Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 30. März 2017 - Au 2 K 16.33014
nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Gründe
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 30. März 2017 - Au 2 K 16.33014
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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 30. März 2017 - Au 2 K 16.33014 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.
(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.
(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.
(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.
(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.
(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.
(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00. 00. 1999 in N. geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger vom Stamm der Hawiye. Am 12. Januar 2002 hatte er bereits einen Asylantrag in Schweden gestellt. Dieser war am 27. Mai 2012 abgelehnt und der Kläger nach Malta überstellt worden, weil er von dort nach Schweden eingereist war. Am 21. Juli 2013 wurde er im Bundesgebiet aufgegriffen.
3Bei einer Vernehmung durch die Bundespolizei am 21. Juli 2013 führte der Kläger aus, er habe mit seinem Vater und seinem Bruder in N. gelebt. Sein Vater sei Mechaniker gewesen und habe immer gearbeitet. Sein Bruder sei 22 Jahre alt gewesen. Im Jahre 2010 sei Al Kaida zu ihnen gekommen. Sie hätten seinen Bruder mitgenommen. 2011 seien sie dann wieder gekommen und hätten ihn, den Kläger, holen wollen. Er habe dies aber abgelehnt. Sie seien immer wieder gekommen. Dann hätten sie im angekündigt, dass sie ihn töten würden, wenn er nicht für sie kämpfen wolle. Sein Vater habe dann gesagt, dass er, der Kläger, Somalia verlassen müsse.
4Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 21. Januar 2014 gab der Kläger an, er habe in N. in dem Stadtteil N1. mit seinem Vater, seine Stiefmutter und seinen Geschwistern gelebt. Er habe einen richtigen Bruder gehabt. Sein Vater habe viele Frauen und viele weitere Kinder gehabt. Sie hätten dort in einem Haus zur Miete gewohnt. Außerdem lebe noch seine Familie in N. , und zwar in L. . Im Jahre 2009 seien sie nach N1. geflüchtet. Er habe die 9. Schulklasse abgeschlossen, danach aber nicht gearbeitet, sondern von seinem Vater gelebt. Zu seinen Asylgründen gab der Kläger an, er sei Schüler gewesen. Damals habe es noch keine al-Shabaab, sondern die Islamisten gegeben. Die Schule habe mit ihnen zusammengearbeitet. Die Schüler seien immer mit ihrem Lehrer mitgegangen. Es habe dann das Problem mit dem Lehrer gegeben. Einige Schüler seien gestorben. Die Eltern hätten davon nichts gewusst. Er sei in L. gewesen, die Schule in T. . Als sein Vater das mitbekommen habe, habe er ihn von der Schule genommen und in eine andere Schule gebracht. Dies sei im Jahre 2008 gewesen. Als sie im Jahre 2009 nach N1. gekommen seien, sei dort die al-Shabaab gewesen. Sie hätten die Schüler getötet. Die Regierungssoldaten hätten ebenfalls Schüler getötet. Persönlich habe er keinen Kontakt zu Anhängern der al-Shabaab oder den Regierungssoldaten gehabt. Ende 2010 habe er den Entschluss gefasst, aus Somalia auszureisen. Auf Frage nach dem Grund für diesen Entschluss führte der Kläger aus, es seien viele Flüchtlinge nach N1. gekommen. Es habe dort außerdem die Regierungssoldaten und die al-Shabaab gegeben. Auf Frage, was das Schlimmste gewesen sei, was ihm vor seiner Ausreise aus Somalia geschehen sei, gab der Kläger an, die al-Shabaab und die Regierungssoldaten seien überall gewesen.
5Mit Bescheid vom 01. April 2014 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote was nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihm die Abschiebung nach Somalia an.
6Der Kläger hat am 11. April 2014 Klage erhoben.
7Er beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 01. April 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
9hilfsweise,
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 01. April 2014 zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise,
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 01. April 2014 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 des AufenthG hinsichtlich Somalias in seiner Person vorliegen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (vgl. § 102 Abs. 1 VwGO).
19Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 01. April 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG (nachfolgend I.). Es liegen in seiner Person auch keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG vor (II.). Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erfüllt.
21I.
22Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in seiner Person.
23Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 b Abs. 1 AsylVfG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3 a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
25Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 22.12 -, juris Rn. 19 m.w.N.
27Diese Anforderungen gelten auch für den Fall, dass die Verfolgung nicht von dem Staat, sondern von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Nach § 3 c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
28Nach diesen Kriterien kann eine Verfolgung aufgrund asylrelevanter Merkmale nicht festgestellt werden. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass er wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in irgendeiner Weise verfolgt worden sein könnte. Es lässt sich nicht feststellen, dass er in Anknüpfung an eines dieser Merkmal von Al-Kaida bzw. al-Shabaab drangsaliert worden sein könnte. Im Übrigen ist sein Vorbringen hierzu auch nicht glaubhaft, da es in wesentlichen Punkten widersprüchlich ist. So hat der Kläger bei der Beschuldigtenvernehmung durch die Bundespolizeiinspektion Aachen am 21. Juli 2013 bekundet, 2010 sei Al-Kaida zu ihnen gekommen; sie hätten seinen Bruder mitgenommen; später sei auch er, der Kläger, immer wieder aufgefordert worden, für sie zu kämpfen. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Januar 2014, also knapp ein halbes Jahr später, war davon gar nicht mehr die Rede. Im Gegenteil hat der Kläger auf Nachfrage bestätigt, mit den Milizen der al-Shabaab keinen Kontakt gehabt zu haben. Stattdessen hat er vorgebracht, es habe ein Problem in der Schule gegeben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger bekundet, sein älterer Bruder habe sich der al-Shabaab angeschlossen. Dies sei Ende 2008 gewesen. Was nun richtig ist - nach der einen Version ist der Bruder von Al-Kaida 2010 mitgenommen worden, nach der anderen hat er sich Ende 2008 der al-Shabaab angeschlossen, das eine Mal hat der Kläger den Versuch einer ihn selbst betreffenden Zwangsrekrutierung erwähnt, das andere Mal nicht -, muss offenbleiben. Es ist nicht Sache des Gerichts, sich von mehreren möglichen Schilderungen diejenige herauszusuchen, die "am stimmigsten" daherkommt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ein Problem in der Schule vorgetragen hat, ist schon nicht klar, inwiefern darin eine Verfolgung zu sehen sein sollte. Im Übrigen hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen, dies habe sich 2008 ereignet. Für seine Ausreise aus Somalia im Jahre 2011 kann das Geschehen drei Jahre zuvor nicht ausschlaggebend gewesen sein.
29II.
30Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG wegen der allgemeinen Situation in Somalia.
31Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgetragen hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
32a) Es spricht zwar (noch) einiges dafür, von einem innerstaatlichen Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG in Somalia auszugehen.
33Vgl. BayVGH, Urteil vom 14.01.2013 – 20 B 12.30349 – juris; VG Augsburg, Urteil vom 29.01.2014 – Au 7 K 13.30389 –, juris Rn. 75; VG München, Urteil vom 20.09.2013 – M 11 K 13.30514 – juris; zweifelnd dagegen VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 - RN 7 K 14.30016 -, juris Rn. 20.
34Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits liegt ein Konflikt nicht vor bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen.
35Vgl. EuGH, Urteil vom 30.01.2014 – Rs. C 285/12 –, juris; BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 22; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 23; VGH BW, Urteile vom 06.03.2012 - A 11 S 3070/11 -, juris Rn. 23, und A 11 S 3177/11 -, juris Rn. 26 f.
36Der innerstaatliche Konflikt muss sich dabei - unabhängig von seiner Erscheinungsform - nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes ist grundsätzlich auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die der Ausländer typischerweise zurückkehren wird.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15/12 –, juris Rn. 13 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 77 f. m.w.N.
38Die Lage in Somalia stellt sich wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne effektive Staatsgewalt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile: das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ auf dem gleichnamigen ehemaligen britischen Kolonialgebiet im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. Die bisherige Übergangsregierung versuchte erfolglos, eine Befriedung oder zumindest relative Stabilisierung des Landes zu erreichen. Es herrschen fortwährend Kämpfe zwischen verschiedenen islamistischen und/oder nach Clangesichtspunkten organisierten Kriegsherren („warlords“) und ihren Milizen sowie zwischen Kräften, die der Übergangsregierung gegenüber loyal sind, und solchen, die sie bekämpfen. Die inzwischen abgelöste Übergangsregierung hat folglich keine wirksame Kontrolle über weite Teile Süd- und Zentralsomalias; vielmehr herrschen dort radikal-islamische Gruppen (al-Shabaab u.a.) vor.
39Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungs-relevante Lage in der Republik Somalia vom 02. Februar 2015, Seite 1.
40Im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen durch alle Bürgerkriegsakteure, die sich zum Teil auch gegen Kinder richten.
41Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungs-relevante Lage in der Republik Somalia vom 02. Februar 2015, Seite 11 f.
42Die in Somalia aktive militante islamistische Bewegung Harakaat al-Shabaab al-Mujaahidiin (al-Shabaab) bleibt die wesentliche Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Somalia und darüberhinaus am Horn von Afrika.
43Vgl. United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2011 (2013): Somalia (Stand: 2014), Seite 13 f.
44Sie ist aus der islamistischen Organisational-Itihaad al Islymiya (AIAI) hervorgegangen. Die AIAI war eine in den 1980er Jahren entstandende Gruppe somalischer Wahabiten, die die Regierung von Mohammed Siad Barre durch einen islamistischen Staat zu ersetzen bestrebt war. Ehemalige Mitglieder der AIAI gründeten die al-Shabaab, die darauf als Jugendmiliz in die Islamic Courts Union (ICU) integriert wurde. Die ICU war ein Zusammenschluss von Sharia-Gerichten und Warlords, der im Jahre 2005 die Kontrolle in N. und den südlichen Teilen Somalias übernahm. Auf Ersuchen der Ende 2004 gebildeten somalischen Übergangsregierung (Transitional Federal Government – TFG) gingen äthiopische Streitkräfte im E. 2006 gegen die ICU vor. Dies führte zu einem Aufstand gegen die äthiopischen und somalischen Streitkräfte, aus dem die al-Shabaab als die mächtigste bewaffnete Oppositionsgruppe in den südlichen und zentralen Landesteilen hervorging. Seit 2008 entwickelte sich die al-Shabaab von einer nationalistischen Organisation mit dem Ziel, die äthiopischen Truppen mit militärischen Mitteln zu vertreiben, zu einer transnationalen, terroristischen Bewegung, die sich als Teil des globalen Kriegs der al-Qaida gegen den Westen darstellt.
45Vgl. ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
462009 zogen sich die äthiopischen Truppen aus Somalia zurück und die al-Shabaab übernahm bis Ende 2010 die Kontrolle in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalias. Seither unterstützen Truppen der Afrikanischen Union (African Union Mission in Somalia - AMISOM) aus Uganda und Burundi die somalische Übergangsregierung. Im August 2011 zog sich die Al-Shabaab aus N. zurück – der letzte von der al-Shabaab gehaltene Distrikt Daynile wurde im Mai 2012 befreit - und kam auch in anderen Landesteilen unter Druck. In der ersten Jahreshälfte 2012 verlor sie die Kontrolle in mehreren Städten im Süden des Landes (Badhaadhe, Afmadow, Afgoye) und im September 2012 in Kismayo. Die al-Shabaab kontrollierte 2013 noch große Teile ländlicher Gebiete in Süd- und Zentralsomalia, darunter Gebiete in den Regionen Juba, Shabelle, Bay und Bakol.
47Vgl. ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014; United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2011 (2013): Somalia (Stand: 2014), Seite 14; Danish Immigration Service, Security an protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seite 5.
48Im Zuge der im März 2014 begonnenen „Operation Eagle“ und der nachfolgenden „Operation Indian Ocean“ ab September 2014 ist es der somalischen Armee (Somali National Army – SNA) und AMISOM bis Oktober 2014 gelungen, weitere Städte zu befreien und 80% des somalischen Staatsgebiets unter Kontrolle zu bringen.
49Vgl. im Internet „amisom-au.org/2014/10/joint-security-update-on-operation-indian-ocean-by-somali-government-and-amisom/“ (Zugriff am 10. April 2015); ferner EASO Country of Origin Information report: South and Central Somalia – Country overview (Stand: August 2014), Seite 84; Human Rights Watch: World Report 2015 - Somalia, 29. Januar 2015.
50Auf dieser Grundlage ist fraglich, ob für die „befreiten“ Regionen in Somalia, in denen es nicht mehr zu direkten bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, überhaupt noch das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu bejahen ist. Allerdings wird der erreichte Zustand in nahezu allen Berichten als fragil bezeichnet,
51vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in N. (Stand: 25. Oktober 2013), Seite 1 m.w.N.; ferner EASO, Country of Origin Information report: South and Central Somalia - Country Overview (Stand: August 2014), Seite 25,
52und er kann nur durch den Einsatz ausländischer und internationaler Truppen aufrecht erhalten werden. Die al-Shabaab hat auf die durch das offensive Vorgehen von SNA und AMISOM bewirkten erheblichen Territorialverluste mit einem Wechsel in der Strategie reagiert. Sie präferiert nunmehr eine asymetrische Kriegführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (sog. IED – Improvised Explosive Device) und überfallartige Angriffe (hit and run) umfasst.
53Vgl. EASO Country of Origin Information report: South and Central Somalia – Country overview (Stand: August 2014), Seite 85; Danish Immigration Service, Security an protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seite 9; Human Rights Watch: World Report 2015 - Somalia, 29. Januar 2015.
54Al-Shabaab hat demgemäß auch nicht den Versuch unternommen, N. zurückzuerobern, auch nicht die Außenbezirke der Stadt.
55Vgl. Danish Immigration Service, Security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seite 5.
56b) Selbst wenn man auf dieser Grundlage einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt annimmt, ist indes nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel nicht anzunehmen, dass in der Person des Klägers das Tatbestandsmerkmal der "ernsthaften individuellen Bedrohung" infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG erfüllt ist.
57Eine individuelle Bedrohung ist anzunehmen, wenn der Ausländer spezifisch aufgrund von Umständen betroffen ist, die seiner persönlichen Situation innewohnen. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar. Die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Fall "allgemeiner" Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, ist allerdings nach der Rechtsprechung des BVerwG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, der auch und gerade die Gefahr infolge von "willkürlicher Gewalt" einbezieht, keine Sperrwirkung entfaltet. Mit dem Element willkürlicher Gewalt soll deutlich gemacht werden, dass es auch und gerade um Fälle von unvorhersehbarer, wahlloser Gewalt geht, die sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 17 ff.; Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 -, juris Rn. 13 ff.
59Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Ausländers kann daher bei richtlinienkonformer Auslegung selbst bei entsprechenden allgemeinen Gefahren ausnahmsweise dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 –, juris Rn. 13; Urteil vom 17.11.2011 – 10 C 13/10 –, juris, jeweils zu einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG; BayVGH, Beschluss vom 19.02.2015 – 13a ZB 14.30450 –, juris Rn. 7 m.N.; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 57 ff. m.w.N.
61Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
62Es gibt zum einen keine gefahrerhöhenden Umstände in der Person des Klägers. Eine Erhöhung des Risikos ergibt sich nicht schon aus seiner - freilich nur theoretischen - Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an.
63Vgl. EASO Country of Origin Information report: South and Central Somalia – Country overview (Stand: August 2014), Seite 106.
64Da sie in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen, v.a. auch Binnenvertriebenen, ergibt sich daraus aber nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung.
65Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 – RO 7 K 13.30801 –, juris Rn. 25.
66Zum anderen hat die aufgezeigte militärische und politische Entwicklung in Somalia zu einer Verbesserung der Sicherheitslage geführt. Dies gilt zwar nicht uneingeschränkt landesweit. Es trifft aber jedenfalls auf N. zu, woher der Kläger stammt.
67Nach den Erkenntnissen des Österreichischen Bundesasylamts hat sich die generelle Sicherheitssituation für die dortige Bevölkerung verbessert. Diese Verbesserungen betreffen in erster Linie die Bezirke im Zentrum, den Westen der Stadt und die Hafengegend. Die Bewegungsfreiheit hat sich deutlich verbessert, illegale Straßensperren wurden entfernt, die noch verbliebenen sind von staatlichen Sicherheitskräften besetzt worden.
68Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation – Somalia: Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 19 f. m.w.N.
69Das liegt daran, dass die frühere faktische Aufteilung der Hauptstadt in zwei Zonen, eine von der al-Shabaab kontrollierten und eine von der somalischen Regierung und den internationalen Truppen kontrollierten, aufgehoben wurde und durch N. keine Front mehr verläuft, die früher viele Opfer gekostet hatte.
70Vgl. Danish Immigration Service, Security an protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seite 6.
71Durchgehend treffen Heimkehrer aus IDP-Lagern im Afgooye-Korridor, aus anderen somalischen Regionen und aus der Diaspora ein. Straßenbeleuchtung wurde in manchen Straßen installiert. Anzeigen können bei der Polizei gemacht werden. Die Müllabfuhr und Straßenreinigung haben ihren Dienst wieder aufgenommen. Es werden Investitionen getätigt und traditionelle Feierlichkeiten werden wieder begangen. Noch viele weitere Zeichen von Normalität weisen auf einen signifikanten Anstieg an Sicherheit hin, der innerhalb der vergangenen zwölf Monate in N. zu verzeichnen ist. Die noch im Jahr 2012 von einigen Experten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Gefahr, dass Clan-Milizen in N. befindliche Oberhand gewinnen könnten, kann als nicht mehr gegeben bezeichnet werden. Die Milizen von Warlords sind weitgehend verschwunden, eine letzte existiert im Bezirk Medina. Die Präsenz der Polizei hat zugenommen. Sie reagiert auf kriminelle Handlungen, und jede Tat kann angezeigt werden. Allerdings ist die Erfolgsquote noch gering. Folglich wird Polizei zwar nicht von der Bevölkerung bejubelt, aber toleriert.
72Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation – Somalia: Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 19 f. m.w.N.; ferner EASO, Country of Origin Information report: South and Central Somalia - Country Overview (Stand: August 2014), Seite 75 zu problematischen Distrikten in N. .
73Das österreichische Bundesasylamt kommt auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, dass N. vielleicht noch nicht befriedet sei, sich jedoch definitiv nicht im Kriegszustand befinde. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht nach der Vertreibung der al-Shabaab aus N. August 2011, der Wahl eines Parlamentes im August 2012 sowie der Wahl von Hassan Sheik Mohamud zum neuen Präsidenten Somalias im September 2012 davon aus, dass die Hauptstadt N. unter Kontrolle der somalischen Regierung ist,
74vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in N. (Stand: 25. Oktober 2013), Seite 1 m.w.N.
75Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies hängt damit zusammen, dass nach bisheriger Erkenntnislage - bedingt durch die oben bereits beschriebene strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Angehörige von AMISOM, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräften, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker und Deserteure.
76Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation - Somalia Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 43; Danish Immigration Service, Security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seiten 6 f., 12 f.; United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2011 (2013): Somalia (Stand: 2014), Seite 304.
77Die Anschläge konkret in N. verdeutlichen dies. Im vergangenen Jahr – ab April 2014 – sind hier nach den vorliegenden Erkenntnisquellen folgende Anschläge verübt worden:
78April 2014
79Am 21. April wurde der Parlamentsabgeordnete Isak Mohamed Rino bei einem Anschlag mit einer Autobombe getötet, ein weiterer Abgeordneter, Mohamed Ali, wurde dabei verletzt. Die Al-Shabaab übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Nur einen Tag später wurde der Parlamentsabgeordnete Abdiaziz Isak erschossen.
80Vgl. AFP, Bericht vom 22. April 2014: „Somali lawmaker shot dead, second in 24 hours“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014;
81Mai 2014
82Mindestens sieben Menschen, darunter ein Polizeibeamter, wurden bei einem Bombenanschlag getötet. Die al-Shabaab bezichtigte sich des Anschlags und bezeichnete den getöteten Polizeibeamten als „Feind Allahs“ und beschuldigte ihn, mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet zu haben. Bei dem mit einer Autobombe auf einer belebten Straße im Zentrum der Hauptstadt verübten Anschlag starben nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP vier Polizisten. Unter Berufung auf einen Augenzeugen berichtete sie ferner, dass Sicherheitskräfte den Tatort abgeriegelt und das Feuer eröffnet hätten, um sich nähernde Zuschauer zu vertreiben. Dabei sollen eine Mutter und ihre Kinder ums Leben gekommen sein.
83Vgl. AFP, Bericht vom 03. Mai 2014: „Somali official among seven killed in Mogadishu bombing“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
84Der somalische Politiker Farah Dahir Jimale und eine weitere Person wurden bei einem Autobombenanschlag in N. verwundet. Keine Gruppe übernahm die Verantwortung für den Anschlag.
85Vgl. AFP, Bericht vom 19. Mai 2014: „Bombing in Somali capitol wounds politician: local official“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
86Mindestens zehn Menschen, darunter vier Polizisten und mehrere Kämpfer, wurden Ende Mai bei einem Anschlag der al-Shabaab auf das Parlament in N. getötet, zwei Abgeordnete wurden bei der Evakuierung des Parlamentsgebäudes verwundet.
87Vgl. BBC, Bericht vom 24. Mai 2014: „Somalia Parliament attacked by Al-Shabab in Mogadishu, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
88Juni 2014
89Laut Polizeiangaben wurden mindestens zwei Personen bei der Explosion einer Bombe auf einem Markt in N. in der Nähe einer Polizeistation getötet. Bislang bekannte sich keine Gruppe zu dem Anschlag, jedoch gab die al-Schabaab zuvor an, ihre Angriffe während des Fastenmonats Ramadan verstärken zu wollen.
90Vgl. AFP, Bericht vom 30. Juni 2014: „At least two killed in Somal capital market bomb: police“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
91Juli 2014
92Laut Angaben der Polizei und von Medien wurden bei einem Selbstmordanschlag nahe dem somalischen Parlament mindestens vier Menschen – darunter zwei Polizisten – getötet und mehrere andere verwundet.
93Vgl. BBC, Bericht vom 05. Juli 2014: „Somalia parliament suicide car bomb kills four“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014
94Bei einem Angriff auf den Präsidentenpalast wurden drei der Angreifer getötet und ein vierter gefangengenommen.
95Vgl. BBC, Bericht vom 09. Juli 2014: „Somali security chiefs sacked after al-Shabab attack“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
96Eine bekannte Sängerin und Parlamentsabgeordnete, Saado Ali Warsame, und ein Begleiter wurden von der al-Schabaab in N. erschossen.
97Vgl. BBC, Bericht vom 23. Juli 2014: „Somali musician and MP Saado Ali Warsame shot dead“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
98August 2014
99Der Parlamentsabgeordnete Aden Madeer wurde von der al-Shabaab erschossen. Dabei handelt es sich um die fünfte Tötung eines Parlamentsmitglieds im Jahr 2014. Die al-Shabaab bezichtigte sich der Ermordung.
100Vgl. BBC, Bericht vom 01. August 2014: „Somali MP shot dead outside mosque by al-Shabab“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
101Bei einem Autobombenanschlag und einem Schusswechsel vor dem Hauptquartier des somalischen Nachrichtendienstes wurden mindestens sieben Mitglieder der al-Shabaab und vier weitere Personen getötet. Am Tag zuvor hatte die Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) angegeben, die Stadt Bulomarer eingenommen zu haben.
102Vgl. AFP, Bericht vom 30. August 2014: „Shebab rebels in car bomb, gun attack on Somalia intelligence HQ“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
103Oktober 2014
104Der somalische Präsident, Hassan Sheikh Mohamud, bezeichnete einen zuvor erfolgten Autobombenanschlag in N. mit mindestens 13 Toten als „Verzweiflungstat“ der al-Schabaab. Die al-Schabaab selbst bekannte sich nicht zu dem Anschlag.
105Vgl. AFP, Bericht vom 13. Oktober 2014: „Car bomb attack kills four in Somali capital: police“, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
106In N. wurden bei einem Autobombenanschlag vor einem Hotel laut offiziellen Angaben mindestens eine Person getötet und mehrere weitere verletzt. Keine Gruppe bekannte sich zu dem Anschlag, jedoch verübte die al-Schabaab in der Vergangenheit ähnliche Anschläge
107Vgl. AFP, Bericht vom 25. Oktober 2014: abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
108Der Leiter des N. -Büros eines somalischen TV-Senders mit Sitz in London wurde vor seinem Haus im Bezirk Howlawadag mehrmals angeschossen. Der Vorsitzende des nationalen Geheim- und Sicherheitsdienstes macht die al-Schabaab für den Angriff verantwortlich.
109Vgl. AFP, Bericht vom 14. Oktober 2014: abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
110November 2014
111In N. wurde ein Ingenieur, der für ein türkisches Unternehmen arbeitete, getötet. Keine Gruppe hat sich bislang zum Anschlag bekannt
112Vgl. AFP, Bericht vom 27. November 2014: One killed in Somalia bombing: police, abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
113E. 2014
114Bei einem Selbstmordanschlag der al-Schabaab auf einen UNO-Konvoi in N. wurden laut Polizeiangaben und Angaben der al-Schabaab 4 Personen getötet und 9 weitere verletzt.
115Vgl. AFP, Bericht vom 03. E. 2014: "Four killed in suicide attack on UN convoy in Somali capital: police", abrufbar über: ACCORD, ecoi.net-Themendossier zu Somalia: Al-Schabaab, E. 2014.
116Diese - vermutlich nicht abschließende, aber wohl eine Größenordnung anzeigende - Auflistung zeigt: Die al-Shabaab sieht es nicht gezielt auf Zivilisten ab, nimmt insoweit aber Opfer in Kauf.
117Vgl. Danish Immigration Service, Update on security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 1 to 15 November 2013, März 2014, Seite 19.
118Nimmt man dazu in Relation die Einwohnerzahl Mogadischus in den Blick - nach dem Eintrag in “The World Factbook” ist von 1,554 Millionen Personen (Stand: 2011) auszugehen,
119vgl. im Internet “cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so. html” (Zugriff am 10. April 2015),
120und auch das Auswärtige Amt geht von einer Einwohnerzahl von deutlich mehr als einer Million aus,
121vgl. auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Somalia_node.html – Stand: März 2015 - (Zugriff am 10. April 2015) -
122so ist die Schlussfolgerung nicht unvertretbar, dass eine ernsthafte individuelle Bedrohung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, wenn der Ausländer nicht - wie hier der Kläger - den oben angeführten Risikogruppen zugerechnet werden kann.
123Vgl. ebenso VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 – RO 7 K 13.30801 –, juris Rn. 22 ff. m.w.N.
124III.
125Zudem liegen die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nicht vor.
1261.) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
127Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15/12 –, juris Rn. 35 ff.
1292.) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
130Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10; Urteil vom 12.07.2011 – 1 C 2.01 –; OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 - 13 A 984/14.A -; jeweils zitiert nach juris.
131Wann danach allgemeine Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
132Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2013 - 13 A 1524/12.A -; Beschluss vom 04.01.2013 - 13 A 2635/12.A - und - 13 A 2673/12.A -, jeweils zitiert nach juris.
133Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sei, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maß auszulegen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist dann erreicht, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
134Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung. BayVGH, Urteil vom 08.11.2012 - 13a B 11.30465 -; und - 13a B 11.30391 -; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, jeweils zitiert nach juris.
135Daran fehlt es hier. Zwar ist der Kläger noch minderjährig, so dass die Gefahr der Zwangsrekrutierung gesehen werden muss. Allerdings würde er nach N. zurückkehren, das - wie oben dargelegt - von den al-Shabaab-Milizen befreit worden ist. Er gehört überdies den Hawiye, einem der Hauptclans in Somalia, an, dessen Schutz er genießt.
136Vgl. zur erheblichen Bedeutung der Clanzugehörigkeit Danish Immigration Service, Update on security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 1 to 15 November 2013, März 2014, Seite 35 f.; EASO, Country of Origin Information report: South and Central Somalia Country Overview, August 2014, Seite 101 f.
137Und schließlich ist der Kläger nicht auf sich allein gestellt, sondern kann zu seiner Familie zurückkehren, insbesondere - aber nicht nur - zu seinem Vater, der vor der Ausreise aus Somalia für ihn gesorgt hat und zu dem er auch noch Kontakt hat. In der mündlichen Verhandlung hat er auf Befragen erklärt, er habe erst in der vergangenen Woche mit seinem Vater telefoniert; es gehe ihm gut. Anhaltspunkte dafür, dass dieser nicht mehr in der Lage wäre, wie zuvor den Lebensunterhalt seines Sohnes sicherzustellen, sind nicht ersichtlich.
138Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00. 00. 1995 in Buuaale geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger vom Stamm der Ashraf. Er reiste am 15. Mai 2014 in das Bundesgebiet ein und stellte am 23. Mai 2014 einen Asylantrag.
3Bei einer Befragung durch die Bundespolizeidirektion I. – Bundespolizeiinspektion Flughafen I. am 17. Mai 2014 führte der Kläger aus, er habe sein Heimatland am 07. Mai 2014 verlassen. Von C. aus sei er mit einem Auto nach Tansania gebracht worden und von dort am 13. Mai 2014 mit dem Flugzeug nach Europa gereist. Wo er gelandet sei, könne er nicht sagen, da es dunkel gewesen sei und er sofort in ein Auto gestiegen sei. Danach sei er etwa zwei Tage lang nach I. gefahren. Grund für seine Flucht sei die Angst vor Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab-Milizen gewesen, für die er im Bürgerkrieg habe kämpfen sollen. Er habe keine Arbeit und kein Geld zum Leben in seiner Heimat gehabt. Seine Eltern und zwei Geschwister seien noch in Somalia. Sie wohnten zusammen in einer kleinen Hütte. Sein Onkel habe Grundstücke verkauft, um die Reise zu finanzieren; wieviel er bezahlt habe, wisse er, der Kläger, nicht.
4Im Rahmen eines Gesprächs zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates durch die Bundespolizeiinspektion Flughafen I. am selben Tag gab der Kläger an, nicht verheiratet zu sein.
5In einem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) am 23. Mai 2014 gab der Kläger an, er sei seit Dezember 2013 mit I1. B. B1. verheiratet. Sie halte sich in C. auf. Die Reise nach Deutschland habe 5.000 US-Dollar gekostet, die sein Onkel bezahlt habe.
6Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 07. Juli 2015 gab der Kläger an, er habe in der Zeit von 2012 bis zu seiner Ausreise im Jahre 2014 in C. gelebt. Dort hätten auch sein Onkel väterlicherseits, dessen Ehefrau und deren beiden Kinder gelebt. Sie seien jetzt im Jemen. Weitere Verwandte habe er in Somalia nicht. Er habe ein Geschäft für Lebensmittel und Zigaretten betrieben. Zu seinen Asylgründen führte er aus, er sei davongelaufen, da er Angst um sein Leben gehabt habe. Es habe dort keine Sicherheit gegeben. Man hätte ihn dort umgebracht. Zudem habe er eine Frau geheiratet. Ihr Vater habe die Zustimmung verweigert. Daher habe er, der Kläger, sie so mitgenommen. In seinem Geschäft habe er verschiedene Sachen verkauft, Lebensmittel, aber überwiegend Zigaretten. Eines Tages sei die Al-Shabaab gekommen und habe ihm verboten, mit Zigaretten zu handeln. Sie seien gegen alles, was westlich sei. Die Zigaretten seien seine Haupteinnahmequelle gewesen. Lebensmittel seien nicht so gut gelaufen. Daher habe er weiter Zigaretten verkauft. Sie seien zu ihm gekommen und hätten ihn geschlagen. Dann habe er aufgehört, Zigaretten zu verkaufen. Der Laden sei auch sehr schlecht gelaufen. Die Frau habe er heimlich geheiratet. Danach seien sie zusammen gewesen. Ihr Vater habe aber gesagt, dass er der Heirat nicht zugestimmt hätte, so dass sie unzulässig sei. Da seine Frau einem anderen, höherrangigen Clan angehöre, habe er sie nicht regulär heiraten können. Sie hätten ihn dazu zwingen wollen, sich von der Frau scheiden zu lassen. Er sei jedoch mit ihr geflüchtet. Den Laden habe er seit Ende 2013 bis kurz vor der Ausreise betrieben. Die Al-Shabaab sei zwei Monate vor der Ausreise in seinen Laden gekommen. Ihm sei bewusst gewesen, dass er nicht mit Zigaretten habe handeln dürfen. Er habe es trotzdem heimlich gemacht. Jemand müsse ihn verraten haben. Die Miliz sei zu ihm gekommen und habe ihn geschlagen und ihm gesagt, dass sie Beweise für den Zigarettenverkauf hätten. Sie hätten ihn weiter geschlagen. Er habe akzeptieren müssen, keine Zigaretten verkaufen zu können. Bei der Eheschließung habe es zwei Trauzeugen gegeben, Verwandte seiner Ehefrau, die ebenfalls anwesend gewesen seien. Sonst seien keine weiteren Personen dort gewesen. Die Ehe sei nach islamischem Recht geschlossen worden. Seine Verwandten hätten nicht teilnehmen wollen, damit sie keine Probleme bekämen. Seine Frau sei mit ihm geflohen, aber im Sudan geblieben. Er befürchte, von der Familie seiner Frau umgebracht zu werden, da er sie gegen den Willen der Familie geheiratet habe.
7Mit Bescheid vom 07. Juli 2015 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihm die Abschiebung nach Somalia an.
8Der Kläger hatte bereits zuvor, am 12. Januar 2015, Klage in Form der Untätigkeitsklage erhoben. Er führt aus, seine Eltern seien gestorben, er sei bei seinem Onkel und seiner Tante aufgewachsen. Sie hätten zwei eigene Kinder gehabt, die er seine Brüder genannt habe. Mit 14 Jahren sei er nach N. gezogen, um dort zur Schule zu gehen. Ende 2013 habe er ein kleines Geschäft eröffnete, in dem er unter anderem Lebensmittel, aber auch Zigaretten verkauft habe. Unter Al-Shabaab sei der Verkauf von Zigaretten verboten gewesen. Er sei der einzige Laden gewesen, der sich nicht das Verbot gehalten und unter der Hand verkauft habe. Jemand müsse ihn verraten haben. Deshalb hätten sie im März 2014 fünf maskierte Männer geschickt, die ihn aufgefordert hätten, die verbotenen Geschäfte einzustellen. Das habe er nicht tun können, denn die meisten Kunden seien zu ihm gekommen, um Zigaretten zu kaufen, und hätten dann manchmal auch Lebensmittel gekauft. Mit dem Einstellen des Zigarettenverkaufs hätte er seine Kundschaft verloren. Die Zigaretten habe er unter einer Unterlage auf dem Boden versteckt. Wenig später, etwa zwei bis vier Wochen, hätten sie wieder einen Al-Shabaab-Anhänger in Zivil geschickt, der nach Zigaretten gefragt habe. Ein anderer habe ihm dann eine Pistole vor die Nase gehalten. Sie hätten ihn aus seinem Laden gezogen und ihn zusammengeschlagen. Dann hätten sie von ihm abgelassen und erneut gefordert, er solle aufhören, den Menschen Gift zu verkaufen. Er habe den Verkauf von Zigaretten dann eingestellt. Der Laden sei nur noch schlecht gelaufen. Der eigentliche Grund seiner Flucht sei gewesen, dass er eine Frau geheiratet habe, deren Eltern mit der Heirat nicht einverstanden gewesen seien. Er gehöre zu einem diskriminierten und wenig angesehenen Stamm, nämlich zu den Ashraf. Im Dezember 2013 habe er seine Frau heimlich geheiratet. Ihre Eltern hätten sehr wütend reagiert, als sie im Mai 2014 erfahren hätten, dass er und seine Frau bereits seit einem halben Jahr verheiratet gewesen seien. Sie hätten ihm vorgeworfen, der Frau die Ehe aufgezwungen und sie vergewaltigt zu haben. Dies seien im Kontext der Al-Shabaab-Herrschaft, die auf Unzucht und Vergewaltigung die Todesstrafe setze, harte Vorwürfe.
9Nach Erlass des ablehnenden Bescheides vom 07. Juli 2015 beantragt er nunmehr,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 07. Juli 2015 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen,
11hilfsweise,
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 07. Juli 2015 zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen,
13weiter hilfsweise,
14die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 07. Juli 2015 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Somalias in seiner Person vorliegen.
15Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
16die Klage abzuweisen.
17Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (vgl. § 102 Abs. 1 VwGO).
21Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 07. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
22Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG - keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG (nachfolgend I.). Es liegen in seiner Person auch keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG vor (II.). Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erfüllt (III.).
23I.
24Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in seiner Person.
25Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 b Abs. 1 AsylG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
26Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). § 3 a Abs. 2 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
27Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 22.12 -, juris Rn. 19 m.w.N.
29Nach § 3 c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von 1.) dem Staat, 2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder 3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
30Nach diesen Kriterien kann eine Verfolgung aufgrund asylrelevanter Merkmale nicht festgestellt werden. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass er wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in irgendeiner Weise verfolgt worden ist.
31Sein Vorbringen ist nicht glaubhaft. Generelle Zweifel an der Glaubhaftigkeit ergeben sich bereits aus seinen widersprüchlichen Angaben zum Reiseweg. So hat er bei der Befragung durch die Bundespolizeiinspektion I. am 17. Mai 2014 erklärt, er sei am 13. Mai 2014 in eine unbekannte Stadt in Europa geflogen und dort sofort in ein Auto gestiegen; nach einer zweitägigen Fahrt sei er in I. angekommen. Es ist an sich schon nicht zu glauben, dass der Kläger nicht mitbekommen haben soll - sei es durch andere Passagiere, sei es durch Schilder auf dem Flughafen oder auf andere Weise -, wo die Maschine gelandet ist. Noch unglaubhafter wird sein Vortrag freilich durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung. Denn hier hat er bekundet, er sei mit dem Flugzeug nach einer Zwischenlandung in I. gelandet. Eine plausible Erklärung für diese gegensätzlichen Aussagen hat der Kläger nicht geben können.
32Dass er sich von Tansania aus direkt nach Europa begeben haben will, verträgt sich im Übrigen nicht mit dem Umstand, dass nach den Erkenntnissen des Bundesamtes am 07. April 2014 in Nairobi/Kenia ein Visum für den Kläger für Spanien ausgestellt worden ist, wenn man - was naheliegend ist - annimmt, dass er dort zur Erteilung des Visums persönlich vorgesprochen hat.
33Zweifel sind auch an seiner Aussage zur Finanzierung der Reise angebracht. Bei der Befragung durch die Bundespolizeiinspektion I. am 17. Mai 2014 hat er ausgesagt, sein Onkel habe Grundstücke verkauft, um die Reise zu finanzieren. Wie viel er bezahlt habe, könne er nicht sagen. Demgegenüber hat er nur eine knappe Woche später, am 23. Mai 2014, vor dem Bundesamt erklärt, die Reise habe 5.000 US-Dollar gekostet; sein Onkel habe ihm die Reise finanziert. Zur Klagebegründung hat er vorgetragen, sein Onkel habe ihm etwas Geld gegeben. Den Reisepreis hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Allerdings hat er abweichende Angaben zur Herkunft des Geldes gemacht. Denn hier hat er bekundet, er habe ein Grundstück geerbt und es dann verkauft. Sein Onkel habe ihm dabei geholfen. Auch insoweit fehlt es an einer plausiblen Begründung für die Diskrepanz in den Aussagen.
34Unklar ist dem Gericht ferner der Verbleib der Ehefrau des Klägers geblieben. Bei der Befragung durch das Bundesamt am 23. Mai 2014 hieß es noch, sie halte sich in C. auf. Im Gegensatz dazu hat er zur Klagebegründung und auch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, sie sei im Sudan. Ob überhaupt eine der beiden Aussagen zutrifft, vermag die Kammer nicht zu beurteilen.
35Ferner hat er gegenüber der Bundespolizeiinspektion I. am 17. Mai 2014 berichtet, seine Eltern und seine beiden Geschwister seien noch in Somalia. Dass es sich nicht um seine leiblichen Eltern gehandelt haben soll, sondern um Onkel und Tante und deren Kinder, ist hier in keiner Weise deutlich geworden, obwohl es nahegelegen hätte, darauf hinzuweisen - wenn es denn so gewesen wäre.
36Ungeachtet dieser generellen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens nimmt die Kammer dem Kläger auch nicht ab, mit der Al-Shabaab-Miliz ein Problem gehabt zu haben. Seine Angaben hierzu sind vage und unsubstantiiert. Sie sind durchweg so detailarm, dass nicht der Eindruck eines tatsächlich erlebten Geschehens entsteht. Insofern sieht die Kammer von einer weiteren Begründung ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auffällig ist überdies, dass er von den konkreten Vorfällen in Zusammenhang mit seinem Kiosk bei der Befragung durch die Bundespolizeiinspektion am 17. Mai 2014 kein Wort erwähnt hat; hier war vielmehr nur die Rede davon, dass er Angst vor einer Zwangsrekrutierung habe. Entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit seines Vortrags spricht jedoch, dass er es im Lauf des Verfahrens erheblich gesteigert hat. Denn in der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, dass die Al-Shabaab-Anhänger, die ihn überfallen hätten, die Brüder seiner Ehefrau gewesen seien. Warum er diesen wesentlichen Umstand, von dem er bereits unmittelbar nach dem Überfall auf seinen Kiosk bereits durch Nachbarn erfahren haben will, erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnt hat, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Gerade die schriftliche Klagebegründung, die er offensichtlich mit Unterstützung anderer erstellt hat, hätte er ohne weiteres dafür nutzen können (und müssen), darauf hinzuweisen. Jedenfalls kann er sich mit Blick darauf nicht auf den Standpunkt zurückziehen, er habe beim Bundesamt nur kurz antworten sollen - was nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung ohnehin nicht seinem Aussageverhalten entspricht. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer in dem neuen Vortrag des Klägers den - freilich untauglichen - Versuch, die beiden von ihm geltend gemachten Asylgründe miteinander zu verknüpfen und darzutun, dass er auch wegen der Heirat ein Problem mit der Al-Shabaab-Miliz hat. Der Wahrheit entspricht dieser Vortrag mit den Händen greifbar nicht.
37Selbst wenn man sein Vorbringen zum Betreiben des Kiosks als glaubhaft unterstellt, kommt man nicht zur Feststellung einer asylrechtlich relevanten Verfolgung. Anlass der vom Kläger geschilderten Übergriffe waren in keinem Fall persönliche Merkmale, etwa seine Clanzugehörigkeit, sondern der Umstand, dass er Zigaretten verkauft hat.
38Zum anderen ist auch in Zusammenhang mit der „heimlichen“ Heirat keine asylrechtlich relevante Verfolgung gegeben. Schon beim Bundesamt hat der Kläger konkrete Verfolgungshandlungen nicht schildern können. In der mündlichen Verhandlung hat er noch nicht einmal darlegen können, dass er gezwungen sein soll, sich von der Frau scheiden zu lassen. Die Frage seines Prozessbevollmächtigten, von wem und wie er gezwungen worden sein soll, ist unbeantwortet geblieben. Nur "das Gefühl" gehabt zu haben reicht offensichtlich nicht.
39II.
40Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylG wegen der allgemeinen Situation in Somalia.
41Ein Ausländer ist subsidiär schutzberechtigt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgetragen hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG u.a. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
42a) Es spricht zwar einiges für die Annahme eines innerstaatlichen Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Somalia.
43Vgl. BayVGH, Urteil vom 14.01.2013 – 20 B 12.30349 – juris; VG Göttingen, Urteil vom 21.07.2015 – 3 A 626/14 – Rn. 20, juris; VG Augsburg, Urteil vom 29.01.2014 – Au 7 K 13.30389 –, juris Rn. 75; VG München, Urteil vom 20.09.2013 – M 11 K 13.30514 – juris; zweifelnd dagegen VG Stade, Urteil vom 05.10.2015 – 3 A 3658/13 – Rn. 36 ff. m.w.N., juris; VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 - RN 7 K 14.30016 -, juris Rn. 20.
44Ein solcher Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Auseinandersetzungen im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits besteht ein solcher Konflikt nicht bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen.
45Vgl. EuGH, Urteil vom 30.01.2014 – Rs. C 285/12 –, juris; BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 22; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 23; VGH BW, Urteile vom 06.03.2012 - A 11 S 3070/11 -, juris Rn. 23, und A 11 S 3177/11 -, juris Rn. 26 f.
46Zur allgemeinen Lage in Somalia verweist die Kammer auf die umfassende Darstellung in ihrem Urteil vom 13. April 2015 - 7 K 711/14.A - Rn. 34 ff. m.w.N., juris. Seither ist keine wesentliche Änderung der Situation zu verzeichnen. Die in Somalia aktive militante islamistische Bewegung Harakaat al-Shabaab al-Mujaahidiin (al-Shabaab) bleibt die wesentliche Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Somalia und darüber hinaus am Horn von Afrika.
47Vgl. United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2182 (2014): Somalia (Stand: Oktober 2015), Seite 26 ff.
48Auch weiterhin besteht aufgrund der strategischen Auswahl der Anschlagsziele für bestimmte Berufsgruppen eine erhöhte Gefahr, Opfer eines Anschlags der Al-Shabaab zu werden, nämlich Regierungsmitarbeiter, Angehörige von AMISOM, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräften, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker und Deserteure.
49Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation - Somalia Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 43; Danish Immigration Service, Security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia - Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seiten 6 f., 12 f.; United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2011 (2013): Somalia (Stand: 2014), Seite 304.
50Die Berichterstattung über die seit April 2015 verübten Anschläge verdeutlicht das.
51Vgl. NZZ vom 16.04.2015: Schwerer Anschlag in Somalia (Anschlag auf das Bildungsministerium in N. ); SZ vom 21.04.2015 (zehn Tote bei Angriff auf UN-Bus); BBC News vom 13. Mai 2015 (Ermordung von zwei Parlamentsmitgliedern); NZZ vom 23.06.2015 (fehlgeschlagener Angriff auf Geheimdienstschule; FAZ vom 27.06.2015 (Tötung von 50 Soldaten in Leego); FR vom 28.07.2015 (mindestens 15 Tote bei Anschlag auf das vor allem von Diplomaten besuchte Jazeera-Hotel in N. ); NZZ vom 06.08.2015 (UNO-Mitarbeiter in N. erschossen); NZZ vom 29.08.2015 (Al-Shabaab-Angriff auf Militärkonvoi, 32 Al-Shabaab-Mitglieder und 11 Soldaten getötet); SZ vom 02.09.2015: Militärbasis gestürmt (70 Soldaten aus Uganda getötet); BBC News vom 07.10.2015: Somali president´s nephew killed in al-Shabab attack; Spiegel Online vom 01.11.2015: Angreifer zünden zwei Bomben - und stürmen Hotel (das dem Bericht zufolge oft von Regierungsvertretern und Abgeordneten genutzt wird).
52Nur vereinzelt und im Zusammenhang mit den soeben aufgelisteten Fällen nur zufällig werden Privatpersonen Opfer von Anschlägen der Al-Shabaab.
53Vgl. FR vom 22.04.2015 (5 Tote bei Explosion einer Autobombe in N. vor einem belebten Café); BBC-News vom 24.04.2015 (Tötung eines Mannes wegen Beledigung des Propheten in der Region Lower Juba).
54b) Selbst wenn man aber auf dieser Grundlage einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt annähme, wäre nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln nicht anzunehmen, dass in der Person des Klägers das Tatbestandsmerkmal der "ernsthaften individuellen Bedrohung" infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllt ist. Eine individuelle Bedrohung ist anzunehmen, wenn der Ausländer spezifisch aufgrund von Umständen betroffen ist, die seiner persönlichen Situation innewohnen. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar. Die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Fall "allgemeiner" Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, ist allerdings nach der Rechtsprechung des BVerwG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, der auch und gerade die Gefahr infolge von "willkürlicher Gewalt" einbezieht, keine Sperrwirkung entfaltet. Mit dem Element willkürlicher Gewalt soll deutlich gemacht werden, dass es auch und gerade um Fälle von unvorhersehbarer, wahlloser Gewalt geht, die sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 17 ff.; Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 -, juris Rn. 13 ff.
56Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Ausländers kann daher bei richtlinienkonformer Auslegung selbst bei entsprechenden allgemeinen Gefahren ausnahmsweise dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 – 10 C 9/08 –, juris Rn. 13; Urteil vom 17.11.2011 – 10 C 13/10 –, juris, jeweils zu einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG; BayVGH, Beschluss vom 19.02.2015 – 13a ZB 14.30450 –, juris Rn. 7 m.N.; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 57 ff. m.w.N.
58Daran fehlt es hier.
59Generell ist anzumerken, dass die militärische und politische Entwicklung in Somalia zu einer Verbesserung der Sicherheitslage geführt hat. Dies gilt zwar nicht uneingeschränkt landesweit. Es trifft aber jedenfalls auf N. zu, wo der Kläger einen Teil seiner Jugend verbracht hat und wohin er zurückkehren könnte.
60Nach den Erkenntnissen des Österreichischen Bundesasylamts hat sich die generelle Sicherheitssituation für die dortige Bevölkerung verbessert. Diese Verbesserungen betreffen in erster Linie die Bezirke im Zentrum, den Westen der Stadt und die Hafengegend. Die Bewegungsfreiheit hat sich deutlich verbessert, illegale Straßensperren wurden entfernt, die noch verbliebenen sind von staatlichen Sicherheitskräften besetzt worden.
61Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation – Somalia: Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 19 f. m.w.N.
62Das liegt daran, dass die frühere faktische Aufteilung der Hauptstadt in zwei Zonen, eine von der al-Shabaab kontrollierten und eine von der somalischen Regierung und den internationalen Truppen kontrollierten, aufgehoben wurde und durch N. keine Front mehr verläuft, die früher viele Opfer gekostet hatte.
63Vgl. Danish Immigration Service, Security an protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seite 6.
64Durchgehend treffen Heimkehrer aus IDP-Lagern im Afgooye-Korridor, aus anderen somalischen Regionen und aus der Diaspora ein. Straßenbeleuchtung wurde in manchen Straßen installiert. Anzeigen können bei der Polizei gemacht werden. Die Müllabfuhr und Straßenreinigung haben ihren Dienst wieder aufgenommen. Es werden Investitionen getätigt und traditionelle Feierlichkeiten werden wieder begangen. Noch viele weitere Zeichen von Normalität weisen auf einen signifikanten Anstieg an Sicherheit hin, der innerhalb der vergangenen zwölf Monate in N. zu verzeichnen ist. Die noch im Jahr 2012 von einigen Experten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Gefahr, dass Clan-Milizen in N. befindliche Oberhand gewinnen könnten, kann als nicht mehr gegeben bezeichnet werden. Die Milizen von Warlords sind weitgehend verschwunden, eine letzte existiert im Bezirk Medina. Die Präsenz der Polizei hat zugenommen. Sie reagiert auf kriminelle Handlungen, und jede Tat kann angezeigt werden. Allerdings ist die Erfolgsquote noch gering. Folglich wird Polizei zwar nicht von der Bevölkerung bejubelt, aber toleriert.
65Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation – Somalia: Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 19 f. m.w.N.; ferner EASO, Country of Origin Information report: South and Central Somalia - Country Overview (Stand: August 2014), Seite 75 zu problematischen Distrikten in N. .
66Das österreichische Bundesasylamt kommt auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, dass N. vielleicht noch nicht befriedet sei, sich jedoch definitiv nicht im Kriegszustand befinde. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht nach der Vertreibung der al-Shabaab aus N. im August 2011, der Wahl eines Parlamentes im August 2012 sowie der Wahl von Hassan Sheik Mohamud zum neuen Präsidenten Somalias im September 2012 davon aus, dass die Hauptstadt N. unter Kontrolle der somalischen Regierung ist,
67vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in N. (Stand: 25. Oktober 2013), Seite 1 m.w.N.
68Mittlerweile haben wieder 200 Hotels in N. geöffnet, der C1. -Markt ist wieder ein belebtes Einkaufsviertel, und es gibt ein neues Bankensystem, das es den Somaliern erstmals erlaubt, an Automaten Geld abzuheben und in Geschäften mit Karte zu bezahlen.
69Vgl. FR vom 28.10.2015: Eine Hoffnung namens N. .
70Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies hängt damit zusammen, dass nach bisheriger Erkenntnislage - bedingt durch die oben bereits beschriebene strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Angehörige von AMISOM, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräften, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker und Deserteure.
71Vgl. Bundesasylamt der Republik Österreich, Staatendokumentation - Somalia Sicherheitslage (Stand: 25. Juli 2013), Seite 43; Danish Immigration Service, Security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 6 April to 7 May 2013, Seiten 6 f., 12 f.; United Nations Security Council, Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea pursuant to Security Council resolution 2011 (2013): Somalia (Stand: 2014), Seite 304.
72Die al-Shabaab sieht es nicht gezielt auf Zivilisten ab, nimmt insoweit aber Opfer in Kauf.
73Vgl. Danish Immigration Service, Update on security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia – Joint report from the Danish Immigration Service´s and the Norwegian Landinfo´s fact finding mission to Nairobi, Kenya, and Mogadishu, Somalia, 1 to 15 November 2013, März 2014, Seite 19.
74Nimmt man dazu in Relation die Einwohnerzahl Mogadischus in den Blick - nach dem Eintrag in “The World Factbook” ist von 1,554 Millionen Personen (Stand: 2011) auszugehen,
75vgl. im Internet “cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so. html” (Zugriff am 10. April 2015),
76und auch das Auswärtige Amt geht von einer Einwohnerzahl von deutlich mehr als einer Million aus,
77vgl. auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Somalia_node.html – Stand: März 2015 - (Zugriff am 10. April 2015) -
78so ist die Schlussfolgerung nicht unvertretbar, dass eine ernsthafte individuelle Bedrohung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, wenn der Ausländer nicht - wie hier der Kläger - den oben angeführten Risikogruppen zugerechnet werden kann.
79Vgl. ebenso VG Stade, Urteil vom 05.10.2015 – 3 A 3658/13 – Rn. 66 ff., juris; VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 – RO 7 K 13.30801 –, juris Rn. 22 ff. m.w.N.; wohl a.A. VG Göttingen, Urteil vom 21.07.2015 – 3 A 626/14 – juris.
80Es gibt auch sonst keine gefahrerhöhenden Umstände in der Person des Klägers.
81Eine Erhöhung des Risikos ergibt sich nicht aus seiner - freilich nur theoretischen - Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an.
82Vgl. EASO Country of Origin Information report: South and Central Somalia – Country overview (Stand: August 2014), Seite 106.
83Da sie in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen, v.a. auch Binnenvertriebenen, ergibt sich daraus aber nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung.
84Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 08.01.2015 – RO 7 K 13.30801 –, juris Rn. 25.
85Auch den behaupteten Konflikt mit der Al-Shabaab im Zusammenhang mit dem Verkauf von Zigaretten sieht die Kammer nicht als einen gefahrerhöhenden Umstand an. Das Vorbringen ist schon, wie dargelegt, nicht glaubhaft. Selbst wenn man es als wahr unterstellt, wäre eine andere Bewertung nicht gerechtfertigt. Die Ereignisse sollen sich in C. zugetragen, weit weg von N. . Warum er auch in N. Gefahr laufen sollte, wegen des Verkaufs von Zigaretten - der überdies eingestellt worden ist - von der Al-Shabaab-Miliz drangsaliert zu werden, ist nicht ersichtlich.
86III.
87Zudem liegen die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nicht vor. In Betracht kommt vorliegend allenfalls das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. An diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
88Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10; Urteil vom 12.07.2011 – 1 C 2.01 –; OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 - 13 A 984/14.A -; jeweils zitiert nach juris.
89Wann danach allgemeine Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
90Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2013 - 13 A 1524/12.A -; Beschluss vom 04.01.2013 - 13 A 2635/12.A - und - 13 A 2673/12.A -, jeweils zitiert nach juris.
91Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sei, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maß auszulegen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist dann erreicht, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
92Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung. BayVGH, Urteil vom 08.11.2012 - 13a B 11.30465 -; und - 13a B 11.30391 -; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, jeweils zitiert nach juris.
93Daran fehlt es hier. Angesichts der erheblichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers im Allgemeinen und konkret bezüglich der geltend gemachten Asylgründe sieht die Kammer keine Veranlassung, den Angaben des Klägers, der offensichtlich asyltaktisch agiert, überhaupt Glauben zu schenken. Das betrifft auch das Vorbringen zu seinen Eltern und die Behauptung, dass sein Onkel mit seiner Familie das Land verlassen haben sollen. So ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Somalia auf sich allein gestellt ist.
94Selbst wenn man zumindest partiell das Vorbringen des Klägers folgte und annähme, dass sein Onkel in den Jemen ausgereist sei, rechtfertigte das keine andere Beurteilung. Der Onkel hat den Kläger jahrelang unterstützt und für seine Ausreise die für somalische Verhältnisse immense Summe von 5.000 US-Dollar bezahlt. Es spricht daher nichts gegen die Annahme, dass er auch weiterhin bereit wäre, den Kläger zu unterstützen.
95Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung als Flüchtling.
Er ist nach seinen Angaben somalischer Staatsangehöriger und hat sich am 7.6.2010 in München als Asylsuchender gemeldet. Da seine Fingerabdrücke trotz mehrfacher erkennungsdienstlicher Behandlung im EURODAC-System nicht verwertbar waren (wie bei einer Vielzahl anderer Asylbewerber aus S. in diesem Zeitraum, vgl. VG Regensburg, Urteil vom 1.3.2011 Az. RN 7 K 10.30437 - juris), erging nach Betreibensaufforderung am 19.10.2010 ein Bescheid, mit dem festgestellt wurde, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1.) und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Kläger wurde zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung in den Herkunftsstaat angedroht (Ziffer 3.). Der Kläger hat gegen den Bescheid Klage erhoben, der mit Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg
Nach dem vorgelegten Vorgang wurde der Kläger am 8.7.2010, 6.9.2010 und 5.12.2011 erkennungsdienstlich behandelt. Bei letzterem Termin ist festgehalten, das Auffälligkeiten an den Fingerkuppen festgestellt worden sind. Ob eine EURODAC-Recherche versucht wurde und Erfolg hatte, ist im Vorgang nicht dokumentiert. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er seit Dezember 2011 nicht mehr erkennungsdienstlich behandelt worden sei.
Nach Abschluss des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht wurde der Kläger am 13.11.2013 zu seinen Asylgründen angehört. Er gab an, er habe in einem Dorf in der Nähe von B. gelebt. Er gehöre zur Minderheit der Tumaal und sei deswegen schon immer diskriminiert worden. 2010 habe er eine Frau aus einem anderen Clan kennengelernt, diese sei ca. 6 Monate lang öfter an seinen Arbeitsplatz gekommen. Ihre Brüder hätten ihn bedroht. Deshalb sei er weggelaufen und nach Mogadishu gegangen. Er sei im Juni 2010 von Mogadishu aus auf dem Luftweg ausgereist über eine ihm nicht bekannte Route.
Mit Bescheid vom 27.11.2013 wurde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Ziff. 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziff. 2), die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziff. 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziff. 4). Der Kläger wurde zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung nach S. angedroht (Ziff. 5). Zur Begründung wird ausgeführt, der vorgetragene Sachverhalt rechtfertige nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und sei zudem unglaubhaft. Nach der aktuellen Entwicklung in S. sei nicht mehr davon auszugehen, dass die erforderliche Gefahrendichte für die Gewährung subsidiären Schutzes noch gegeben sei. Der Bescheid wurde am 16.12.2013 per Einschreiben an den Bevollmächtigten des Klägers versandt.
Am 30.12.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.11.2013 in Ziffern 1 und 3 mit 5 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz, zuzuerkennen, weiter hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Eine schriftsätzliche Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, sowie auf die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Gewährung subsidiären Schutzes oder Feststellung nationaler Abschiebungshindernisse, weshalb die ergangene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist.
1. Es besteht kein Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling.
Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat, den Staat beherrschende Organisationen oder internationale Organisationen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Die Glaubhaftmachung einer behaupteten entsprechenden Verfolgung setzt die Schilderung eines in sich stimmigen Sachverhalts voraus, aus dem sich bei verständiger Würdigung die Gefahr erneuter Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt. Dieser Anforderung wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Eine schon erlittene und erneut drohende Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan hat er nicht glaubhaft gemacht.
Als konkretes Ereignis hat er geschildert, eine Frau von einem Mehrheitsclan habe sich in ihn verliebt und ihn fast täglich aufgesucht, obwohl er selbst Schwierigkeiten befürchtet habe. Dass eine Frau in S. den Kläger immer wieder besucht haben soll, obwohl ihre Familie gegen die Verbindung gewesen ist, ist angesichts der Grundzüge des somalischen Gesellschaftssystems und der Stellung von Frauen wie sie sich aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ergeben, extrem außergewöhnlich. Die Glaubhaftmachung eines solchen Sachverhalts bedürfte deshalb sehr überzeugender Ausführungen. Die Angaben des Klägers waren dagegen nur sehr allgemein gehalten und die Art der Darstellung extrem wenig lebendig. Auch unterscheidet sich die Schilderung beim Bundesamt von der beim Gericht. Beim Bundesamt hat der Kläger auf entsprechende ausdrückliche Frage angegeben, er habe die Frau im Jahr 2010 kennengelernt. Bei Gericht sprach er dagegen davon, er habe die Frau schon seit 10 Jahren gekannt, „zusammen gekommen“ seien sie 6-7 Monate vor dem Vorfall, der Anlass für die Ausreise gewesen sei. Weiter hat er beim Bundesamt geschildert, wegen der Bedrohung durch zwei Brüder der Frau habe er nach 5 bis 6 Tagen sein Dorf verlassen. Bei Gericht hat er angegeben, die Brüder seien mit anderen Männern gekommen und er sei von in der Werkstatt anwesenden Männern beschützt worden; er sei noch in der gleichen Nacht nach Mogadishu gegangen. Die zeitlichen Angaben sind unschlüssig. Insbesondere ist die Angabe, er habe sich 6-7 Monate mit der Frau getroffen, nicht vereinbar damit, dass er sein Dorf im Mai 2010 verlassen, die Frau aber erst 2010 kennengelernt haben will.
Darüber hinaus ist auch schon die Zugehörigkeit des Klägers zu einem Minderheitenclan nicht glaubhaft. Er hat nicht einmal seinen Heimatort schlüssig dargelegt. Beim Bundesamt hat er angegeben, er habe in einem Dorf namens B. in der Nähe von B. gewohnt. Bei Gericht hat er zunächst erklärt, er habe im Stadtviertel Buudo H. in B. gewohnt. Erst auf Vorhalt der Angaben beim Bundesamt, hat er einen ähnlichen Namen des Dorfes angegeben. Die Angabe bei Gericht, er habe im Dorf gewohnt, in der Stadt gearbeitet, passt nicht zu den Details seiner Angaben beim Bundesamt. Die Antwort auf Fragen zu allgemeinen Problemen seines Clans waren bei Gericht ebenso allgemein gehalten wie beim Bundesamt. Auch die Art der Darstellung entsprach eher der allgemeinen Beschreibung der Probleme von Minderheiten, es entstand nicht der Eindruck, dass der Kläger von tatsächlich selbst Erlebtem spricht. Ebenso vage war die Beschreibung seiner Berufstätigkeit, die eher auf eine nur verschwommene Vorstellung von der Tätigkeit eines Schmiedes schließen ließ als auf eine jahrelange erfolgreiche Tätigkeit. Insgesamt entstand der Eindruck, dass er von den Tumaal nicht mehr weiß, als dass sie häufig Schmiede sind. Das ist eine allgemein bekannte Tatsache (vgl. EASO-Bericht Ziff. 2.2.2).
2. Es besteht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes wegen der allgemeinen Situation in S..
Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich diese aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: In dem seit 1991 herrschenden Bürgerkrieg sind nunmehr im Süden des Landes die meisten größeren Städte schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al Shabab. Diese hat im Januar 2010 offiziell bestätigt, dass sie sich der Al-Qaida zugehörig fühlt (vgl. EASO-Bericht Ziff. 1.3.6). In den „befreiten“ Gebieten, zu denen seit August 2011 die Hauptstadt Mogadishu und seit 2012 auch der angebliche Herkunftsort B. des Klägers gehört (vgl. EASO-Bericht Ziff. 1.3.7), finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al Shabab und andere islamistische Gruppen verüben aber immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte oder Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden. Die Al Shabab ist in den von der Regierung beherrschten Gebieten immer noch präsent und es kommt zu Übergriffen auf Personen, die ihrer Ideologie nicht entsprechen. Berichtet wird auch über Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Kräfte. Neben der Beeinträchtigung von Zivilpersonen durch den Kampf zwischen der Al Shabab und der Regierungsseite führt in S. das traditionelle Clansystem zu Auseinandersetzungen zwischen den Clans, zwischen von Clans gegründeten Milizen und zu Übergriffen von Angehörigen eines Clans auf die eines anderen. Dies führt dazu, dass eine Rückkehr grundsätzlich nur in das Gebiet des eigenen Clans möglich ist. Auch dort werden Angehörige von Minderheitenclans in vielfacher Weise wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt. Sie haben keinen Zugang zur Rechtsverfolgung nach dem traditionellen Gewohnheitsrecht (Xeer), das von den Clanältesten ausgeübt wird. Das daneben bestehende staatliche Rechtssystem, das in den letzten Jahren nicht funktionsfähig war, ist von untergeordneter Bedeutung.
2.1. Trotz dieser Ausgangslage besteht kein Anspruch des Klägers auf Gewährung subsidiären Schutzes wegen der ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12) eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Truppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteile
Selbst wenn man deshalb einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt bejaht, dann liegt aber in den unter der Kontrolle des Regierung stehenden Gebieten, zu denen sowohl Mogadishu als voraussichtlicher Ankunftsort bei einer Rückkehr als auch der Heimatort des Klägers gehören, nicht (mehr) das Tatbestandsmerkmal der „ernsthaften individuellen Bedrohung“ des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG vor. Dieses erfordert entweder eine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit im jeweiligen Gebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, oder persönliche Umstände, die das derartige Risiko erheblich erhöhen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BVerwG, Urteil v. 14.7.2009 - Az. 10 C 9.08; EUGH, Urteil v. 17.2.2009 - Az. C-465/07).
Eine Gefahrendichte im Sinne der erstgenannten Alternative ist in S. im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) gegeben. Allerdings ist eine Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. Urteile
Fehlen demnach für die quantitative und qualitative Bewertung der Gefahrendichte geeignete Grundlagen, dann kann dies aber nicht zur Folge haben, dass die erforderliche Gefahrendichte allein wegen eines innerstaatlichen Konflikts ohne weiteres bejaht wird. Es muss dann vielmehr auf die Einschätzung der Gefahrensituation durch Beobachter mit Erfahrung aus erster Hand abgestellt werden, auch wenn diese u. U. subjektiv ist. Solche werden in den in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen u. a. des UNHCR, von Landinfo/Danish Immigration Service, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und der Ausarbeitung der EASO, die neben den in das Verfahren eingeführten auch weitere Berichte verwertet hat, wiedergegeben. In derartigen Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede. Dies ist aber in Relation zur früheren extremen Situation zu sehen und kann nicht damit gleichgesetzt werden, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Dargestellt wird nämlich, dass (auch) in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten weiterhin Zivilisten Opfer von individuellen Übergriffen durch die Islamisten, von Zwangsrekrutierungen, von willkürlichen Akten der Regierungsseite oder von Terroranschlägen werden. Dennoch ergibt sich aus den Berichten nicht, dass in den von der Regierung beherrschten Gebieten aktuell noch eine so hohe Gefahrendichte gegeben ist, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit im Gebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Der detaillierten Beschreibung der Situation vor Ort und den verwendeten Formulierungen ist zu entnehmen, dass die Al Shabab zwar in einzelnen Regionen, z. B. in einzelnen Stadtteilen von Mogadishu (vgl. EASO-Bericht Ziff. 3.4.9) noch offen auftritt, dass gezielte Übergriffe der islamistischen Seite aber v. a. bei Personen vorkommen, die zu den aufgezählten Risikogruppen gehören (z. B. Politiker, Journalisten, Lieferanten und Freunde von Regierungsangehörigen oder der Truppen, vgl. EASO-Bericht Ziff. 3.4.9.1 und 4.3. ff.). Selbst wenn sie bei anderen Personen vereinzelt vorkommen, sind sie demnach nicht mehr ein für jedermann vorhersehbares Risiko. Die Tötung von zwei Anführern der Al Shabab durch die US-Armee (vgl. Spiegel Online vom 5.9.2014 und vom 31.12.2014) und die Tatsache, dass sich ein ranghohes Mitglied der somalischen Polizei gestellt hat (vgl. Spiegel Online vom 27.12.2014) dürfte dazu führen, dass offenes Auftreten für die Al Shabab und damit verbundene Gewaltaktionen in den von der Regierung beherrschten Gebieten weiter abnehmen. Die Einschätzung dazu, ob Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabab in den von der Regierung beherrschten Gebieten überhaupt noch vorkommen, ist nicht einheitlich (UNHCR: ja, internationale NGO: nein - vgl. EASO-Bericht Ziff. 3.5.6.). Schon dies zeigt, dass es sich jedenfalls nur um Einzelfälle handeln dürfte und nicht um eine beachtliche Gefahr für Jedermann. Ebenso lassen die Berichte darüber, dass Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei und die Regierungstruppen wegen des falschen Verdachts der Zugehörigkeit zur islamistischen Seite oder zur reinen Machtdemonstration bekannt geworden seien, nicht den Schluss zu, dass solche Vorkommnisse derart häufig sind, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedermann betroffen sein kann. Zudem wird zumindest für einzelne Regionen (A. und M.) berichtet, dass es sich insoweit um das Resultat der Entsendung von schlecht ausgebildeten Sicherheitskräften gehandelt habe; die AMISON und die somalische Regierung hätten zügig interveniert, weshalb sich die Situation wesentlich verbessert habe (vgl. BAA, Analyse der Staatendokumentation, S. 22). Bezüglich der Terroranschläge spricht der Verweis auf einzelne Vorkommnisse in allen Quellen dagegen, dass diese so häufig vorkommen, dass überall und jederzeit die Gefahr besteht, bei einem solchen Anschlag getötet oder verletzt zu werden, und dass die Zahl zufälliger Opfer einen erheblichen Teil der Bevölkerung ausmacht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass sich die Situation seit der Erstellung der zusammenfassenden Darstellungen verschlechtert hat. Vielmehr lassen die auffindbaren Zeitungsberichte über Attentate - auch bei unterstellter Unvollständigkeit der Berichterstattung - zumindest in der Tendenz auf eine Abnahme der Häufigkeit von Vorfällen ab dem 2. Halbjahr 2014 schließen, obwohl es im ersten Halbjahr 2014 entgegen der Einschätzung des EGMR in seiner Entscheidung vom 5.9.2013 nochmals vermehrt zu Anschlägen gekommen ist (vgl. Spiegel Online vom 1.1.2014: Anschlag auf Hotel; vom 13.2.2014: Anschlag auf Flughafen; vom 21.2.2014: Anschlag auf Präsidentenpalast; vom 26.6.2014: Anschlag auf Hotel; vom 3.7.2014: Tötung von vier Politikern; vom 8.7.2014: Erstürmung Präsidentenpalast; vom 1.8.2014: Tötung eines Politikers; vom 8.9.2014: Anschlag auf AU-Friedenstruppe; vom 27.9.2014: Steinigung einer Frau; vom 2.10.2014: Tote auf beiden Seiten bei Kämpfen mit Schabab-Miliz; vom 15.10.2014: fünf Tote bei Anschlag auf Geheimdienstbeamten; vom 3.12.2014: vier Tote bei Anschlag auf UNO-Konvoi; der...at vom 25.5.2014: 24 Tote bei Angriff auf somalisches Parlament; vom 13.10.2014: 15 Tote bei Bombenanschlag auf Café; Berliner Zeitung vom 2.1.2015: acht Tote bei Anschlägen auf Armeepunkt in Ba., vor Schule in P-land und durch Autobombe in Mogadishu; vom 4.1.2015: sechs Tote bei Bombenanschlag in Mogadishu).
Gefahrerhöhende individuelle Umstände kann der Kläger nicht erfolgreich geltend machen. Die behauptete und ohnehin unglaubhafte Verfolgung wegen der Clanzugehörigkeit steht nicht in Zusammenhang mit dem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Er hat in der Anhörung beim Bundesamt ausdrücklich erklärt, dass er nicht wegen der Al Shabab ausgereist sei. Eine Erhöhung des Risikos ergibt sich nicht schon aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (EASO-Bericht Ziff. 4.3.5). Da sie in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen, v. a. auch Binnenvertriebenen (vgl. unten), ergibt sich daraus aber nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG unabhängig von der Frage des Vorliegens eines bewaffneten Konflikts nicht gegeben sind.
2.2. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG wegen allgemeiner Gewalt im Zielstaat erfordert eine gleichwertige Gefahrendichte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 24.7.2013, Az. A 11 S 697/13).
2.3. Neben der Gefährdung von Leib und Leben durch willkürliche Gewalt kann die extrem schlechte Versorgungslage in S. einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG begründen, weil unter besonderen Voraussetzungen schlechte humanitäre Bedingungen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß Art. 3 EMRK zu werten sind. Die Verletzung von Art. 3 EMRK wird bisher in der deutschen Rechtsprechung zwar überwiegend unter dem Gesichtspunkt des nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG behandelt (z. B. BVerwG, Urteil v. 31.1.2013 - Az. 10 C 15/12, VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 24.7.2013 - Az. A 11 S 697/13, OVG Lüneburg, Urteil v. 28.7.2014 - Az. 9 LB 2/13, BayVGH, Urteil v. 21.11.2014, Az. 13a B 14.30285). Dies beruht aber auf einer entsprechenden Beschränkung des Streitgegenstands in diesen Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass der sachliche Schutzbereich des § 60 Abs. 2 und des § 60 Abs. 5 AufenthG weitgehend identisch ist (vgl. z. B.
In der Entscheidung vom 28.6.2011 (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07) hat der EGMR ausgeführt, dass das im Fall NA./Vereinigtes Königreich (v. 17.7.2008, Nr. 25904/07
Bei der Bewertung der entsprechenden Möglichkeiten von Rückkehrern nach S. ist zu berücksichtigen, dass sie nicht frei agieren können, sondern darauf achten müssen, durch angepasstes Verhalten weder der Al Shabab noch den Regierungskräften aufzufallen. Zudem sind ihre Erwerbsmöglichkeiten besonders eingeschränkt durch die Konkurrenz mit der erheblichen Zahl von rückkehrenden Binnenvertriebenen (vgl. oben). Wie Berichte über die Situation von Binnenvertriebenen zeigen (vgl. Amnesty Länderinformationen 12/2013, Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25.10.2013) kehren diese wegen Zwangsräumungen sowie wegen Diskriminierung und Gewalt in den Lagern oft ohne Perspektive hinsichtlich der künftigen Lebenssituation zurück. Bei der Konkurrenz um die kaum vorhandenen Arbeitsplätze haben sie aber Vorteile gegenüber Rückkehrern aus dem Ausland, weil ihnen die Situation und Machtverhältnisse vor Ort noch vertrauter sind, sie regelmäßig detailliertere Kenntnisse über aktuelle Entwicklungen haben dürften, leichter an frühere Kontakte anknüpfen können und nach der Beschreibung der Verhältnisse in den Lagern häufig auch mehr Taktiken bezüglich des erforderlichen angepassten Verhaltens entwickelt bzw. nicht verlernt haben dürften. Berichtet wird weiter, dass die Einkommensmöglichkeiten in Zusammenhang mit der Clanzugehörigkeit stehen und Angehörige eines Minderheitenclans wegen des fehlenden Netzwerks eines herrschenden Clans besonders benachteiligt seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25.10.2013). Ebenso muss auf die Sicherheitssituation Rücksicht genommen werden, so dass z. B. ein Tätigwerden in der Nacht nicht in allen Gebieten oder nur eingeschränkt möglich sein dürfte (vgl. z. B. EASO-Bericht Ziff. 3.4.9.). Häufig dürfte deshalb bei Rückkehrern nach S. eine Gefahrenlage gegeben sein, die hinsichtlich des Grades der fehlenden Existenzmöglichkeiten trotz des Wegfalls der Sprachbarriere mindestens vergleichbar ist mit der von Asylbewerbern in einem Land, in denen ihnen keinerlei soziale Unterstützung gewährt wird.
Dennoch ist im individuellen Fall des Kläger davon auszugehen, dass bei ihm eine derartige Ausnahmesituation nicht gegeben ist. Nach der Beschreibung seiner Lebenssituation vor der Ausreise hat er auch bei einer Rückkehr ausreichende Möglichkeiten, sein Existenzminimum zu sichern.
Nach seinem Vortrag hat er S. erst im Jahr 2010 verlassen und ist demnach mit den Verhältnissen dort noch weitgehend vertraut. Zwar sind die Angaben zum Reiseweg sowohl beim Bundesamt als auch bei Gericht wenig glaubhaft und die Tatsache der nicht verwertbaren Fingerabdrücke sehr auffällig. Es würde aber den Grundsätzen eines Asylverfahrens, in dem ein Antragsteller seine Situation stimmig zu schildern hat, widersprechen, zu seinen Gunsten anzunehmen, dass er falsche Angaben gemacht hat.
Wie oben ausgeführt wurde, ist die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nicht glaubhaft. Selbst wenn man dies aber zugunsten des Klägers unterstellt, dann hat es ihn nicht in seinem beruflichen Fortkommen gehindert. Er hat selbst geschildert, dass er so viel Geld verdient hat, dass er ein Haus bauen konnte und dieses ohne Miete an einen Verwandten überlassen konnte. Auch spricht die Angabe, dass das Grundstück seiner Mutter gehört hat, dafür, dass der Kläger aus einer wohlhabenden Familie stammt. Auch mit den Beeinträchtigungen durch die Bürgerkriegssituation kann er offenbar umgehen. Es ist ihm gerade in der unsicheren Zeit des Bürgerkriegs, in dem B. als wichtiges Wirtschaftszentrum immer wieder umkämpft war und die Herrschaft mehrfach gewechselt hat, gelungen, sich ein gut gehendes Geschäft aufzubauen und dieses zu bewahren. Erst Recht dürfte er nunmehr mit der Situation zu Recht kommen, nachdem B. jetzt seit Februar 2012 unter der Herrschaft der Regierung steht (vgl. EASO-Bericht Ziff. 1.3.7; BAA Analyse der Staatendokumentation vom 25.7.2013, S. 30). Auch dabei kann nicht zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass er nicht tatsächlich aus B. kommt, zumal eine falsche Ortsangabe vermuten lassen würde, dass er tatsächlich aus einer Gegend kommt, in der die kämpferischen Auseinandersetzungen schon früher beendet waren.
Der Kläger ist gesund und auch in Deutschland als Arbeitnehmer tätig. Nach seinen Angaben beim Bundesamt lebten im Jahr 2010 seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester noch in seinem Heimatdorf, so dass er dort einen Anknüpfungspunkt hat. Dass mit diesen kein Kontakt mehr bestehen soll, ist im Hinblick auf den angegebenen Grund („selbst Probleme, mit denen ich mich beschäftigen musste“) wenig glaubhaft. Jedenfalls hat der Kläger keine Tatsachen vorgetragen, die eine erneute Kontaktaufnahme hindern würde.
Die Klage war demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 20. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
3Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 - 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 - 13 A 2839/10.A -.
5Diese Anforderungen erfüllt die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6„ob in Afghanistan weiterhin von einer Lage auszugehen ist, die die Gefährdung gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG ausschließt“
7nicht, denn sie ist in dieser Allgemeinheit nicht klärungsfähig. Sie zielt - unabhängig von spezifischen Merkmalen in der Person des Klägers - auf die Gewährung von Abschiebungsschutz auf der Grundlage einer von dem angegriffenen Urteil abweichenden Bewertung der allgemeinen Lage in Afghanistan ab.
8Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Kläger als erwachsener erwerbsfähiger Mann angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach
9§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Dies sperrt die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den Einzelnen zugleich in konkreter und individualisierter Weise betreffen.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 = juris, Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, ZAR 2012, 164 = juris, Rn. 34 f.
11Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG greift wegen der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur ausnahmsweise dann nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat in den für ihn zumutbar erreichbaren Gebieten einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 = juris, Rn. 19 bis 23.
13Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 -, juris, Rn. 23.
15Angesichts der in Afghanistan regional erheblich variierenden Sicherheits- und Versorgungslage lässt sich dies weder einheitlich für das gesamte Staatsgebiet noch unabhängig von dem individuellen Risikoprofil des Klägers beantworten. Letzteres wird durch eine Vielzahl einzelfallbezogener Kriterien, wie Schul- und Ausbildung, Beruf, Familienstand, Alter, Gesundheitszustand, Geschlecht und die Möglichkeit der Wiedereingliederung in einen Familienverband, bestimmt.
16Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Kabul, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt hat, eine Extremgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, weil sein Risikoprofil vergleichsweise günstig ist. Er hat die Schule bis zur neunten Klasse besucht, ist gesund, jung und arbeitsfähig. Zudem kann mit der Unterstützung seines in Kabul lebenden und als Ingenieur tätigen Vater rechnen.
17Vgl. zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11-.
18Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
19Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 5. November 1980 in der afghanischen Provinz Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner - eigenen Angabe zufolge - im Mai 2010 erfolgten Ausreise aus Afghanistan lebte der Kläger ledig in dem Dorf Shah Mazar nahe der Stadt Baraki Rajan im Bezirk Baraki Barak in der Provinz Logar. Dort bewirtschaftete er nach Abschluss seiner Schullaufbahn nach der zehnten Klasse der Mittelschule ein eigenes Landstück, auf dem er Getreide und Gemüse anbaute. Diese Erzeugnisse verkaufte er in einem eigenen Geschäft und bestritt von dem Erlös seinen Lebensunterhalt.
3Der Kläger ist am 8. August 2010 nach dreimonatiger Reise auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er noch am 8. August 2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 13. August 2010 und am 23. August 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Nach dem Tod seiner Eltern habe er gemeinsam mit seinem Bruder bei einer Schwester seines Vaters gelebt. Vor eineinhalb Jahren seien die Taliban in sein Dorf gekommen. Darunter sei auch sein Onkel gewesen, der eine Art Gruppenführer bei den Taliban sei. Sie hätten ihn und seinen Bruder aufgefordert, sich ihnen anzuschließen und in den Jihad zu ziehen. Dem sei seine Tante erfolgreich entgegengetreten. Nach deren Tod vor ungefähr sechs Monaten habe sein Onkel ihn und seinen Bruder gewaltsam mitgenommen. Beide hätten zwei Monate bei den Taliban verbracht. Von dort aus hätten sowohl er als auch sein Bruder die Polizei verständigt, die ihnen ihre Hilfe versagt hätte. Gleichwohl habe der Anruf seines Bruders dazu geführt, dass eine Gruppe Taliban festgenommen worden sei. In der Folgezeit hätten die Taliban ihn und seinen Bruder als Reaktion auf den mutmaßlichen Verrat geschlagen und in unterschiedliche Räume eingesperrt. Sein Bruder sei hingerichtet worden. Er selber sei - nach drei Tagen im Gefängnis - freigekommen, als es ihm gelungen sei, einen befreundeten Wärter zu bestechen.
5Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, weil dieser auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Gleichzeitig stellte es unter Hinweis auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht gegeben sind (Ziffer 3). Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die Todesstrafe oder eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Ebenso wenig sei erkennbar, dass der Kläger in Afghanistan einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sei. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 9. September 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: In seiner Heimatprovinz Logar finde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zwischen der afghanischen Regierung/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen aufständischen Kräften andererseits statt. Die hiervon gegen die Zivilbevölkerung ausgehenden Akte willkürlicher Gewalt erreichten ein so hohes Niveau, dass alle Zivilpersonen, die sich in der Provinz aufhielten, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht seien. Die Taliban führten in Logar einen Partisanenkrieg. Er befürchte, von ihnen zwangsrekrutiert zu werden. Effektiver Schutz gegen die Taliban sei in Afghanistan landesweit nicht gewährleistet. Da er die Taliban verraten habe, müsse er damit rechnen, an jedem Ort Afghanistans von ihnen ausfindig gemacht zu werden. Zudem habe er dort keine Verwandten und könne deswegen nicht auf die Unterstützung eines funktionsfähigen Familienverbandes zählen. Er verfüge auch über keinerlei Geldmittel, Besitz oder Eigentum, mit deren Hilfe er sich unterhalten könnte. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige, die unfreiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurückkehrten, seien - auch in Kabul - kaum legale Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Deswegen komme weder Kabul noch ein anderer Ort in Afghanistan für ihn als interne Schutzalternative in Betracht.
7Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,
8den Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2010 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a.F.) i.V.m. Art. 13 RL 2004/83/EG zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG (a.F.) i.V.m. den Voraussetzungen von Art. 15 lit. a), b) und c) RL 2004/83/EG hinsichtlich Afghanistan vorliegen,
11äußerst hilfsweise
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Afghanistan vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheide aus, weil dieser über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er keine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal befürchten müsse. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht erfüllt seien, liege auf der Hand. Eben so wenig liege ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, denn die Schilderungen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal seien unglaubhaft.
16Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 25. März 2013 zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass in seiner Heimatprovinz Logar, die für die Taliban das Einfallstor in die Hauptstadt Kabul sei, weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt herrsche, der durch intensivierte Aktivitäten gegen Aufständische, einschließlich Bombenangriffe durch ISAF/NATO aus der Luft, wahllose Anschläge regierungsfeindlicher Elemente und regionaler Kriegsherren sowie illegale Landbesetzungen, Enteignungen, religiöse Konflikte, Konflikte über die Benutzung von Weideland zwischen bewaffneten afghanischen Gruppierungen sowie unzureichende Reaktionen der Zentralregierung gekennzeichnet sei. In den südlichen und östlichen Provinzen gebe es mittlerweise offenen Krieg zwischen ISAF/NATO und den Taliban. Dabei werde die große Zahl ziviler Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Die Gefahrenlage betreffe praktisch die gesamte Bevölkerung von Logar. Die Provinz sei schon seit Jahren in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, die in weiten Teilen faktisch die Macht ausübten. Auch das Haqqani-Netzwerk habe großen Einfluss. Dementsprechend handele es sich um eine religiös sehr konservative, von Paschtunen dominierte Provinz. Verstöße gegen die von den Taliban definierten „islamischen Sitten“ würden nach Maßgabe der Scharia hart bestraft. Junge Männer müssten damit rechnen, zwangsrekrutiert zu werden. Jeder, der in Verdacht gerate, mit den staatlichen afghanischen Stellen, den NATO-Truppen oder der CIA zusammenzuarbeiten, werde liquidiert. Die Taliban und die Gruppe Hezb-e-Islami hätten illegale Checkpoints an den Straßen eingerichtet. Dort komme es immer wieder zu Übergriffen wie Sprengstoffanschlägen und Entführungen.
17Die Lebensverhältnisse in Afghanistan seien inzwischen so verheerend, dass ein alleinstehender Rückkehrer, der nicht mit der Aufnahme in eine funktionierende Familien- oder Stammesstruktur rechnen könne, keinerlei Aussicht hätte, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Amnesty International habe in einem Gutachten vom 20. Dezember 2010 festgestellt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan erneut dramatisch verschlechtert habe.
18Zudem lägen in seiner Person gefahrerhöhende Umstände vor, die sich aus seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit, der stattgefundenen Verfolgung durch seinen Onkel und der Hinrichtung seines Bruders ergäben.
19Der Kläger beantragt, die Frage, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG bzw. Art. 15 lit. c) RL 2011/95/EU vereinbar ist, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zur Entscheidung vorzulegen. Weiterhin beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzungen bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden dürfe bzw. müsse oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften seelischen Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewaltakte gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer betreffend alle Zahlen und die humanitäre Situation zu berücksichtigen seien. Der Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für die Gefährdungsdichte anlege, sei zu eng und nicht mit dem großzügigeren Maßstab, den der EuGH für die Annahme einer individuellen Bedrohung zugrunde lege, zu vereinbaren. Das gelte auch deswegen, weil durch dieses Erfordernis keine zusätzliche Hürde errichtet und keine Verschärfung der Beweislast habe eingeführt werden sollen. Es sei umstritten, ob die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte statistische Ermittlung eines Gefährdungsquotienten mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar sei. Ungeachtet dessen, dass die verfügbaren Statistiken nicht aussagekräftig seien, müssten bei der Feststellung des Grades willkürlicher Gewalt neben der Zahl der Getöteten und Verletzten weitere Zahlen in den Blick genommen werden. Ferner beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 RL 2004/83/EG bzw. nach Art. 8 RL 2011/95/EU voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist, und die Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet.
20Die Kläger beantragt,
21das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 24. August 2010 zu verpflichten, ihn gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen,
22hilfsweise,
23festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beteiligten sind mit der Ladung auf die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel hingewiesen worden. Der Senat hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Ausreise angehört und den Beteiligten eine aktualisierte Erkenntnismittelliste ausgehändigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die nur hinsichtlich der Anerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) und der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses gemäß
30§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
31Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1, 2, 3 AsylVfG (1) noch auf die Feststellung eines in seiner Person begründeten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2).
32Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A -, juris, Rn. 26 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris, Rn. 16.
34Die erstinstanzlich geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) entsprechen dem nunmehrigen Antrag auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn.1, 2, 3 AsylVfG. In § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote, mit denen Art. 15 der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12; im Folgenden: QRL I) umgesetzt und durch normative Verknüpfung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG zusammengefasst worden war (BT-Drucks. 17/13063, S. 25). Die Regelungen sind - von der im Zuge der Neuregelung vorgenommenen terminologischen Umbenennung des Schutzstatus abgesehen - gleichlautend und materiell-rechtlich inhaltsgleich.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 28 ff.
36§ 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 nicht geändert worden (BT-Drucks. 17/13063, S.14).
37(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, weil die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 4 Abs. 1 AsylVfG nicht vorliegen. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Diese Bestimmung nimmt - wie bisher § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) - die Vorgaben des Art. 15 QRL I bzw. des gleichlautenden Art. 15 QRL II auf. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Für die Feststellung der darin enthaltenen Abschiebungsverbote gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über Verfolgungs- und Schutzakteure und über internen Schutz auch auf diese Abschiebungsverbote - wie bisher schon - für anwendbar erklärt. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG bzw. Art. 15 QRL II droht. Das ergibt sich nun unmittelbar aus dem in Art. 2 lit. f) QRL II - der Definition des Begriffs „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ - enthaltenen Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe…“. Der darin zum Ausdruck kommende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) ab.
38Vgl. EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06 (Saadi/Italien) -, NVwZ 2008, 1330 (1331), Rn. 125, 128; BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 20.
39(a) Der Kläger begründet sein auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes Begehren - im Ergebnis ohne Erfolg - schwerpunktmäßig damit, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG - auf den dieses Vorbringen abzielt - ist die gleichlautende Umsetzung von Art. 15 lit. c) QRL II.
40(aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15 lit. c) QRL I, die aufgrund der unveränderten Übernahme der Regelung in Art. 15 lit. c) QRL II übertragbar ist, ist der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ein der Richtlinie eigener, autonomer Begriff, der im humanitären Völkerrecht keine unmittelbare Entsprechung findet. Denn anders als im humanitären Völkerrecht habe der Unionsgesetzgeber den Betroffenen nicht nur bei internationalen bewaffneten Konflikten und bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter aufweisen, subsidiären Schutz gewähren wollen, sondern auch bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten, wenn bei diesen Konflikten willkürliche Gewalt eingesetzt werde. Das humanitäre Völkerrecht und die Regelung des subsidiären Schutzes verfolgten unterschiedliche Ziele und führten klar voneinander getrennte Schutzmechanismen ein. Mangels einer in der Richtlinie enthaltenen Begriffsbestimmung sei der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen sei, in welchem Zusammenhang er verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt würden, zu der er gehöre.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
42Nach diesen Grundsätzen interpretiert der EuGH den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts als eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Truppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 35.
44Abweichend davon legt das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im humanitären Völkerrecht aus, die sich insbesondere aus den vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (GFK) einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 ZP II - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - ergibt, und zieht ergänzend das Völkerstrafrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs heran. Jedenfalls dann, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Ziffer 2 ZP II erfüllt seien, also bei inneren Unruhen und Spannungen, zu denen Tumulte, vereinzelt auftretenden Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen zählten, scheide die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) QRL I aus. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit und Intensität aufweisen. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, 22 f. und vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.
46Zur Anwendung dieses Auslegungsmaßstabs hat das Bundesverwaltungsgericht einschränkend angemerkt, dass die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze finde, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht seien, entgegenstehe. Mit Blick auf diesen Zweck setze das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssten, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach GFK und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich sei. Vielmehr könne es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage seien, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben müsse, was andererseits nicht bedeute, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein könne. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 23 f.
48Beide Auslegungsmaßstäbe dürften überwiegend zu gleichen Ergebnissen führen. Hier spricht nach der aktuellen Erkenntnislage Vieles dafür, dass in der insoweit maßgebenden Heimatregion des Klägers, der Provinz Logar, nach beiden Interpretationen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG herrscht.
49Vgl. einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Provinz Logar bejahend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 70.
50Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Sie ist nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger im Rahmen dieses Konflikts jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist.
51(bb) Nach der Interpretation des Senats der zu diesem Tatbestandsmerkmal ergangenen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die individuelle Bedrohung - ungeachtet des Umstandes, der sie ausgelöst hat - im Ausgangspunkt nach dem in dem betreffenden Gebiet feststellbaren Niveau willkürlicher Gewalt, während die jeweiligen Ursachen der individuellen Bedrohung (nur) im Zusammenhang mit dessen graduellen Abstufungen maßgebend sind.
52Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30 ff.
53Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Im Ausnahmefall kann sie durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat.
54Gefahrerhöhende persönliche Umstände sind solche, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Hierzu zählen auch persönliche Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
56Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt ist, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 26 QRL I und Erwägungsgrund 35 QRL II). Eine Ausnahme davon gilt nur bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
57Vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 19.
58Erforderlich ist eine Situation mit Ausnahmecharakter,
59vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32,
60und damit eine individuell besonders exponierte Gefahrenlage.
61Diese unterscheidet sich von einer durch persönliche gefahrerhöhende Umstände begründeten ernsthaften individuellen Bedrohung, die gleichermaßen die Feststellung eines hohen Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung erfordert,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33,
63lediglich in gradueller Hinsicht.
64Dies hat der EuGH dahin präzisiert, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit ein Ausländer Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
66Ausgehend hiervon sind, unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, erforderlich.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
68Dabei sind neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen, weil eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßende Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht mit dem Sinn und Zweck des Art. 15 lit. c) der Richtlinie vereinbar wäre.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 - juris, Rn. 34.
70Neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) vorzunehmen, bei der auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden können.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
72Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23.
74Der Senat sieht davon ab, die Fragen,
75ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des BVerwG in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) QRL I und QRL II vereinbar ist
76und
77ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzten bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden darf bzw.muss oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl der willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer und die humanitäre Situation zu berücksichtigen sind,
78entsprechend der Anregung des Klägers dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil die Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtsmittel im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV ist,
79vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11-, juris, Rn. 32 m.w.N.,
80angefochten werden kann. Der Senat sieht auch keinen weiteren Klärungsbedarf, insbesondere keinen Anhalt dafür, dass das für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - erforderliche Niveau willkürlicher Gewalt nicht mit Art. 15 lit. c) QRL I vereinbar ist, zumal sich das BVerwG auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des EuGH bezieht. Hinsichtlich der weiteren Frage sieht der Senat bereits deswegen keinen Klärungsbedarf, weil auch nach der Rechtsprechung des BVerwG neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist,
81vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23,
82mit der die Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte einhergeht.
83Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, juris, Rn. 17, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 (Elgafaji) -.
85Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 QRL II bzw. § 3e AsylVfG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22.12 -, juris, Rn. 7.
87Gemessen daran fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers. Gefahrerhöhende Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der geltend gemachten Möglichkeit einer Zwangsrekrutierung. Ausgehend von den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan,
88vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f., Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; UNHCR, UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom 31. August 2013, S. 3; Dr. Mostafa Danesch, Auskunft an den Hess.VGH vom 3. September 2013, S. 3 f., und an das Nds.OVG vom 30. April 2013; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban,
89besteht im Falle des Klägers keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass er dort ernsthaft befürchten müsste - insbesondere durch die Taliban -, zwangsrekrutiert zu werden. Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 lässt sich insoweit entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzten, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Traditionell habe in Kriegszeiten die Mobilisierung in Form von „lashkar" stattgefunden, ein Brauch, bei dem jeder Haushalt einen Mann im wehrfähigen Alter beisteuerte. Regierungsfeindliche Kräfte wendeten in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollierten, sowie in Siedlungen von Binnenvertriebenen Drohungen und Einschüchterung an, um auf diese Weise Kämpfer für
90ihren Aufstand zu rekrutieren. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzten, seien danach gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt
91und getötet oder bestraft zu werden.
92vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f.
93Der Bericht enthält weder Informationen zur Häufigkeit solcher Zwangsrekrutierungen noch zu deren regionaler Verteilung und zum Profil bevorzugter Rekruten innerhalb der unüberschaubar großen Gruppe wehrfähiger Männer. Auch in den übrigen Auskünften und Berichten wird hierüber keine Aussage getroffen.
94Der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch hat sich in seinen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof dahin geäußert, dass die Taliban „nicht selten" junge Männer zwangsrekrutiert hätten. In den drei Fällen, in denen ihm bekannte, nach Kabul abgeschobene oder als sog. Binnenflüchtlinge von Taliban „behelligte" Männer hätten zwangsrekrutiert werden sollen, hätten diese aber jeweils Gelegenheit gehabt, sich den befürchteten Zwangsmaßnahmen zu entziehen. Von der Tötung junger Männer durch Taliban im Zusammenhang mit geplanten Zwangsrekrutierungen in Kabul habe er nur gerüchteweise Kenntnis erlangt. Aus diesen Angaben lässt sich kein tragfähiger Erkenntnisgewinn ziehen. Sie sind vage und beruhen erkennbar nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage.
95Andererseits ist der Umstand, dass weder der Sachverständige noch der UNHCR über weitergehende spezifische Informationen verfügen, als Hinweis darauf zu werten, dass es sich bei der Zwangsrekrutierung erwachsener Männer nicht um ein hervorstechendes Merkmal des in Afghanistan herrschenden Konflikts, sondern eher um ein Randphänomen handelt. Hierfür spricht auch der im Juli 2012 veröffentlichte Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO -), in dem die Rekrutierungsstrategien der Taliban unter Auswertung unterschiedlicher UN-, NGO-, Regierungs- und Medienquellen sowie Aussagen der Taliban beleuchtet werden. Aus deren Gesamtschau ergibt sich, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban - entgegen dem Vorbringen des Klägers - in Afghanistan nicht an der Tagesordnung sind, sondern gegenwärtig allenfalls in Einzelfällen vorkommen. Für die Taliban besteht keine Notwendigkeit, auf diese Praxis zurückzugreifen, weil sie über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen verfügen. Ursächlich hierfür sind einerseits die demographische Situation in Afghanistan, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht älter als 19 Jahre ist und andererseits die wirtschaftliche und berufliche Perspektivlosigkeit, der junge Menschen dort ausgesetzt sind. Daneben werden die hohe Akzeptanz und der für die Taliban unverzichtbare Rückhalt in der lokalen Bevölkerung als Ursachen dafür genannt, weshalb es nur selten zu Zwangsrekrutierungen kommt. Soweit nach dem Bericht des EASO verschiedene Quellen von Zwangsrekrutierungen berichten, haben sich diese in Flüchtlingscamps bzw. in Regionen, die sich unter vollständiger Kontrolle der Taliban befunden haben, ereignet. Aus dem Bericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es dazu häufig gekommen ist bzw. dass davon eine große Zahl von Personen betroffen war. In der Provinz Logar, in der der Kläger beheimatet ist, sind nach den Recherchen des EASO keine Fälle bekannt geworden, in denen bei der Rekrutierung Zwang oder Gewalt ausgeübt worden sind.
96Vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 26 ff., 44.
97Überdies dürften Zwangsrekrutierungen mit Blick auf die vorhersehbar eingeschränkte Motivation und Zuverlässigkeit der Rekruten vielfach wenig zielführend sein. Dafür, dass die fehlende Dokumentation der Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen Erwachsener gleichzeitig ein Indiz für die Seltenheit solcher Vorfälle ist, spricht außerdem, dass es entsprechende Erhebungen über die Zahl von Zwangsrekrutierungen bei Kindern gibt.
98Vgl. United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA), Annual Report 2013, Protection of civilians in armed conflict, S. 59; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban.
99Das verbleibende Restrisiko, als wehrfähiger Mann zwangsweise von einer Konfliktpartei - hier den Taliban - rekrutiert zu werden, ist insbesondere im Falle des Klägers als gering zu bewerten und begründet deswegen keinen seiner Person innewohnenden gefahrerhöhenden Umstand. Denn der Kläger gilt mit fast 34 Jahren - gemessen an afghanischen Verhältnissen - nicht mehr als junger Mann. Deswegen und aufgrund seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit gehört er für die Taliban, die ihre Kämpfer in einer von Paschtunen dominierten Provinz wie Logar bevorzugt aus dem paschtunischen Teil der Bevölkerung rekrutieren dürften,
100vgl. zur Rekrutierung unterschiedlicher Ethnien EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 37 f,
101für die Nachwuchsgewinnung wenig interessanten Personenkreis.
102Der Senat lehnt die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 6, 7, 9, 10, 11, 12 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014, die auf eine Beweiserhebung zum Umfang und zur Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar durch Beiziehung weiterer Berichte und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch abzielen, ab. Die Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Gutachten und Auskünfte steht im Ermessen des Gerichts.
103Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 -, juris, Rn. 13.
104Die Notwendigkeit der beantragten Beweiserhebung drängt sich nicht auf. Die dem Senat vorliegenden und dem Kläger mit der Ladung bekannt gemachten Erkenntnisse und die weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisse genügen zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage unter den verfahrensrelevanten Gesichtspunkten, insbesondere zu in Afghanistan stattfindenden Zwangsrekrutierungen. Von der u.a. beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Herrn Dr. Mostafa Danesch verspricht sich der Senat im Übrigen angesichts des Inhalts von dessen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu diesem Thema keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
105Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gleichzeitig dessen Vernehmung als sachverständiger Zeuge beantragt hat, braucht der Senat diesem Antrag nicht nachgehen, weil er unsubstantiiert ist.
106Vgl. zur Ablehnung von Beweisanträge wegen fehlender Substantiiertheit Lang, in: Sodann/Ziekow, 4. Auflage, § 98, Rn. 32 m.w.N.
107Die Beweiserhebung durch sachverständigen Zeugen richtet sich nach den Vorschriften über den Zeugenbeweis (§ 98 VwGO i. V. m. § 414 ZPO). Der sachverständige Zeuge ist danach (auch) ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hat.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 -, juris, Rn.15.
109Ein zulässiger Antrag auf Vernehmung eines sachverständigen Zeugen setzt einerseits die Darlegung von dessen besonderer Sachkunde sowie derjenigen Tatsachen voraus, die er kraft dieser Sachkunde wahrgenommen haben soll.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 - 9 B 519.99 -, juris, Rn. 11,18.
111Daran fehlt es hier. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar oder im Hinblick die behauptete Rekrutierungspraxis der Taliban gemacht hat. Aus den dem Senat vorliegenden Gutachten von Dr. Mostafa Danesch geht im Übrigen hervor, dass dieser hierzu jedenfalls nicht in der empirischen Ausdehnung, wie sie durch die Beweisanträge vorgegeben ist, über eigene Wahrnehmungen verfügt.
112Eine von der Einschätzung einer allenfalls geringfügigen Zwangsrekrutierungsgefahr abweichende Risikobewertung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten Vorfluchtereignissen. Das Vorbringen zu seinem Verfolgungsschicksal, das in erster Linie darauf abzielt, zu vermitteln, dass er in besonderer Weise ins Visier in Logar ansässiger Taliban geraten ist, ist unglaubhaft. Die Angaben, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dazu gemacht hat, sind in hohem Maße detailarm und unplausibel und können von daher nicht als erlebnisbasiert bewertet werden. Nichts anderes gilt für die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. In ihrer Zusammenschau ergeben sämtliche seiner Angaben das Bild eines nur fragmentarischen Berichts, der keinen ausreichenden Bezug zu einem realen Geschehen zulässt. Hinzu kommen zahlreiche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Klägers, die dafür sprechen, dass er sein Verfolgungsschicksal frei erfunden hat.
113Das gilt zunächst mit Bezug auf die Hintergründe und Umstände seiner angeblichen Entführung durch seinen Onkel. Hierzu hat der Kläger beim Bundesamt zunächst angegeben, seine Tante, die ihn großgezogen habe, habe zu Lebzeiten Übergriffe des Onkels, der ihr jüngerer Bruder gewesen sei, verhindern können. In diesem Zusammenhang hat der Kläger sinngemäß beantragt, Beweis über die mitunter starke Position afghanischer Frauen innerhalb der Familie zu erheben. Unvereinbar damit hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Onkel habe ihn und seinen Bruder zunächst nicht mitnehmen können, weil beide der altersbedingt kranken Tante hätten helfen müssen. Dass diese sich dem Bemühen des Onkels, den Kläger und seinen Bruder für die Taliban zu gewinnen, aktiv entgegen gesetzt habe, hat er demgegenüber mit keinem Wort erwähnt.
114Im Zusammenhang mit seiner angeblich anschließenden Entführung ist der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt - obgleich es sich dabei um ein besonders einschneidendes und von daher einprägsames Ereignis gehandelt haben dürfte – auf keinerlei situationstypische Details eingegangen. Seine Schilderungen beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass sein Onkel ihn und seinen Bruder nach dem Tod der Tante mit Gewalt mitgenommen habe, sie in den folgenden zwei Monaten bei den Taliban geblieben seien und dort Gewalt geherrscht habe. Dabei bleiben sämtliche die Situation prägenden Begleitumstände offen. So ist beispielsweise unklar geblieben, wie sich die Entführungssituation konkret abgespielt hat. Der Kläger hat auch nicht erwähnt, wohin sein Bruder und er von den Taliban verbracht worden sind, wie sie dort gelebt und mit was sie sich während ihres zweimonatigen Aufenthalts bei den Taliban beschäftigt haben.
115In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger aufgefordert worden, seine Erlebnisse im Zusammenhang mit der vermeintlichen Entführung möglichst detailliert zu schildern. Dabei ist es ihm nicht gelungen, das mit seinen bisherigen Schilderungen nur rudimentär skizzierte Handlungsgerüst anzureichern. Er war nicht nur nicht in der Lage, die Entführungssituation anschaulich im Zusammenhang darzustellen, sondern hat auch auf gezielte Nachfrage zu Einzelaspekten nahezu keine Details preisgegeben. Seine Darstellung dieses Handlungsabschnitts beschränkte sich trotz mehrfacher Nachfrage und ausreichender Gelegenheit zur Stellungnahme darauf, dass sein Onkel eine Woche nach dem Tod seiner Tante bewaffnet und mit einer Gruppe Taliban gekommen sei und ihn und seinen Bruder mitgenommen habe.
116Ebenso einsilbig und detailarm waren die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt bei den Taliban. Erst auf Nachfrage, wie er und sein Bruder die Zeit dort verbracht hätten, hat er - erneut ohne dabei auf irgendwelche Einzelheiten dazu einzugehen - erklärt, sie seien an der Waffe ausgebildet worden. Sein Hinweis darauf, dass an diesem Ort Menschen getötet und Kinder zu Selbstmordattentätern gemacht worden seien, fügte sich demgegenüber nicht nahtlos in den Kontext seiner übrigen Schilderungen ein und war angesichts fehlender Begleitinformationen, insbesondere zum Aufenthaltsort, auch nicht zuzuordnen. Der Senat betrachtet es - auch angesichts der gleichbleibenden Stimmungslage des Klägers - als näherliegend, dass er das Geschilderte nicht erlebt, sondern erfunden hat, um die Situation aus asyltaktischen Gründen besonderes dramatisch erscheinen zu lassen. Ein vergleichbares Aussageverhalten hat der Kläger gezeigt, als er nach Abschluss seiner Befragung - ebenfalls außerhalb des Kontextes und ohne erkennbare Veranlassung - auf Narben in seinem Gesicht und an seinem rechten Bein hingewiesen hat, die von Schlägen mit einem Gewehrkolben bzw. nach kurz darauf korrigierter Darstellung von Bajonettstichen während der Zeit seiner Gefangenschaft herrühren sollen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen gegenüber seiner Aussage vor dem Bundesamt gesteigert und schon deswegen unglaubhaft ist, zielt es ebenfalls darauf ab, durch Hervorhebung besonderer Brutalität Aufmerksamkeit zu erregen, um so von der Detailarmut und Widersprüchlichkeit des restlichen Vorbringens abzulenken.
117Letztere spiegelt sich auch in der Schilderung des Klägers zu seinem angeblichen Verrat an den Taliban wieder. Während er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch erklärt hatte, er selbst habe mit seinem Mobiltelefon die Polizei angerufen, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Bruder habe in seiner Gegenwart die Polizei verständigt. Sofern er diese Angabe an anderer Stelle erneut modifiziert hat, liegt darin ein weiteres Indiz für ihre fehlende Glaubhaftigkeit. Das gilt auch bezogen auf die Angaben des Klägers zur Hinrichtung seines Bruders. Diese hat er beim Bundesamt und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eher beiläufig erwähnt, während er die Schilderung jeglicher Details zu den Begleitumständen oder seiner eigenen emotionalen Verfassung unter Hinweis darauf, diese nicht schildern zu können, vermieden hat. Im Kontext seines weiteren Aussageverhaltens wertet der Senat dies - zumal es in seinem Fall für den Befund einer Traumatisierung weder substantiierten Vortrag noch greifbaren Anhalt gibt - als Hinweis darauf, dass die Schilderungen des Klägers, der unverständlicherweise die Erinnerung an das Geburtsdatum seines Bruders verloren hat, auch insoweit nicht der Wahrheit entsprechen. Zwar hat sich der Kläger bei Erwähnung der Hinrichtung seines Bruders für einen kurzen Moment die Augen gerieben. Dies konnte aber angesichts seiner darauf innerhalb kürzester Zeit wieder völlig unverändert und gleichmütig wirkenden Stimmungslage nicht als Geste authentischer Ergriffenheit gewertet werden.
118Dem Kläger ist es zudem nicht gelungen, seine emotionale Verfassung während seiner Zeit bei den Taliban nachvollziehbar darzulegen. Bezeichnenderweise hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Frage, wie sich die Zeit im Gewahrsam für ihn angefühlt habe, kein Gefühl, sondern eine Erwartung benannt. Angesichts der Einprägsamkeit der geschilderten Situation gibt es für einen derartigen emotionalen Gedächnisverlust keine plausible Erklärung. Vielmehr dürfte die Situation plötzlichen Eingesperrtseins heftige Angstgefühle oder Fluchtreflexe auslösen, die auch nach längerer Zeit zumindest kognitiv noch reproduzierbar sind. Deren Ausprägung mag zwar je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich sein, ihr Fehlen ist aber angesichts der vom Kläger geschilderten besonderen Bedrohungssituation nicht nachzuempfinden und spricht deshalb dafür, dass seine Schilderungen nicht zutreffen. Ein weiteres Indiz dafür ist seine ebenfalls spärliche Erinnerung an die tatsächlichen Umstände des Gewahrsams. Hierzu hat er lediglich erklärt, er habe Hunger gehabt und sei auch geschlagen worden. Ein derartiges Abflachen des Erinnerungsniveaus ist weder mit dem Bildungsstand des Klägers noch anders als damit zu erklären, dass er auch insoweit gelogen hat. Hierzu passt, dass er in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist.
119Unabhängig davon ist seine Aussage unter zahlreichen weiteren Aspekten nicht stimmig und lebensfremd. Seine angebliche Flucht aus der Gefangenschaft der Taliban und das Gelingen seiner anschließenden Ausreise aus Afghanistan beruhen auf einer höchst unwahrscheinlichen Häufung und Verkettung von Zufällen, die zudem jeweils genau zum passenden Zeitpunkt eingetreten sind. Diese Aneinanderreihung von Zufällen nimmt ihren Lauf mit der angeblichen Freundschaft zu seinem Wächter. Dass dieser Wächter dem Kläger - ungeachtet der damit für ihn selbst verbundenen Gefahren - zur Flucht verholfen haben soll, ist realitätsfern. Weder die angebliche Freundschaft, zu deren Entstehung und Tiefe die Angaben des Klägers noch nicht einmal Rückschlüsse zulassen, noch die erwähnte Gegenleistung sind ein nachvollziehbares Motiv dafür, dass der Wärter sich den mit der Freilassung des Klägers einhergehenden, im Zweifel für ihn selbst lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt haben soll.
120Dass es dem Kläger unmittelbar im Anschluss an seine Flucht - nach seinen Angaben beim Bundesamt praktisch über Nacht und nach denen in der mündlichen Verhandlung innerhalb von zwei Tagen - gelungen ist, unentdeckt von seinem Onkel, verwandte oder befreundete Käufer zu finden, die ihm für die Übertragung eines Bruchteils seines Landstücks ohne zeitliche Verzögerung passend die für die Ausreise erforderliche Summe von 9.000 Dollar zur Verfügung gestellt haben sollen, überschreitet ebenfalls ein Maß an zufälligen Fügungen, das der Senat noch zu glauben bereit ist.
121Da der Vortrag des Klägers danach in wesentlichen Punkten unzutreffend und in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist, lehnt der Senat seine hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 1 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014 ab.
122Vgl. zur Möglichkeit der Ablehnung von Beweisanträgen aus diesem Grund BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
123Es besteht auch kein durch die Erkenntnislage begründeter Anhalt oder substantiierter Vortrag dafür, dass sich die tadschikische Volkszugehörigkeit des Klägers gefahrerhöhend auswirkt. In der Provinz Logar leben mehrheitlich Paschtunen (60 %) und Tadschiken sowie eine kleine Minderheit schiitischer Hazara.
124vgl. Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
125Wenngleich die Paschtunen dieses Gebiet traditionell dominiert haben, ist nichts dafür bekannt, dass Tadschiken dort häufiger als andere Volksgruppen Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen werden, die in Zusammenhang mit konfliktbedingten Kampfhandlungen oder Attentaten stehen. Hierzu passt, dass es nach dem Sturz der Taliban nur noch sehr wenige Fälle ethnisch motivierter Gewalt gab.
126Vgl. Congressional Research Service, Afghanistan: Politics, Elections and Government Performance, vom 28. Juli 2014, S. 2.
127Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage - vom 30. September 2013 enthält eine umfangreiche Auflistung der speziell durch staatliche, nicht staatliche und internationale Akteure gefährdeten Personengruppen (S. 15 ff.). Der Kläger gehört keiner dieser Personengruppen an.
128Ebenso wenig besteht in Logar eine exponierte allgemeine Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des EuGH gekennzeichnet ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der Auswertung folgender Erkenntnisse:
129Logar ist eine der 34 Provinzen im östlichen Teil Afghanistans, deren Hauptstadt Pul-i-Alam ist. Logar grenzt südlich an die Provinz Kabul, ist zudem den Provinzen Nangarhar, Paktia, Kabul, Wardak und Ghazni benachbart und verfügt im Osten über eine schmale Grenze zu Pakistan. Die Provinz umfasst ein Gebiet von knapp 4.000 Quadratkilometern. Die Einwohnerzahl liegt aktuellen Schätzungen der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan zufolge bei 379.400.
130Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013/2014, S. 3 und 5 f.,
131abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
132Logar ist in sieben Bezirke unterteilt. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, liegt angrenzend an Wardak im Westen der Provinz. Dort leben variierenden Schätzungen zufolge ungefähr 85.200 Menschen.
133Vgl. Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD), National Area Based Development, Logar Provincial Profile, abrufbar unter: "Logar Provincial Profile". MRRD. 2013-07-27. Retrieved 2013-08-17.
134Logar gilt als Einfallstor aufständischer Oppositioneller in die Hauptstadt Kabul.
135Vgl. FAZ vom 15. Oktober 2013 „Gouverneur von Logar getötet“; Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
136Seit etwa 2008 liegt die Provinz im Wesentlichen in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, deren Anführer Gulbuddin Hekmatyar ist und die ungeachtet gelegentlicher Konfrontationen mit den Taliban ideologisch und politisch verbunden sind. Auch das von Jalaluddin Haqqani gegründete Haqqani-Netzwerk, von dem davon ausgegangen wird, das es al-Quaida näher steht, hat großen Einfluss in der Provinz. Bedingt durch diese Machtverteilung wurden in der Vergangenheit in Logar weniger Anschläge durch oppositionelle Gruppierungen verübt, als in den südlichen und östlichen Grenzprovinzen.
137Vgl. Auskunft von Amnesty International vom 20. Dezember 2010 an den Hess.VGH, S. 2; mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gruppierungen, ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation:ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014
138http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
139Den genannten extremistischen regierungsfeindlichen Gruppierungen dient die Provinz als strategisches Aufmarschgebiet, von dem aus sie ihre Anschläge auf bedeutsame Ziele in Kabul vorbereiten und starten. Den Feststellungen des Gutachters Dr. Mostafa Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zufolge fanden zu dieser Zeit in Logar täglich Partisanenkämpfe der Taliban gegen die afghanische Armee und die NATO-Truppen statt, die umgekehrt massiv die Stellungen der Taliban angriffen (S. 5). Aktuellere Erkenntnisse sprechen nicht dafür, dass sich diese Situation in der Zwischenzeit grundlegend verbessert bzw. beruhigt hat. Nach den Feststellungen der Organisation Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) haben sich die südliche, die südöstliche und die östliche Region zunehmend zu einem zusammenhängenden Kampfgebiet entwickelt.
140Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 2 2012, S. 1.
141In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung für Afghanistan ist seit Dezember 2011 fortlaufend eine erhebliche Bedrohungslage für Logar ausgewiesen.
142Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages (im Folgenden: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht), jeweils Stand: Dezember 2011, Juni 2012, November 2012, Januar 2014 (S. 9) und zuletzt Juni 2014 (S. 17).
143Im aktuellsten Bericht wird dies - wie bereits in dem vorangegangenen Bericht -dahingehend ausgeführt, dass in den ländlichen - vorwiegend paschtunisch geprägten - Gebieten im Osten und Süden eine „überwiegend nicht“ oder in einigen wenigen Distrikten sogar eine „nicht kontrollierbare“ Sicherheitslage herrsche (S. 16). An der in dem Bericht ebenfalls enthaltenen graphischen Darstellung anhand einer Karte des Staatsgebiets von Afghanistan (S. 17), auf der die regionale Bedrohungslage nach den jedenfalls nicht grundlegend davon abweichenden Einstufungen der NATO unterschiedlich farblich markiert ist, wird deutlich, dass letzteres nicht die Provinz Logar, sondern die Provinzen Kunar, Khowat sowie Teile der Provinzen Ghazni, Paktika und Paktia betrifft.
144Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eingewendet hat, die in den Berichten der Bundesregierung ausgewiesenen Zahlen sicherheitsrelevanter Zwischenfälle seien fehlerhaft und nachträglich um 10 % nach oben korrigiert worden, trifft dieser Einwand zu, greift aber nicht durch. Denn die getroffene Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt diesen Aspekt. Die Bundesregierung hat in ihrem Fortschrittsbericht von Juni 2013 auf das Erfordernis nachträglicher Korrekturen der statistisch erfassten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle hingewiesen. Da deren Erfassung mittlerweise durch die ANSF erfolge, könne sie nicht auf Verlässlichkeit überprüft werden. Infolgedessen bestehe eine nur eingeschränkte Verifizierbarkeit und Verlässlichkeit, was dazu führe, dass diesem Zahlenwert bei der Bewertung der Sicherheitslage nur geringe Aussagekraft beigemessen werde.
145Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Juni 2013, S. 7 f.; Januar 2014, S. 9; Juni 2014, S. 16.
146Das kommt auch in der der vorgenommenen Kategorisierung der Sicherheitslage zugrunde liegende Bewertungsmethodik zum Ausdruck. Diese orientiert sich an einer Reihe von quantitativen und qualitativen Indikatoren. Hierzu wurden für eine variable Bewertungsmatrix drei Kategorien (Bedrohung, Schutz und Perzeption der Sicherheitslage) festgelegt und zusätzlich mehrere nachgeordnete Einflüsse definiert (politische Institutionen, Sozioökonomie oder externe Einflüsse), die je nach Verfügbarkeit der Erkenntnisse und Ausprägung der Wirkung auf die Sicherheitslage berücksichtigt worden sind. Als „überwiegend nicht kontrollierbar“ - wie für Logar festgestellt - gilt die Sicherheitslage eines Raumes nach diesen Bewertungsmaßstäben dann, wenn bestehende Bedrohungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen, kurzfristig keine Verbesserung der Sicherheitslage zu erwarten ist und die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen in Frage steht.
147Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, Anhang, S. 28.
148Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Organisation ANSO die Sicherheitslage in Logar nicht gleichermaßen prekär einzuschätzen scheint. In ihrem Bericht für das erste Quartal 2013 ordnet sie Logar bezogen auf die dortige Sicherheitslage (nur) der mittleren von insgesamt fünf Kategorien zu, deren Bezeichnung „moderately insecure“ lautet.
149Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013 vom 30. April 2013, S. 11.
150Diese Bewertung steht unter anderem in Verbindung mit der in diesem Bericht für die einzelnen Provinzen Afghanistans für das jeweils erste Quartal der Jahre 2011 bis 2013 aufgeführten Dichte von Vorfällen, an denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen beteiligt waren. Danach haben sich derartige Vorfälle in Logar in diesem Zeitraum um 25 % reduziert. Logar gehörte damit zu den insgesamt acht Provinzen, in denen Vorfälle dieser Art abgenommen haben, während die Vorfallsdichte in sechs weiteren Provinzen weitgehend gleichbleibend war und in den verbleibenden zwanzig Provinzen - zum Teil erheblich - angestiegen ist. Nach einem Bericht des Institute for the Study of War (ISW) gelten innerhalb Logars der Hauptstadtbezirk Pul-i-Alam als der Unruhigste und die Bezirke Kharwar und Muhammad Agha ebenfalls als problematisch. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, ist dort nicht aufgeführt.
151Vgl. ISW, Regional Command East, Overview, Province Logar, abrufbar unter: https://www.understandingwar.org/region/regional-command-east.
152Das quantitative Kernkriterium für die zu treffende Gefahrenprognose ist die in der maßgebenden Region - hier Logar - zu verzeichnende Zahl ziviler Opfer. Diese dokumentiert die Politische Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan UNAMA (United Nations Assistence Mission in Afghanistan), die hierzu im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in halbjährlichem Turnus aktualisierte Berichte erstellt. Dabei ist die Methodik, der Ermittlung und Auswertung folgen, zu Beginn der jeweiligen Berichte beschrieben. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
153Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 1.
154Aus einer Zusammenschau des Jahresberichts für das Jahr 2013 und des aktuellen Zwischenberichts von Juli 2014 ergibt sich, dass im Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan 42.024 Zivilisten konfliktbedingt zu Schaden gekommen sind, von denen 15.628 getötet und 26.396 verletzt worden sind. Davon entfallen 1.564 getötete und 3.289 verletzte zivile Opfer auf den Zeitraum zwischen Januar 2014 und Juni 2014. Weder die Berichte von UNAMA noch die übrigen dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen enthalten eine weitere (vollständige) Aufschlüsselung nach Provinzen. Deren statistische Aussagekraft wäre auch fragwürdig. Denn Vieles spricht dafür, dass die damit einhergehende Maßstabsverkleinerung nicht auf eine Präzisierung, sondern - jedenfalls im Kontext einer längeren zeitlichen Entwicklung betrachtet - auf eine Verzerrung der abgebildeten Realität hinauslaufen würde. Aus diesem Grund bedarf es auch insoweit keiner weiteren Sachverhaltsermittlung.
155Ungeachtet dessen steht das Fehlen einer derartigen Aufschlüsselung der Bewertung, dass der Kläger bei Rückkehr nach Logar als Zivilperson keiner aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt resultierenden besonders exponierten Gefahrensituation ausgesetzt sein würde, nicht entgegen. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel erlauben eine - wenngleich nicht mathematisch genaue - annähernde Zuordnung der von UNAMA ermittelten Opferzahlen für die Provinz Logar, die jedenfalls die Feststellung trägt, dass das dortige Niveau willkürlicher Gewalt für den Kläger keine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, Art. 15 lit. c QRL II begründet.
156Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Dem aktuellsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zufolge, dessen Ergebnis insoweit im Wesentlichen den vorangehenden Berichten entspricht, ist die Sicherheitslage in weiteren 13 der insgesamt 34 afghanischen Provinzen vergleichbar mit der in der Provinz Logar bzw. brisanter als dort. Dies sind die Provinz Farah mit 490.600 Einwohnern, die Provinz Ghazni mit 1.188.600 Einwohnern, die Provinz Helmand mit 894.200 Einwohnern, die Provinz Kandahar mit 1.175.800 Einwohnern, die Provinz Khost mit 556.000 Einwohnern, die Provinz Kunar mit 436.000 Einwohnern, die Provinz Laghman mit 431.200 Einwohnern, die Provinz Nangarhar mit 1.462.600 Einwohnern, die Provinz Nuristan mit 143.200 Einwohnern, die Provinz Paktia mit 534.000 Einwohnern, die Provinz Paktika mit 420.700 Einwohnern, die Provinz Uruzgan mit 374.100 und die Provinz Zabul mit 294.100 Einwohnern. Diese Zahlen sind dem Jahrbuch 2013/2014 der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan entnommen.
157Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
158abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
159Sie beruhen, da die letzte Volkszählung in Afghanistan im Jahr 1979 stattgefunden hat, auf Schätzungen, denen die Annahme eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 2,03 % seit 1979 zugrunde liegt.
160Vgl. National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 8.
161Insgesamt leben in den aufgeführten dreizehn Provinzen danach rund 8,4 Millionen Menschen. Ausgehend von der entsprechenden Übersicht in dem letzten Bericht von ANSO ist darüber hinaus für die Provinzen Badghis (479.800 Einwohner), Faryab (964.600 Einwohner), Herat (1.816.100 Einwohner), Kunduz (972.200 Einwohner), Nimroz (159.300 Einwohner) und Wardak (577.100 Einwohner) und von einer Sicherheitslage auszugehen, die der in Logar entspricht. Diese Provinzen hinzugerechnet, ergibt sich eine Einwohnerzahl von rund 13,4 Millionen.
162Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013, S. 11.
163Selbst dann, wenn man die zuletzt genannten Provinzen vollständig außer Betracht lässt und die Einwohnerzahl von Logar (379.400) nur ins Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl der zuerst genannten 13 Provinzen setzt, die sich zuzüglich der Einwohner von Logar auf 8.780.500 beläuft, macht der auf Logar entfallende Anteil ziviler Opfer rund 4,3 % aus. Angesichts der vergleichbaren, zum Teil sogar problematischeren Sicherheitslage in jenen Provinzen bildet dieser Anteil einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Anzahl der zivilen Opfer in Logar. Hervorzuheben ist, dass dieser Berechnung, deren Ergebnis die tatsächliche Situation nur annähernd im Sinne einer Eingrenzung wiedergibt, die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise zugrunde liegt. Denn dabei wird unterstellt, dass sich die Zahl der zivilen Opfer ausschließlich auf 14 Provinzen Afghanistans verteilt, in denen lediglich gut 1/4 der Gesamtbevölkerung beheimatet ist. Dass der Anteil ziviler Opfer für Logar mit 4,3 % tatsächlich zu hoch liegen dürfte, ergibt sich daneben aus der Verteilung der von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen verursachten Vorfälle. Diese ist zwar nicht deckungsgleich mit der Verteilung der zivilen Opfer. Wegen der jedenfalls in Teilbereichen bestehenden Korrelation lässt sie aber zumindest gewisse Rückschlüsse darauf zu. Den Ermittlungen von ANSO zufolge haben sich im jeweils ersten Quartal der Jahre 2011, 2012 und 2013 in ganz Afghanistan 6.886 Vorfälle dieser Art ereignet. Davon entfallen nur 58 Vorfälle und damit ein die angenommene Opferquote von 4,3 % deutlich unterschreitender Bruchteil von 0,84 % auf die Provinz Logar. Andererseits ist dieser Aufstellung zu entnehmen, dass diejenigen Provinzen, die dem aktuellsten Update-Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für Afghanistan zufolge am meisten umkämpft waren, nämlich Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni durchgehend die höchste Vorfallsdichte aufgewiesen haben.
164Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2013, S. 10.
165Daran wird deutlich, dass der ermittelte Anteil von 4,3 % den tatsächlichen Gefährdungsquotienten zwar nur annäherungsweise wiederspiegeln mag, jedoch angesichts der zugunsten des Klägers einbezogenen Sicherheitsüberlegungen zumindest nicht darüber hinausgeht.
166Bezogen auf die von UNAMA für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 ermittelte Gesamtzahl von 42.024 Toten und Verletzten zivilen Opfer ergibt sich für Logar - bei Annahme dieses Anteils - die Zahl von 1.807 getöteten und verwundeten Zivilisten. Selbst wenn man diese Zahl zur angemessenen Berücksichtigung der insoweit hohen Dunkelziffer mit drei multipliziert,
167so Auskunft Dr. Mostafa Danesch an den Hess. VGH vom 3. September 2013, S. 11,
168ergibt sich daraus, in Bezug zur Einwohnerzahl von Logar (379.400) gesetzt, für einen Zeitraum von einem Jahr lediglich eine Opferquote von 0,26 % (1807: 5,5 Jahre x 3 x 100 : 379.400) bzw. von 0,33 % (4853 x 2 = 9706; davon 4,3 % entspricht 417; 417 x 3 x 100 : 379.400), wenn man isoliert die Opferzahlen für Afghanistan aus dem Jahr 2014 hochrechnet.
169Vgl. dazu Hess.VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - 8 A 119/12.A -, juris, Rn. 40, 43 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris, wo für die Berechnungen im Ausgangspunkt ebenfalls von einem Jahreszeitraum ausgegangen wird.
170Beides sind bereits für sich genommen zu geringe Werte, um für den Kläger, bei dem keine gefahrerhöhenden persönlichen Merkmale vorliegen, ausnahmsweise die Individualisierung einer allgemeinen konfliktbedingten Gefahr annehmen zu können. Hinzu kommt, dass dieser Prozentsatz - neben den bereits genannten Aspekten - noch aus anderen Gründen nach unten zu korrigieren ist. Die von UNAMA ermittelte Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Das liegt für den von UNAMA mit 9 % ermittelten Anteil gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Organisationen nahe. Hinzu kommen dürfte ein nicht näher quantifizierbarer Anteil der durch Selbstmordattentate, komplexe Angriffe und provisorische Sprengsätze hervorgerufenen Opfer, die im Zeitraum von Januar bis Juni 2014 insgesamt einen Anteil von 42 % ausgemacht haben.
171Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
172Dies hängt damit zusammen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach - bedingt durch die strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. die Mitarbeiter staatlicher Organisationen, in besonderer Weise betroffen waren. Dass die deswegen vorzunehmende Korrektur auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht exakt bezifferbar ist, ist angesichts des Umstandes, dass der ermittelte Gefährdungswert schon als solcher nicht ausreicht, um eine individuelle Bedrohung zu begründen, nicht entscheidend.
173Dieser Bewertung stehen auch nicht bereits gegenwärtig absehbare zukünftige Entwicklungen entgegen. Der Umstand, dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2013 und in der ersten Hälfte des Jahres 2014 im Vergleich zum Jahr 2012 gestiegen ist, ist angesichts der Kürze dieses Zeitraums und vergleichbar hoher Opferzahlen im Jahr 2011 (noch) kein aussagekräftiges Indiz für eine Fortentwicklung des Anstiegs der Opferzahlen. Ebenso wenig kann diese Prognose anhand der diesem Anstieg zugrunde liegenden Ursachen getroffen werden. Diese liegen einerseits in der vermehrten Nutzung provisorischer Brand- und Sprengvorrichtungen (sogenannte IEDs) und ergeben sich andererseits daraus, dass eine größere Zahl von Zivilsten den Folgen von Bodengefechten zum Opfer gefallen ist. Insgesamt sind auf diese beiden Ursachen nach den Feststellungen von UNAMA im Zeitraum von Januar 2014 bis Juni 2014 69 % der zivilen Opfer zurückzuführen.
174Vgl. UNAMA, Afghanistan Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
175In diesem Zusammenhang hat UNAMA darauf hingewiesen, dass der Anstieg
176der zivilen Opfer durch Kreuzfeuer und Bodengefechte einer veränderten Dynamik des Konflikts geschuldet sei, in dem nun Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Afghan National Security Forces (ANSF) vermehrt in Wohngebieten stattfänden. Als Ursache hierfür vermutet UNAMA die Schließung von 86 ISAF-Militärstützpunkten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013. Für die erste Jahreshälfte 2014 ergebe sich daraus ein direkter Zusammenhang zum Anstieg der zivilen Opfer, insbesondere zu solchen, die bei Bodengefechten zu Schaden gekommen seien. In der Vergangenheit hätte die Präsenz der ISAF-Truppen regierungsfeindliche Gruppierungen häufig davon abgehalten, in dichter besiedelte Gebiete vorzudringen. Dieser Zusammenhang ist zwar plausibel, er erlaubt aber keine auch nur annähernd zuverlässige Prognose dahin, wie sich die Zahl der zivilen Opfer zukünftig nach Beendigung des ISAF-Einsatzes Ende des Jahres 2014 entwickeln wird. Insbesondere besteht gegenwärtig keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Prognose, dass die Anzahl der zivilen Opfer in der hier maßgebenden Region in einem Umfang ansteigen könnte, der - unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen - für jede Zivilperson zu einer Individualisierung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahrenlage führen würde. Zwar ist mit dem Ende des ISAF-Einsatzes die Gefahr des Erstarkens regierungsfeindlicher extremistischer Gruppierungen und einer damit einhergehenden Ausweitung der Kampfhandlungen verbunden. Es ist aber weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich, sondern offen, ob und vor allem in welcher Form und in welchem Umfang sich diese Gefahr realisieren wird. Das gilt insbesondere angesichts der zugesagten Finanzierungshilfen zur Unterstützung der Funktionsfähigkeit der ANSF und der ins Auge gefassten ISAF-Folgemission „Resolute Support Mission“ mit einem personellen Gesamtumfang von 8.000 bis 12.000 Soldaten, deren Aufgabe schwerpunktmäßig in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der ANSF liegen soll.
177Vgl. dazu im Einzelnen: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 18 f.
178Ein sprunghafter Anstieg der Opferzahlen aufgrund des gesteigerten Einsatzes von improvisierten Spreng- und Brandvorrichtungen ist derzeit ebenfalls nicht absehbar. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zudem, dass von Anschlägen dieser Art in besonderem Maße die südlichen und südöstlichen Provinzen Afghanistans betroffen waren und weniger die Region, der der Kläger entstammt.
179Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 14.
180Hinzu kommt, dass der Anstieg der zivilen Opfer zuletzt auch auf eine vermehrte Betroffenheit von Frauen und Kindern - und damit einer Risikogruppe, der der Kläger nicht angehört - zurückgeht.
181Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 3; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
182Daneben geben weder die medizinische Versorgungslage in Logar noch Binnenflüchtlingsbewegungen Veranlassung zu einer anderen Bewertung. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Lebenserwartung in Afghanistan um 18 Jahre angestiegen. Defizite in der medizinischen Versorgung ergeben sich trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin aus der unzureichenden Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber dem Mangel an Ärzten und gut qualifiziertem Personal (insbesondere Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine Person qualifizierten medizinischen Personals gegenüber. Die regionalen Unterschiede sind auch hier erheblich, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.
183Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.; umfassend zu den Entwicklungen des Gesundheitssystems: National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 83 ff.
184Diese Mängel sind - ohne die sich daraus ergebenden Folgeprobleme bagatellisieren zu wollen - schwerwiegend; sie erreichen aber gerade unter Berücksichtigung der im letzten Jahrzehnt kontinuierlich stattgefundenen Verbesserung der Gesundheitsversorgung nicht den Grad an Brisanz, der erforderlich wäre, um die getroffene Gefährdungsprognose in Frage zu stellen.
185Das gilt auch mit Bezug auf die Situation in der Provinz Logar, in der die gesundheitliche Grundversorgung gewährleistet ist. Im Jahr 2011 gab es dort 43 Gesundheitseinrichtungen, darunter sechs mobile Kliniken, 25 Grundversorgungszentren, zwei Bezirkskrankenhäuser und ein Provinzkrankenhaus mit 150 Betten. Die Gesundheitsversorgung wird durch vom afghanischen Gesundheitsministerium angestellte Ärzte und Krankenschwestern sichergestellt. Deren - jeweils erheblich gestiegene - Zahl lag im Jahr 2011 bei 57 Ärzten und 127 Krankenschwestern. Daneben gibt es in Logar 199 Apotheken.
186Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, 1.2 Current state of Development in the Province E. Health; einige der mobile Gesundheitsstationen sind von der Bundesregierung finanziert worden, Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
187Angesichts dessen bestehen keine Anzeichen dafür, dass die medizinische Versorgung in Logar hinter dem landesweiten Durchschnitt zurückbleibt.
188Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse bieten desweiteren keinen Ansatz für eine hervorzuhebende Anzahl von Binnenflüchtlingen aus Logar, die erheblich von den die dortige Sicherheitslage prägenden Faktoren abweicht und deswegen Hinweis auf eine besonders exponierte Gefahrenlage sein könnte. Der landesweite Anstieg der konfliktbedingt Binnenvertriebenen im Zeitraum von Ende 2012 bis Ende Juni 2013 von 486.000 auf 574.327 kann zwar allgemein als Ausdruck einer Verschärfung des Konflikts bezogen auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans angesehen werden.
189Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 22; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 30 f.
190Daraus lässt sich aber weder etwas über die regionale Verteilung der Flüchtlingsströme herleiten noch über die fluchtauslösenden Ursachen, die bei Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vielfältiger Natur - etwa religiöser Art sein können und nicht zwingend damit in Zusammenhang stehen müssen. Die Dimension des Anstiegs der landesweit Binnenvertriebenen erreicht auch für sich genommen keinen Grad, der es rechtfertigt, für die Provinz Logar von einer besonders exponierten Gefahrenlage auszugehen. Relativierend ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird und zudem - zeitweise umfangreiche - gegenläufige Migrationsbewegungen stattfinden. Trotz schlechter wirtschaftlicher Perspektiven sind allein im Jahr 2012 98.609 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt.
191Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 21 f.
192Die vorliegenden Erkenntnisse zur Sicherheitslage in Logar sind aktuell. Sie beruhen auf zuverlässigen Quellen und beinhalten hinreichende Informationen zur Beurteilung der verfahrensrelevanten Gesichtspunkte. Der Senat lehnt deswegen die auf Einholung bzw. Beiziehung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers (Ziffern 7, 8, 13) ab. Sollte der Kläger mit dem Antrag unter Ziffer 8 - was daraus bereits nicht hinreichend deutlich hervorgeht - darüber hinaus unter Beweis gestellt haben wollen, dass die Taliban in der Lage sind, in Kabul Mordaktionen durchzuführen, kann dies als wahr unterstellt werden, so dass auch diesem Antrag nicht nachgegangen werden muss.
193Soweit der Kläger hinsichtlich der Hilfsbeweisanträge zu Ziffern 7, 8 und 13 gleichzeitig die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. Mostafa Danesch beantragt hat, ist dieser Antrag bereits deswegen abzulehnen , weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zur Binnenflüchtlingssituation in Afghanistan und zur Sicherheitslage in Logar gemacht hat. Dass er als Einzelperson eigene Wahrnehmungen, in dem durch das Beweisthema vorgegebenen Umfang gemacht haben soll, erscheint abgesehen davon auch ausgeschlossen.
194Der Beweisantrag unter Ziffer 14 wird ebenfalls abgelehnt. Die darin unter Beweis gestellte Tatsache kann in dieser Undifferenziertheit als wahr unterstellt werden, ohne dass sich dadurch etwas an der Bewertung ändert, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Logar nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit droht. Die Feststellung, dass 40 % der Bevölkerung in Afghanistan aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen schwer traumatisiert ist, ist für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG zu treffende Gefahrenprognose nicht entscheidend. Sie besagt für sich genommen nichts darüber, wie sich die Situation in der insoweit maßgebenden Heimatprovinz des Klägers darstellt. Insbesondere fehlt ihr aber jegliche Aussagekraft dazu, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Traumata ausgelöst worden sind. Angesichts der bereits jahrzehntelang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan lässt die Annahme, dass dadurch 40 % der Bevölkerung traumatisiert worden sind, nicht den Rückschluss zu, dass die aktuelle Gewaltsituation, die für die Gefährdungsprognose vorrangig in den Blick zu nehmen ist, für diese Traumatisierungsquote ursächlich ist. Angesichts dessen hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob die Traumatisierungsdichte in der Bevölkerung hierfür ein eigenständiges und taugliches Kriterium sein kann. Als Ausdruck einer langjährigen Entwicklung mag daraus für Vergangenheit etwas abzuleiten sein. Die gegenwärtige Gefährdungssituation lässt sich anhand dieses Kriteriums indes nicht zuverlässig abbilden. Das gilt auch deswegen, weil der Anteil traumatisierter Menschen - anders als bei den übrigen Bewertungsparametern - keinem ständigen Wechsel unterliegt, anhand dessen sich aktuelle Entwicklungen genau ablesen lassen. Problematisch erscheint außerdem, dass mit der Zugrundelegung bestimmter Traumatisierungsquoten eine Nivellierung unterschiedlicher Risikoprofile einhergeht. So dürfte etwa das Risiko von Frauen, in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen Opfer sexuell motivierter Gewalt zu werden und infolgedessen ein Trauma zu erleiden, höher sein als das von Männern. Mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Einzelne bei Rückkehr in sein Heimatland befürchten muss, künftig seelisch verletzt zu werden, lässt sich deswegen zuverlässiger anhand der übrigen, die objektiven Gefährdungslage bestimmenden Faktoren abschätzen.
195(b) Subsidiären Schutz kann der Kläger auch nicht auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG beanspruchen, der Art. 15 lit. b) QRL II entspricht, und wonach ein ernsthafter Schaden auch dann droht, wenn die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht. Der Wortlaut der Vorschrift ist an Art. 3 EMRK angelehnt. Die Rechtsprechung des EGMR zu diesem Konventionsgrundrecht ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung zu berücksichtigen.
196Vgl. noch zu § 60 Abs. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 22.
197Im Fall des Klägers bestehen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal keine stichhaltigen Gründe dafür, dass ihm in Afghanistan Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR droht.
198Dass der Kläger ungeachtet des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals in Afghanistan in erheblicher Weise Gefahr läuft, zwangsrekrutiert zu werden, ist aus den vorstehenden Gründen, auf die insoweit verwiesen wird, ebenfalls nicht ersichtlich.
199Soweit unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegslagen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG begründen können, gilt dies nur unter exzeptionellen Umständen. Nach der Rechtsprechung des EGMR erstreckt sich der Schutz nach Art. 3 EMRK nicht auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen. Andererseits erfordert die grundlegende Bedeutung dieses Konventionsgrundrechts seiner Auffassung nach eine gewisse Flexibilität. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind.
200Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 25.
201Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts ist dies bezogen auf die allgemeine Lage in Afghanistan nicht der Fall.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23 ff., EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09 (Husseini) -, juris, Rn. 84.
203Der Senat sieht - auch auf der Grundlage seiner eigenen tatrichterlichen Feststellungen - keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
204(c) Ebenso wenig steht § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG, durch den Art. 15 lit. a) QRL II gleichlautend umgesetzt worden ist, einer Abschiebung des Klägers entgegen. Danach ist einem Ausländer subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wegen der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht. Hierfür ist nach dem Vorbringen des Klägers nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche Gefahr nicht aus möglichen Vergeltungsschlägen der Taliban anlässlich des mutmaßlichen Verrats durch den Kläger. Denn insoweit ist sein Vorbringen, wie oben ausgeführt, bereits unglaubhaft. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG nur die staatliche Todesstrafe erfasst oder darüber hinaus auch die durch nichtstaatliche Gruppierungen verhängte Todesstrafe, kann daher offen bleiben.
205(d) Unabhängig davon, dass bereits die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG nicht erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Hierbei handelt es sich um die - früher in § 60 Abs. 11 AufenthG a.F. enthaltene - Umsetzung des Art. 8 QRL I bzw. jetzt Art. 8 QRL II. Nach § 3e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind nach Absatz 2 die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL II zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf der Grundlage genauer und aktueller Informationen aus relevanten Quellen zu berücksichtigen.
206Die Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das Bundesverwaltungsgericht dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
207Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
208Dem schließt sich der Senat an,
209Vgl. ebenso Hess.VGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 91; VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
210und sieht angesichts dessen von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Frage zu den für eine interne Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL I bzw. QRL II zugrunde zu legenden Anforderungen ab, zumal keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht.
211Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
212Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
213Gemessen daran kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden.
214Das gilt mit Blick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage gleichermaßen. Eine Zusammenschau der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lässt diese Bewertung zu. Das gilt ungeachtet dessen, dass es für Teilaspekte der Tatsachengrundlage, auf der sie basiert, keine statistischen Erhebungen gibt.
215Vgl. zum Fehlen genauer Zahlen für Kabul, Auskunft Dr. Danesch an den Hess.VGH vom 8. Januar 2014; Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Hess.VGH vom 2. Juli 2014.
216Die vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die Sicherheitslage in Kabul im gesamtafghanischen Vergleich relativ stabil ist. In der Hauptstadt leben Schätzungen der Central Statistics Organization im statistischen Jahrbuch 2013/2014 zufolge 3.435.000 Menschen.
217Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
218abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
219Andere Quellen gehen sogar von 4,5 Millionen Einwohnern aus.
220Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 408.
221In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung ist die Bedrohungslage in Kabul seit Juli 2011 unter Zugrundelegung der Kriterien der NATO,
222vgl. zu diesen Kriterien: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Dezember 2010, S. 12,
223- mit Ausnahme eines vergleichsweise geringen Gebietsanteils in der Westprovinz, in dem sie zeitweise als „erheblich“ eingestuft worden ist - als „mittel“ bewertet.
224Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Afghanistan Juli 2011, S. 7, Dezember 2011, S.16, Juni 2012, S. 8, November 2012, S. 10, Januar 2014, S. 9 und Juni 2014, S. 17.
225Hiermit korrespondierend wird die Sicherheitslage in Kabul trotz einiger medienwirksamer Anschläge und häufiger Hinweise auf Anschlagsplanungen als „überwiegend kontrollierbar“ eingeschätzt, wobei darunter eine Situation verstanden wird, in der bestehende Bedrohungen eine nur geringe Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen. Dies kann eine räumlich und zeitlich eng begrenzte Verschlechterung der Sicherheitslage einschließen. Ferner ist diese Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen nicht nachhaltig in Frage steht.
226Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 16, 28.
227Diese Einschätzung der Sicherheitslage steht in Einklang mit der Anzahl der für Kabul dokumentierten Vorfälle, die durch bewaffnete oppositionelle Gruppierungen veranlasst wurden. Nach den Feststellungen von ANSO hat es in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012, 2013 in Kabul insgesamt 36 derartige Vorfälle gegeben. Bei 6.886 für diese Zeiträume für das gesamte Staatsgebiet von Afghanistan registrierten Vorfällen entspricht das einem Anteil von 0,52 %. Die Bundesregierung hat unabhängig davon im Jahr 2011 eine entsprechend geringe Quote sicherheitsrelevanter Zwischenfälle von ebenfalls 0,5 % für Kabul festgestellt.
228Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Juli 2011, S. 6.
229Besonderes Gewicht gewinnt dies in Relation dazu betrachtet, dass in der Hauptstadt Kabul rund 10 % der Gesamtbevölkerung Afghanistans leben. Soweit die dortige Sicherheitslage in dem aktuellsten Bericht von ANSO im Gegensatz zu Vorberichten als „Deteriorating“ eingestuft worden ist, kann dies nicht als Anknüpfungspunkt dafür genommen werden, dass sich die Situation dort allmählich zuspitzen würde. Einerseits handelt es sich dabei um die zweitniedrigste von fünf Gefährdungsstufen, andererseits ist diese Bewertung offenbar dem Umstand geschuldet, dass für das erste Quartal 2012 lediglich zwei Vorfälle dokumentiert sind, für das erste Quartal 2013 hingegen zwölf und hieraus eine 500 %ige Steigerung resultiert, die angesichts der vergleichsweise geringen Ausgangsbasis und vor dem Hintergrund, dass für das vorangegangene, bei dem prozentualen Vergleich nicht betrachtete erste Quartal 2011 22 Vorfälle verzeichnet worden sind, wenig Aussagekraft hat.
230Auch aktuellste Erkenntnisse sprechen nicht für eine grundlegende Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul. Der am 24. Juli 2014 aktualisierte Bericht der Organisation ACCORD,
231vgl. ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm,
232enthält hierzu unter Bezugnahme auf unterschiedliche Quellen folgende Informationen: In Kabul hätten sich eine Reihe von Selbstmordanschlägen ereignet, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigten. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und einer steigenden Kriminalitätsrate sei Kabul allerdings sicherer und mehr unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die Taliban-Zellen agierten dort weiterhin, wobei ihre Netzwerke anscheinend immer stärker würden. Abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt liege ihr Fokus auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollten. Die Taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe, sogenannte „highprofile attacks“, durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen werden solle.
233In dem aktuellsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist dies dahin präzisiert, dass sich die Angriffe der Taliban primär gegen Personen mit einem „hohen Profil“ wie Dolmetscher, Auftragnehmer und Lieferanten des Militärs und hochrangige Regierungsbeamte richteten. Bedingt dadurch komme es in Kabul häufiger zu gezielten Tötungen als in vollständig von den Taliban kontrollierten Gebieten. Für bekannte Personen bestehe dort ein größeres Risiko, angegriffen zu werden als in anderen Städten. Ziel der Taliban sei nicht die physische Kontrolle über Kabul; im Fokus stehe vielmehr die Ausübung psychologischen Einflusses.
234Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul, vom 22. Juli 2014, S. 5 ff.
235Nach den Feststellungen von ACCORD scheint es, als seien die Taliban demgegenüber nicht daran interessiert, relativ machtlose Personen zu verletzen. Ihre Taktik sei vielmehr zu zeigen, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den „Stahlring“ der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden könnten. Dies ziele anscheinend darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher „Geldgeber“ zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten. Es sei eine Zunahme großer Angriffe in der afghanischen Hauptstadt prognostiziert worden. Gleichwohl seien sich - einem Bericht des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums Landinfo aus Januar 2014 zufolge - verschiedene Quellen bei Gesprächen in Kabul im Oktober 2013 einig gewesen, dass die Regierung, die afghanische Nationalarmee und die afghanische Nationalpolizei die Lage in Kabul relativ gut unter Kontrolle hätten. Entwicklungen, auf Basis derer die Situation in Kabul als instabil bezeichnet werden könnte, seien nicht erkennbar. Sie sei allerdings hinsichtlich des Risikos konfliktbezogener, gewalttätiger Vorfälle durch Unvorhersehbarkeit geprägt.
236Soweit sich danach bei einer aktuell als stabil eingeschätzten Sicherheitslage in Kabul die besorgniserregende Entwicklung eines Erstarkens der Taliban abzuzeichnen scheint, ist einerseits zu sehen, dass die Aussagekraft dieser Prognose durch die tatsächliche Entwicklung bestimmt wird, in deren Licht sie zu sehen ist. Andererseits ist von Bedeutung, dass nicht die erhöhte mediale Aufmerksamkeit, die einzelnen Anschlägen zu Teil wird, das ausschlaggebende Kriterium für die Bewertung der Sicherheitslage in Kabul ist. Vielmehr ist dies in erster Linie die Wahrscheinlichkeit, die für eine Zivilpersonen besteht, einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn deren Sicherheit - wie derzeit in Kabul - durch einzelne gezielte Anschläge und nicht durch flächendeckendere und vielgestaltigere Destabilisierungsmaßnahmen gefährdet ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die Exponiertheit des Anschlagsziels nur insoweit mitbestimmt, als dort üblicherweise auch Zivilisten anzutreffen sind und richtet sich - den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zufolge - maßgebend nach dem Verhältnis von Einwohnerzahl und zivilen Opfern.
237Sie ist auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse für Kabul zu geringfügig, um auch jenseits einer Extremgefahr annehmen zu können, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, sich dort niederzulassen. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 sind von der NGO iMMAP Sicherheitsvorfälle in der Provinz Kabul dokumentiert, bei denen über 1.200 afghanische Zivilisten getötet oder verletzt wurden.
238Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul; vom 22. Juli 2014, S. 7 unter Hinweis auf den Bericht von iMMAP vom 16. April 2014.
239Das entspricht bezogen auf einen Jahreszeitraum rund 200 zivilen Opfern provinzweit. Anhand dessen und der Ergebnisse des zitierten Berichts von ACCORD, in dem die sicherheitsrelevanten Ereignisse, die sich zwischen Januar 2013 und Juli 2014 in Kabul ereignet haben, insbesondere auf der Grundlage der Artikel von Radio Free Europe/Radio Liberty, BBC und Agence France Press chronologisch aufgeführt sind, lässt sich der Umfang, in dem die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit Anschlägen in Kabul Schaden genommen hat, jedenfalls für die hier zu treffende Zumutbarkeitsprognose hinreichend genau abschätzen.
240Für das erste Quartal 2013 sind sieben - zum Teil vereitelte - Anschläge dokumentiert, bei denen insgesamt 34 Zivilisten und weitere 38 Personen verletzt und - abgesehen von mehreren getöteten Wachleuten, Polizisten und Soldaten - neun Personen getötet wurden. Angriffsziele waren u.a. das Gebäude des afghanischen Geheimdienstes, die Zentrale der Verkehrspolizei und das afghanische Verteidigungsministerium.
241Für das zweite Quartal sind acht Angriffe, u.a. auf den Kabuler Flughafen und den Obersten Gerichtshof, mit insgesamt rund 46 Todesopfern - darunter drei Sicherheitsleute und zwei US-Soldaten - und 59 Verletzten zuzüglich mehrerer Dutzend Verletzter bei einem am 16. Mai 2013 von der Hezb-e-Islami verübten Anschlag genannt, wobei aus dem Bericht nicht hervorgeht, dass diese Zahlen nur Zivilpersonen einschließen.
242Im dritten Quartal 2013 waren drei - überwiegend durch die Taliban verübte -Anschläge zu verzeichnen. Dabei kamen mindestens sieben Personen zu Tode, weitere drei Zivilisten wurden verletzt.
243Für das vierte Quartal 2013 sind neun Angriffe, darunter ein mittels Raketen bzw. Granaten verübter Anschlag auf die amerikanische Botschaft, aufgeführt, bei denen sieben Zivilisten und 13 weitere Personen - darunter drei Soldaten - getötet und sechs Zivilisten, weitere 23 Personen und mehrere Soldaten und Polizisten verletzt worden sein sollen.
244Für das erste Quartal 2014 sind zwölf Anschläge dokumentiert, die bereits zum Teil in Zusammenhang mit den am 5. April 2014 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen gebracht werden können. 46 Personen wurden getötet - wobei unklar ist, in welchem Umfang es sich dabei um Zivilpersonen gehandelt hat. Es wurden 58 Personen, zwei Polizisten und vier Wachmänner verletzt.
245Im zweiten Quartal 2014 - vermutlich im Zusammenhang mit den Stichwahlen am 14. Juni 2014 - kam es vor allem zu gezielten Angriffen, u.a. auf den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und ein weibliches Parlamentsmitglied. Außerdem ereigneten sich am Morgen der Wahl einige Raketenangriffe, u.a. in der Nähe des Kabuler Flughafens, bei denen niemand zu Schaden gekommen sein soll. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass im zweiten Quartal siebzehn Personen - darunter sechs Polizisten und ein Soldat - getötet und 25 Personen - zuzüglich „mehrerer“ weiterer Personen bei dem Anschlag am 21. Juni 2014 - verletzt worden sind. Im Juli 2014 kam es erneut zu Angriffen auf den Kabuler Flughafen, bei denen jeweils niemand getötet oder verletzt wurde. Insgesamt waren im Juli 2014 vier Tote und mehr als 15 Verletzte zu verzeichnen.
246Aus der Zusammenschau dieser Vorfälle geht zwar hervor, dass die Taliban und vergleichbare extremistische Gruppierungen weiterhin in der Lage sind, in den Hochsicherheitszonen Kabuls komplexe Anschläge durchzuführen,
247vgl. ebenso: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 11,
248ihr Erstarken lässt sich indes nicht daran ablesen. Das ergibt sich aus dem Vergleich mit der von ANSO für Kabul registrierten Anschlagsdichte in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012 und 2013, die bei durchschnittlich 12 Anschlägen pro Quartal lag. Der Umstand, dass der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch in seinem Gutachten an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 im Wesentlichen die gleichen Vorfälle benennt, spricht dafür, dass die Aufstellung von ACCORD überwiegend vollständig ist. Nach den Ergebnissen dieser Aufstellung sind von den - zumindest - rund 3,4 Millionen Einwohnern Kabuls in den vergangenen anderthalb Jahren ungefähr 400 Zivilpersonen durch Anschläge zu Schaden gekommen. Dabei erscheinen diese Zahlen angesichts der Feststellung von ANSO, dass auf Kabul nur rund 0,5 % der registrierten Anschläge entfallen, bei 42.024 von UNAMA für den gesamten Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 dokumentierten zivilen Opfern eher zu hoch.
249Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich gerade in Kabul aufgrund der dort vermehrt eingesetzten Taktik von „high profile attacks“ unter den Opfern eine Vielzahl von Personen mit - insbesondere berufsbedingt - gefahrerhöhenden Umständen finden dürfte. Aber selbst dann, wenn man im Ausgangspunkt eine Zahl von rund 267 zivilen Opfern im Jahr (2/3 von 400 in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Juli 2014) zugrundelegt und diese zum Ausgleich statistischer Ungenauigkeiten bzw. Unvollständigkeiten und zur angemessenen Berücksichtigung von Dunkelziffern aus Sicherheitsgründen mit drei multipliziert ergibt sich eine nur 0,023 %ige (267 x 3 x 100 : 3.435.000) und damit im Promillebereich liegende Wahrscheinlichkeit, in Kabul als Zivilperson Opfer eines Anschlages zu werden. Diese ist zu gering, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass es dem Kläger nicht zumutbar wäre, sich in Kabul niederzulassen. Dabei ist dem Senat klar, dass dieser Anteil den tatsächlichen Gefährdungsquotienten nicht exakt abbildet. Er ist aber insoweit aussagekräftig, als, soweit der Berechnung fiktionale Faktoren zugrunde liegen, jeweils die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise gewählt worden ist.
250Auch mit Blick auf die humanitäre Lage kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden, wenngleich diese in wesentlichen Teilbereichen nach wie vor stark defizitär ist. Die Hauptursachen dafür sind Wohnraumknappheit, eine nur begrenzt funktionsfähige Trinkwasserversorgung, der Anstieg der Lebenshaltungskosten und eine problematische Arbeitsmarktsituation.
251Die Wohnraumsituation ist von steigenden Immobilienpreisen, demographischem Druck und einer allgemeinen „Knappheit an Wohnraum in gutem Zustand“ geprägt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat sich daher in Kabul zu einem der gravierendsten sozialen Probleme entwickelt. Geschätzte 70 % der Bevölkerung leben innerhalb Kabuls bzw. in der Umgebung in sogenannten informellen Siedlungen. Darunter findet sich ein Großteil ehemaliger Kriegsflüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt sind, sowie Binnen- und Wirtschaftsflüchtlinge aus anderen Provinzen Afghanistans. Bei diesen Siedlungen handelt es sich um prekäre Unterkünfte wie Lehmhütten, Zelte oder alte beschädigte Gebäude. Das Leben dort ist häufig von schlechten hygienischen Verhältnissen und Trinkwassermangel gekennzeichnet. Die Bewohner dieser Siedlungen erhalten keine staatliche Unterstützung.
252Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
253Nach dem zuletzt zitierten Bericht sind die Lebenshaltungskosten in Kabul in den vergangenen Jahren um 30 % bis 50 % gestiegen. In der gesamten Provinz Kabul leben laut Weltbank und afghanischem Wirtschaftsministerium 23,1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
254Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
255Insofern stellt sich die Situation dort verglichen mit dem gesamtafghanischen Durchschnitt (36 %) etwas günstiger dar. Ähnliches gilt für grundlegende Infrastruktureinrichtungen.
256Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2013, S. 19.
257Über die genaue Arbeitslosenquote in Kabul liegen keine Erkenntnisse vor. Aufgrund der strukturellen Prägung des dortigen Arbeitsmarkts dürften hierüber auch keine zuverlässigen Erhebungen zu erreichen sein, weshalb der Senat von weiteren Ermittlungen hierzu absieht. Grundsätzlich ist es so, dass urbane Gebiete wie Kabul im Vergleich zum ländlichen Raum von einer niedrigeren Partizipation am Arbeitsmarkt und höherer Arbeitslosigkeit geprägt sind, da in der Stadt, anders als in der Landwirtschaft, die Teilnahme von Frauen, Jugendlichen und älteren Personen an Erwerbstätigkeiten geringer ausfällt. Mit rund 80 % machen in urbanen Gebieten selbstständige Beschäftigungsformen - wobei hierunter dem Einzelhandel die wichtigste Rolle zufällt - den weitaus größten Teil der Erwerbsaktivitäten aus.
258Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 409 ff.
259Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation zwischenzeitlich durchgreifend verändert hat. Insbesondere bei einer dramatischen Verschlechterung der Situation für erhebliche Teile der Bevölkerung wäre davon auszugehen, dass dies durch die hierzu berufenen Stellen dokumentiert wäre. Zwar wird in den aktuellsten Berichten auf Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der demographischen Entwicklung, dem gegenwärtig zu verzeichnenden Einbruch des Wirtschaftswachstums und infrastrukturellen Defiziten in Teilbereichen ergeben.
260Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 19; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
261Andererseits weist die Bundesregierung in ihrem aktuellsten Bericht auf die deutlichen Fortschritte beim Wiederaufbau des Landes, etwa die Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts und allgemeine Verbesserungen der Versorgungslage, der Schaffung einer Infrastruktur und rechtsstaatlicher Strukturen hin, ohne Kabul von dieser Entwicklung auszunehmen. Aus dem Bericht geht im Übrigen hervor, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird. Speziell im Bereich Kabul plant bzw. unterstützt die Bundesregierung Projekte im Zusammenhang mit der Abwasserentsorgung und der Wiederherstellung bzw. des Neubaus des Wasserversorgungssystems.
262Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
263Dass sich die humanitäre Situation in Kabul zuletzt verschlechtert hat, geht auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 hervor. Dies enthält nur ausschnittsweise Feststellungen zur humanitären Lage in Kabul, nämlich zu den Lebensumständen in den dortigen Flüchtlingslagern, in denen seinen Feststellungen zufolge 35.000 Menschen leben. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die desolaten Verhältnisse, die dort herrschen, repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet von Kabul sind.
264Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die humanitäre Lage in Kabul weiterhin äußerst schwierig ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen stark voneinander abweicht. Jedenfalls für den Kläger als gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können.
265Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt.
266Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko ab einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 % und 15 %.
267Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
268Hinzu kommt, dass der Kläger über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat eine abgeschlossene Schulausbildung und kann - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Der Kläger spricht dari, paschtu, urdu, persisch und etwas deutsch. Dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen und erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in seiner Heimat begünstigen, ist wahrscheinlich. Außerdem ist aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Landwirt davon auszugehen, dass er über Kenntnisse und Fertigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau und der selbstständigen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte verfügt. Vor dem Hintergrund, dass der selbstständige Einzelhandel als Erwerbssektor in Kabul eine bedeutende Rolle spielt, spricht Vieles dafür, dass der Kläger eine Erwerbstätigkeit in diesem Bereich finden und an seine früheren Erfahrungen anknüpfen können wird.
269Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
270(2) Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
271Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 (330), sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402. 240 § 53 AuslG Nr. 46, und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75.
272Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
273Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
274Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, juris, Rn. 20.
275Ausgehend davon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger in Afghanistan bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht.
276Dass ihm individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - vor allem gezielte Angriffe durch die Taliban - drohen, ist mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals nicht feststellbar. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG Bezug genommen.
277Es besteht auch keine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Logar mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre.
278Von einer derartigen Gefahr kann zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt eines besonders zugespitzten Sicherheitsrisikos in Logar ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG zur konfliktbedingten Gefährdungsprognose für den Kläger, die an dieser Stelle übertragbar sind.
279Dass der Kläger in Logar aus anderen, nicht konfliktbedingten Gründen - etwa wegen einer dort herrschender ausufernder Kriminalität - einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sein könnte, ist nicht substantiiert vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Erkenntnissen.
280Ebenso wenig lässt sich eine Extremgefahr aus der allgemeinen Versorgungslage in Logar herleiten. Davon, dass der Kläger dort alsbald nach Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit insbesondere infolge von Mangelernährung oder Obdachlosigkeit dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann nach aktueller Erkenntnislage nicht ausgegangen werden. Ausgangspunkt dieser Bewertung sind zunächst allgemeine Aspekte der Entwicklung der humanitären Situation in Afghanistan.
281Die Bewertung Afghanistans im Human Development Index (HDI) hat sich aufgrund der erheblichen und anhaltenden Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich verbessert. Gleichwohl ist Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt und belegt mit 175 von 187 einen sehr niedrigen Rang im Index. Obwohl sich Afghanistan in fast allen Bereichen positiv entwickelt hat, besteht weiterhin beträchtlicher Entwicklungsbedarf. Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Im Winter 2012/13 waren über zwei Millionen Menschen durch Unterernährung, Krankheit und Kälte gefährdet. Die Analphabetenrate in Afghanistan liegt bei 70 %. 90 % der Frauen und 70 % der Männer haben keinen Schulabschluss. Während nur 15,7 % der über 15- jährigen Frauen in Afghanistan berufstätig sind, sind es bei den Männern 80,3 %. Die wichtigste Einkommensquelle für die Bevölkerung bleibt die Landwirtschaft. Afghanistan verfügt über eine geringe, aber wachsende Anzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Nach aktueller Erkenntnislage leiden 34 % der afghanischen Gesamtbevölkerung unter Lebensmittelknappheit und 43 % haben keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Angesichts zahlreicher Naturkatastrophen reagiert das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen und extremen Kälteeinbruch. Außerhalb der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen, geraten zusätzlich durch ein starkes Bevölkerungswachstum unter Druck. Infolge dessen ist absehbar, dass künftig jährlich 400.000 junge Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen. Im Jahr 2013 ist die Wirtschaft - nach einer Dekade starken Wachstums - nur um vergleichsweise schwache 3 % gewachsen. Die zukünftige Entwicklung ist nicht sicher vorhersehbar. Denkbar ist einerseits, dass das - durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähte - Preis- und Lohniveau und eine stärkere Abwertung der afghanischen Währung zu einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte im Exportgeschäft führen könnten, andererseits besteht die Gefahr, dass sich eine Destabilisierung des Landes und seiner Institutionen volkswirtschaftlich ungünstig auswirkt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich, wie bereits ausgeführt, ungeachtet fortbestehender Defizite insbesondere im Bereich der Grundversorgung in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert.
282Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, Stand: Februar 2014, S. 19 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30. September 2013, S. 20; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, vom 6. August 2013, S. 29 f.
283Daran wird deutlich, dass große Teile der afghanischen Zivilbevölkerung immer noch unter schwierigsten Bedingungen leben und in vielfältiger Weise mit ständigem Mangel konfrontiert sind. Trotz der fortbestehenden schwerwiegenden Defizite der humanitären Situation, deren Leidtragende in erster Linie Kinder und erst an letzter Stelle gesunde arbeitsfähige Männer sein dürften, fallen bei der zu treffenden Bewertung auch die zwischenzeitlich insoweit erzielten Fortschritte ins Gewicht.
284Vgl. dazu Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
285Aussagekräftig ist dabei vor allem der Umstand, dass die Lebenserwartung im letzten Jahrzehnt um 18 Jahre gestiegen ist.
286Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.
287Dabei handelt es sich neben dem Bruttoinlandsprodukt und der Erwerbstätigen- und Analphabetenrate um einen Entwicklungsindikator, der Auskunft über den wirtschaftlichen und sozialen Stand eines Landes gibt. Aus der Lebenserwartung lassen sich Anhaltspunkte zu Ernährungssituation, Gesundheitswesen, hygienischen Verhältnissen und körperlicher Arbeit gewinnen.
288Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/
289Entwicklungsindikator.
290Ihr deutlicher Anstieg in Afghanistan kann daher zumindest als Indiz für eine Verbesserung der humanitären Gesamtsituation gewertet werden.
291Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Versorgungslage in Logar schlechter als im gesamtafghanischen Durchschnitt ist. Sie stellt sich den hierzu vorliegenden Erkenntnissen zufolge wie folgt dar: Logar ist eine vorwiegend ländlich geprägte Region. Nach den statistischen Angaben des Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD) können dort 40 % aller Haushalte ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln durchgehend sicherstellen, bei 23 % der Haushalte treten insoweit selten (1 bis 3 Mal im Jahr) und bei 22 % der Haushalte manchmal (3 bis 6 Mal im Jahr) Schwierigkeiten auf. Für 15 % der Haushalte handelt es sich dabei um ein häufiges oder ständiges Problem. Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Logar überwiegend gewährleistet. 69 % aller Haushalte haben innerhalb ihres Dorfes Zugang zu Trinkwasser. Für 29 % der Haushalte ist Trinkwasser in weniger als einer Stunde erreichbar. Durchschnittlich 32,3 % der Haushalte haben Zugang zu Elektrizität. Die Verkehrsinfrastruktur in Logar ist vergleichsweise gut; 78 % der Straßen sind alljährlich befahrbar. Eine medizinische Grundversorgung ist dort ebenfalls gewährleistet. Insoweit wird Bezug auf die vorangehenden Ausführungen genommen. Die Provinz profitiert in unterschiedlicher Weise von Entwicklungshilfemaßnahmen. Insgesamt fünf UN-Organisationen sind vor Ort in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte eingebunden. In den Bezirken Muhammad Agha und Pul-i-Alam ist beispielsweise das World Food Programme stationiert. Im Jahr 2011 wurden 20 % der Bevölkerung Logars mit Lebensmitteln unterstützt.
292Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, Logar Province Profile.
293Überdies wurden in Logar 52 unterschiedliche Infrastrukturprojekte im Rahmen des National Data Based Development Program - einer gemeinsamen Initiative des United Nations Development Program und des MRRD - initiiert, von denen bereits große Teil der Bevölkerung Logars profitiert haben.
294Vgl. MRRD, National Area Based Development Program; UNDP, Project summary, Reducing rural poverty and building access to basic services, Updated: April 2014.
295Für die Annahme, dass der Kläger in Logar einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein würde, besteht angesichts dieser Gesamtsituation keine tragfähige Tatsachengrundlage. Dafür, dass er nach mittlerweile fünfjähriger Abwesenheit als Rückkehrer einem gegenüber dem Rest der Zivilbevölkerung besonders hohen Verelendungsrisiko ausgesetzt sein könnte, spricht jedenfalls (schon) keine beachtliche und damit erst recht keine hohe Wahrscheinlichkeit. Daraus mögen zwar zunächst erhebliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten resultieren, von denen der Kläger - das Fehlen eines Familienverbandes zu seinen Gunsten unterstellt - verstärkt betroffen ist. Diese relativieren sich aber dadurch, dass er ihnen als alleinstehender gesunder Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen mit abgeschlossener Schulbildung und Berufserfahrung in den Bereichen Einzelhandel und Landwirtschaft ein vergleichsweise günstiges Risikoprofil entgegenzusetzen hat, durch das ihm die Erwirtschaftung eines Existenzminimums erleichtert ist.
296Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 9.
297Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Schutzalternative im Zusammenhang mit einem Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen. Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne Vermögen und familiären Rückhalt zumindest sein Existenzminimum wird sicherstellen können, indem er sich in Logar beispielsweise (zunächst) als Tagelöhner in der Landwirtschaft verdingt.
298Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
299Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
300Vgl. Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
301Unabhängig davon kann der Kläger auch deswegen keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, weil er sich auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen muss. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Kabul als interner Schutzalternative (§ 3e AsylVfG) im Zusammenhang mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen, die die Feststellung, dass dem Kläger in Kabul keine Extremgefahr droht, mittragen.
302Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
303Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
304Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburgs vom 5. März 2013 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 4. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 Asylgesetz – AsylG – zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – festzustellen. Des Weiteren wendet er sich gegen die von der Beklagten verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.
- 2
Er stellte am 15. März 2012 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag und gab an, ein am 1. Januar 1984 geborener somalischer Staatsangehöriger zu sein. Er gehöre dem Stamm der Hawia an und sei in B. geboren. In seinem Herkunftsland habe er Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige. Er habe keine berufliche Tätigkeit ausgeübt und sei vier Jahre zu Schule gegangen.
- 3
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt trug der Kläger zur Begründung seines Asylantrags vor: Er habe von 1998 bis 2004 eine Privatschule in Mogadischu besucht, die 15 Dollar pro Monat gekostet habe. Er habe bis 15. Januar 2004 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in Mogadischu im Stadtteil Towfiq gelebt. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater habe bis 2006 einen Laden gehabt, in dem er ab und zu geholfen habe. Die Eltern lebten seit 2006 im Flüchtlingslager E. B. Er habe am 15. Januar 2004 sein Heimatland verlassen. Mit dem Auto sei er von Mogadischu nach Addis Adeba und dann weiter nach Karthum und Tripoli gefahren und von dort mit dem Boot am 20. Oktober 2004 nach Malta. Er habe sich drei Jahre in Malta aufgehalten, bis 2. November 2007. Er habe in Malta einen Asylantrag gestellt und eine Aufenthaltserlaubnis beschränkt für ein Jahr erhalten. Er sei mit dem Flugzeug nach Stockholm geflogen und habe auch in Schweden einen Asylantrag gestellt. Im Februar 2008 habe er Schweden verlassen und sei mit dem Bus in die Niederlande gereist, wo er sich sieben Monate aufgehalten habe. Mit dem Zug sei er weiter in die Schweiz gefahren und von dort sei er mit dem Flugzeug nach Malta abgeschoben worden, wo er dann wiederum drei Jahre gewesen sei. Am 24. Februar 2012 habe er Malta mit dem Flugzeug verlassen und sei nach Deutschland eingereist. Sein erster Aufenthalt in Malta habe drei Jahre gedauert, der Aufenthalt nach der Abschiebung aus der Schweiz nochmal drei Jahre. Er sei nicht in Malta geblieben, weil die Aufenthaltserlaubnis beschränkt gewesen sei und er dort keine Lebensperspektive gehabt habe. Die Flüchtlinge seien dort in Feldlagern untergebracht gewesen. Man habe versuchen können, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei ganz selten als Tagelöhner genommen worden. Er habe Unterstützung von einem in England wohnenden Onkel und von in verschiedenen europäischen Ländern lebenden Cousinen und Cousins bekommen. Nach Deutschland sei er mit der Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr eingereist, die er von der maltesischen Regierung bekommen habe. Im Zug von Frankfurt nach Dortmund habe er seine Tasche verloren, in dem das Dokument gewesen sei. Zum Verfolgungsschicksal trug der Kläger vor: Seine Familie habe wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit die Provinz Heran verlassen. In dem Hawia Clan seien sie die Minderheit. Es gebe etliche Zweige der Hawia und die Minderheiten bekämpften sich gegenseitig. Sie seien 1993 geflohen, erst nach Johar. Dort sei sein älterer Bruder getötet worden, von einem sehr einflussreichen Stammesangehörigen der Abgal. Dieser habe seinem Vater gesagt, sie würden nur unter seiner Gnade am Leben bleiben. 1997 hätten sie Johar verlassen müssen und seien nach Mogadischu gekommen. In Mogadischu habe sein Vater Schutzgeld für den Laden zahlen müssen. Dort sei die Mehrheit der Bevölkerung Abgal und Habar Gedir. Sein Vater habe seine Söhne nicht verlieren wollen und gesagt, sie sollten ausreisen. Er, der Kläger, sei erst in Richtung Libyen geflüchtet, ein Bruder nach Uganda und der andere Bruder nach Kenia. Er habe den Mann, der seinen Bruder erschossen habe, in Mogadischu wieder gesehen. Er habe Angst gehabt, dass er auch ihn töten würde. Die Leute, die seinen Bruder getötet hätten, hätten sich nun der Al Shabaab angeschlossen. Er wisse dies von seinem Vater und seinen Geschwistern von der zweiten Frau seines Vaters und der Frau, die dort leben würden und zu denen er noch Kontakt habe.
- 4
Eine Eurodac-Auswertung am 16. März 2012 ergab einen Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden. Eine Abfrage am 28. Januar 2013 zeigte Treffer der Kategorie 1 in den Niederlanden und in Schweden (Treffer „SE1…“ – 22. November 2007 und „NL1…“ – 03. Juni 2008). Einem Wiederaufnahmegesuch an Schweden stimmten die schwedischen Behörden nicht zu: Der Kläger habe ausweislich einer Eurodac-Anfrage vom Dezember 2007 in Malta am 23. Oktober 2004 einen Asylantrag gestellt. Das damalige schwedische Wiederaufnahmegesuch sei von Malta akzeptiert worden. Der Kläger sei aber dann geflüchtet.
- 5
Der Asylantrag blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert, für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Somalia angedroht (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Aus dem Vorbingen des Klägers sei keine Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu den Hawia erkennbar und nachvollziehbar geworden. Die Hawia gehörten zu den fünf größten Stämmen in Somalia, auch die Regierung sei mit vielen Angehörigen der Hawia besetzt. Der Vortrag, er habe befürchtet, ein Angehöriger der Abgal, der auch seinen Bruder getötet habe, könne auch ihn töten, sei wirklichkeitsfremd. Subsidiärer Schutz sei ebenso nicht zuzuerkennen. Konfliktbedingte Ereignisse seien nicht so häufig, dass jeder Rückkehrer damit rechnen müsste, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Mehrheitsstamm sei für den Kläger keine Gefahr für eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Fall seiner Rückkehr ersichtlich. Abschiebungsverbote bestünden nicht, weder nach § 60 Abs. 5 noch nach Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es gebe Bevölkerungsteile in Somalia, die Schwierigkeiten bei der Versorgung und dem Erzielen des wirtschaftlichen Existenzminimums hätten. Insbesondere mittellose Rückkehrer müssten häufig ein Leben am Rande des Existenzminimums führen. Anzeichen für eine derart schlechte Versorgung, dass jeder Rückkehrer alsbald einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre, gebe es aber nicht. Der Kläger könne sich zudem der Unterstützung und Hilfe seiner Familie sicher sein.
- 6
Am 26. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und weiter geltend gemacht, seine Verfolgungsgefahr knüpfe an seine Stammes- bzw. Clanzugehörigkeit an und sei für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevant. Jedenfalls habe er Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes. In ganz Somalia bestehe weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt, der von so hoher Intensität sei, dass er eine ernsthafte Bedrohung für jede Zivilperson darstelle. Zumindest liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gesichert. Zudem leide er an chronischer Hepatitis B, die zwar nicht akut behandelt, aber regelmäßig überwacht werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, dass dies in Somalia möglich sei.
- 7
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger noch vorgetragen, sein Bruder sei im Verlauf eines Streits beim Kartenspielen um Geld getötet worden. Seine Familie sei 1998 nach Mogadischu gezogen. Er habe 2003 eine Frau kennengelernt, die durch ihn unehelich schwanger geworden sei. Ihre Familie habe ihn töten wollen. Sie gehörten unterschiedlichen Stämmen der Hawia an. Er habe Angst gehabt und deshalb das Land verlassen wollen. Die Familie aus Yohar, die seinen Bruder getötet habe, sei dann in Mogadischu aufgetaucht. Sie habe von der Schwangerschaft der Frau erfahren und wissen wollen, wo er sei, und seinen Vater verprügelt. Die ganze Familie habe sich deshalb entschlossen zu fliehen, die Eltern nach Kenia, die Geschwister nach Kenia und Uganda. Er habe keine Gelegenheit gehabt, dies bei der Anhörung beim Bundesamt zu sagen. Die Familie aus Yohar sei gekommen, um sie zu vernichten. Er habe auf Malta einen weißen Pass genommen, der für ein Jahr Gültigkeit gehabt habe. Nach seiner Rückkehr habe er eine Verlängerung der Ausweise bekommen. Diese Dokumente habe er im Zug verloren. Er könne nicht nach Somalia zurückgehen, da die Familie aus Yohar immer noch auf ihn warte. Wegen der Hepatitis B-Erkrankung habe er jeden Tag Beschwerden, nämlich Schmerzen an der Leber. Medikamente nehme er keine.
- 8
Der Kläger hat beantragt,
- 9
die Beklagte unter Aufhebung der zu den Ziffern 1, 3, 4 und 5 getroffenen Entscheidungen im Bescheid vom 27. Januar 2014 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
- 10
hilfsweise ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
- 11
sowie äußerst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seiner Abschiebung nach Somalia vorliegen.
- 12
Die Beklagte hat beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehle an einem glaubhaften Vortrag zum Verfolgungsschicksal. Er habe vor dem Bundesamt und dem Gericht völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Ein Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzes bestehe ebenso nicht. Angesichts dessen, dass sein Vorbringen insgesamt nicht glaubhaft sei, könne jedenfalls nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in der behaupteten Heimatregion des Klägers praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Mangels glaubhafter Darlegungen bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots. Anhaltspunkte für eine extreme Gefahrenlage bei Rückkehr nach Somalia bestünden keine. Der Kläger sei jung und durch den Schulbesuch gut ausgebildet und könne auf die Unterstützung seiner Familie bauen. Die attestierte chronische Hepatitis B stehe einer Rückkehr ebenfalls nicht entgegen. Die Möglichkeit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands müsse objektiv gegeben sein und zumindest in die Nähe der lebensgefährlichen Bedrohung reichen, was nicht der Fall sei. Auch die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung sei nicht zu beanstanden.
- 15
Der Senat hat auf Antrag des Klägers die Berufung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zugelassen, weil das Verwaltungsgericht sich mit den Ausführungen des Klägers zu seiner Aufenthaltserlaubnis auf Malta nicht auseinander gesetzt hat.
- 16
Der Kläger trägt vor, in Malta sei ihm der subsidiäre Schutz gewährt worden. Im Anschluss habe er Malta verlassen und in Schweden, den Niederlanden und in der Schweiz um Asyl bzw. Schutz gebeten. Von der Schweiz sei er nach Malta abgeschoben worden, wo die Aufenthaltserlaubnis noch einmal verlängert worden sei. Die Beklagte habe kein Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung durchgeführt, sondern nach nationalem Recht entschieden, allerdings ohne die Akten aus Malta beizuziehen oder weiter zu prüfen, ob sich aus der dortigen Schutzgewährung Einschränkungen ergäben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses habe in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (Az.: 10 C 7.13) entschieden, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Mitgliedstaat Bindungswirkung entfalte. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen vor. Es herrsche in Zentral- und Südsomalia nach wie vor Bürgerkrieg und es gebe kaum Schutz vor Übergriffen durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete Banden. Auch internationale Hilfsorganisationen könnten keinen Schutz bieten, sie müssten ausweislich des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom November 2014 selbst um ihre Mitarbeiter dort bangen. Er sei als Angehöriger der Zivilbevölkerung gefährdet. Er habe Somalia vor 11 Jahren verlassen, sei nicht mehr in die dortigen Clanstrukturen eingebunden und wäre bei einer Rückkehr auf sich alleine gestellt. Dies sei ein individuelles, gefahrerhöhendes Merkmal. Jedenfalls ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein nationales Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, weil die Abschiebung gegen Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – verstoßen würde. In dieser Hinsicht sei eine andere Beurteilung als im Rahmen von § 4 AsylVfG kaum denkbar. Der internationale subsidiäre Schutz, der in § 4 AsylVfG in nationales Recht umgesetzt worden sei, sei bereits zuerkannt, wenn auch von einem anderen Staat. Daher sei konsequenter Weise ein entsprechendes Abschiebeverbot zu bejahen. Hilfsweise liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Grundversorgung sei nicht gewährleistet. Es sei nicht ohne weiteres anzunehmen, dass seine Familie noch immer anwesend und bereit sowie in der Lage sei, ihn zu unterstützen.
- 17
Der Kläger beantragt,
- 18
unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 2015 und Aufhebung von Ziffern 3., 4. und 5. des Bescheides vom 27. Januar 2014 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen
- 19
hilfsweise,
- 20
festzustellen, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
- 21
Die Beklagte beantragt,
- 22
die Berufung zurückzuweisen.
- 23
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger habe nichts unternommen, um die von ihm behauptete Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter durch die Republik Malta zu beweisen. Er habe vorgetragen, sein Reisedokument im Zug verloren zu haben.
- 24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2015. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Bl. 32 ff. und Bl. 119 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Somalia lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 25
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden konnte, weil diese ordnungsgemäß geladen war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) ist zwar zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
- 26
Maßgeblich für die Entscheidung sind gemäß § 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – die Vorschriften des Asylgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010).
- 27
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit des Begehrens nach Zuerkennung subsidiären Schutzes keine bereits im Ausland erfolgte Zuerkennung entgegen. Wurde bereits im Ausland die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne vom § 4 AsylG zuerkannt, so ist ein erneutes Schutzbegehren zwar unzulässig (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, BVerwGE 150, 29 und juris, Rn. 28 ff. und Beschluss vom 30. September 2015 – 1 B 51.15 –, S. 3 f. BA). Vorliegend kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bereits von der Republik Malta ein solcher Schutzstatus zuerkannt worden ist. Der Kläger hat insoweit zwar vorgetragen, ihm sei auf Malta der subsidiäre Schutz gewährt worden; jedoch steht auf der Grundlage dieser Behauptung und unter Zugrundelegung der sonstigen Umstände nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger über eine solche Rechtsstellung verfügt. Er hat insoweit keinerlei Dokumente vorlegen können; eine entsprechende Rechtsstellung ist auch nicht aus den vorliegenden Verwaltungsakten erkennbar.
- 28
Dabei dürfte zunächst feststehen, dass dem Kläger bei seinem ersten Aufenthalt auf Malta im Zeitraum 2004 bis 2007 kein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Dies ergibt sich daraus, dass Malta dem Wiederaufnahmegesuch von Schweden im Jahr 2007 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) der Dublin-II-Verordnung zugestimmt hat, d.h. wegen des laufenden Verfahrens auf Malta, und nicht auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung bei erteiltem Aufenthaltstitel. Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich weiterhin keine darüber hinaus gehenden konkreten Anhaltspunkte, dass ihm im Rahmen seines zweiten Aufenthalts auf Malta der subsidiäre Schutzstatus bzw. ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist. Genauso, wie er sich bereits von 2004 bis 2007 ohne einen solchen auf Malta aufgehalten und dort (selten) als Tagelöhner gearbeitet haben kann, kann dies auch ohne weiteres bei seinem zweiten Aufenthalt von der Abschiebung aus der Schweiz (wohl Ende 2008/Anfang 2009) bis 2012 der Fall gewesen sein.
- 29
Auch der Umstand, dass bei der Eurodac-Abfrage der Beklagten kein Treffer in Bezug auf Malta angezeigt wurde, führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar könnte dies darauf hindeuten, dass der Datensatz des Klägers wegen einer Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung gesperrt war. Indes kann dies aber auch ohne weiteres auf anderen Gründen, wie etwa systembedingten oder anwenderbedingten Fehlern beruhen. So ergab sich bei der Abfrage der Beklagten im März 2012 lediglich der Treffer für die Niederlande, während in einer späteren Abfrage Treffer in den Niederlanden und in Schweden angezeigt wurden.
- 30
Eine weitergehende Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO hat für das Gericht nicht bestanden, weil der klägerische Vortrag – auch nach Hinweis und ausdrücklicher Nachfrage – keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte für eine solche geboten hat (vgl. zur Amtsermittlungspflicht etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2015 – 1 B 2.15 –). Es hätte dem Kläger oblegen, zumindest durch weitere und genauere Angaben zu seinen Aufenthalten auf Malta und den von ihm angeführten Aufenthaltserlaubnissen und Dokumenten konkrete Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass sein – aus der Eurodac-Anfrage Schwedens ersichtlicher – am 23. Oktober 2004 gestellter Asylantrag auf Malta dort zu einer Anerkennung geführt hat. Seine Angaben sind ohne weitere Präzisierung so vage geblieben, dass sich aus ihnen keine Anknüpfungspunkte für eine weitere Sachverhaltsermittlung ergeben haben.
- 31
Mangels Vorliegens einer im Ausland zuerkannten Schutzstellung steht daher auch das Rechtsschutzinteresse für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote nicht in Frage (vgl. zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Zuerkennung nationaler Abschiebungsverbote bei bereits erfolgter Gewährung subsidiären Schutzes im Ausland BayVGH, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 20 B 15.30017 –, juris, Rn. 14).
- 32
II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (1.) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes (2.), auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden (3.).
- 33
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter. Die Voraussetzungen des § 4 AsylG liegen nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie – worauf sich der Kläger vorliegend ausschließlich beruft – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
- 34
Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten, zu denen seit August 2011 auch die Hauptstadt Mogadischu zählt, finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 29; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 7; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 87 ff.).
- 35
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob angesichts dessen die Aussage des Klägers zutrifft, in ganz Süd- und Zentralsomalia – und damit auch in der Hauptstadt Mogadischu – herrsche noch ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt (vgl. zur Definition BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 22 f. und vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 22 ff.). Während das Auswärtige Amt insoweit – ohne Differenzierung danach, ob es sich um „befreite“ Gebiete handelt – dies bejaht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 4 f.: „In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht Bürgerkrieg.“), gehen andere Einschätzungen wie das Österreichische Bundesasylamt davon aus, dass sich die generelle Sicherheitssituation für die Bevölkerung Mogadischus verbessert hat. Mogadischu ist danach vielleicht noch nicht befriedet, befindet sich jedoch definitiv nicht im Kriegszustand (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Weiter wird es als sehr unwahrscheinlich angesehen dass die Al Shabaab unter den gegebenen Umständen in der Lage ist, Mogadischu wieder einzunehmen (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 8). Daher ist fraglich, ob für die Region Mogadischu, in der es nicht mehr zu direkten bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu bejahen ist. Allerdings wird der erreichte Zustand in nahezu allen Berichten als fragil bzw. unbeständig beschrieben (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu – Auskunft der SFH-Länderanalyse, 25. Oktober 2013, S. 1; European Asylum Support Office, EASO Somalia seminar, 14 October 2014 – Summaries of Keynotes Presentations, 1. Dezember 2014, S. 4; Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 49). Die Al Shabaab vollzieht nunmehr eine asymetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 9; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 85; vgl. auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 88).
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Jedenfalls ist der Kläger im hier vorliegenden Einzelfall keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.
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Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere, etwa weil er von Berufs wegen (z. B. als Arzt oder Journalist) gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2010 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakite] –, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris, Rn. 19).
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Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, notwendig (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris, Rn. 33, und vom 13. Februar 2014, 10 C 6.13 –, juris, Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, 10 C 13.10 –, juris, Rn. 22 f. zur Lage in der Provinz Ninive im Irak; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 11/10 –, juris, Rn. 20 f. zur Lage in Bagdad [Risiko von 1:1000]).
- 39
Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, juris, Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji]). Dies ist im Fall des Klägers die Hauptstadt Mogadischu. Dort hat der Kläger nach seinen Angaben von 1997 bis 2004 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt, sein Vater hatte dort bis 2006 einen Laden und der Kläger ist dort zur Schule gegangen.
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Gemessen an diesen Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.
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Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten – wie Mogadischu – nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen – v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 19) – ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Der Kläger gehört zudem nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitenclan an, so dass auch unter diesem Aspekt kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand angenommen werden kann. Auch ist nicht ersichtlich, dass er bereits der Al Shabaab oder den Polizeikräften besonders aufgefallen ist. Soweit er diesbezüglich vorgetragen hat, die Familie, die seinen Bruder anlässlich eines Kartenspiels um Geld getötet habe, gehöre jetzt der Al Shabaab an und wolle auch ihn töten, so bestehen zum einen angesichts des vom Kläger im Laufe des Verfahrens gesteigerten Vortrags – insbesondere auch im Hinblick auf den Hintergrund der Tötung des Bruders (Kartenspiel um Geld) und die Bedrohung wegen der Schwangerschaft einer Frau – Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens. Zudem ergibt sich aber aus den Ausführungen des Klägers auch nicht, dass nach nunmehr 11 Jahren immer noch eine ernsthafte Bedrohung bestehe.
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Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht mehr gegeben. Zwar ist die Sicherheits- und Versorgungslage in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor fragil, dennoch zeichnet sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen eine Entwicklung ab, die eine Verbesserung der generellen Sicherheitssituation für die Bevölkerung mit sich gebracht hat, auch wenn dies nicht landesweit gilt.
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Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Dies beruht bereits darauf, dass es für eine Gesamtbevölkerungszahl als Ausgangsbasis keine gesicherten Zahlen gibt und die entsprechenden Schätzungen erheblich differieren. Zudem kann die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Auch wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet.
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Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird vom Auswärtigen Amt als vermutlich deutlich über eine Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener einschätzt (www.auswaertiges-amt.de). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 3. November 2015) ergebende Zahl der im Jahr 2014 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 739 Vorfälle mit 586 Toten – jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen – würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:1700 (0,0586 %) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels entsprechender verfügbarer Auflistung nicht möglich erscheint.
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Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde die Al Shabaab Miliz im August 2011 vertrieben. Es gelingt ihr zwar immer wieder, Anschläge zu verüben. Diese Anschläge richten sich aber in der Regel gezielt gegen Funktionsträger (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 11). Wegen der verdeckten Präsenz der Al Shabaab besteht in Mogadischu für mehrere Risikogruppen (z. B. Regierungsmitarbeiter, Politiker, Sicherheitskräfte etc.) eine Gefahr durch auf Funktionsträger und deren Einrichtungen gerichtete Attentate und Anschläge. Für den einfachen Stadtbewohner droht hingegen als einzige Gefahr, sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu befinden und damit Opfer im Rahmen solcher Anschläge zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte daher zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies beruht darauf, dass nach bisheriger Erkenntnislage durch die von der Al Shabaab vorgenommene strategische Auswahl der Anschlagsziele bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte, Abgeordnete, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker. Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Erkenntnisquellen verübten Anschläge (siehe zu den Ereignissen im Jahr 2015 etwa die Aufstellung von ACCORD, ecoi.net-Themendossier: Al Shabaab: Zeitachse von Ereignissen, Stand 22. September 2015: September 2015: Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe Mogadischu; August 2015: Bombenanschlag in Mogadischu; Juli 2015: schwerer Bombenanschlag auf das Hotel Jazeera Palace, Anschlag auf zwei Hotels in Mogadischu, wovon sich eines nahe dem somalischen Parlament befindet; Juni 2015: Selbstmordanschlag auf einen diplomatischen Konvoi; April 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Restaurant vor dem Central Hotel, in dem sich oft Politiker aufhalten, Angriff auf einen Regierungskomplex u.a. mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto; März 2015: Besetzung eines Hotels, Autobombenanschlag vor einem Hotel; Februar 2015: Angriff auf ein Hotel, in dem Regierungsbeamte das Freitagsgebet abgehalten haben, Angriff auf den Präsidentenpalast; Januar 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Hotel, in dem Delegierte der Türkei den Besuch des türkischen Präsidenten vorbereiteten, Selbstmordanschlag nahe dem Flughafen; siehe zudem zu Vorfällen in den vergangenen Monaten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 28. September 2015: Autobombenanschlag nahe dem Präsidentenpalast; Briefing Notes vom 2. November 2015: Angriff auf das Hotel Sahafi). Die Betrachtung der – in den o. g. Aufstellungen von ACCORD auch für die Vorjahre – verzeichneten Anschläge zeigt, dass es die Al Shabaab nicht gezielt auf Zivilisten absieht, insoweit aber Opfer in Kauf nimmt. Die Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind insgesamt nicht so häufig und erreichen keine so hohen zivilen Opferzahlen, als davon gesprochen werden könnte, dass jeder Zivilist der weit über eine Million Einwohner zählenden Stadt aufgrund seiner bloßen Anwesenheit gefährdet wäre (siehe dazu auch VG Aachen, Urteile vom 13. April 2015 – 7 K 711/14.A –, juris, und vom 9. November 2015 – 7 K 53/15.A –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 27. August 2015 – RO 7 K 15.30680 –; VG Cottbus, Urteil vom 10. September 2015 – VG 5 K 487/15.A –; VG Stade, Urteil vom 5. Oktober 2015 – 3 A 3658/13 –, juris; siehe auch EGMR, Urteil vom 5. September 2013 – Nr. 886/11 [K.A.B. ./. Schweden] –, Rn. 86 ff.; a.A. VG Kassel, Urteil vom 3. März 2015 – 4 K 867/13.KS.A –; VG Göttingen, Urteil vom 21. Juli 2015 – 3 A 626/14 –, juris). Insoweit lässt sich zwar bislang keine wesentliche rückläufige Tendenz der Vorfälle verzeichnen, indes ergeben sich aber auch keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass abgesehen von Schwankungen in der Häufigkeit der Vorfälle und der Anzahl der Opfer von einer wesentlichen Trendänderung dahingehend auszugehen ist, dass jeder Zivilperson bereits durch ihre Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohen würde. Jedenfalls lässt sich auch ein staatliches Vorgehen gegen die Al Shabaab verzeichnen, etwa die Aussetzung eines Kopfgeldes von insgesamt 1,3 Mio. USD für 11 ranghohe Funktionsträger der Al Shabaab und ein Großeinsatz somalischer Sicherheitskräfte mit Durchsuchungen in Mogadischu und 60 Festnahmen mutmaßlicher Mitglieder der Al Shabaab (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 13. April 2015 und 15. Juni 2015).
- 46
2. Es besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG (a.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (b.).
- 47
a. Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger lediglich unter dem Gesichtspunkt geltend gemacht, dass wegen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta und wegen der nahezu identischen Voraussetzungen ein Abschiebungsverbot auch auf dieser Grundlage zu bejahen wäre. Von der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf Malta kann aber nicht ausgegangen werden; für eine darüber hinaus gehende Prüfung hat der Kläger weiter nichts vorgetragen.
- 48
b. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich.
- 49
Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia.
- 50
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung macht der Kläger mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Somalia allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 – 1 C 5.01 –, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 21 m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 10 C 24/10 –, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 12 ff.).
- 51
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). In allen Städten Süd- und Zentralsomalias (inklusive Mogadischu) ist für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen. Eine generelle Regel ist es, dass Somalier auch sehr weit entfernten Verwandten helfen, solange eine Clan-Verbindung besteht, vorausgesetzt, sie sind in der Lage, dies zu tun (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 20). Für Somalier in Mogadischu ist es sehr schwierig, ohne Unterstützung durch ein Netzwerk zu überleben. Insbesondere, wenn sie keinem Clan oder keiner Kernfamilie in dem maßgeblichen Bezirk angehören, sind sie heiklen Existenzbedingungen ausgesetzt. Sie sind oft gezwungen, in Siedlungen für Binnenvertriebene zu leben, wo die Lebensbedingungen erbärmlich sind und gemeinhin von Menschenrechtsverletzungen berichtet wird (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 26; siehe auch European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 37 f.; vgl. zu den dortigen Verhältnissen auch EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi] –, Rn. 303). Es wird weiter aber auch berichtet, dass lokale NGOs Neuankömmlingen helfen können (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South an Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 118).
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Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört. Er ist durch seinen Schulbesuch gebildet und hat in der Vergangenheit im Laden seines Vaters ausgeholfen und auf Malta (wenn auch selten) als Tagelöhner gearbeitet. Daher ist davon auszugehen, dass er sich durch Gelegenheitsjobs zumindest eine Lebensgrundlage verdienen könnte, die ihm längerfristig ein Leben außerhalb der Vertriebenen- und Flüchtlingssiedlungen ermöglichen kann. Er hat insoweit auch nicht vorgetragen, dass ihn die chronische Hepatitis B-Erkrankung von der Aufnahme jeglicher Tätigkeit abhielte. Zudem hat der Kläger bei der Stellung seines Asylantrags im März 2012 angegeben, Verwandte ersten und zweiten Grades sowie weitere Familienangehörige in Somalia zu haben. Ungeachtet dessen, dass die Angaben zum Verbleib seiner Eltern und Geschwister widersprüchlich sind – in der Anhörung gab der Kläger an, die Eltern lebten im Flüchtlingslager Elesha Biyeha und sein Vater, seine Geschwister von der zweiten Frau des Vaters und die Frau lebten dort und er habe Kontakt zu ihnen, während er in der mündlichen Verhandlung angab, die Eltern seien in Kenia und die Geschwister in Kenia und Uganda, was er in der Anhörung nicht habe sagen können – dürften zumindest Familienangehörige der weiteren Familie noch in Somalia sein. Der Kläger hat weiter angegeben, finanzielle Unterstützung durch einen Onkel aus England und durch in europäischen Ländern lebende Cousinen und Cousins bekommen zu haben; dass eine solche finanzielle Unterstützung nunmehr gänzlich ausgeschlossen sein sollte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch wenn der Kläger nunmehr seit 11 Jahren nicht mehr in Somalia gewesen ist und er mit den dortigen aktuellen Verhältnissen nicht vertraut sein dürfte, ist davon auszugehen, dass er sich als junger Mann, der in den vergangenen 11 Jahren vielfältige Lebenserfahrungen in unterschiedlichen Ländern gesammelt haben wird und sich auch dort zurecht gefunden hat, auch in Somalia langfristig wieder zurecht finden wird. Daher ist jedenfalls davon auszugehen, dass er auch angesichts der kritischen Lebensbedingungen in Somalia jedenfalls weder der Existenzvernichtung noch schwersten Gesundheitsschäden ausgesetzt sein wird.
- 53
Auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot liegt nicht vor.
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Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Ein strengerer Maßstab gilt in Krankheitsfällen ausnahmsweise nur dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt allerdings bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es – etwa bei Aids – um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 16.05 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). In solchen Fällen kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nur dann gewährt werden, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (siehe zu alldem BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127, 33 und juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).
- 55
Offen bleiben kann hier, ob chronische Hepatitis B eine singuläre Krankheit darstellt oder in Somalia wegen einer hohen Verbreitung als allgemeine Gefahr zu qualifizieren wäre (vgl. hinsichtlich der Verbreitung von Hepatitis B in Zentralafrika VG Hamburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 – 4 A 88/12 –, juris). Denn dem Kläger droht bereits keine wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung alsbald nach der Rückkehr, so dass auch bei Annahme einer singulären Krankheit – und damit erst recht bei einer „allgemeinen Gefahr“ – ein Abschiebungsverbot zu verneinen ist.
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Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nach ist die medizinische Versorgung im gesamten Land äußerst mangelhaft (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 2. Februar 2015, Stand November 2014, S. 16). Eine medizinische Grundversorgung ist grundsätzlich erhältlich in den größeren Stadtzentren in Süd- und Zentralsomalia, auch wenn die Qualität und der Zugang zum medizinischen Service örtlichen Unterschieden und Unsicherheiten unterworfen ist (Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 21). In Mogadischu gibt es Krankenhäuser (siehe European Asylum Support Service, EASO Country of Origin Information report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 34).
- 57
Der Kläger ist jung und hat neben der chronischen Erkrankung mit Hepatitis B keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht. Er hat den „Carrier-Status“, d.h. er ist Träger der Hepatitis B, hat aber keinen mehr oder weniger schweren Leberschaden. Er hat zwar vorgetragen, täglich Schmerzen zu haben, eine akute Behandlung oder medikamentöse Therapie ist derzeit nicht erforderlich, vielmehr soll eine regelmäßige Überwachung erfolgen. Seine Erkrankung befindet sich damit in einem Stadium, in dem keine medikamentöse Behandlung erfolgt und noch einige Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen können, bevor es zu einer Erkrankung der Leber kommen kann. Bis dahin ist ungewiss, wann die Behandlungsbedürftigkeit eintritt. Aktuell ist er daher – abgesehen von Kontrolluntersuchungen – nicht auf eine medizinische Versorgung in Mogadischu angewiesen. Auch wenn die zunächst erforderlichen Kontrolluntersuchungen in Mogadischu nicht möglich oder für den Kläger nicht zugänglich sein sollten, gibt es derzeit auch keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand auch ohne regelmäßige Kontrollen alsbald nach der Rückkehr wesentlich verschlimmern würde. Dass sich der Zustand des Klägers aktuell „auf der Kippe“ zur Behandlungsbedürftigkeit befindet oder eine solche in absehbarer Zeit eintreten wird, ist nicht ersichtlich und auch nicht vom Kläger vorgetragen.
- 58
3. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG vor. Da – wie oben ausgeführt – nicht feststeht, dass dem Kläger auf Malta der unionsrechtliche subsidiäre Schutz zuerkannt worden ist, kann eine solche Zuerkennung der Abschiebungsandrohung nach Somalia auch nicht entgegengehalten werden (vgl. zur Frage einer „Bindungswirkung“ VG Berlin, Urteil vom 1. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 31 ff.).
- 59
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
- 60
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordung.
- 61
Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.