Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. Apr. 2018 - Au 1 K 17.35153

bei uns veröffentlicht am05.04.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein gambischer Staatsangehöriger, begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen.

Er reiste im August 2017 in die Bundesrepublik ein und beantragte am 13. September 2017 die Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 6. Oktober 2017 gab er an, er habe bis zur Ausreise in ... in der Nähe des Marktes gelebt. Er habe dort in einem Haus gewohnt, bevor er Gambia verlassen habe. Das sei Anfang März 2017 gewesen. Seinen Vater kenne er nicht, seine Mutter wohne noch in der oben genannten Adresse. Sonst habe er keine Verwandten in Gambia. Seine Mutter sei auch schon verstorben. Er selbst habe bis zur 4. Klasse die Schule besucht und dann Artikel wie Ketten, Ringe und Armbänder verkauft. Er habe auch Fisch verkauft. Einer militärischen oder politischen Gruppierung gehöre er nicht an. Zu seinem Verfolgungsschicksal gab er an, er sei homosexuell. Er sei oft geschlagen worden. Sie hätten ihn in Gambia nicht haben wollen. Er habe dort keinerlei Unterstützung. Deswegen habe er sich gedacht, er müsse fliehen, weil er in Gambia keine Ruhe mehr habe. Die Leute dort würden ihm das Leben schwer machen. Es habe mehrere polizeiliche Zwischenfälle gegeben. Manchmal sei er im Krankenhaus aufgewacht. Er habe geheime Partner gehabt. Einmal habe er mit einem Partner zusammengelebt.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab. Die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Gambia angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate befristet. In den Gründen ist ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Vortrag des Klägers, in Gambia Verfolgung wegen homosexueller Handlungen befürchten zu müssen, führe nicht zur Gewährung von Flüchtlingsschutz. Abgesehen davon, dass der Kläger nur sehr vage und allgemein von seiner Homosexualität berichtet habe, bleibe festzuhalten, dass er von keinen konkreten staatlichen Maßnahmen gegenüber seiner Person berichtet habe. In der Gesamtbetrachtung einer prognostischen Einschätzung könne daher bei ihm nicht davon ausgegangen werden, dass ihm bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit relevante Menschenrechtsverletzungen wegen seiner homosexuellen Ausrichtung drohen würden. Der Kläger müsse auch nicht befürchten, von privaten Dritten wegen seiner Homosexualität verfolgt zu werden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Dem Kläger drohe in seinem Herkunftsland nicht die Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger nach der Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde, seien nicht ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Gambia würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung nicht beachtlich. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben.

Hiergegen erhob der Kläger am 2. November 2017 Klage. Zur Begründung verwies er auf seinen Asylantrag und die persönliche Anhörung vor dem Bundesamt.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise, das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. kürzer zu befristen.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.10.2017 wird aufgehoben, soweit er der oben genannten Verpflichtung entgegensteht.

Das Bundesamt legte am 7. November 2017 die Behördenakten vor, hat sich ansonsten aber nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am 29. März 2018 fand mündliche Verhandlung vor Gericht statt. Auf die hierbei gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen, ebenso auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Gegenstand der Klage sind die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Asylanerkennung, hilfsweise auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. auf Feststellung von Abschiebungsverboten. Daneben wendet sich der Kläger gegen die Androhung der Abschiebung nach Gambia und begehrt eine kürzere Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch im Übrigen erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung.

Auf Art. 16a Abs. 1 GG kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

Hiervon ist im Fall des Klägers auszugehen. Er ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg und somit über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Als Verfolgung in diesem Sinn gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 658, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass einer Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Zwischen dem Verfolgungsgrund und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss nach § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, soweit die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinn des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3), es sei denn, der Ausländer kann nach § 3e AsylG auf internen Schutz verwiesen werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine begründete Furcht vor Verfolgung dabei anzunehmen, wenn dem Schutzsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass es ihm nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67 – 89 oder U.v. 1.3.2012 – 10 C 7/11 – juris). Nach Art. 4 Abs. 4 der zur Auslegung der §§ 3 ff AsylG ergänzend heranzuziehenden Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 13.12.2001 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie) ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die einer bereits erlittenen Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 24/08, BVerwGE 135, 252).

Ausgehend hiervon gelangt das Gericht auf der Grundlage der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie beim Bundesamt und unter Zugrundelegung der eingeführten Erkenntnismaterialien zu dem Ergebnis, dass dem Kläger in Gambia keine Verfolgung droht.

a) Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 7.11.2013 festgestellt, dass Homosexuelle eine „soziale Gruppe“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) der Qualifikationsrichtlinie sind, wenn das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaubt, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind (EUGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris). Der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, stellt als solcher keine Verfolgungshandlung dar. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßig oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt damit eine Verfolgungshandlung dar. Vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind nur homosexuelle Handlungen, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält unter Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtungen übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Sollte der Kläger somit tatsächlich homosexuell sein und ihm deswegen ernsthaft eine Bestrafung in seinem Heimatland drohen, wären die Voraussetzungen des § 3 AsylG erfüllt.

b) Das Gericht hat jedoch ebenso wie das Bundesamt bereits erhebliche Zweifel an den Angaben des Klägers über seine Homosexualität.

Auf die Ausführungen hierzu im angegriffenen Bescheid des Bundesamts (S. 6 und 7) kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger hierzu keine plausiblen und überzeugenden Angaben gemacht. Er hat vielmehr sehr allgemein von Problemen mit „den Leuten“ gesprochen, ebenso von Schlägereien, die es immer wieder gegeben habe. Warum sich diese Dinge so zugetragen habe, bleibt letztlich auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung offen. Der gesamte Vortrag des Klägers ist sehr vage, ungenau und detailarm. In mehreren Punkten widersprechen sich die Angaben beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung. Dies gilt etwa für die Frage, ob es Probleme mit der Polizei gegeben hat, wo der Kläger gewohnt habe, in welcher Form er seine Sexualität ausgelebt hat und welche Schwierigkeiten sich daraus ergeben haben. Nicht nachvollziehbar ist zuletzt auch die Aussage des Klägers, er könne nicht genau sagen, seit wann er homosexuell ist. Nachdem die Homosexualität des Klägers nach seinen eigenen Angaben zentraler Grund für seine Ausreise und fluchtauslösendes Merkmal ist, ist es letztlich nicht nachvollziehbar, dass der Kläger hierzu keine exakten, detaillierten und plausiblen Angaben machen kann. Für das Gericht lässt dies letztlich, ebenso wie für das Bundesamt, nur den Schluss zu, dass der Kläger tatsächlich keine klare homosexuelle Ausrichtung hat.

c) Der Kläger ist zudem nach Überzeugung des Gerichts nicht vorverfolgt aus Gambia ausgereist.

Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er mit der Polizei „eigentlich keine Probleme“ gehabt hat. Schwierigkeiten habe es nur mit einigen Privatpersonen gegeben. Er sei immer wieder beschimpft worden, ab und zu sei es zu Schlägereien gekommen. Er habe sich nichts gefallen lassen und auch zurückgeschlagen. Bestimmte Leute hätten ihm zudem nicht die Hand gegeben.

Andererseits war es dem Kläger ohne Probleme möglich, über 10 Jahre hinweg seiner beruflichen Tätigkeit als Verkäufer auf dem Markt nachzugehen. Er hat damit jedenfalls den wesentlichen Teil seines Lebens problemlos einer öffentlichen und erkennbar nach außen gerichteten Erwerbstätigkeit nachgehen können. Er hat Dinge auf dem Markt verkauft, daneben einen Fischhandel betrieben. Erkennbar hat er mit der Mehrzahl seiner Kunden und der Personen in Gambia bzw. in ... keine Probleme gehabt. Er hat zudem nahe des Marktes gelebt, sich dort mit seiner Mutter aufgehalten und war von nennenswerten Schwierigkeiten nicht betroffen.

Hieraus folgt, dass der Kläger von staatlichen Repressionen in keiner Weise betroffen war. Trotz seiner angeblichen Homosexualität konnte er vollkommen problemlos und auf lange Zeit einer Erwerbstätigkeit als Händler nachgehen. Auch mit Privatpersonen hatte er nicht in beachtlichem Umfang Schwierigkeiten. Einige Leute haben ihn möglicherweise gemieden, zu verfolgungsrelevanten Handlungen ist es jedenfalls nicht gekommen.

d) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich der Gefahr einer erstmaligen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Objektive Voraussetzung für die Begründung der Flüchtlingseigenschaft insoweit ist nicht schon die bloße Möglichkeit, sondern die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung. Dabei müssen die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen.

Ausgehend hiervon kann von einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht ausgegangen werden. Aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26. Oktober 2017 ergibt sich zwar, dass Homosexualität in der breiten Öffentlichkeit in Gambia verpönt ist. Homosexualität steht unter Strafe. Art. 144 des Strafgesetzbuchs sieht für Homosexualität eine Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren vor. Die letzten bekannt gewordenen Verhaftungen erfolgten nach der Kenntnis des Auswärtigen Amtes jedoch im Jahr 2015. Zu Verurteilungen kam es nicht. Seit vielen Jahren wird dieses Gesetz somit nicht mehr angewandt und praktiziert. Eine strafrechtliche Ahndung erfolgt seit vielen Jahren nicht mehr. Zu Verhaftungen kam es letztmals vor mehr als drei Jahren, seitdem sind keine weiteren Fälle bekannt. Es gibt keine objektiven Anhaltspunkte für die Annahme, dass tatsächlich noch eine strafrechtliche Verfolgung wegen vermeintlicher Homosexualität erfolgt. Die Tatsache, dass es über einen langen Zeitraum hinweg weder zu Verhaftungen noch zu gerichtlichen Verfahren oder Anklagen gekommen ist, stellt ein sehr deutliches Indiz dafür dar, dass die strafrechtliche Sanktionsnorm nur noch formal weiterbesteht, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie auch angewandt wird, aber nicht mehr gegeben ist. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass mittlerweile trotz aller bestehenden Vorbehalte in Gambia gegen jede Form von Homosexualität nicht mehr der Wille besteht, diese mit allen Mitteln zu verfolgen und zu sanktionieren. Auch wenn die Gesellschaft in Gambia sicherlich noch weit davon entfernt ist, Homosexualität zu akzeptieren, so schwindet doch erkennbar der Wille, mit gravierenden Mitteln hiergegen vorzugehen. Im Laufe der letzten Jahre hat sich insoweit wohl eine gewisse Toleranz oder zumindest Gleichgültigkeit entwickelt. Hierfür spricht vor allem auch der in Gambia vollzogene Machtwechsel im Dezember 2016 und Januar 2017. Während der ehemalige Präsident auch persönlich gegen Homosexuelle gehetzt hat, hat der neue Präsident einen vollständig anderen Kurs eingeschlagen (siehe hierzu ausführlich: VG Freiburg, U.v. 10.11.2017 – A 1 K 4885/16 – juris). Mit dem Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau) ist davon auszugehen, dass nicht jede Form von vermeintlicher Homosexualität in Gambia damit Verfolgungsrelevante Maßnahmen des Staates auslöst (a.A.: VG Stuttgart, U.v. 2.11.2017 – A 1 K 8218/16 – juris).

3. Der Kläger hat ebenso keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.

a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.

b) Dies ist nach Auffassung des Gerichts beim Kläger nicht der Fall.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm auf Grund seiner vermeintlichen Homosexualität bei der gebotenen Gesamtwürdigung bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Den Quellen lässt sich nicht entnehmen, dass sich die staatliche Verfolgung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nach Gambia zurückkehren sollte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte (s. hierzu ausführlich: VGH BW, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13).

c) Der Kläger wird in Gambia im Übrigen auch sonst nicht wegen einer Straftat gesucht, die mit der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe verbunden wäre (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). In gleicher Weise spricht nicht für eine drohende Folter oder unmenschliche Behandlung (Nr. 2). Schließlich ist der Kläger im Falle einer Rückkehr nicht der ernsthaften individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG).

4. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrecht und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht mehr gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285) und die aus den zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahme von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Hiervon ist im Fall des Klägers nicht auszugehen. Er ist ein junger und gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter. Es ist ihm bereits früher über viele Jahre hinweg gelungen, in Gambia seinen Lebensunterhalt als Händler zu sichern. Es spricht nichts für die Annahme, dass dies nicht bei einer Rückkehr erneut der Fall sein sollte.

Dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26. Oktober 2017 ist zudem zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in Gambia mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist. Rückkehrer bzw. rückgeführte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Auch deshalb spricht nichts für die Annahme, der Kläger würde auf unzumutbare Bedingungen im Falle einer Rückkehr stoßen.

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Auch diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Er hat weder beim Bundesamt noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens etwas vorgetragen, was diesen Schluss zuließe.

5. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Verbindung mit § 38 Abs. 1 AsylG.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids insoweit sind nicht erkennbar und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

6. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken.

Qualifizierte Einwände hiergegen hat der Kläger nicht erhoben. Ermessensfehler sind auch im Übrigen nicht erkennbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. Apr. 2018 - Au 1 K 17.35153

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Flüchtlingsanerkennung.

2

Die 1967 geborene Klägerin ist togoische Staatsangehörige. Sie reiste 1998 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 28. Mai 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Asylantrag ab. Im Klageverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht das Bundesamt, hinsichtlich der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG) festzustellen. Das Bundesamt kam dieser Verpflichtung im Juni 2004 nach.

3

Anfang 2008 leitete das Bundesamt wegen der in Togo zwischenzeitlich eingetretenen politischen Veränderungen ein Widerrufsverfahren ein. Nach Anhörung widerrief es mit Bescheid vom 28. Februar 2008 die Flüchtlingsanerkennung der Klägerin. Von einer Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wurde abgesehen, da der Widerruf aus Gründen der Statusbereinigung erfolge. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Schwerin mit Urteil vom 26. August 2008 abgewiesen.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 9. März 2011 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG lägen nicht vor. Die maßgeblichen Verhältnisse in Togo hätten sich nicht so verändert, dass bei einer Rückkehr eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sei.

5

Die Beklagte erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Zur Begründung macht sie geltend, das Berufungsgericht habe seiner Verfolgungsprognose einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt.

6

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Das Erfordernis der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung entspreche im Widerrufsverfahren bei Vorverfolgten dem Beweislastmaßstab aus Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Selbst wenn das Berufungsgericht von einem fehlerhaften Maßstab ausgegangen sein sollte, beruhe die Entscheidung zumindest nicht auf diesem Fehler, da es keinen Sachverhalt festgestellt habe, der einen Widerruf rechtfertigen würde. Hilfsweise beantragt sie die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung mit einer Begründung verneint, die mit Blick auf den seiner Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG nicht zu vereinbaren ist (1.). Die Berufungsentscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es nicht (3.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (4.).

8

1. Bei dem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, der im vorliegenden Fall formell nicht zu beanstanden ist (s.a. Urteil vom 29. September 2011 - BVerwG 10 C 24.10 - juris Rn. 11 ff.), ist für die Verfolgungsprognose auf den Maßstab der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit abzustellen, den das Berufungsgericht verfehlt hat.

9

1.1 Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren (vgl. Urteile vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - BVerwGE 139, 109 und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - InfAuslR 2011, 408 ; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).

10

Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

11

Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Danach muss die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 20 und 24 m.w.N.).

12

Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 21 ff.), kann wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.).

13

Die Frage, ob die Mitgliedstaaten von diesem Prognosemaßstab in Widerrufsverfahren nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung und braucht folglich nicht, wie von der Klägerin beantragt, dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt zu werden. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an der bisherigen Anwendung unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe nach nationalem Recht festhalten wollte. Vielmehr belegt gerade der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich bei der Flüchtlingsanerkennung - abweichend von der bisherigen nationalen Rechtslage - den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie 2004/83/EG zu eigen gemacht hat. Damit hat er auch ein - nach Umsetzung der Richtlinie ohnehin nicht zu vermeidendes - Auseinanderfallen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Asyl nach Art. 16a GG einerseits und für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft andererseits bewusst in Kauf genommen.

14

1.2 Das Berufungsgericht hat vorliegend eine solche erhebliche und dauerhafte Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer fehlerhaften Verfolgungsprognose verneint. Denn es hat seiner Verfolgungsprognose nicht den Maßstab der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, sondern den der hinreichenden Verfolgungssicherheit zugrunde gelegt (BA S. 4). Dies bekräftigt im Übrigen auch der Hinweis des Berufungsgerichts, dass es im Jahr 2008 in einem Anerkennungsverfahren bei Anwendung eines anderen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zu einem anderen Ergebnis gelangt sei (BA S. 6).

15

1.3. Die Berufungsentscheidung beruht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch auf dieser Verletzung des § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG. Mit den vom Bundesamt zum Anlass für eine Überprüfung der Flüchtlingsanerkennung genommenen politischen Änderungen in Togo (hier: insbesondere der Tod des früheren Präsidenten Eyadema im Februar 2005 und der von seinem Sohn im April 2006 eingeleitete strukturierte Dialog mit der Opposition) ist nach der Anerkennung der Klägerin eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland eingetreten. Das Berufungsgericht hatte daher zu prüfen, ob es sich hierbei um eine hinreichend erhebliche und dauerhafte Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG handelt, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht (Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 20, 23). Seine Bewertung, dass die bisherigen Machtstrukturen des früheren Regimes Eyadema sich nicht wesentlich verändert hätten, beruht demgegenüber auf einer Verfolgungsprognose, der ein rechtlich unzutreffender Maßstab zugrunde liegt. Sie enthält keine Aussage zur Wesentlichkeit der Veränderungen in Bezug auf den anzuwendenden Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

16

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den asylerheblichen Verhältnissen in Togo erlauben dem Senat keine eigene Verfolgungsprognose auf der Grundlage des zutreffenden Prognosemaßstabes. Auch im Falle der gerichtlichen Anfechtung eines Widerrufs ist es grundsätzlich Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung zugrunde lagen, eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Gefahrenprognose zu erstellen. Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 7. Juli 2011 (BVerwG 10 C 26.10 - juris Rn. 18; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) entschiedenen Fall tragen die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen vorliegend auch nicht ausnahmsweise den Schluss, dass bei Zugrundelegung der unionsrechtlichen Vorgaben die Veränderungen in Togo nicht so erheblich sind, dass sie den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung der Klägerin rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, wie sich die in Togo nach dem Tod Eyademas eingetretenen Änderungen der politischen Verhältnisse konkret in Ansehung der in der Person der Klägerin liegenden Umstände und Verhältnisse auswirken, sondern sich mit einer allgemeinen Bewertung der asylrelevanten Lage in Togo begnügt. Seine zusammenfassende Bewertung, die Menschenrechtslage werde weiterhin als ernst bewertet, die Reformen des Justizapparats schienen noch keine greifbaren Ergebnisse gebracht zu haben und die bisherigen Machtstrukturen hätten sich nicht wesentlich geändert, beschränkt sich im Kern auf eine Ergebnismitteilung, ohne die zugrunde liegenden Tatsachen für eine Neubewertung anhand des zutreffenden Prognosemaßstabs hinreichend differenziert aufzubereiten. Sie stützt sich zudem im Wesentlichen auf Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte, die fast alle aus der Zeit vor der Klärung der unionsrechtlichen Anforderungen an das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (a.a.O.) stammen und ihrer Gefahrenprognose ebenfalls den falschen Maßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit zugrunde legen. Damit fehlt es an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen für eine - auf den Fall der Klägerin bezogene - individuelle Verfolgungsprognose. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen daher nicht den Schluss, dass der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung (März 2011) bei einer Rückkehr weiterhin wegen ihrer früheren politischen Aktivitäten gegen das Regime Eyadema oder aus anderen, an ihre politische Überzeugung anknüpfenden Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht. Der Berufungsentscheidung kann auch nicht entnommen werden, dass es bei Anwendung des richtigen Maßstabs zu einem "non liquet" und damit der Notwendigkeit einer Beweislastentscheidung gekommen wäre.

17

3. Der - von der Klägerin hilfsweise beantragten - Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es schon deshalb nicht, weil der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden kann. Dessen ungeachtet wirft die Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG im vorliegenden Verfahren auch keine Zweifelsfragen auf. Dem Wortlaut der Richtlinie ist zu entnehmen, dass ihr für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft materiell ein einheitlicher Prognosemaßstab zugrunde liegt und sie statt unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe - mit Art. 14 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 4 - einen beweisrechtlichen Ansatz verfolgt. Hiervon geht auch der EuGH in seinem Urteil vom 2. März 2010 (a.a.O.) aus. Zugleich hat er in dieser Entscheidung geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Flüchtlingsanerkennung nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie erlischt. Dabei differenziert er zwischen den Umständen, aufgrund derer der Betroffene als Flüchtling anerkannt wurde, und anderen Umständen, aufgrund derer er entweder aus dem gleichen oder aus einem anderen (Verfolgungs-)Grund begründete Furcht vor Verfolgung hat. Ob die Umstände, auf denen die Anerkennung beruht, weggefallen sind, beurteilt sich ausschließlich nach Art. 11 der Richtlinie. Gleiches gilt regelmäßig auch für andere Umstände, mit denen sich der Betroffene auf eine Verfolgung aus demselben Verfolgungsgrund beruft. Dabei liegt die Beweislast nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie bei der Behörde. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie findet beim Erlöschen hingegen regelmäßig nur bei anderen Umständen Anwendung, bei denen sich der Betroffene auf einen anderen Verfolgungsgrund beruft (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 95 ff.).

18

4. Unter Beachtung dieser Vorgaben wird das Berufungsgericht in dem neuen Berufungsverfahren prüfen müssen, ob sich die Verhältnisse in Togo inzwischen so erheblich und nicht nur vorübergehend geändert haben, dass für die Klägerin bei einer Rückkehr keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht. Hierzu bedarf es auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnisquellen einer umfassenden Würdigung der aktuellen tatsächlichen Verhältnisse in Togo mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung der Klägerin zugrunde lagen, und darauf aufbauend einer individuellen Verfolgungsprognose. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht auch mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zur Lage in Togo auseinanderzusetzen haben. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es für einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung grundsätzlich unerheblich ist, ob der Betroffene sein Heimatland unverfolgt oder - wie die Klägerin nach den Feststellungen im Anerkennungsverfahren - vorverfolgt verlassen hat. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kommt in diesen Fällen regelmäßig nicht zur Anwendung. Die Prüfung, ob die Umstände, die zur Anerkennung geführt haben, nachträglich weggefallen sind, richtet sich vielmehr nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie. Bei der Erstellung der Verfolgungsprognose wird das Berufungsgericht schließlich auch der Behauptung der Beklagten im Beschwerdeverfahren nachzugehen haben, dass der Vorsitzende der CAR, für deren Jugendorganisation sich die Klägerin nach ihren Angaben im Anerkennungsverfahren in Togo vor ihrer Ausreise u.a. politisch betätigt hat, ab September 2006 Premierminister von Togo gewesen sei.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2013 - A 12 K 1125/12 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der am … 1968 in Diabugu geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21.10.2010 auf dem Landweg aus Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte hier am 10.01.2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger am 11.01.2012 an, er habe sein Heimatland bereits im Jahr 1992 verlassen. Er sei in die USA zu einem Kongress gereist. Währenddessen habe es in Gambia den Regierungswechsel gegeben. Deshalb sei er in den USA geblieben und habe dort einen Asylantrag gestellt. Dieser sei abgelehnt worden, weshalb er 2003 das US-Territorium wieder habe verlassen müssen. Insgesamt habe er sich in den USA elf Jahre aufgehalten. Er habe dort gearbeitet und mit seinem Verdienst seinen Lebensunterhalt selbst gesichert. Im August 2003 sei er auf eigene Kosten per Flugzeug in sein Heimatland zurückgereist. Er habe ohne Probleme den Flughafenbereich Banjul verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben. Er habe dort lediglich eine Nacht verbracht und sei dann unverzüglich per Fähre wieder ausgereist. Dann habe ihn jemand bis nach Dakar chauffiert. Im Senegal habe er sich drei Monate aufgehalten. Anschließend sei er per Bahn nach Mali gereist und dort bis Mai 2004 geblieben. Er habe dort überhaupt nichts gemacht und sei auch nicht behelligt worden. Im Laufe der Zeit sei ihm das Geld ausgegangen und er sei mit einem gefälschten malischen Pass nach Frankreich geflogen. Dort habe er bis zum 21.11.2010 illegal gelebt; er habe dort nichts gemacht, einige Freunde aus den USA hätten ihn finanziell unterstützt. Am 22.11.2010 sei er mit der Bahn von Paris nach München gereist. Seine Erfahrungen in den USA hätten ihn zunächst von einer Asylantragstellung abgehalten. Sein Leben in der Illegalität habe ihm schließlich zugesetzt und deshalb habe er einen Asylantrag gestellt; er habe ja keine Zukunftsperspektive gehabt.
In Gambia sei er Mitglied einer Partei gewesen. Allerdings habe er die Details vergessen. Er habe sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen, er habe vielmehr einen Kongress in den USA besucht. Nach dem Regierungswechsel sei er in den USA geblieben, weil er Angst um sein Leben gehabt habe. Sein Asylantrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, die politischen Verhältnisse hätten sich erneut geändert. Zunächst habe er jedenfalls ein befristetes Aufenthaltsrecht in den USA erhalten; damit verknüpft gewesen sei auch eine Arbeitserlaubnis. Er habe in Gambia niemanden mehr, der ihm beim Aufbau einer Existenz helfen könnte. Hinsichtlich einer politischen Verfolgung vermöge er nichts Neues zu berichten. Allerdings wolle er noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen. Dadurch könne er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen. Bei der Asylantragstellung in den USA habe er dies nicht angegeben. Er habe sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen könne. Er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In Gambia habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen. Bei einer Rückkehr nach Gambia würden die Leute sicherlich seine Veranlagung erkennen. Er müsste dann mit dem Schlimmsten rechnen. Möglicherweise könnte auch seine politische Vergangenheit wieder ans Licht kommen.
Mit Bescheid vom 13.03.2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, und drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Gambia an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 22.03.2012 zugestellt.
Am 03.04.2012 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und schriftsätzlich beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2013, zu der der Kläger ohne seinen Rechtsanwalt erschienen war, hat das Verwaltungsgericht neben dem schriftsätzlich formulierten Antrag auch die Anträge in die Niederschrift aufgenommen, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Im Tatbestand des Urteils ist der Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, nicht mehr enthalten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, die Frage nach einer heutigen Rückkehrgefährdung könne natürlich nur spekulativ beantwortet werden. 2003 habe man jedoch am Flughafen in Banjul seine Personalpapiere eingezogen. Sein Vater sei 1995 in Sierra Leone verstorben. Aufgrund von Gesprächen mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, gehe er davon aus, dass man in seiner Heimat auch heute noch auf ihn aufmerksam werden würde. Sein wesentliches Problem sei seine Homosexualität. In Gambia sei er heute auch wegen dieser Veranlagung gefährdet.
Mit Urteil vom 08.02.2013 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist; den Bescheid vom 13.03.2012 hat es insoweit aufgehoben, als er dem entgegensteht. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Gambia zur Überzeugung des Gerichts darlegen können. Der Einzelrichter glaube dem Kläger, dass er homosexuell sei und deshalb in Gambia - angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls - individuell und unmittelbar von Verfolgung bedroht sei. Die in die Sitzung eingeführten Erkenntnisquellen zur Verfolgung Homosexueller unter dem Regime Jammeh, der Homosexualität wohl „für einen westlichen Import halte, den es zu bekämpfen gelte“, seien eindrucksvoll. Homosexuell veranlagte Menschen würden in Gambia offenbar bisweilen sogar „öffentlich gejagt“, jedenfalls eingesperrt bzw. strafrechtlich verfolgt. Es könne dahinstehen, ob in Gambia die Voraussetzungen einer Verfolgung Homosexueller als soziale Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 lit. d QRL gegeben seien, insbesondere ob die für die Bejahung einer solchen Gruppenverfolgung auch für den Flüchtlingsschutz nach der Qualifikationsrichtlinie erforderliche „Verfolgungsdichte“ angesichts der Strafbarkeit „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Artikel 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 und einer (später dementierten) Aufforderung durch Präsident Jammeh im Mai 2008 an alle Homosexuellen, das Land zu verlassen, andernfalls sie geköpft würden, erreicht sei. Es könne weiter dahinstehen, ob die Annahme einer solchen Verfolgung Homosexueller als soziale Gruppe i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V.m. Art. 10 lit. c QRL voraussetze, dass staatliche Verfolgungshandlungen sowohl auf die öffentlich ausgelebte Homosexualität (sog. „forum externum“) als auch auf die im Verborgenen gelebte sexuelle Ausrichtung (sog. „forum internum“) abzielten, oder ob ein homosexueller Mensch generell darauf verwiesen werden könne, seine sexuelle Ausrichtung nach außen nicht bekannt werden zu lassen. Dies ergebe sich im vorliegenden Einzelfall daraus, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL überzeugend dargelegt habe. Der Einzelrichter glaube dem Kläger, dass er homosexuell sei und aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten, in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Artikel 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse. Letzteres stelle keine „konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung“ dar, welche nach § 60 Abs. 6 AufenthG einer Abschiebung nicht entgegenstehe, sondern eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, die gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL als Verfolgung einzustufen sei. Auch der Umstand, dass der Kläger seine Homosexualität bei dem Asylverfahren in den USA nicht angegeben habe, spreche nicht gegen ihn. Zum einen dürfte damals keine vergleichbar gefährliche Situation für homosexuell veranlagte Menschen in Gambia gewesen sein. Zum anderen erkläre sich dies für den Einzelrichter aus der - auch in der mündlichen Verhandlung ersichtlichen - glaubhaft geschilderten Angst und Scham, über seine Homosexualität öffentlich zu sprechen. Dass der Kläger sich seiner sexuellen Ausrichtung schäme, sei angesichts des aus den Erkenntnismitteln ersichtlichen Umgangs mit Homosexualität in Gambia nicht verwunderlich und habe dem Kläger in der mündlichen Verhandlung auch deutlich angemerkt werden können. Er habe auf das Gericht im Übrigen durchgängig glaubhaft gewirkt. So habe er etwa - obwohl dies für ihn im Hinblick auf zu befürchtende Verfolgung nachteilig sei - selbst freimütig eingeräumt, dass seine politischen Aktivitäten so lange zurücklägen, dass sich allein hieraus ergebende Gefahren spekulativ seien. Auf der Grundlage der Berichte des Klägers über seine Kontakte und Informationen aus Gambia müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass seine homosexuelle Veranlagung in seiner Heimat bekannt würde und er deshalb konkret und schwerwiegend bedroht würde. Auch im Lichte der Entscheidung des EuGH vom 05.09.2012 in der Rechtssache Y und Z (C-71/11 und C-99/11) könne der Kläger jedenfalls im vorliegenden Fall auch nicht darauf verwiesen werden, seine sexuelle Neigung im Verborgenen auszuleben und erneut dauerhaft „zu unterdrücken“. Mithin sei er nach Überzeugung des Gerichts angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls in Gambia als Homosexueller individuell und unmittelbar von Verfolgung bedroht. Nach allem sei der Klage auf Flüchtlingsanerkennung unter Aufhebung des entgegenstehenden Teils des angefochtenen Bescheids stattzugeben gewesen, sodass über die hilfsweise gestellten Anträge nicht mehr zu entscheiden sei.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 25.04.2013 - A 9 S 654/13 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen.
10 
Die Beklagte trägt vor, der vom Verwaltungsgericht bejahte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft könne bereits deshalb kein Streitgegenstand sein oder noch werden, weil hierüber bereits bestandskräftig entschieden worden sei. Eine darauf gerichtete Klageerweiterung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit scheide aus. Streitgegenständlich sei mithin nur noch, ob ein Anspruch auf das unionsrechtliche oder - hilfsweise - das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot bestehe. Sie vermöge weiterhin nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger unter dem Druck einer individuell erlittenen bzw. unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ausgereist wäre. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber meine, die Darlegung einer überzeugend drohenden bzw. erlittenen Vorverfolgung in Gambia feststellen zu können, lege es in den Urteilsgründen nicht dar, worauf diese Folgerung tragfähig zu stützen wäre. Aus der kargen, im Übrigen namentlich auch zu Art wie den individuellen Konsequenzen der geltend gemachten Homosexualität schweigenden Niederschrift der mündlichen Verhandlung ergebe sich ebenfalls nichts für insoweit überzeugende klägerische Darstellungen. In der persönlichen Anhörung bei ihr habe der Kläger im Übrigen ausdrücklich noch mitgeteilt, er habe bei seiner kurzfristigen Rückkehr nach Gambia im August 2003 ohne Probleme den Flughafenbereich Banjul verlassen können und im Anschluss daran ebenso wenig weitere Probleme gehabt. Zu in der mündlichen Verhandlung anderen Angaben, dem dann evident bestehenden Widerspruch in der klägerischen Darstellung sowie der aus Sicht des Verwaltungsgerichts nachvollziehbaren Auflösung eines solchen Widerspruchs schweige das Urteil. Insgesamt werde somit nicht erkennbar, dass bzw. weshalb sich der Kläger auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL sollte stützen können.
11 
Selbst für den Fall der identitätsprägenden Homosexualität werde sich aus der Quellenlage keine allgemein im Heimatland beachtlich wahrscheinliche Gefährdung bzw. sonstige im Sinne eines Abschiebungsverbots relevante Situation ableiten lassen. Beispielsweise werte der Österreichische Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.03.2012 die Auskunftslage dahin, es sei den Berichten nicht zu entnehmen, dass - trotz der Äußerungen des gambischen Präsidenten - alle Homosexuellen systematisch tatsächlich existenzbedrohend verfolgt bzw. gerichtlich verurteilt würden. Im Gegenteil sei bis heute eine entsprechende Verurteilung nicht bekannt, wie sich aus der ständigen Beobachtung aktueller Medienberichte zu Gambia ergebe. Auch die unbestrittene Ablehnung der Homosexualität in weiten Bevölkerungsteilen Gambias bedeute keine „automatisch asylrelevante“ Gruppenverfolgung. Es habe eine Einzelfallprüfung, je nach sonstiger Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und den Umständen des Einzelfalls, stattzufinden. Die zwischenzeitlich hinzugekommenen Auskünfte böten kein erkennbar anderes Bild.
12 
Für das unionsrechtliche Abschiebungsverbot relevant seien allein Gefährdungen im Sinne des Art. 15 QRL. Anders als hinsichtlich der Eingriffsschwere beim Flüchtlingsstatus sei beim unionsrechtlichen Abschiebungsverbot im Übrigen nicht geregelt, dass die nötige Intensität auch durch die Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden könnte. Für das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot zeige sich nichts anderes, zumal selbst zum Asylanspruch nach Art. 16a Abs. 1 GG höchstrichterlich geklärt sei, dass Eingriffe, die unterschiedliche Schutzgüter mit einer jeweils nicht asylrelevanten Intensität träfen, auch in ihrer Gesamtheit keine Verfolgung seien. Von daher könne sich ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot auch nicht generell aus der sozialen Diskriminierung Homosexueller in weiten Bevölkerungsschichten Gambias herleiten.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2013 - A 12 K 1125/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen,
17 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren,
18 
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,
19 
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
20 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Klageerhebung gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 sei umfassend erfolgt. Aus der Begründung der Klage ergebe sich kein Anhaltspunkt, dass eine Beschränkung auf die Zuerkennung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) gewollt gewesen sei. Der Antrag werde mit der Klageschrift nur angekündigt, gestellt werde er gemäß § 103 Abs. 3 VwGO erst in der mündlichen Verhandlung. Auch nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 15.10.2012 müsse für ihn aufgrund seiner Homosexualität von einer ernsthaften konkreten Gefahr ausgegangen werden, dass er wegen seiner sexuellen Ausrichtung als eines für ihn unverfügbaren Merkmals mit schwerer Diskriminierung bzw. einer Haftstrafe rechnen müsse. Nach den vorliegenden Informationen komme es in Gambia regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Homosexualität. Insoweit verweise er auf die Pressemeldung vom 11.04.2012, wonach im April 2012 15 Männer aufgrund ihrer Homosexualität verhaftet worden seien. Auch in jüngster Zeit sei Staatspräsident Jammeh in der Öffentlichkeit mit regelrechten Hasstiraden gegenüber Homosexuellen in Erscheinung getreten. So habe er in einer Rede anlässlich der Eröffnung des Parlaments in Banjul in Anwesenheit ausländischer Diplomaten und hoher Würdenträger abermals mitgeteilt, dass Homosexualität in Gambia nicht erlaubt sei und er weiterhin zu seinen früheren Erklärungen stehe, in denen er Homosexualität eindeutig verurteilt habe. Nach den Erklärungen des Staatspräsidenten sei Homosexualität unmenschlich, wobei er noch nie „ein homosexuelles Huhn oder einen schwulen Truthahn gesehen habe“. Nach den Aussagen des Staatspräsidenten werde es in seinem Land auch weiterhin keine Gnade für Homosexuelle geben, im Gegenteil, „man werde sie in Frauengefängnisse stecken“. Weiter habe der Staatspräsident zu verstehen gegeben, dass Homosexuelle in Gambia nicht willkommen seien und sie es bereuen würden, geboren worden zu sein, wenn man sie erwische. Die Situation homosexueller Menschen habe sich in Gambia spätestens seit 2014 mit dem Erlass von Gesetzesverschärfungen gegen Homosexuelle dramatisch verschlechtert. Homosexualität werde nunmehr seit Inkrafttreten des Gesetzes gegen schwere Homosexualität am 09.10.2014 mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet. Zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes gingen gambische Behörden vermehrt gegen LGBTI vor. In Haft komme es zu Folter. Zunehmend durch die Hetzkampagnen des Präsidenten beteiligten sich daran auch hohe Regimefunktionäre. Angehörige der LGBTI seien schutzlos Übergriffen auch aus der Bevölkerung ausgesetzt. Hinzu komme, dass aufgrund verschiedener Hinweise der konkrete Verdacht bestehe, dass das Regime in Gambia auch Personen im Ausland überwache. Im Falle einer Rückkehr drohe ihm aufgrund seiner Homosexualität Inhaftierung und Folter.
21 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte in der Sitzung vom 26.10.2016 verhandeln und in der Sache entscheiden, obwohl die Beklagte nicht vertreten war. Denn sie ist in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist rechtmäßig (V.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBI l S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBI l S. 3474), wie folgt zu verstehen (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
26 
Der nach der Verhandlungsniederschrift des Verwaltungsgerichts auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete Hilfsantrag (so die Fassung in der Verhandlungsniederschrift) ist nunmehr zum einen als Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25). Soweit der Antrag darüber hinaus (hilfsweise) auf die Feststellung von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG gerichtet ist, kann er ohne Änderung weiterverfolgt werden; diese Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (und auch nicht auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG). Denn insoweit ist die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
29 
Der dem Kläger am 22.03.2012 zugestellte Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 enthält unter Nr. 1 seines Tenors die Regelung, dass der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wird, und unter Nr. 2 die Regelung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. In Nr. 3 wird ausgesprochen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, und Nr. 4 enthält eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Gegenstand der dagegen am 03.04.2012 beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers war lediglich die Verpflichtung der Beklagten, bei ihm das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Hinsichtlich der in Nr. 1 und Nr. 2 getroffenen Regelungen hat der Kläger den Bescheid nicht innerhalb der am 05.04.2012 abgelaufenen zweiwöchigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. angegriffen. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 deshalb bestandskräftig geworden.
30 
Daran ändert auch die in der Klageschrift gewählte Formulierung nichts, es werde Klage „gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012“ erhoben. Dies gilt schon deshalb, weil die im Anschluss formulierten Anträge (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO) eindeutig und auf die Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und die teilweise Aufhebung des Bescheids beschränkt sind. Auch bei einer nach § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Begehrens des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klage auch auf die Verpflichtung, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, bezogen sein sollte.
31 
Dass § 103 Abs. 3 VwGO (verfahrensrechtlich) die Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vorsieht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein mit der Klageschrift gestellter Antrag ist zwar insoweit ein lediglich angekündigter, als es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, einen anderen, auch inhaltlich abweichenden Antrag zu stellen. Gleichwohl bestimmt der angekündigte Antrag den Streitgegenstand entscheidend mit und ist für das weitere Verfahren von maßgeblicher Bedeutung. Kommt es etwa zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so ist der (angekündigte) Antrag der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen, falls er nicht vorher vom Kläger geändert wird. Im Falle einer Änderung des (angekündigten) Klageantrags ist der geänderte Antrag zudem an den Voraussetzungen des § 91 VwGO für eine Klageänderung zu messen. Auch dies belegt die Relevanz eines schriftsätzlich gestellten Antrags (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2010 - 18 A 2928/09 -, juris, m.w.N.). Deshalb wäre es auch unerheblich - und würde den Eintritt der (Teil-)Bestandskraft nicht hindern -, wenn der Prozessbevollmächtigte - wie hier nicht - die Anträge ausdrücklich lediglich angekündigt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125.09 -, juris).
32 
Die vom Kläger innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. nicht angegriffenen Teile der im Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Gesamtregelung waren auch einer (Teil-)Bestandskraft zugänglich. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsakts teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist...“) ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Eine solche Teilbarkeit der in dem Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Regelungen war im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Ansprüche auf unionsrechtlichen (§ 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG) und nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG) bilden entweder eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile, die zudem in einem bestimmten Rangverhältnis stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260, und vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319).
33 
Diese nach Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des bezeichneten Teils der Gesamtregelung kann nicht nachträglich durch eine spätere Änderung bzw. Erweiterung des Klagebegehrens wieder beseitigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Sowohl bei einer Klageänderung (§ 91 VwGO) als auch bei einer Klageerweiterung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) müssen die Sachurteilsvoraussetzungen auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Die (erst) in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2013 vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Klageerweiterung bezog sich indes auf einen nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. bestandskräftig gewordenen Teil des Bescheids vom 13.03.2012. Sie ist deshalb unzulässig.
III.
34 
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
35 
Diese Vorschrift enthält nunmehr den Regelungskomplex zum subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden: RL 2011/95/EU). Nach Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU bezeichnet der Begriff „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Antragsteller, der stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 zu erleiden.
36 
In Umsetzung von Art. 15 RL 2011/95/EU definiert § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG abschließend die drei Fallgruppen des ernsthaften Schadens. Die hier allein in Betracht kommende Nr. 2 verweist wie auch Art. 15 Buchst. b RL 2011/95/EU lediglich auf den als ernsthaften Schaden bezeichneten Begriff „Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“, lässt aber die Frage, nach welchen Kriterien dieser festzustellen ist, offen. Mit dem Hinweis auf „stichhaltige Gründe“ in Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU wird die Rechtsprechung des EGMR zu den Substantiierungspflichten nach Art. 3 EMRK in Bezug genommen (vgl. Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Der Antragsteller muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm geltend gemachte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung maßgebend sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU). Ihn trifft insoweit eine Darlegungslast (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU; § 25 Abs. 2 AsylG; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 39 ff.). Anders als beim Flüchtlingsschutz kommt es ausschließlich auf den nach objektiven Grundsätzen zu ermittelnden ernsthaften Schaden und nicht auf eine begründete Furcht vor einer derartigen Gefahr an (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Bei der Entscheidung darüber, ob die Gefahr von Misshandlungen besteht, sind die absehbaren Folgen einer Abschiebung im Zielstaat unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Lage und der besonderen Umstände des Betroffenen zu prüfen (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.). Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine „objektive Gefahr“, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Der EGMR differenziert dabei zwischen unerheblichen, bloßen Möglichkeiten sowie dem beachtlichen ernsthaften Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (EGMR, Urteil vom 30.10.1991 - Nr. 13163/87 u.a., Vilvarajah u.a./Großbritannien -, NVwZ 1992, 869; Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.) Damit wird das ernsthafte und individualisierbare Risiko, einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt zu werden, zum Gegenstand der Gefahrenprognose (Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41).
37 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, ber. Abl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24, im Folgenden RL 2004/83/EG). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt danach unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EG erlitten hat (vgl. zum Folgenden Senatsurteile vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 und A 9 S 1873/12 -, jeweils juris). Der in dem Tatbestandsmerkmal „tatsächlich Gefahr liefe“ des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU (vgl. auch Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK, wie dargelegt, auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“, zu diesem Begriff: EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67). Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377).
38 
Davon ausgehend steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht.
39 
1. Der Kläger ist im Jahr 1992 legal und ersichtlich unverfolgt bzw. ohne einen ernsthaften Schaden erlitten zu haben oder davon bedroht gewesen zu sein, aus seinem Heimatland ausgereist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 2005/83/EG überzeugend dargelegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Er hat selbst gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen habe, sondern vielmehr, um in den USA einen Kongress zu besuchen. Soweit das Verwaltungsgericht meint, dass der Kläger aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse, ist dies schon aus sich heraus nicht geeignet, eine Vorverfolgung plausibel zu begründen. Aber auch darüber hinaus trifft diese Auffassung nicht zu, denn „Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003“ sind nicht erkennbar. Im Gegenteil: Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt die Frage, ob er nach seiner Ankunft im Flughafen von den Sicherheitskräften verhört worden sei, verneint und ausdrücklich erklärt, er habe den Flughafenbereich Banjul ohne Probleme verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben und sei am nächsten Tag wieder ausgereist. Seiner pauschalen Behauptung, seine Personalpapiere seien von den gambischen Behörden eingezogen worden, hat er schon vor dem Bundesamt erkennbar keine weitere Bedeutung zugemessen. Gegenteiliges hat auch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt und auch die Behauptung, die früheren politischen Aktivitäten des Klägers seien offenbar bekannt geworden, nicht nachvollziehbar belegt. Das Vorbringen des Klägers gibt dafür jedenfalls nichts her. Im Übrigen hat er auch keine nachvollziehbaren Angaben zu früheren politischen Aktivitäten machen können. Er hat lediglich erklärt, er sei Mitglied einer Partei gewesen, allerdings habe er die Details vergessen. Danach fehlt es völlig an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger sein Heimatland verlassen hat, nachdem er einen ernsthaften Schaden erlitten hätte oder unmittelbar davon bedroht gewesen wäre. Auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kann er sich mithin nicht berufen.
40 
2. Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund seiner nicht näher substantiierten politischen Aktivitäten nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht, lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Auch darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass er in das Blickfeld der gambischen Sicherheitsbehörden geraten wäre und ihm nun ein ernsthafter Schaden drohte. Dies gilt auch mit Blick auf seinen langjährigen Auslandsaufenthalt, wie im Übrigen auch seine problemlose Wiedereinreise im Jahr 2003 zeigt. Eine Änderung der Gefährdungslage ist weder substantiiert dargetan - der vage Hinweis auf Gespräche mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, reicht dafür nicht aus - noch erkennbar.
41 
Soweit er auf seine Homosexualität verwiesen hat, vermag der Senat - auch wenn er davon ausgeht, dass der Kläger homosexuell ist - bei der gebotenen Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose (vgl. dazu EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, NVwZ-RR 2014, 487; Senatsurteile v.07.03.2013, a.a.O.) nicht festzustellen, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht.
42 
Zur Situation von Homosexuellen in Gambia (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 28.06.2016 - A 3 K 1376/15 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 27.09.2012 - A 8 K 196/11 -, juris, und Urteil vom 17.10.2012 - A 1 K 201/11 -) hat das Auswärtige Amt bereits 2009 dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien - auch einvernehmliche - „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts-)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden. In der Praxis zeigten Homosexuelle ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit. Polizeiaktionen gegen Homosexuelle seien nicht an der Tagesordnung, kämen aber immer wieder vor. Viele Fälle würden der Polizei von Privatpersonen angezeigt. Bei den der Botschaft bekannten Fällen handele es sich meist um Anklagen wegen Homosexualität in Verbindung mit Pädophilie gegen (weiße) Ausländer, zum Teil Touristen. Mehrere Verfahren verliefen aber nach Zahlung hoher Kautionen im Sand, Urteile würden in diesem Fällen selten gesprochen. Es gebe in Gambia keine Orte, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden könne.
43 
In der Auskunft vom 16.12.2014 an das VG Sigmaringen führt das Auswärtige Amt aus, seit 2013 komme es verstärkt zu Diskriminierung und auch rechtlicher Verfolgung von Homosexuellen in Gambia. Art. 144 des Strafgesetzbuchs verbiete alle Arten von „acts of gross indecency/unnatural behaviour“, der Strafrahmen betrage bis zu 14 Jahren Haft. Hierunter fielen u.a. öffentlicher (heterosexueller) Geschlechtsverkehr, Exhibitionismus oder Homosexualität. Es sei zu einzelnen Verhaftungen, aber nicht zu Verurteilungen gekommen (wegen Mangel an Beweisen). Im August 2014 habe das gambische Parlament ein neues Gesetz (neuer Art. 144A) zu „aggrevated homosexuality“ verabschiedet, das Staatspräsident Jammeh am 09.10.2014 unterzeichnet habe und das seitdem in Kraft sei. Es sehe für homosexuelle Handlungen mit/von Minderjährigen, Behinderten, HIV-Positiven oder Schutzbefohlenen eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. In den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu Gambia (Stand: 17.10.2016) heißt es, hohe Repräsentanten des gambischen Staates hätten die Bevölkerung in öffentlichen Reden zur Anzeige Homosexueller aufgerufen. Es gebe Berichte über die vorübergehende Inhaftierung von Homosexuellen, auch Europäern. Das Vorgehen der gambischen Behörden scheine sich eher zu verschärfen.
44 
Amnesty International berichtet im Report 2016 Gambia, dass drei Männer, die im Verdacht gestanden hätten, homosexuell zu sein, wegen „widernatürlicher“ Handlungen vor Gericht gestellt worden seien. Zwei der Männer seien im August freigesprochen worden, der Prozess gegen den dritten Mann sei Ende 2015 noch anhängig gewesen. Die Männer seien im November 2014 festgenommen worden, nachdem einen Monat zuvor für den Straftatbestand der „schweren Homosexualität“ die lebenslange Freiheitsstrafe eingeführt worden sei. Im Länderinfo Gambia (2016) führt Amnesty International aus, im April 2012 seien 20 Männer in einem Vorort von Banjul wegen des Verdachts auf Homosexualität verhaftet worden. Zwar seien sie letztendlich freigesprochen worden, doch hätten es 11 von ihnen sicherer gefunden, außer Landes zu fliehen.
45 
ACCORD berichtet in seiner Anfragebeantwortung zu Gambia: Lage von Homosexuellen vom 15.02.2013, das US-Außenministerium schreibe in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Mai 2012, trotz der gesetzlich vorgesehenen Strafen (in Art. 144 des Strafgesetzbuchs von Gambia) sei bislang niemand strafrechtlich verfolgt worden. Trotz der Stellungnahmen von Präsident Jammeh habe es 2011 auch keine Berichte über körperliche Gewalt gegen LGBT-Personen gegeben. Im April 2012 habe „The Daily Observer“ berichtet, das 18 mutmaßliche Homosexuelle am 10.04.2012 vor dem Gericht in Kanifing angeklagt worden seien. Ihnen werde vorgeworfen, untereinander sittenwidrige Handlungen gegen die Gesetze Gambias begangen zu haben. Im August 2012 berichte „The Daily Observer“, dass das Gericht Kanifing 17 mutmaßliche Homosexuelle und eine mutmaßliche Lesbe freigesprochen und die Anklagen zurückgezogen habe.
46 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in der Auskunft vom 28.07.2015 (Gambia: Situation der LGBTI) aus, seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Oktober 2014 gingen die gambischen Behörden vermehrt gegen LGBTI und vermutete LGBTI vor. Gemäß Amnesty International (Report 2015) seien im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17-jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten des NIA und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlichen homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen-Gesetzes seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia - Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, LGBTI aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen. Der UN-Sonderberichterstatter Méndez berichte, dass mindestens drei der November verhafteten Personen über Wochen verhaftet und gefoltert worden seien. Im Bericht des UNO-Generalsekretärs zur Entwicklung in Westafrika werde darauf hingewiesen, dass im April 2015 drei Verfahren gegen Männer durchgeführt worden seien, die wegen homosexueller Handlungen angeklagt worden seien. Vor ihrem Transfer ins Gefängnis sollten sie in den Haftanstalten des NIA gefoltert worden seien.
47 
Immer wieder hetze Präsident Jammeh gegen homosexuelle Personen. Bereits 2008 habe er alle Homosexuellen aufgefordert, das Land unverzüglich zu verlassen, sonst würden ihnen „die Köpfe abgeschlagen“. 2013 habe er das Parlament gefragt, ob sie schon einmal ein schwules Huhn oder einen schwulen Trutha hn gesehen hätten. Im selben Jahr habe er Homosexualität in einer Rede vor der UN-Generalversammlung als „tödlicher als alle Naturkatastrophen zusammen“ bezeichnet. 2014 habe er Homosexuelle mit Ungeziefer verglichen und gesagt: „Wir werden dieses Ungeziefer, genannt Homosexuelle oder Schwule, genauso bekämpfen, wie wir die Mücken bekämpfen, die Malaria verursachen - nur noch aggressiver.“ Zudem drohe er mit der Aufhebung der diplomatischen Immunität, wenn ein Diplomat angeklagt werde, homosexuell zu sein. Gambia würde keine schwulen Diplomaten dulden. Im Mai 2014 habe er Gambier bedroht, die im Ausland Asyl beantragt hätten, weil sie in Gambia aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden seien. Auch hohe Regimefunktionäre beteiligten sich an der Hetzkampagne des Präsidenten. Im Januar 2015 habe Jammeh die USA beschuldigt, ein teuflisches homosexuelles Reich anzuführen und er habe gewarnt, dass dieses teuflische Reich in der Hölle enden werde. Im Mai 2015 habe Präsident Jammeh erneut gedroht: „Wenn ihr es tut, werde ich euch die Kehle durchschneiden. Wenn du ein Mann bist und einen anderen Mann heiraten willst und wir dich erwischen, wird niemand dich je wiedersehen und kein Weißer kann da irgendetwas tun.“
48 
Auch der UN-Sonderberichterstatter Christoph Heyns weise auf die öffentlichen Hassreden des Präsidenten gegen Homosexuelle hin. Die Hasspropaganda und die Verschärfung der Gesetze gegen Homosexuelle fördere Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI. Das Risiko, dass LGBTI angegriffen, erniedrigt oder gar getötet würden, sei groß. Soziale Diskriminierung von LGBTI sei ausgeprägt. Es gebe weder Organisationen, die sich für LGBTI einsetzten, noch Gesetze, welche Homosexuelle schützten, die mit dem Tod, körperlicher Gewalt und Inhaftierung bedroht seien. Da der Präsident immer wieder öffentlich gegen Homosexualität als unafrikanisch und unnatürlich hetze, seien Homosexuelle gezwungen, sich zu verstecken.
49 
Diesen Quellen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass - die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende (vgl. dazu Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O. m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des EuGH) - strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.
50 
Das Auswärtige Amt geht in seinen Länderinformationen (Stand: Oktober 2016) davon aus, dass in Gambia geschätzt 1,96 Millionen Menschen leben. Davon sind schätzungsweise rund 58% im sexuell aktiven Alter zwischen 15 und 64 Jahren (vgl. http://www.lexas.de/afrika/gambia/index.aspx). Hiervon ausgehend sowie unter Berücksichtigung von Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2014, Stichwort „Homosexualität“, wonach 1 - 2 % der Frauen und 4 - 5 % der Männer überwiegend oder ausschließlich homosexuell orientiert sind, kommt man selbst bei der Annahme von nur 1 % an homosexuellen Frauen und Männern in Gambia zu einer Zahl von rund 12.000 homosexuell orientierten Menschen. Verglichen mit dieser Zahl lassen die sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Referenzfälle, die sich tendenziell allenfalls im mittleren zweistelligen Bereich bewegen, nicht darauf schließen, dass sich die dort geschilderten Verfolgungshandlungen so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.
51 
Diese Feststellung gilt erst recht in Fällen einer nicht öffentlich bemerkbar gelebten homosexuellen Veranlagung, wovon beim Kläger auszugehen ist. Er hat nur pauschale und vage Angaben zu seiner Homosexualität gemacht. Gegenüber dem Bundesamt hat er erklärt, er wolle noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen, wodurch er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen könnte. Die Frage, ob er diesen Grund auch bei der Asylantragstellung in den USA angegeben habe, hat er verneint. Seinerzeit habe er sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen können, er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In seinem Heimatland habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen, er habe damit alleine fertig werden müssen. Dass er sich bei einer Rückkehr nach Gambia anders verhalten würde, vermag der Senat nicht festzustellen. Der Kläger hat - auch vor dem Verwaltungsgericht - keine Angaben gemacht, die den Schluss rechtfertigten, dass er seine Veranlagung offen gelebt hätte oder leben würde und die Homosexualität für seine Identität besonders wichtig wäre (zu diesem Kriterium vgl. Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O., juris Rn. 49). Vielmehr ist das Verwaltungsgericht von seiner glaubhaft geschilderten Angst und Scham ausgegangen, über seine Homosexualität offen zu sprechen. Auch vor diesem Hintergrund und bei einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens ist die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich.
IV.
52 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG.
53 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind für den Senat nicht ersichtlich.
54 
2. Ebenso wenig besteht im Fall des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger, der erwerbsfähig ist und es in den letzten 24 Jahren in verschiedenen Ländern außerhalb seines Heimatlandes vermochte, zum Teil auch mit Hilfe von Freunden seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Falle seiner Rückkehr nach Gambia eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
V.
55 
Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG liegen vor.
VI.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte in der Sitzung vom 26.10.2016 verhandeln und in der Sache entscheiden, obwohl die Beklagte nicht vertreten war. Denn sie ist in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.). Auch die Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist rechtmäßig (V.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBI l S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBI l S. 3474), wie folgt zu verstehen (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
26 
Der nach der Verhandlungsniederschrift des Verwaltungsgerichts auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete Hilfsantrag (so die Fassung in der Verhandlungsniederschrift) ist nunmehr zum einen als Hilfsantrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25). Soweit der Antrag darüber hinaus (hilfsweise) auf die Feststellung von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG gerichtet ist, kann er ohne Änderung weiterverfolgt werden; diese Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (und auch nicht auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG). Denn insoweit ist die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
29 
Der dem Kläger am 22.03.2012 zugestellte Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 enthält unter Nr. 1 seines Tenors die Regelung, dass der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wird, und unter Nr. 2 die Regelung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. In Nr. 3 wird ausgesprochen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, und Nr. 4 enthält eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Gegenstand der dagegen am 03.04.2012 beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage des bereits damals anwaltlich vertretenen Klägers war lediglich die Verpflichtung der Beklagten, bei ihm das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.03.2012 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Hinsichtlich der in Nr. 1 und Nr. 2 getroffenen Regelungen hat der Kläger den Bescheid nicht innerhalb der am 05.04.2012 abgelaufenen zweiwöchigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. angegriffen. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012 deshalb bestandskräftig geworden.
30 
Daran ändert auch die in der Klageschrift gewählte Formulierung nichts, es werde Klage „gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2012“ erhoben. Dies gilt schon deshalb, weil die im Anschluss formulierten Anträge (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO) eindeutig und auf die Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und die teilweise Aufhebung des Bescheids beschränkt sind. Auch bei einer nach § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Begehrens des Klägers ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klage auch auf die Verpflichtung, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, bezogen sein sollte.
31 
Dass § 103 Abs. 3 VwGO (verfahrensrechtlich) die Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vorsieht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein mit der Klageschrift gestellter Antrag ist zwar insoweit ein lediglich angekündigter, als es dem Kläger grundsätzlich unbenommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, einen anderen, auch inhaltlich abweichenden Antrag zu stellen. Gleichwohl bestimmt der angekündigte Antrag den Streitgegenstand entscheidend mit und ist für das weitere Verfahren von maßgeblicher Bedeutung. Kommt es etwa zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so ist der (angekündigte) Antrag der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen, falls er nicht vorher vom Kläger geändert wird. Im Falle einer Änderung des (angekündigten) Klageantrags ist der geänderte Antrag zudem an den Voraussetzungen des § 91 VwGO für eine Klageänderung zu messen. Auch dies belegt die Relevanz eines schriftsätzlich gestellten Antrags (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2010 - 18 A 2928/09 -, juris, m.w.N.). Deshalb wäre es auch unerheblich - und würde den Eintritt der (Teil-)Bestandskraft nicht hindern -, wenn der Prozessbevollmächtigte - wie hier nicht - die Anträge ausdrücklich lediglich angekündigt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010 - 8 B 125.09 -, juris).
32 
Die vom Kläger innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. nicht angegriffenen Teile der im Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Gesamtregelung waren auch einer (Teil-)Bestandskraft zugänglich. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsakts teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft sie, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist...“) ergibt, an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Eine solche Teilbarkeit der in dem Bescheid vom 13.03.2012 getroffenen Regelungen war im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Ansprüche auf unionsrechtlichen (§ 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG) und nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG) bilden entweder eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile, die zudem in einem bestimmten Rangverhältnis stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260, und vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319).
33 
Diese nach Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des bezeichneten Teils der Gesamtregelung kann nicht nachträglich durch eine spätere Änderung bzw. Erweiterung des Klagebegehrens wieder beseitigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Sowohl bei einer Klageänderung (§ 91 VwGO) als auch bei einer Klageerweiterung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) müssen die Sachurteilsvoraussetzungen auch hinsichtlich des erweiterten Teils der Klage vorliegen und von Amts wegen geprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2010, a.a.O.). Die (erst) in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2013 vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene Klageerweiterung bezog sich indes auf einen nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG a.F. bestandskräftig gewordenen Teil des Bescheids vom 13.03.2012. Sie ist deshalb unzulässig.
III.
34 
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
35 
Diese Vorschrift enthält nunmehr den Regelungskomplex zum subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden: RL 2011/95/EU). Nach Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU bezeichnet der Begriff „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Antragsteller, der stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 zu erleiden.
36 
In Umsetzung von Art. 15 RL 2011/95/EU definiert § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG abschließend die drei Fallgruppen des ernsthaften Schadens. Die hier allein in Betracht kommende Nr. 2 verweist wie auch Art. 15 Buchst. b RL 2011/95/EU lediglich auf den als ernsthaften Schaden bezeichneten Begriff „Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“, lässt aber die Frage, nach welchen Kriterien dieser festzustellen ist, offen. Mit dem Hinweis auf „stichhaltige Gründe“ in Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU wird die Rechtsprechung des EGMR zu den Substantiierungspflichten nach Art. 3 EMRK in Bezug genommen (vgl. Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, - Nr. 37201/06 - Saadi -, NVwZ 2008, 1330). Der Antragsteller muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm geltend gemachte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung maßgebend sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU). Ihn trifft insoweit eine Darlegungslast (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c RL 2011/95/EU; § 25 Abs. 2 AsylG; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 39 ff.). Anders als beim Flüchtlingsschutz kommt es ausschließlich auf den nach objektiven Grundsätzen zu ermittelnden ernsthaften Schaden und nicht auf eine begründete Furcht vor einer derartigen Gefahr an (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Bei der Entscheidung darüber, ob die Gefahr von Misshandlungen besteht, sind die absehbaren Folgen einer Abschiebung im Zielstaat unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Lage und der besonderen Umstände des Betroffenen zu prüfen (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.). Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine „objektive Gefahr“, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Der EGMR differenziert dabei zwischen unerheblichen, bloßen Möglichkeiten sowie dem beachtlichen ernsthaften Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (EGMR, Urteil vom 30.10.1991 - Nr. 13163/87 u.a., Vilvarajah u.a./Großbritannien -, NVwZ 1992, 869; Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.) Damit wird das ernsthafte und individualisierbare Risiko, einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt zu werden, zum Gegenstand der Gefahrenprognose (Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41).
37 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, ber. Abl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24, im Folgenden RL 2004/83/EG). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt danach unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EG erlitten hat (vgl. zum Folgenden Senatsurteile vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 und A 9 S 1873/12 -, jeweils juris). Der in dem Tatbestandsmerkmal „tatsächlich Gefahr liefe“ des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU (vgl. auch Art. 2 Buchst. e RL 2004/83/EG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK, wie dargelegt, auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“, zu diesem Begriff: EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67). Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU privilegiert den Vorverfolgten beziehungsweise Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung beziehungsweise einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Dadurch wird der Vorverfolgte beziehungsweise Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden beziehungsweise schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377).
38 
Davon ausgehend steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht.
39 
1. Der Kläger ist im Jahr 1992 legal und ersichtlich unverfolgt bzw. ohne einen ernsthaften Schaden erlitten zu haben oder davon bedroht gewesen zu sein, aus seinem Heimatland ausgereist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine unmittelbar drohende individuelle Verfolgung in Gambia bzw. eine Vorverfolgung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 2005/83/EG überzeugend dargelegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Er hat selbst gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er sein Heimatland nicht aufgrund von Schwierigkeiten verlassen habe, sondern vielmehr, um in den USA einen Kongress zu besuchen. Soweit das Verwaltungsgericht meint, dass der Kläger aufgrund der Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003 auch heute noch in Zusammenschau mit seinen früheren, offenbar bekannt gewordenen politischen Aktivitäten in Gambia mit einer Verfolgung und Bestrafung jedenfalls aufgrund „widernatürlicher“ körperlicher Kontakte gemäß Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs von 1965 rechnen müsse, ist dies schon aus sich heraus nicht geeignet, eine Vorverfolgung plausibel zu begründen. Aber auch darüber hinaus trifft diese Auffassung nicht zu, denn „Vorfälle bei seiner Einreise am Flughafen in Banjul 2003“ sind nicht erkennbar. Im Gegenteil: Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt die Frage, ob er nach seiner Ankunft im Flughafen von den Sicherheitskräften verhört worden sei, verneint und ausdrücklich erklärt, er habe den Flughafenbereich Banjul ohne Probleme verlassen können. Da seine Wohnung bereits wieder vermietet gewesen sei, habe er sich in ein Hotel begeben und sei am nächsten Tag wieder ausgereist. Seiner pauschalen Behauptung, seine Personalpapiere seien von den gambischen Behörden eingezogen worden, hat er schon vor dem Bundesamt erkennbar keine weitere Bedeutung zugemessen. Gegenteiliges hat auch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt und auch die Behauptung, die früheren politischen Aktivitäten des Klägers seien offenbar bekannt geworden, nicht nachvollziehbar belegt. Das Vorbringen des Klägers gibt dafür jedenfalls nichts her. Im Übrigen hat er auch keine nachvollziehbaren Angaben zu früheren politischen Aktivitäten machen können. Er hat lediglich erklärt, er sei Mitglied einer Partei gewesen, allerdings habe er die Details vergessen. Danach fehlt es völlig an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger sein Heimatland verlassen hat, nachdem er einen ernsthaften Schaden erlitten hätte oder unmittelbar davon bedroht gewesen wäre. Auf die Nachweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kann er sich mithin nicht berufen.
40 
2. Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund seiner nicht näher substantiierten politischen Aktivitäten nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht, lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Auch darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass er in das Blickfeld der gambischen Sicherheitsbehörden geraten wäre und ihm nun ein ernsthafter Schaden drohte. Dies gilt auch mit Blick auf seinen langjährigen Auslandsaufenthalt, wie im Übrigen auch seine problemlose Wiedereinreise im Jahr 2003 zeigt. Eine Änderung der Gefährdungslage ist weder substantiiert dargetan - der vage Hinweis auf Gespräche mit Bekannten aus Gambia, die Kontakte zum Militär hätten, reicht dafür nicht aus - noch erkennbar.
41 
Soweit er auf seine Homosexualität verwiesen hat, vermag der Senat - auch wenn er davon ausgeht, dass der Kläger homosexuell ist - bei der gebotenen Gesamtwürdigung seiner Person und seines gesellschaftlichen Lebens und darauf aufbauend einer individuellen Gefahrenprognose (vgl. dazu EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 28.02.2008, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, NVwZ-RR 2014, 487; Senatsurteile v.07.03.2013, a.a.O.) nicht festzustellen, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht.
42 
Zur Situation von Homosexuellen in Gambia (vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 28.06.2016 - A 3 K 1376/15 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 27.09.2012 - A 8 K 196/11 -, juris, und Urteil vom 17.10.2012 - A 1 K 201/11 -) hat das Auswärtige Amt bereits 2009 dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien - auch einvernehmliche - „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts-)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden. In der Praxis zeigten Homosexuelle ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit. Polizeiaktionen gegen Homosexuelle seien nicht an der Tagesordnung, kämen aber immer wieder vor. Viele Fälle würden der Polizei von Privatpersonen angezeigt. Bei den der Botschaft bekannten Fällen handele es sich meist um Anklagen wegen Homosexualität in Verbindung mit Pädophilie gegen (weiße) Ausländer, zum Teil Touristen. Mehrere Verfahren verliefen aber nach Zahlung hoher Kautionen im Sand, Urteile würden in diesem Fällen selten gesprochen. Es gebe in Gambia keine Orte, an denen von Toleranz gegenüber Homosexuellen ausgegangen werden könne.
43 
In der Auskunft vom 16.12.2014 an das VG Sigmaringen führt das Auswärtige Amt aus, seit 2013 komme es verstärkt zu Diskriminierung und auch rechtlicher Verfolgung von Homosexuellen in Gambia. Art. 144 des Strafgesetzbuchs verbiete alle Arten von „acts of gross indecency/unnatural behaviour“, der Strafrahmen betrage bis zu 14 Jahren Haft. Hierunter fielen u.a. öffentlicher (heterosexueller) Geschlechtsverkehr, Exhibitionismus oder Homosexualität. Es sei zu einzelnen Verhaftungen, aber nicht zu Verurteilungen gekommen (wegen Mangel an Beweisen). Im August 2014 habe das gambische Parlament ein neues Gesetz (neuer Art. 144A) zu „aggrevated homosexuality“ verabschiedet, das Staatspräsident Jammeh am 09.10.2014 unterzeichnet habe und das seitdem in Kraft sei. Es sehe für homosexuelle Handlungen mit/von Minderjährigen, Behinderten, HIV-Positiven oder Schutzbefohlenen eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. In den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes zu Gambia (Stand: 17.10.2016) heißt es, hohe Repräsentanten des gambischen Staates hätten die Bevölkerung in öffentlichen Reden zur Anzeige Homosexueller aufgerufen. Es gebe Berichte über die vorübergehende Inhaftierung von Homosexuellen, auch Europäern. Das Vorgehen der gambischen Behörden scheine sich eher zu verschärfen.
44 
Amnesty International berichtet im Report 2016 Gambia, dass drei Männer, die im Verdacht gestanden hätten, homosexuell zu sein, wegen „widernatürlicher“ Handlungen vor Gericht gestellt worden seien. Zwei der Männer seien im August freigesprochen worden, der Prozess gegen den dritten Mann sei Ende 2015 noch anhängig gewesen. Die Männer seien im November 2014 festgenommen worden, nachdem einen Monat zuvor für den Straftatbestand der „schweren Homosexualität“ die lebenslange Freiheitsstrafe eingeführt worden sei. Im Länderinfo Gambia (2016) führt Amnesty International aus, im April 2012 seien 20 Männer in einem Vorort von Banjul wegen des Verdachts auf Homosexualität verhaftet worden. Zwar seien sie letztendlich freigesprochen worden, doch hätten es 11 von ihnen sicherer gefunden, außer Landes zu fliehen.
45 
ACCORD berichtet in seiner Anfragebeantwortung zu Gambia: Lage von Homosexuellen vom 15.02.2013, das US-Außenministerium schreibe in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Mai 2012, trotz der gesetzlich vorgesehenen Strafen (in Art. 144 des Strafgesetzbuchs von Gambia) sei bislang niemand strafrechtlich verfolgt worden. Trotz der Stellungnahmen von Präsident Jammeh habe es 2011 auch keine Berichte über körperliche Gewalt gegen LGBT-Personen gegeben. Im April 2012 habe „The Daily Observer“ berichtet, das 18 mutmaßliche Homosexuelle am 10.04.2012 vor dem Gericht in Kanifing angeklagt worden seien. Ihnen werde vorgeworfen, untereinander sittenwidrige Handlungen gegen die Gesetze Gambias begangen zu haben. Im August 2012 berichte „The Daily Observer“, dass das Gericht Kanifing 17 mutmaßliche Homosexuelle und eine mutmaßliche Lesbe freigesprochen und die Anklagen zurückgezogen habe.
46 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in der Auskunft vom 28.07.2015 (Gambia: Situation der LGBTI) aus, seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Oktober 2014 gingen die gambischen Behörden vermehrt gegen LGBTI und vermutete LGBTI vor. Gemäß Amnesty International (Report 2015) seien im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17-jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten des NIA und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlichen homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen-Gesetzes seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia - Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, LGBTI aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen. Der UN-Sonderberichterstatter Méndez berichte, dass mindestens drei der November verhafteten Personen über Wochen verhaftet und gefoltert worden seien. Im Bericht des UNO-Generalsekretärs zur Entwicklung in Westafrika werde darauf hingewiesen, dass im April 2015 drei Verfahren gegen Männer durchgeführt worden seien, die wegen homosexueller Handlungen angeklagt worden seien. Vor ihrem Transfer ins Gefängnis sollten sie in den Haftanstalten des NIA gefoltert worden seien.
47 
Immer wieder hetze Präsident Jammeh gegen homosexuelle Personen. Bereits 2008 habe er alle Homosexuellen aufgefordert, das Land unverzüglich zu verlassen, sonst würden ihnen „die Köpfe abgeschlagen“. 2013 habe er das Parlament gefragt, ob sie schon einmal ein schwules Huhn oder einen schwulen Trutha hn gesehen hätten. Im selben Jahr habe er Homosexualität in einer Rede vor der UN-Generalversammlung als „tödlicher als alle Naturkatastrophen zusammen“ bezeichnet. 2014 habe er Homosexuelle mit Ungeziefer verglichen und gesagt: „Wir werden dieses Ungeziefer, genannt Homosexuelle oder Schwule, genauso bekämpfen, wie wir die Mücken bekämpfen, die Malaria verursachen - nur noch aggressiver.“ Zudem drohe er mit der Aufhebung der diplomatischen Immunität, wenn ein Diplomat angeklagt werde, homosexuell zu sein. Gambia würde keine schwulen Diplomaten dulden. Im Mai 2014 habe er Gambier bedroht, die im Ausland Asyl beantragt hätten, weil sie in Gambia aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden seien. Auch hohe Regimefunktionäre beteiligten sich an der Hetzkampagne des Präsidenten. Im Januar 2015 habe Jammeh die USA beschuldigt, ein teuflisches homosexuelles Reich anzuführen und er habe gewarnt, dass dieses teuflische Reich in der Hölle enden werde. Im Mai 2015 habe Präsident Jammeh erneut gedroht: „Wenn ihr es tut, werde ich euch die Kehle durchschneiden. Wenn du ein Mann bist und einen anderen Mann heiraten willst und wir dich erwischen, wird niemand dich je wiedersehen und kein Weißer kann da irgendetwas tun.“
48 
Auch der UN-Sonderberichterstatter Christoph Heyns weise auf die öffentlichen Hassreden des Präsidenten gegen Homosexuelle hin. Die Hasspropaganda und die Verschärfung der Gesetze gegen Homosexuelle fördere Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI. Das Risiko, dass LGBTI angegriffen, erniedrigt oder gar getötet würden, sei groß. Soziale Diskriminierung von LGBTI sei ausgeprägt. Es gebe weder Organisationen, die sich für LGBTI einsetzten, noch Gesetze, welche Homosexuelle schützten, die mit dem Tod, körperlicher Gewalt und Inhaftierung bedroht seien. Da der Präsident immer wieder öffentlich gegen Homosexualität als unafrikanisch und unnatürlich hetze, seien Homosexuelle gezwungen, sich zu verstecken.
49 
Diesen Quellen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass - die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende (vgl. dazu Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O. m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des EuGH) - strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.
50 
Das Auswärtige Amt geht in seinen Länderinformationen (Stand: Oktober 2016) davon aus, dass in Gambia geschätzt 1,96 Millionen Menschen leben. Davon sind schätzungsweise rund 58% im sexuell aktiven Alter zwischen 15 und 64 Jahren (vgl. http://www.lexas.de/afrika/gambia/index.aspx). Hiervon ausgehend sowie unter Berücksichtigung von Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2014, Stichwort „Homosexualität“, wonach 1 - 2 % der Frauen und 4 - 5 % der Männer überwiegend oder ausschließlich homosexuell orientiert sind, kommt man selbst bei der Annahme von nur 1 % an homosexuellen Frauen und Männern in Gambia zu einer Zahl von rund 12.000 homosexuell orientierten Menschen. Verglichen mit dieser Zahl lassen die sich aus den Erkenntnismitteln ergebenden Referenzfälle, die sich tendenziell allenfalls im mittleren zweistelligen Bereich bewegen, nicht darauf schließen, dass sich die dort geschilderten Verfolgungshandlungen so wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden homosexuell Veranlagten nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dies gilt auch, wenn man die Schwere der drohenden Gefahr einer Inhaftierung, die häufig mit weiteren schweren Menschenrechtverletzungen einhergeht, würdigt.
51 
Diese Feststellung gilt erst recht in Fällen einer nicht öffentlich bemerkbar gelebten homosexuellen Veranlagung, wovon beim Kläger auszugehen ist. Er hat nur pauschale und vage Angaben zu seiner Homosexualität gemacht. Gegenüber dem Bundesamt hat er erklärt, er wolle noch auf seine homosexuelle Veranlagung hinweisen, wodurch er in Gambia große Schwierigkeiten bekommen könnte. Die Frage, ob er diesen Grund auch bei der Asylantragstellung in den USA angegeben habe, hat er verneint. Seinerzeit habe er sich auch in den USA zu seiner Veranlagung nicht bekennen können, er habe auch die Problematik nicht genau gekannt. In seinem Heimatland habe er seine Veranlagung unterdrücken müssen, er habe damit alleine fertig werden müssen. Dass er sich bei einer Rückkehr nach Gambia anders verhalten würde, vermag der Senat nicht festzustellen. Der Kläger hat - auch vor dem Verwaltungsgericht - keine Angaben gemacht, die den Schluss rechtfertigten, dass er seine Veranlagung offen gelebt hätte oder leben würde und die Homosexualität für seine Identität besonders wichtig wäre (zu diesem Kriterium vgl. Senatsurteile vom 07.03.2013, a.a.O., juris Rn. 49). Vielmehr ist das Verwaltungsgericht von seiner glaubhaft geschilderten Angst und Scham ausgegangen, über seine Homosexualität offen zu sprechen. Auch vor diesem Hintergrund und bei einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens ist die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich.
IV.
52 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG.
53 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind für den Senat nicht ersichtlich.
54 
2. Ebenso wenig besteht im Fall des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger, der erwerbsfähig ist und es in den letzten 24 Jahren in verschiedenen Ländern außerhalb seines Heimatlandes vermochte, zum Teil auch mit Hilfe von Freunden seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Falle seiner Rückkehr nach Gambia eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
V.
55 
Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG liegen vor.
VI.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 hinsichtlich Nummer 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, ein Vater mit zwei im Jahr 2007 und im Jahr 2011 geborenen Söhnen, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten am 27. November 2012 von I. kommend auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Dezember 2012 Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 8. Januar 2013 gab der Kläger zu 1, der Vater, an, er spreche Dari und Farsi und sei Tadschike. Er habe nur einmal zwei Monate und einmal 40 Tage in Afghanistan gelebt und im Übrigen bis zur Ausreise in die Türkei in S. im Iran. Seine Ehefrau sei Iranerin. Vor ca. zweieinhalb Monaten sei die Familie bis zur iranischtürkischen Grenze mit dem Auto gefahren, wo sie sich bei der Flüchtlingsorganisation der UNO in Ankara gemeldet hätten. Er habe mit gefälschten Pässen nach Deutschland fliegen können, seine Frau sei jedoch aufgehalten worden. Er habe noch Verwandtschaft in Europa, in Kanada und im Iran. In Afghanistan lebten noch drei Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits, mehrere Cousins und Cousinen, zwei Schwestern und ein Bruder. Er habe vier Klassen Grundschule besucht. In selbstständiger Tätigkeit habe er den Beton für Hochhäuser geliefert. Für iranische Verhältnisse habe er sehr gut verdient. Auf die Frage nach seinem Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor, sein Vater sei vor 30 Jahren wegen des Krieges in den Iran geflüchtet. Dort hätten sie zusammengelebt, bis seine Eltern vor fünf Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Er und seine Kinder hätten keine Dokumente vom iranischen Staat erhalten. Der früher ausgehändigte Flüchtlingsausweis sei mit der Rückkehr seines Vaters nach Afghanistan ungültig geworden. Er habe seine Ehefrau traditionell geheiratet, jedoch sei die Hochzeit im Iran nicht anerkannt worden. Sein Schwager, der beim iranischen Militär arbeite, sei gegen die Hochzeit gewesen. Er sei zweimal ins Gefängnis gekommen, da sein Schwager gegen ihn ausgesagt bzw. ihn angezeigt habe. Zudem habe ihn sein Schwager erpresst und Schutzgeld verlangt, damit er ihn nicht weiter an die Behörden verraten werde. Nachdem er das erste Mal im Gefängnis gewesen sei, habe er viele seiner Kunden verloren. Das zweite Mal sei er wegen eines gefälschten iranischen Passes verhaftet worden. Nach der Entlassung sei er von seinem Schwager und den iranischen Behörden weiter schikaniert worden, so dass er keine andere Möglichkeit gesehen habe, außer den Iran zu verlassen. Nach Afghanistan könne er wegen des Kriegs in vielen Regionen nicht fliehen. Außerdem sei seine Ehefrau Iranerin.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 13. Februar 2014 wurden die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (1.), die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt (2.), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (3.) sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.) und die Abschiebung angedroht (5.). Nach dem Sachvorbringen bestünden keine Anhaltspunkte für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Asylanerkennung. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen nicht vor, insbesondere keine ernsthafte individuelle Bedrohung aufgrund eines bewaffneten Konflikts in der Herkunftsstadt Kabul. Nationale Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, zumal die Kläger auch keiner extremen allgemeinen Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt seien. Sie hätten keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, dass sie, anders als die gesellschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsland erwarten ließen, nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wären. Sie hätten auch die Möglichkeit, Kontakt mit Familienmitgliedern in Afghanistan aufzunehmen.

Mit der an das Verwaltungsgericht München gerichteten Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 15. April 2014 erklärte der Kläger zu 1, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde der Bruder fragen, ob er wegen des Besitzes käme. Sein Platz sei im Iran und nicht in Afghanistan. Außerdem sei seine Ehefrau nicht bereit, nach Afghanistan zu gehen. Die Ausreise habe er durch den Verkauf seines Hauses und seines Autos finanziert. Nachdem seine Ehefrau in der Türkei nicht in das Flugzeug gekommen sei, sei sie wieder in den Iran zurückgekehrt. Mit seinem Onkel in Afghanistan habe er Schwierigkeiten wegen einer Besitzauseinandersetzung. Sein Vater sei herzkrank und werde von seinen Brüdern finanziell unterstützt. Mit Urteil vom 15. April 2014 wurde die Klage abgewiesen.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob bei afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern als Auslandsrückkehrer eine erhebliche konkrete Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung beziehen sich die Kläger auf ihren Zulassungsantrag, in dem sie sich der Verneinung eines national begründeten Abschiebungsverbots widersetzen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 13. Februar 2014 und Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 zu verpflichten, bei den Klägern ein national begründetes Abschiebungshindernis festzustellen.

Die Beklagte entgegnet, aufgrund der bayerischen Erlasslage dürfte es auf die Frage, ob bei einer Familie mit minderjährigen Kindern eine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe, nicht ankommen. Nach den ausländerrechtlichen Verwaltungsvorschriften sei die Rückführung aller dort nicht genannten Personengruppen, zu der auch die Kläger gehörten, vorerst zurückzustellen. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei zudem kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger weisen darauf hin, dass nach der Erlasslage alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückzuführen seien. Auch wenn die Rückführung anderer Personen vorerst zurückzustellen sei, bedeute dies nicht, dass Abschiebungen ausgesetzt seien. Vielmehr sei, wie die Beklagte selbst ausführe, ein entsprechender Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Wähler mit Beschluss vom 5. Februar 2014 abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 als Vater von zwei minderjährigen Kindern befürchtet, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U. v. 31.1.2013 a. a. O.; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum Einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen sei oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum Anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozioökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Der Kläger zu 1 würde zusammen mit seinen beiden Kindern, den Klägern zu 2 und 3, zurückkehren und müsste für sich selbst sowie die Kinder sorgen. Die Ehefrau und Mutter hält sich nach den Angaben des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Italien auf, so dass er insoweit keine Hilfe hätte. Nach glaubhaftem Vortrag kann er zudem weder von seinen Eltern noch von seinen Schwiegereltern Unterstützung bekommen. Seine Eltern sind wegen Familienstreitigkeiten wieder in den Iran gezogen, sein Vater ist zudem krank und selbst hilfsbedürftig. Die Schwiegereltern stammen aus dem Iran. Den Angaben des Klägers zu 1 zufolge war er bereits zweimal im Gefängnis, nachdem ihn sein Schwager, der gegen die Hochzeit gewesen sei, wegen seines illegalen Aufenthalts im Iran angezeigt habe. In Afghanistan wird er von dem Teil seiner Familie, der dort verblieben ist, nicht akzeptiert. Außerdem gibt es Erbauseinandersetzungen. Damit könnte der Kläger zu 1 von niemandem Hilfe erwarten, sondern wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die Kinder in die Bewertung mit einzubeziehen sind. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U. v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B. v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum Einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5. Oktober 2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i. L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum Einen bedürfen seine Kinder der Betreuung. Zum Anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger zu 1 fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er im Iran selbstständig tätig und hat dort nach seinen Angaben sehr gut verdient, jedoch verfügt er weder über eine qualifizierte Ausbildung noch kann er in Afghanistan an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen. Er wäre vielmehr gezwungen, für sich und seine beiden Kinder eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm dort entsprechende Kontakte und Hilfen zur Verfügung stehen.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in Kabul. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden werden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In Kabul gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie ohne die Ehefrau bzw. Mutter abgeschoben würden, somit also eine Betreuungsperson nicht zur Verfügung stünde. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen zu hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen werden. Ohne Hilfe werden sie sich weder ernähren können noch sind die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr laufen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. K. L. vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2014 und Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2014 insoweit (Ablehnung Nr. 4 und Abschiebungsandrohung Nr. 5) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.