank am 15.04.2013 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt, so dass Bulgarien für das Asylgesuch des Klägers zuständig sei. Die bulgarischen Behörden stimmten der Rücküberstellung am 04.02.2014 im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zu und teilten mit, dass der Kläger dort als irakischer Staatsangehöriger mit dem Namen ... registriert sei.
Mit Bescheid vom 07.02.2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Das Bundesamt begründete seine Entscheidung damit, dass Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (VO Dublin II) vorgelegen hätten. Auf das Übernahmeersuchen vom 20.12.2013 hätten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 04.02.2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II erklärt. Der Asylantrag des Klägers sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund des dort bereits durchgeführten Asylverfahrens für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe für die Annahme von systemischen Mängeln im bulgarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Am 17.02.2014 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Mit Beschluss vom 04.03.2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.02.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an (A 7 K 881/14).
Der Kläger trug - u.a. unter Bezugnahme auf den Bericht des UNHCR vom 02.01.2014 - vor, in Bulgarien würden die europarechtlichen Mindeststandards für die Durchführung eines Asylverfahrens nicht eingehalten und Asylbewerber seien einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt. Auch wenn der UNHCR in jüngeren Stellungnahmen langsame Verbesserungen im bulgarischen Asylverfahren attestiere und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere, könne daraus nicht gefolgert werden, beim Kläger bestünde nicht mehr die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung. Eine solche habe er in Bulgarien erlebt. Es liege auf der Hand, dass die im Positionspapier des UNHCR vom 02.01.2014 geschilderten gravierenden Mängel nicht innerhalb weniger Wochen behoben werden könnten. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden.
Soweit die Klage ursprünglich auch darauf gerichtet war, die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, hilfsweise subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbote festzustellen, wurde sie zurückgenommen.
10 
Die Beklagte trat der Klage unter Berufung auf den angegriffenen Bescheid entgegen und verwies ergänzend u.a. auf den Bericht des UNHCR vom 15.04.2014. Hiernach leide das Asyl- und Aufnahmesystem in Bulgarien nicht an systemischen Mängeln, die einer Rücküberstellung des Klägers entgegenstünden.
11 
Durch Urteil vom 30.06.2014 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Teil ein und hob den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2014 auf.
12 
Zur Begründung führte es u.a. aus: Bulgarien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zur Wiederaufnahme verpflichtet. Ein Asylbewerber dürfe aber dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d.h. regelhaft so defizitär seien, dass zu erwarten sei, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh drohe. Das Gericht gehe im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) davon aus, dass das Aufnahme- und Asylsystem in Bulgarien weiterhin an systemischen Mängeln leide.
13 
Das Urteil wurde der Beklagten am 03.07.2014 zugestellt. Am 01.08.2014 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 05.09.2014 (A 11 S 1532/14) hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte.
14 
Am 18.09.2014 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet: Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien lägen nicht vor, was auch von vielen Verwaltungsgerichten so gesehen werde. Auch das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz teile die Auffassung, dass bei der Rückkehr von Antragstellern nach Bulgarien nicht davon auszugehen sei, dass dort eine unmenschliche Behandlung drohe. Zwar habe sich der UNHCR in seinem Bericht vom 02.01.2014 vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Flüchtlingszahlen dafür ausgesprochen gehabt, zunächst von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen. Dies rechtfertige jedoch nicht die Annahme systemischer Mängel im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR. Bulgarien unternehme gegenwärtig mit Hilfe des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und in Kooperation mit dem UNHCR und diversen Nichtregierungsorganisationen große Anstrengungen, um trotz des gestiegenen Flüchtlingszustroms die Anforderungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu gewährleisten. Laut dem EASO-Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 seien im Rahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Unterstützungsprogramms unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden ergriffen worden. Diese Maßnahmen hätten bereits deutliche Verbesserungen im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen bewirkt. Aus diesem Grund gehe auch der UNHCR in seinem aktuellsten Bericht vom 15.04.2014 davon aus, dass Überstellungen nach Bulgarien nicht mehr grundsätzlich ausgesetzt werden müssten. Die rechtlichen Regelungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts der Europäischen Union habe Bulgarien in den wesentlichen Grundzügen umgesetzt und sei bestrebt, die tatsächlichen Bedingungen an den Flüchtlingsstrom mit Hilfe der Europäischen Union anzupassen und zeitnah weiter zu verbessern. Seriöse Änderungen der zuvor beschriebenen Verhältnisse im Zugang und der Effektivität des Asylverfahrens ließen sich beobachten. Dabei werde die Situation im bulgarischen Asyl- und Aufnahmesystem und die Umsetzung der Maßnahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Einsatzplanes fortlaufend beobachtet und bewertet. Von der bulgarischen Regierung werde eine „Nationale Strategie für Migration, Asyl und Integration 2011 bis 2020" auch mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union umgesetzt. Die bulgarische Regierung arbeite dabei aktiv mit internationalen Organisationen sowie mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 habe die Aufnahmekapazität der sieben Aufnahmezentren Ende März 2014 4150 Plätze mit einer Belegungsrate von 82 % betragen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehe die bulgarische Flüchtlingsbehörde (SAR) davon aus, dass weitere Aufnahmekapazitäten geschaffen würden. Seit Dezember 2013 habe die SAR 160 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, von welchen die Mehrheit in der Verwaltung der Aufnahmeeinrichtungen, unter anderem in der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie im Asylverfahren und in der Registrierung der Anträge geschult worden seien. Unter den neu eingestellten Mitarbeitern befänden sich auch Sozialarbeiter. Asylbewerber hätten Zugang zu medizinischer Grundversorgung und Dolmetschern. Die Räumlichkeiten seien beheizt, es stünden getrennte Einrichtungen für alleinstehende Frauen und Männer zur Verfügung. Auch könnten Schutzsuchende auf schriftliche Informationen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten sowie bezüglich der Unterstützung durch Hilfsorganisationen zugreifen. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt. Eine monatliche Grundsicherung für Schutzsuchende von 33 Euro werde ausgezahlt. Ab April 2014 würden auch in Harmanli, Vrazdebhna und Voenna Rampa Gemeinschaftsküchen entstehen. Es fänden Renovierungsarbeiten in Vrazdebhna und Voenna Rampa statt, um die Unterbringung und die Sanitäranlagen zu verbessern. In seinem Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 betone EASO, dass seit Oktober 2013 erhebliche Fortschritte gemacht worden seien. Die sofortige Ausstellung der grünen Registrierungskarten und die umfassende Bewegungsfreiheit innerhalb der offenen Zentren seien sichergestellt. EASO berichte des Weiteren, dass die Aufnahmeeinrichtungen größtenteils in annehmbarem Zustand seien und motivierte und engagierte Mitarbeiter hätten. Alle Einrichtungen böten medizinische Versorgung. Sie ermöglichten den Zugang zur Rechtsberatung durch ehrenamtliche Mitarbeiter des Bulgarischen Helsinki-Komitees. Auch wenn es punktuell Engpässe bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Bulgarien geben möge, lasse sich nach alledem kein Systemversagen feststellen, das die Annahme rechtfertigen würde, dass Flüchtlingen in Bulgarien Menschenrechtsverletzungen drohten. Laut dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 finde die Registrierung der Schutzsuchenden innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen in Sofia, Banya, Harmanli und Pastrogor statt. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung lägen bei der Registrierung von Schutzsuchenden nach Auskunft der staatlichen Flüchtlingsagentur keine Arbeitsrückstände vor. Auch im EASO-Bericht heiße es, dass die Registrierungskarten grundsätzlich einen Tag nach Ankunft des Schutzsuchenden in den Aufnahmezentren ausgestellt und die Anhörungstermine gleich bei der Registrierung festgelegt würden. Gegenseitige Unterstützung und regelmäßiger Informationsaustausch aller Akteure (Innenministerium, Oberste Leitung der Grenzpolizei, Migrationsdirektorat, Gesundheitsministerium, Bulgarisches Helsinki-Komitee und UNHCR) fänden statt. Rechtsberatung, Informationen durch Infoblätter bzw. gegebenenfalls auf andere Weise stünden normalerweise ab der ersten Antragstellung (z.B. an der Grenze) bis zum Abschluss des Registrierungsvorgangs zur Verfügung. Personen, deren Verfahren negativ beschieden oder eingestellt worden sei, hätten, sofern sie dies wünschten, Zugang zu einem neuen Verfahren, in dem die SAR eventuelle neue Erkenntnisse in einer Anhörung prüfe.
15 
Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 werde bei Schutzsuchenden mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren in Bulgarien der Antrag bei Rückkehr nach Bulgarien in dem Verfahrensschritt weiter geprüft, in welchem er sich zuletzt befunden habe, sofern der Antragsteller dies wünsche. Sei das Verfahren unterbrochen und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, so werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese bei Rückkehr nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Das bulgarische Recht erlaube eine Inhaftierung von Personen aufgrund illegaler Einreise, unerlaubtem Aufenthalt oder wegen fehlender gültiger Ausweisdokumente. Unbegleitete Minderjährige würden nicht inhaftiert. In diesen geschlossenen Einrichtungen stünden regelmäßige Mahlzeiten, medizinische Versorgung und Freizeiteinrichtungen einschließlich TV sowie Freiluftaktivitäten zur Verfügung. Der UNHCR stelle mithilfe des Bulgarischen Helsinki Commitees in den Hafteinrichtungen einen regelmäßigen rechtlichen Beratungsdienst unter Beisein eines Dolmetschers zur Verfügung.
16 
Die grundsätzliche Verfügbarkeit medizinischer Versorgung sei zu bejahen. Nach dem Bericht „AIDA, Asylum Information Database National Country Report Bulgaria", werde jeder Antragsteller in Bulgarien von der zuständigen Stelle (staatliche Flüchtlingsagentur) krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung in gleichem Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. UNHCR habe unter dem 15.04.2014 berichtet, dass in den Zentren Sofia, Banya und Pastrogor Ärzte und Krankenschwestern der staatlichen Flüchtlingsagentur arbeiteten. In Harmanli, Voenna Rampa und Vrazdebhna seien zudem „Ärzte ohne Grenzen“ tätig. Ab Mai 2014 solle diese Aufgabe jedoch von dem durch die staatliche Flüchtlingsagentur neu eingestellten medizinischen Personal übernommen werden. Der ärztliche Dienst werde in Kovachevtsi durch einen Arzt des dortigen Krankenhauses sichergestellt.
17 
Der Bericht „The AIDA Asylum Information Database National Country Report Bulgaria“ lasse keine Zweifel daran, dass die Schutzersuchen von den bulgarischen Behörden ordnungsgemäß geprüft und die Antragsteller dort nicht verfahrenswidrig in ihr Herkunftsland abgeschoben würden.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - zu ändern, soweit darin der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Es sei zwar richtig, dass UNHCR in seiner letzten Stellungnahme gewisse Verbesserungen festgestellt habe und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere. Dieses lasse aber nicht den Schluss zu, dass in Bulgarien keine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. Auch nach der Stellungnahme von UNHCR seien zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen, die weiter von systemischen Mängeln ausgingen und weiterhin erhebliche Schwachstellen im bulgarischen Asylverfahren festgestellt hätten, insbesondere seien die Veränderungen nicht nachhaltig genug. Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehe berechtigter Anlass zur Sorge, dass gerade Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen in Bulgarien nicht die erforderliche medizinische Betreuung und therapeutische Unterstützung erhielten. Dieses betreffe aber gerade den traumatisierten Kläger.
23 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
24 
Dem Senat lagen die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens wie auch des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes des Verwaltungsgerichts vor. Diese sowie die den Beteiligten und von diesen selbst benannten Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
35 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
36 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
37 
Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
38 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
39 
Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
40 
Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
41 
Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
42 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
43 
Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
44 
Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
48 
Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
55 
Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
56 
Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
35 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
36 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
37 
Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
38 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
39 
Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
40 
Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
41 
Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
42 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
43 
Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
44 
Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
48 
Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
55 
Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
56 
Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

2

Der Kläger reiste 2013 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) über einen Eurodac-Treffer Kenntnis davon erhielt, dass der Kläger 2009 in Italien einen Asylantrag gestellt hat, richtete es im November 2013 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, das nicht beantwortet wurde. Daraufhin entschied es mit Bescheid vom 21. Januar 2014, dass der Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2).

3

Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 4. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an. Mit Urteil vom 28. November 2014 wies es die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 2016 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Nach der Dublin II-Verordnung sei die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht rechtzeitig nach Italien überstellt worden sei. Die sechsmonatige Überstellungsfrist habe nach dem Wiederaufnahmegesuch vom November 2013 und der fehlenden Reaktion der Italiener im Dezember 2013 begonnen. Mit Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht sei sie im März 2014 zwar unterbrochen worden, habe mit Ende der aufschiebenden Wirkung im April 2015 aber erneut begonnen. Werde die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen, ende die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies sei hier der innerhalb eines Monats zu stellende und zu begründende Antrag auf Zulassung der Berufung. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Das Fristenregime der Dublin II-Verordnung begründe für sich genommen zwar keine einklagbaren subjektiven Rechte. Der Kläger habe aber aus dem materiellen Recht einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüfe. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats positiv feststehe. Dies sei hier nicht der Fall. Durch die (fingierte) Erklärung zur Wiederaufnahme habe Italien nur eine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist akzeptiert. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit sei, das Asylverfahren durchzuführen. Vorliegend fehlten jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwende. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

4

Die Beklagte macht mit der Revision insbesondere geltend, dass die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Ordne das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage an, beginne die Frist auch bei einem klagabweisenden Urteil erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung. Denn erst dann sei sichergestellt, dass die Überstellung tatsächlich erfolgen werde, und es müssten nur noch die Modalitäten geregelt werden.

5

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 in Verbindung mit § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

7

Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bescheid des Bundsamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 21. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht vor (1.). Die (Unzulässigkeits-)Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (2.) und verletzt den Kläger unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (3.). Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz (IntG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51), ohne dass hierdurch materiell die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (bislang: § 27a Asyl(Vf)G; nunmehr: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) in der Sache geändert worden sind.

9

1. Ungeachtet der gewählten Formulierung hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 1 ("Der Asylantrag ist unzulässig") eine rechtsgestaltende Regelung über die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a Asyl(Vf)G (inzwischen: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) getroffen; hiergegen ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 13 ff.).

10

Die Klage ist insoweit auch begründet. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

11

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO weiterhin die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 050 S. 1) - Dublin II-VO -, maßgeblich ist, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind.

12

b) Ob nach der Dublin II-Verordnung - wie vom Berufungsgericht angenommen - zunächst Italien (originär) zuständig war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Zuständigkeit jedenfalls wegen nicht fristgerechter Überstellung auf Deutschland übergegangen ist.

13

Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags auf den Mitgliedstaat über, in dem der Antrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Verlängerungsmöglichkeiten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO - nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist beginnt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO mit der Annahme des Wiederaufnahmeantrags durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

14

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich nach der ersten Variante mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat anläuft und die zweite Variante erst greift, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung zukommt. Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war, da die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Entfällt die aufschiebende Wirkung, sind die Behörden ab diesem Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 21 f. zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Folglich ist der Fristanlauf bei der zweiten Alternative nur für die Dauer der aufschiebenden Wirkung herausgeschoben. Endet diese vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, kann die Überstellungsentscheidung ab diesem Zeitpunkt vollzogen werden und sind nur noch die Modalitäten der Überstellung zu regeln. Damit entfällt die Rechtfertigung für einen weiteren Aufschub des Fristanlaufs und ist sichergestellt, dass den Mitgliedstaaten - ausgehend von dem Ziel der Bestimmung, ihnen bei beiden Varianten die gleiche Frist von sechs Monaten zur Durchführung der Überstellung einzuräumen - keine kürzere, aber auch keine längere Frist zur Regelung der Modalitäten zur Verfügung steht.

15

Nach nationalem Recht kommt der gegen eine Überstellungsentscheidung erhobenen Klage zwar nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG). Der Betroffene kann aber - innerhalb einer Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) - nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung stellen. Gibt das Verwaltungsgericht diesem Antrag - wie hier geschehen - statt, endet die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels, wenn nicht das Oberverwaltungsgericht nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Antrag die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnet. Dabei ist maßgebliches Rechtsmittel, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zulässt, der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO mit der Folge, dass als Bezugspunkt für die Dreimonatsfrist auf den Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe und nicht auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 22).

16

Der Wortlaut des § 80b Abs. 1 VwGO steht dieser Auslegung nicht entgegen, auch wenn nach dem Rechtsmittelrecht das gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts gegebene Rechtsmittel - auch bei der Zulassungsberufung - die Berufung selbst (§ 124 Abs. 1 VwGO) und nicht der Antrag auf Zulassung der Berufung ist und der in § 80b Abs. 1 VwGO verwendete Begriff "gesetzliche Begründungsfrist" terminologisch eher eine Verknüpfung mit der nach Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO zu wahrenden Berufungsbegründungsfrist aufweist, während es im Zulassungsverfahren einer Darlegung der Zulassungsgründe bedarf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO/§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Vor allem teleologische Gründe sprechen dafür, bei der Zulassungsberufung bereits den Antrag auf Zulassung der Berufung als "Rechtsmittel" im Sinne des § 80b Abs. 1 VwGO anzusehen. Denn nach Sinn und Zweck soll die Begrenzung der aufschiebenden Wirkung der missbräuchlichen Ausnutzung des Suspensiveffektes entgegenwirken (BT-Drs. 13/3993 S. 9 und 11). Da das erstinstanzliche Urteil mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), käme § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO bei einem Abstellen auf die Berufungsbegründungsfrist von vornherein nur im Falle einer positiven Zulassungsentscheidung durch das Berufungsgericht zur Anwendung, also in Konstellationen, in denen ein Zulassungsgrund vorliegt und damit nicht selten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 80b Abs. 2 VwGO gegeben sein dürften. Bei aussichtslosen Rechtsmitteln, auf deren Verhinderung die Bestimmung gerade zielt, würde sie hingegen leerlaufen. Zudem hinge das Ende der aufschiebenden Wirkung von der (ungewissen) Dauer des obergerichtlichen Zulassungsverfahrens ab und würde gerade in den Fällen, in denen das Verwaltungsgericht - soweit außerhalb des gerichtlichen Asylverfahrens möglich - keine Veranlassung zur Zulassung der Berufung sieht, die aufschiebende Wirkung länger andauern als bei Zulassung der Berufung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht. Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn im Gesetzgebungsverfahren wurde das Fristende um drei Monate nach hinten verschoben. Diese Verschiebung wurde vor allem mit einer "Parallelisierung" der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Berufung und einer Eilentscheidung gemäß § 80b Abs. 2 VwGO begründet (BT-Drs. 13/5098 S. 23).

17

Ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung an, weist es die Klage in der Hauptsache aber ab, endet die aufschiebende Wirkung folglich - vorbehaltlich einer nach § 80b Abs. 2 VwGO möglichen Anordnung des Oberverwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert - nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe. In diesem Fall stellt das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts die vom EuGH geforderte gerichtliche Entscheidung dar, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird. Der Durchführung der Überstellung steht nach nationalem Prozessrecht aber erst mit dem gesetzlich auf einen späteren Zeitpunkt festgelegten Ende der aufschiebenden Wirkung nichts mehr im Wege. Dies hat - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - zur Folge, dass die Überstellungsfrist nicht schon mit der Zustellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils, sondern erst mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung beginnt, da der für die Überstellung zuständigen Behörde ansonsten nicht die mit der Regelung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO bezweckte zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung stünde, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind.

18

Etwaigen Unwägbarkeiten bei der Durchführung der Überstellung, die sich daraus ergeben können, dass die Überstellungsfrist mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung automatisch in Gang gesetzt wird, der Kläger nach Zulassung der Berufung aber jederzeit einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stellen kann, dem das Berufungsgericht bei entsprechenden Erfolgsaussichten stattgeben wird, kann das Bundesamt dadurch begegnen, dass es jedenfalls in Fällen, in denen aufgrund der Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung bestehen, von sich aus nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung der Abschiebungsanordnung bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung förmlich aussetzt. Eine derartige behördliche Entscheidung steht in ihren Wirkungen einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung gleich und hat zur Folge, dass die Verfügung weiterhin nicht vollzogen werden darf (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) und damit die Überstellungsfrist erneut unterbrochen wird. Unionsrecht steht einem solchen Vorgehen für diese Fallkonstellation nicht entgegen. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der Dublin III-VO aus der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Dass eine behördliche Aussetzungsentscheidung auch im Geltungsbereich der Dublin II-VO zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist nach der zweiten Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO führt, ergibt sich daraus, dass es sich bei dem dort verwendeten Begriff der "aufschiebenden Wirkung" um einen unionsrechtlichen Begriff handelt, der alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung nach den nationalen Vorschriften zur Ausgestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht vollzogen werden darf (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 19 zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

19

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hier die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO maßgeblich geworden ist. Mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden im Dezember 2013 begann die Überstellungsfrist zwar zunächst nach der ersten Variante. Die Beklagte hat aber noch im gleichen Monat und damit rechtzeitig vor Ablauf der Frist nach der ersten Variante die streitgegenständliche (Überstellungs-)Entscheidung getroffen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hatte zwar nicht von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, der Kläger hat aber rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 stattgegeben hat. Mit dieser Entscheidung lagen die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach der zweiten Alternative (Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt) vor.

20

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Überstellungsfrist nach der zweiten Variante zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelaufen war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere beginnt die Überstellungsfrist hier - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung zu laufen. Da das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 28. November 2014 abgewiesen und das Berufungsgericht nicht die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet hat, endete die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 1 VwGO von Gesetzes wegen drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dabei kommt als Rechtsmittel im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG in Betracht. Für diesen Antrag waren die Zulassungsgründe aufgrund der Sonderregelung für asylgerichtliche Verfahren in § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG innerhalb der einmonatigen Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung darzulegen. Nachdem die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 2. Dezember 2014 erfolgte, endete die aufschiebende Wirkung folglich am 2. April 2015. Damit begann die sechsmonatige Überstellungsfrist und ist die Zuständigkeit jedenfalls mit ihrem Ablauf am 2. Oktober 2015 - und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts im Februar 2016 - auf Deutschland übergegangen.

21

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Ziffer 1 des Bescheids auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist, weil es sich um einen Zweitantrag handelt und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a AsylG nicht vorliegen. Denn bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in Verbindung mit § 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung würde es sich prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen handeln, weil sie zur Folge hätte, dass der (Zweit-)Antrag des Klägers auch von keinem anderen Staat geprüft würde und er grundsätzlich in jeden zu seiner Aufnahme bereiten Staat einschließlich seines Herkunftslands abgeschoben werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff.). Die Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann auch nicht in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung umgedeutet werden.

22

3. Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen auch einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Zwar sind die Fristenregelungen in der Dublin II-Verordnung - anders als die Regelungen in der Dublin III-Verordnung (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juni 2016 - C-63/15 [ECLI:EU:C:2016:409], Ghezelbash und C-155/15 [ECLI:EU:C:2016:410], Karim - grundsätzlich nicht individualschützend. Sie dienen der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 17 ff. m.w.N. zur Fristenregelung für die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO). Dies gilt auch für die Überstellungsfristen bei der (Wieder-)Aufnahme und den damit verbundenen Zuständigkeitswechsel.

23

Der nach den Dublin-Bestimmungen zuständige Mitgliedstaat darf einen Schutzsuchenden aber dann nicht auf eine Prüfung durch einen anderen (unzuständigen) Mitgliedstaat verweisen, wenn dessen (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. Danach kann sich ein Schutzsuchender den für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht selbst aussuchen, er hat aber einen Anspruch darauf, dass ein von ihm innerhalb der EU gestellter Antrag auf internationalen Schutz innerhalb der EU geprüft wird. Könnte sich der Schutzsuchende auch bei fehlender (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen, entstünde die Situation eines "refugee in orbit", in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies würde dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwiderlaufen, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO bzw. 5 der Dublin III-VO). Das schließt allerdings nicht aus, dass Asylanträge aus anderen Gründen, etwa wegen mangelndem Betreiben des Asylverfahrens durch den Antragsteller, ohne Sachprüfung abgelehnt werden können. Das gilt nicht nur für Erstanträge, sondern gleichermaßen für Zweitanträge, auch wenn diese nur unter besonderen Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 20). Diese vom Senat zur Dublin III-Verordnung entwickelten Grundsätze sind dort aufgrund der Urteile des EuGH vom 7. Juni 2016 (C-63/15, Ghezelbash und C-155/15, Karim) inzwischen zwar überholt; sie gelten aber weiterhin für Verfahren, bei denen die Dublin II-VO zur Anwendung kommt.

24

Vorliegend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass jegliche Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwendet. Diese den Senat bindende tatrichterliche Feststellung (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht insbesondere nicht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage, weil das Berufungsgericht keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Denn es hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung auf den Ablauf der Überstellungsfrist und die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Bei dieser Sachlage hätte das Bundesamt, dem aufgrund seiner Mitwirkung bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen bekannt ist, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf den mit dem Ablauf der Überstellungsfrist verbundenen Zuständigkeitswechsel reagieren, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten substantiiert auf etwaige Besonderheiten speziell bei der Durchführung von Überstellungen nach Italien hinweisen können und müssen. Nachdem dies nicht geschehen war, durfte das Berufungsgericht das Schweigen des Bundesamts hier auch ohne weitere Nachfrage dahin würdigen, dass dort keine weiterführenden Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich Hinweise für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft ergeben, und damit letztlich allein aus dem Verhalten des Bundesamts auf die fehlende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft Italiens schließen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 23).

25

4. Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid deshalb insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht vor.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Die Kläger, eine Mutter und ihr Sohn, sind pakistanische Staatsangehörige und gehören der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya an. Sie wenden sich gegen einen Bescheid der Beklagten, durch den ihre Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden und ihre Abschiebung nach Spanien angeordnet wird.

2

Die Kläger reisten gemeinsam mit zwei weiteren Kindern der Klägerin zu 1 (BVerwG 1 C 33.14 und 1 C 34.14) Anfang Januar 2013 nach Deutschland ein und stellten hier am 14. Januar 2013 Asylanträge. Dabei gaben alle vier Familienmitglieder an, aus religiösen Gründen in Pakistan verfolgt zu werden. Ein noch im gleichen Monat durchgeführter Abgleich der Fingerabdrücke mit Daten aus Eurodac ergab, dass zwar nicht die Klägerin zu 1, wohl aber ihre drei Kinder bereits in Spanien Asylanträge gestellt hatten.

3

Im Mai 2013 wurde die Tochter (BVerwG 1 C 33.14) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) persönlich angehört. Dabei gab sie - ohne ausdrücklich auch die Klägerin zu 1 einzubeziehen - an, bereits in Spanien einen Asylantrag gestellt zu haben. Sie alle hätten sich im November 2012 für drei oder vier Tage in Spanien aufgehalten und seien dort am Flughafen kontrolliert worden. Es sei kein Dolmetscher zugegen gewesen, und am Ende hätten sie etwas unterschreiben müssen. Sie wisse nicht, was sie unterschrieben habe, aber sie denke, es sei ein Asylantrag gewesen. Ihr eigentliches Ziel sei bereits damals Deutschland gewesen. Von Spanien aus seien sie zunächst nach Pakistan zurückgekehrt. Im Januar 2013 seien sie dann mit dem Flugzeug von Islamabad kommend nach Frankfurt a.M. geflogen. Ein Flugticket habe sie nicht mehr.

4

Am 4. Dezember 2013 richtete die Beklagte unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO hinsichtlich sämtlicher vier Familienmitglieder Wiederaufnahmeersuchen an Spanien. Dabei gab sie an, dass es für die Klägerin zu 1 keinen Eurodac-Treffer gebe, diese aber gemeinsam mit ihrem Sohn gereist sei, der nach den aus Eurodac gewonnenen Daten am 1. Dezember 2012 in Malaga einen Asylantrag gestellt habe. Die Tochter (BVerwG 1 C 33.14) habe ebenfalls am 1. Dezember 2012 in Malaga einen Asylantrag gestellt, der älteste Sohn (BVerwG 1 C 34.14) am 3. Dezember 2012. Das spanische Innenministerium teilte mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (BVerwG 1 C 33.14) und 19. Dezember 2013 (BVerwG 1 C 32.14 und 1 C 34.14), gleichfalls unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO, mit, dass es die Wiederaufnahme sämtlicher vier Familienmitglieder akzeptiere.

5

Mit Bescheid vom 29. Januar 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig sind (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2). Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG (jetzt: AsylG) unzulässig, da Spanien aufgrund der dort gestellten Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

6

Mit Beschluss vom 7. März 2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klagen gegen die Abschiebungsanordnung an. Mit Urteil vom 22. April 2014 hat es den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig und die Anordnung der Abschiebung der Kläger seien rechtswidrig. Denn Deutschland sei gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig, weil es die Wiederaufnahmegesuche an Spanien nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt habe. Hier habe bereits am 16. Januar 2013 aufgrund des Datenabgleichs mit Eurodac ein Hinweis für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der EU vorgelegen. Darüber hinaus habe die Tochter bei ihrer Anhörung auf einen Aufenthalt in Spanien und einen dort wahrscheinlich gestellten Asylantrag hingewiesen. Trotz dieser eindeutigen Hinweise habe die Beklagte erst am 4. Dezember 2013 Wiederaufnahmegesuche an Spanien gerichtet. Die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO enthaltene Fristenregelung finde nicht nur in Verfahren auf Aufnahme eines Asylbewerbers Anwendung, sondern auch in Verfahren auf Wiederaufnahme.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss nach § 130a VwGO vom 25. August 2014 das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Deutschland sei nicht in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Zur Anwendung komme allein das Verfahren zur Wiederaufnahme nach Art. 20 Dublin II-VO, weil die Kläger vor ihrer Einreise nach Deutschland in Spanien um Asyl nachgesucht hätten. Art. 20 der Dublin II-VO enthalte keine dem Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO entsprechende Fristbestimmung. Insoweit sei auch keine Regelungslücke zu erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmungen zur Aufnahme zu schließen wäre. Unabhängig davon könnten sich die Kläger auch nicht auf die Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristenregelungen der Dublin II-VO berufen, denn sie dienten allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaates.

8

Die Kläger wenden sich mit ihrer Revision gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zur Unzuständigkeit Deutschlands wie zur Abschiebungsanordnung. Das Verwaltungsgericht habe mit Recht die Fristenregelung für die Aufnahme auf das Verfahren der Wiederaufnahme übertragen, weil insoweit eine Regelungslücke vorliege. Damit sei Deutschland für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Andernfalls würden die Mitgliedstaaten für das Wiederaufnahmeverfahren keiner Fristbestimmung unterliegen. Dies würde der generellen Zielsetzung des Dublin-Regelwerks zuwiderlaufen, eine Beschleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Es spreche zudem vieles dafür, dass die Kläger auch in ihren Grundrechten aus Art. 41 der GRC und Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt seien. Insoweit sei zu klären, ob sich ein Asylantragsteller in einem solchen Fall auf die Fristbestimmungen des Dublin-Regelungswerks berufen könne. Des Weiteren habe das Berufungsgericht verkannt, dass die gesetzliche Regelung des § 34a AsylG gegen Unionsrecht verstoße. Die Dublin II-VO sehe bei Unzuständigkeit eines Mitgliedstaates eine "Überstellung" vor. Damit habe das Unionsrecht eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung geschaffen, die hinter der Abschiebung im Sinne des deutschen Ausländer- und Asylrechts zurückbleibe. Sowohl die Dublin II-VO als auch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verböten, eine Überstellung eines Asylbewerbers mit dem Zwangsmittel einer Abschiebung durchzuführen.

9

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Die erhobene Anfechtungsklage ist statthaft (1.). Die Entscheidung der Beklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (2.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylG (3.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall in Bezug auf die maßgebliche Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

13

1. Die Vorinstanzen haben mit Recht die Anfechtungsklage als die allein statthafte Klageart angesehen, wenn es - wie hier - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin II-Verordnung geht (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - ABl. L 50 S. 1).

14

Der Erhebung einer auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO steht entgegen, dass die Dublin II-Verordnung - Dublin II-VO - ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des hierfür zuständigen Staats vorsieht (Art. 2 Buchst. e). Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 - juris Rn. 18). Vielmehr fordert das Dublin-Regelungswerk, dass im Fall einer vom Gericht für fehlerhaft erachteten Verpflichtung eines anderen Staats die für das Dublin-Verfahren zuständige Behörde - hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - die Möglichkeit erhält, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11 [ECLI:EU:C:2013:740], Puid - Rn. 33). Die Stellung eines solchen Ersuchens, das den Lauf von zuständigkeitsbegründenden Fristen auslöst, ist eine dem Bundesamt zugewiesene Aufgabe, die das Gericht im Fall des Durchentscheidens nicht erfüllen könnte (zur Notwendigkeit der Sicherung der dem Bundesamt zugewiesenen Steuerungsfunktion im Fall der gerichtlichen Überprüfung einer Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 AsylG vgl. schon BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12).

15

Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auch eine rechtsgestaltende Regelung über die Zulässigkeit der beiden Asylanträge nach § 27a AsylG getroffen, deren Aufhebung mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann. Ungeachtet der gewählten Formulierung des Bundesamts ("Die Asylanträge sind unzulässig") liegt nicht lediglich eine Feststellung vor, sondern eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, wie das § 31 Abs. 6 AsylG verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 12). Auch für die Aufhebung der in Ziffer 2 des Bescheids getroffenen Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart.

16

2. Die Entscheidung der Beklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

17

Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte bei Stellung ihres Ersuchens an Spanien in Bezug auf die Klägerin zu 1 die Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO zu beachten hatte und im Falle einer durch Fristversäumnis begründeten Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zu 1 sich diese Zuständigkeit auch auf den Kläger zu 2 als mit der Klägerin zu 1 eingereistes minderjähriges Kind erstreckte (Art. 4 Abs. 3 Dublin II-VO). Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung von Fristen für die Aufnahme oder Wiederaufnahme können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.

18

a) Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO nur für Aufnahmegesuche gilt, nicht hingegen für Gesuche auf Wiederaufnahme von Asylantragstellern. Der Senat hat bereits entschieden, dass das Fehlen einer Fristvorgabe für die Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens in der Dublin II-VO keine Regelungslücke darstellt, die durch eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zu schließen wäre (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 - juris Rn. 13; vgl. auch Beschluss vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 - juris Rn. 5). Es fehlt aber an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen, dass auch die Klägerin zu 1 - wie ihre Kinder - in Spanien einen Asylantrag gestellt hat und deshalb auch auf sie das Verfahren der Wiederaufnahme nach Art. 20 Dublin II-VO Anwendung findet. Hätte die Klägerin zu 1 in Spanien keinen Asylantrag gestellt, fänden auf sie die Dublin-Regeln über die Aufnahme Anwendung und die Beklagte hätte mit der Unterbreitung des Gesuchs an Spanien mehr als zehn Monate nach der Asylantragstellung die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO verstreichen lassen. Damit wäre Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

19

b) Die Frage, ob die Klägerin zu 1 in Spanien einen Asylantrag gestellt hat, erweist sich jedoch nicht als entscheidungserheblich. Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung der in diesem Fall zu beachtenden Drei-Monats-Frist für die Aufnahme nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.

20

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Rechtssache "Abdullahi" entschieden, dass in einer Situation wie der vorliegenden, in der der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, der Betroffene der Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GRC ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 [ECLI:EU:C:2013:813], Abdullahi - Rn. 60). Derartige systemische Mängel sind im vorliegenden Verfahren für Spanien weder gerichtlich festgestellt noch von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden. In diesem Fall kann sich ein Asylbewerber nicht auf einen Fristablauf berufen, weil die Fristbestimmungen des Dublin-Regimes für die (Wieder-)Aufnahme lediglich als zwischen den Mitgliedstaaten wirkende Organisationsvorschriften anzusehen sind. Sie dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 27a AsylVfG Rn. 65; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: November 2014, § 27a AsylVfG Rn. 196.1.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <84>). Ein erneuter Klärungsbedarf dieser Frage ergibt sich insoweit auch nicht aus zwei anhängigen Vorlageverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union, da sich diese nicht auf die Auslegung der hier maßgeblichen Dublin II-VO beziehen, sondern auf die Frage, ob die Rechtslage bei Anwendung der Dublin III-VO anders zu beurteilen ist (Vorlage der Rechtbank Den Haag/Niederlande vom 12. Februar 2015 - C-63/15 - Ghezelbash und Vorlage des Kammarrätten i Stockholm/Schweden vom 1. April 2015 - C-155/15 - Karim).

21

Unter welchen Voraussetzungen im Fall einer überlangen Verfahrensdauer eine Pflicht zum Selbsteintritt des ersuchenden Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO besteht (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. - Rn. 108 und vom 14. November 2013 - C-4/11 - Rn. 35), braucht nicht entschieden werden. Denn eine Verfahrensdauer von etwas mehr als elf Monaten von der Asylantragstellung bis zur Erteilung der Zustimmung zur Wiederaufnahme weist jedenfalls keine solche Überlänge auf.

22

c) Die Kläger können auch aus dem Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Art. 41 Abs. 1 der GRC keinen Anspruch auf Behandlung ihrer Asylanträge durch Deutschland ableiten. Denn in der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass sich dieses Recht nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet und nicht an die Mitgliedstaaten, selbst wenn diese Unionsrecht anwenden (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 32 m.w.N.).

23

d) Schließlich ergibt sich für die Kläger im Fall einer etwaigen Fristverletzung bei der Stellung eines Aufnahmegesuchs an Spanien auch aus Art. 6 Abs. 1 EMRK kein Anspruch auf Behandlung ihrer Asylanträge durch die Bundesrepublik Deutschland. Art. 6 Abs. 1 EMRK bezieht sich schon seinem Schutzbereich nach nicht auf das Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt, sondern enthält lediglich Verfahrensgarantien für Gerichtsverfahren und im Übrigen auch nur für solche Gerichtsverfahren, die zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen betreffen. Hierzu gehören Streitigkeiten über Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern nicht (EGMR, Urteil vom 17. Mai 2011 - Nr. 43408/08, Izevbekhai u.a./Irland - NVwZ 2012, 686 Rn. 83; Entscheidung vom 24. März 2015 - Nr. 37074/13, Kerkez/Deutschland - EuGRZ 2015, 464 Rn. 40).

24

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids zutreffend als rechtmäßig angesehen. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylG. Diese Vorschrift ist mit den unionsrechtlichen Bestimmungen des Dublin-Regelungswerks vereinbar, wie der Senat in seinem Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - näher ausgeführt hat. Auf die Gründe dieses Urteils wird verwiesen.

25

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

2

Der Kläger reiste 2013 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) über einen Eurodac-Treffer Kenntnis davon erhielt, dass der Kläger 2009 in Italien einen Asylantrag gestellt hat, richtete es im November 2013 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, das nicht beantwortet wurde. Daraufhin entschied es mit Bescheid vom 21. Januar 2014, dass der Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2).

3

Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 4. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an. Mit Urteil vom 28. November 2014 wies es die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 2016 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Nach der Dublin II-Verordnung sei die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht rechtzeitig nach Italien überstellt worden sei. Die sechsmonatige Überstellungsfrist habe nach dem Wiederaufnahmegesuch vom November 2013 und der fehlenden Reaktion der Italiener im Dezember 2013 begonnen. Mit Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht sei sie im März 2014 zwar unterbrochen worden, habe mit Ende der aufschiebenden Wirkung im April 2015 aber erneut begonnen. Werde die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen, ende die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies sei hier der innerhalb eines Monats zu stellende und zu begründende Antrag auf Zulassung der Berufung. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Das Fristenregime der Dublin II-Verordnung begründe für sich genommen zwar keine einklagbaren subjektiven Rechte. Der Kläger habe aber aus dem materiellen Recht einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüfe. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats positiv feststehe. Dies sei hier nicht der Fall. Durch die (fingierte) Erklärung zur Wiederaufnahme habe Italien nur eine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist akzeptiert. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit sei, das Asylverfahren durchzuführen. Vorliegend fehlten jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwende. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

4

Die Beklagte macht mit der Revision insbesondere geltend, dass die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Ordne das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage an, beginne die Frist auch bei einem klagabweisenden Urteil erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung. Denn erst dann sei sichergestellt, dass die Überstellung tatsächlich erfolgen werde, und es müssten nur noch die Modalitäten geregelt werden.

5

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 in Verbindung mit § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

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Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bescheid des Bundsamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 21. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht vor (1.). Die (Unzulässigkeits-)Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (2.) und verletzt den Kläger unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (3.). Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz (IntG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51), ohne dass hierdurch materiell die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (bislang: § 27a Asyl(Vf)G; nunmehr: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) in der Sache geändert worden sind.

9

1. Ungeachtet der gewählten Formulierung hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 1 ("Der Asylantrag ist unzulässig") eine rechtsgestaltende Regelung über die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a Asyl(Vf)G (inzwischen: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) getroffen; hiergegen ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 13 ff.).

10

Die Klage ist insoweit auch begründet. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

11

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO weiterhin die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 050 S. 1) - Dublin II-VO -, maßgeblich ist, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind.

12

b) Ob nach der Dublin II-Verordnung - wie vom Berufungsgericht angenommen - zunächst Italien (originär) zuständig war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Zuständigkeit jedenfalls wegen nicht fristgerechter Überstellung auf Deutschland übergegangen ist.

13

Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags auf den Mitgliedstaat über, in dem der Antrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Verlängerungsmöglichkeiten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO - nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist beginnt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO mit der Annahme des Wiederaufnahmeantrags durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

14

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich nach der ersten Variante mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat anläuft und die zweite Variante erst greift, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung zukommt. Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war, da die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Entfällt die aufschiebende Wirkung, sind die Behörden ab diesem Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 21 f. zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Folglich ist der Fristanlauf bei der zweiten Alternative nur für die Dauer der aufschiebenden Wirkung herausgeschoben. Endet diese vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, kann die Überstellungsentscheidung ab diesem Zeitpunkt vollzogen werden und sind nur noch die Modalitäten der Überstellung zu regeln. Damit entfällt die Rechtfertigung für einen weiteren Aufschub des Fristanlaufs und ist sichergestellt, dass den Mitgliedstaaten - ausgehend von dem Ziel der Bestimmung, ihnen bei beiden Varianten die gleiche Frist von sechs Monaten zur Durchführung der Überstellung einzuräumen - keine kürzere, aber auch keine längere Frist zur Regelung der Modalitäten zur Verfügung steht.

15

Nach nationalem Recht kommt der gegen eine Überstellungsentscheidung erhobenen Klage zwar nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG). Der Betroffene kann aber - innerhalb einer Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) - nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung stellen. Gibt das Verwaltungsgericht diesem Antrag - wie hier geschehen - statt, endet die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels, wenn nicht das Oberverwaltungsgericht nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Antrag die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnet. Dabei ist maßgebliches Rechtsmittel, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zulässt, der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO mit der Folge, dass als Bezugspunkt für die Dreimonatsfrist auf den Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe und nicht auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 22).

16

Der Wortlaut des § 80b Abs. 1 VwGO steht dieser Auslegung nicht entgegen, auch wenn nach dem Rechtsmittelrecht das gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts gegebene Rechtsmittel - auch bei der Zulassungsberufung - die Berufung selbst (§ 124 Abs. 1 VwGO) und nicht der Antrag auf Zulassung der Berufung ist und der in § 80b Abs. 1 VwGO verwendete Begriff "gesetzliche Begründungsfrist" terminologisch eher eine Verknüpfung mit der nach Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO zu wahrenden Berufungsbegründungsfrist aufweist, während es im Zulassungsverfahren einer Darlegung der Zulassungsgründe bedarf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO/§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Vor allem teleologische Gründe sprechen dafür, bei der Zulassungsberufung bereits den Antrag auf Zulassung der Berufung als "Rechtsmittel" im Sinne des § 80b Abs. 1 VwGO anzusehen. Denn nach Sinn und Zweck soll die Begrenzung der aufschiebenden Wirkung der missbräuchlichen Ausnutzung des Suspensiveffektes entgegenwirken (BT-Drs. 13/3993 S. 9 und 11). Da das erstinstanzliche Urteil mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), käme § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO bei einem Abstellen auf die Berufungsbegründungsfrist von vornherein nur im Falle einer positiven Zulassungsentscheidung durch das Berufungsgericht zur Anwendung, also in Konstellationen, in denen ein Zulassungsgrund vorliegt und damit nicht selten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 80b Abs. 2 VwGO gegeben sein dürften. Bei aussichtslosen Rechtsmitteln, auf deren Verhinderung die Bestimmung gerade zielt, würde sie hingegen leerlaufen. Zudem hinge das Ende der aufschiebenden Wirkung von der (ungewissen) Dauer des obergerichtlichen Zulassungsverfahrens ab und würde gerade in den Fällen, in denen das Verwaltungsgericht - soweit außerhalb des gerichtlichen Asylverfahrens möglich - keine Veranlassung zur Zulassung der Berufung sieht, die aufschiebende Wirkung länger andauern als bei Zulassung der Berufung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht. Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn im Gesetzgebungsverfahren wurde das Fristende um drei Monate nach hinten verschoben. Diese Verschiebung wurde vor allem mit einer "Parallelisierung" der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Berufung und einer Eilentscheidung gemäß § 80b Abs. 2 VwGO begründet (BT-Drs. 13/5098 S. 23).

17

Ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung an, weist es die Klage in der Hauptsache aber ab, endet die aufschiebende Wirkung folglich - vorbehaltlich einer nach § 80b Abs. 2 VwGO möglichen Anordnung des Oberverwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert - nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe. In diesem Fall stellt das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts die vom EuGH geforderte gerichtliche Entscheidung dar, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird. Der Durchführung der Überstellung steht nach nationalem Prozessrecht aber erst mit dem gesetzlich auf einen späteren Zeitpunkt festgelegten Ende der aufschiebenden Wirkung nichts mehr im Wege. Dies hat - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - zur Folge, dass die Überstellungsfrist nicht schon mit der Zustellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils, sondern erst mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung beginnt, da der für die Überstellung zuständigen Behörde ansonsten nicht die mit der Regelung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO bezweckte zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung stünde, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind.

18

Etwaigen Unwägbarkeiten bei der Durchführung der Überstellung, die sich daraus ergeben können, dass die Überstellungsfrist mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung automatisch in Gang gesetzt wird, der Kläger nach Zulassung der Berufung aber jederzeit einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stellen kann, dem das Berufungsgericht bei entsprechenden Erfolgsaussichten stattgeben wird, kann das Bundesamt dadurch begegnen, dass es jedenfalls in Fällen, in denen aufgrund der Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung bestehen, von sich aus nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung der Abschiebungsanordnung bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung förmlich aussetzt. Eine derartige behördliche Entscheidung steht in ihren Wirkungen einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung gleich und hat zur Folge, dass die Verfügung weiterhin nicht vollzogen werden darf (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) und damit die Überstellungsfrist erneut unterbrochen wird. Unionsrecht steht einem solchen Vorgehen für diese Fallkonstellation nicht entgegen. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der Dublin III-VO aus der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Dass eine behördliche Aussetzungsentscheidung auch im Geltungsbereich der Dublin II-VO zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist nach der zweiten Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO führt, ergibt sich daraus, dass es sich bei dem dort verwendeten Begriff der "aufschiebenden Wirkung" um einen unionsrechtlichen Begriff handelt, der alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung nach den nationalen Vorschriften zur Ausgestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht vollzogen werden darf (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 19 zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

19

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hier die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO maßgeblich geworden ist. Mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden im Dezember 2013 begann die Überstellungsfrist zwar zunächst nach der ersten Variante. Die Beklagte hat aber noch im gleichen Monat und damit rechtzeitig vor Ablauf der Frist nach der ersten Variante die streitgegenständliche (Überstellungs-)Entscheidung getroffen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hatte zwar nicht von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, der Kläger hat aber rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 stattgegeben hat. Mit dieser Entscheidung lagen die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach der zweiten Alternative (Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt) vor.

20

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Überstellungsfrist nach der zweiten Variante zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelaufen war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere beginnt die Überstellungsfrist hier - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung zu laufen. Da das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 28. November 2014 abgewiesen und das Berufungsgericht nicht die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet hat, endete die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 1 VwGO von Gesetzes wegen drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dabei kommt als Rechtsmittel im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG in Betracht. Für diesen Antrag waren die Zulassungsgründe aufgrund der Sonderregelung für asylgerichtliche Verfahren in § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG innerhalb der einmonatigen Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung darzulegen. Nachdem die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 2. Dezember 2014 erfolgte, endete die aufschiebende Wirkung folglich am 2. April 2015. Damit begann die sechsmonatige Überstellungsfrist und ist die Zuständigkeit jedenfalls mit ihrem Ablauf am 2. Oktober 2015 - und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts im Februar 2016 - auf Deutschland übergegangen.

21

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Ziffer 1 des Bescheids auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist, weil es sich um einen Zweitantrag handelt und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a AsylG nicht vorliegen. Denn bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in Verbindung mit § 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung würde es sich prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen handeln, weil sie zur Folge hätte, dass der (Zweit-)Antrag des Klägers auch von keinem anderen Staat geprüft würde und er grundsätzlich in jeden zu seiner Aufnahme bereiten Staat einschließlich seines Herkunftslands abgeschoben werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff.). Die Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann auch nicht in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung umgedeutet werden.

22

3. Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen auch einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Zwar sind die Fristenregelungen in der Dublin II-Verordnung - anders als die Regelungen in der Dublin III-Verordnung (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juni 2016 - C-63/15 [ECLI:EU:C:2016:409], Ghezelbash und C-155/15 [ECLI:EU:C:2016:410], Karim - grundsätzlich nicht individualschützend. Sie dienen der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 17 ff. m.w.N. zur Fristenregelung für die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO). Dies gilt auch für die Überstellungsfristen bei der (Wieder-)Aufnahme und den damit verbundenen Zuständigkeitswechsel.

23

Der nach den Dublin-Bestimmungen zuständige Mitgliedstaat darf einen Schutzsuchenden aber dann nicht auf eine Prüfung durch einen anderen (unzuständigen) Mitgliedstaat verweisen, wenn dessen (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. Danach kann sich ein Schutzsuchender den für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht selbst aussuchen, er hat aber einen Anspruch darauf, dass ein von ihm innerhalb der EU gestellter Antrag auf internationalen Schutz innerhalb der EU geprüft wird. Könnte sich der Schutzsuchende auch bei fehlender (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen, entstünde die Situation eines "refugee in orbit", in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies würde dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwiderlaufen, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO bzw. 5 der Dublin III-VO). Das schließt allerdings nicht aus, dass Asylanträge aus anderen Gründen, etwa wegen mangelndem Betreiben des Asylverfahrens durch den Antragsteller, ohne Sachprüfung abgelehnt werden können. Das gilt nicht nur für Erstanträge, sondern gleichermaßen für Zweitanträge, auch wenn diese nur unter besonderen Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 20). Diese vom Senat zur Dublin III-Verordnung entwickelten Grundsätze sind dort aufgrund der Urteile des EuGH vom 7. Juni 2016 (C-63/15, Ghezelbash und C-155/15, Karim) inzwischen zwar überholt; sie gelten aber weiterhin für Verfahren, bei denen die Dublin II-VO zur Anwendung kommt.

24

Vorliegend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass jegliche Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwendet. Diese den Senat bindende tatrichterliche Feststellung (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht insbesondere nicht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage, weil das Berufungsgericht keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Denn es hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung auf den Ablauf der Überstellungsfrist und die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Bei dieser Sachlage hätte das Bundesamt, dem aufgrund seiner Mitwirkung bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen bekannt ist, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf den mit dem Ablauf der Überstellungsfrist verbundenen Zuständigkeitswechsel reagieren, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten substantiiert auf etwaige Besonderheiten speziell bei der Durchführung von Überstellungen nach Italien hinweisen können und müssen. Nachdem dies nicht geschehen war, durfte das Berufungsgericht das Schweigen des Bundesamts hier auch ohne weitere Nachfrage dahin würdigen, dass dort keine weiterführenden Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich Hinweise für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft ergeben, und damit letztlich allein aus dem Verhalten des Bundesamts auf die fehlende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft Italiens schließen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 23).

25

4. Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid deshalb insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht vor.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:

1. In einem Fall, in dem der Drittstaatsangehörige nach Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) aufgrund gerichtlicher Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: Italien) überstellt wurde und er danach umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zurückgekehrt ist:

a) Ist nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgeblich, weil mit der fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vorschriften der Dublin III-VO für die weitere Entwicklung nicht mehr anzuwenden sind, oder sind nachträgliche Entwicklungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erheblichen Umstände - z.B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerlichen) Überstellung - zu berücksichtigen?

b) Sind nach abgeschlossener Zuständigkeitsbestimmung aufgrund der Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet?

2. Wenn die Zuständigkeit mit der Überstellung nicht endgültig bestimmt ist: Welche der nachstehend genannten Regelungen ist in einem solchen Fall auf eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchstaben b, c oder d Dublin III-VO wegen des noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens gegen die bereits vollzogene Überstellungsentscheidung anzuwenden:

a) Art. 23 Dublin III-VO (analog) mit der Folge, dass bei einem nicht fristgerechten erneuten Wiederaufnahmegesuch ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO eintreten kann, oder

b) Art. 24 der Dublin III-VO (analog) oder

c) keine der unter a) und b) genannten Regelungen?

3. Für den Fall, dass auf eine solche Person weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO (analog) anwendbar sind (Frage 2 Buchstabe c): Sind aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet - unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO?

4. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 23 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

5. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 24 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe b):

a) Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

b) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates (hier: Deutschland) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

c) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Ist dann die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen?

d) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt und der Ausländer weder einen neuen Asylantrag stellt noch die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wurde am 12. September 2014 von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffen und stellte am 29. Oktober 2014 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab er an, über das Meer von Libyen nach Italien und von dort aus auf dem Landweg nach Deutschland gereist zu sein. Eine Eurodac-Treffermeldung ergab, dass der Kläger bereits am 4. September 2014 in Italien Asyl beantragt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt am 11. November 2014 die italienischen Behörden um die Wiederaufnahme des Klägers, ohne eine Antwort zu erhalten.

2

Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an.

3

Der Kläger beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage anzuordnen, da das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufwiesen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 12. März 2015 ab und wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2015 ab. Daraufhin wurde der Kläger am 3. August 2015 nach Italien abgeschoben, kehrte aber Mitte August 2015 illegal nach Deutschland zurück.

4

Seine Berufung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 3. November 2015 Italien als originär zuständig für die Prüfung des Asylantrags angesehen. Die Zuständigkeit sei aber gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb der Sechs-Monatsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO überstellt worden sei. Diese Frist sei mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden am 26. November 2014 angelaufen. Bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handele es sich nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO. In Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass Italien nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Wiederaufnahme des Klägers bereit sei.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt, die Überstellung des Klägers sei fristgemäß erfolgt. Denn die sechsmonatige Überstellungsfrist sei nicht mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs, sondern erst mit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angelaufen. Im Übrigen entfalteten die Frist- und Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO keine individualschützende Wirkung. Schließlich habe sich der Kläger selbst der Prüfung seines Asylbegehrens im zuständigen Mitgliedstaat (Italien) begeben, so dass keine Situation eines "refugee in orbit" vorliege.

6

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II

7

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - ABl. L 180 S. 31 - (Dublin III-VO). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

8

1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2015 gerichteten Anfechtungsklage sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394), sowie die Dublin III-VO maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen. Die Anwendbarkeit der Dublin III-VO ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, wonach die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, d.h. ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden, und die ab diesem Zeitpunkt ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme gilt.

9

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

§ 27a AsylG

Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...)

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. (...)

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

10

Im Übrigen ist auf Art. 2 Abs. 1 und 2 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 (BGBl. II S. 1099) hinzuweisen. Die genannte Vorschrift lautet:

Art. 2 Rückübernahmeabkommen

(1) Die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, übernimmt auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person.

(2) Als Außengrenze im Sinne dieses Artikels gilt die zuerst überschrittene Grenze, die nicht Binnengrenze der Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ist.

11

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

12

a) Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft verweist § 27a AsylG insbesondere auf die Vorschriften der Dublin III-VO zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Ist hiernach ein anderer Mitgliedstaat zuständig und hat dieser Mitgliedstaat ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch angenommen, lehnt das Bundesamt den in Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig ab und ordnet zugleich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in den zuständigen Staat an. Bei der Abschiebungsanordnung handelt es sich um die Anordnung einer Überstellung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl. L 222 S. 3), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (ABl. L 39 S. 1) (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 11 ff.).

13

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des Bundesamts stellt das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. Diese Sonderregelung für asylrechtliche Streitigkeiten soll dazu beitragen, den Streit über das Asyl- und Bleiberecht umfassend zu beenden und neue Verwaltungsverfahren möglichst zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 B 5.97 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8 S. 13). Hiernach sind bei der gerichtlichen Überprüfung in einem Fall wie dem vorliegenden auch nach Erlass der behördlichen Entscheidung und Durchführung der Überstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz - hier des Berufungsgerichts - eintretende Umstände zu berücksichtigen, wenn sie nach dem anwendbaren materiellen Unionsrecht für die Bestimmung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates von Bedeutung sind.

14

b) Auf der Grundlage der für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob Italien nach Maßgabe der Dublin III-VO originär für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist und sich deshalb die durch das Bundesamt getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig erweisen.

15

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird ein Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Dabei ist von der nach Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO genannten Rangfolge und gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach der allgemeinen Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Ist die Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung nach den Kriterien des Kapitels III fort. Kann danach keine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien von Kapitel III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, wird nach der weiteren Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig.

16

Auf der Grundlage dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend von einer originären Zuständigkeit Italiens ausgegangen. Diese ergibt sich hier in Ermangelung vorrangiger Regelungen aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Danach ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013, festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat; die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Hierzu hat das Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass der Kläger von Libyen aus die Seegrenze Italiens am 29. August 2014 illegal überschritten hat. Die damit in Lauf gesetzte Frist von zwölf Monaten war zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrags auf internationalen Schutz in Italien auch noch nicht verstrichen. Denn nach den wiederum bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger am 4. September 2014 in Italien den ersten Asylantrag gestellt.

17

Die originäre Zuständigkeit Italiens kann jedoch durch den Senat nicht abschließend beurteilt werden. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO aufweisen, so dass Italien gegebenenfalls bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO außer Betracht zu lassen wäre. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen substantiiert auf systemische Defizite in Italien berufen, so dass diesem Einwand von Amts wegen nachzugehen ist. Sind nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO hinsichtlich Italiens zumindest nicht ausgeschlossen, kommt in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines dritten Mitgliedstaates auch eine Zuständigkeit Deutschlands über die Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO in Betracht.

18

c) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland zuständig ist, kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht deshalb offenbleiben, weil Deutschland jedenfalls nachträglich gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden ist. Denn der Kläger ist bei richtiger Berechnung der Überstellungsfrist fristgemäß nach Italien überstellt worden.

19

Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bestimmt, dass der originär zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO durchgeführt wird. Nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist eine Überstellung durchzuführen, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei dem nach der zweiten Variante maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der "aufschiebenden Wirkung" handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der durch den Verweis auf Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung im Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingeräumten Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Denn wie sich aus der zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei der Auslegung der Dublin-Bestimmungen zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

20

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat anläuft. Die zweite Variante greift erst dann, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und wegen eines in Umsetzung der Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingelegten Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden kann. Dies ist nach nationalem Recht der Fall, wenn der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und innerhalb der Frist von einer Woche gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt hat. Denn nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ist eine Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag unabhängig vom Verfahrensausgang kraft Gesetzes nicht zulässig. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Dublin III-VO. Danach sorgen die Mitgliedstaaten unter anderem dadurch für einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, und die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.

21

Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn es versteht sich von selbst, dass die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Das ist nach nationalem Recht indes nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert.

22

Deshalb begann die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall zunächst am 26. November 2014 mit der gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nach Ablauf von zwei Wochen fingierten Annahme des fristgemäß gestellten Wiederaufnahmeersuchens an Italien. Der Kläger hat aber gegen die Überstellungsentscheidung Klage erhoben und rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Die nach der ersten Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO in Lauf gesetzte Überstellungsfrist war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abgelaufen, so dass die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO greift. Wegen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung der Überstellungsfrist begann diese (erneut) mit Bekanntgabe des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 12. März 2015 an die Beklagte und war folglich bei der Überstellung des Klägers am 3. August 2015 noch nicht abgelaufen.

23

d) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland originär zuständig ist, könnte allerdings dann offenbleiben, wenn infolge der illegalen Wiedereinreise des Klägers zu dem hier nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts am 3. November 2015 die Zuständigkeit nach den Vorschriften der Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen oder ein erneut durchzuführendes Wiederaufnahmeverfahren noch nicht abgeschlossen war. Entscheidungserheblich wird dann, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO mit einer fristgemäß erfolgten Überstellung die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz noch nicht endgültig bestimmt ist, sondern im Falle einer umgehenden illegalen Rückkehr des Asylbewerbers ein erneutes (Wieder-)Aufnahmeverfahren - gegebenenfalls mit erneuter Beachtung zuständigkeitsrelevanter Fristen - durchzuführen wäre. In diesem Zusammenhang stellen sich die oben genannten unionsrechtlichen Fragen zur Auslegung der Dublin III-VO.

24

aa) Die Frage 1 Buchstabe a soll klären, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung abweichend von der nationalen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG unionsrechtlich die Sachlage im Zeitpunkt der fristgerecht erfolgten Überstellung maßgeblich ist. Denn es spricht einiges dafür, dass nach einer fristgerecht erfolgten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates endgültig bestimmt ist und die Vorschriften der Dublin III-VO, insbesondere diejenigen über die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens, auf nachträgliche tatsächliche Umstände wie die illegale Wiedereinreise eines Asylbewerbers nicht mehr anwendbar sind.

25

Zu dieser Frage enthält die Dublin III-VO keine ausdrücklichen Regelungen. Die Vorschriften über das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren sind jedenfalls nicht unmittelbar auf eine solche Fallkonstellation zugeschnitten, so dass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht käme. Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO knüpfen die Einleitung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens an die (erneute) Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in dem ersuchenden Mitgliedstaat. Die hiernach vorausgesetzte Situation ist mit der vorliegenden allenfalls insoweit vergleichbar, als der Kläger in Deutschland vor seiner Überstellung einen (erneuten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, über den zum Zeitpunkt seiner illegalen Wiedereinreise noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Art. 24 Abs. 1 Dublin III-VO erfasst zwar Konstellationen, in denen sich ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhält und keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Wie die Regelung in Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO zeigt, wonach dem Drittstaatsangehörigen bei nicht fristgerechter Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, passt jedoch auch diese Vorschrift nicht unmittelbar auf den Fall eines bereits anhängigen, noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrags.

26

Eine eindeutige Antwort auf die aufgeworfene Fragestellung ergibt sich auch nicht aus dem mit der Dublin III-VO verfolgten zentralen Ziel, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (5. Erwägungsgrund). Zwar würde eine jedenfalls analoge Anwendung der Vorschriften über das (Wieder-)Aufnahmeverfahren es ermöglichen, dass der Betroffene in einem geordneten Verfahren wieder in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz originär zuständigen Mitgliedstaat überstellt und zeitnah entweder dort oder bei einem etwaigen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumnis in dem anderen Mitgliedstaat mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags begonnen werden kann. Aber die Obliegenheit eines Mitgliedstaates, in solchen Fällen erneut ein Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens durchführen zu müssen, könnte Asylbewerber dazu veranlassen, sich trotz der Überstellung wieder in den von ihnen favorisierten Mitgliedstaat zu begeben. Dann hätten es Asylbewerber stets in der Hand, die zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten im Wege eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahrens getroffene Zuständigkeitsbestimmung durch eine illegale Rückkehr wieder in Frage zu stellen und damit letztendlich eine ihren persönlichen Interessen nicht entsprechende Zuständigkeitsbestimmung zu unterlaufen. Eine solche Annahme liefe dem Ziel des Dublin-Systems zuwider, durch Schaffung einheitlicher Verfahren und Kriterien zur Zuständigkeitsbestimmung die Sekundärmigration gerade zu verhindern (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 PPU [ECLI:EU:C:2016:188], Mirza - Rn. 52).

27

bb) Für den Fall, dass mit einer einmal fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten endgültig bestimmt ist, bedarf es - hierauf zielt der zweite Teil der ersten Vorlagefrage (Frage 1 Buchstabe b) - zudem der Klärung, ob aufgrund der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat möglich sind und dieser nach Sinn und Zweck der Regelungen der Dublin III-VO zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt.

28

Ist die Zuständigkeit mit der einmal erfolgten Überstellung endgültig festgelegt, bedarf es gegenüber dem Asylbewerber einer rechtlichen Grundlage für eine erneute Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat. Diese könnte, wenn keine Obliegenheit zur Durchführung eines erneuten (Wieder-)Aufnahmeverfahrens gegenüber dem anderen Mitgliedstaat besteht, weiterhin in der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung liegen. Als Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmepflicht des originär zuständigen Mitgliedstaates ließe sich die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO anführen. Danach ist der nach den Kriterien der Verordnung zuständige Mitgliedstaat in den durch Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis d Dublin III-VO näher bestimmten Fällen zur Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme eines Antragstellers verpflichtet. Allerdings ist, wie die weiteren aufeinander abgestimmten Regelungen in Kapitel VI der Dublin III-VO zeigen, die Durchführung einer (weiteren) Überstellung ohne vorherige Durchführung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen.

29

Deshalb ist auch in Betracht zu ziehen, dass sich die Rückführung des Asylbewerbers im Anschluss an eine einmal durchgeführte Überstellung nicht mehr nach den Bestimmungen der Dublin III-VO richtet. Dann käme als Rechtsgrundlage für eine Rückführung Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben; kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, erlassen die Mitgliedstaaten eine Rückkehrentscheidung. Dazu müsste die sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) ergebende Berechtigung, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Asylbehörde über den Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat zu verbleiben, als eine "sonstige Aufenthaltsberechtigung" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG anzusehen sein, die diesen Mitgliedstaat zur Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet. Das würde indes voraussetzen, dass das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) noch nicht abgeschlossen ist.

30

Folgt man dem nicht, verbliebe in Ermangelung anderweitiger unionsrechtlicher Grundlagen für eine Überstellung in den im Dublin-Verfahren als zuständig bestimmten Mitgliedstaat allenfalls ein Rekurs auf bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten. Unter den vorliegenden Umständen wäre dabei eine Überstellung an Italien nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in Betracht zu ziehen. Danach übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenze eine Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht (mehr) erfüllt, diese Person formlos auf Antrag dieser Vertragspartei. Wie sich aus dieser Regelung ergibt, muss es sich bei dem hiernach zur Übernahme verpflichteten Staat indes nicht zwangsläufig um den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat handeln, auch wenn dies unter den vorliegenden Umständen der Fall wäre.

31

cc) Die weiteren Vorlagefragen sind durch den Gerichtshof nur für den Fall zu beantworten, dass mit einer fristgerecht durchgeführten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeitsbestimmung nicht endgültig abgeschlossen ist. Sie zielen auf die Klärung, welche Regelungen der Dublin III-VO im Falle der illegalen Rückkehr eines überstellten Drittstaatsangehörigen unter Umständen wie den vorliegenden - gegebenenfalls analog - Anwendung finden und wie diese Vorschriften dabei im Einzelnen auszulegen sind. Nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts kommt dabei in Betracht, dass Art. 23 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren nach erneuter Antragstellung, Art. 24 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Antragstellung oder aber keine dieser beiden Vorschriften heranzuziehen ist (Frage 2).

32

aaa) Für den Fall, dass weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung finden, bedarf der Klärung, ob aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich sind und dieser Mitgliedstaat unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und auch unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO, die gegebenenfalls zu einem Zuständigkeitsübergang auf den anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) führen können, zur Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt (Frage 3).

33

bbb) Für den Fall, dass Art. 23 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, bedarf der Klärung, ob die Stellung eines dann erforderlichen erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zweimonatige oder dreimonatige Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist und ob - falls diese Frage zu bejahen sein sollte - diese neue Frist bereits durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise oder durch ein anderes Ereignis in Lauf gesetzt wird (Frage 4). Gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist ein Wiederaufnahmeverfahren so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach einer Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen. Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als auf Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. Unmittelbar ist diese Regelung allein auf eine Situation zugeschnitten, in der nach Stellung eines Antrags auf internationalem Schutz in dem originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) in dem um Wiederaufnahme ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Deutschland) ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird und bei dessen Prüfung entweder eine Eurodac-Treffermeldung oder sonstige Beweismittel und Indizien auf eine Zuständigkeit des originär zuständigen Mitgliedstaates hinweisen. Es liegt auf der Hand, dass die hiernach ursprünglich in Lauf gesetzte zweimonatige bzw. dreimonatige Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs nicht auch für die Stellung eines weiteren Wiederaufnahmegesuchs nach illegaler Rückkehr maßgeblich sein kann. Denn im Falle einer illegalen Rückkehr wird diese Frist - wie hier - regelmäßig verstrichen sein. In Ermangelung einer erneuten Eurodac-Treffermeldung bzw. eines erneuten Antrags könnte als ein den Fristlauf auslösendes Ereignis aber möglicherweise auf die Kenntnis der nach Art. 35 Abs. 1 Dublin III-VO für die Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens zuständigen nationalen Behörde, hier des Bundesamtes, von der illegalen Rückkehr des Drittstaatsangehörigen abzustellen sein.

34

ccc) Für den Fall, dass in Ermangelung eines erneuten Antrags auf internationalen Schutz nicht Art. 23 Dublin III-VO, sondern Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, ist klärungsbedürftig, ob die Stellung eines erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zwei- oder dreimonatige Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist. Falls diese Frage zu bejahen sein sollte, stellt sich die weitere Frage, durch welches Ereignis die Frist in Lauf gesetzt wird (Frage 5 Buchstabe a). Denn ebenso wenig wie die Fristenregelung in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist auch die Fristenregelung in Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO auf eine Situation wie die vorliegende zugeschnitten. Die vorstehenden Erwägungen zur Auslegung von Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gelten daher entsprechend.

35

Ist der um Wiederaufnahme ersuchende Mitgliedstaat an eine aus Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) folgende Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs gebunden, hält das vorlegende Gericht außerdem eine Klärung der an das erfolglose Verstreichen der Frist geknüpften Rechtsfolge für erforderlich (Frage 5 Buchstabe b). Anders als Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO sieht Art. 24 Abs. 3 Dublin-VO nämlich keinen Zuständigkeitsübergang vor, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht fristgerecht gestellt wird. Stattdessen bestimmt Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO lediglich, dass dem Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag zu stellen. Allerdings könnte diese Regelung dahin zu verstehen sein, dass die Stellung eines neuen Antrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des Mitgliedstaates begründet, in dem der neue Antrag gestellt wird. Wirkt die Stellung des neuen Antrags hingegen nicht unmittelbar zuständigkeitsbegründend, könnte dieser Mitgliedstaat berechtigt bleiben, den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme zu ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen zu überstellen.

36

Falls die Stellung eines neuen Antrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar zuständigkeitsbegründend wirken sollte, bedarf außerdem der Klärung, ob die Rechtshängigkeit eines in einem Mitgliedstaat vor der Überstellung gestellten Antrags der Stellung eines neuen Asylantrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist (Frage 5 Buchstabe c). Denn der Kläger des Ausgangsverfahrens hat, nachdem er an Italien überstellt wurde und illegal nach Deutschland zurückgekehrt ist, keinen weiteren Asylantrag gestellt, sondern vielmehr den gegen die abschlägige Bescheidung des früheren Antrags noch anhängigen Rechtsbehelf weiterverfolgt.

37

Ist die vorstehende Frage zu verneinen, bedarf schließlich der Klärung, ob der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen kann (Frage 5 Buchstabe d).

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein guineischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Spanien.

2

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 von Marokko aus (über Melilla) nach Spanien und wurde dort am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter einem Aliasnamen in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte diesen Asylantrag durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Spanien an; die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.

3

Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 - nunmehr unter einem anderen Namen - erneut Asyl. Ein Eurodac-Abgleich vom 27. August 2013 ergab, dass der Kläger bereits in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden war. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamtes anerkannten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages und erklärten ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers. Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2).

4

Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 7. Januar 2014 einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zunächst ab und ordnete dann nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an, weil zwischenzeitlich die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Das Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 12. September 2014 die Klage ab, weil nach der Dublin II-Verordnung weiterhin Spanien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet und in der Hauptsache mit Urteil vom 16. September 2015 den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der hier anzuwendenden Dublin II-Verordnung zwar zunächst Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei. Diese Zuständigkeit sei aber inzwischen auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Spanien überstellt worden sei. Diese Frist habe mit der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch Spanien im September 2013 begonnen und sei während des gerichtlichen Verfahrens nicht wieder neu eröffnet worden. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Dabei könne offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Dublin-Regelungen Individualschutz entfalteten. Eine Verletzung subjektiver Rechte ergebe sich jedenfalls aus dem materiellen Recht, da der Kläger ansonsten seinen Anspruch auf die ihm durch Unionsrecht garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht wirksam durchsetzen könne. Zwar sei im Einzelfall denkbar, dass ein Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist weiterhin zur Wiederaufnahme bereit sei; für den Regelfall könne hiervon aber nicht ausgegangen werden. In Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine fortbestehende Aufnahmebereitschaft Spaniens sei hier von einer Rechtsverletzung des Klägers auszugehen. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

6

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, dass bereits die Überstellungsfrist nicht abgelaufen und daher kein Zuständigkeitswechsel auf Deutschland bewirkt worden sei. Zudem dienten die in den Dublin-Verordnungen geregelten Fristen allein der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der zeitnahen Überstellung in diesen Staat, begründeten aber keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden.

7

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die durch die Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzte Überstellungsfrist werde durch einen fristgerechten Antrag nach § 34a AsylG nicht unterbrochen und dann auch bei einer ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht neu in Lauf gesetzt, verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) (3.). Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (4.).

9

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom gleichen Tag (BGBl. I S. 394), sowie die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie hier in Bezug auf die anzuwendende Fassung der Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

10

2. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend dahin erkannt, dass hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 4. Oktober 2013 nur die Anfechtungsklage statthaft ist (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - NVwZ 2016, 154 Rn. 13 ff.). Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit ist nach deren Art. 49 Abs. 2 die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - nicht heranzuziehen, weil sie intertemporal nur auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt worden sind. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO Spanien jedenfalls wegen der Einreise des Klägers über diesen Mitgliedstaat mangels vorrangiger Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO originär zuständig war, und die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht wegen einer Versäumung der in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO genannten Frist für die Prüfung des Asylantrages international zuständig geworden ist.

11

3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag sei wegen Versäumung der Überstellungsfrist (Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, verletzt indes Bundesrecht. Das Berufungsgericht vernachlässigt bei seiner Berechnung der Frist, die grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, dass bei einem rechtzeitigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) eine Abschiebung bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht vollzogen werden darf und daher die sechsmonatige Überstellungsfrist auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht diesen Antrag ablehnt (s.a. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - Rn. 18 ff.). Aus der - zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO ergangenen - Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der "aufschiebenden Wirkung" eines Rechtsbehelfs unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass dem Mitgliedstaat stets eine zusammenhängende sechsmonatige Überstellungsfrist zuzubilligen ist, so dass die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen ist (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.

12

Im Zeitpunkt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2014, durch den die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden war, war hiernach die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen. Da der Kläger gegen die Überstellungsentscheidung vom 4. Oktober 2013 Klage erhoben und im Oktober 2013 rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung gestellt hatte, war die Überstellungsfrist unterbrochen worden. Sie begann erst (erneut) mit der Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzantrages durch das Verwaltungsgericht am 7. Januar 2014 zu laufen und war mithin am 24. März 2014, als das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnete, noch nicht abgelaufen. Das Berufungsgericht hat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung hier nach § 80b Abs. 2 VwGO auch fristgerecht angeordnet, so dass die Vollziehung weiterhin - bis zur Unanfechtbarkeit der Anordnung - ausgesetzt bleibt. Die derart unterbrochene Überstellungsfrist konnte daher nicht wegen der Überschreitung der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO genannten Fristen, die sich auf eine rechtlich mögliche Überstellung beziehen, ablaufen.

13

Der Kläger hat hier die - unter einem Aliasnamen bewirkte - erste Überstellungsentscheidung des Bundesamtes vom 13. März 2013 bestandskräftig werden lassen und ist auch sonst nicht gegen die am 10. April 2013 bewirkte Überstellung vorgegangen. Die im Beschluss des Senats vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - aufgeworfenen Fragen stellen sich mithin nicht, zumal es der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht verwehrt ist, auf den neuerlichen Asylantrag des Klägers hin das Dublin-Regime anzuwenden, die Anwendung der Dublin-Regelungen den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt und bei Nichtanwendbarkeit ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland erst recht ausscheidet.

14

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages ist insbesondere nicht ausnahmsweise wegen sog. systemischer Mängel (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N. S. u.a.; EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413; s. nunmehr auch Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Der Kläger hat sich allerdings in seiner Klageschrift auf solche Mängel berufen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu indes ausgeführt, dass ihm keinerlei Erkenntnisse vorlägen, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen. Bereits im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Vortrag aus der Klageschrift nicht wieder aufgegriffen, so dass das Berufungsgericht - dem sich derartige Mängel für Spanien nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers oder von Amts wegen in aktueller Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 - juris) auch nicht aufdrängen mussten - insoweit keine ausdrücklichen Feststellungen treffen musste. Auch im Revisionsverfahren hat der Kläger insoweit nicht an sein erstinstanzliches Vorbringen angeknüpft und nicht mit einer formgerechten Gegenrüge (dazu - m.w.N. - Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 78) substantiiert zu systemischen Schwachstellen des Asylsystems in Spanien vorgetragen.

15

5. Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides), die von der Vorfrage der internationalen Zuständigkeit (§ 27a AsylG) unabhängig sind, sind hier nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.

16

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:

1. In einem Fall, in dem der Drittstaatsangehörige nach Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) aufgrund gerichtlicher Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: Italien) überstellt wurde und er danach umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zurückgekehrt ist:

a) Ist nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgeblich, weil mit der fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vorschriften der Dublin III-VO für die weitere Entwicklung nicht mehr anzuwenden sind, oder sind nachträgliche Entwicklungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erheblichen Umstände - z.B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerlichen) Überstellung - zu berücksichtigen?

b) Sind nach abgeschlossener Zuständigkeitsbestimmung aufgrund der Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet?

2. Wenn die Zuständigkeit mit der Überstellung nicht endgültig bestimmt ist: Welche der nachstehend genannten Regelungen ist in einem solchen Fall auf eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchstaben b, c oder d Dublin III-VO wegen des noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens gegen die bereits vollzogene Überstellungsentscheidung anzuwenden:

a) Art. 23 Dublin III-VO (analog) mit der Folge, dass bei einem nicht fristgerechten erneuten Wiederaufnahmegesuch ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO eintreten kann, oder

b) Art. 24 der Dublin III-VO (analog) oder

c) keine der unter a) und b) genannten Regelungen?

3. Für den Fall, dass auf eine solche Person weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO (analog) anwendbar sind (Frage 2 Buchstabe c): Sind aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet - unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO?

4. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 23 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

5. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 24 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe b):

a) Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

b) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates (hier: Deutschland) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

c) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Ist dann die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen?

d) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt und der Ausländer weder einen neuen Asylantrag stellt noch die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wurde am 12. September 2014 von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffen und stellte am 29. Oktober 2014 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab er an, über das Meer von Libyen nach Italien und von dort aus auf dem Landweg nach Deutschland gereist zu sein. Eine Eurodac-Treffermeldung ergab, dass der Kläger bereits am 4. September 2014 in Italien Asyl beantragt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt am 11. November 2014 die italienischen Behörden um die Wiederaufnahme des Klägers, ohne eine Antwort zu erhalten.

2

Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an.

3

Der Kläger beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage anzuordnen, da das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufwiesen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 12. März 2015 ab und wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2015 ab. Daraufhin wurde der Kläger am 3. August 2015 nach Italien abgeschoben, kehrte aber Mitte August 2015 illegal nach Deutschland zurück.

4

Seine Berufung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 3. November 2015 Italien als originär zuständig für die Prüfung des Asylantrags angesehen. Die Zuständigkeit sei aber gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb der Sechs-Monatsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO überstellt worden sei. Diese Frist sei mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden am 26. November 2014 angelaufen. Bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handele es sich nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO. In Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass Italien nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Wiederaufnahme des Klägers bereit sei.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt, die Überstellung des Klägers sei fristgemäß erfolgt. Denn die sechsmonatige Überstellungsfrist sei nicht mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs, sondern erst mit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angelaufen. Im Übrigen entfalteten die Frist- und Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO keine individualschützende Wirkung. Schließlich habe sich der Kläger selbst der Prüfung seines Asylbegehrens im zuständigen Mitgliedstaat (Italien) begeben, so dass keine Situation eines "refugee in orbit" vorliege.

6

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II

7

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - ABl. L 180 S. 31 - (Dublin III-VO). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

8

1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2015 gerichteten Anfechtungsklage sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394), sowie die Dublin III-VO maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen. Die Anwendbarkeit der Dublin III-VO ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, wonach die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, d.h. ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden, und die ab diesem Zeitpunkt ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme gilt.

9

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

§ 27a AsylG

Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...)

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. (...)

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

10

Im Übrigen ist auf Art. 2 Abs. 1 und 2 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 (BGBl. II S. 1099) hinzuweisen. Die genannte Vorschrift lautet:

Art. 2 Rückübernahmeabkommen

(1) Die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, übernimmt auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person.

(2) Als Außengrenze im Sinne dieses Artikels gilt die zuerst überschrittene Grenze, die nicht Binnengrenze der Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ist.

11

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

12

a) Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft verweist § 27a AsylG insbesondere auf die Vorschriften der Dublin III-VO zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Ist hiernach ein anderer Mitgliedstaat zuständig und hat dieser Mitgliedstaat ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch angenommen, lehnt das Bundesamt den in Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig ab und ordnet zugleich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in den zuständigen Staat an. Bei der Abschiebungsanordnung handelt es sich um die Anordnung einer Überstellung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl. L 222 S. 3), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (ABl. L 39 S. 1) (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 11 ff.).

13

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des Bundesamts stellt das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. Diese Sonderregelung für asylrechtliche Streitigkeiten soll dazu beitragen, den Streit über das Asyl- und Bleiberecht umfassend zu beenden und neue Verwaltungsverfahren möglichst zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 B 5.97 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8 S. 13). Hiernach sind bei der gerichtlichen Überprüfung in einem Fall wie dem vorliegenden auch nach Erlass der behördlichen Entscheidung und Durchführung der Überstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz - hier des Berufungsgerichts - eintretende Umstände zu berücksichtigen, wenn sie nach dem anwendbaren materiellen Unionsrecht für die Bestimmung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates von Bedeutung sind.

14

b) Auf der Grundlage der für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob Italien nach Maßgabe der Dublin III-VO originär für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist und sich deshalb die durch das Bundesamt getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig erweisen.

15

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird ein Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Dabei ist von der nach Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO genannten Rangfolge und gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach der allgemeinen Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Ist die Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung nach den Kriterien des Kapitels III fort. Kann danach keine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien von Kapitel III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, wird nach der weiteren Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig.

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Auf der Grundlage dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend von einer originären Zuständigkeit Italiens ausgegangen. Diese ergibt sich hier in Ermangelung vorrangiger Regelungen aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Danach ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013, festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat; die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Hierzu hat das Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass der Kläger von Libyen aus die Seegrenze Italiens am 29. August 2014 illegal überschritten hat. Die damit in Lauf gesetzte Frist von zwölf Monaten war zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrags auf internationalen Schutz in Italien auch noch nicht verstrichen. Denn nach den wiederum bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger am 4. September 2014 in Italien den ersten Asylantrag gestellt.

17

Die originäre Zuständigkeit Italiens kann jedoch durch den Senat nicht abschließend beurteilt werden. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO aufweisen, so dass Italien gegebenenfalls bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO außer Betracht zu lassen wäre. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen substantiiert auf systemische Defizite in Italien berufen, so dass diesem Einwand von Amts wegen nachzugehen ist. Sind nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO hinsichtlich Italiens zumindest nicht ausgeschlossen, kommt in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines dritten Mitgliedstaates auch eine Zuständigkeit Deutschlands über die Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO in Betracht.

18

c) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland zuständig ist, kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht deshalb offenbleiben, weil Deutschland jedenfalls nachträglich gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden ist. Denn der Kläger ist bei richtiger Berechnung der Überstellungsfrist fristgemäß nach Italien überstellt worden.

19

Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bestimmt, dass der originär zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO durchgeführt wird. Nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist eine Überstellung durchzuführen, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei dem nach der zweiten Variante maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der "aufschiebenden Wirkung" handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der durch den Verweis auf Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung im Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingeräumten Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Denn wie sich aus der zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei der Auslegung der Dublin-Bestimmungen zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

20

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat anläuft. Die zweite Variante greift erst dann, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und wegen eines in Umsetzung der Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingelegten Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden kann. Dies ist nach nationalem Recht der Fall, wenn der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und innerhalb der Frist von einer Woche gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt hat. Denn nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ist eine Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag unabhängig vom Verfahrensausgang kraft Gesetzes nicht zulässig. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Dublin III-VO. Danach sorgen die Mitgliedstaaten unter anderem dadurch für einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, und die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.

21

Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn es versteht sich von selbst, dass die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Das ist nach nationalem Recht indes nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert.

22

Deshalb begann die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall zunächst am 26. November 2014 mit der gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nach Ablauf von zwei Wochen fingierten Annahme des fristgemäß gestellten Wiederaufnahmeersuchens an Italien. Der Kläger hat aber gegen die Überstellungsentscheidung Klage erhoben und rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Die nach der ersten Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO in Lauf gesetzte Überstellungsfrist war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abgelaufen, so dass die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO greift. Wegen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung der Überstellungsfrist begann diese (erneut) mit Bekanntgabe des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 12. März 2015 an die Beklagte und war folglich bei der Überstellung des Klägers am 3. August 2015 noch nicht abgelaufen.

23

d) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland originär zuständig ist, könnte allerdings dann offenbleiben, wenn infolge der illegalen Wiedereinreise des Klägers zu dem hier nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts am 3. November 2015 die Zuständigkeit nach den Vorschriften der Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen oder ein erneut durchzuführendes Wiederaufnahmeverfahren noch nicht abgeschlossen war. Entscheidungserheblich wird dann, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO mit einer fristgemäß erfolgten Überstellung die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz noch nicht endgültig bestimmt ist, sondern im Falle einer umgehenden illegalen Rückkehr des Asylbewerbers ein erneutes (Wieder-)Aufnahmeverfahren - gegebenenfalls mit erneuter Beachtung zuständigkeitsrelevanter Fristen - durchzuführen wäre. In diesem Zusammenhang stellen sich die oben genannten unionsrechtlichen Fragen zur Auslegung der Dublin III-VO.

24

aa) Die Frage 1 Buchstabe a soll klären, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung abweichend von der nationalen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG unionsrechtlich die Sachlage im Zeitpunkt der fristgerecht erfolgten Überstellung maßgeblich ist. Denn es spricht einiges dafür, dass nach einer fristgerecht erfolgten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates endgültig bestimmt ist und die Vorschriften der Dublin III-VO, insbesondere diejenigen über die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens, auf nachträgliche tatsächliche Umstände wie die illegale Wiedereinreise eines Asylbewerbers nicht mehr anwendbar sind.

25

Zu dieser Frage enthält die Dublin III-VO keine ausdrücklichen Regelungen. Die Vorschriften über das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren sind jedenfalls nicht unmittelbar auf eine solche Fallkonstellation zugeschnitten, so dass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht käme. Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO knüpfen die Einleitung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens an die (erneute) Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in dem ersuchenden Mitgliedstaat. Die hiernach vorausgesetzte Situation ist mit der vorliegenden allenfalls insoweit vergleichbar, als der Kläger in Deutschland vor seiner Überstellung einen (erneuten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, über den zum Zeitpunkt seiner illegalen Wiedereinreise noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Art. 24 Abs. 1 Dublin III-VO erfasst zwar Konstellationen, in denen sich ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhält und keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Wie die Regelung in Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO zeigt, wonach dem Drittstaatsangehörigen bei nicht fristgerechter Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, passt jedoch auch diese Vorschrift nicht unmittelbar auf den Fall eines bereits anhängigen, noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrags.

26

Eine eindeutige Antwort auf die aufgeworfene Fragestellung ergibt sich auch nicht aus dem mit der Dublin III-VO verfolgten zentralen Ziel, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (5. Erwägungsgrund). Zwar würde eine jedenfalls analoge Anwendung der Vorschriften über das (Wieder-)Aufnahmeverfahren es ermöglichen, dass der Betroffene in einem geordneten Verfahren wieder in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz originär zuständigen Mitgliedstaat überstellt und zeitnah entweder dort oder bei einem etwaigen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumnis in dem anderen Mitgliedstaat mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags begonnen werden kann. Aber die Obliegenheit eines Mitgliedstaates, in solchen Fällen erneut ein Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens durchführen zu müssen, könnte Asylbewerber dazu veranlassen, sich trotz der Überstellung wieder in den von ihnen favorisierten Mitgliedstaat zu begeben. Dann hätten es Asylbewerber stets in der Hand, die zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten im Wege eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahrens getroffene Zuständigkeitsbestimmung durch eine illegale Rückkehr wieder in Frage zu stellen und damit letztendlich eine ihren persönlichen Interessen nicht entsprechende Zuständigkeitsbestimmung zu unterlaufen. Eine solche Annahme liefe dem Ziel des Dublin-Systems zuwider, durch Schaffung einheitlicher Verfahren und Kriterien zur Zuständigkeitsbestimmung die Sekundärmigration gerade zu verhindern (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 PPU [ECLI:EU:C:2016:188], Mirza - Rn. 52).

27

bb) Für den Fall, dass mit einer einmal fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten endgültig bestimmt ist, bedarf es - hierauf zielt der zweite Teil der ersten Vorlagefrage (Frage 1 Buchstabe b) - zudem der Klärung, ob aufgrund der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat möglich sind und dieser nach Sinn und Zweck der Regelungen der Dublin III-VO zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt.

28

Ist die Zuständigkeit mit der einmal erfolgten Überstellung endgültig festgelegt, bedarf es gegenüber dem Asylbewerber einer rechtlichen Grundlage für eine erneute Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat. Diese könnte, wenn keine Obliegenheit zur Durchführung eines erneuten (Wieder-)Aufnahmeverfahrens gegenüber dem anderen Mitgliedstaat besteht, weiterhin in der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung liegen. Als Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmepflicht des originär zuständigen Mitgliedstaates ließe sich die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO anführen. Danach ist der nach den Kriterien der Verordnung zuständige Mitgliedstaat in den durch Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis d Dublin III-VO näher bestimmten Fällen zur Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme eines Antragstellers verpflichtet. Allerdings ist, wie die weiteren aufeinander abgestimmten Regelungen in Kapitel VI der Dublin III-VO zeigen, die Durchführung einer (weiteren) Überstellung ohne vorherige Durchführung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen.

29

Deshalb ist auch in Betracht zu ziehen, dass sich die Rückführung des Asylbewerbers im Anschluss an eine einmal durchgeführte Überstellung nicht mehr nach den Bestimmungen der Dublin III-VO richtet. Dann käme als Rechtsgrundlage für eine Rückführung Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben; kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, erlassen die Mitgliedstaaten eine Rückkehrentscheidung. Dazu müsste die sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) ergebende Berechtigung, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Asylbehörde über den Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat zu verbleiben, als eine "sonstige Aufenthaltsberechtigung" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG anzusehen sein, die diesen Mitgliedstaat zur Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet. Das würde indes voraussetzen, dass das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) noch nicht abgeschlossen ist.

30

Folgt man dem nicht, verbliebe in Ermangelung anderweitiger unionsrechtlicher Grundlagen für eine Überstellung in den im Dublin-Verfahren als zuständig bestimmten Mitgliedstaat allenfalls ein Rekurs auf bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten. Unter den vorliegenden Umständen wäre dabei eine Überstellung an Italien nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in Betracht zu ziehen. Danach übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenze eine Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht (mehr) erfüllt, diese Person formlos auf Antrag dieser Vertragspartei. Wie sich aus dieser Regelung ergibt, muss es sich bei dem hiernach zur Übernahme verpflichteten Staat indes nicht zwangsläufig um den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat handeln, auch wenn dies unter den vorliegenden Umständen der Fall wäre.

31

cc) Die weiteren Vorlagefragen sind durch den Gerichtshof nur für den Fall zu beantworten, dass mit einer fristgerecht durchgeführten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeitsbestimmung nicht endgültig abgeschlossen ist. Sie zielen auf die Klärung, welche Regelungen der Dublin III-VO im Falle der illegalen Rückkehr eines überstellten Drittstaatsangehörigen unter Umständen wie den vorliegenden - gegebenenfalls analog - Anwendung finden und wie diese Vorschriften dabei im Einzelnen auszulegen sind. Nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts kommt dabei in Betracht, dass Art. 23 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren nach erneuter Antragstellung, Art. 24 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Antragstellung oder aber keine dieser beiden Vorschriften heranzuziehen ist (Frage 2).

32

aaa) Für den Fall, dass weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung finden, bedarf der Klärung, ob aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich sind und dieser Mitgliedstaat unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und auch unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO, die gegebenenfalls zu einem Zuständigkeitsübergang auf den anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) führen können, zur Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt (Frage 3).

33

bbb) Für den Fall, dass Art. 23 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, bedarf der Klärung, ob die Stellung eines dann erforderlichen erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zweimonatige oder dreimonatige Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist und ob - falls diese Frage zu bejahen sein sollte - diese neue Frist bereits durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise oder durch ein anderes Ereignis in Lauf gesetzt wird (Frage 4). Gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist ein Wiederaufnahmeverfahren so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach einer Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen. Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als auf Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. Unmittelbar ist diese Regelung allein auf eine Situation zugeschnitten, in der nach Stellung eines Antrags auf internationalem Schutz in dem originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) in dem um Wiederaufnahme ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Deutschland) ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird und bei dessen Prüfung entweder eine Eurodac-Treffermeldung oder sonstige Beweismittel und Indizien auf eine Zuständigkeit des originär zuständigen Mitgliedstaates hinweisen. Es liegt auf der Hand, dass die hiernach ursprünglich in Lauf gesetzte zweimonatige bzw. dreimonatige Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs nicht auch für die Stellung eines weiteren Wiederaufnahmegesuchs nach illegaler Rückkehr maßgeblich sein kann. Denn im Falle einer illegalen Rückkehr wird diese Frist - wie hier - regelmäßig verstrichen sein. In Ermangelung einer erneuten Eurodac-Treffermeldung bzw. eines erneuten Antrags könnte als ein den Fristlauf auslösendes Ereignis aber möglicherweise auf die Kenntnis der nach Art. 35 Abs. 1 Dublin III-VO für die Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens zuständigen nationalen Behörde, hier des Bundesamtes, von der illegalen Rückkehr des Drittstaatsangehörigen abzustellen sein.

34

ccc) Für den Fall, dass in Ermangelung eines erneuten Antrags auf internationalen Schutz nicht Art. 23 Dublin III-VO, sondern Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, ist klärungsbedürftig, ob die Stellung eines erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zwei- oder dreimonatige Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist. Falls diese Frage zu bejahen sein sollte, stellt sich die weitere Frage, durch welches Ereignis die Frist in Lauf gesetzt wird (Frage 5 Buchstabe a). Denn ebenso wenig wie die Fristenregelung in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist auch die Fristenregelung in Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO auf eine Situation wie die vorliegende zugeschnitten. Die vorstehenden Erwägungen zur Auslegung von Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gelten daher entsprechend.

35

Ist der um Wiederaufnahme ersuchende Mitgliedstaat an eine aus Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) folgende Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs gebunden, hält das vorlegende Gericht außerdem eine Klärung der an das erfolglose Verstreichen der Frist geknüpften Rechtsfolge für erforderlich (Frage 5 Buchstabe b). Anders als Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO sieht Art. 24 Abs. 3 Dublin-VO nämlich keinen Zuständigkeitsübergang vor, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht fristgerecht gestellt wird. Stattdessen bestimmt Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO lediglich, dass dem Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag zu stellen. Allerdings könnte diese Regelung dahin zu verstehen sein, dass die Stellung eines neuen Antrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des Mitgliedstaates begründet, in dem der neue Antrag gestellt wird. Wirkt die Stellung des neuen Antrags hingegen nicht unmittelbar zuständigkeitsbegründend, könnte dieser Mitgliedstaat berechtigt bleiben, den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme zu ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen zu überstellen.

36

Falls die Stellung eines neuen Antrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar zuständigkeitsbegründend wirken sollte, bedarf außerdem der Klärung, ob die Rechtshängigkeit eines in einem Mitgliedstaat vor der Überstellung gestellten Antrags der Stellung eines neuen Asylantrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist (Frage 5 Buchstabe c). Denn der Kläger des Ausgangsverfahrens hat, nachdem er an Italien überstellt wurde und illegal nach Deutschland zurückgekehrt ist, keinen weiteren Asylantrag gestellt, sondern vielmehr den gegen die abschlägige Bescheidung des früheren Antrags noch anhängigen Rechtsbehelf weiterverfolgt.

37

Ist die vorstehende Frage zu verneinen, bedarf schließlich der Klärung, ob der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen kann (Frage 5 Buchstabe d).

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Mai 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, angeblich irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens, begehrt Rechtsschutz gegen seine drohende Überstellung nach Kroatien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Nach Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - Abgleich der Fingerabdrücke und eigene Angaben des Antragstellers - lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor.

Am ... März 2016 stellte das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Kroatien. Mit Schreiben vom ... Mai 2016 erklärten die dortigen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gem. Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 9. August 2016 lehnte das Bundesamt den (am …3.2016 gestellten) Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Kroatien an (Nr. 2). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf a… Monate ab dem Tag des Abschiebung befristet (Nr. 3).

Der Asylantrag sei gem. § 27a AsylG unzulässig, da Kroatien aufgrund der illegalen Einreise gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Kroatien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Dieser Bescheid wurde am ... August 2016 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom ... August 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am ... August 2016 eingegangen, erhob der Antragsteller Klage gegen diesen Bescheid erheben und beantragte zudem,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Bescheids vom 9. August 2016 anzuordnen.

Zur Begründung trug verwies er auf seine bisherigen Angaben beim Bundesamt. Eine detaillierte Begründung erfolge mit gesondertem Schriftsatz.

Vor dem Bundesamt hatte er insbesondere erklärt, er habe eine Onkel und eine Tante in Deutschland. Sein Ziel sei Deutschland gewesen. Hier wolle er ein neues Leben beginnen.

Ein weiterer Schriftsatz mit einer Begründung ging bei Gericht bislang nicht ein.

Mit Schreiben vom 23. August 2016 und 14. September 2016 legte die Antragsgegnerin die Behördenakte vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten im vorliegenden Antragsverfahren und im Klageverfahren M 6 K 16.50639 sowie auf die Akte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid vom9. August 2016 ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse der jeweiligen Antragspartei an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragspartei regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich angefochtene Bescheid nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der ab dem6. August 2016 geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 39 vom 5.8.2016, S. 1939 ff.; zuvor § 27a AsylG [a. F.]; § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (sog. Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (in der ab dem6.8.2016 geltenden Fassung; § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im Fall des Antragstellers ist Kroatien nach Maßgabe der Dublin III-VO i. S. v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist vorliegend die am 19. Juli 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO auf alle in der Bundesrepublik ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, also auch auf das hier gegenständliche Schutzgesuch des Antragstellers vom ... März 2016.

Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist vorliegend Kroatien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, den ein Antragsteller in diesem Land stellt.

Nach Aktenlage hat der Antragsteller zuerst in Kroatien einen Asylantrag gestellt, was sich aus der mit „HR“ beginnenden Eurodac-Nummer ergibt. Dementsprechend haben die kroatischen Behörden mit Schreiben vom ... Mai 2016 ihr Einverständnis mit der Rückübernahme des Antragstellers erklärt.

Die Zuständigkeit Kroatiens ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Insbesondere ergibt sich auf Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Denn die dort geregelte sechsmonatige Überstellungsfrist beginnt gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedsstaat oder aber der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat, was vorliegend wegen § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG der Fall ist (BVerwG, U. v. 26.5.2016 - 1 C 15.15).

Hiervon ausgehend ist die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall - die ursprünglich am ... November 2016 abgelaufen wäre - noch nicht abgelaufen und die Zuständigkeit Kroatiens nicht entfallen.

Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO begründen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Antragsteller einer Überstellung nach Kroatien auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Kroatien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Kroatien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO).

Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris). Daraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., juris Rn. 80).

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) zugrundeliegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVwerG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Hinsichtlich Kroatiens hat der Antragsteller solche systemischen Mängel nicht einmal behauptet und es sind der erkennenden Kammer auch keine Erkenntnismittel ersichtlich, aus denen sich solche ableiten ließen.

Der Antragsteller kann auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall des Antragstellers keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden.

Darüber hinaus begründen die Bestimmungen der Dublin III-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen als innerstaatliche Organisationsvorschriften vielmehr in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung, OVG R-P, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 9.1.2015 - 13 L 2878/14.A - juris). Allenfalls in Fällen, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit nach der Dublin III-VO eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, käme möglicherweise ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Betracht (Filzwieser/Sprung, a. a. O., K2 und K3 zu Art. 17). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Nach alledem erweist sich die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids daher als rechtmäßig.

Auch die in Nummer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Abschiebung nach Kroatien ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Kroatien bestehen keine Bedenken. Die kroatischen Behörden haben der Rückführung des Antragstellers mit Schreiben vom ... Mai 2016 ausdrücklich zugestimmt.

Ein der Abschiebung nach Kroatien entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014, S. 244 ff. - juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4), ist nicht ersichtlich.

Der angebliche Aufenthalt von Familienmitgliedern entfernteren Grades in Deutschland - der Antragsteller sprach von einem Onkel und einer Tante -stellt jedenfalls kein Abschiebungshindernis dar.

Die im streitgegenständlichen Bescheid unter Nummer 3 gemäß § 11 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreis- und Aufenthaltsverbots auf a… Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, wobei die Befristung im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung sind hier nicht zu erkennen. Die von der Antragsgegnerin festgesetzte Frist hält sich im unteren Bereich der zulässigen Befristungsdauer. Gründe für einen noch kürzeren Befristungszeitraum sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)

Tenor

I.

Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, nach seinen Angaben ein am ... 1992 geborener somalischer Staatsangehöriger, reiste am 26. Mai 2014 in das Bundesgebiet ein, wo er am 17. Juni 2014 einen Asylantrag stellte.

Bei seinen Befragungen durch die Regierung von Oberbayern am 12. Juni 2014 und durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge München (im Folgenden: Bundesamt) am 17. Juni 2014 gab er an, seine Ehefrau und seine vier Töchter hielten sich in ... auf. Er habe Somalia im April 2012 verlassen und sei von Lybien aus, wo er einen Monat inhaftiert gewesen sei, mit dem Schiff nach Malta gereist und habe dort Asyl beantragt. Malta sei aber ein Land wie Somalia, aus dem man fliehen müsse. Er sei dort achtzehn Monate eingesperrt gewesen. Sein Asylantrag sei abgelehnt worden. Er habe „einen Aufenthalt für Malta“ gehabt. Die Behörden hätten ihn laufen lassen. Sie hätten ihn für ein Jahr in ein Camp geschickt. Danach habe er sich selbst um alles kümmern müssen. Er sei jedoch mit einem Schiff nach .../Italien und mit dem Bus nach ... gefahren, von dort mit einem Bus nach Deutschland.

Eine EURODAC-Recherche vom 28. Juli 2014 ergab einen Treffer der Kategorie 1 für Malta.

Malta stimmte einem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 1. September 2014 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 b Dublin-III-VO mit Schreiben vom16. September 2014 zu.

Mit Bescheid vom ... Oktober 2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers gestützt auf § 27 a AsylVfG für unzulässig (Nr. 1) und ordnete gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Malta an (Nr. 2). Auf die Gründe des Bescheids wird gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen.

Gegen den am 21. Oktober 2014 gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller am 29. Oktober 2014 Klage (M 7 K 14.50628) erheben. Es wurde beantragt, den Bescheid des Bundesamtes vom ... Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorlägen, subsidiären Schutz zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorlägen. Gleichzeitig wurde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten und ferner gem. § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom ... Oktober 2014 anzuordnen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung in dem angefochtenen Bescheid aufzuheben, der Antragsgegnerin aufzugeben, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller zu unterlassen.

Auch im Eilverfahren wurde beantragt,

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Zur Begründung der Klage wurde auf einschlägige Rechtsprechung Bezug genommen und vorgetragen, der Asylantrag sei in Malta abgelehnt worden, weil man dem Antragsteller seine Herkunft aus Somalia nicht geglaubt habe und die Bedrohung durch Al-Shabaab und die beiden ermordeten Onkel als gesellschaftlicher Konflikt eingestuft worden seien. Es sei zu befürchten, dass er von Malta unmittelbar in den Verfolgerstaat abgeschoben werde. Trotz der Vertreibung der Al-Shabaab aus Mogadischu sei die Sicherheitslage instabil geblieben. Al-Shabaab sei weiterhin in Mogadischu präsent. Immer wieder komme es zu heftigen Anschlägen. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, dass eine Kanzleimitarbeiterin der ... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH versehentlich die Frist für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht aufgenommen habe. Es handele sich um einen einmaligen Vorfall. Die erforderlichen Vorkehrungen seien getroffen worden, dass dies nicht nochmals geschehe.

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 4. November 2014 die Akten vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der nach zweckgerichteter Auslegung (§ 88, § 122 Abs. 1 VwGO) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom... Oktober 2014 verfügte Anordnung der Abschiebung nach Malta gerichtete Antrag ist bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt worden und damit unzulässig. Die Frist hat mit Bekanntgabe des mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung sowie deren Übersetzung in somalische Sprache versehenen Bescheides - ausweislich der Postzustellungsurkunde - am 21. Oktober 2014 zu laufen begonnen (§ 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG; § 58 Abs. 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und ist gem. § 188 Abs. 2, 1. Alt. i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB am 28. Oktober 2014, 24.00 Uhr abgelaufen.

Dem Antragsteller kann nicht, wie fristgerecht beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gewährt werden. Denn er hat keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, wonach seine Prozessbevollmächtigten, dessen Verhalten er sich nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, ohne Verschulden an der Einhaltung der Antragsfrist verhindert waren (§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 VwGO). Der nicht weiter substantiierte Vortrag, eine Kanzleimitarbeiterin habe es einmalig versäumt, die Antragsfrist zu notieren, und man habe die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um eine Wiederholung des Versehens auszuschließen, genügt auch bei Anlegung eines niedrigen Maßstabes den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung (§ 60 Abs. 2 Satz 2, § 173 VwGO i. V. m. § 294 ZPO) nicht (vgl. OVG Hamburg, U. v. 5. März 1997 - Bf V 66/95 - juris Rn. 15 mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Weder wurde die Mitarbeiterin namentlich benannt noch eine eidesstattliche Versicherung von ihr vorgelegt. Auch ist nicht dargetan, dass die Prozessbevollmächtigten ihre Sorgfaltspflichten in Bezug auf Auswahl und Überwachung ihres Personals eingehalten (u. a. Angaben zur Ausbildung und zum Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiterin) und welche organisatorischen Vorkehrungen sie getroffen haben, um Fristüberschreitungen zu verhindern. Damit ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis durch Hilfspersonal verursacht worden ist und die Prozessbevollmächtigten hierfür kein Verschulden tragen.

Im Übrigen wäre der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch unbegründet. Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG) keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind.

Vorliegend überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Nach der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung nach Malta nicht in subjektiven Rechten verletzt wird.

Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Malta ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Nach Art. 18 Abs. 1 b) bzw. d) der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180/31) - Dublin-III-VO - ist Malta verpflichtet, den Antragsteller nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin-III-VO wieder aufzunehmen. Der Antragsteller hat entweder während der Prüfung bzw. nach Ablehnung seines in Malta gestellten Antrags auf internationalen Schutz (vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von „EURODAC“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens - EURODAC-DVO -) in der Bundesrepublik Deutschland einen weiteren Antrag gestellt hat. Das Bundesamt hat das Wiederaufnahmegesuch am 1. September 2014, also innerhalb von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung vom 28. Juli 2014, und damit innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO gestellt. Die maltesischen Behörden haben diesem Gesuch gem. Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO entsprochen. Damit ist die Abschiebung nach Malta - als EU-Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG - möglich.

Die Antragsgegnerin hat einen Selbsteintritt gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ermessensfehlerfrei abgelehnt. Insbesondere ist derzeit (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht ersichtlich, dass eine Überstellung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO unmöglich ist. Das ist dann der Fall, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller im zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EUGRCh - mit sich bringen. Nach der zur Rechtslage unter der Dublin-II-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 u. C-493/10 - NVwZ 2012, 417/419 Rn. 80) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention - GF - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19. März 2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, B. v. 18. März 2014 - 13 LA 75/13 - juris Rn. 14). Einzelne Missstände stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NW, U. v. 7. März 2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NW, a. a. O., Rn. 118 f. m. w. N.).

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern nach Maßgabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 (M.S.S. ./. Belgien und Griechenland -; vgl. auch BVerwG, B. v. 25. Oktober 2012 - 10 B 16/12 - juris Rn. 8 f.) in Malta schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Es wird zunächst auf die mit Nachweisen aus der Rechtsprechung und aktuellen Erkenntnissen belegten Bescheidsgründe gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen (insbesondere Seite 3 f. zur Situation von Rückkehrern). Ungeachtet der zum Teil schwierigen Verhältnisse (UNHCR von März 2013 in der im Oktober 2013 veröffentlichten Fassung: „Universal Periodic Review: Malta“ und „Position on the detention of asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013, jeweils im Internet veröffentlicht; ausführlich VG Oldenburg, B. v. 17. Februar 2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 13 ff.) und der vom EGMR in Einzelfällen festgestellten Missstände (E. jeweils v. 23. Juli 2013 - Nr. 55352/12 - (Aden Ahmed ./. Malta) Rn. 91 ff., 99 und - Nr. 42337/12 - (Suso Musa ./. Malta) jeweils zugänglich im Internet) liegt noch kein „systemisches Versagen“ im Sinne der Rechtsprechung des EGMR (E. v. 2. April 2013 - Nr. 27725/10 - Rn. 78 (Mohammed Hussein u. a. ./. Niederlande u. Italien), ZAR 2013, 336 f.) vor (ebenso VG Gelsenkirchen, B. v. 16. Januar 2015 - 1a L 2036/14. A - juris Rn. 43 ff; VG München, B. v. 13. Mai 2014 - M 11 S 14.50187 - juris Rn. 18 ff.; VG Oldenburg, B. v. 17. Februar 2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 13 ff.; VG Potsdam, B. v. 5. Februar 2014 - 6 L 53/14.A; VG Würzburg, B. v. 26. April 2012 - W 3 E 12.30094 - juris Rn. 33 ff.). Auch der UNHCR hat trotz Kritik keine generelle Empfehlung ausgesprochen, Asylbewerber und Ausländer, die bereits einen Schutzstatus in Malta haben, nicht dorthin zu überstellen. Allein der Umstand, dass Flüchtlinge in Malta in geschlossenen „detention centers“ untergebracht sind, bedeutet im Lichte der einschlägigen EMRK-Rechtsprechung zu dem Art. 4 GRCh entsprechenden Art. 3 EMRK keine erniedrigende und/oder unmenschliche Behandlung. Sofern der Antragsteller nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens mit Abschiebehaft zu rechnen hätte, wäre auch dies kein Beleg für systemische Schwachstellen des maltesischen Asylwesens. Die Abschiebehaft ist nach Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - ABl. EG L 348/98 vom 24. Dezember 2008 (vgl. auch Art. 28 Dublin-III-VO) zur Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Sicherung einer Abschiebung in jedem Mitgliedstaat vorgesehen. Allerdings ist der Antragsteller nach Ablauf der Hafthöchstdauer von achtzehn Monaten trotz des abgelehnten Asylantrages aus dem geschlossenen Lager entlassen worden, hatte nach seinen Angaben „einen Aufenthalt“ in Malta und konnte seine Weiterreise über Italien nach Deutschland finanzieren. Im Hinblick darauf ist auch nicht davon auszugehen, dass er zu dem besonders schutzbedürftigen Personenkreis gehört, bei dem die Antragsgegnerin möglicherweise aufgrund der angespannten Zustände bei der Flüchtlingsunterbringung in Malta aus humanitären Gründen zum Selbsteintritt zu verpflichten wäre.

Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote bestehen nicht. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe, die im Rahmen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Bundesamt zu prüfen sind (BayVGH, B. v. 12. März 2014 - 10 CE 14.427- juris Ls), sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Da der angefochtene Bescheid keine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der „Ausweisung“ bzw. der Abschiebungsandrohung enthält sowie aus vorstehenden Gründen war auch der Hilfsantrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist unbeschadet der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Antragstellers abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den oben dargelegten Gründen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N.          aus C.      wird abgelehnt.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 19. April 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die drohende Überstellung nach Malta im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.

Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste spätestens am ... November 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte in der Folge keinen Asylantrag. Nach Aktenlage - es ergaben sich entsprechende Eurodac-Treffer - hatte der Antragsteller zuvor am ... Juni 2011 einen Asylantrag auf Malta und am ... Juni 2014 einen weiteren Asylantrag in Italien gestellt.

Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin hin akzeptierte Malta am ... Februar 2016 seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung des Antragstellers (Zweitbefragung) am ... März 2016 gab dieser an, auf Malta nicht sicher zu sein. Dort sei er sehr krank gewesen. Keiner habe sich um ihn gekümmert. Im Camp habe er keine Unterstützung bekommen. Er legte der Antragsgegnerin einen vorläufigen Arztbericht vom ... November 2015 vor, dem die Diagnose „Reaktivierte Lungen-Tuberkulose“ zu entnehmen ist.

Mit Bescheid vom 19. April 2016, zugestellt am ... April 2016, ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Abschiebung des Antragstellers nach Malta an (Nr. 1 des Bescheids) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, Malta sei nach Art. 18 Abs. 1(b) Dublin-III-Verordnung für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im maltesischen Asylverfahren lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom ... April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am ... April 2016, Klage, u. a. gerichtet auf die Aufhebung des Bescheids vom 19. April 2016, und beantragte außerdem,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung bezog er sich auf die bisherigen Angaben. Eine weitere Begründung kündigte er an.

Mit Schriftsatz vom „... April 2016“ und nochmals mit Schriftsatz vom ... Mai 2016 übermittelte das Bundesamt für die Antragsgegnerin die Behördenakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Hauptsacheverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist dahin auszulegen, dass er sich gegen Nr. 1 des Bescheids vom 19. April 2016 richtet und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bezüglich der angeordneten Abschiebung des Antragstellers nach Malta begehrt wird.

Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist begründet.

Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier - von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren anzustellende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei überschlägiger Überprüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids bestehen kann. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, bleibt es bei einer Interessenabwägung.

Die Interessenabwägung durch das Gericht fällt vorliegend zulasten der Antragsgegnerin aus, denn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Absatz 1 Satz 1 AsylG) kann die Einzelrichterin bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen, ob die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Malta rechtmäßig ist oder nicht. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind aus den nachfolgenden Gründen vielmehr als offen zu bezeichnen. Eine Klärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine Abschiebung des Antragstellers kommt bis dahin nicht in Betracht.

Das Bundesamt kann zwar eine Abschiebungsanordnung grundsätzlich auch in den Fällen erlassen, in denen ein Ausländer im Inland angetroffen wird, der in einem anderen nach der VO (EU) Nr. 604/2013 - Dublin-III-VO - zuständigen Staat, nicht aber in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat (sog. Aufgriffsfälle, s. § 34a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AsylG). Vorliegend ist Malta zuständig für die Bearbeitung des dort gestellten Antrags auf internationalen Schutz. Malta hat der Aufnahme auch zugestimmt (s. § 18 Abs. 1 Unterabs. Buchst. b, § 24 Abs. 1 Dublin-III-VO).

Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO hat eine Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat jedoch zu unterbleiben und weitere Zuständigkeitsprüfungen sind vorzunehmen, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.

Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK, der Europäischen Konvention für Menschenrechte - EMRK - und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86). Diese Vermutung ist nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt, vielmehr sind an die Feststellung systemischer Schwachstellen i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn Asylverfahren oder Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - juris).

Dies zugrunde gelegt, liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt und bezogen auf Malta ernstzunehmende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel vor, insbesondere wegen der Inhaftierungspraxis bei Dublin-Rückkehrern. So führte etwa das VG Hannover (U.v. 5.11.2015 - 10 A 5157/15 - juris) aus:

„Nach diesem Maßstab liegen im Asylsystem Maltas systemische Mängel vor, weil es an rechtlichen Regelungen fehlt, die die Einhaltung der europarechtlichen Mindestanforderungen an die Bearbeitung von Asylanträgen sicherstellen.

Nach dem periodischen Bericht der Europäischen Asylinformationsdatenbank AIDA vom Februar 2015 (http://www.a...org/s...pdf, abgerufen am 26.10.2015) gibt es in Malta keine gesetzlichen Regelungen, die den Rechtsrahmen der Dublin-Verordnungen umsetzen, sondern nur behördliche Verfahrensvorschriften (AIDA report - a. a. O. - S. 21).

Dabei stellt sich insbesondere die Situation der Dublin-Rückkehrer als problematisch dar. Wenn ein Antragsteller Malta durch Flucht aus behördlichem Gewahrsam oder irreguläre Ausreise verlässt, wird sein Asylantrag nach Art. 13 der örtlichen Verfahrensvorschriften, die insofern Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - aufgreifen, als stillschweigend zurückgenommen betrachtet. Bei einer Rücküberstellung nach Malta als dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat ist das Verfahren daher in fast allen Fällen bereits eingestellt und der Antragsteller ausreisepflichtig. Er hat zwar die Möglichkeit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, diese erfolgt jedoch im Wege eines Zweitantrags unter der Voraussetzung, dass er Wiederaufnahmegründe darlegt. Während des Verfahrens können Antragsteller in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden (vgl. AIDA report- a. a. O. - S. 22). Diese Praxis stand zum Berichtszeitpunkt in Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2005 -; nunmehr Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie 2013 -) und zu Art. 18 Abs. 2 UA 2 der Dublin III-VO. Danach haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung wegen stillschweigender Rücknahme wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht als Folgeantrag geprüft wird. Durch den Verstoß gegen diese Vorschriften laufen Antragsteller Gefahr, selbst tatsächlich vorliegende Gründe für einen Anspruch auf internationalen Schutz nicht wirksam vortragen zu können.

Während der Bearbeitungsdauer über das Wiederaufnahmeersuchen, die vollständig im Ermessen der Behörde steht, sind die Antragsteller der Gefahr einer vorzeitigen Abschiebung ausgesetzt und befinden sich häufig in Haft oder Arrest, die den Zugang zu rechtlicher Hilfe zusätzlich erschwert. Die Möglichkeit, Antragsteller noch vor oder während der Prüfung des Folgeantrags abzuschieben, verstößt zudem gegen das Gebot des Non-Refoulement, das ebenfalls in Art. 20 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2005 bzw. Art. 28 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2013 und Art. 18 Abs. 2 UA 3 Dublin III-VO seinen Niederschlag gefunden hat.“

Zu den Bedenken dieses Gerichts hinsichtlich der Vereinbarkeit der Haftpraxis Maltas mit internationalem und europäischem Recht wird weiter auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 9. April 2015 (8 L 1100/15.A - juris) verwiesen, wo es heißt:

„Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: „Immigration Act“), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gelten alle irregulär Eingereisten („prohibited immigrant“ i. S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift „Policy Documents 2005“ eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur - bei einem kleinen Prozentsatz - der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen („Verletzliche“) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt. (vgl. AIDA, Asylum Information Database, „National Country Report Malta“ vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments „know the facts“ vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR „UNHCR’s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013 S. 5 ff.”

Zwar begründet die Inhaftierung einer Person als solche keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Die Mitgliedstaaten sind aber verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind, die Gefangenen nicht Leiden oder Härten unterworfen sind, die die mit einer Haft unvermeidbar verbundenen Beeinträchtigungen übersteigen, und dass Gesundheit und Wohlbefinden der Gefangenen unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - juris Rn. 221). Es bestehen Zweifel, ob Malta die Mindestanforderungen für die Inhaftierung von Asylbewerbern entsprechend der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - EU-Aufnahmerichtlinie, erfüllt (s. Art. 8 Abs. 1 und 3, Art. 9 Abs. 1, 3 und 6 sowie Art. 11 der EU-Aufnahmerichtlinie). Die Verwaltungsgerichte Karlsruhe (B.v. 8.10.2014 - A 8 K 345/14 - juris Rn. 11) und Oldenburg (B.v. 23.7.2014 - 12 B 1217/14 - juris Rn. 27 ff. m. w. N.) haben im Übrigen ausführlich dargelegt, dass Einschränkungen der Privatsphäre, fehlende Belüftungs- und Heizsysteme und eine unzureichende Ausstattung der sanitären Anlagen sowie mangelhafte hygienische Bedingungen deutliche Anzeichen dafür bieten, dass auch die konkreten Haftbedingungen den europäischen Standards nicht genügen. Auf die dortigen Ausführungen wird insofern Bezug genommen.

Anzumerken ist außerdem, dass der UNHCR zwar bislang keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylbewerber nicht nach Malta zu überstellen. Er hat in einer seiner letzten Stellungnahmen zu Malta („UNHCR´s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta” vom 18.9.2013, dort S. 33, abrufbar auf: www.r...org/d...html) jedoch auf von ihm festgestellte Widersprüche zwischen dem maltesischen Aufnahmesystems und den grundsätzlich zu beachtenden völkerrechtlichen Standards hingewiesen („While it is acknowledged that some improvements have been made in the infrastructure and conditions of detention in Malta, UNHCR considers that the current reception system, based on the systematic administrative detention of asylumseekers is not in conformity with international law standards”) (zum Fehlen einer Empfehlung des UNHCR s. auch VG Oldenburg, B.v. 23.7.2014 - 12 B 1217/14 - juris Rn. 34 f.; OVG NW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris R. 171 ff.).

In der erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage, ob in Bezug auf Malta die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO vorliegen, kontrovers beurteilt (s. VG Gelsenkirchen, B.v. 9.3.2016 - 9a L 473/16.A - juris; VG Magdeburg, U.v. 26.1.2016 - 8 A 108/16 - juris; VG Hannover, U.v. 5.11.2015 - 10 A 5157/15 - juris; VG München, U.v. 15.9.2015 - M 2 K 15.50225 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 9.4.2015 - 8 L 1100/15.A - juris; a.A.: VG München, B.v. 12.6.2015 - M 25 S 15.50265; VG Leipzig, U.v. 8.6.2015 - 6 K 1044/13.A - juris; VG Oldenburg, B.v. 17.2.2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 13 ff.; VG Augsburg, U.v. 29.5.2013 - Au 7 K 13.30134 - juris Rn. 22). Eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung ist bislang nicht erkennbar.

Die Erfolgsaussichten sind nach alledem als offen anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO (s. auch § 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylG wegen der Zuständigkeit Maltas als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung nach Malta angeordnet wurde. Der Kläger verweist auf die systemischen Mängel im maltesischen Asylsystem, begehrt das Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland für sein Asylverfahren und beantragt,

2

den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 aufzuheben.

3

Die Beklagte beantragt,

4

die Klage abzuweisen

5

und verweist auf den streitbefangenen Bescheid.

6

Im Eilverfahren (8 B 107/16 MD) wurde mit Beschluss vom 07.01.2016 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§ 87 Abs. 2, 3 VwGO) entschieden werden konnte, hat Erfolg.

9

1.) Das klägerische Begehren ist im Wege der Anfechtungsklage zulässig (vgl. nur: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 05.08.2015, 1 A 11020/14; juris).

10

2.) Die Klage ist begründet. Der streitbefangene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat zu Unrecht festgestellt, dass der Asylantrag in Deutschland unzulässig ist und die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Malta angeordnet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des sogenannten Selbsteintrittsrechts.

11

Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wen ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (Dublin-Verordnungen) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

12

Gleichwohl dieser prinzipiellen Zuständigkeit Maltas hat der Kläger einen Anspruch auf Prüfung und Entscheidung seines Asylbegehrens in Deutschland. Denn in Malta bestehen sogenannte systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen, wonach dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in Malta eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK droht.

13

Das Gericht hat bereits in dem vorläufigen Rechtsschutzantrag 8 B 107/16 in dem Beschluss vom 07.01.2016 ausgeführt, dass die Zuständigkeit Maltas wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Das Gericht führt in dem Beschluss aus:

14

„a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitglied-staat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).

15

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).

16

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.

17

Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umständen in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).

18

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

19

b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Maltas zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG [analog]) ernst zu nehmende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel insbesondere wegen der in Malta bestehenden Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern vorliegen. Das VG Hannover führt dazu jüngst aus (Urteil v. 05.11.2015, 10 A 5157/15; juris):

20

"Nach diesem Maßstab liegen im Asylsystem Maltas systemische Mängel vor, weil es an rechtlichen Regelungen fehlt, die die Einhaltung der europarechtlichen Mindestanforderungen an die Bearbeitung von Asylanträgen sicherstellen.

21

Nach dem periodischen Bericht der Europäischen AsylinformationsdatenbankAIDAvomFebruar2015http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_malta_thirdupdate_final.pdf, abgerufen am 26.10.2015) gibt es in Malta keine gesetzlichen Regelungen, die den Rechtsrahmen der Dublin-Verordnungen umsetzen, sondern nur behördliche Verfahrensvorschriften (AIDA report – a. a. O. – S. 21).

22

Dabei stellt sich insbesondere die Situation der Dublin-Rückkehrer als problematisch dar. Wenn ein Antragsteller Malta durch Flucht aus behördlichem Gewahrsam oder irreguläre Ausreise verlässt, wird sein Asylantrag nach Art. 13 der örtlichen Verfahrensvorschriften, die insofern Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – aufgreifen, als stillschweigend zurückgenommen betrachtet. Bei einer Rücküberstellung nach Malta als dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat ist das Verfahren daher in fast allen Fällen bereits eingestellt und der Antragsteller ausreisepflichtig. Er hat zwar die Möglichkeit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, diese erfolgt jedoch im Wege eines Zweitantrags unter der Voraussetzung, dass er Wiederaufnahmegründe darlegt. Während des Verfahrens können Antragsteller in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden (vgl. AIDA report– a. a. O. – S. 22). Diese Praxis stand zum Berichtszeitpunkt in Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2005 –; nunmehr Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie 2013 –) und zu Art. 18 Abs. 2 UA 2 der Dublin III-VO. Danach haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung wegen stillschweigender Rücknahme wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht als Folgeantrag geprüft wird. Durch den Verstoß gegen diese Vorschriften laufen Antragsteller Gefahr, selbst tatsächlich vorliegende Gründe für einen Anspruch auf internationalen Schutz nicht wirksam vortragen zu können.

23

Während der Bearbeitungsdauer über das Wiederaufnahmeersuchen, die vollständig im Ermessen der Behörde steht, sind die Antragsteller der Gefahr einer vorzeitigen Abschiebung ausgesetzt und befinden sich häufig in Haft oder Arrest, die den Zugang zu rechtlicher Hilfe zusätzlich erschwert. Die Möglichkeit, Antragsteller noch vor oder während der Prüfung des Folgeantrags abzuschieben, verstößt zudem gegen das Gebot des Non-Refoulement, das ebenfalls in Art. 20 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2005 bzw. Art. 28 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2013 und Art. 18 Abs. 2 UA 3 Dublin III-VO seinen Niederschlag gefunden hat.

24

Übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 9.4.2015 – 8 L 1100/15.A –, juris) geht das Gericht außerdem davon aus, dass die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte hierzu ausgeführt (vgl. Beschluss vom 2.2.2015 – 13 L 2852/14.A –):

25

„Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: "Immigration Act"), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gelten alle irregulär Eingereisten ("prohibited immigrant" i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift "Policy Documents 2005" eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur - bei einem kleinen Prozentsatz - der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen ("Verletzliche") wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.(vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments "know the facts" vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR "UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" vom Juni 2013 S. 5 ff.)"

26

Diese Feststellungen hat der jüngste AIDA-Bericht von Februar 2015 im Wesentlichen bestätigt. Zwar begründet die Inhaftierung einer Person als solche keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Indes verpflichtet Art. 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. EGMR, Urteile vom 21.1.2011 – 30696/09 –, juris, Rn 221, und 15.7.2002 – 47095/99 –, Rn. 95)."

27

Ähnlich äußerte sich bereits die vormals zuständige 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg in den Urteilen vom 25.11.2014 (5 A 118/13, 5 A 191/12 und 5 A 201/12; alle n.v.) und vom 19.10.2015 (5 A 180/15; n.v.). Dem schließt sich das hiesige Gericht auch im Hauptsacheverfahren an und darf zur weiteren Begründung auf die Entscheidungen verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

28

3.) Aufgrund des Selbsteintrittsrechts entfällt auch die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung.

29

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

  • 1.

    Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage 13 K 8433/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Oktober 2014 wird angeordnet.

  • 2.

    Die Aufhebung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Oktober 2014 wird angeordnet. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller unverzüglich zu ermöglichen, auf Kosten der Antragsgegnerin in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.

  • 3.

    Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L.     X.         aus N.      bewilligt.

  • 4.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylG wegen der Zuständigkeit Maltas als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung nach Malta angeordnet wurde. Der Kläger verweist auf die systemischen Mängel im maltesischen Asylsystem, begehrt das Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland für sein Asylverfahren und beantragt,

2

den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 aufzuheben.

3

Die Beklagte beantragt,

4

die Klage abzuweisen

5

und verweist auf den streitbefangenen Bescheid.

6

Im Eilverfahren (8 B 107/16 MD) wurde mit Beschluss vom 07.01.2016 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§ 87 Abs. 2, 3 VwGO) entschieden werden konnte, hat Erfolg.

9

1.) Das klägerische Begehren ist im Wege der Anfechtungsklage zulässig (vgl. nur: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 05.08.2015, 1 A 11020/14; juris).

10

2.) Die Klage ist begründet. Der streitbefangene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat zu Unrecht festgestellt, dass der Asylantrag in Deutschland unzulässig ist und die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Malta angeordnet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des sogenannten Selbsteintrittsrechts.

11

Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wen ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (Dublin-Verordnungen) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

12

Gleichwohl dieser prinzipiellen Zuständigkeit Maltas hat der Kläger einen Anspruch auf Prüfung und Entscheidung seines Asylbegehrens in Deutschland. Denn in Malta bestehen sogenannte systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen, wonach dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in Malta eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK droht.

13

Das Gericht hat bereits in dem vorläufigen Rechtsschutzantrag 8 B 107/16 in dem Beschluss vom 07.01.2016 ausgeführt, dass die Zuständigkeit Maltas wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Das Gericht führt in dem Beschluss aus:

14

„a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitglied-staat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).

15

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).

16

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.

17

Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umständen in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).

18

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

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b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Maltas zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG [analog]) ernst zu nehmende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel insbesondere wegen der in Malta bestehenden Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern vorliegen. Das VG Hannover führt dazu jüngst aus (Urteil v. 05.11.2015, 10 A 5157/15; juris):

20

"Nach diesem Maßstab liegen im Asylsystem Maltas systemische Mängel vor, weil es an rechtlichen Regelungen fehlt, die die Einhaltung der europarechtlichen Mindestanforderungen an die Bearbeitung von Asylanträgen sicherstellen.

21

Nach dem periodischen Bericht der Europäischen AsylinformationsdatenbankAIDAvomFebruar2015http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_malta_thirdupdate_final.pdf, abgerufen am 26.10.2015) gibt es in Malta keine gesetzlichen Regelungen, die den Rechtsrahmen der Dublin-Verordnungen umsetzen, sondern nur behördliche Verfahrensvorschriften (AIDA report – a. a. O. – S. 21).

22

Dabei stellt sich insbesondere die Situation der Dublin-Rückkehrer als problematisch dar. Wenn ein Antragsteller Malta durch Flucht aus behördlichem Gewahrsam oder irreguläre Ausreise verlässt, wird sein Asylantrag nach Art. 13 der örtlichen Verfahrensvorschriften, die insofern Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – aufgreifen, als stillschweigend zurückgenommen betrachtet. Bei einer Rücküberstellung nach Malta als dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat ist das Verfahren daher in fast allen Fällen bereits eingestellt und der Antragsteller ausreisepflichtig. Er hat zwar die Möglichkeit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, diese erfolgt jedoch im Wege eines Zweitantrags unter der Voraussetzung, dass er Wiederaufnahmegründe darlegt. Während des Verfahrens können Antragsteller in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden (vgl. AIDA report– a. a. O. – S. 22). Diese Praxis stand zum Berichtszeitpunkt in Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2005 –; nunmehr Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie 2013 –) und zu Art. 18 Abs. 2 UA 2 der Dublin III-VO. Danach haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung wegen stillschweigender Rücknahme wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht als Folgeantrag geprüft wird. Durch den Verstoß gegen diese Vorschriften laufen Antragsteller Gefahr, selbst tatsächlich vorliegende Gründe für einen Anspruch auf internationalen Schutz nicht wirksam vortragen zu können.

23

Während der Bearbeitungsdauer über das Wiederaufnahmeersuchen, die vollständig im Ermessen der Behörde steht, sind die Antragsteller der Gefahr einer vorzeitigen Abschiebung ausgesetzt und befinden sich häufig in Haft oder Arrest, die den Zugang zu rechtlicher Hilfe zusätzlich erschwert. Die Möglichkeit, Antragsteller noch vor oder während der Prüfung des Folgeantrags abzuschieben, verstößt zudem gegen das Gebot des Non-Refoulement, das ebenfalls in Art. 20 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2005 bzw. Art. 28 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2013 und Art. 18 Abs. 2 UA 3 Dublin III-VO seinen Niederschlag gefunden hat.

24

Übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 9.4.2015 – 8 L 1100/15.A –, juris) geht das Gericht außerdem davon aus, dass die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte hierzu ausgeführt (vgl. Beschluss vom 2.2.2015 – 13 L 2852/14.A –):

25

„Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: "Immigration Act"), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gelten alle irregulär Eingereisten ("prohibited immigrant" i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift "Policy Documents 2005" eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur - bei einem kleinen Prozentsatz - der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen ("Verletzliche") wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.(vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments "know the facts" vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR "UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" vom Juni 2013 S. 5 ff.)"

26

Diese Feststellungen hat der jüngste AIDA-Bericht von Februar 2015 im Wesentlichen bestätigt. Zwar begründet die Inhaftierung einer Person als solche keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Indes verpflichtet Art. 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. EGMR, Urteile vom 21.1.2011 – 30696/09 –, juris, Rn 221, und 15.7.2002 – 47095/99 –, Rn. 95)."

27

Ähnlich äußerte sich bereits die vormals zuständige 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg in den Urteilen vom 25.11.2014 (5 A 118/13, 5 A 191/12 und 5 A 201/12; alle n.v.) und vom 19.10.2015 (5 A 180/15; n.v.). Dem schließt sich das hiesige Gericht auch im Hauptsacheverfahren an und darf zur weiteren Begründung auf die Entscheidungen verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

28

3.) Aufgrund des Selbsteintrittsrechts entfällt auch die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung.

29

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N.          aus C.      wird abgelehnt.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.