Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 21. Juli 2015 - AN 3 S 15.30959

bei uns veröffentlicht am21.07.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Juni 2015 wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

Der 1971 geborene Antragsteller mit äthiopischer Staatsangehörigkeit reiste am 3. Januar 2014 nach eigenen Angaben in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 30. Januar 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Eine am 30. Januar 2014 durchgeführte Visa-Anfrage ergab keinen Treffer. Aus den Behördenakten (Bl. 25) ergibt sich, dass der Antragsteller im Besitz eines Schengenvisums für Italien war, das am 18. Juni 2013 vom Ministry for Foreign Affairs/Italienisches Konsulat in Addis Abeba für den Gültigkeitszeitraum 24. Juni 2013 bis 24. Dezember 2013 (...) ausgestellt worden war.

Am 2. April 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Aufnahmegesuch an das Bundesamt für Migration BFM in Bern mit der Bitte, den Antragsteller gemäß Art. 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin-III Verordnung zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 3. April 2014 erklärte das Bundesamt für Migration in Bern, dem Ersuchen könne nicht entsprochen werden. Einem an die italienischen Behörden gerichteten Übernahmeersuchen sei von der Republik Italien am 25. November 2013 stillschweigend zugestimmt worden. Aufgrund des Untertauchens des Antragstellers sei die Überstellungsfrist am 4. Februar 2014 auf 18 Monate verlängert worden.

Am 17. April 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin III Verordnung an Italien unter Bezugnahme auf das angeblich vom italienischen Konsulat Äthiopiens erteilte Einreisevisum und teilte dies dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom selben Tag mit. Nachdem bis zum 17. Juni 2014 keine Erklärung seitens Italiens erfolgte, ging das Bundesamt von einem Zuständigkeitsübergang auf Italien am 17. Juni 2014 und von einem Ende der Überstellungsfrist am 17. Dezember 2014 aus.

In der Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 30. April 2014 in Zirndorf erklärte der Antragsgegner, er wolle weder in die Schweiz noch nach Italien zurück. Er sei der Meinung, dass sein Fall nicht gerecht überprüft werde. Außerdem sehe er sein Leben in diesen Ländern in Gefahr (Bl. 76 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2014 wurde der Antrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und seine Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Ziffer 2). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Die für den 2. Dezember 2014 geplante Flugüberstellung des Antragstellers von München nach Rom konnte nicht durchgeführt werden, weil sich der Antragsteller am 28. November 2014 ins Kirchenasyl begab, welches er am 18. Dezember 2014 verließ.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 teilte die Ausländerbehörde dem Bundesamt mit, der Antragsteller sei bis heute nicht überstellt worden, da er sich im Kirchenasyl befinde (Bl. 126 der Behördenakte).

Daraufhin teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 22. Januar 2015 dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, die Überstellungsfrist im Dublin Verfahren sei abgelaufen. Eine Überstellung in den Dublin Mitgliedstaat sei dementsprechend nicht mehr möglich. Der Ausländerbehörde teilte das Bundesamt weiter mit, dass der Antrag in der Bundesrepublik Deutschland deswegen als Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 übersandte das Bundesamt an den Antragsteller persönlich einen Fragebogen, auf dem er angeben sollte, warum in Deutschland ein weiteres Verfahren auf Zuerkennung des internationalen Schutzes durchgeführt werden solle.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2015, der als Einschreiben am 30. Juni 2015 zur Post gegeben wurde, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2) und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls wurde die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rückübernahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 3).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylvfG ein Asylverfahren betrieben. Deswegen handele es sich bei dem Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG.

Der Antragsteller habe nicht konkret dargelegt, wie das Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen sei. Sei das Verfahren im Mitgliedstaat noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Nach Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) stellten die Mitgliedstaaten sicher, dass die Antragsprüfung eingestellt werde oder sofern die Asylbehörde den Antrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung als unbegründet ansehe, der Antrag abgelehnt werde, wenn Grund zu der Annahme bestehe, dass ein Antragsteller seinen Antrag stillschweigend zurückgenommen habe oder das Verfahren nicht weiter betreibe. Diese Voraussetzung habe mit der Ausreise des Antragstellers aus der Schweiz vorgelegen. Damit stehe fest, dass nach dem Zuständigkeitswechsel keine positive Entscheidung in der Schweiz mehr ergehen könne. Der Antragsteller habe den Zweitantrag nicht begründet. Auch habe er auf die Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen Angaben über den Ausgang des Asylverfahrens in der Schweiz zu machen und die Gründe zu nennen, die für seinen Folgeantrag infrage kämen, nicht reagiert. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, das am 9. Juli 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2015 (AN 3 K 15.30960) und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Der Kläger habe in Italien kein Asylverfahren durchgeführt. Ebenso habe die Schweiz kein Asylverfahren durchgeführt, weil die Schweiz sich auf den Standpunkt gestellt habe, dass Italien aufgrund der Visumserteilung zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens sei. Nachdem weder Italien noch die Schweiz ein materielles Asylverfahren durchgeführt hätten, habe der Antragsteller bisher keine Möglichkeit gehabt, in einem Land der Europäischen Union ein Asylverfahren durchzuführen. Bei dem vorliegenden Asylantrag handele es sich somit nicht um einen Zweitantrag, sondern um einen Erstantrag. Auch habe das Bundesamt keinerlei Ermittlungen eingeleitet oder durchgeführt. Ein Vertreter des Bundesministeriums des Inneren habe beim 15. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz in Berlin erklärt, dass in den Fällen, in denen im Erststaat kein vollständiges Asylverfahren durchgeführt worden sei, bevor die Weiterwanderung erfolgte, von der Anwendung des § 71 a AsylVfG abgesehen werde.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2015 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden-und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 71a Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2015 anzuordnen, hat Erfolg.

Die mit dem angefochtenen Bescheid erlassene und auf § 71a Abs. 4 i. V. m. § 36 AsylVfG gestützte Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist von einer Woche ist nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes allein durchzuführenden summarischen Prüfung voraussichtlich rechtswidrig. Die Einzelrichterin schließt sich der Rechtsprechung des VG Osnabrück (B. v. 24. 4.2015 - 5 B 125/15 -, juris) und des VG Lüneburg (B. v. 11. 5.2015 - 2 B 13/15, juris) vollumfänglich an.

Die Antragsgegnerin war nicht befugt, den Asylantrag des Antragstellers als Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG zu werten und zu prüfen. Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Ausgangspunkt für die Prüfung des § 71a AsylVfG ist dabei die Frage, ob überhaupt ein Zweitantrag vorliegt. Eine solche Prüfung beinhaltet auch, dass das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedstat hat (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 71a Rn. 17).

Ausgehend von diesen Vorgaben bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, so dass die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 71 a Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG angeordnet werden darf.

Nach summarischer Prüfung konnte die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen, dass der Antragsteller bereits ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat. Denn der Antragsteller hatte bisher nicht die Möglichkeit, politische Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend zu machen. Es ist nach Aktenlage auch nicht davon auszugehen, dass das Asylverfahren des Antragstellers in der Schweiz oder in Italien rechtskräftig abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2015, § 71 a AsylVfG Rn. 13,14; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 71 a AsylVfG Rn. 13).

Die Antragsgegnerin hat mit Mitteilung vom 22. Januar 2015, die Überstellfrist nach Italien sei am 17.12.2014 abgelaufen, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) Gebrauch gemacht. Damit hat sie das Verfahren des Antragstellers in dem Verfahrensstadium übernommen, in dem es sich zum damaligen Zeitpunkt befand, ist zuständig geworden und hat die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernommen, Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO. Ist ihr der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt bzw. fehlenden Kenntnisse darüber, ob überhaupt ein Verfahren einem anderen Mitgliedstaat betrieben wurde oder wird, muss sie diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen (BVerwG, B. v. 18.2.2015 - 1 B 2/15 -, juris; VG Osnabrück, B. v. 24.4.2015- 5 B 125/15 -, juris; VG Lüneburg, B. v. 11.5.2015 - 2 B 13/15, juris).

Kann die Antragsgegnerin trotz aller möglichen und zumutbaren Ermittlungen keine gesicherten Erkenntnisse über den Ausgang des Erstverfahrens erlangen, muss sie dem Antragsteller entsprechend den europarechtlichen Vorgaben die Möglichkeit einräumen, das Verfahren fortzuführen, ohne dass es als Folge- bzw. Zweitantrag behandelt wird (Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie) und Art. 18 Unterabschnitt 2 Dublin III-VO). Eine Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags als Zweitantrag kommt nur in Betracht, wenn das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangt, dass das Asyl(erst)verfahren mit einer für den Asylbewerber negativen rechtskräftigen Sachentscheidung abgeschlossen wurde. Nur dann kann sich das Bundesamt auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründe beschränken.

Aufgrund des Schengen-Visums für Italien gingen die Schweizer Behörden davon aus, dass gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 Dublin III-Verordnung die Republik Italien zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers sei. Die Schweiz beteiligt sich operativ seit 12. Dezember 2008 an den Dublin-Verfahren und gehört deshalb zu den in § 71 a Abs. 1 AsylVfG genannten Staaten. Im Rahmen des Übernahmeersuchens der Antragsgegnerin an die Schweiz wurde von den Schweizer Behörden mitgeteilt, dass die Schweiz die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO wegen des Untertauchens des Antragstellers auf 18 Monate verlängert hatte. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schweizer Behörden in eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags des Antragstellers eingetreten wären. Unklar ist insbesondere, welche Rechtsfolgen die Schweizer Rechtsordnung an eine freiwillige Ausreise des Asylantragstellers während der Klärung der Zuständigkeit des Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens nach der Dublin III-Verordnung knüpft, insbesondere, ob eine solche zu einer fiktiven Rücknahme, Erledigung oder sonstigen Verfahrenseinstellung geführt hat. Hierüber lassen sich der Behördenakte keine Aussagen entnehmen. Den Behördenakten lässt sich lediglich entnehmen, dass die Schweizer Behörden nach Stellung des Asylantrags durch den Antragsteller von ihrer Unzuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ausgingen.

Einen Asylantrag in Italien hat der Antragsteller nicht gestellt. Dementsprechend wurde dort ein Asylverfahren nicht durchgeführt.

Die durch Untätigkeit innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 22 Abs. 7, Abs. 1 Dublin III-VO (nochmals) begründete Zuständigkeit der Republik Italien führt allein - ohne dass der Antragssteller in Italien ein Asylverfahren betrieben hat - nicht dazu, dass der Antrag des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland als Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG zu beurteilen wäre.

Durch die hier erfolgte Behandlung des Asylantrags des Antragstellers als Zweitantrag verhindert das Bundesamt, dass - entgegen den europarechtlichen Vorgaben (Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie) und Art. 18 Unterabschnitt 2 Dublin III-VO) - der (Erst) Antrag umfassend geprüft und das Verfahren beendet wird. Damit verhindert das Bundesamt auch gleichzeitig entgegen seiner eigenen Argumentation, dass ein (Erst)Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird und verstößt damit nach summarischer Prüfung gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO (vgl. dazu auch EuGH, U. v. 6.6.2013 - Rs. C-648/11-, juris Rn. 65; BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13-, juris).

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Verstreichen des 17. Dezember 2014 nach Auffassung der Einzelrichterin nicht zu einem Ablaufen der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO geführt hat. Der Antragsteller hat sich im Zeitraum 28. November 2014 bis 18. Dezember 2014 ins Kirchenasyl begeben. Damit hat er sich seiner Überstellung nach Italien, die von der Ausländerbehörde bereits für den 2. Dezember 2014 organisiert war, bewusst entzogen. Wie Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin III-VO zeigt, kann sich die Überstellungsfrist in den Fällen, in welchen der Asylbegehrende „flüchtig“ ist, auf 18 Monate verlängern. Von einem solchen Fall hätte das Bundesamt vorliegend ausgehen dürfen (vgl. hierzu OVG Saarland, U. v. 13.9.2006 - 1 R 17/06 - juris; VG Saarlouis, U. v. 6.3.2015 - 3 K 832/14 - juris Rn. 45; OVG Lüneburg, U. v. 25.6.2015 - 11 LB 248/14 - juris).

Macht jedoch das Bundesamt vor Ablauf der Überstellungsfrist von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch, geht die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens im momentanen Verfahrensstadium auf die Bundesrepublik Deutschland über. Nachdem, wie oben dargelegt, nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 71 a AsylVfG ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat, handelt es sich bei summarischer Prüfung vorliegend nicht um einen Zweitantrag, sondern der Asylantrag des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland ist als Erstantrag zu behandeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 21. Juli 2015 - AN 3 S 15.30959

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g
Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 21. Juli 2015 - AN 3 S 15.30959 zitiert 4 §§.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Gründe

1

Die auch auf den Verfahrensmangel fehlerhafter Sachaufklärung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufungsentscheidung durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

2

1. Die Beklagte rügt zu Recht, das Berufungsgericht hätte die Berufung nicht mit der gegebenen Begründung zurückweisen dürfen, ohne zuvor den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufgeklärt zu haben. Zwar verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter oder - wie hier - ein Behördenvertreter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist aber dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (stRspr, etwa BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 13 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

3

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, dass bei ihr am 18. Februar 2013 zwei Eurodac-Treffer der Kategorie eins eingegangen seien. Danach habe der Kläger bereits in Italien und Finnland Asylanträge gestellt. Über eine DublinNET-Mail vom 22. September 2014 sei zwischenzeitlich aus Italien die Antwort zugegangen, dass für den Kläger eine anerkennende Entscheidung ("... was accepted in Rome on 25-9-09") ergangen sei. Damit lagen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 9. Oktober 2014 konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bereits in anderen Mitgliedstaaten Asylanträge gestellt hat und diese in einem Mitgliedstaat zu einer Anerkennung geführt haben. Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine behördliche Einstellungsverfügung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG und der von ihm offengelassenen Möglichkeit der Aufrechterhaltung einer derartigen Verfügung - sei es durch Auswechseln der Rechtsgrundlage oder Umdeutung - wegen einer möglichen Antragstellung und Anerkennung in einem anderen EU-Mitgliedstaat etwaigen tatsächlichen Zweifeln hinsichtlich des von der Beklagten mit Unterlagen belegten Vorbringens nachgehen müssen. Stattdessen ist es ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts (und auch ohne weiteres Eingehen auf den Einwand anderweitiger Asylantragstellung) davon ausgegangen (UA S. 8 f.), dass zur tatrichterlichen Überzeugung des Gerichtes nicht feststehe, dass der Kläger in Italien eine Flüchtlingsanerkennung oder einen subsidiären Schutzstatus erhalten habe, weil sich der vom Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erklärung der italienischen Behörden nicht entnehmen lasse, ob und welcher Schutzstatus dem Kläger angeblich zuerkannt worden sei. Die Aufrechterhaltung eines Bescheides unter einer anderen Rechtsgrundlage oder dessen Umdeutung komme im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht in Betracht, wenn dies - wie hier - ohne weitere und umfangreiche Ermittlungen bei italienischen Behörden, die nicht der Amtshilfe des § 14 VwGO unterlägen, nicht möglich sei.

4

Mit dieser Begründung hat das Berufungsgericht unter den hier gegebenen Umständen die sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Pflichten verkannt. Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Eine sachgerechte Handhabung dieses Grundsatzes hat zwar unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung und der Prozessökonomie zu erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <196>). Dies enthebt die Tatsachengerichte aber nicht von der Verpflichtung, hinreichend konkret dargelegten Einwänden eines Beteiligten nachzugehen und den Sachverhalt - ggf. auch unter Mitwirkung der Beteiligten - weiter aufzuklären, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1983 - 8 C 76.80 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 21). Allein der Umstand, dass der Erfolg weiterer Ermittlungsmaßnahmen hier von der Mitwirkung ausländischer Behörden abhängt, begründet für sich noch keine Unzumutbarkeit.

5

2. Liegt somit ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Berufungsentscheidung beruht, macht der beschließende Senat im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der Vorschrift des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, ohne dass es einer Entscheidung über die weiteren von der Beklagten geltend gemachten Revisionszulassungsgründe bedarf.

6

3. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat allerdings auf Folgendes hin:

7

Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht vorlagen, ist auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insoweit fehlt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht an einer tragfähigen Begründung, weshalb die Verfahrenseinstellung nicht zumindest auf die zweite Betreibensaufforderung gestützt werden könnte. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang nicht lediglich darauf gestützt, dass angesichts der erfolgreichen Eurodac-Treffer nicht auszuschließen sei, dass schon die erste Abnahme von Fingerabdrücken diese herbeigeführt habe. Ergänzend hat es - im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 17) - ausgeführt, dass eine Betreibensaufforderung einen bestimmten Anlass voraussetzt, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. In Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entwickelten Kriterien (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 29) hat es schlüssig dargelegt, dass allein eine mögliche Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke noch keinen Manipulationsverdacht rechtfertigt und die Beklagte weder bei der ersten noch bei der zweiten erkennungsdienstlichen Maßnahme etwaige auf eine Manipulation hindeutende Indizien dokumentiert habe. Damit fehlte es nach Auffassung des Berufungsgerichts auch noch bei Erlass der zweiten Betreibensaufforderung vom November 2011 an einem hinreichenden Verdacht für die Verletzung einer Mitwirkungspflicht seitens des Klägers. Unerheblich ist, dass anlässlich der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung Ende November 2011 Abschürfungen an den Fingerkuppen festgestellt und dokumentiert wurden, denn die Beklagten hat diesen Umstand nicht zum Anlass für eine (erneute) Betreibensaufforderung genommen.

8

Kann der angegriffene Bescheid nicht auf §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gestützt werden, kommt es somit in tatsächlicher Hinsicht darauf an, ob und mit welchem Ergebnis der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat. Hierzu wird das Berufungsgericht den Sachverhalt weiter aufzuklären und sodann auf dieser neuen Tatsachengrundlage der Rechtsfrage nachzugehen haben, ob der Bescheid auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten oder umgedeutet werden kann.

9

4. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Asylbewerber aus Somalia. Er wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

2

Der Kläger stellte Mitte August 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 9. September 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger und am 1. Januar 1981 in Mogadischu geboren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab, die sich später als nicht verwertbar erwiesen. Der damit betraute Mitarbeiter stellte bereits bei der Abnahme fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Veränderungen aufwiesen, die voraussichtlich zur Unverwertbarkeit der abgenommenen Fingerabdrücke führen würden. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

3

Mit Schreiben vom 9. September 2010 wies das Bundesamt den Kläger darauf hin, dass die Beschädigung der Fingerkuppen den Verdacht begründe, dass der Kläger nicht bereit sei, an der Überprüfung seiner Identität mitzuwirken. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in die Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren. Zu seinem Reiseweg und zur Frage weiterer Asylanträge machte er innerhalb der Monatsfrist keine Angaben.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nummer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nummer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nummer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), weiter hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) hinsichtlich Somalia, sowie die Aufhebung der gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Den vom Bundesamt hierzu für den 15. November 2011 anberaumten Termin nahm der Kläger - nach eigenem Vorbringen wegen Verspätung - nicht wahr, bat das Bundesamt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2011 aber um einen neuen Termin. Ein solcher wurde jedoch nicht anberaumt.

7

Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid vom 22. Oktober 2010 auf. Während des Berufungsverfahrens erfuhr das Bundesamt, dass der Kläger im Rahmen einer polizeilichen Fahndungsmaßnahme im Oktober 2012 aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass sich der Kläger schon im Oktober 2009 unter einer anderen Identität in Deutschland aufgehalten hatte und ihm im Rahmen eines Rückübernahmeersuchens Fingerabdrücke abgenommen worden waren. Zugleich führte ein Abgleich mit der Eurodac-Datenbank zu einem Treffer. Danach hatte der Kläger bereits am 18. April 2009 in Italien und am 23. Oktober 2009 sowie am 22. Februar 2010 in Schweden Asyl beantragt. Das italienische Innenministerium hatte den schwedischen Behörden in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger in Italien bereits die Flüchtlingseigenschaft ("refugee status") zuerkannt worden und das Dublin-Verfahren abgeschlossen sei.

8

Darauf erklärte der Vertreter des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen") auf. Weiter hebe er die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat in Satz 2 von Nummer 3 des Bescheides auf. Stattdessen werde dem Kläger die Abschiebung nach Italien angedroht. Daraufhin kündigte der Klägervertreter hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien die Erhebung einer Klage an, sobald ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes zugestellt worden sei. Gleichzeitig erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit das Bundesamt den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben habe. Der Beklagtenvertreter stimmte der Hauptsacheerledigungserklärung insoweit zu, als Satz 1 von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (Nummer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2010) festgestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Einstellung des Verfahrens in Nummer 1 des Bescheids sei rechtswidrig. Denn diese Rechtsfolge sehe § 32 Satz 1 AsylVfG nur für den Fall der Asylantragsrücknahme oder des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG vor. Als geeignete Reaktion auf die Anerkennung als Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat käme etwa die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie 2005) in Betracht. Eine Umdeutung der Verfahrenseinstellung in eine andere Form der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung nach § 47 VwVfG sei nicht möglich.

10

Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorlägen, habe nicht aufrechterhalten werden können, da seit Oktober 2012 bekannt sei, dass dem Kläger in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Soweit das Bundesamt in Nummer 3 seiner Verfügung die Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers aufgehoben und durch die Androhung der Abschiebung nach Italien ersetzt hat, habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dem Feststellungsbegehren des Klägers sei zu entsprechen, weil das Bundesamt seinen Bescheid in Nummer 3 durch die Androhung der Abschiebung nach Italien verändert, der Kläger aber diesen neuen Verwaltungsakt nicht im Wege einer objektiven Klageänderung in das Verfahren einbezogen habe. Vielmehr habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, Klage zu erheben, wenn hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien ein entsprechender Bescheid der Beklagten zugestellt worden sei.

11

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Diese begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Der Verwaltungsgerichtshof hätte zunächst prüfen müssen, ob das Verfahren schon vor den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt gewesen sei, weil der Kläger einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen war. In diesem Fall hätte er die Klage abweisen müssen. Das Bundesamt sei sehr wohl befugt, ein Asylverfahren auch dann ohne Sachentscheidung einzustellen, wenn sich - wie hier - herausstelle, dass der Asylbewerber bereits im Ausland als Flüchtling anerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AufenthG (n.F.) sehe ausdrücklich vor, dass das Bundesamt bei einer ausländischen Anerkennung kein (weiteres) Asylverfahren mehr durchzuführen habe. Das entspreche Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in derartigen Fällen als unzulässig behandeln könnten. Der deutsche Gesetzgeber habe für diese Konstellation zwar keine konkrete Regelung getroffen, die vorhandene Regelungslücke sei aber durch die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung in Anlehnung an § 32 AsylVfG zu schließen. Dann könne Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auch entsprechend umgedeutet werden. Eine Erledigung sei zu Nummer 3 des angefochtenen Bescheids durch die Änderung des Zielstaats der Abschiebung nicht eingetreten. Der Hinweis auf den Herkunftsstaat habe keinen Regelungscharakter, so dass der Kläger hierdurch auch nicht beschwert sei. Selbst bei Bejahung von Abschiebungsverboten bleibe die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt.

12

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 hat die Beklagte durch ergänzenden Bescheid vom 15. Mai 2014 Italien als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bestimmt (Nummer 1) und angeordnet, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Nummer 2). Der Kläger hat gegen den ergänzenden Bescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Soweit sich die Klage gegen den fehlenden Ausschluss von Somalia als Zielstaat einer Abschiebung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Oktober 2010 gerichtet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

14

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2010 bestätigt hat. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Hingegen hat die Revision überwiegend keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheids richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht eine Erledigung der Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung angenommen. Diese ist vielmehr aufrechtzuerhalten. Allerdings hat er mit Recht entschieden, dass die nachträgliche Bestimmung von Italien als Zielstaat der Abschiebung nicht in das vorliegende Verfahren einbezogen wurde. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über die Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt haben, beruht dies auf der rechtlich gebotenen nachträglichen Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Insoweit hat die Beklagte dem Anfechtungsbegehren des Klägers entsprochen und war das Verfahren einzustellen.

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

16

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt, weil die Voraussetzungen für ein Nichtbetreiben des Verfahrens vorliegen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Betreibensfrist nicht die von ihm geforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zur Frage einer Asylantragstellung im Ausland gemacht.

17

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG (a.F.) auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, hingegen noch nicht das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.), als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG (a.F.) vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG (a.F.) ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) eine Woche. Für die Beurteilung des Regelungsinhalts des vorliegenden Bescheids ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen, da eine nachträgliche Erweiterung seiner Einstellungswirkung auch auf die Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes eine echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bedeuten würde, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).

18

1.1 Das Berufungsgericht durfte von der Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht wegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen absehen. Zwar hat dieser erklärt, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auf ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen"). Die erklärte Aufhebung ging jedoch ins Leere. Denn der Ausspruch der Rücknahmefiktion des Asylantrags durch das Bundesamt hat nach der gesetzlichen Ausgestaltung in § 33 und § 32 AsylVfG keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Wirksamkeit der Rücknahme bedarf keiner Feststellung durch das Bundesamt; sie ist lediglich Vorfrage für den gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG zu treffenden feststellenden Ausspruch, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diesen hat das Bundesamt aufrechterhalten. Im Übrigen konnte das Bundesamt eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Einstellungswirkung nicht nachträglich aufheben.

19

1.2 Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG war gerechtfertigt. Sie setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben. Zu diesen gehört die Pflicht des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 19). Nach den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen bestanden hier solche berechtigten Zweifel, weil bereits bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung Gründe für die voraussichtliche Nichtverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert worden waren, ohne dass der Kläger dazu substantiiert Stellung genommen hatte.

20

1.3 Allerdings führte die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, soweit vom Kläger die Mitwirkung an der Abgabe seiner Fingerabdrücke verlangt wurde. Denn Nummer 1 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 verlangte von ihm die Abgabe "auswertbarer Fingerabdrücke" und entsprach damit nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 24 und 35). Die Aufforderung vom 26. Oktober 2011 entsprach dann zwar den gesetzlichen Vorgaben, weil sie vom Kläger lediglich verlangte, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 39). Der Kläger kam dieser zweiten Betreibensaufforderung auch nicht nach, denn er erschien zu dem vom Bundesamt anberaumten Termin zur erneuten Fingerabdrucknahme am 15. November 2011 nicht. Ein mangelndes Betreiben des Verfahrens liegt trotz dieser Säumnis aber deshalb nicht vor, weil der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. November 2011 um einen neuen Termin zur erkennungsdienstlichen Behandlung gebeten hatte. Die versäumte Mitwirkungshandlung hätte damit noch innerhalb der gesetzten Betreibensfrist nachgeholt werden können. Eine Gelegenheit hierzu hat das Bundesamt dem Kläger aber nicht mehr eingeräumt.

21

1.4 Die Einstellungswirkung des § 32 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dadurch eingetreten, dass der Kläger der selbständigen Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung nicht fristgerecht nachgekommen ist (Nummer 2 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010).

22

Der Kläger war nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verpflichtet, die vom Bundesamt angeforderten Angaben zu machen. Zu den Angaben, die von einem Asylbewerber verlangt werden können, zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 33). Die Aufforderung vom 9. September 2010, das Verfahren durch entsprechende schriftliche Angaben zu betreiben, entspricht hier auch den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 AsylVfG.

23

Der Kläger hat die geforderten schriftlichen Angaben nicht innerhalb der Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG gemacht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers dies mit Schreiben vom 2. November 2010 - nach Ablauf der Monatsfrist - nachzuholen versucht. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung ergeben sich aus dem Schreiben jedoch nicht (zur Anwendung des § 32 VwVfG auf die Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Danach soll die Versäumung der Frist auf einem beim Kläger hervorgerufenen Irrtum beruhen. Dieser habe geglaubt, seiner Verpflichtung aus der Betreibensaufforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er am 7. Oktober 2010 bei der Außenstelle des Bundesamtes erschienen sei und sich dort erneut habe Fingerabdrücke abnehmen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass er nunmehr zeitnah vom Bundesamt zu seinen Asylgründen, zu seinem Reiseweg und zur Asylantragstellung in anderen Ländern befragt werde. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine unverschuldete Fristversäumnis. Denn die Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 bezieht sich auf zwei voneinander unabhängige Handlungen: (1) die Abnahme von Fingerabdrücken und (2) die schriftliche Darlegung zum Reiseweg sowie einer möglichen Asylantragstellung. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, durch eine Mitwirkung an der Abnahme von Fingerabdrücken zugleich seiner Pflicht nachgekommen zu sein, die geforderten schriftlichen Angaben zu machen. Dass auch für die in der Betreibensaufforderung genannten schriftlichen Angaben die Monatsfrist gilt, ergibt sich aus der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Nichtbetreibens, in der sich die Monatsfrist erkennbar auf beide Mitwirkungshandlungen bezieht. Einer zusätzlichen Erwähnung der Monatsfrist in der Aufforderung zu schriftlichen Darlegungen - wie sie bei der Aufforderung zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt ist - bedurfte es angesichts der Eindeutigkeit der auf beide Mitwirkungshandlungen bezogenen Aussage zu den Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der gesetzten Frist nicht. Der Kläger konnte dies auch verstehen, da ihm der Bescheid am 9. September 2010 nicht nur in deutsch, sondern auch in einer in die Sprache Somali übersetzten Fassung überreicht wurde.

24

1.5 Ist das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG eingestellt, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Verwaltungsgerichtshof als erheblich angesehene Frage, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden kann.

25

1.6 Die Beklagte war für die erfolgte Einstellung des Verfahrens auch international zuständig. Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union besteht nicht.

26

Es kann offenbleiben, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind und das auch für Entscheidungen über die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gilt. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Doch selbst wenn diese Regelungen anwendbar sein sollten, wäre Deutschland der für die Entscheidung zuständige Mitgliedstaat geworden, ohne dass sich insoweit eine zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtende Zweifelsfrage stellt.

27

Nach der in Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) getroffenen Übergangsregelung ist die Dublin III-VO zwar erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Hier war der Antrag bereits im August 2010 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden, so dass auf ihn grundsätzlich noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1 - Dublin II-VO) anwendbar wäre. Allerdings findet die Dublin III-VO darüber hinaus auf die Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - Anwendung. Im vorliegenden Fall käme eine Zuständigkeit Italiens anstelle Deutschlands in Betracht, weil der Kläger dort bereits im April 2009 einen Asylantrag gestellt hat und ihm dort die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Art. 13 Dublin II-VO und Dublin III-VO). Eine Überstellung des Klägers nach Italien zur Prüfung des danach in Deutschland gestellten weiteren Antrags wäre nur im Wege der Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO, Art. 23 ff. Dublin III-VO) möglich. Für Gesuche auf Wiederaufnahme - sofern sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden - ist jedenfalls für das zu beachtende Verfahren die Dublin III-VO maßgeblich. Danach sind derartige Gesuche nunmehr gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von zwei bzw. drei Monaten zu stellen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 31). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verstrichen, ohne dass das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet hat. Damit ist Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des hier gestellten (neuen) Asylantrags zuständig, wenn man von der Anwendbarkeit der Dublin-Regelungen auf den vorliegenden Asylantrag ausgeht.

28

2. Der Kläger kann mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) nicht durchdringen. Dieser Anspruch wird zwar nicht schon von der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) erfasst (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). Seine Geltendmachung ist jedoch nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.

29

Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).

30

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

31

Für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach der vor dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm diese Aufhebung keinerlei Vorteile bringen kann, nachdem sein Begehren auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach dem nunmehr geltenden Recht unzulässig ist.

32

3. Auch der vom Kläger weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias ist unzulässig. Denn ihm steht kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf Somalia bereits aufgrund seiner ausländischen Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu (siehe oben Rn. 29). Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehlt dem Kläger hier das Rechtsschutzbedürfnis.

33

Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, da er aufgrund der in Italien ausgesprochenen Anerkennung als Flüchtling bereits - wie oben ausgeführt - den begehrten Abschiebungsschutz in Deutschland genießt.

34

4. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids hat sich durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Erklärungen nicht erledigt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 29) verletzt Bundesrecht.

35

Zwar hat der Kläger die Ersetzung der Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat durch eine solche nach Italien, wie sie von dem Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 14. Januar 2013 erfolgt ist, nicht im Wege der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in das vorliegende Verfahren einbezogen. Das unterliegt im Verwaltungsprozess aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als nach § 68 FGO und § 86 SGG - allein seiner Entscheidung. Eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitert daran, dass es sich beim Austausch des Zielstaats um eine weitgehende inhaltliche Änderung der Abschiebungsandrohung handelt. Das gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsbegehren des Klägers hat sich aber durch die fehlende Einbeziehung der neuen Zielstaatsbestimmung in das Verfahren nicht erledigt. Denn der Klägerbevollmächtigte hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nur insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben hat. Bei der Abschiebungsandrohung hat die Beklagte aber nur die Zielstaatsbezeichnung "in seinen Herkunftsstaat" aufgehoben, nicht die Abschiebungsandrohung als solche. Die Abschiebungsandrohung besitzt auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 a.a.O. Rn. 25). Die Erledigungserklärung geht insoweit ins Leere, denn die nicht konkretisierte Zielstaatsbestimmung "in seinen Herkunftsstaat" stellte - ebenso wie ihre Aufhebung - mangels Regelungswirkung keinen anfechtungsfähigen Verwaltungsakt dar.

36

Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung erfüllt in ihrer durch Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 erlangten Fassung die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylVfG. Allerdings war sie in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit rechtswidrig, als sie entgegen § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht Somalia als den Staat bezeichnet hat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Hierzu war die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung der italienischen Flüchtlingsanerkennung, die aufgrund der somalischen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgte, verpflichtet. Diesen rechtlichen Mangel hat die Beklagte durch nachträgliche Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf, in Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 ausgeräumt. In der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden darf, liegt nach dem Gedanken der § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine verselbständigungsfähige Teilregelung. Die Parteien haben der veränderten Sachlage durch übereinstimmende Erledigungserklärungen Rechnung getragen. Damit ist der Rechtsstreit in Bezug auf diese Teilregelung der Abschiebungsandrohung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorangegangenen Entscheidungen hierzu werden entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos erklärt. Im Übrigen war die Klage gegen die Abschiebungsandrohung abzuweisen.

37

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit streitig entschieden wurde, aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Unterliegens des Klägers bei der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG sowie bei dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz erschien dem Senat - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu tragenden Kosten des eingestellten Verfahrensteils - eine Kostenverteilung sachgerecht, wonach der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und begehrt seine Einbürgerung. Er reiste im Dezember 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der durch Bescheid des Bundesamtes vom 4.10.1994 unter Bestimmung einer Ausreisefrist und Androhung der Abschiebung abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Klage wurde durch das Verwaltungsgericht des Saarlandes abgewiesen. Das Urteil erlangte am 30.6.1998 Rechtskraft. Die dem Kläger mit Rücksicht auf sein Asylverfahren erteilte Aufenthaltsgestattung war zuletzt im Mai 1998 bis zum 3.11.1998 verlängert worden. Danach wurden dem Kläger Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999.

Mit Schriftsatz vom 19.11.1998, eingegangen beim Bundesamt am 20.11.1998, stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Durch Bescheid vom 25.11.1998 wurde die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger Klage. Am 4.3.1999 erklärte der Beklagte sein Einverständnis mit der Abschiebung des Klägers. Der Versuch, den Kläger am 17.3.1999 abzuschieben, war erfolglos, da dieser nicht angetroffen wurde. Nach dem 1.7.1999 befand sich der Kläger im Kirchenasyl. Sein Eilrechtsschutzbegehren auf Aussetzen aufenthaltsbeendender Maßnahmen wurde durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.12.1999 -5 F 103/99.A- zurückgewiesen. Am 16.1.2001 beantragte er die Erteilung einer Duldung im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand. Diesbezüglich waren im Falle seiner Vorsprache beim zuständigen Landesamt die amtsärztliche Untersuchung und die Erteilung einer Duldung bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses vorgesehen. Ein späterer Antrag auf Abänderung der gerichtlichen Entscheidung im Eilrechtsschutzverfahren blieb erfolglos, Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.5.2001 -5 F 39/01-. Mit Schreiben vom 11.6.2001 teilte der Beklagte dem Petitionsausschuss des Landtags, an den sich der Kläger wegen der Gewährung eines Bleiberechts gewandt hatte, mit, seine Ausreisepflicht sei weiterhin vollziehbar.

Durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Am 30.11.2001 wurde ihm bis zum 28.2.2002 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens erteilt. Als Datum der Antragstellung ist vermerkt: 23.11.1998 (Folgeantrag). Am 20.12.2001 erlangte das Urteil Rechtskraft. Mit Bescheid vom 11.1.2002 wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Zum 15.12.2001 hatte er sich mit Wohnung in A-Stadt angemeldet. Auf seinen Antrag vom 21.1.2002 wurde ihm am 14.3.2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die im April 2006 in eine Niederlassungserlaubnis umgeschrieben wurde. Er ist im Besitz eines Reiseausweises für Flüchtlinge.

Unter dem 28.3.2002 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Dies wurde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 9.10.2003 abgelehnt, da er die Voraussetzung eines achtjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalts nicht erfülle, weil die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens unberücksichtigt bleiben müsse.

Auf den am 14.10.2003 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger am Montag, 17.11.2003, Klage erhoben. Er hat vorgetragen, sein Aufenthalt im Kirchenasyl über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren sei sowohl der Ausländerbehörde als auch dem Beklagten bekannt gewesen. Eine Abschiebung sei seinerzeit nicht vorgenommen worden, weil der Aufenthalt im Kirchenasyl respektiert worden sei. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG sei die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens einzubeziehen. Beim Asylfolgeantrag handele es sich rechtlich um einen Wiederaufgreifensantrag im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG und wegen seiner Asylanerkennung um eine Korrektur der früheren Entscheidung. Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens, das letztlich positiv beschieden worden sei, würden als Voraussetzung für die Ausübung von Rechten bzw. Vergünstigungen anerkannt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, ihn einzubürgern.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, nach Sinn und Zweck der Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG könnten Gestattungszeiträume im Verlauf von unanfechtbar erfolglos ausgegangenen Asyl- oder Asylfolgeverfahren nicht angerechnet werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9.11.2004 -12 K 229/03- abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf seine Einbürgerung, weil er nicht seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Die Aufenthaltsgestattung des ersten Asylverfahrens könne nicht berücksichtigt werden, denn sie sei mit der Rechtskraft des abweisenden Urteils erloschen. Zeiten einer Aufenthaltsgestattung könnten nur angerechnet werden, wenn der Ausländer in dem jeweiligen Asylverfahren, für das ihm eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden sei, unanfechtbar anerkannt worden sei. Eine Einbürgerung im Ermessenswege wegen eines sechsjährigen rechtmäßigen Aufenthalts scheitere daran, dass es auch an einem rechtmäßigen Aufenthalt von sechs Jahren mangele. Der Asylfolgeantrag habe eine Aufenthaltsgestattung noch nicht entstehen lassen. Da die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt worden sei, habe dem Kläger keine Aufenthaltsgestattung zugestanden. Aus der nachfolgenden gerichtlichen Anerkennung als Asylberechtigter könne nicht geschlossen werden, dass ihm rückwirkend für die Dauer des gesamten Asylfolgeverfahrens eine Aufenthaltsgestattung zukomme, da die Aufenthaltsgestattung bei Folgeanträgen erst dann gegeben sei, wenn festgestellt sei, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Aus den Gründen des die Asylberechtigung anerkennenden Urteils ergebe sich, dass der Erfolg der Klage und damit auch die stillschweigende Bejahung der Voraussetzungen des Wiederaufgreifens maßgeblich auf nach der letzten gerichtlichen Eilrechtsschutzentscheidung vom 8.5.2001 eingetretene Umstände gestützt würden. Die Begünstigung des erfolgreichen Asylerstantragstellers gegenüber dem Folgeantragsteller beruhe auf der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung des Aufenthaltsrechts.

Das Urteil ist dem Kläger am 29.11.2004 zugestellt worden. Seinem am 29.12.2004 gestellten und am 27.1.2005 begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 3.2.2006 -1 Q 1/06- entsprochen. Am 3.3.2006 hat der Kläger die Berufung begründet.

Der Kläger trägt vor, die Zeit des ersten Asylverfahrens sei einzubeziehen, da das Folgeverfahren als Wiederaufgreifensverfahren die frühere Entscheidung abändere. Die Zeit des Asylfolgeverfahrens sei zu berücksichtigen, weil das Verwaltungsgericht im die Asylberechtigung anerkennenden Urteil den Bescheid, dass ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt werde, aufgehoben und die Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens bejaht habe. Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass sein Aufenthalt seit Stellung des Asylfolgeantrags gestattet gewesen sei. Maßgeblich sei allein, dass der Bescheid des Bundesamts aufgehoben worden sei. Der Aufenthalt im Kirchenasyl sei nicht dem Fall des Untertauchens vergleichbar. Es gebe eine Absprache zwischen dem Beklagten und der betroffenen Kirche, wie in Fällen von Kirchenasyl verfahren werden solle.

Der Kläger beantragt,

unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.11.2004 -12 K 229/03- den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, den Kläger einzubürgern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt unter Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vor, dass allenfalls dann die Aufenthaltsgestattung auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrags zurückwirken könne, wenn der Asylgrund vor oder bei Stellung des Folgeantrags vorgelegen habe. Zudem entstehe die funktionell auf die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens begrenzte Aufenthaltsgestattung erst mit der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben seien. Dadurch dass das Verwaltungsgericht erst mit Urteil vom 20.11.2001 die diesbezüglichen Voraussetzungen bejaht habe, sei der Aufenthalt des Klägers erst danach gestattet gewesen.

Durch Beschluss vom 9.6.2006 hat der Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe versagt, da nach den mit dem Prozesskostenhilfegesuch vom 21.2.2006 dargelegten Einkommensverhältnissen der einbürgerungsrechtlich zu fordernde Nachweis, dass der Kläger imstande sei, sich und seine Angehörigen zu ernähren, nicht erbracht sei. Darauf hat der Kläger aktuelle Einkommensnachweise vorgelegt, die der Beklagte als ausreichend zum Nachweis der Unterhaltssicherung ansieht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger kommt weder ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG noch nach § 8 StAG zu.

Der vom Kläger geltend gemachte unmittelbare Anspruch auf Einbürgerung, der seit dem 1.1.2005 in § 10 Abs. 1 S. 1 StAG geregelt ist und - soweit hier relevant - keine Änderung zu dem bis dahin geltenden § 85 AuslG erfahren hat, scheitert daran, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem notwendigen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet fehlt.

Die Dauer eines achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts würde nur erreicht, wenn die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens in die Berechnung mit einzubeziehen wäre. Das sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG, der inhaltlich, soweit hier relevant, durch die Neufassung ab 1.1.2005 keine Änderung erfahren hat, wird - soweit der Erwerb eines Rechtes oder die Ausübung eines Rechtes oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist - die Zeit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Da das erste Asylverfahren des Klägers mit der unanfechtbaren Ablehnung der Asylberechtigung endete, ist die Zeit seines Aufenthalts, während der das erste Asylverfahren durchgeführt wurde, im Rahmen des § 10 Abs. 1 StAG nicht berücksichtigungsfähig

entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.

Daran ändert nichts, dass der Kläger auf seinen am 20.11.1998 eingegangenen Asylfolgeantrag durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- als Asylberechtigter anerkannt wurde. Dies führt nicht dazu, dass die Zeit des ersten erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens rechtlich anders zu bewerten wäre. Mit der unanfechtbaren Ablehnung des ersten Asylgesuchs ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Ein Wiederaufleben im Sinne einer Anrechnungsfähigkeit bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Falle einer späteren Asylanerkennung ist in § 55 Abs. 3 AsylVfG nicht vorgesehen und entspricht nicht der aufenthaltsrechtlich unterschiedlichen Ausgestaltung des asylrechtlichen Erst- und Folgeverfahrens.

Allein der Zeitraum ab Stellung des Asylfolgeantrags am 20.11.1998 umfasst bis zur mündlichen Verhandlung keine acht Jahre, so dass, selbst wenn diese Zeit einbezogen würde, die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG nicht erfüllt ist.

Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 Abs. 1 StAG (bis 31.12.2004 § 8 RuStAG) in Verbindung mit den vorläufigen Anwendungshinweisen des Beklagten vom 20.1.2005.

Nach § 8 Abs. 1 StAG, kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und die unter Satz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt, eingebürgert werden.

Grundsätzlich wird in den im Rahmen seiner Ermessensbetätigung vom Beklagten zu berücksichtigenden vorläufigen Anwendungshinweisen vom 20.1.1005, die weitgehend den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern vom 13.12.2004 und, soweit im konkreten Fall relevant, den landeseigenen

so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,

Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13.12.2000 (VwV-StAR)

abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,

entsprechen, auch für die Einbürgerung im Ermessenswege ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt von acht Jahren gefordert.

Bei staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen, zu denen der Kläger als politisch Verfolgter zählt, wird abweichend hiervon in den vorläufigen Anwendungshinweisen eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren als ausreichend angesehen (Nr. 8.1.3.1 VwV-StAR). Diese Begünstigung kommt dem Kläger allerdings derzeit noch nicht zugute, da die Dauer seines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch unterhalb der Sechsjahresgrenze liegt.

Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte das durch § 8 StAG vorgegebene Tatbestandsmerkmal des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts inhaltlich genauso auslegt, wie im Rahmen der Anwendung der insoweit wortgleichen Formulierung des § 10 StAG und daher - wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont hat - die diesbezüglich von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als maßgeblich erachtet. Ein Grund, der insoweit eine differenzierte, den Einbürgerungsbewerber begünstigende Handhabung gebieten würde, ist auch im Falle eines staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen nicht ersichtlich. Die Praxis des Beklagten, insoweit inhaltsgleiche Anforderungen zu stellen, entspricht zudem den Vorgaben der vorläufigen Anwendungshinweise (zu Nr. 4 3.1), die eine zusätzliche Begünstigung schutzbedürftiger Einbürgerungsbewerber ebenfalls nicht vorsehen.

Davon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein durch § 8 Abs. 1 StAG eröffnetes Ermessen in ständiger Praxis dahingehend betätigt, dass er einen mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland fordert. Zu Recht nimmt der Beklagte an, das der Kläger einen diesen Kriterien genügenden Aufenthalt nicht nachweisen kann.

Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland - sofern nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen - nur, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den dauernden Aufenthalt beziehen, ihn "abdecken". Wegen der an den rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfenden Integrationsvermutung muss nicht die bloße Anwesenheit, sondern ein etwaiger Daueraufenthalt des Ausländers in Deutschland rechtmäßig sein

so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.

Tatsächlich wurden dem Kläger nach dem erfolglosen Abschluss seines ersten Asylverfahrens nur anfangs Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999, und bereitete die zuständige Ausländerbehörde seine Abschiebung vor. Wegen der negativen Bescheidung des Asylfolgeantrags durch das Bundesamt war sein Aufenthalt auch nicht asylverfahrensrechtlich gestattet; ein besonderer Befreiungstatbestand war nicht gegeben und dieser entstand auch nicht rückwirkend mit dem stattgebenden Urteil im Asylfolgeverfahren.

Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG, die die Berücksichtigungsfähigkeit der Zeit des während eines Asylverfahrens erfolgten Aufenthalts bei der Berechnung der Dauer des im Einbürgerungsverfahren nachzuweisenden rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts gesetzlich regelt, findet auf den Aufenthalt während eines Asylfolgeverfahrens, dessen Durchführung das Bundesamt, wie vorliegend, abgelehnt hat, unmittelbar keine Anwendung.

Wenn der Ausländer, wie hier, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, entsteht die gesetzliche Aufenthaltsgestattung, nach der einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG), nicht schon bei Stellung des Asylfolgeantrags, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung vorliegt, aus der sich ergibt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Denn im Falle eines Asylfolgeantrags findet gemäß § 71 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren nur statt, wenn das Bundesamt die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG bejaht

so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.

Im konkreten Fall hat das Bundesamt das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit Bescheid vom 25.11.1998 verneint. Eine entsprechende positive Entscheidung liegt frühestens mit dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 vor. Mit dessen Unanfechtbarkeit galt dann der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet nach der damals maßgeblichen Bestimmung des § 68 Abs. 1 S. 2 AsylVfG bis zur Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als erlaubt (vgl. nun: § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG).

Lehnt das Bundesamt die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens ab und wird der Ausländer im gerichtlichen Verfahren - wie der Kläger - als asylberechtigt anerkannt, begründet die Asylanerkennung nicht unmittelbar rückwirkend, etwa auf den Zeitpunkt der Folgeantragstellung, die Aufenthaltsgestattung. Allgemein entspricht es dem Verwaltungsrecht und insbesondere dem Ausländer- und Asylrecht, dass ohne besondere gesetzliche Anordnung eine auf behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung beruhende Vergünstigung Wirksamkeit erst mit der diesbezüglichen Entscheidung erlangt. Da eine rückwirkende Wirksamkeit der Aufenthaltsgestattung wesentlich in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreift, erfordert die Annahme einer Rückwirkung einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, der den asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht entnommen werden kann. Der Gesetzgeber hat für das Asylfolgeverfahren nur unter besonderen Voraussetzungen das Entstehen einer Aufenthaltsgestattung vorgesehen und deren Wirksamkeit an eine Entscheidung mit Außenwirkung geknüpft. Diese formale Betrachtungsweise dient der Klarheit der Verhältnisse und lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dem Ausländer im Asylfolgeverfahren die Privilegierung des wegen des Asylverfahrens erlaubten Aufenthalts und die darauf beruhende Aufenthaltsgestattung vorzuenthalten, bis eine für ihn günstige Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergangen ist.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation zu einer ausdrücklichen Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in isolierter Form üblicherweise nicht mehr kommt. Denn auf Behördenebene hat das Bundesamt ausdrücklich die Voraussetzungen für ein Folgeverfahren verneint. Selbst in den Fällen, in denen nachträglich aufgrund neuer Tatsachen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG entstehen, entspricht es der Praxis, dass das Bundesamt keine neue Entscheidung dazu trifft, wenn es das Asylbegehren aus sonstigen Gründen für erfolglos erachtet. Auf Gerichtsebene wiederum hat das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,

durchzuentscheiden und sogleich über den Anspruch auf Asylgewährung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen zu befinden. Ob und konkret hinsichtlich welcher Umstände die Voraussetzungen eines Folgeverfahrens

vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),

vorliegen, ist hierbei nur inzident von Bedeutung und findet in der Tenorierung keinen Ausdruck. Vor diesem Hintergrund beruht das verschiedentlich festzustellende Bestreben, der Aufenthaltsgestattung bei gerichtlicher Anerkennung der Asylberechtigung rückwirkende Wirksamkeit für die Dauer des Folgeverfahrens beizumessen

in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,

auf der Vorstellung, es gebe keinen sachlichen Grund, dem erfolgreichen Asylfolgeantragsteller, dem eine positive Entscheidung des Bundesamtes zu den Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG versagt geblieben ist, die Vergünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG vorzuenthalten.

Ob diese Erwägung es rechtfertigt, den § 55 Abs. 3 AsylVfG im Falle des mit einer Asylanerkennung endenden Folgeverfahrens auf behördlich geduldete Asylfolgebewerber entsprechend anzuwenden, kann unter den konkreten Gegebenheiten der vorliegenden Fallkonstellation offen bleiben.

Der Fall des Klägers zeichnet sich dadurch aus, dass er während seines Folgeverfahrens - abgesehen von den ersten viereinhalb Monaten - über keine behördliche Duldung verfügte und sich der beabsichtigten zwangsweisen Vollziehung seiner Ausreisepflicht zunächst durch Untertauchen und später durch Zuflucht ins Kirchenasyl entzog. Jedenfalls hinsichtlich derartiger Aufenthaltszeiten ist eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 3 AuslG ausgeschlossen. Diese Zeiten können auch mit Blick auf die spätere Asylanerkennung nicht nachträglich als Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts gewürdigt werden. Auch die oben zitierten Stimmen in der Literatur erörtern eine solche Fallgestaltung nicht.

Mit dem Ablauf der Duldung und seinem Untertauchen, um sich der Abschiebung zu entziehen, hielt der Kläger sich illegal im Inland auf. Dass der Beklagte den klägerischen Aufenthalt im Kirchenasyl respektierte und davon absah, seiner in der Obhut der Kirche habhaft zu werden, begründet nicht die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Aufenthalts in dieser Zeit im Inland, so dass

entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."

der Kläger sich von April 1999 bis Ende 2001 nur rein tatsächlich - ohne gesetzliche oder behördliche Erlaubnis - im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Dem letztlich erfolgreichen, sich aber während des Folgeverfahrens illegal im Inland aufhaltenden Asylfolgeantragsteller, wie dem Kläger, die Begünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG losgelöst von jedwedem behördlich gestattetem Aufenthalt im Inland zu gewähren, widerspricht der staatlichen Ordnung. Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben des Ausländer- und Asylrechts würde der sich illegal hier aufhaltende Ausländer hinsichtlich der Bewertung abgeschlossener Lebenssachverhalte dem gesetzestreuen Ausländer gleichgestellt. Das ist mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG, dem sich gesetzeskonform verhaltenden Asylbewerber die Dauer seines Asylverfahrens im Falle der Anerkennung zu seinen Gunsten anzurechnen, nicht vereinbar.

Der Kläger hat wegen seines illegalen Aufenthalts somit keine rechtmäßige Aufenthaltszeit von sechs Jahren aufzuweisen und damit keinen aus § 8 Abs. 1 StAG in Verbindung mit den Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsgesetz herleitbaren Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege.

Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung nach Ermessen und als Schutzbedürftiger nach den Anwendungshinweisen scheitert des Weiteren daran, dass der Kläger keinen gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Jahren im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes aufweisen kann. In der Zeit, in der er sich der Abschiebung durch Untertauchen und seinen Aufenthalt im Kirchenasyl entzogen hat, hatte er keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im Sinne des Staatsangehörigkeitsrechts, was von der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu trennen ist

so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.

Nicht an jeden tatsächlichen Aufenthalt im Inland knüpft das Staatsangehörigkeitsrecht den Ausländer begünstigende Rechtsfolgen, sonst wäre das Merkmal "gewöhnlich" neben der Fristangabe überflüssig

so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".

Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat ein Ausländer nur dann, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat. Ausreichend ist, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden davon auszugehen ist, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet verbleibt. Den Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts, die einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen begründen, liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass aus der Erfüllung eines langjährigen gewöhnlichen Aufenthalts generell auf das Vorhandensein einer Integration in die deutschen Lebensverhältnisse geschlossen werden kann

so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.

Entzieht sich demgegenüber der Ausländer durch Untertauchen und Kirchenasyl der Ordnung des Staates hält er sich zwar im Inland auf. Allein dies begründet jedoch nicht einen gewöhnlichen, auf Integration in die deutschen Lebensverhältnisse angelegten Aufenthalt, der einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen rechtfertigt. Indem der Kläger sich seiner beabsichtigten Abschiebung entzog und Zuflucht im Kirchenasyl fand, stellte er sich bewusst außerhalb der allgemeinen, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründenden Lebensverhältnisse. Diese Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts stellt daher keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes dar.

Soweit § 8 Abs. 1 StAG als Tatbestandsvoraussetzung, um das weite Ermessen auf Behördenseite zu eröffnen, lediglich einen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt und ein zeitlicher Mindestumfang insoweit nicht gefordert ist und daher von Gesetzes wegen eine Einbürgerung in besonderen Konstellationen auch ohne Erfüllung der Sechsjahresfrist nicht ausgeschlossen ist, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Seine Ermessenserwägungen belegen, dass er die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt hat. Er erkennt an, dass der Kläger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nachhaltig und auf Dauer aus eigenen Mitteln zu sichern. Des Weiteren hat er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung - wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - berücksichtigt, dass der Kläger im Grunde gut in die hiesigen Verhältnisse integriert ist. Dies genüge indes nicht, die noch nicht erfüllte Zeit eines mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland zu kompensieren. Dies ist angesichts der gemäß § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen nicht zu beanstanden. Danach hat der Beklagte die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt und erkannt, dass er den Kläger einbürgern könnte, dies aber wegen des illegalen Aufenthalts im Kirchenasyl abgelehnt. Eine dem entgegenstehende Verpflichtung des Beklagten, nach der allein die Entscheidung, wegen der nachfolgenden Asylanerkennung den illegalen Aufenthalt im Kirchenasyl zugunsten des Klägers zu werten, ermessensgerecht wäre, besteht nicht. Die Ermessensbetätigung des Beklagten ist somit nicht fehlerhaft.

Danach hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend Nr. 42.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2005, 1525 = NVwZ 2004, 1327) auf den doppelten Auffangwert und damit auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52, 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des am 1.7.2004 in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 -BGBl. I, S. 718).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger kommt weder ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG noch nach § 8 StAG zu.

Der vom Kläger geltend gemachte unmittelbare Anspruch auf Einbürgerung, der seit dem 1.1.2005 in § 10 Abs. 1 S. 1 StAG geregelt ist und - soweit hier relevant - keine Änderung zu dem bis dahin geltenden § 85 AuslG erfahren hat, scheitert daran, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem notwendigen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet fehlt.

Die Dauer eines achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts würde nur erreicht, wenn die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens in die Berechnung mit einzubeziehen wäre. Das sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG, der inhaltlich, soweit hier relevant, durch die Neufassung ab 1.1.2005 keine Änderung erfahren hat, wird - soweit der Erwerb eines Rechtes oder die Ausübung eines Rechtes oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist - die Zeit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Da das erste Asylverfahren des Klägers mit der unanfechtbaren Ablehnung der Asylberechtigung endete, ist die Zeit seines Aufenthalts, während der das erste Asylverfahren durchgeführt wurde, im Rahmen des § 10 Abs. 1 StAG nicht berücksichtigungsfähig

entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.

Daran ändert nichts, dass der Kläger auf seinen am 20.11.1998 eingegangenen Asylfolgeantrag durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- als Asylberechtigter anerkannt wurde. Dies führt nicht dazu, dass die Zeit des ersten erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens rechtlich anders zu bewerten wäre. Mit der unanfechtbaren Ablehnung des ersten Asylgesuchs ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Ein Wiederaufleben im Sinne einer Anrechnungsfähigkeit bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Falle einer späteren Asylanerkennung ist in § 55 Abs. 3 AsylVfG nicht vorgesehen und entspricht nicht der aufenthaltsrechtlich unterschiedlichen Ausgestaltung des asylrechtlichen Erst- und Folgeverfahrens.

Allein der Zeitraum ab Stellung des Asylfolgeantrags am 20.11.1998 umfasst bis zur mündlichen Verhandlung keine acht Jahre, so dass, selbst wenn diese Zeit einbezogen würde, die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG nicht erfüllt ist.

Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 Abs. 1 StAG (bis 31.12.2004 § 8 RuStAG) in Verbindung mit den vorläufigen Anwendungshinweisen des Beklagten vom 20.1.2005.

Nach § 8 Abs. 1 StAG, kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und die unter Satz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt, eingebürgert werden.

Grundsätzlich wird in den im Rahmen seiner Ermessensbetätigung vom Beklagten zu berücksichtigenden vorläufigen Anwendungshinweisen vom 20.1.1005, die weitgehend den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern vom 13.12.2004 und, soweit im konkreten Fall relevant, den landeseigenen

so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,

Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13.12.2000 (VwV-StAR)

abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,

entsprechen, auch für die Einbürgerung im Ermessenswege ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt von acht Jahren gefordert.

Bei staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen, zu denen der Kläger als politisch Verfolgter zählt, wird abweichend hiervon in den vorläufigen Anwendungshinweisen eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren als ausreichend angesehen (Nr. 8.1.3.1 VwV-StAR). Diese Begünstigung kommt dem Kläger allerdings derzeit noch nicht zugute, da die Dauer seines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch unterhalb der Sechsjahresgrenze liegt.

Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte das durch § 8 StAG vorgegebene Tatbestandsmerkmal des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts inhaltlich genauso auslegt, wie im Rahmen der Anwendung der insoweit wortgleichen Formulierung des § 10 StAG und daher - wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont hat - die diesbezüglich von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als maßgeblich erachtet. Ein Grund, der insoweit eine differenzierte, den Einbürgerungsbewerber begünstigende Handhabung gebieten würde, ist auch im Falle eines staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen nicht ersichtlich. Die Praxis des Beklagten, insoweit inhaltsgleiche Anforderungen zu stellen, entspricht zudem den Vorgaben der vorläufigen Anwendungshinweise (zu Nr. 4 3.1), die eine zusätzliche Begünstigung schutzbedürftiger Einbürgerungsbewerber ebenfalls nicht vorsehen.

Davon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein durch § 8 Abs. 1 StAG eröffnetes Ermessen in ständiger Praxis dahingehend betätigt, dass er einen mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland fordert. Zu Recht nimmt der Beklagte an, das der Kläger einen diesen Kriterien genügenden Aufenthalt nicht nachweisen kann.

Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland - sofern nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen - nur, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den dauernden Aufenthalt beziehen, ihn "abdecken". Wegen der an den rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfenden Integrationsvermutung muss nicht die bloße Anwesenheit, sondern ein etwaiger Daueraufenthalt des Ausländers in Deutschland rechtmäßig sein

so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.

Tatsächlich wurden dem Kläger nach dem erfolglosen Abschluss seines ersten Asylverfahrens nur anfangs Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999, und bereitete die zuständige Ausländerbehörde seine Abschiebung vor. Wegen der negativen Bescheidung des Asylfolgeantrags durch das Bundesamt war sein Aufenthalt auch nicht asylverfahrensrechtlich gestattet; ein besonderer Befreiungstatbestand war nicht gegeben und dieser entstand auch nicht rückwirkend mit dem stattgebenden Urteil im Asylfolgeverfahren.

Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG, die die Berücksichtigungsfähigkeit der Zeit des während eines Asylverfahrens erfolgten Aufenthalts bei der Berechnung der Dauer des im Einbürgerungsverfahren nachzuweisenden rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts gesetzlich regelt, findet auf den Aufenthalt während eines Asylfolgeverfahrens, dessen Durchführung das Bundesamt, wie vorliegend, abgelehnt hat, unmittelbar keine Anwendung.

Wenn der Ausländer, wie hier, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, entsteht die gesetzliche Aufenthaltsgestattung, nach der einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG), nicht schon bei Stellung des Asylfolgeantrags, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung vorliegt, aus der sich ergibt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Denn im Falle eines Asylfolgeantrags findet gemäß § 71 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren nur statt, wenn das Bundesamt die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG bejaht

so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.

Im konkreten Fall hat das Bundesamt das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit Bescheid vom 25.11.1998 verneint. Eine entsprechende positive Entscheidung liegt frühestens mit dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 vor. Mit dessen Unanfechtbarkeit galt dann der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet nach der damals maßgeblichen Bestimmung des § 68 Abs. 1 S. 2 AsylVfG bis zur Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als erlaubt (vgl. nun: § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG).

Lehnt das Bundesamt die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens ab und wird der Ausländer im gerichtlichen Verfahren - wie der Kläger - als asylberechtigt anerkannt, begründet die Asylanerkennung nicht unmittelbar rückwirkend, etwa auf den Zeitpunkt der Folgeantragstellung, die Aufenthaltsgestattung. Allgemein entspricht es dem Verwaltungsrecht und insbesondere dem Ausländer- und Asylrecht, dass ohne besondere gesetzliche Anordnung eine auf behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung beruhende Vergünstigung Wirksamkeit erst mit der diesbezüglichen Entscheidung erlangt. Da eine rückwirkende Wirksamkeit der Aufenthaltsgestattung wesentlich in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreift, erfordert die Annahme einer Rückwirkung einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, der den asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht entnommen werden kann. Der Gesetzgeber hat für das Asylfolgeverfahren nur unter besonderen Voraussetzungen das Entstehen einer Aufenthaltsgestattung vorgesehen und deren Wirksamkeit an eine Entscheidung mit Außenwirkung geknüpft. Diese formale Betrachtungsweise dient der Klarheit der Verhältnisse und lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dem Ausländer im Asylfolgeverfahren die Privilegierung des wegen des Asylverfahrens erlaubten Aufenthalts und die darauf beruhende Aufenthaltsgestattung vorzuenthalten, bis eine für ihn günstige Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergangen ist.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation zu einer ausdrücklichen Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in isolierter Form üblicherweise nicht mehr kommt. Denn auf Behördenebene hat das Bundesamt ausdrücklich die Voraussetzungen für ein Folgeverfahren verneint. Selbst in den Fällen, in denen nachträglich aufgrund neuer Tatsachen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG entstehen, entspricht es der Praxis, dass das Bundesamt keine neue Entscheidung dazu trifft, wenn es das Asylbegehren aus sonstigen Gründen für erfolglos erachtet. Auf Gerichtsebene wiederum hat das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,

durchzuentscheiden und sogleich über den Anspruch auf Asylgewährung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen zu befinden. Ob und konkret hinsichtlich welcher Umstände die Voraussetzungen eines Folgeverfahrens

vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),

vorliegen, ist hierbei nur inzident von Bedeutung und findet in der Tenorierung keinen Ausdruck. Vor diesem Hintergrund beruht das verschiedentlich festzustellende Bestreben, der Aufenthaltsgestattung bei gerichtlicher Anerkennung der Asylberechtigung rückwirkende Wirksamkeit für die Dauer des Folgeverfahrens beizumessen

in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,

auf der Vorstellung, es gebe keinen sachlichen Grund, dem erfolgreichen Asylfolgeantragsteller, dem eine positive Entscheidung des Bundesamtes zu den Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG versagt geblieben ist, die Vergünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG vorzuenthalten.

Ob diese Erwägung es rechtfertigt, den § 55 Abs. 3 AsylVfG im Falle des mit einer Asylanerkennung endenden Folgeverfahrens auf behördlich geduldete Asylfolgebewerber entsprechend anzuwenden, kann unter den konkreten Gegebenheiten der vorliegenden Fallkonstellation offen bleiben.

Der Fall des Klägers zeichnet sich dadurch aus, dass er während seines Folgeverfahrens - abgesehen von den ersten viereinhalb Monaten - über keine behördliche Duldung verfügte und sich der beabsichtigten zwangsweisen Vollziehung seiner Ausreisepflicht zunächst durch Untertauchen und später durch Zuflucht ins Kirchenasyl entzog. Jedenfalls hinsichtlich derartiger Aufenthaltszeiten ist eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 3 AuslG ausgeschlossen. Diese Zeiten können auch mit Blick auf die spätere Asylanerkennung nicht nachträglich als Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts gewürdigt werden. Auch die oben zitierten Stimmen in der Literatur erörtern eine solche Fallgestaltung nicht.

Mit dem Ablauf der Duldung und seinem Untertauchen, um sich der Abschiebung zu entziehen, hielt der Kläger sich illegal im Inland auf. Dass der Beklagte den klägerischen Aufenthalt im Kirchenasyl respektierte und davon absah, seiner in der Obhut der Kirche habhaft zu werden, begründet nicht die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Aufenthalts in dieser Zeit im Inland, so dass

entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."

der Kläger sich von April 1999 bis Ende 2001 nur rein tatsächlich - ohne gesetzliche oder behördliche Erlaubnis - im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Dem letztlich erfolgreichen, sich aber während des Folgeverfahrens illegal im Inland aufhaltenden Asylfolgeantragsteller, wie dem Kläger, die Begünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG losgelöst von jedwedem behördlich gestattetem Aufenthalt im Inland zu gewähren, widerspricht der staatlichen Ordnung. Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben des Ausländer- und Asylrechts würde der sich illegal hier aufhaltende Ausländer hinsichtlich der Bewertung abgeschlossener Lebenssachverhalte dem gesetzestreuen Ausländer gleichgestellt. Das ist mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG, dem sich gesetzeskonform verhaltenden Asylbewerber die Dauer seines Asylverfahrens im Falle der Anerkennung zu seinen Gunsten anzurechnen, nicht vereinbar.

Der Kläger hat wegen seines illegalen Aufenthalts somit keine rechtmäßige Aufenthaltszeit von sechs Jahren aufzuweisen und damit keinen aus § 8 Abs. 1 StAG in Verbindung mit den Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsgesetz herleitbaren Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege.

Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung nach Ermessen und als Schutzbedürftiger nach den Anwendungshinweisen scheitert des Weiteren daran, dass der Kläger keinen gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Jahren im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes aufweisen kann. In der Zeit, in der er sich der Abschiebung durch Untertauchen und seinen Aufenthalt im Kirchenasyl entzogen hat, hatte er keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im Sinne des Staatsangehörigkeitsrechts, was von der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu trennen ist

so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.

Nicht an jeden tatsächlichen Aufenthalt im Inland knüpft das Staatsangehörigkeitsrecht den Ausländer begünstigende Rechtsfolgen, sonst wäre das Merkmal "gewöhnlich" neben der Fristangabe überflüssig

so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".

Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat ein Ausländer nur dann, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat. Ausreichend ist, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden davon auszugehen ist, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet verbleibt. Den Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts, die einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen begründen, liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass aus der Erfüllung eines langjährigen gewöhnlichen Aufenthalts generell auf das Vorhandensein einer Integration in die deutschen Lebensverhältnisse geschlossen werden kann

so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.

Entzieht sich demgegenüber der Ausländer durch Untertauchen und Kirchenasyl der Ordnung des Staates hält er sich zwar im Inland auf. Allein dies begründet jedoch nicht einen gewöhnlichen, auf Integration in die deutschen Lebensverhältnisse angelegten Aufenthalt, der einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen rechtfertigt. Indem der Kläger sich seiner beabsichtigten Abschiebung entzog und Zuflucht im Kirchenasyl fand, stellte er sich bewusst außerhalb der allgemeinen, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründenden Lebensverhältnisse. Diese Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts stellt daher keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes dar.

Soweit § 8 Abs. 1 StAG als Tatbestandsvoraussetzung, um das weite Ermessen auf Behördenseite zu eröffnen, lediglich einen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt und ein zeitlicher Mindestumfang insoweit nicht gefordert ist und daher von Gesetzes wegen eine Einbürgerung in besonderen Konstellationen auch ohne Erfüllung der Sechsjahresfrist nicht ausgeschlossen ist, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Seine Ermessenserwägungen belegen, dass er die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt hat. Er erkennt an, dass der Kläger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nachhaltig und auf Dauer aus eigenen Mitteln zu sichern. Des Weiteren hat er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung - wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - berücksichtigt, dass der Kläger im Grunde gut in die hiesigen Verhältnisse integriert ist. Dies genüge indes nicht, die noch nicht erfüllte Zeit eines mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland zu kompensieren. Dies ist angesichts der gemäß § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen nicht zu beanstanden. Danach hat der Beklagte die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt und erkannt, dass er den Kläger einbürgern könnte, dies aber wegen des illegalen Aufenthalts im Kirchenasyl abgelehnt. Eine dem entgegenstehende Verpflichtung des Beklagten, nach der allein die Entscheidung, wegen der nachfolgenden Asylanerkennung den illegalen Aufenthalt im Kirchenasyl zugunsten des Klägers zu werten, ermessensgerecht wäre, besteht nicht. Die Ermessensbetätigung des Beklagten ist somit nicht fehlerhaft.

Danach hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend Nr. 42.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2005, 1525 = NVwZ 2004, 1327) auf den doppelten Auffangwert und damit auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52, 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des am 1.7.2004 in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 -BGBl. I, S. 718).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.