Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 02. März 2016 - 7 L 1017/15
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 25. November 2015 gegen die Ordnungsverfügung des Antrags-gegners vom 12. November 2015 wird hin-sichtlich Ziffer 1 wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 3 angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin,
4die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 25. November 2015 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. November 2015 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat Erfolg.
61.) Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist auch begründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich begründet werden. Erforderlich ist eine schlüssige, konkrete und substantiierte Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.09.2001 - 1 DB 26.01 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 09.12.2013 - 10 CS 13.1782 -, juris Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 80 Rn. 247 f. m.w.N. (Stand: Oktober 2015).
11Nur bei gleichartigen Tatbeständen können den genannten Erfordernissen auch gleiche oder „gruppentypisierte“, ggf. auch formblattmäßige Begründungen genügen. Es muss aber stets gewährleistet sein, dass auch die Besonderheiten des Falles berücksichtigt werden.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.12.2011 - 19 B 872/11 -, juris Rn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.
13Diesen Kriterien genügt die Begründung der Vollziehungsanordnung nicht. Es handelt sich, wie der Vergleich mit einem anderen Verfahren belegt,
14vgl. VG Aachen, Beschluss vom 22.02.2016 – 7 L 72/16 –, nrwe,
15vielmehr um eine standardmäßige Formulierung. Auf einen Standardfall – gerade im Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist – mag diese Begründung passen und folglich dafür ausreichen. Der vorliegende Fall ist allerdings durch Besonderheiten geprägt, die der Antragsgegner unberücksichtigt gelassen hat.
16So bleibt bei der Begründung, dass von dem fraglichen Rind eine besonders hohe Gefährdung ausgehe, ganz außer Betracht, dass es als Einzeltier gehalten wird. Der Regelfall der Rinderhaltung dürfte dadurch gekennzeichnet sein, dass mehrere Tiere gehalten werden. In der Folge besteht auch ein höheres Infektionsrisiko. Zum einen liegt die Gefahr der Übertragung des BHV1-Virus von einem infizierten Rind eines Bestands auf ein noch nicht infiziertes Rind desselben Bestandes wegen der räumlichen Nähe auf der Hand. Diese Gefahr besteht hier gar nicht. Zum anderen dürfte klar sein, dass das Risiko der Übertragung auf anderem Wege – etwa durch einen Tierarzt, der mehrere Betriebe hintereinander besucht –,
17vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 09.03.2015 - 23 K 3952/14 -, juris Rn. 22,
18höher ist, wenn mehrere Tiere eines Bestandes infiziert sind und das BHV1-Virus ausscheiden können.
19Die Annahme eines hohen Gefährdungspotentials ist aber auch deshalb nicht nachvollziehbar begründet, weil der Antragsgegner mit keinem Wort darauf eingeht, dass die BHV1-Infektion des Rindes bereits seit dem Jahre 2008 bekannt ist, ohne dass dies ihn bislang veranlasst hätte, die Entfernung des Tieres anzuordnen und notfalls im Wege des Verwaltungszwangs auch durchzusetzen. Dabei ist es ohne Belang, ob der Antragsgegner – was dieser aber gar nicht geltend gemacht hat – in Bezug auf den Impfstatus des Rindes jüngst zu neuen Erkenntnissen gekommen ist, die nunmehr, nach mehr als sieben Jahren, ein sofortiges Einschreiten geboten haben. Denn der Antragsgegner hat selbst – plausibel – vorgetragen, dass eine Impfung keinen absoluten Schutz bietet. So hat er in seinem Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 ausgeführt, dass sich etwa ein Drittel der gegen eine BHV1-Infektion geimpften Tiere gleichwohl ansteckten und etwa 5 Prozent der geimpften BHV1-positiven Tiere trotz Impfung das Virus ausschieden.
20Auch die drohenden wirtschaftlichen Verluste aufgrund von Restriktionen in der Vermarktung für den Fall, dass das Land Nordrhein-Westfalen nicht für BHV1-frei erklärt wird, sind kein tragfähiger, im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO zureichender Grund. Denn mit diesem handelspolitischen Grund kann die sofortige Vollziehung einer seuchenrechtlichen, mithin auf die Bekämpfung einer Tierseuche abzielenden Ordnungsverfügung nicht gerechtfertigt werden.
21Ist den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht genügt, so ist in der Rechtsfolge nicht lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Vielmehr ist (antragsgemäß) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin geboten.
22Vgl. OVG LSA, Beschluss vom 03.04.2013 - 1 M 19/13 -, juris Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 87; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80 Rn. 153 m.w.N.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 80 Rn. 253 m.w.N. (Stand: Oktober 2015); a.A. - lediglich Aufhebung der Vollziehungsanordnung - BayVGH, Beschluss vom 09.12.2013 - 10 CS 13.1782 -, juris Rn. 19; VGH BW, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 S 2554/11 -, juris Rn. 2; VG Ansbach, Beschluss vom 16.12.2015 - AN 2 S 15.01933 -, juris Rn. 26.
23Die isolierte Aufhebung der Vollziehungsanordnung ist im Gesetz nicht vorgesehen, und es besteht dafür auch kein Bedürfnis. Denn weder ist die Behörde am Erlass einer neuen, formell fehlerfreien Vollziehungsanordnung ist die Behörde gehindert, noch ist sie auf eine Änderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO angewiesen.
24Vgl. OVG LSA, Beschluss vom 03.04.2013 - 1 M 19/13 -, juris Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 172 m.w.N.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 80 Rn. 251 m.w.N. (Stand: Oktober 2015).
25Kommt der Anordnung nach Nr. 1 der Ordnungsverfügung auf dieser Grundlage keine aufschiebende Wirkung mehr zu, ist nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW auch kein Raum mehr für die Zwangsgeldandrohung
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
27II.
28Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Januar 2016 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Januar 2016 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
61.) Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist aber unbegründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Jedenfalls mit der Erwägung, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für empfängliche Tiere in engerer und weiterer Umgebung darstelle und daher sicherzustellen sei, dass auch während eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens notwendige Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung durchgeführt werden können, hat der Antragsgegner ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügung dargelegt und erkennen lassen, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob die Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend waren, ist unerheblich, weil das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine in Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte vorzunehmende eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs trifft. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung mit der Begründung der Ordnungsverfügung übereinstimme. Zwar trifft im Grundsatz zu, dass die Vollziehungsanordnung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92.
11Allerdings können im konkreten Fall Erlassinteresse und Vollziehungsinteresse auch zusammenfallen. So ist u.a. für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist, anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts tragenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können.
12Vgl. VGH BW, Beschluss vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 209 (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.
13Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus.
14Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung der Klage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und überdies ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
15Davon ausgehend stellt sich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 insgesamt als offensichtlich rechtmäßig dar.
16Sie findet materiellrechtlich ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-Verordnung) vom 19. Mai 2015 (nachfolgend: BHV1-VO). Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Dass in der Begründung der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 unter der Überschrift „Ermächtigungsgrundlagen“ § 2 Abs. 2a BHV1-VO nicht aufgeführt ist, ist ohne Belang. Zutreffend weist der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 12. Februar 2016 darauf hin, dass die Norm auf Seite 2 der Ordnungsverfügung genannt und die in Rede stehende Anordnung hierauf auch gestützt worden ist. Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass der Einwand des Antragstellers, die Verfügung könne wegen der entgegenstehenden BHV1-Verordnung nicht auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt werden, ins Leere geht.
17Reagent ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO ein Rind, bei dem durch serologische Untersuchungsverfahren Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion nachgewiesen sind. Das ist hier bei den in Rede stehenden 80 Rindern zu bejahen. Aufgrund von Blutuntersuchungen wurden ausweislich der Befundberichte des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. -S1. -X. vom 14. und 18. Januar 2016 (Bl. 78 ff. der Beiakte I) diese 80 Rinder positiv getestet.
18Angesichts dessen hat der Antragsgegner, der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen vom 27. Februar 1996 in der Fassung vom 13. Mai 2014 zuständige Behörde ist, dem Antragsgegner aufgegeben, die infizierten Rinder aus dem Bestand zu entfernen.
19Diese Anordnung ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das in einem Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot muss im Zusammenhang mit der Begründung und den sonstigen bekannten Umständen für den Adressaten des Verwaltungsakts so klar erkennbar sein, dass er sein Verhalten unschwer hiernach ausrichten kann.
20Vgl. zu diesem Kriterium jüngst VG Münster, Urteil vom 12.11.2015 - 5 K 953/14 -, juris Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 ff. m.w.N.
21Das ist hier der Fall. Zwar merkt der Antragsteller zutreffend an, dass in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht gesagt wird, was mit den infizierten Rindern tatsächlich geschehen soll. Allerdings liegt es zum einen auf der Hand und bedarf keiner Begründung, dass die Entfernung aus dem Bestand durch Schlachtung bewerkstelligt werden kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung zumindest eine der mehrfachen Betriebskontrollen – nämlich am 20. Januar 2016 – durchgeführt worden ist, bei der nach den diesbezüglichen Unterlagen des Antragsgegners (Vermerk vom 27. Januar 2016 mit Protokollen der Durchführung von Betriebskontrollen Bl. 6 ff. der Beiakte I) auch der Antragsteller und sein Hoftierarzt zugegen waren. In diesem Rahmen ist auch die Variante besprochen worden, dass die Tiere in bestimmte Länder exportiert werden können. Dass dem Antragsteller zumindest vor diesem Hintergrund die bestehenden Optionen klar sind, folgert die Kammer auch daraus, dass er damit argumentiert, es gebe gegenüber der unverzüglichen Bestandsentfernung mildere Mittel. Diesen Standpunkt könnte der Antragsteller aber gar nicht einnehmen, wenn er nicht wüsste, was sie beinhaltet. Demgemäß kann es auch nicht verwundern, dass er seinen Widerspruch vom 27. Januar 2016 bzw. seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom selben Tage sowie vom 02. Februar 2016 gerade nicht damit begründet hat, die Verfügung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
22Die Maßnahme ist auch frei von Ermessensfehlern. Dass der Behörde Ermessen eingeräumt ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO, der vorrangig die Verpflichtung des Tierhalters zur Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand formuliert und die Ermächtigung zum Eingreifen lediglich in der Formulierung „nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde“ beinhaltet. Allerdings folgt aus der Zusammenschau mit § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht. In diesem Rahmen steht die Maßnahme insbesondere in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist auf den legitimen Zweck ausgerichtet, die Verbreitung des BHV1-Virus zu verhindern. Dass gerade dieser Zweck nicht verfolgt wird, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht feststellen. Dass die Gefahr einer Infektion durch die Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand für diesen selbst, aber auch für andere Bestände -
23vgl. zu dieser Erwägung Thür. OLG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 Ss Rs 31/10 -, juris Rn. 25 -
24verringert wird, ist offenkundig.
25Die Anordnung erweist sich auch als erforderlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers zielt das Vorgehen des Antragsgegners nicht allein auf die Anerkennung Nordrhein-Westfalens als BHV1-frei gemäß Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen.
26Vgl. jedoch zur Berücksichtigung hoher wirtschaftlicher Schäden VG Aachen, Beschluss vom 26.03.2009 - 7 L 117/09 - n.v.
27Der Antragsgegner hat vielmehr nachvollziehbar auch darauf abgestellt, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für andere Tiere darstellt und zur Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR) führen kann, bei der es sich um eine überwiegend akut verlaufende, hochansteckende Allgemeinerkrankung handelt. Sie beginnt mit Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie Speicheln. Später können Atemnot, Nasen- und Augenausfluss hinzutreten.
28Vgl. zur Erkrankung ausführlich die Informationen des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierseu-chen-und-tierkrankheiten/#c10050; ferner zudem www.rinderskript. net/skripten/b4-5.html (Zugriff jeweils am 22. Februar 2016).
29Ein milderes, ebenso effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Das Sperren des Hofes allein kommt schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch die Gefahr der Infektion der bislang negativ getesteten Rinder des Bestandes des Antragstellers unvermindert fortbestehen würde.
30Der Verweis des Antragstellers auf § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO überzeugt nicht. Danach kann die zuständige Behörde für Bestände, in denen alle Rinder ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben werden, Ausnahmen von Satz 1 – für den Tierhalter obligatorische Untersuchung des Bestandes in bestimmten zeitlichen Abständen – zulassen, wenn unter Berücksichtigung des seuchenhygienischen Risikos des Bestandes und der Seuchensituation ihres Zuständigkeitsgebietes Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen und die Rinder des Bestandes regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers geimpft werden. § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO greift aber weder tatbestandlich noch von der Rechtsfolge her Platz:
31Zum einen werden die Rinder des Antragstellers nicht ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben. Dem Protokoll über die Durchführung einer Betriebskontrolle am 26. Januar 2016 (Bl. 8 der Beiakte I) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner in Aussicht gestellt hat, seinen Betrieb in einen reinen Mastbetrieb umzuwandeln. Dass dies bereits geschehen war (oder mittlerweile geschehen ist), ist weder dargetan noch ersichtlich. Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung oder danach ein reiner Mastbetrieb bestanden hat. Ferner hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Rinder nicht in einem geschlossenen Betriebssystem gehalten hat. So soll er allein im letzten Jahr acht Tiere an andere Betriebe abgegeben haben, was dieser auch nicht in Abrede stellt. Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass sieben Tiere, die ausweislich der Gutschrift vom 18. September 2015 (Bl. 30 der Gerichtsakte) an die Viehvermarktung S2. GmbH & Co. KG verkauft wurden, nicht unmittelbar geschlachtet worden seien. Die Tiere sollen vielmehr an einen Betrieb im Kreis I. weiterverkauft worden und dort bis vor kurzem im Bestand gewesen sein. Auch dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Ferner belegt der Verkauf eines Rindes an die Viehhandlung Q. A. (Rechnungsdatum 22. Oktober 2015, Bl. 32 der Gerichtsakte), dass der Antragsteller nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel abgegeben hat.
32Zum anderen passt die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO nicht. Denn Regelungsgegenstand der Norm ist ein Dispens von der Verpflichtung, die Tiere untersuchen zu lassen. Hier geht es aber ersichtlich nicht um eine Untersuchung.
33Entgegen der Ansicht des Antragstellers greift auch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BHV1-VO nicht Platz. Diese Norm sieht für Rinder, die unmittelbar zur Schlachtung verbracht werden, eine Ausnahme von der Vorgabe in Satz 1 vor, dass Zucht- und Nutzrinder nur unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Bestand verbracht oder in einen Bestand nur eingestellt werden dürfen.
34Schließlich ist auch weder ersichtlich noch überzeugend dargetan, dass die Anordnung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Die Beschränkung ist vielmehr zur Abwehr einer Tierseuche gerechtfertigt, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass die betroffenen Landwirte eine Beihilfe erhalten.
35b) Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbare und gemäß § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW ordnungsgemäß zugestellte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60, 63 VwVG NRW.
36Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € ist zwar – absolut gesehen – recht hoch. Pro Tier steht allerdings ein Zwangsgeld von „lediglich“ 1.000 € in Rede. Die Formulierung der Zwangsgeldandrohung ist zwar sprachlich verunglückt. Denn zunächst scheint ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € auch für den Fall angedroht zu werden, dass der Antragsteller der Anordnung nicht vollständig nachkommt, d.h. nicht alle BHV1-Reagenten aus seinem Bestand entfernt. Der mit „bzw.“ eingeleitete Zusatz verdeutlicht allerdings, dass das Zwangsgeld bei teilweiser Nichtbefolgung davon abhängt, wie viele Reagenten entgegen der Ordnungsverfügung über die gesetzte Frist hinaus im Betrieb des Antragstellers verblieben sind. Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € pro Tier ist nicht zu hoch bemessen. Der Antragsgegner hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, wonach bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen ist, an dem wirtschaftlichen Wert eines Tieres orientiert. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 25. Januar 2016 über den Verkehrswert seiner Herde (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) wird der Wert des Tieres mit 1.791,44 € deutlich höher bemessen. Demgemäß hat der Antragsgegner einen Betrag gewählt, der den Antragsteller voraussichtlich veranlassen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zwangsgeldandrohung nicht per se eine Geldzahlungspflicht für den Adressaten begründet, sondern ihn als Adressat einer öffentlich-rechtlich angeordneten Pflicht zur Beachtung und Einhaltung dieser Pflicht anhalten soll. Ob insoweit die Zwangsgeldandrohung in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, hängt allein vom selbstbestimmten Verhalten des Adressaten ab.
37Vgl. VG München, Urteil vom 11.05.2015 - M 8 K 14.50 -, juris Rn. 53.
38Auch die Frist von zwei Wochen zur Entfernung der infizierten Rinder aus dem Bestand ist aus der Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Ausgangspunkt der Fristsetzung ist eine Aussage des Geschäftsführers des G. -I1. C. e.V., Herrn Dr. E. , dass die Vermarktung der Tiere innerhalb von einer Woche unter normalen Umständen problemlos möglich sein müsste. Das G. -I1. betreut Herdbuchzüchter aus Nordrhein-Westfalen, S2. -Pfalz und dem Saarland. Der eingetragene Verein hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitglieder und 11.000 registrierte G. von 26 Rinderrassen im I1. .
39Vgl. hierzu die Angaben auf der Homepage des Vereins www.fhb-bonn.de (Zugriff am 20. Februar 2016).
40Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Frist nicht willkürlich gewählt worden ist.
41Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei kurzfristig zur Entfernung der infizierten Rinder wirtschaftlich und tatsächlich außer Stande, überzeugt das nicht. Es fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum ihm dies nicht möglich sein soll. Seine Aussage, dass trächtige Tiere nicht geschlachtet werden dürften, ist zum einen normativ nicht belegt und wird vom Antragsgegner unter Verweis auf die Vorschriften der Verordnung zum Schutz von Tieren in Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 20. Dezember 2012 auch in Abrede gestellt. Zum anderen stellt dies die Möglichkeit der Vermarktung dieser Tiere nicht substantiiert in Frage.
42Da sich die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 getroffene Anordnung somit nach summarischer Prüfung ebenso wie die Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, überwiegt schon deshalb insoweit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44II.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
Tenor
Der Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW - Tierseuchenkasse - vom 16. Mai 2014 wird insoweit aufgehoben, als darin mehr als 2,00 Euro pro Rind festgesetzt worden sind.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt eine Rinderhaltung, die nicht den Status BHV1-frei besitzt. Bei BHV-1 handelt es sich um ein Herpesvirus, das hauptsächlich über die Atemluft übertragen wird und bei Rindern u.a. zu Fieber, Abmagerung, Erkrankungen der Atemwege und Rückgang der Milchproduktion führen kann und nicht auf Menschen übertragbar ist. Nach der BHV-1 Verordnung ist eine jährliche Untersuchung der Rinderbestände auf BHV-1 erforderlich. Bei BHV-1 freien Beständen können dazu Sammelmilchproben genommen werden, bei nicht BHV-1 freien Beständen muss bei jedem einzelnen Tier eine Blutuntersuchung erfolgen. Zu den Laborkosten für die Blutuntersuchung leistet die von der Beklagten verwaltete Tierseuchenkasse bei Vorliegen der Voraussetzungen eine jährliche Beihilfe von 4 Euro pro Rind.
3Mit Bescheid vom 16. Mai 2014 erhob die Tierseuchenkasse von der Klägerin für das Jahr 2014 für 2593 Rinder einen Betrag in Höhe von 6,00 Euro pro Rind, insgesamt 15.558,00 Euro. Der Bonus für BHV1-freie Betriebe in Höhe von 4,00 Euro pro Rind wurde nicht gewährt. In den Jahren 2010 und 2011, in denen Betriebe Sanierungsmaßnahmen hinsichtlich des Virus BVD durchzuführen hatten, hatte der Beitrag für alle Rinder unabhängig von der BVD- und BHV-1-Freiheit 5,00 Euro pro Rind betragen. In den Jahren 2012 und 2013, in denen die BVD-Sanierungsmaßnahmen reduziert worden war, hatte er pauschal 2,00 Euro pro Rind betragen.
4Die Klägerin hat am 16. Juni 2014 Klage erhoben.
5Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Beklagte von ihr denselben Beitragssatz wie von den Inhabern BHV1-freier Betriebe, nämlich nur 2,00 Euro pro Rind, hätte verlangen dürfen. Die Erhebung eines um 4,00 Euro höheren Betrages sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber BHV1-freien Betrieben und eine verdeckte Strafzahlung. Zudem hätte die Tierseuchenkasse in dem Bescheid die Berechnungsgrundlage für den Differenzbetrag offenlegen müssen. Darüber hinaus rügt die Klägerin Verfahrensfehler hinsichtlich des Beschlusses des Verwaltungsrates der Tierseuchenkasse vom 23. Juli 2013, mit dem dieser dem Landesministerium empfohlen hatte, den Beitrag für BHV1-freie Betriebe auf 2,00 Euro und für nicht BHV1-freie Betriebe auf 6,00 Euro pro Rind festzusetzen.
6Die Klägerin beantragt,
7den Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW - Tierseuchenkasse - vom 16. Mai 2014 insoweit aufzuheben, als darin mehr als 2,00 Euro pro Rind festgesetzt worden sind.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie trägt im Wesentlichen vor: Die Beitragsdifferenzierung sei nach § 20 Abs. 2 Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) zulässig und stünde mit dessen Ziel, die effektive Seuchenprävention zu fördern, in Einklang. Die Heranziehung nicht BHV1-freier Betriebe zu dem höheren Beitrag sei gerechtfertigt. Während das seuchenhygienische Risiko bei BHV1-freien Betrieben gleich Null sei, stelle das Vorhandensein von Reagenten in Betrieben bei der Fülle der Kontaktmöglichkeiten im Viehverkehr ein nicht vertretbares Risiko für die überwiegende Zahl BHV1-freier Betriebe dar, insbesondere weil Zuchttiere nicht einzeln, sondern in der Regel über Sammelstellen transportiert würden. Der Mehrbetrag von 4,00 Euro pro Rind sei auch verhältnismäßig, da die Tierseuchenkasse die Kosten der bei BHV1-betroffen Betrieben erforderlichen Einzelblutuntersuchungen in dieser Höhe übernehme und diese Kosten bei BHV1-freien Betrieben nicht anfielen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage hat Erfolg.
14Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Eine Aufhebung des Bescheides insgesamt kommt aufgrund des eingeschränkten Klageantrags gemäß § 88 VwGO nicht in Betracht.
15Das Gericht teilt zwar die Bedenken der Klägerin hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung des Verwaltungsrats der Tierseuchenkasse nicht, da das durch die Geschäftsordnung des Verwaltungsrats vorgegebene Beschlussverfahren ausweislich der von der Beklagten zur Akte gereichten Unterlagen eingehalten wurde. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergibt sich aber aus der fehlerhaften Beitragskalkulation. Die Beklagte ist bei der Beitragskalkulation für das Jahr 2014 nicht nur methodisch in nicht vertretbarer Weise vorgegangen. Sie hat auch zu Unrecht einen einheitlichen Beitrag für Entschädigungen und Beihilfen erhoben. Weiterhin hat sie unzulässigerweise zwischen BHV-1 freien und nicht BHV-1 freien Betrieben differenziert. Diese drei Gründe führen unabhängig voneinander zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung.
16Die Fehlerhaftigkeit der bei der Beitragskalkulation angewandten Methode ergibt sich aus Folgendem: Die Beklagte geht bei der Haushaltsplanung der Unterkasse für Rinder zumindest seit 2010 so vor, dass sie zuallererst festsetzt, in welcher Höhe sie den Beitrag erheben will. Ihre voraussichtlichen Kosten, etwa für zu leistende Entschädigungen oder Beihilfen, schätzt sie erst danach. Diese Vorgehensweise hat die Geschäftsführerin der Tierseuchenkasse in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Sie wird zudem durch die zur Gerichtsakte gereichte Aufstellung der Haushaltsplanung für die Jahre 2010 bis 2014 illustriert. Dabei erfordert eine ordnungsgemäße Beitragskalkulation vielmehr, dass die Beklagte zunächst ihre voraussichtlichen Kosten für das zu planende Haushaltsjahr schätzt und sie die Höhe des Beitrags von der Höhe dieser Kosten abhängig macht. Zweitens hätte die Beklagte bei der Beitragskalkulation berücksichtigen müssen, in welcher Höhe ihr diese Gesamtkosten voraussichtlich durch Dritte – namentlich durch das Land oder die Europäischen Union ‒ erstattet werden. Diese voraussichtlichen Einnahmen aus der Hand Dritter hätte die Beklagte bei ordnungsgemäßer Haushaltsplanung vor Bestimmung der endgültigen Beitragshöhe von den Gesamtkosten abziehen müssen, um so zu bestimmen, in welcher Höhe die Beitragserhebung überhaupt erforderlich ist. Die bisherige Beitragsbestimmung der Beklagten unabhängig von den voraussichtlich im jeweiligen Jahr anfallenden Kosten und der absehbaren Kostenerstattung durch Dritte ist dagegen weder mit dem Prinzip der Jährlichkeit der Haushaltsplanung vereinbar noch wurde dabei das Interesse der Beitragspflichtigen an einer möglichst geringen Beitragshöhe ausreichend in den Blick genommen. Darüber hinaus hat die Beklagte bei der Beitragskalkulation für die Jahre 2010 bis 2014 auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie jedes Jahr weit besser gewirtschaftet hat als ursprünglich kalkuliert. Ausweislich der zur Akte gereichten Aufstellungen hat die Beklagte bei jeder Haushaltsplanung für die Jahre 2010 bis 2014 ihre verbleibenden Gesamtkosten so hoch eingeschätzt, dass sie eine Entnahme aus der Rücklage werde tätigen müssen. Für diese Entnahme wurden jedes Jahr Beträge ganz unterschiedlicher Höhe, etwa zwischen 250 Tsd. Euro und 5 Mio. Euro, angesetzt. Wie sich aus den Ist-Rechnungen der Tierseuchenkasse ergibt, hat sie diese Entnahmen aus der Rücklage jedoch im Ergebnis nie tätigen müssen, weil ihre Kosten im Nachhinein immer viel niedriger ausfielen bzw. teilweise durch das Land und die Europäische Union erstattet wurden. Sie hat daher seit 2010 der Rücklage entgegen ihrer Haushaltsplanung überhaupt nichts entnehmen müssen. Dennoch hat sie diese ersparten Aufwendungen bei der Kalkulation des Beitrags für das nächste zu planende Haushaltsjahr stets unberücksichtigt gelassen. Stattdessen hat sie den verbleibenden Mehrbetrag nach dem Motto „was man hat, das hat man“ stets in die Rücklage verschoben. Dabei erfordert eine planmäßige und nachvollziehbare Beitrags- und Rücklagenkalkulation, dass der Beitragsgläubiger die außerplanmäßig ersparten Kosten nicht pauschal jedes Jahr einbehält, sondern sie vielmehr im nächsten Jahr beitragsmindernd ansetzt: Wenn er den Betrag der Rücklage zuführt, so muss dahinter jedenfalls ein Planungskonzept in Bezug auf die Rücklagenbildung erkennbar sein. Ein solches muss sich nach § 3 Abs. 2 Verordnung zur Durchführung von Regelungen auf dem Gebiet der Tierseuchenbekämpfung (DVO-AGTierSG-NRW) im Rahmen von 75 bis 100 % eines pro Rind anzusetzenden Betrages von 12,00 Euro bewegen.
17Über diese methodischen Fehler hinaus ist die Beitragskalkulation auch insoweit rechtswidrig, als die Beklagte einen einheitlichen Betrag für Entschädigungen und Beihilfen erhoben hat. Die Unzulässigkeit eines solchen einheitlichen Beitrags beruht auf folgenden gravierenden Unterschieden zwischen Entschädigungen und Beihilfen:
18Entschädigungen und Beihilfen fußen erstens auf eigenständigen Ermächtigungsgrundlagen. Entschädigungen und die Erhebung der entsprechenden Beiträge sind bundesrechtlich in §§ 15 ff. Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) geregelt. Dagegen sind Beihilfen bundesrechtlich nicht vorgesehen. Vorschriften hierzu finden sich ausschließlich im Landesrecht, nämlich in § 6 Abs. 1 und § 7 Ausführungsgesetz zum Tiergesundheitsgesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (AGTierSGTierNebG NRW). Zweitens werden Entschädigungen und Beihilfen zu völlig unterschiedlichen Zwecken und in unterschiedlicher Höhe bereitgestellt. Entschädigungen werden nach § 15 TierGesG ausschließlich für Tierverlust im Seuchenfall geleistet und dienen der (teilweisen) Kompensation des finanziellen Nachteils des Tierhalters – insbesondere zur Sicherung seiner Existenzgrundlage im Falle gewerblicher Tierhaltung. Beihilfen im Sinne des § 7 AGTierSGTierNebG NRW dienen dagegen vor allem der Finanzierung präventiver Maßnahmen wie beispielsweise Impfungen oder Desinfektion, die verhindern sollen, dass sich eine Tierseuche in einen Bestand einschleicht oder dort weiter ausbreitet. Das Inaussichtstellen von Beihilfen schafft einen finanziellen Anreiz für die Tierhalter, solche Präventivmaßnahmen durchzuführen. Demnach handelt es sich bei Entschädigungen und Beihilfen drittens um zwei unterschiedliche Leistungen. Die gesetzlich vorgegebene Differenzierung nach Leistungsbereichen erfordert es, die Kosten für die jeweiligen Leistungsbereiche zu ermitteln und nur diese bei dem für den speziellen Leistungsbereich festzusetzenden Beitrag zu erheben (Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit),
19vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000 – 11 C 7.00 – in juris (Rn. 33); OVG NRW, Urteil vom 17. März 1998 – 9 A 1430/96 – in juris (Rn. 8).
20Die einheitliche Beitragserhebung für Entschädigungen und Beihilfen steht schließlich im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass die Beitragshöhe den Wert des dafür seitens der Behörde gewährten Vorteils ungefähr wiederspiegeln muss. Wird ein einheitlicher Beitrag für Entschädigungen und Beihilfen erhoben, kann der Beitragsschuldner die Relation zum Wert der Entschädigungsleistung und zum Wert der Beihilfeleistung nicht getrennt voneinander nachvollziehen. Denn es ist für ihn nicht einmal mehr im Ansatz ersichtlich, welcher Teil des Beitrags auf Entschädigungen und welcher auf Beihilfen entfallen soll.
21Aus diesen Gründen ist bereits die gesamte Beitragsfestsetzung unabhängig von der darin vorgenommenen Differenzierung zwischen BHV1-freien und BHV1-betroffenen Betrieben rechtswidrig. Darüber hinaus ist jedoch auch diese Differenzierung unzulässig und führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, soweit darin ein Betrag von mehr als 2,00 Euro pro Rind festgesetzt ist. Der dem Bescheid zugrunde liegende § 1b Abs. 2 DVO-AGTierSG-NRW verstößt durch das bloße Abstellen auf die BHV1-Freiheit des Bestandes gegen § 20 Abs. 2 Satz 3 TierGesG. Nach dieser Vorschrift, auf die die Beklagte die Beitragserhebung in der Klageerwiderung ausdrücklich gestützt hat, können die Beiträge nach Größe der Bestände und unter Berücksichtigung der seuchenhygienischen Risiken, insbesondere auf Grund der Betriebsorganisation, sowie zusätzlich nach Alter, Gewicht oder Nutzungsart gestaffelt werden. Die Vorschrift ist § 71 Abs. 1 Satz 5 des inzwischen außer Kraft getretenen Tierseuchengesetzes nachgebildet. Ziel der Aufnahme des Differenzierungskriteriums „seuchenhygienische Risiken, insbesondere auf Grund der Betriebsorganisation“ in diese Norm im Jahr 1995 war es, bei der Beitragsbemessung statt der Größe des Betriebes nun vor allem die von ihm ausgehende Gefahr einer Seuchenverbreitung in den Vordergrund zu stellen. Diese sollte insbesondere anhand der Betriebsorganisation beurteilt werden, weil die in den Neunzigerjahren grassierende Schweinepest gezeigt hatte, dass das Risiko einer Infektion von Betrieben insbesondere mit den Abläufen in dem Betrieb und der Betriebsart zusammenhängt. Nach den einschlägigen Gesetzesmaterialien sollte die Beitragshöhe daher beispielsweise an die Art der Entsorgung der Gülle, die Abgrenzung zu anderen Betrieben, die Benutzung eines gemeinsamen Fuhrparks mit anderen Betrieben und die Art und Weise des Tierzukaufs anknüpfen,
22vgl. die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses, BT-Drs. 13/1764, S. 6.
23Entsprechend differenziert der Landesverordnungsgeber die Beiträge von Schweinehaltern zur Tierseuchenkasse nach der Organisation des Betriebs. Er stellt insbesondere auf die Art und Weise des Tierzukaufs ab, nämlich darauf, ob die Tiere in einem „geschlossenen System“ gehalten werden, also keine Schweine von außerhalb des Betriebs in diesen verbracht werden, sowie darauf, ob es sich um einen Zucht- oder Mastbetrieb handelt (§ 1b Abs. 1 DVO-AGTierSG-NRW).
24Mit dieser Zielsetzung des § 20 Abs. 2 Satz 3 TierGesG, die Beiträge vor allem an der Betriebsorganisation zu orientieren, ist die Beitragsdifferenzierung nur nach dem Kriterium der BHV1-Freiheit nicht vereinbar. Von BHV1-infizierten Beständen mag je nach Einzelfall ein höheres Seuchenrisiko für andere Betriebe ausgehen können. Wie § 20 Abs. 2 Satz 3 TierGesG mit dem Zusatz „insbesondere auf Grund der Betriebsorganisation“ anerkennt, ist dieses Seuchenrisiko aber in erster Linie davon abhängig, welche Betriebsform gewählt wird. Insbesondere wenn die Tiere – wie die der Klägerin – sämtlich aus eigener Aufzucht stammen und in einem „geschlossenen System“ gehalten werden, also nur bei Gelegenheit des Schlachtens mit anderen – dann aber ebenfalls totgeweihten – Tieren in Kontakt kommen, ist nicht ersichtlich, worin das besondere seuchenhygienische Risiko des Betriebes bestehen soll. Dass auch bei solchen Betrieben eine Seuchenübertragung – z.B. durch den Tierarzt, der mehrere Betriebe hintereinander besucht ‒ nicht auszuschließen ist, mag sein. Dieses Restrisiko besteht jedoch auch bei geschlossenen Schweinehaltungen. Dennoch gewährt die Beklagte diesen einen Beitragsrabatt. Warum dies nicht auch für BHV1-infizierte geschlossene Rinderbetriebe gelten kann, erschließt sich dem Gericht nicht.
25Die einheitliche Erhebung eines erhöhten Beitrages für alle nicht BHV1-freien Betriebe kann die Beklagte auch nicht damit begründen, dass bei ihr für solche Betriebe im Vergleich zu BHV1-freien Betrieben deutlich höhere Kosten anfielen. Die Beklagte hat diesbezüglich vorgetragen, für BHV-1-befallene Betriebe eine Beihilfe von 4 Euro pro Rind zur obligatorischen Einzelblutuntersuchung zu leisten. Gleichzeitig stützt sie die Beitragserhebung auf § 20 Abs. 2 Satz 3 TierGesG. Dieser erlaubt aber nur die Beitragserhebung für Entschädigungen. Er dient nicht der Finanzierung von Beihilfen. Außerdem müsste die Beklagte mit dem von ihr vorgetragenen Argument der höheren Beihilfeleistung für nicht BHV1-freie Betriebe auch hinsichtlich anderer Beihilfen, insbesondere der Beihilfe zur BVD-Prävention, differenzieren. Nach den Haushaltsplanungen der Jahre 2010 bis 2014 sieht die Beklagte jährlich Beihilfeleistungen für die BVD-Prävention vor. Für das Jahr 2014 hat sie hierfür einen Betrag von 4,4 Mio. Euro eingeplant. Für die Beihilfeleistung zur BHV1-Bekämpfung wurden dagegen für dasselbe Jahr nur 1,13 Mio. Euro veranschlagt. Dennoch differenziert die Beklagte den Beitragssatz zur Tierseuchenkasse nicht auch danach, welcher Betrieb von den deutlich höheren Beihilfen zur BVD-Bekämpfung profitiert und welcher nicht. Eine solche Differenzierung hätte aber insbesondere deshalb nahegelegen, weil die Beihilfen zur BVD-Bekämpfung nach Angaben der Geschäftsführerin des Verwaltungsrats in der mündlichen Verhandlung unter anderem zur Kennzeichnung von Jungtieren mit entsprechenden Ohrmarken geleistet werden. Die Beihilfe kam insoweit also nur solchen Betrieben zu Gute, die selbst züchten und die Ohrmarken anzubringen haben. Käme es der Beklagten wirklich darauf an, durch eine Beitragsdifferenzierung eine Art „Gegenleistungsgerechtigkeit“ hinsichtlich der von ihr geleisteten Beihilfen herzustellen, ist nicht ersichtlich, warum sie beispielsweise diese Kosten für Ohrmarkenbeihilfen dennoch allen Betrieben, nicht nur den Züchtern, auferlegt.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Zivilprozessordnung.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Gründe
- 1
Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 28. Januar 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist begründet.
- 2
Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die begehrte aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. Dezember 2012 gegen die Regelungen der Ziffn. 1 - 4 im Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 2012 wieder herzustellen. Denn die Vollzugsanordnung des Antragsgegners in Ziff. 5 des vorgenannten Bescheides genügt nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen.
- 3
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet wird, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses bedarf, das erkennen lässt, warum das Aussetzungsinteresse des Betroffenen dahinter zurückzustehen hat.
- 4
Die Begründung in Ziff. 5 des Bescheides vom 12. November 2012 genügt diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, dass sie das Ergebnis einer Abwägung der im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen ist und welche Gründe für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, d. h. für ein besonderes Vollziehungsinteresse sprechen.
- 5
Die Begründung zu Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides (Seite 6), die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, verkennt, dass es eines „besonderen“ öffentlichen Interesses bedarf, also das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiegen muss und es deshalb nicht ausreicht, Aspekte des öffentlichen Interesses lediglich aufzuzählen, ohne sie gegen die privaten Interessen des Betroffenen abzuwägen und die Gründe zu benennen, weshalb sie sich gegen letztere durchsetzen. Nur eine solche Interessenabwägung und Darlegung der Gründe für ein besonderes - weil das Aussetzungsinteresse überwiegend ist - Vollziehungsinteresse wird dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht. Es hat die Funktion, die Behörde dazu anzuhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein, dem Betroffenen die Einschätzung der Erfolgsaussicht eines Aussetzungsantrages zu ermöglichen und dem Gericht - unbeschadet der in materiell-rechtlicher Hinsicht zu treffenden eigenen Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - aufgrund der Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die Vollziehungsanordnung eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011 - 1 S 2554/11 -, juris).
- 6
Hiervon ausgehend genügt es nicht, dass sich der Antragsgegner auf die Sicherung der Daseinsvorsorge als im öffentlichen Interesse liegend bezieht. Der Antragsgegner legt weder nachvollziehbar dar, weshalb ohne die einstweilige Durchführung der angeordneten Sanierungsmaßnahmen die Weiterbenutzung der öffentlichen Infrastruktur infrage steht, noch weshalb dieser Aspekt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Daher reicht es auch nicht aus, dass - worauf wohl das Verwaltungsgericht abstellt - im Gefahrenabwehrrecht die Überlegungen zum Verfügungserlass oftmals mit jenen zum Sofortvollzug übereinstimmen.
- 7
Soweit der Antragsgegner bei einer Verzögerung der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen infolge der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eine Verschlechterung des Zustands der Strecke für möglich hält, die Sicherheit des jetzigen Streckenzustandes nicht mehr gewährleistet werden könne, die Strecke einem weiteren Verfall ausgesetzt sei und die Aussichten auf eine erfolgreiche Instandsetzung beim jetzigen Zustand besser seien als zu einem späteren Zeitpunkt, lassen die angeführten Gründe (für ein öffentliches Interesse an der Vollziehungsanordnung) keine Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin erkennen. Deren Aussetzungsinteresse besteht hier nicht nur in einem zeitlichen Aufschub der angeordneten Maßnahmen, sondern zwecks Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes darin, von der Schaffung vollendeter Tatsachen verschont zu bleiben, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind und in tatsächlicher, zumindest aber in wirtschaftlicher Hinsicht und damit faktisch nicht rückgängig zu machen sind. Die Erhaltung des Suspensiveffektes dient vorliegend dazu, durch effektiven Rechtsschutz eine unangemessene Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides lässt nicht erkennen, dass und warum die vom Antragsgegner angeführten Gründe für eine mögliche Zustandsverschlechterung der Strecke das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. In diesem Zusammenhang stellt sich im Übrigen auch die Frage, warum die bisher von Kilometer 33,1 bis Kilometer 33,8 praktizierte Langsamfahrstelle nicht auf den Sanierungsbereich erweitert werden konnte bzw. warum eine Langsamfahrstelle insgesamt für den Zeitraum des Suspensiveffektes (vgl. § 80 b VwGO) als nicht (mehr) ausreichend anzusehen ist.
- 8
Soweit der Antragsgegner unter Verweis auf die Betriebssicherungspflicht der Antragstellerin bei einem fortdauernd schlechten Zustand der Infrastruktur erwartet, dass „früher oder später entsprechende Gefährdungen von der Schieneninfrastruktur ausgehen“, lässt die Begründung nicht erkennen, inwiefern von der betroffenen Gleisanlage bzw. dem Schotterfang eine derart schwerwiegende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dahinter zurückzustehen hat. Der Begründung mangelt es insoweit an substantiierten Angaben, die eine konkrete schwerwiegende Gefahrenlage plausibel machen und aufzeigen, weshalb eine sofortige Gefahrenabwehr nur durch die Vollziehungsanordnung, nicht aber durch weniger einschneidende (vorübergehende) Maßnahmen, wie z. B. das Langsamfahrgebot oder - hinsichtlich von der Brücke fallenden Schotters - durch eine Durchgangssperre oder Anbringung eines Fangnetzes, realisiert werden kann. Auch in Bezug auf mögliche von der Schieneninfrastruktur ausgehende Gefährdungen lässt die Begründung der Vollziehungsanordnung keine Abwägung der betroffenen Interessen erkennen oder führt Umstände an, die eine Vollziehungsanordnung als notwendige und allein in Betracht kommende Gefahrenabwehrmaßnahme plausibel machen.
- 9
In Bezug auf die angeordnete Gleisbegehung zur Feststellung des materiellen Gleiszustandes gemäß Ziff. 4 des Bescheides vom 12. November 2012 fehlt es schließlich an jeglicher Begründung für die Vollziehungsanordnung. Denn die Begründung in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides bezieht sich lediglich auf die angeordneten Sanierungsmaßnahmen.
- 10
Von dem Begründungserfordernis konnte vorliegend auch nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgesehen werden. Denn es handelt sich bei den Anordnungen gemäß Ziffn. 1 - 4 des Bescheides vom 12. November 2012 weder um Notstandsmaßnahmen noch wurden sie als solche bezeichnet.
- 11
Eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann im Hinblick auf die Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011, a. a. O.), so dass es auf die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. Soweit der Antragsgegner im Übrigen mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 von seiner bisherigen Begründung eines erhöhten Sanierungsaufwandes durch Zeitablauf sowie dem Argument, dass die Eisenbahninfrastruktur in ferner Zukunft unsicher werden könnte, abgerückt ist und stattdessen eine Beschneidung von Zugangsrechten Dritter als Grund für die Vollziehungsanordnung reklamiert, findet auch insoweit die gebotene Interessenabwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht statt. Der einleitende Hinweis, dass Sanierungsmaßnahmen nicht beliebig verschleppt werden könnten, spricht zudem für eine Verkennung des anzulegenden Maßstabes und der Umstände, die das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin begründen.
- 12
Im Falle eines formellen Fehlers gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht die Vollziehungsanordnung der Behörde aufzuheben, sondern der Suspensiveffekt des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wieder herzustellen. Die Aufhebung der Vollziehungsanordnung ist im Gesetz weder vorgesehen noch besteht für sie ein praktisches Bedürfnis. Am Erlass einer neuen, formell fehlerfreien Vollziehungsanordnung ist die Behörde weder gehindert noch auf eine Änderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO angewiesen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 2. Dezember 1993 - 4 M 10/93 -, juris).
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 14
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf §§ 63 Abs. 3, 39, 47, 40, 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren haben mehrere Streitgegenstände zum Gegenstand, die wertmäßig zusammen zu rechnen sind (§ 39 Abs. 1 GKG). Da der Sach- und Streitgegenstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bewertung der Maßnahmen in Ziffn. 1 bis 4 des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2012 bietet, wird jede Einzelanordnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit dem Auffangwert von 5.000,00 € bemessen. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht geboten, da das Verfahren eine (faktische) Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.
- 15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. August 2011 - 4 K 1583/11 - geändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beschlagnahmeanordnung vom 12.08.2011 durch die Antragsgegnerin wird aufgehoben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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Tenor
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid der F.-A.-Universität E.-N.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Sofortvollzugsanordnung seiner Exmatrikulation durch die F.-A.-Universität E.-N. (FAU) im Bescheid vom
Der Antragsteller war seit dem 1. April 2011 im Bachelorstudiengang Maschinenbau an der FAU eingeschrieben. Mit Schreiben vom 10. September 2015 beantragte er unter Vorlage eines ärztlichen Attestes wegen krankheitsbedingter Studierunfähigkeit die Beurlaubung für das Sommersemester 2015. Diese lehnte die FAU mit Bescheid vom 16. September 2015 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wurde hiergegen am 21. Oktober 2015 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben (AN 2 K 15.01979), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Schreiben vom
„Die sofortige Vollziehung des Exmatrikulationsbescheides gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird, als im öffentlichen Interesse liegend, angeordnet. Die Anordnung begründen wir wie folgt:
Es besteht über das allgemeine, jedem Gesetz innewohnende öffentliche Interesse am Vollzug hinaus ein besonderes Interesse am sofortigen Vollzug der Exmatrikulation. …“
Dem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.
Mit Schreiben vom
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2015 wies die FAU den Widerspruch als unstatthaft und deshalb unzulässig zurück und verwies den Antragsteller für die Aussetzung der sofortigen Vollziehung an das Gericht. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend beigefügt, dass Klage innerhalb eines Monats zum Verwaltungsgericht Ansbach gegen die FAU erhoben werden könne.
Mit Schriftsätzen vom
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Exmatrikulationsbescheid vom
Zur Begründung bezog sich die Antragstellerseite auf die aus ihrer Sicht rechtswidrige Ablehnung der Beurlaubung des Antragstellers. Der Antragsteller habe wegen enormer Arbeitsbelastung in einer von seinem Vater gegründeten Firmengruppe und damit zusammenhängendem Erschöpfungssyndrom das Sommersemester 2015 nicht absolvieren und auch entsprechende Anträge nicht rechtzeitig stellen können.
Mit Schriftsatz vom
den Antrag abzulehnen
und teilte mit, dass die Exmatrikulation unabhängig von der Entscheidung über die Beurlaubung erfolgt sei, ihren Grund vielmehr in der fehlenden Rückmeldung zum Wintersemester 2015/16 habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte in den Verfahren zur Exmatrikulation und Beurlaubung verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und aufgrund der unzureichenden Begründung der Sofortvollzugsanordnung im Bescheid vom
Nachdem die FAU die mit Bescheid vom 21. September 2015 verfügte Exmatrikulation des Antragstellers mit gleichem Schreiben gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Verwaltungsgericht Ansbach statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Dem Antrag fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller gleichzeitig mit dem Verfahren gegen seine Exmatrikulation auch eine Klage auf Beurlaubung für das Sommersemester 2015 erhoben hat und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass er sein Studium für das Sommersemester 2015 aussetzen will bzw. ausgesetzt hat. Zum einen wirkt die Exmatrikulation prinzipiell dauerhaft; sie beendet nämlich den Mitgliedschaftsstatus in der FAU, während das Beurlaubungsbegehren des Antragstellers sich nur auf das Sommersemester 2015 bezieht, das zwischenzeitlich auch bereits abgelaufen ist. Zum anderen entfallen während der Beurlaubung nicht sämtliche Rechte und Pflichten eines Studierenden, so dass ein Interesse am Fortbestehen des Mitgliedschaftsstatus auch während der Beurlaubungsphase anzuerkennen ist.
Eine besondere Eilbedürftigkeit muss im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Antragsteller nicht geltend gemacht werden, so dass die Zulässigkeit des Antrags auch dann nicht in Frage gestellt ist, wenn der Antragsteller im derzeit laufenden Wintersemester 2015/2016 eine weitere Beurlaubung anstreben sollte oder faktisch keine Studienleistungen erbringen sollte.
Der Antrag ist auch begründet.
Der beklagte Freistaat Bayern ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr.1 VwGO analog i. V. m. Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG passivlegitimiert.
Die Sofortvollzugsanordnung leidet in formeller Hinsicht an dem Mangel der nicht ausreichenden Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Einer Sofortvollzugsanordnung mit entsprechender Begründung hat es im vorliegenden Fall bedurft, da die Exmatrikulation nicht bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist zwar die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Bei der Anordnung der Exmatrikulation wegen nicht gezahlter Studiengebühren handelt es sich jedoch nicht unmittelbar um eine kostenmäßige Verfügung im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, so dass § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht eingreift.
Eine kraft Gesetzes bestehende Sofortvollzugsanordnung ist auch nicht in § 12a Abs. 1 Halbsatz 2 der Satzung der FAU über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation (ImmaS) zu sehen, wonach die Rechtsfolgen der Exmatrikulation zum Ende des Semesters eintreten. Eine derartige Bedeutung kommt § 12a ImmaS nicht zu. Der Sofortvollzug einer Maßnahme kann formell auch nicht durch Satzung, sondern nur durch förmliches Gesetz (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 VwGO) oder Verwaltungsakt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) angeordnet werden.
Der Sofortvollzugsanordnung im Einzelfall durch den Antragsgegner hat es somit bedurft. Die Begründung der FAU hierzu im Bescheid vom
Die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat eine doppelte Funktion. Zum einen kommt ihr eine Warnfunktion für die Behörde zu; ihr soll der Ausnahmecharakter der Sofortvollzugsanordnung vor Augen geführt werden und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben ist, das es rechtfertigt, das Prinzip der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen nach § 80 Abs. 1 VwGO zu durchbrechen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Rn. 84). Zum anderen hat die Vorschrift Unterrichtungsfunktion und soll den Betroffenen in die Lage versetzen, zu entscheiden, ob ein Eilrechtsbehelf aussichtsreich sein wird (Kopp/Schenke, a. o. O.). Um diese Funktionen zu erfüllen, genügen pauschale, formelhafte Formulierungen der Begründungspflicht grundsätzlich nicht. Erforderlich ist vielmehr eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte Darlegung. Bei gleichartigen Tatbeständen können ausnahmsweise auch gleiche oder typisierte Begründungen ausreichend sein (Kopp/Schenke, a. o. O., Rn. 85). Bei der von der FAU verwendeten Formulierung handelt es sich jedoch um eine leere Formel, die nicht über die Wiedergabe des Gesetzestextes des § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO hinausgeht und weder einen Bezug zum Einzelfall noch zur konkreten Art der Grundverfügung, der Exmatrikulation, herstellt. Dies genügt der Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht. Die Anordnung war deshalb aufzuheben, unabhängig davon, ob der Anfechtungsklage in der Hauptsache Erfolgsaussichten zukommen.
Da hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage jedenfalls nicht unerhebliche Zweifel bestehen, da es für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 4 BayHSchG und § 11 Abs. 3 ImmaS grundsätzlich ausreicht, wenn die bei der Rückmeldung fälligen Gebühren und Beiträge nicht gezahlt bzw. nachgewiesen werden, konnte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nicht angeordnet werden, da es hierfür einer zugunsten des Antragstellers ausfallenden inhaltlichen Interessenabwägung des Gerichts bedurft hätte.
Da auch die Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers gerecht wird, hat der Antragsgegner die Kosten des damit erfolgreichen Antrags gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr.2 GKG.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Gründe
- 1
Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 28. Januar 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist begründet.
- 2
Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die begehrte aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. Dezember 2012 gegen die Regelungen der Ziffn. 1 - 4 im Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 2012 wieder herzustellen. Denn die Vollzugsanordnung des Antragsgegners in Ziff. 5 des vorgenannten Bescheides genügt nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen.
- 3
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet wird, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses bedarf, das erkennen lässt, warum das Aussetzungsinteresse des Betroffenen dahinter zurückzustehen hat.
- 4
Die Begründung in Ziff. 5 des Bescheides vom 12. November 2012 genügt diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, dass sie das Ergebnis einer Abwägung der im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen ist und welche Gründe für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, d. h. für ein besonderes Vollziehungsinteresse sprechen.
- 5
Die Begründung zu Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides (Seite 6), die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, verkennt, dass es eines „besonderen“ öffentlichen Interesses bedarf, also das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiegen muss und es deshalb nicht ausreicht, Aspekte des öffentlichen Interesses lediglich aufzuzählen, ohne sie gegen die privaten Interessen des Betroffenen abzuwägen und die Gründe zu benennen, weshalb sie sich gegen letztere durchsetzen. Nur eine solche Interessenabwägung und Darlegung der Gründe für ein besonderes - weil das Aussetzungsinteresse überwiegend ist - Vollziehungsinteresse wird dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht. Es hat die Funktion, die Behörde dazu anzuhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein, dem Betroffenen die Einschätzung der Erfolgsaussicht eines Aussetzungsantrages zu ermöglichen und dem Gericht - unbeschadet der in materiell-rechtlicher Hinsicht zu treffenden eigenen Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - aufgrund der Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die Vollziehungsanordnung eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011 - 1 S 2554/11 -, juris).
- 6
Hiervon ausgehend genügt es nicht, dass sich der Antragsgegner auf die Sicherung der Daseinsvorsorge als im öffentlichen Interesse liegend bezieht. Der Antragsgegner legt weder nachvollziehbar dar, weshalb ohne die einstweilige Durchführung der angeordneten Sanierungsmaßnahmen die Weiterbenutzung der öffentlichen Infrastruktur infrage steht, noch weshalb dieser Aspekt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Daher reicht es auch nicht aus, dass - worauf wohl das Verwaltungsgericht abstellt - im Gefahrenabwehrrecht die Überlegungen zum Verfügungserlass oftmals mit jenen zum Sofortvollzug übereinstimmen.
- 7
Soweit der Antragsgegner bei einer Verzögerung der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen infolge der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eine Verschlechterung des Zustands der Strecke für möglich hält, die Sicherheit des jetzigen Streckenzustandes nicht mehr gewährleistet werden könne, die Strecke einem weiteren Verfall ausgesetzt sei und die Aussichten auf eine erfolgreiche Instandsetzung beim jetzigen Zustand besser seien als zu einem späteren Zeitpunkt, lassen die angeführten Gründe (für ein öffentliches Interesse an der Vollziehungsanordnung) keine Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin erkennen. Deren Aussetzungsinteresse besteht hier nicht nur in einem zeitlichen Aufschub der angeordneten Maßnahmen, sondern zwecks Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes darin, von der Schaffung vollendeter Tatsachen verschont zu bleiben, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind und in tatsächlicher, zumindest aber in wirtschaftlicher Hinsicht und damit faktisch nicht rückgängig zu machen sind. Die Erhaltung des Suspensiveffektes dient vorliegend dazu, durch effektiven Rechtsschutz eine unangemessene Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides lässt nicht erkennen, dass und warum die vom Antragsgegner angeführten Gründe für eine mögliche Zustandsverschlechterung der Strecke das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. In diesem Zusammenhang stellt sich im Übrigen auch die Frage, warum die bisher von Kilometer 33,1 bis Kilometer 33,8 praktizierte Langsamfahrstelle nicht auf den Sanierungsbereich erweitert werden konnte bzw. warum eine Langsamfahrstelle insgesamt für den Zeitraum des Suspensiveffektes (vgl. § 80 b VwGO) als nicht (mehr) ausreichend anzusehen ist.
- 8
Soweit der Antragsgegner unter Verweis auf die Betriebssicherungspflicht der Antragstellerin bei einem fortdauernd schlechten Zustand der Infrastruktur erwartet, dass „früher oder später entsprechende Gefährdungen von der Schieneninfrastruktur ausgehen“, lässt die Begründung nicht erkennen, inwiefern von der betroffenen Gleisanlage bzw. dem Schotterfang eine derart schwerwiegende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dahinter zurückzustehen hat. Der Begründung mangelt es insoweit an substantiierten Angaben, die eine konkrete schwerwiegende Gefahrenlage plausibel machen und aufzeigen, weshalb eine sofortige Gefahrenabwehr nur durch die Vollziehungsanordnung, nicht aber durch weniger einschneidende (vorübergehende) Maßnahmen, wie z. B. das Langsamfahrgebot oder - hinsichtlich von der Brücke fallenden Schotters - durch eine Durchgangssperre oder Anbringung eines Fangnetzes, realisiert werden kann. Auch in Bezug auf mögliche von der Schieneninfrastruktur ausgehende Gefährdungen lässt die Begründung der Vollziehungsanordnung keine Abwägung der betroffenen Interessen erkennen oder führt Umstände an, die eine Vollziehungsanordnung als notwendige und allein in Betracht kommende Gefahrenabwehrmaßnahme plausibel machen.
- 9
In Bezug auf die angeordnete Gleisbegehung zur Feststellung des materiellen Gleiszustandes gemäß Ziff. 4 des Bescheides vom 12. November 2012 fehlt es schließlich an jeglicher Begründung für die Vollziehungsanordnung. Denn die Begründung in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides bezieht sich lediglich auf die angeordneten Sanierungsmaßnahmen.
- 10
Von dem Begründungserfordernis konnte vorliegend auch nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgesehen werden. Denn es handelt sich bei den Anordnungen gemäß Ziffn. 1 - 4 des Bescheides vom 12. November 2012 weder um Notstandsmaßnahmen noch wurden sie als solche bezeichnet.
- 11
Eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann im Hinblick auf die Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011, a. a. O.), so dass es auf die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. Soweit der Antragsgegner im Übrigen mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 von seiner bisherigen Begründung eines erhöhten Sanierungsaufwandes durch Zeitablauf sowie dem Argument, dass die Eisenbahninfrastruktur in ferner Zukunft unsicher werden könnte, abgerückt ist und stattdessen eine Beschneidung von Zugangsrechten Dritter als Grund für die Vollziehungsanordnung reklamiert, findet auch insoweit die gebotene Interessenabwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht statt. Der einleitende Hinweis, dass Sanierungsmaßnahmen nicht beliebig verschleppt werden könnten, spricht zudem für eine Verkennung des anzulegenden Maßstabes und der Umstände, die das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin begründen.
- 12
Im Falle eines formellen Fehlers gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht die Vollziehungsanordnung der Behörde aufzuheben, sondern der Suspensiveffekt des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wieder herzustellen. Die Aufhebung der Vollziehungsanordnung ist im Gesetz weder vorgesehen noch besteht für sie ein praktisches Bedürfnis. Am Erlass einer neuen, formell fehlerfreien Vollziehungsanordnung ist die Behörde weder gehindert noch auf eine Änderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO angewiesen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 2. Dezember 1993 - 4 M 10/93 -, juris).
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 14
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf §§ 63 Abs. 3, 39, 47, 40, 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren haben mehrere Streitgegenstände zum Gegenstand, die wertmäßig zusammen zu rechnen sind (§ 39 Abs. 1 GKG). Da der Sach- und Streitgegenstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bewertung der Maßnahmen in Ziffn. 1 bis 4 des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2012 bietet, wird jede Einzelanordnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit dem Auffangwert von 5.000,00 € bemessen. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht geboten, da das Verfahren eine (faktische) Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.
- 15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.