Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Juni 2016 - Au 3 K 15.1763
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Gründe
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013). Dort ist in Nr. 18.1 für Streitigkeiten hinsichtlich einer Exmatrikulation der Auffangwert von EUR 5.000,- vorgesehen, in Nr. 18.6 für Streitigkeiten hinsichtlich eines hochschulrechtlichen Leistungsnachweises der halbe Auffangwert von EUR 2.500,-. Insgesamt war daher vorliegend ein Betrag von EUR 7.500,- als Streitwert festzusetzen (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 - AN 2 K 12.1567/1568 - juris Rn. 36).
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Gründe
- 1
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Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
- 2
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Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass sich der Kläger auf den von ihm geltend gemachten Fehler bei der Berechnung der Abgabefrist für seine Diplomarbeit nicht berufen könne, weil der (angebliche) Fehler zum einen für die unterbliebene Abgabe der Arbeit nicht kausal geworden und zum anderen nicht rechtzeitig dem Beklagten gegenüber gerügt worden sei. Daran anschließend will die Beschwerde geklärt wissen, "ob ein Prüfling zur Rüge der falschen Berechnung der Abgabefrist einer Diplomarbeit durch das Prüfungsamt verpflichtet ist und wann die fehlerhafte Berechnung der Abgabefrist durch das Prüfungsamt unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität unerheblich ist". Diese Fragestellung rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Im Falle einer mehrfachen, die angefochtene Entscheidung jeweils selbständig tragenden Begründung bedarf es in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes (s. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Denn aus Anlass des vorliegenden Falles ist jedenfalls die die Rügelast des Prüflings betreffende erste Teilfrage über die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entwickelten Rechtsgrundsätze hinaus einer weiteren, fallübergreifenden Beantwortung nicht zugänglich.
- 3
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Die Obliegenheit des Prüflings, Mängel des Prüfungsverfahrens zur Vermeidung ihrer Unbeachtlichkeit unverzüglich zu rügen - die als solche, soweit sie als ungeschriebene Regel eine dem untergesetzlichen Landesrecht angehörende Prüfungsordnung ergänzt, wie diese dem irrevisiblen Recht angehört - ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den bundesrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit gerechtfertigt. Die Mitwirkungslast des Prüflings dient der Wahrung der Chancengleichheit in zweierlei Hinsicht: Sie soll verhindern, dass er sich bei Fortsetzung der Prüfung in Kenntnis des Verfahrensmangels nachträglich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, und ermöglicht zum anderen der Prüfungsbehörde eine zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation (stRspr; vgl. Urteile vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - BVerwGE 69, 46 <48> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195 S. 179 f. und vom 22. Juni 1994 - BVerwG 6 C 37.92 - BVerwGE 96, 126 <129 f.> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 333 S. 27 f.; s. auch Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 6 B 45.05 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 408 Rn. 5). Die Mitwirkungslast endet - je nach den Umständen des Einzelfalles - zum einen an der Grenze der Zumutbarkeit für den Prüfling und zum anderen dann, wenn der betreffende Mangel auch ohne Rüge für die Prüfungsbehörde nicht nur erkennbar, sondern offensichtlich und zweifelsfrei ist (Urteile vom 17. Februar 1984 a.a.O. S. 50 bzw. S. 181 und vom 12. November 1997 - BVerwG 6 C 11.96 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 384 S. 198 m.w.N., insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 105, 328).
- 4
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Vor diesem Hintergrund hat die hier aufgeworfene Frage nach der Rügepflicht des Prüflings bei fehlerhafter Berechnung der Abgabefrist für eine schriftliche Prüfungsarbeit nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr beimisst. Unter dem bundesrechtlichen Gesichtspunkt der Chancengleichheit ist zunächst nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberverwaltungsgericht die Fristberechnung dem Prüfungsverfahren zuordnet. Es ist offensichtlich und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Rügelast gerade bei derartigen Fehlern der Wahrung der Chancengleichheit dient. So versetzt der Hinweis des Prüflings auf einen etwaigen Berechnungsfehler die Prüfungsbehörde in die Lage, den Fehler umgehend durch eine entsprechende Verlängerung der Bearbeitungsfrist zu korrigieren und dadurch zu vermeiden, dass dem Kandidaten wegen eines nachträglich nicht mehr zu behebenden Fehlers der Fristberechnung ein ihm im Grundsatz nicht zustehender (zusätzlicher) Wiederholungsversuch eingeräumt werden muss.
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Auf allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen führt auch nicht die weitere Argumentation des Oberverwaltungsgerichts, wonach die betreffende Mitwirkung des Klägers weder unter dem Gesichtspunkt einer Offenkundigkeit des bei der Berechnung der Abgabefrist unterlaufenen Fehlers noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit der Rüge entbehrlich gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit angenommen, dass es an einer Offensichtlichkeit des von dem Kläger im Nachhinein beanstandeten Berechnungsfehlers für den Prüfungsausschuss nicht zuletzt deshalb gefehlt habe, weil der Kläger durch seine eigenen Angaben im Anmeldebogen zumindest einen Anschein gesetzt habe, der in Widerspruch zu der von ihm nunmehr vertretenen Rechtsauffassung stehe; dies sei auch für einen juristisch nicht vorgebildeten Laien unschwer erkennbar und ein daran anknüpfender Hinweis gegenüber dem Prüfungsausschuss - auch in Ansehung des späteren Prozessvorbringens des Beklagten - jedenfalls nicht aussichtslos gewesen. Diese Erwägungen in den Gründen des angefochtenen Urteils sind ersichtlich von den Umständen des vorliegenden Einzelfalles geprägt. Sie entziehen sich damit ebenso wie die Kritik, die die Beschwerde an ihnen übt, einer allgemeinen Klärung in einem Revisionsverfahren.
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2014 - 12 K 3881/13 - wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. September 2009 – 4 A 1244/08 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über den von Klägerseite nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 556) – IFG M-V – geltend gemachten Anspruch auf Einsichtnahme in Verwaltungsvorgänge, die die Stadt Ribnitz-Damgarten nach der Wiedervereinigung Deutschlands in Zusammenhang mit der bestandskräftigen Zuordnung von Grundstücken an sie von Rechtsvorgängern – dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Rövershagen, dem Treuhandforstbetrieb - Außenstelle Westmecklenburg, der Treuhandanstalt-Sondervermögen, Niederlassung A-Stadt, sowie der BVVG, Niederlassung A-Stadt – übernommen hat.
- 2
Die Kläger sind Nutzer der sämtlich nach einer Teilungsvermessung aus dem Flurstück 58/48 hervorgegangenen Flurstücke 58/56 (Kläger zu 1.), 58/57 (Kläger zu 2.) und 58/58 (Kläger zu 3.) in der Flur 1, Gemarkung Neuhaus der Gemeinde Dierhagen, die nacheinander von den genannten Einrichtungen verwaltet worden waren. Die Kläger haben den Ankauf dieser Flurstücke nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geltend gemacht. Der Kläger zu 1. hat am 09. Januar 2006 mit der Stadt Ribnitz-Damgarten einen Vergleich über den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geschlossen (LG Stralsund - 4 O 328/05 -), dessen Vollstreckbarkeit der Beklagte allerdings anzweifelt. Im Rechtsstreit des Klägers zu 2. ist durch Urteil rechtskräftig festgestellt worden, dass ihm ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zusteht (LG Stralsund, Urt. v. 12.12.2006 - 4 O 193/05 -; OLG A-Stadt, Beschl v. 04.06.2007 - 7 U 8/07 -); hier ist weiterhin die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises strittig. Auch hinsichtlich des Klägers zu 3. war ein Rechtsstreit anhängig, der inzwischen durch Urteil des OLG A-Stadt vom 14. April 2011 - 3 U 3/09 - rechtskräftig zu seinen Gunsten abgeschlossen ist; sein Ankaufsrecht nach § 61 SachenRBerG wurde mit Blick auf den Erwerbstatbestand der §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 3 e) SachenRBerG bejaht.
- 3
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat der gegen die Versagung der Akteneinsicht erhobenen Klage mit Urteil vom 22. September 2009 stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2008 verpflichtet, den Klägern Einsicht in die von dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Rövershagen, dem Treuhandforstbetrieb - Außenstelle Westmecklenburg, der Treuhandanstalt-Sondervermögen, Niederlassung A-Stadt, und der BVVG, Niederlassung A-Stadt, angelegten und dem Beklagten übergebenen Verwaltungsvorgänge für die Flurstücke 58/58, 58/57 und 58/56 der Flur 1, Gemarkung Neuhaus bzw. des Vorgängerflurstücks 58/48 zu gewähren.
- 4
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der nach § 1 Abs. 2 IFG M-V grundsätzlich zustehende Anspruch auf Zugang zu den im Klageantrag bezeichneten Informationen sei weder durch § 5 Nr. 2 noch durch § 5 Nr. 5 IFG M-V ausgeschlossen. Der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichtsverfahrens werde nicht durch die Einführung zulässiger Beweismittel in den Prozess erschwert. Bei § 5 Nr. 5 IFG M-V seien nach dem klaren Wortlaut der Norm ausschließlich fiskalische Landesinteressen zu berücksichtigen, nicht solche der Kommunen und anderer staatlicher Stellen. § 6 Abs. 7 IFG M-V greife ebenfalls nicht. Zwar seien die Kläger bereits im Besitz einiger Unterlagen aus den genannten Verwaltungsvorgängen und hätten diese in die zivilrechtlichen Sachenrechtsbereinigungsverfahren eingeführt, jedoch hätten sie Anspruch auf Kenntnisnahme der vollständigen Originalvorgänge. Es sei zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob Vorgänge aus den Akten genommen worden seien.
- 5
Auf den am 28. Oktober 2009 per Telefax eingegangen Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 29. September 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 09. August 2010, den Beklagtenbevollmächtigten zugestellt am 11. August 2010, die Berufung zugelassen, weil er jedenfalls den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung mit Blick auf die Auslegung des § 5 Nr. 5 IFG M-V – Auslegung des Begriffs „fiskalische Interessen des Landes im Wirtschaftsverkehr“ – als gegeben angesehen hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); ebenso gebe das Berufungsverfahren Gelegenheit zur Präzisierung, wann die Voraussetzungen des § 5 Nr. 2 IFG M-V („erhebliche Beeinträchtigung des Verfahrensablaufs eines anhängigen Gerichtsverfahrens durch die Bekanntgabe der Information“) in Zusammenhang mit einem im Grundsatz den Regeln des zivilrechtlichen Verfahrens (Beibringungsgrundsatz) verpflichteten, andererseits jedoch auch Sonderrecht unterworfenen Verfahren (§ 85 Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG -) eingreifen.
- 6
Mit seiner am Montag, den 13. September 2010 eingegangenen Berufungsbegründung hat der Beklagte zunächst vorgetragen, die Voraussetzungen des § 5 Nr. 2 IFG M-V seien erfüllt, weil es bei den zwischen ihm und den Klägern anhängigen zivilrechtlichen Verfahren um seine fiskalischen Belange gehe; er handele dort nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich. Er sei in diesen Verfahren wie jede andere Prozesspartei auch der Zivilprozessordnung unterworfen, deren tragender Grundsatz der Beibringungs- oder auch Verhandlungsgrundsatz sei. Jede Partei habe die ihr günstigen Umstände darzulegen und zu beweisen. Dieser Grundsatz werde erheblich zu seinem Nachteil durchbrochen, wenn er verpflichtet sei, während des laufenden Verfahrens den Klägern Akteneinsicht in seine zugrunde liegenden Handakten zu gewähren. Er müsse dann nämlich „seine Karten völlig offen legen“, während den Klägern gegenüber jeder anderen Partei ein solcher Anspruch auf Einsicht in die Handakte des Prozessgegners nicht zustehe. Sollte das Informationsfreiheitsgesetz M-V eine solche Schlechterstellung erlauben, verstoße es gegen höherrangiges Recht, nämlich die ZPO und damit gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Jedenfalls aber beeinträchtige ein solches Akteneinsichtsgesuch im Rahmen der fiskalischen Tätigkeit während laufender Zivilprozesse deren Verfahrensablauf erheblich.
- 7
Seine Auffassung, dass § 5 Nr. 5 IFG M-V entsprechend auf die fiskalischen Interessen der Kommunen im Wirtschaftsverkehr anzuwenden sei, habe auch die zuständige Aufsichtsbehörde vertreten. Das aus der gleichlautenden Formulierung des § 3 Nr. 6 IFG des Bundes gewonnene Argument greife nicht. § 5 Nr. 5 IFG M-V könne nur dahin verstanden werden, dass immer auch die fiskalischen Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls mittelbar betroffen seien, wenn die fiskalischen Interessen von Kommunen oder sonstigen Landesbehörden betroffen seien. Da Art. 3 GG als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz jedenfalls Geltung für die Beziehung innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus habe, sei kein sachlicher Grund vorhanden, weshalb die fiskalischen Interessen des Landes schützenswert seien, die der Kommunen und sonstigen Landesbehörden jedoch nicht. Insbesondere aus systematischen Gründen sei nicht am Wortlaut zu haften. Soweit der Landesgesetzgeber inzwischen mit Änderungsgesetz vom 20. Mai 2011 (GVOBl. M-V S. 277) u.a. § 5 Abs. 5 IFG M-V aufgehoben habe, habe er nachhaltig gegen Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 LV verstoßen; diese Normen verbürgten eine kommunale Finanzhoheit mit einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Es bestehe insoweit jenseits des konkreten Vorgangs ein erhebliches Schutzbedürfnis der Landkreise, Kommunen und Selbstverwaltungskörperschaften. Ebenso verletze die Aufhebung des § 5 Nr. 5 IFG M-V zum Nachteil des Landes die legitimen fiskalischen Interessen des Staates; durch einen grenzenlosen Informationszugangsanspruch werde diese Eigenverantwortlichkeit gefährdet.
- 8
Zwar seien in den bisherigen zivilrechtlichen Verfahren den Klägern Ankaufsrechte nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zugesprochen worden. Deren Ausgestaltung sei jedoch zwischen den Beteiligten weiterhin streitig. Das – teilweise inzwischen eingeleitete – notarielle Vermittlungsverfahren sei Teil eines gerichtlichen Verfahrens nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, so dass jedenfalls der Ausnahmetatbestand des § 5 Nr. 2 IFG M-V weiterhin Berücksichtigung finden müsse. Der mit dem Kläger zu 1. vor dem Landgericht Stralsund am 09. Januar 2006 im Verfahren 4 O 328/05 abgeschlossene Vergleich habe ausweislich der Mitteilung des Landgerichts vom 21. März 2006 keinen vollstreckbaren Inhalt und somit das Verfahren nicht wirksam beenden können; dieses wolle er wieder aufnehmen, habe dies allerdings gegenüber dem Landgericht noch nicht angezeigt.
- 9
Der Beklagte beantragt,
- 10
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
- 11
Die Kläger beantragen,
- 12
die Berufung zurückzuweisen.
- 13
Sie hatten zunächst geltend gemacht, dass selbst dann, wenn entgegen dem Wortlaut des § 5 Nr. 5 IFG M-V fiskalische Interessen der Kommunen in diesem Zusammenhang berücksichtigungsfähig wären, solche im konkreten Fall der Informationsgewährung nicht entgegen stünden. Vorliegend gehe es allein um den Ankauf von Grundstücken nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, d.h. um die Realisierung eines Ankaufsrechtes nach gesetzlich definierten Bedingungen eines Bundesgesetzes. Das fiskalische Interesse des Beklagten könne nur darauf gerichtet sein, dessen Regelungen gesetzeskonform umzusetzen. Das seitens des Beklagten offenbar verfolgte Ziel, durch sein Informationsmonopol die gesetzlichen Ansprüche der Klägerseite zu unterlaufen, könne nicht als fiskalisches Interesse einer Kommune im Wirtschaftsverkehr im Sinne des § 5 Nr. 5 IFG M-V anerkannt werden. Diese Frage sei aber nach Aufhebung der Vorschrift ohnehin obsolet.
- 14
Geheimhaltungsinteressen des Beklagten seien nunmehr überhaupt nicht mehr erkennbar. Auf § 5 Nr. 2 IFG M-V könne sich der Beklagte jedenfalls nicht mit Erfolg berufen. Die begehrte Einsicht in die von anderen Behörden übergebenen Akten könnte gar keinen direkten Einfluss auf zivilrechtliche Verfahren mehr haben, da derartige Verfahren nicht mehr anhängig seien. Die geforderten Informationen würden vielmehr der Aufklärung des Sachverhaltes dienen und auch im notariellen Vermittlungsverfahren zu einer gesetzeskonformen materiell-rechtlichen Entscheidung führen. Auch werde nicht Einsicht in die Handakte des Beklagten verlangt, sondern in Verwaltungsvorgänge anderer Behörden, die ihm zur Verwahrung übergeben worden seien. Wären diese weiterhin bei den Ausgangsbehörden vorhanden, könnten durch Beweisanträge bei diesen Auskünfte angefordert werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Behördenvorgangs verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig (I.), hat jedoch keinen Erfolg (II.)
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I. Die mit Beschluss des Senats vom 09. August 2010 zugelassene Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere hat der Beklagte sie mit dem am Montag, den 13. September 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht eingelegt und begründet (§ 124a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO).
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II. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat, denn den Klägern steht der auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestützte Anspruch auf Einsichtnahme in die angeführten Akten zu.
- 19
Eine Erledigung der Berufung – wie sie die Kläger als rechtliche Möglichkeit angedeutet haben – ist durch den weiteren Verfahrensfortgang seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Aufhebung des § 5 Nr. 5 IFG M-V, Beendigung sämtlicher zwischen den Beteiligten geführten Gerichtsverfahren) allerdings nicht herbeigeführt worden; vielmehr sind diese zwischenzeitlich eingetretenen Umstände lediglich in die Prüfung durch das Berufungsgericht einzubeziehen.
- 20
Der Beklagte konnte und kann dem Anspruch der Kläger auf die begehrte Akteneinsicht im geltend gemachten Umfang keinen gesetzlichen Ablehnungsgrund entgegenhalten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Behörde dann, wenn sie sich auf einen oder mehrere der im Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern normierten Ausnahmegründe berufen will, deren Voraussetzungen darlegen und gegebenenfalls beweisen muss. Die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise gefasst; sie sind nach den üblichen Auslegungsregeln eng zu verstehen und abschließend. Auch der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat auf die Einführung eines generalklauselartigen Auffangtatbestandes – etwa in Form einer Gemeinwohlklausel – außerhalb des Schutzes personenbezogener Daten (hierzu § 7 IFG M-V) verzichtet (für Hamburg vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.11.2008 - 15 K 4014/07 -, juris Rn. 25 m.w.N.).
- 21
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs ist, da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat; Besonderheiten, die sich aus dem materiellen Recht ergeben könnten, sind hier nicht ersichtlich (vgl. statt vieler Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 113 Rn. 117 ff., 120). Dies gilt auch für die von der informationspflichtigen Stelle geltend gemachten Versagungsgründe (BVerwG, Urt. v. 29.10.2009 - 7 C 22.08 -, NVwZ 2010, 321, 323; Schoch, VBlBW 2010, 333, 341). Somit findet nunmehr das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 556) – IFG M-V – in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. Mai 2011 (GVOBl. M-V S. 277) Anwendung.
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Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG M-V hat jede natürliche und juristische Person des Privatrechts einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Die Erkenntnisse, die die Kläger aus den Akten, in die Einsicht zu nehmen sie begehren, gewinnen wollen, erfüllen als amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen den Informationsbegriff des § 2 Satz 1 Nr. 1 IFG M-V. Der Beklagte unterliegt als für die Stadt Ribnitz-Damgarten handelnde Behörde dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 IFG M-V. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger die Vorgänge, in die sie Einsicht nehmen wollen, im Sinne des § 10 Abs. 2 IFG M-V hinreichend bestimmt haben; insoweit kann auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen werden (§ 130b Satz 2 VwGO).
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Dieser grundsätzliche Informationsanspruch der Kläger wird nicht durch einen der Ausnahmetatbestände der §§ 3 ff. IFG M-V ausgeschlossen.
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Nach der Aufhebung des § 5 Nr. 5 IFG M-V durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) des Änderungsgesetzes vom 20. Mai 2011 braucht der Senat der Frage nicht weiter nachzugehen, ob diese frühere Regelung – wie der Beklagte meint – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts über ihren Wortlaut hinaus (Eignung zur „Beeinträchtigung fiskalischer Interessen des Landes im Wirtschaftsverkehr“) erweiternd dahin zu verstehen gewesen war, dass auch fiskalische Interessen einer Kommune die Ablehnung der Akteneinsicht hätten rechtfertigen können (verneinend auch Dalibor in: Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2008, S. 271, 277).
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Da der Senat für die vom Beklagten behauptete Verfassungswidrigkeit der Aufhebung des § 5 Nr. 5 IFG M-V a.F. schon keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen vermag, sieht er erst recht keinen Anlass, etwa das Verfahren auszusetzen und diese Frage dem Landesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (siehe Art. 53 Nr. 5 LV, § 11 Abs. 1 Nr. 3, §§ 43 ff. LVerfGG). Dafür, dass die mit Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV oder Art. 28 Abs. 2 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie den Landesgesetzgeber verpflichten würde, jegliches im Einzelfall behauptete Interesse einer Gemeinde im Rahmen ihres fiskalischen Handelns einem absoluten Schutz gegenüber Akteneinsichtsansprüchen zu unterstellen, ist nichts ersichtlich. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist „im Rahmen der Gesetze“ gewährt. Bei dem Informationsfreiheitsgesetz handelt es sich um ein vom Landesgesetzgeber des Landes Mecklenburg-Vorpommern erlassenes förmliches Gesetz; dieser wiederum ist von Verfassungs wegen gerade berechtigt, im Rahmen der Ausübung seiner gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 1 Satz 3 LV) auch den gesetzlichen Rahmen für die Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden abzustecken, und hat dabei lediglich den Kernbereich dieser Gewährleistung zu wahren. Ebenso wenig wäre eine derartige Verpflichtung dem in grundsätzlicher Weise die Finanzgarantie zu Gunsten der Gemeinden regelnden Art. 73 LV zu entnehmen.
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Auch auf die durch das Gesetz vom 20. Mai 2011 neu gefasste, um einen Satz 2 ergänzte Vorschrift des § 8 IFG M-V kann die Ablehnung der Akteneinsicht nicht gestützt werden. Die Vorschrift lautet nunmehr wie folgt:
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Der Antrag auf Zugang zu Informationen ist abzulehnen, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht oder durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und der Betroffene nicht eingewilligt hat. Dies gilt auch für das Land, die kommunalen Körperschaften sowie für Unternehmen und Einrichtungen, die von kommunalen Körperschaften nach den Vorschriften der Kommunalverfassung in einer Rechtsform des privaten oder öffentlichen Rechts geführt werden, bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr.
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Diese Gesetzesänderung geht offenbar zurück auf „30 Vorschläge zur Fortentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes M-V“, die der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit am 01. Juli 2010 im Anschluss an den wissenschaftlichen Evaluierungsbericht (abgedr. in LT-Drs. 5/3533 S. 14 ff.) als Diskussionsgrundlage für eine Weiterentwicklung des Gesetzes vorgestellt hat; darin spricht er sich unter Nr. 7 unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Evaluierung des zunächst bis zum 30. Juni 2011 befristet gewesenen Gesetzes dafür aus, dass § 5 Nr. 5 IFG M-V als entbehrlich entfallen kann, wenn in § 8 eine Klarstellung dahingehend aufgenommen wird, dass sich auch das Land auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen kann.
- 29
Schon um ein „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis“ im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich vorliegend bei den Informationen, über die um Auskunft ersucht wird, nicht. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat mit seiner Regelung an die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Begrifflichkeiten angeknüpft (vgl. Dalibor, a.a.O., unter Hinweis auf LT-Drs. 4/2117 S. 16). Ein Geschäftsgeheimnis ist danach eine Tatsache, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steht, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers sowie dessen berechtigten wirtschaftlichen Interessen geheim gehalten werden sollte; während Geschäftsgeheimnisse den kaufmännischen Bereich enthalten, umfassen Betriebsgeheimnisse technisches Wissen. Ebenso dürfte zu verneinen sein, dass es vorliegend überhaupt um die „Teilnahme an Wirtschaftsverkehr“ (vgl. etwa VG Hamburg, Urt. v. 24.11.2008,a.a.O. Rn 38: erwerbswirtschaftliches Handeln) ginge, wenn in Zusammenhang mit der Klärung von Eigentumsfragen nach der Wiedervereinigung im Rahmen der nach dem Einigungsvertrag getroffenen differenzierten und komplizierten, das Wechseln von der staatlichen Planwirtschaft (mit „Eigentum des Volkes“) in eine neue, auf Privateigentum basierende Eigentumsordnung bewältigenden Regelungen (z.B. Vermögenszuordnung, Sachenrechtsbereinigung, Verkehrsflächenbereinigung) Unterlagen von anderen staatlichen Stellen übernommen worden sind.
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Gleichfalls kann nach Aufhebung des § 6 Abs. 7 und Änderung des § 4 Abs. 4 IFG M-V, die ebenfalls auf die Fortentwicklungsvorschläge des Beauftragten für Informationsfreiheit zurückgehen, dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Akteneinsicht (zumindest teilweise) mit Hinweis auf den Umstand hatte ablehnen dürfen, dass jedenfalls Teile des Akteninhalts den Klägern nach ihrem eigenen Vortrag offenbar schon bekannt seien, oder nunmehr mit Blick auf die Neufassung des § 4 Abs. 4 IFG M-V ablehnen dürfte.
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Denn der Tatbestand dieser Vorschrift, die nunmehr wie folgt lautet:
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Handelt es sich um Informationen, die bereits öffentlich und barrierefrei zugänglich sind, ist ein Anspruch ausgeschlossen, sofern die Behörde dem Antragsteller in einer entsprechenden Verweisungsmitteilung die Fundstelle angibt,
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ist nicht erfüllt; eine „öffentliche und barrierefreie Zugänglichkeit“ der erstrebten Verwaltungsunterlagen in diesem Sinne ist gerade nicht erkennbar.
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Auch auf § 5 Nr. 2 IFG M-V kann der Beklagte – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat – seine Ablehnung der begehrten Akteneinsicht nicht mit Erfolg stützten. Nach dieser Vorschrift ist
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der Antrag auf Zugang zu Informationen abzulehnen, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Informationen der Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungs- oder Strafvollstreckungsverfahrens gefährdet oder der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichts-, Ordnungswidrigkeiten- oder Disziplinarverfahrens beeinträchtigt wird.
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Fraglich ist bereits, ob überhaupt bzw. in welchem Umfang unter den Begriff der erheblichen Beeinträchtigung des „Verfahrensablaufs“ auch die materiell-rechtlichen Interessen eines Verfahrensbeteiligten fallen (verneinend Dalibor, a.a.O., S. 302; vgl. auch den insoweit noch eindeutigeren Wortlaut in § 3 Nr. 1 Buchst. g) IFG Bund, wonach der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf die „Durchführung“ eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen). Gerechtfertigt könnte bei einem weiten Verständnis jedenfalls allein die Ablehnung eines Anspruchs auf Einsichtnahme in solche Informationen sein, die der Behörde aufgrund und wegen des Verfahrens zugehen – also etwa in die Handakten der öffentlichen Hand als Beteiligte eines Gerichtsverfahren –; nicht jedoch schützt die Vorschrift Informationen, die Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind. Um solche Handakten des Prozessbevollmächtigten geht es hier nicht. Die Norm neutralisiert die Beweislast – gerade in Bezug auf zivil- und Amts- bzw. Staatshaftungsprozesse –, und diese Verschlechterung der prozessualen Stellung des Staates ist gewollt (so Dalibor, a.a.O. mit näherer Begründung; vgl. ausführlicher zur Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, dass die öffentliche Hand im Rahmen von zivilrechtlichen Gerichtsverfahren geschützt werden müsse, wenn sie als Partei beteiligt ist, den Evaluationsbericht, a.a.O. S. 78 f.).
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Jedenfalls sind schon die Voraussetzungen für eine Berufung auf diesen Ablehnungstatbestand nicht gegeben; es ist nämlich nicht ersichtlich, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwischen den Beteiligten noch ein Gerichtsverfahren oder ein sonstiges Verfahren, das einem Gerichtsverfahren im Sinne der Vorschrift gleichstünde, anhängig ist. Dies haben die Feststellungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben.
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Alle zivilrechtlichen Verfahren, in denen um die Ankaufsberechtigung der Kläger nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz gestritten wurde, sind rechtskräftig zu deren Gunsten abgeschlossen (Kläger zu 1.: Vergleich im Verfahren LG Stralsund - 4 O 328/05 -: Kläger zu 2.: OLG A-Stadt, Beschl. v. 04.06.2007 - 7 U 8/07 -; Kläger zu 3.: OLG A-Stadt, Urt. v. 14.04.2011 – 3 U 3/09).
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Soweit zwischen den Beteiligten ein notarielles Vermittlungsverfahren nach §§ 87 ff. SachenRBerG bereits schwebt – bzw. der Beklagte ein weiteres derartiges Verfahren einzuleiten beabsichtigt –, können nach Auffassung des Senats derartige Verfahren einem „anhängigen Gerichtsverfahren“ nicht gleichgestellt werden. Dies zeigt zum einen schon die Systematik des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, das in Kapitel 2, Abschnitt 4 dem Unterabschnitt 2 „Notarielles Vermittlungsverfahren“ ausdrücklich den Unterabschnitt 3 „Gerichtliches Verfahren“anschließt; zum anderen kann das notarielle Vermittlungsverfahren aber auch deswegen nicht einem kontradiktorischen zivilrechtlichen Gerichtsverfahren gleichgesetzt werden, weil auf dieses Verfahren nach § 89 Abs. 1 SachenRBerG die Vorschriften des Buchs 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden sind, und auch im Übrigen für dieses Verfahren eine Art Amtsermittlung gilt, wie das dem Notar in § 91 Satz 1 SachenRBerG eingeräumte Akteneinsichtsrecht zeigt.
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Gleiches gilt, soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, der vor dem Landgericht Stralsund im Verfahren mit dem Kläger zu 1. abgeschlossene Vergleich habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt und deshalb das Verfahren nicht wirksam beenden können, und die Absicht bekundet hat, dieses Verfahren fortzusetzen. Unstreitig ist bisher eine Anzeige dieser Rechtsauffassung gegenüber dem Landgericht Stralsund noch nicht erfolgt. Solange nicht das Landgericht Stralsund auf Fortführung des Verfahrens erkannt hat, ist dieses als abgeschlossen anzusehen.
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Ein derart weites Verständnis des Begriffs „anhängiges Gerichtsverfahren“ würde im Übrigen den Wortlaut als regelmäßige Grenze der Auslegung überschreiten und den Grundsatz verletzen, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind (so auch VG Hamburg, Urt. v. 24.11.2008, a.a.O., Rn. 25, 41 zu den Ausnahmevorschriften der §§ 3 ff. des dortigen IFG; für NRW auch Lechtermann in: Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2009, S. 243, 256 ff.). Eine entsprechende Anwendung kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn sie ließe sich mit dem Regelungszweck der Vorschrift nicht vereinbaren, wie das Bundesverwaltungsgericht zu der vergleichbaren Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. g) IFG dargelegt hat (BVerwG, Beschl. v. 09.11.2010 - 7 B 43.10 -, juris, Rn. 12 unter Hinweis auf das zum UIG a.F. ergangene Urt. v. 28.10.1999 - 7 C 32.98 -, BVerwGE 110, 17, 23; ferner auch Schoch, VBlBW 2010, 333, 337). Danach dient die Vorschrift dem Schutz der Rechtspflege gegen Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen; demgegenüber liege das Anliegen, die verfahrens- und nachfolgend die materiellrechtliche Position der öffentlichen Hand zu schützen, jenseits des Schutzzwecks des Ausnahmetatbestandes des § 3 Nr. 1 Buchst. g) IFG.
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III. Da die Berufung des Beklagten erfolglos geblieben ist, hat dieser auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Wert des Streitgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
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I
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Der beklagte kommunale Abwasserbetrieb hat im Zuge der Ausweisung eines neuen Baugebiets auf der Grundlage einer von der ebenfalls beklagten Gemeinde erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis ein Sickerbecken zur Versickerung von Niederschlagswasser angelegt. Bei der Ausführung wurde eine Auflage zur Mindestüberdeckung des Grundwasserleiters nicht eingehalten. Der Kläger, Eigentümer eines benachbarten Wohngrundstücks, forderte deswegen Maßnahmen zum Schutz seines Grundstücks vor Vernässung und Schadstoffeintrag. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe weder einen Abwehranspruch gegen den kommunalen Entsorgungsbetrieb noch einen Anspruch auf Einschreiten seitens der Wasserbehörde. Eine abzuwehrende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers durch Schadstoffeintrag über den Grundwasserstrom oder durch Vernässung infolge Hochwassers oder eines Anstiegs des Grundwasserstands könne auch vor der in die Wege geleiteten Umgestaltung des Sickerbeckens nicht angenommen werden.
- 2
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
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II
- 3
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
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1. Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert ausgeführt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht insbesondere durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrags oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines sogenannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 4 m.w.N.).
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2. Auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläuterten fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass ungeachtet neuer Erkenntnisse zur Grundwassersituation und trotz des (noch) geringen Abstands der Sohle des Sickerbeckens zum Grundwasserspiegel eine Gefahrenlage für das Grundstück des Klägers, die umgehende Abwehrmaßnahmen erforderte, nicht zu erkennen sei. Die Situation werde sich durch die nach Abschluss eines Tekturverfahrens bevorstehende Aufhöhung der Muldensohle noch verbessern. Diese fachliche Einschätzung, für deren Richtigkeit letztlich auch das Ausbleiben von Schadensereignissen nach Inbetriebnahme des Sickerbeckens spreche, habe der Kläger nicht zu erschüttern vermocht, so dass dem vorsorglich gestellten Beweisantrag nicht habe nachgegangen werden müssen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach darauf abgestellt, dass das in der mündlichen Verhandlung unterbreitete Beweisangebot des Klägers unsubstantiiert sei. Dieser Einwand rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (stRspr, Beschluss vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266). Der Kläger zeigt nicht auf, dass dieser Ablehnungsgrund hier nicht trägt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Substantiierungsanforderungen, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.
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Die gebotene Substantiierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Vielmehr verlangt das Substantiierungsgebot, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird (Beschluss vom 2. November 2007 - BVerwG 7 BN 3.07 - juris Rn. 5). Der Beteiligte darf sich insoweit zwar insbesondere dann mit einer Vermutung begnügen, wenn die zu beweisenden Tatsachen nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fallen (Beschluss vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 = juris Rn. 13). Auch setzt ein Antrag auf Sachverständigenbeweis nicht voraus, dass einzelne konkrete Tatsachen in das Wissen der auskunftgebenden Stellen gestellt werden, da der Sachverständige sein Gutachten über das Beweisthema gegebenenfalls aufgrund eigener Tatsachenermittlungen zu erstatten hat (Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60). Wenn die Gegenseite der vorgetragenen Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Der Beteiligte muss sich damit auseinandersetzen und greifbare Anhaltspunkte benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhaltenen Behauptung braucht das Gericht nicht nachzugehen (Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14 = juris Rn. 11).
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3. Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof hiernach sein Vorbringen zum Anlass für eine weitere Sachaufklärung nehmen musste.
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Soweit der Kläger rügt, die Äußerungen der Beklagten und des Wasserwirtschaftsamts seien in einer Gesamtschau "völlig widersprüchlich", könnten folglich nicht als nachvollziehbar und schlüssig qualifiziert werden und die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht stützen, fehlt es an der näheren substantiierten Auseinandersetzung mit dem Vortrag, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
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Von vornherein unbeachtlich sind die Einwände des Klägers, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seinen Erwägungen zu Unrecht auch auf bevorstehende Änderungen des Sickerbeckens im Anschluss an das noch nicht abgeschlossene Tekturverfahren abgestellt und bei der Frage der Aussagekraft gutachterlicher Stellungnahmen zur Frage der Gefahr einer Vernässung verkannt habe, dass es bei der Größe des Einzugsgebiets des Sickerbeckens nur auf den Inhalt der wasserrechtlichen Erlaubnis ankomme. Denn für den Umfang der Aufklärungspflicht ist allein die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblich (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 59).
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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof den erforderlichen konkreten Bezug der Stellungnahme der Gutachter Dr. H. und T. vom 24. Mai 2006 zur klärungsbedürftigen Sachfrage der Gefahr einer Vernässung nicht gesehen hat. Denn die Gutachter führen insoweit aus, dass die zu erwartende zeitlich begrenzte lokale Grundwasseraufhöhung, die am Wohnhaus des Klägers "im Bereich mehrerer Zentimeter bis maximal 1 bis 2 Dezimeter" liege, in ihrer Reichweite u.a. von der Größe der an das Sickerbecken angeschlossenen Flächen abhänge; diese seien nicht bekannt (S. 7 f.). Die Aussagen zur maximalen Grundwasseraufhöhung am Wohnhaus des Klägers bewegen sich demnach insbesondere vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung im Bereich bloßer Spekulation, die eine Beweiserhebung nicht rechtfertigen kann.
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Schließlich ist auch nicht dargetan, dass angesichts der schriftlichen Stellungnahmen des Gutachters B. eine Beweiserhebung wegen der Frage eines erhöhten Schadstoffeintrags geboten war. Das vom Kläger angeführte Gutachten vom 29. Dezember 2006 stellt als Beweissicherungsuntersuchung insbesondere den hydro-chemischen Ist-Zustand des Grundwassers dar, der durch deutliche anthropogene Beeinflussungen gekennzeichnet sei. Abschließend stellt die Untersuchung fest, dass durch die geringe Schutzwirkung des Bodens unterhalb der Versickerungsanlage weitere Veränderungen nicht auszuschließen seien (S. 7 f.). Diese allgemein gehaltenen Ausführungen machten aber eine Auseinandersetzung sowohl mit den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen, wonach auch bei hohen Grundwasserständen von einer Direkteinleitung in den Grundwasserleiter nicht gesprochen werden könne, als auch mit den vom Verwaltungsgerichtshof erwähnten Verbesserungen der Filterwirkung durch die anstehende Erhöhung der Muldensohle nicht entbehrlich. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil der Gutachter B. in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 2007 - insoweit in Übereinstimmung mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Schreiben des Wasserwirtschaftsamts vom 10. Mai 2007 - selbst davon ausgeht, dass die zu erwartende Schadstofffracht wegen privaten und öffentlichen Flächen "unwahrscheinlich", d.h. voraussichtlich gering sein wird (S. 3).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 3.650,80 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 02. März 2006 - 8 K 2294/05 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 3.750,-- festgesetzt.
Gründe
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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Stadtobersekretär im Dienst der Stadt E. .
3Er nahm zum 01.09.2010 das Bachelor-Studium Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) – Zweigstelle E. - für den Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst auf. Im Rahmen der Abschlussprüfung wurde am 21.12.2011 eine Klausur im Modul 6.5, Rechnungswesen II geschrieben, die als nicht ausreichend bewertet wurde. Am 22.02.2012 erhielt der Kläger die Gelegenheit, an einer landesweit gestellten Wiederholungsklausur teilzunehmen. Mit Bescheid vom 04.04.2012 teilte das Prüfungsamt der FHöV dem Kläger mit, dass auch die Wiederholerprüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ bewertet worden sei. Gemäß § 4 der einschlägigen Studienordnung könne einmalig eine nach dem Modulverteilungsplan im 2. oder 3. Studienjahr zu erbringende Klausur ein zweites Mal wiederholt werden. Am 25.04.2012 erhielt der Kläger die Gelegenheit, an einer weiteren landesweit gestellten Wiederholungsklausur teilzunehmen. Mit Bescheid vom 06.06.2012 teilte das Prüfungsamt der FHöV dem Kläger mit, dass auch die Wiederholungsklausur mit der Note „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet worden sei. Damit habe er das Teilmodul Theorie und mithin die Bachelor Prüfung endgültig nicht bestanden.
4Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 13.06.2012 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 17.07.2012 wie folgt begründete: Aus der Bewertung der Prüfung ergebe sich, dass nach Auffassung der Korrektoren bei der Aufgabe 5 die Deckungsspanne richtig bestimmt worden sei, während die übrigen Lösungen (5.1 und 5.2) falsch seien bzw. fehlen würden (5.3 und 5.5). Die diesbezügliche Aufgabenstellung sei jedoch fehlerhaft bzw. unvollständig und somit für ihn, den Kläger, verwirrend gewesen. In Tabelle 1 der Aufgabe 5 sei ein Ausschnitt aus der Betriebsabrechnung mit den Kostenstellen Material, Fertigung, Verwaltung und Vertrieb dargestellt. Anschließend seien die Primärkosten der einzelnen Kostenstellen aufgeführt. Diese wiederum seien aufgeteilt in Einzel- und Gemeinkosten. Weitere Angaben, z.B. über die Verteilung der sekundären Kosten, seien jedoch nicht gemacht worden. Eine Berechnung der Zuschlagssätze im Rahmen der differenzierten Zuschlagskalkulation sei allein anhand der angegebenen Primärkosten nicht möglich. Hierfür werde mindestens die Summe der primären und sekundären Kosten benötigt. Diese Angabe fehle jedoch in der Aufgabenstellung, was ihn, den Kläger, zeitaufwändig zu einem längeren Lösungsweg geführt habe. Im Ergebnis habe er im Rahmen der Zuschlagskalkulation die ausgewiesenen Gemeinkosten aus Tabelle 1 auf die Einzelkosten der Tabelle 2 aufgeschlagen. Dadurch habe das Prüfungsziel im Rahmen der Bewertung nicht erreicht werden können. Da die Prüfungsaufgabe mit 30% in die Beurteilung eingeflossen sei, müsse ihm, dem Kläger, die Möglichkeit gegeben werden, ihn zur Wiederholungsklausur im Modul 6.5, Rechnungswesen II, zuzulassen.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Kläger sei mit dem behaupteten Mangel des Prüfungsverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt präkludiert, weil er die behaupteten Mängel der Aufgabenstellung nicht unverzüglich der Prüfungsbehörde vorgetragen habe, wozu er jedoch verpflichtet gewesen sei, damit die Prüfungsbehörde die Möglichkeit zur Abhilfe habe. Der Kläger habe erstmals im Rahmen der Widerspruchsbegründung – also fast 3 Monate, nachdem die Klausur geschrieben worden sei - dem Prüfungsamt die Rüge vorgetragen. Ferner sei auch nicht erkennbar, dass die Prüfer den ihnen eingeräumten prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum überschritten hätten, dass sie allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze außer Acht gelassen hätten oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen.
6Der Kläger hat am 21.08.2012 Klage erhoben.
7Er trägt vor: Beanstandet werde, dass die Aufgabenstellung in der 5. Aufgabe der Klausur missverständlich und daher verwirrend gewesen sei. Laut Aufgabenstellung sei eine Betriebsabrechnung die Grundlage für die Kalkulation. Die Betriebsabrechnung erfolge auf einem bestimmten Vordruck, dem Betriebsabrechnungsbogen (BAB). Es gebe 2 Arten von BAB, den einfachen BAB und den erweiterten BAB. Tabelle 1 der Aufgabe 5 stelle somit einen Ausschnitt aus einem einfachen BAB dar. In der Klausuraufgabe werde nicht klar differenziert zwischen dem einfachen und dem erweiterten Betriebsabrechnungsbogen, so wie dies im Lehrstoff und in den Lehrbüchern erfolge. Es könne zwar sein, dass ein der Aufgabenstellung entsprechender Betriebsabrechnungsbogen in der Praxis verwendet werde, jedoch sei dies mit dem entsprechenden Lehrstoff nicht vermittelt worden. Grundlage des Prüfungsstoffs sei der vermittelte Lehrstoff und nicht etwaiges Praxiswissen. Diese unklare Aufgabenstellung, die sich vielleicht für einen erfahreneren Praktiker logisch darstelle, sei bei der Bewertung der Klausur nicht berücksichtigt worden. Erst bei Einsichtnahme in die Prüfungsakte habe er die unklare Aufgabenstellung erkennen können. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, dass eine unverzügliche Rüge erforderlich gewesen sei. Im Übrigen sei er mit seiner Rüge auch deshalb nicht präkludiert, weil in der Studienordnung der Bachelor-Studiengänge an der FHÖV NRW keine Verpflichtung zur unverzüglichen Mängelrüge festgeschrieben sei. Des Weiteren sei die Aufgabenstellung nicht so offensichtlich falsch, dass der Fehler dort erkennbar gewesen sei, um die fehlerhafte Aufgabenstellung noch während der Prüfung zu rügen. Eine Berechnung der Zuschlagssätze im Rahmen der differenzierten Zuschlagskalkulation sei allein auf Angabe der Primärkosten nicht möglich. Hierfür werde mindestens die Summe der primären und sekundären Kosten benötigt. Diese Angaben fehlten in der Aufgabenstellung. Es sei davon auszugehen, dass die Prüfer bei ihrer Entscheidung dies nicht berücksichtigt hätten und eine Bewertung vorgenommen hätten, obwohl mit den Angaben der Aufgabenstellung ein entsprechendes Ergebnis nicht habe erzielt werden können. Bei der Bewertung durch den Prüfer sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass die Bearbeitung der wichtigen 5. Aufgabe fast völlig misslungen sei und besonders negativ auffalle, dass die differenzierende Zuschlagskalkulation völlig undurchsichtig ausgeführt werde und letztlich mit falschem Ergebnis ende.
8Es bestünden ferner Zweifel daran, dass die Regelungen über das Nichtbestehen des Studiums rechtskonform seien. Durch die Regelungen in der Prüfungsordnung werde in das Grundrecht aus Art. 12 GG eingegriffen. Er, der Kläger, habe die von dem Beklagten angeführten Module mit entsprechenden Prüfungen ganz überwiegend bestanden. Lediglich Modul 6.5, Rechnungswesen II, also einen Teilausschnitt des Studiums, habe er nicht bestanden. Hieraus könne jedoch nicht konkret auf mangelnde Berufseignung des Klägers geschlossen werden.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides seines Prüfungsamtes vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2012 zu verpflichten, ihn – den Kläger – zur Wiederholungsklausur im Modul 6.5-Rechnungswesen II zuzulassen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er wendet unter Vorlage einer Stellungnahme der Klausurerstellerinnen Dipl.-Volkswirt X. und Prof. Dr. C. N. vom 28.08.2012 ein: Dem Kläger hätte bekannt sein müssen, dass die Unterscheidung Primär- und Sekundärkosten bei der differenzierenden Zuschlagskalkulation keine Rolle spiele. Dieses Kalkulationsverfahren könne man auch dann durchführen, wenn keine Sekundärkosten angefallen seien. Sekundärkosten fielen an, wenn bei der Betriebsabrechnung die Kosten der Vorkostenstellen auf die Endkostenstellen verrechnet würden. Bräuchte man immer Sekundärkosten, um eine differenzierende Zuschlagskalkulation durchführen zu können, hieße das, dass die privaten und öffentlichen Unternehmen, die keine Vorkostenstellen eingerichtet hätten, auch keine Zuschlagskalkulation vornehmen könnten. Dies sei falsch. Ausschlaggebend für die geforderte differenzierende Zuschlagskalkulation sei das Vorliegen von Einzel- und Gemeinkosten. Alle Angaben, die für die Lösung der Aufgabe erforderlich seien, seien in der Aufgabenstellung enthalten. Vom Studierenden könne erwartet werden, dass er derartige Aufgaben lösen könne. Im Übrigen beziehe sich die Beschwerde nur auf die erste von 5 Aufgabenteilen der Aufgabe 5. Die Aufgabenteile 3 bis 5 seien davon völlig unabhängig und hätten problemlos bearbeitet werden können, da sie nicht die differenzierende Zuschlagskalkulation zum Gegenstand hätten. Aufgabenteil 2 hinge zwar mit Aufgabenteil 1 zusammen, allerdings hätte – so der Beklagte - auch hier eine Teillösung erfolgen können. Einzige Voraussetzung für die Lösbarkeit des Aufgabenteils 2 sei die Kenntnis vom Prinzip der differenzierenden Zuschlagskalkulation. Festzuhalten sei, dass kein anderer Prüfungsteilnehmer die Aufgabenstellung 5 oder eine andere Aufgabe gerügt hätte. Soweit erstmals geltend gemacht werde, dass durch die Regelungen in der Prüfungsordnung rechtswidrig in das Grundrecht aus Art. 12 GG eingegriffen werde, sei zu berücksichtigen, dass der Modul Aufbau des Bachelorstudiums vorsehe, dass jede zu erbringende Prüfungsleistung zu bestehen ist. Durch die Möglichkeit, eine nicht bestandene Prüfung zu wiederholen, werde gewährleistet, dass das Grundrecht auf freie Berufswahl nicht übermäßig eingeschränkt werde.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Rubrum war von Amts wegen hinsichtlich der Bezeichnung des Beklagten gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu berichtigen.
17Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung zur Wiederholungsprüfung. Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger die Modulprüfung Rechnungswesen II – und mithin die Bachelorprüfung insgesamt - nicht bestanden hat. Ein endgültiges Nichtbestehen der Bachelorprüfung ist (auch dann) gegeben, wenn eine Modulprüfung endgültig nicht bestanden ist.
18Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 4. August 2009 – 6 B 948/09 – juris.
19Maßgeblich für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für Laufbahnen des gehobenen nichttechnischen Dienstes (Bachelor) im Lande Nordrhein-Westfalen (Ausbildungsverordnung gehobener nichttechnischer Dienst Bachelor - VAPgD BA) vom 5. August 2008 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 30. Juli 2010 (GV. NRW. S. 502).
20Gemäß § 12 Abs. 1 VAPgD BA besteht die Bachelorprüfung aus Modulprüfungen während des Studiums und der Bachelorarbeit einschließlich eines Kolloquiums. Das Studium ist nach Abs. 2 erfolgreich abgeschlossen, wenn die Prüfungsleistungen gemäß Abs. 1 jeweils mit der Note ausreichend (4,0) bewertet wurden und die ordnungsgemäße Teilnahme an den Studienleistungen ohne Leistungsnachweis erfolgt ist. Nach § 8 Abs. 1 VAPgD BA kann eine nicht bestandene Prüfung einmal wiederholt werden. Einmalig kann eine im zweiten oder dritten Studienjahr als Klausur zu erbringende Prüfungsleistung, die auch in der Wiederholungsprüfung schlechter als „ausreichend“ (4,0) bewertet wurde, ein zweites Mal wiederholt werden.
21Ergänzend hierzu regelt § 13 Abs. 2 S. 1 der Studienordnung der Bachelorstudiengänge an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (Studienordnung–Bachelor - StudO-BA) i.d.F. des Änderungsbeschlusses vom 14.06.2011, genehmigt durch Erlass vom 12.08.2011, dass Prüfungsleistungen in Modulen, die schlechter als ausreichend (4,0) bewertet wurden, nicht bestanden sind und einmal wiederholt werden können, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Wird in einer Modulprüfung auch in der Wiederholungsprüfung eine Bewertung von mindestens ausreichend (4,0) nicht erreicht, so ist nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift die Prüfung endgültig nicht bestanden. Die Fortsetzung des Studiums ist ausgeschlossen (Abs. 2 S. 4).
22Die nach der VAPgD BA sowie der StudO BA vorgesehene Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten auf grundsätzlich eine Wiederholung, ausnahmsweise zwei Wiederholungen, ist mit höherrangigem Recht, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, vereinbar und verstößt nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
23Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf von dem Bestehen von Prüfungen abhängig machen, greifen als subjektive Zulassungsvoraussetzungen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ein.
24BVerwG, Beschuss. vom 7. März 1991 - 7 B 178/90 - juris.
25Für ihre Rechtfertigung gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip in dem Sinne, dass die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen dürfen.
26BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - juris.
27Durch die Gewährung jeweils nur einer Wiederholungsmöglichkeit im Falle des Nichtbestehens wird nicht übermäßig in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen.
28Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1994 - 1 BvR 1123/91 - juris; BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - 7 B 178.90 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 6 B 1059/13 – juris mit weiteren Nachweisen und Beschluss vom 8. Juli 2010 - 6 B 743/10 – juris.
29Für diese Beschränkung der (Einzelfach-)Wiederholungsmöglichkeiten streitet das ausgeprägte öffentliche Interesse an einer zeitlich straffen Durchführung des Studiums.
30OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2013 – 6 B 808/13 – juris und Beschluss vom 10. März 2014 – 6 B 1420/13 – juris, jeweils zur VAPPol II Bachelor.
31Da auch die Zahl der Prüfungsversuche geeignet ist, Aufschluss über die Qualifikation des Bewerbers für einen Beruf zu geben, darf die Prüfungsordnung dieser Einsicht Rechnung tragen, indem sie die Wiederholungsmöglichkeiten beschränkt. Zudem steht dem individuellen Interesse des Prüflings an einer zweiten oder gar unbeschränkten Widerholungsmöglichkeit das höher zu bewertende Allgemeininteresse gegenüber, die beschränkten Ausbildungskapazitäten für die Studierenden zu nutzen, die ihre Qualifikation spätestens in der Wiederholungsprüfung nachweisen konnten.
32Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2012 – 2 K 1376/11 – juris, m.w.N.
33Es trifft auch auf keine durchgreifenden (verfassungs-)rechtlichen Bedenken, dass beim wiederholten Nichtbestehen lediglich eines (Teil-)Moduls die Bachelorprüfung insgesamt als nicht bestanden zu bewerten ist. Dazu hat das OVG NRW ausgeführt, dass derartige Regelungen von Verfassung wegen nicht zu beanstanden sind.
34OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2014 a.a.O. und Beschluss vom 6. September 2013 a.a.O..
35Eine Unvereinbarkeit mit Art. 12 GG ist hiernach im Allgemeinen nur gegeben, wenn die Einschätzung, gerade durch die nicht bestandene Prüfung werde eine als unerlässlich einzustufende Fähigkeit abgeprüft, offenkundig sachlich nicht vertretbar erscheint,
36vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2013 - 6 B 808/13 – juris.
37Durch die hier in Rede stehende Teilprüfung (Rechnungswesen II, Kosten- und Leistungsrechnung) soll eine Fähigkeit nachgewiesen werden, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der mit der Prüfung insgesamt nachzuweisenden Qualifikation für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst anzusehen ist. Gemäß § 9 Abs. 2 StudO-BA ist die „Verwaltungsbetriebswirtschaft“ ein Schwerpunkt innerhalb des Mindestinhalts „Wirtschaftswissenschaften“ der Ausbildung zur Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst. Dass das Rechnungswesen eine unerlässliche Fähigkeit im Rahmen der angestrebten Qualifikation ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Modulbeschreibung 6.5 zum Bachelor-Studiengang Kommunaler Verwaltungsdienst -Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre (B.A.) – nennt als Kompetenzziele:
38„Die Studierenden
391. kennen die Grundbegriffe der Kosten- und Leistungsrechnung, können sie beschreiben und voneinander abgrenzen
402. kennen die Ziele des internen und externen Rechnungswesens und können Gemeinsamkeiten und Unterschiede beschreiben
413. unterscheiden den Aufbau- und die Funktionsweise der Kosten- und Leistungsrechnung und können diese beispielhaft erläutern
424. sind in der Lage, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedenen Methoden anzuwenden, können sie auf Praxisbeispiele anwenden und die Ergebnisse bewerten
435. können die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben, können sie im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen sowie für Zwecke der Steuerung und des Controllings und zur Gebührenermittlung anwenden“
44Im Übrigen ist davon auszugehen, dass jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen soll und daher ein positives Befähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist.
45Der Kläger hat keinen Anspruch nach der mithin verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 2 VAPgD BA auf nochmalige Wiederholung der Modulklausur Rechnungswesen II, weil die Bewertung der in Rede stehenden Klausur weder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, noch an einem materiellen Bewertungsfehler leidet.
46Mit seiner Rüge, die Aufgabenstellung sei unklar bzw. verwirrend gewesen, ist der Kläger schon deshalb ausgeschlossen, weil er diesen angeblichen Mangel nicht rechtzeitig gerügt hat.
47Vgl. zur Obliegenheit unverzüglicher Rüge von Mängeln des Prüfungsverfahrens OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2013 - 14 E 995/12 – juris, m.w.N.
48Bei der Forderung einer zeitnahen Rüge ist zwischen Mängeln im Prüfungsverfahren einerseits und materiellen Beurteilungsfehlern andererseits zu unterscheiden: Mängel des Prüfungsverfahrens muss ein Prüfling grundsätzlich - auch wenn dies nicht normativ bestimmt ist - unverzüglich rügen. Insoweit obliegt ihm eine Mitwirkungspflicht. Zum einen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich mit einer späteren Rüge bei einem unerwünschten Prüfungsergebnis eine zusätzliche Prüfungschance verschafft, die ihm im Verhältnis zu den anderen Prüflingen nicht zusteht und ihnen gegenüber das Gebot der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen soll der Prüfungsbehörde eine eigene zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls noch rechtzeitigen Behebung oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels ermöglicht werden, um auch hierdurch die Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen zu wahren.
49BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 – 6 C 37/92 – BVerwGE 96, 126.
50Hingegen kann der Prüfling eine fachlich unrichtige und deshalb rechtswidrige Bewertung seiner Prüfungsleistung - bei rechtzeitiger Klageerhebung - bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht geltend machen.
51BVerwG, Urteil vom 27. April 1999 – 2 C 30/98 – juris.
52Die dargestellten zwei Kategorien von Rechtsverstößen lösen unterschiedliche Rechtsfolgen aus. Mängel im Prüfungsverfahren ziehen in der Regel eine Prüfungswiederholung nach sich, während materielle/inhaltliche Bewertungsfehler mit der regelmäßigen Folge der Neubewertung der ursprünglichen Prüfungsleistung verbunden sind.
53BVerwG vom 22. Juni 1994 a.a.O.; BayVGH vom 8. September 1999 - 7 B 99.292 - BayVBl 2000, 529 und vom 20. Januar 1999 - 7 B 98.2357 - juris.
54Verfahrensmängel werden dahingehend charakterisiert, dass durch solche Verstöße ein Prüfling überhaupt gehindert wird, seine tatsächliche Leistungsfähigkeit in entsprechende Prüfungsleistungen umzusetzen, während es bei materiellen Bewertungsfehlern um die Anwendung materiellen Prüfungsrechts auf eine verfahrensfehlerfrei ermittelte Leistung geht.
55VG Ansbach, Beschluss vom 24. Februar 2005 – AN 2 K 04.01309 – juris, m.w.N..
56Das BVerwG unterscheidet zudem zwischen materiellen Beurteilungsfehlern im engeren Sinne und im weiteren Sinne. Letztere sind diejenigen Fälle, in denen als Folge eines Mangels im Prüfungsverfahren die Leistungsfähigkeit des Prüflings entweder als solche oder aber in ihren Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt wird, so dass die Leistungsfähigkeit schon deshalb nicht zutreffend materiell beurteilt werden kann. Wird der Prüfling bereits im Stadium der Erbringung der Prüfungsleistungen durch Mängel im Prüfungsverfahren hieran gehindert, so bilden seine - derart beeinträchtigten - Prüfungsleistungen schon deshalb, bevor sie von den Prüfern materiell beurteilt werden (und dabei materielle Beurteilungsfehler im engeren Sinne unterlaufen können), keine hinreichende und geeignete Grundlage für eine zutreffende materielle Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit. Insofern führen Mängel im Prüfungsverfahren typischerweise zu einer unzutreffenden materiellen Beurteilung der Leistungsfähigkeit des betroffenen Prüflings, "schlagen auf diese durch", und zwar unabhängig davon, ob die in diesem fehlerhaften Verfahren erbrachten Prüfungsleistungen ihrerseits materiell richtig oder fehlerhaft beurteilt werden. Zu beheben sind solche Mängel nur durch eine Wiederholung des Prüfungsverfahrens.
57BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 a.a.O.
58Im vorliegenden Fall macht der Kläger keinen materiellen Bewertungsfehler im engeren Sinne geltend, sondern einen Verfahrensfehler, der auf die Bewertung seiner Leistungsfähigkeit durchschlägt. Der Kläger hat eingeräumt, bei Aufgabe 5 zu einem nicht zutreffenden Ergebnis gelangt zu sein. Damit wendet er sich bei genauer Betrachtung nicht gegen die Beurteilung seiner Lösung der Klausuraufgabe 5 durch die Prüfer, auch wenn er geltend macht, die Prüfer hätten bei der Beurteilung die ungeeignete Aufgabenstellung nicht berücksichtigt. Der Kläger rügt vielmehr die Aufgabenstellung selbst, die seiner Ansicht nach einerseits unvollständige und daher irreführende Angaben enthalten habe, andererseits eine Prüfungsleistung erfordert habe, die vom Lernstoff der einschlägigen Lehrbücher nicht erfasst sei. Wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, beruft er sich mit dem zweiten Teil seiner Rüge darauf, dass der Prüfungsstoff über den Lehrstoff hinausgegangen sei. Dies verdeutlicht, dass es nicht um die Anwendung materiellen Beurteilungsrechts geht, sondern darum, dass dem Kläger eine korrekte und nachvollziehbare Lösung der gestellten Aufgabe wegen deren Unvollständigkeit bzw. Missverständlichkeit und aufgrund der Überschreitung des Prüfungsstoffes nicht möglich gewesen sei. Der geltend gemachte Fehler – sein Vorliegen unterstellt - betrifft damit nicht allein und im Speziellen die Bewertung der klägerischen Klausur, sondern hätte ungeachtet der Frage, ob andere Klausurbearbeiter diese Rüge erhoben haben, das Prüfungsverfahren insgesamt beeinträchtigt, weil der Fehler die Klausurbearbeiter an der Erarbeitung einer ordnungsgemäßen Lösung gehindert hätte.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2007 – 14 A 2873/06 – juris.
60Folglich wäre auch in der vorliegenden Fallgestaltung, in der die Ungeeignetheit der Aufgabenstellung bzw. eine Überschreitung des Prüfungsstoffes gerügt wird,
61vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 24. Februar 2005 a.a.O. und VG Mainz, Urteil vom 21. März 2013 – 1 K 919/12.MZ – juris, jeweils zur Überschreitung des Prüfungsstoffs,
62der Kläger gehalten gewesen, den vermeintlichen Mangel unverzüglich nach der Prüfung, zumindest aber noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses, gegenüber der zuständigen Stelle zu rügen. Auch eine verwirrende Aufgabenstellung, die die Aufgabe für die konkrete Prüfung als ungeeignet erscheinen lässt, hat einen Anspruch auf Wiederholung des betreffenden Prüfungsteils zur Folge.
63OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 14 A 2604/07 – juris
64Sie stellt mithin einen Verfahrensfehler dar, der rechtzeitig gerügt werden muss.
65Dem Ausschluss des Rügerechts steht nicht entgegen, dass der Kläger einwendet, er sei unmittelbar nach Ableistung der Klausur innerhalb der Ausschlussfrist – noch – nicht in der Lage gewesen, den in Frage stehenden Mangel im Prüfungsverfahren zu erkennen, weshalb er eine entsprechende substantiierte Rüge nicht hätte erheben können. Zur Geltendmachung des Verfahrensmangels zwecks Vermeidung eines Rügeausschlusses hätte es keiner detaillierten und umfänglich rechtlichen Ausführung oder gar der Kenntnis der Lösung bedurft. Es hätten vielmehr schon Hinweise auf die Problematik genügt, insbesondere, dass der Kläger der Meinung war, dass bei Aufgabe 5 notwendige Angaben gefehlt hätten bzw. dass die Aufgabenlösung im Studium nicht erlernte Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert habe. Von einem verantwortungsbewussten Prüfling muss verlangt werden, dass er sich im Anschluss an die Prüfungsablegung darüber bewusst wird, ob er sich vorschriftswidrig gehindert gesehen hat, eine adäquate Leistung zu erbringen, um sich sodann mit einer entsprechenden Rüge jedenfalls noch vor Ergebnisbekanntgabe an das Prüfungsamt zu wenden.
66Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O.
67Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass ihn die Tabelle in Aufgabe 5 völlig verwirrt hätte, weil er „so etwas im Leben noch nicht gesehen habe“. Ein solcher Betriebsabrechnungsbogen sei in keinem ihm bekannten Lehrbuch dargestellt. Mithin war ihm schon während der Prüfung bewusst, dass hier möglicherweise eine Überschreitung des Prüfungsstoffes vorlag. Jedenfalls hätte er den notwendigen Abgleich mit den Lehrbüchern unmittelbar nach Beendigung der Klausur vornehmen können.
68Ungeachtet dessen besteht ein Anspruch auf Wiederholung der Klausur für den Kläger auch deshalb nicht, weil die Prüfungsentscheidung der Beklagten keine Rechtsfehler erkennen lässt. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger die Klausur Rechnungswesen II-Kosten- und Leistungsrechnung nicht bestanden hat.
69Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
70Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81, 213.83 - NJW 1991, 2005,
71der die Verwaltungsgerichte gefolgt sind,
72vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - NVwZ 1993, 677; OVG NRW, Urteil vom 30. März 1998 - 22 A 4551/95 - NWVBl 1998, 40 und Urteil vom 16. Januar 1998 - 22 A 4677/95 - m.w.N.,
73sind berufsbezogene Prüfungsentscheidungen mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich vollständig gerichtlich zu überprüfen. Allerdings verbleibt der Prüfungsbehörde bei "prüfungsspezifischen" Wertungen,
74vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 - DVBl 1998, 404,
75ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, oder sonst willkürlich gehandelt hat. Angesichts dieses Entscheidungsspielraums der Prüfungsbehörde ist das Gericht abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden bloßen rechnerischen Korrekturen nicht befugt, Prüfungsleistungen selbst zu bewerten und als Folge dieser eigenen Bewertung die Prüfungsbehörde zu verpflichten, die Prüfung für bestanden zu erklären.
76Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12. November 1997 - 6 C 11.96 - BVerwGE 105, 328, sowie Beschluss vom 11. April 1996 - 6 B 13.96 - DVBl. 1996, 997 und Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - a.a.O.
77Eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch das Gericht setzt voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
78Vgl. zur Mitwirkungspflicht des Prüflings im Prüfungsverfahren und im Prüfungsrechtsstreit: BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - DVBl. 1993, 842; OVG NRW, Urteil vom 14. März 1994 ‑ 22 A 201/93 - NVwZ-RR 1994, 585 m.w.N.
79Der Prüfling muss seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welche Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) ‑ notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ‑ (weiter) aufzuklären ist. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz ist insoweit durch die Mitwirkungspflicht des Prüflings begrenzt,
80vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. September 1993 - 22 A 1931/91 - DÖV 1994, 392 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - a.a.O.
81Zudem haben die Gerichte auch nach der Feststellung materieller Prüfungsfehler in der Gestalt von Korrektur- oder Bewertungsfehlern zu prüfen, ob Auswirkungen dieser Fehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden können. Sind solche Auswirkungen mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, so folgt - wie auch bei unwesentlichen Verfahrensfehlern - aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt.
82BVerwG, Beschluss vom 13. März 1998 – 6 B 28/98 – juris, m.w.N.
83Gemessen an diesen Anforderungen ist die Durchführung und Bewertung der Klausur vom 25.04.2012 rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Kläger geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei der Aufgabenstellung der allein gerügten Prüfungsaufgabe 5 zu keinen rechtsrelevanten Fehlern seitens der Beklagten gekommen ist.
84Die konkrete Ausgestaltung der Aufgabenstellung liegt unter Beachtung der Lehr-/ und Lerninhalte im freien Ermessen der Beklagten. Die gerügte Aufgabe 5 bewegt sich im Rahmen der durch die Modulbeschreibung vorgegebenen Kompetenzziele und der Lehr-/und Lerninhalte. Hiernach kennen die Studierenden die Grundbegriffe der Kosten- und Leistungsrechnung, unterscheiden den Aufbau und die Funktionsweise der Kosten- und Leistungsrechnung und können diese beispielhaft erläutern, sind in der Lage, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedene Methoden anzuwenden, können sie auf Praxisbeispiele anwenden und die Ergebnisse bewerten und können die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben und im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen.
85Dass die Aufgabe 5 wegen der fehlenden Angabe und daher wegen fehlender Kenntnis von den Sekundärkosten nicht lösbar gewesen sei, hat der Kläger substantiiert nicht dargetan. Vielmehr wird dem von Seiten der Klausurerstellerinnen durch die Stellungnahme und den darin enthaltenen Verweis auf die einschlägige Fachliteratur entgegen getreten. Ausdrücklich heißt es in der schriftlichen Stellungnahme vom 28.08.2012, dass die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärkosten bei der differenzierenden Zuschlagskalkulation keine Rolle spiele. Die Aufgabenerstellerin, Frau Prof. Dr. N. , hat dies in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert und schlüssig dargelegt. Diese Sichtweise stimmt auch mit den übrigen, dem Gericht zugänglichen Erkenntnissen überein.
86Hiernach ist die Kostenträgerrechnung eine besondere Art der Kalkulation im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung eines Unternehmens. Die Kostenträgerrechnung steht am Ende der Kostenrechnung und soll klären, wofür die Kosten entstanden sind. Für die Durchführung dieser Kostenträgerrechnung gibt es verschiedene Verfahren, wobei in Mehrproduktunternehmen mit heterogenem Produktionsprogramm die Zuschlagskalkulation anwendbar ist.
87http://de.wikipedia.org/wiki/Zuschlagskalkulation, http://de.wikipedia.org/wiki/Kostentr%C3%A4gerrechnung.
88Das Prinzip der Zuschlagskalkulation besteht darin, die Einzelkosten den Erzeugnissen direkt zu belasten und die Gemeinkosten mit Hilfe prozentualer wertorientierter Zuschlagssätze zu verrechnen. Dies setzt zunächst voraus, dass in der Kostenartenrechnung eine Trennung in (Kostenträger)Einzelkosten und (Kostenträger)Gemeinkosten vorgenommen wird. Als summarische Zuschlagskalkulation wird ein Verfahren bezeichnet, bei der die gesamten Gemeinkosten mit einem Zuschlag auf eine Einzelkostenbasis verrechnet werden. Wird der Gemeinkostenblock aufgespalten und mit Hilfe mehrerer Zuschlagssätze verrechnet, kann von einer differenzierten Zuschlagskalkulation gesprochen werden. Bei dieser Methode werden die Gemeinkosten in Teilbeträge aufgebrochen und mit gesonderten Zuschlagssätzen auf die Erzeugnisse verrechnet.
89Vgl. z.B. http://www.gaechter.cc/uploads/media/Zsfg_Joos-Sachse.pdf.
90Genau ein solcher Rechenweg ist durch Aufgabe 5 in der Klausur Rechnungswesen II vorgegeben worden.
91Soweit der Kläger geltend macht, er habe einen solchen Betriebsabrechnungsbogen, wie in Aufgabe 5 dargestellt, noch nie gesehen, hat sich im Verlauf der mündlichen Verhandlung durch die Erläuterungen von Frau Prof. Dr. N. herausgestellt, dass der Kläger die abgebildete Tabelle offenbar missverstanden hat. Denn es handelte sich hier nicht etwa um einen Betriebsabrechnungsbogen, sondern um die Darstellung der Kosten auf Kostenstellen mit Unterteilungen in Einzel- und Gemeinkosten. Dies wäre aber für den Kläger auch unter Berücksichtigung der in Aufgabe 5 gewählten Formulierung erkennbar gewesen, wenn es dort heißt: „Grundlage für die Kalkulation des Betriebes soll die Betriebsabrechnung des vergangenen Jahres sein.“
92Der Betriebsabrechnungsbogen ist ein Instrument der Kostenrechnung in Form einer Tabelle, die in den Zeilen die verschiedenen (Gemein-)Kostenarten und in den Spalten die Kostenstellen auflistet. Er ist das Bindeglied zwischen der Kostenartenrechnung, die die Kosten z.B. in primäre und sekundäre Kosten trennt, und der Kostenträgerrechnung, welche speziell in der differenzierenden Zuschlagskalkulation Kostenträger kalkuliert.
93https://www.wiwiweb.de/kostenrechnung/kostenstelle/betriebsabre/bindeglied.html.
94Die Betriebsabrechnung kann tabellarisch-statistisch mit Hilfe eines Betriebsabrechnungsbogens durchgeführt werden. Sie kann aber auch nach den traditionellen Prinzipien der Buchführung erstellt werden.
95http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/betriebsabrechnung/betriebsabrechnung.htm
96Diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten, insbesondere Betriebsabrechnung und Betriebsabrechnungsbogen, hätten dem Kläger gewärtig sein müssen, denn sie gehören zum Grundlagenwissen des Rechnungswesens bzw. der Kosten- Leistungsrechnung. Deshalb geht auch der Einwand ins Leere, die gestellte Aufgabenform – also die Durchführung einer Kostenträgerrechnung ohne Betriebsabrechnungsbogen - sei vom Prüfungsstoff nicht erfasst gewesen. Denn nach der zur Studienordnung gehörenden Modulbeschreibung ist es gerade Lehr- und Lernziel, dass die Studenten in der Lage sind, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedene Methoden anzuwenden, sie auf Praxisbeispiele anzuwenden, die Ergebnisse bewerten zu können und die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben und im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen zu können.
97Schließlich ist nicht substantiiert dargelegt, dass sich der behauptete Fehler bei der Aufgabenstellung überhaupt auf das Bestehen der Prüfung ausgewirkt hätte. In den Prüfervermerken wird ausgeführt:
98„Die Bearbeitung der 1. Aufgabe ist ebenfalls misslungen. (…) auch bei der 3. Aufgabe ist die Bearbeiterin bzw. der Bearbeiter der Klausur eindeutig gescheitert. (…) Damit wird der überwiegende Teil der Klausur nicht gelöst. Zu den Aufgaben 2 und 4 finden sich Lösungsanteile. Zufriedenstellend wir allerdings auch bei diesen beiden Aufgaben nicht gearbeitet. Auch hier unterlaufen (…) gravierende Fehler. (…) Es handelt sich damit eindeutig um eine nicht ausreichende Leistung“
99„In Aufgabe 1 wird der bilanzielle Gewinn zwar richtig ermittelt, das Betriebsergebnis aber nicht ansatzweise festgestellt. In Aufgabe 2 wird bei richtiger Berechnung des Endbestands und der jeweiligen Durchschnittspreise der Verbrauch falsch bewertet. Die geforderten Erläuterungen Primär- und Sekundärkostenverrechnung fehlen in Aufgabe 3. Nur die Gleichung im mathematischen Verfahren zur Berechnung der Verrechnungspreise wird richtig aufgestellt. Aufgabe 4 gelingt mit Einschränkungen. In Aufgabe 5 wird die Deckungsspanne (5.4) richtig bestimmt. Die übrigen Lösungen sind falsch (5.1, 5.2) oder fehlen (5.3, 5.5)“
100Nach der diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Stellungnahme der Klausurerstellerinnen waren weite Teile der Aufgabe 5 unabhängig von der vom Kläger erhobenen Rüge, es hätte die Angabe der Primär- und Sekundärkosten gefehlt, lösbar. Insoweit sei es nicht auf die Unterscheidung Primär/- Sekundärkosten angekommen. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klausur ohne Bewertung der Aufgabenteile 5.1 und 5.2. mit ausreichend bewertet werden könnte, obwohl die Aufgaben 1 (15% Anteil), 2 (15%) und 3 (20%) ganz überwiegend nicht gelöst worden sind und die Bearbeitung der mit 20% bewertete Aufgabe 4 nur „Lösungsanteile“ enthielt bzw. nur „mit Einschränkungen“ gelungen ist.
101Die streitbefangene Prüfung unterliegt – ungeachtet dessen, dass keine weiteren Rügen erhoben sind - auch keinen sonstigen Bedenken hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit. Insbesondere haben die Prüfer ihrer Bewertung der streitbefangenen Klausur eine im Sinne der Rechtsprechung,
102vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, BVerwGE 91, 262; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1995 - 22 A 3876/93 - NWVBl 1995, 480, m.w.N.,
103genügende Begründung beigefügt. Beide Korrektoren bewerteten die streitbefangene Klausur in der Gesamtleistung im Rahmen des Bachelorbewertungssystems eindeutig mit 5,0 "nicht ausreichend" und haben diese Beurteilung unter Berücksichtigung der vorgegebenen Gewichtung der Leistungen verständlich begründet.
104Schließlich ist auch das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts,
105BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132, 137 und Beschluss vom 23.03.1994 - 6 B 84/93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 331,
106unmittelbar nach Art. 12 Abs. 1 GG gebotene verwaltungsinterne Kontrollverfahren bei substantiierten Einwendungen gegen die Prüfungsentscheidung durchgeführt worden. In seiner in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgesehenen, typischen Form ermöglicht das Widerspruchsverfahren eine umfassende "Richtigkeitskontrolle" der vorangegangenen Verwaltungsentscheidung, weil die Überprüfung sich nicht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern auch auf ihre "Zweckmäßigkeit" erstreckt. Das Widerspruchsverfahren lässt daher auch Raum für das "Überdenken" der prüfungsspezifischen Wertung durch die betroffenen Prüfer mit dem Ziel einer größtmöglichen Bewertungsgerechtigkeit und ermöglicht damit den unerlässlichen Ausgleich für den bei Prüfungsentscheidungen nur unvollkommenen gerichtlichen Rechtsschutz. Damit das Verfahren des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss gewährleistet sein, dass die Prüfer jedenfalls ihre Bewertungen von schriftlichen Prüfungsleistungen hinreichend begründen und der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen zu den schriftlichen Arbeiten einsehen kann. Macht der Prüfling substantiierte Einwände gegen die Bewertung seiner Leistungen geltend, hat die Prüfungsbehörde die Einwände unverzüglich den Prüfern zum Zwecke des Überdenkens ihrer Bewertung zuzuleiten. Sodann haben die Prüfer die gerügten Bewertungen unverzüglich zu überdenken, ggfls. zu korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden.
107BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.O.
108Ein Vorverfahren hat der Beklagte durchgeführt. Einer Beteiligung der Prüfer hieran bedurfte es allerdings nicht, weil der Kläger sich mit seinem Widerspruch nicht gegen die Bewertung der Lösung durch die Prüfer, sondern gegen die – nicht von den Prüfern entworfene - Aufgabenstellung wendete. Bei Fragen der Aufgabenstellung geht es gerade nicht um Bewertungsgrundsätze und um das Überdenken der Klausurbewertung seitens der Prüfer.
109Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
110Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten über das Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung.
- 2
Sie unterzog sich im Herbst 2011 im Widerholungsversuch der staatlichen Pflichtfachprüfung und erzielte in den sechs schriftlichen Prüfungsarbeiten folgende Ergebnisse:
- 3
Öffentliches Recht 1
5,0 Punkte
Öffentliches Recht 2
3,5 Punkte
Strafrecht 1
3,5 Punkte
Zivilrecht 1
3,0 Punkte
Zivilrecht 2
5,5 Punkte
Zivilrecht 3
2,0 Punkte
Summe
22,5 Punkte
- 4
Dies ergibt eine Gesamtnote der schriftlichen Prüfung von 3,75 Punkten.
- 5
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Gesamtnote der schriftlichen Prüfung betrage weniger als 4,00 Punkte, weshalb sie von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei. Sie habe die Prüfung gemäß § 7 Abs. 4 des Landesgesetzes über die Juristische Ausbildung – JAG – wiederholt nicht bestanden.
- 6
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Prüfungsaufgabe Zivilrecht 1 sei zu umfangreich gewesen und habe die Grenze des zulässigen Prüfungsstoffs überschritten. Die Ablösung einer Grundschuld durch Aufrechnung eines Dritten sei kein Standardproblem, das im ersten Examen verlangt werden könne. Darüber hinaus rügte die Klägerin die Bewertungen der Klausur Zivilrecht 1 durch den Erst- und Zweitkorrektor sowie der Klausur Öffentliches Recht 2 durch den Zweitkorrektor.
- 7
Der Beklagte legte den Widerspruch – soweit er ihn für relevant hielt – auszugsweise den Zweitprüfern der betreffenden Klausuren vor, die daraufhin jeweils eine ergänzende Stellungnahme zu ihrer Bewertung abgaben, ohne dass es zu einer Änderung der vergebenen Note kam. Die Erstprüferin der Zivilrechtsklausur wurde im Rahmen des Überdenkungsverfahrens nicht beteiligt.
- 8
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2012 – zugestellt am 5. Juli 2012 – wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Rügen, die Klausur Zivilrecht 1 habe unzulässigen Prüfungsstoff enthalten und sei – weil zu umfangreich – als Prüfungsaufgabe ungeeignet gewesen, habe sie nicht rechtzeitig erhoben, weshalb sie nicht mehr zu berücksichtigen seien. Es handele sich hierbei um Mängel des Prüfungsverfahrens, die – anders als materielle Bewertungsfehler – gemäß § 12 Satz 1 der Juristischen Ausbildungs-und Prüfungsordnung – JAPO - innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach deren Eintritt schriftlich gegenüber dem Prüfungsamt geltend zu machen seien. Mit einer fristgemäßen Rüge werde auch nichts Unzumutbares verlangt. Dem Prüfling obliege es, sich über die für das Prüfungsrechtverhältnis geltenden Rechtsvorschriften zu informieren, was auch in Bezug auf Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Verfahrensmängeln gelte. Es sei insbesondere auch zumutbar gewesen, den vermeintlichen Verfahrensfehler „aus der Erinnerung heraus“ geltend zu machen. Bewertungsfehler seien nicht erkennbar. Soweit bei der Klausur Zivilrecht 1 eine fehlerhafte Gewichtung von Aufgabe 1 und 2 angesichts des zu großen Umfangs von Aufgabe 1 und des unzulässigen Prüfungsstoffs bei Aufgabe 2 durch die Erstprüferin bemängelt werde, sei dies nicht fristgerecht geltend gemacht worden. An dem Rügeausschluss ändere auch nichts, dass mit dem Einwand nicht der Verfahrensfehler als solcher, sondern ein hieraus resultierender materieller Bewertungsfehler kritisiert worden sei. Im Übrigen wurde bezüglich der einzelnen Rügen der Klägerin unter Einbeziehung der Prüferstellungnahmen im Überdenkungsverfahren festgestellt, dass die Prüfer nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und die von der Klägerin beanstandeten Ausführungen darüber hinaus vom Bewertungsspielraum der Prüfer abgedeckt seien.
- 9
Die Klägerin hat am 20. Juli 2012 Klage erhoben.
- 10
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor: Die nur auszugsweise Weiterleitung ihrer Einwendungen an die Prüfer und die gänzlich fehlende Beteiligung der Erstprüferin der Klausur Zivilrecht 1 am Überdenkungsverfahren stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar. Der Einwand der zu umfangreichen Prüfungsaufgabe und des unzulässigen Prüfungsstoffs in Bezug auf die Klausur Zivilrecht 1 sei nicht verspätet erhoben worden. Insoweit seien die Anforderungen an die Rechtzeitigkeit der Rüge überspannt. Sie habe erst nach Einsicht in ihr Klausurenheft erkennen können, dass ein übermäßiger Stoffumfang und Rechtskenntnisse verlangt worden seien, über die sie, auch mangels entsprechender Vermittlung im Rahmen der Universitätsausbildung und trotz Selbststudiums, nicht habe verfügen können. Es sei lebensfremd zu erwarten, dass ein Prüfling sich nach Abgabe der Klausuren an die einzelnen Prüfungsaufgaben in einem Umfang erinnern könne, der substantiierte Rügen ermögliche. Es stelle im Übrigen einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit aller Prüflinge dar, wenn in einem Examenstermin nur Standardprobleme verlangt, in einem anderen aber weit darüber hinausgehende Anforderungen gestellt würden.
- 11
Die Klägerin beantragt,
- 12
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2012 zu verpflichten, sie anstelle der Aufsichtsarbeit Zivilrecht 1 erneut eine Aufsichtsarbeit im Fach Zivilrecht anfertigen zu lassen und die Aufsichtsarbeit Öffentliches Recht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen,
- 13
hilfsweise,
- 14
die Aufsichtsarbeit Zivilrecht 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.
- 15
Der Beklagte beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen.
- 17
Er bezieht sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und führt ergänzend aus: Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz bestehe im Fall eines Widerspruchs kein genereller Anspruch auf Durchführung eines sogenannten „Überdenkungsverfahrens“. Im Hinblick auf die Chancengleichheit der Prüflinge könne nicht jeder Einwand zu einer erneuten Prüferbeteiligung führen. Hierfür seien vielmehr substantiierte Einwände von Mängeln im Prüfungsgeschehen oder gegen fachwissenschaftliche Wertungen erforderlich. Einwände gegen prüfungsspezifische Wertungen führten allenfalls dann zu einer erneuten Prüferbeteiligung, wenn normative Vorgaben nicht beachtet würden oder die Bewertung aus der Sicht von Fachkundigen unhaltbar erscheine. Insoweit bestehe die Befugnis des Landesprüfungsamts zur Vorprüfung des Widerspruchs.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten einschließlich des Klausurenhefts der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Klage hat sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Neuanfertigung einer Klausur im Fach Zivilrecht noch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2. Der Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 20
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 9 Abs. 3 der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung – JAPO –. Danach ist ein Bewerber von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Pflichtfachprüfung nicht bestanden, wenn in der schriftlichen Prüfung nicht mindestens drei Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Pflichtfächern mit mindestens vier Punkten bewertet wurden und die Gesamtpunktzahl der schriftlichen Prüfung nicht mindestens 24 Punkte beträgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt hat, dass die Klägerin in der schriftlichen Prüfung die erforderliche Mindestpunktzahl von 24 Punkten nicht erreicht hat.
- 21
Die von der Klägerin gegen die Prüfungsentscheidung erhobenen Einwände greifen sämtlich nicht durch.
- 22
Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Neuanfertigung einer Prüfungsarbeit im Fach Zivilrecht. Ihre Rügen, die Prüfungsarbeit Zivilrecht 1 sei bezüglich der Prüfungsanforderung bei Aufgabe 1 zu umfangreich – und damit ungeeignet - gewesen und bei dem Aufgabenteil 2 sei der zulässige Prüfungsstoff überschritten worden, bleiben schon deshalb ohne Erfolg, weil sie diese nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
- 23
Nach § 12 Satz 1 JAPO sind Mängel des Prüfungsverfahrens innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrem Eintritt schriftlich gegenüber dem Landesprüfungsamt geltend zu machen. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, da die Klägerin ihre diesbezüglichen Einwendungen erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erhoben und deshalb ihr Rügerecht verloren hat.
- 24
Bei den von der Klägerin gerügten Fehlern in Form der Überschreitung des zulässigen Prüfungsstoffs sowie einer zu umfangreichen Prüfungsaufgabe handelt es sich um „Mängel im Prüfungsverfahren“ im Sinne des § 12 Satz 1 JAPO, die – im Falle ihres Vorliegens – als Verfahrensfehler eine Prüfungswiederholung zur Folge haben. Dies wurde in dem ergangenen Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2012 bereits umfassend und zutreffend unter Bezugnahme auf das Urteil des VG Ansbach vom 24. Februar 2005 (AN 2 K 04.01309, juris, Rn. 35 bis 38) – dem die Kammer folgt - dargelegt. Wegen der weiteren Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen Bezug genommen werden, die sich die Kammer nach erneuter Sach- und Rechtsprüfung zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO).
- 25
Entgegen der Auffassung der Klägerin wird von dem Prüfling mit dem Erfordernis der Geltendmachung der Prüfungsstoffüberschreitung bzw. einer ungeeigneten, weil zu umfänglichen Prüfungsaufgabe innerhalb der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 1 JAPO als Voraussetzung für eine erfolgreiche Rüge nichts Unzumutbares verlangt. Nach dem auch im Rahmen des Prüfungsrechtsverhältnisses geltenden Grundsatz von Treu und Glauben obliegt es dem Prüfling, sich rechtzeitig über die für das Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Vorschriften zu informieren. Diese Obliegenheit besteht grundsätzlich auch in Bezug auf die Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Mängeln im Prüfungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 – 6 C 37/92 –, BVerwGE 96, 126 und juris, Rn. 21).
- 26
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, sie sei unmittelbar nach Ableistung der Klausur innerhalb der Ausschlussfrist – noch – nicht in der Lage gewesen, überhaupt zu erkennen, ob die in Frage stehenden Mängel im Prüfungsverfahren vorgelegen hätten, weshalb sie entsprechende substantiierte Rügen nicht hätte erheben können. Insoweit verkennt die Klägerin, dass es zur bloßen Geltendmachung des Verfahrensmangels zur Vermeidung eines Rügeausschlusses keiner detaillierten und umfänglich rechtlichen Ausführungen oder gar der Kenntnis der Lösung bedurft hätte. Es hätten vielmehr schon Hinweise auf die Problematik genügt. Jedenfalls ist es von einem verantwortungsbewussten Prüfling zu verlangen, dass er sich im Anschluss an die Prüfungsablegung bewusst werden muss, ob er sich vorschriftswidrig gehindert gesehen hat, eine adäquate Leistung zu erbringen, um sich sodann mit entsprechenden Rügen oder selbst schon bei bloßen Zweifeln, auch hinsichtlich der gebotenen Vorgehensweise, alsbald an das Prüfungsamt zu wenden (VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O, juris, Rn. 42).
- 27
Für die Rechtfertigung einer Präklusionsregelung wie derjenigen des § 12 Satz 1 JAPO genügt es, dass damit entweder verhindert werden soll, dass ein Prüfling, indem er in Kenntnis – oder bei Zweifeln – des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, oder dass sie dazu dient, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellst möglichen Aufklärung und unter Umständen sogar noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen. Ließe man die fristlose Geltendmachung des Mangels einer Überschreitung des Prüfungsstoffes zu, wäre dem Prüfling die Möglichkeit eröffnet, sich erst über den Erfolg seiner Bearbeitung kundig zu machen und sich dann zu entscheiden, ob er sich damit zufrieden geben will oder unter Beseitigung dieses Ergebnisses einen neuen Prüfungsversuch anstrebt, was eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit im Prüfungsrecht bedeuten würde. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass die Prüfungsbehörde nur bei einer zeitnahen Geltendmachung eines derartigen Mangels in die Lage versetzt wird, dem nachzugehen und darauf in einer Form zu reagieren, die das Prüfungsgeschehen möglichst wenig beeinträchtigt, etwa durch eine zeitnahe Wiederholung der betreffenden Prüfungsleistung, ohne dass es überhaupt zur Bewertung der fehlerhaft ermittelten Leistung gekommen ist oder zumindest die dabei erzielten Ergebnisse herausgegeben sind (VG Ansbach, a.a.O., juris, Rn. 41). Allein schon um diesem Gesichtspunkt Geltung zu verschaffen, wäre die Klägerin, auch wenn ihr zunächst detaillierte Ausführungen nicht möglich gewesen sind, zu einer rechtzeitigen Rüge verpflichtet gewesen.
- 28
Die Klägerin wäre im Übrigen mit ihren Rügen von Verfahrensmängeln auch dann ausgeschlossen, wenn diese nicht bereits nach § 12 Satz 1 JAPO verspätet erhoben worden wären. Dieses Ergebnis folgt im Hinblick auf die obigen Erwägungen zur Chancengleichheit und das daraus folgende Gebot der Unverzüglichkeit einer derartigen Rüge jedenfalls noch vor Ergebnisbekanntgabe aus den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts (VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O., Rn. 47).
- 29
Der auf Neubewertung der Klausur Zivilrecht 1 gerichtete Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsarbeit.
- 30
Die Bewertung von Prüfungsleistungen unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Dies ergibt sich daraus, dass es eine absolute Objektivität einer Leistungsbeurteilung im pädagogischen Bereich nicht gibt, weil die Bewertung einer Prüfungsleistung durch den Prüfer in aller Regel mit einem erheblichen Einschlag wertender Elemente getroffen wird. Deshalb handeln die betroffenen Prüfer bei der Bewertung von Prüfungsleistungen in Wahrnehmung einer ihnen grundsätzlich zustehenden Beurteilungsermächtigung. Für die Beurteilung einer Prüfungsarbeit nach fachlich-pädagogischen Kriterien steht deshalb nur dem Prüfer und nicht den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur letztverbindlichen Einstufung der Prüfungsleistung zu. Dies bedeutet, dass die gerichtliche Überprüfung von prüfungsspezifischen Wertungen dort ihre Grenze findet, wo der Beurteilungsspielraum des Prüfers beginnt. Die gerichtliche Überprüfung ist demnach darauf zu beschränken, ob der Prüfer anzuwendendes Recht verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat oder ob er allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat. Darüber hinaus sind aber im Rahmen des „Antwortspielraums“ auch fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen. Die Prüfungsentscheidung ist aufzuheben, wenn in Fachfragen eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet worden ist. Wird unter Anwendung dieser Grundsätze ein Bewertungsfehler durch das Gericht festgestellt, kann das Gericht demzufolge die Leistungsbewertung grundsätzlich nicht durch eine eigene ersetzen und damit gleichsam die Aufgabe des Prüfers übernehmen. Es kann vielmehr nur den Prüfungsbescheid aufheben mit der Folge, dass der zuständige Prüfer – unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts – eine neue fehlerfreie Bewertung nachholen muss (BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991, BVerfGE 84, 34 -58).
- 31
Hinsichtlich der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 13. Mai 1965 – 2 C 146.62 –, BVerwGE 21, 127, 130 m.w.N.) in der Weiterführung, die sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O.) erfahren hat, auszugehen. Danach unterliegt die Bewertung von Prüfungsleistungen nur einer eingeschränkten Kontrolle. Dies ergibt sich daraus, dass es eine absolute Objektivität einer Leistungsbeurteilung im pädagogischen Bereich nicht gibt, weil die Bewertung einer Prüfungsleistung durch den Prüfer in aller Regel mit einem erheblichen Einschlag wertender Elemente getroffen wird. Deshalb handeln die betroffenen Prüfer bei der Bewertung von Prüfungsleistungen in Wahrnehmung einer ihnen grundsätzlich zustehenden Beurteilungsermächtigung. Für die Beurteilung einer Prüfungsleistung nach fachlich-pädagogischen Kriterien steht dem Prüfer (und nicht den Verwaltungsgerichten) die Befugnis zur (letzt-) verbindlichen Einstufung der Prüfungsleistung zu. Dies bedeutet, dass die gerichtliche Überprüfung von prüfungsspezifischen Wertungen dort ihre Grenze findet, wo der Beurteilungsspielraum des Prüfers beginnt. Die gerichtliche Überprüfung hat sich demnach darauf zu beschränken, ob der Prüfer anzuwendendes Recht verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat oder ob er allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat.
- 32
Demgegenüber sind fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen. Die Prüfungsentscheidung ist aufzuheben, wenn in Fachfragen eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O. S. 804; BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1992 – 6 C 3.92 –, BVerwGE 91, 262, 266). Der so umrissene, gegen den Bewertungsspielraum des Prüfers abzugrenzende sog. „Antwortspielraum“ des Prüflings darf indessen nicht überdehnt werden. So gehören die Einschätzungen des Schwierigkeitsgrades der Prüfungsaufgabe, die Beurteilung, ob und in welchem Maße der Prüfling seine Antworten und Begründungen sorgfältig aufbereitet und überzeugend dargelegt hat, die Bewertung der Art der Darstellung, die Bildung des Vergleichsrahmens, die Wertung, welche Leistung noch als „durchschnittlich“ zu betrachten ist und darüber hinaus überhaupt Benotungsfragen zu den prüfungsspezifischen Wertungen, die grundsätzlich allein dem jeweiligen Prüfer zustehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. August 1992 – 4 S 11065/92 –, VBlBW 1993, 143, 144).
- 33
Zunächst ist die Vorgehensweise des Landesprüfungsamts für Juristen des Beklagten, den Widerspruch des Klägers den beteiligten Prüfern nur auszugsweise zur Kenntnis zu geben, rechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr besteht nach rheinland-pfälzischem Landesrecht die Befugnis des Landesprüfungsamts für Juristen zur Vorprüfung des Widerspruchs mit der Folge, dass die Prüfer nur hinsichtlich der relevanten Teile des Widerspruchs eingeschaltet oder im Einzelfall sogar überhaupt nicht beteiligt werden müssen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Wird gegen die Bewertung einer Prüfungsleistung gemäß § 5 Abs. 3 JAG Widerspruch eingelegt, so erhält zunächst die Prüferin oder der Prüfer Gelegenheit zur Überprüfung der Einwendungen und Abänderung der Bewertung, wenn ein Bewertungsfehler bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder Widerspruch die Einschaltung der betreffenden Prüfer verlangt. Die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 JAG steht unter dem Vorbehalt der näheren Regelung durch die Justizausbildungs- und Prüfungsordnung. Eine derartige speziellere und daher vorrangigere Regelung enthält § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO, wonach der Prüfer nur dann Gelegenheit zur Überprüfung der Einwendungen und Abänderungen der Bewertung erhält, wenn sich nach summarischer Prüfung die Möglichkeit eines Bewertungsfehlers überhaupt ergibt (grundlegend OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juli 2003 - 2 A 10770/03.OVG –, juris).
- 34
Die Befugnis des Landesprüfungsamts für Juristen zur Vorprüfung des Widerspruchs ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 92, 1392, 132 f.; Urteil vom 24. Februar 1993 – 6 C 35/92 – juris, Rn. 27) hat klargestellt, dass ein Anspruch des Kandidaten auf verwaltungsinterne Überprüfung seiner Einwendungen gegen die Bewertung nur besteht, sofern es sich um substantiierte Einwände handelt. Insoweit dient die Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens in § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO dazu, die Anforderungen an die Substantiierungslast des Kandidaten zu kontrollieren und zu verhindern, dass auch unsubstantiierte Einwände die Chance einer Zweitbewertung eröffnen, da der Prüfling hierauf keinen Anspruch hat. Der Anspruch des Kandidaten geht lediglich dahin, dass seine Prüfungsleistung anhand des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems fachlich richtig und gerecht bewertet wird. Eine erneute Beteiligung der Prüfer bei jeder Art von Einwendungen wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit sogar bedenklich. Da die gerechte Bewertung der einzelnen Prüfungsarbeiten auf der Grundlage des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems von dem Quervergleich mit den Leistungen der übrigen Prüflingen abhängt, darf nicht ohne rechtfertigenden Grund in dieses Bewertungsgefüge eingegriffen werden. Es wäre grundsätzlich mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar, wenn ein Kandidat die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielte. Diese Gefahr wäre indes gegeben, wenn die Prüfer auf jedwede Einwendung erneut ein Überdenken ihrer Erstbewertung durchführen würden und der Kandidat hierdurch die Chance einer Zweitbeurteilung erhielte. Zur Vermeidung von Chancenungleichheiten ist es deshalb sachgerecht, wenn nicht sogar geboten, eine Beteiligung der Prüfer erst dann vorzusehen, wenn die Möglichkeit eines Bewertungsfehlers hinreichend substantiiert dargelegt ist (OVG Rheinland-Pfalz a.a.O.).
- 35
Ausgehend von diesen Grundsätzen war das Landesprüfungsamt des Beklagten berechtigt, die von der Klägerin mit ihrem Widerspruch erhobenen Rügen den betroffenen Prüfern nur auszugsweise vorzulegen, soweit es sich um substantiierte Einwendungen handelte.
- 36
Danach wurde die Erstprüferin der Klausur Zivilrecht 1 zu Recht nicht am Überdenkungsverfahren beteiligt, weil Bewertungsfehler bereits nach summarischer Prüfung ausgeschossen sind (§ 7 Abs. 6 Satz 1 JAPO).
- 37
Mit ihrem Einwand, die Erstprüferin habe die Aufgabe 1 und 2 der Klausur zu Unrecht gleich gewichtet, weil Aufgabe 1 zu umfangreich gewesen sei und Aufgabe 2 unzulässigen Prüfungsstoff enthalten habe, hat die Klägerin schon keinen materiellen Bewertungsfehler geltend gemacht, der zu einer Neubewertung der Klausur führen könnte. Bei einer hierauf zurückzuführenden unzutreffenden Bewertung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht um einen Bewertungsfehler, sondern um eine mittelbare Folge der Mängel im Prüfungsverfahren, die als solche gerügt werden müssen und nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr gerügt werden können. Behoben werden können solche Mängel damit nur durch eine Wiederholung der Prüfungsleistung, nicht aber durch eine Neubewertung. Eine solche kann nur bei materiellen Bewertungsfehlern auf der Grundlage einer frei von Verfahrensmängeln erbrachten Leistung erfolgen (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994, a.a.O., juris, Leitsatz 4 und Rn. 25).
- 38
Soweit die Klägerin weiter beanstandet, es werde durch die Erstprüferin zu Unrecht bemängelt, dass sie die Vorschrift des § 894 BGB nicht geprüft habe, hat sie damit einen Bewertungsfehler nicht dargelegt. Die Prüferkritik ist berechtigt, da eine Prüfung dieser Vorschrift tatsächlich nicht erfolgt ist. Es ist auch nicht zutreffend, dass – wie von der Klägerin geltend gemacht – die Erstprüferin bemängelt hat, § 883 Abs. 2 BGB sei von ihr überhaupt nicht berücksichtigt worden. Denn die entsprechende Passage des Prüfervotums bezieht sich nur auf die Aufgabe 1 b, bei der § 883 Abs. 2 BGB „nicht mehr“ berücksichtigt worden sei. Eine erneute Prüferbeteiligung musste damit auch im Hinblick auf die genannten Rügen nicht erfolgen, da bereits bei summarischer Prüfung Bewertungsfehler auszuschließen sind.
- 39
Es ist auch nicht als bewertungsfehlerhaft anzusehen, dass der Zweitprüfer der Klausur Zivilrecht 1 einerseits die Aufgaben 1 und 2, was den Anteil an den Rohpunkten angeht, als „in etwa gleichwertig“ bezeichnet, bei der Gesamtbewertung den Schwerpunkt mit einer Gewichtung von 2/3 jedoch auf die Aufgabe 1 gelegt und den zweiten Aufgabenteil auf einen Anteil von 1/3 an der Gesamtnote reduziert hat. Diese Gewichtung im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung hat der Zweitprüfer in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nachvollziehbar näher erläutert. Im Übrigen betrifft die Frage der Gewichtung von einzelnen Prüfungsleistungen den Kernbereich des Beurteilungsspielraums, in den das Gericht nur im Ausnahmefall, der hier nicht gegeben ist, eingreifen darf. Zudem hat der Prüfer zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin, die bei Teil 2 der Prüfungsaufgabe gar keine Rohpunkte erzielen konnte, durch die von ihm vorgenommene Schwerpunktsetzung ausschließlich profitiert habe. Sie ist von daher durch die seitens des Prüfers vorgenommenen Gewichtung schon nicht beschwert.
- 40
Auch der Einwand der Klägerin, der Zweitprüfer hätte bei Aufgabe 1 a) die für die Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB vorgesehenen 10 Rohpunkte vergeben müssen, weil sie die Vorschrift „indirekt“ geprüft habe und sich die Einigung zudem bereits aus dem Sachverhalt ergeben habe, rechtfertigt keine Korrektur der Bewertung. Wie bereits in dem ergangenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, unterfällt die Wertung, ob das Erfordernis der Einigung hätte geprüft werden müssen, als Bewertung der Argumentations- und Begründungstiefe ebenfalls dem Beurteilungsspielraum des Prüfers. Wenn ein Prüfer die vollständige Prüfung aller Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines Rechts verlangt, bewegt sich dies im zulässigen Rahmen des Erwartungshorizonts des Prüfers an eine juristisch saubere Subsumtionstechnik und stellt keinen Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze dar.
- 41
Mit ihrem weiteren Vortrag, für ihre Ausführungen zu Aufgabe 1 c) – vom Prüfer als „zu knapp“ kritisiert – hätten auch mehr als 10 Rohpunkte vergeben werden können, vermag die Klägerin ebenfalls nicht durchzudringen. Auch die Anforderungen des Prüfers an die Begründungstiefe fallen in das vom Gericht nicht überprüfbare Prüferermessen. Mit ihrem Einwand legt die Klägerin keinen Bewertungsfehler dar, sondern ersetzt lediglich die Prüferbewertung durch ihre eigene Wertung, was ihr nicht zusteht.
- 42
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsarbeit Öffentliches Recht 2.
- 43
Der Zweitprüfer hat in seinem Votum zu Recht beanstandet, dass das Aufwerfen der Staatsangehörigkeits-Problematik im Rahmen der „Beschwerdeberechtigung“ ohne erkennbaren Grund erfolgt ist. Der hiergegen erhobene Einwand der Klägerin, es sei nicht falsch, sondern vertretbar, wenn die Frage der Staatsangehörigkeit bei dem Prüfungspunkt der Beschwerdeberechtigung festgestellt, diskutiert und richtig gelöst werde, geht fehl. Der Zweitprüfer hat im Rahmen des Überdenkungsverfahrens darauf hingewiesen, dass er die in Frage stehenden Ausführungen nicht als falsch angesehen, sondern mit seiner Anmerkung (nur) kritisiert habe, dass es an einem sinnvollen Prüfungsaufbau gefehlt habe. Es hätte ausgeführt werden müssen, warum es problematisch sein könnte, den Beschwerdeführer als „Jedermann“ anzusehen. Der Anlass der Prüfung der Staatsangehörigkeit an dieser Stelle und die Notwendigkeit, auf den Unionsbürgerstatus abzustellen, bleibe unklar. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Prüfer hat, anders als die Klägerin meint, nicht – auch nicht im Ausgangsvotum – Vertretbares als falsch angesehen und bewertet, sondern in nachvollziehbarer Weise das Fehlen eines juristisch korrekten Prüfungsaufbaus bemängelt. Dieser Gesichtspunkt, der die Argumentations- und Begründungstiefe betrifft, unterfällt jedoch ebenfalls dem Bereich prüfungsspezifischer Wertungen.
- 44
Auch mit ihrem Vortrag, die Beschwerdebefugnis sei unproblematisch gewesen, weshalb insoweit keine längeren Ausführungen erforderlich gewesen seien und kein Punktabzug hätte erfolgen dürfen, vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Die Prüferkritik bezog sich nicht darauf, dass längere Ausführungen erforderlich gewesen seien, sondern monierte, dass die Beschwerdebefugnis „in keiner Weise konkretisiert“ werde. Dies räumt die Klägerin allerdings in ihrem Widerspruchsschreiben auch selbst ein. Dass insoweit kein Punktabzug hätte vorgenommen werden dürfen, stellt erneut eine – unzulässige – eigene Wertung der Klägerin unter Eingriff in den Beurteilungsspielraum des Prüfers dar.
- 45
Dasselbe gilt für ihren Einwand, die als zu oberflächlich bemängelte Subsumtion zu Art. 5 Abs. 3 GG sei zwar knapp, aber richtig und deshalb im ausreichenden Bereich anzusiedeln.
- 46
Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Prüfer bei der Aufgabe 2 der Klausur Öffentliches Recht 2 über die geübte Kritik hinaus ihre Bearbeitung nicht zur Kenntnis genommen haben könnte. Zur weiteren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO).
- 47
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 48
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
- 49
Beschluss
- 50
1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21.03.2013
- 51
Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Tatbestand
- 1
-
Der Antragsteller wendet sich gegen die Bewertung seiner Klausur im Prüfungsfach "Human- und Sozialwissenschaften" im Stabsoffizierlehrgang 1/2011 an der Führungsakademie der Bundeswehr, H.
- 2
-
Der 1978 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit nach derzeitigem Stand mit Ablauf des 30. September 2034 enden wird. Er wurde am 18. Oktober 2007 zum Hauptmann ernannt. Seit dem 1. April 2010 wird er bei der 4./...bataillon ... in Ha. auf dem Dienstposten des Kompaniechefs verwendet.
- 3
-
Das Personalamt der Bundeswehr kommandierte den Antragsteller mit Verfügung vom 15. November 2010 für die Zeit vom 8. Februar 2011 bis zum 13. April 2011 zur Teilnahme am Stabsoffizierlehrgang (SOL) 1/2011 zur Führungsakademie der Bundeswehr, H. In der "Prüfungsordnung für den Stabsoffizierlehrgang (SOL)" vom 3. Februar 2011 (Fü S I 5 - Az. 32-16-06/ SOL) ordnete das Bundesministerium der Verteidigung unter anderem an, dass im Prüfungsfach "Human- und Sozialwissenschaften" (HSW) eine Einzelprüfung in Gestalt einer schriftlichen Klausur mit einer Bearbeitungszeit von 240 Minuten zu absolvieren sei. Die Prüfungsordnung und der dazu vom Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr am 7. Februar 2011 erlassene "Prüfungsbefehl für den Stabsoffizierlehrgang (SOL)" galten erstmals für den Stabsoffizierlehrgang 1/2011; mit diesen Prüfungsbestimmungen wurde die Art des Leistungsnachweises im Prüfungsfach HSW geändert und von einer schriftlichen Seminararbeit auf eine Klausur umgestellt.
- 4
-
Am 11. März 2011 bearbeitete der Antragsteller die Klausur im Prüfungsfach HSW zum Thema "Kampf der Kulturen? Analysieren Sie die politische Theorie vom Kampf der Kulturen bei Samuel P. Huntington und beurteilen Sie den empirischen Befund, den prognostischen Gehalt sowie die normativen politischen Forderungen". Die Klausur wurde - auf der Grundlage einer Notenskala von Note 1 (sehr gut) bis Note 6 (ungenügend) - mit der Einzelnote 3,40 bewertet. Die Einzelnote ergab sich aus dem Durchschnitt der vom Leiter des Seminars HSW und Erstprüfer Dr. G. vergebenen Teilnote 3,45 und der von der Zweitprüferin Dr. A. vergebenen Teilnote 3,35. Dem Antragsteller wurde diese Benotung seiner Klausur in der Klausurnachbesprechung am 8. April 2011 eröffnet.
- 5
-
Mit Schreiben vom 12. April 2011 legte der Antragsteller Beschwerde gegen diese Bewertung ein. Er trug vor, der Dozent im Prüfungsfach HSW und Erstprüfer habe im Rahmen der Klausurnachbesprechung zur Notenvergabe im Leistungsnachweis HSW Aussagen getätigt, die im Widerspruch zum Prüfungsbefehl stünden. Dr. G. habe nach eigener Aussage bei der Korrektur der Leistungsnachweise zuerst alle Arbeiten der Seminarteilnehmer gelesen und verglichen, sie anschließend in Notenstapeln sortiert und erst danach die Bewertungsbögen entsprechend seiner vorher festgelegten Notenvergabe ausgefüllt. Das gleiche Verfahren habe nach den Angaben Dr. G.s auch der Zweitkorrektor angewendet. Damit seien die Auswertungsbögen zweckentfremdet und der subjektiven Notenvergabe angepasst worden. Überdies seien als Prüfungsstoff ca. 450 Seiten Text prüfungsrelevant gewesen, die im Seminar jedoch nicht besprochen oder kommentiert worden seien. Das sei nicht statthaft, zumal bei der Einweisung in den Stabsoffizierlehrgang auf das Prinzip des gesprochenen Wortes verwiesen worden sei. Ein anderer Lehrgangsteilnehmer habe bei der Klausurnachbesprechung gefragt, welche Unterrichtsinhalte prüfungsrelevant gewesen seien; nach seiner Meinung seien dies nur der im Seminar behandelte Reader und die Primärliteratur gewesen. Darauf habe Dr. G. erwidert, die gesamte Literatur sei prüfungsrelevant gewesen, auch wenn sie nicht besprochen worden sei. Dr. G. habe aber am Anfang des Seminars erklärt, es gelte das gesprochene Wort und das, was behandelt worden sei. Dr. G. habe sich bei der Notenvergabe an der "Gaußschen Normalverteilung" orientiert. Damit sei eine Berücksichtigung der Einzelleistung nicht erfolgt.
- 6
-
Als Reaktion auf die Beschwerden des Antragstellers und weiterer Teilnehmer des SOL 1/2011 gegen die Bewertung der Klausuren im Prüfungsfach HSW ordnete der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr im Rahmen seiner Abhilfeprüfung am 27. Mai 2011 an, dass alle von Dr. G. als Erst- oder Zweitprüfer bewerteten Klausuren im SOL 1/2011 durch einen unabhängigen weiteren Prüfer erneut zu bewerten seien, weil Zweifel bestünden, dass Dr. G. als Erst- und Zweitprüfer die im gültigen Prüfungsbefehl festgelegte Prüfsystematik sachgerecht angewendet habe.
- 7
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Nach Aufhebung der beanstandeten Klausurnote bewertete der Drittkorrektor die Prüfungsleistung des Antragstellers mit 3,65. Unter Berücksichtigung der von der Zweitkorrektorin vergebenen Teilnote 3,35 wurde die neue Einzelnote im Fach HSW auf 3,50 festgesetzt. Dadurch ergab sich bei der bestätigten Abschlussnote des Stabsoffizierlehrgangs "befriedigend" für den Antragsteller eine Verschiebung der Platzziffer von 69,20 auf 70,00.
- 8
-
Unter Hinweis auf die veranlasste Abhilfe wies der Amtschef des Streitkräfteamtes die Beschwerde des Antragstellers mit Bescheid vom 17. Juni 2011 als unzulässig zurück. Im Rahmen seiner dienstaufsichtlichen Feststellungen führte er aus, dass nach Aussage des Dozenten Dr. G. auch die Sekundärliteratur aus dem Reader Ausgangspunkt für die Prüfung gewesen sei. Darauf habe Dr. G. während des Seminars mehrfach hingewiesen. Diese Aussage bestätige die im Fachbereich "Human- und Sozialwissenschaften" allgemein gehandhabte Prüfungspraxis.
- 9
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Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 legte der Antragsteller weitere Beschwerde ein und machte geltend, dass trotz der Abhilfeentscheidung des Kommandeurs der Führungsakademie seine Beschwerde nur zum Teil bearbeitet worden sei. Es sei nicht zielführend, den Drittkorrektor aus dem Kreis der HSW-Dozenten oder der Angehörigen der Führungsakademie zu wählen. Insoweit müsse er Zweifel an der Neutralität des Drittkorrektors äußern. Die vergebenen Kennzahlen zur Anonymisierung könnten problemlos zwischen den Prüfern abgeglichen werden. In der Sache weise er erneut darauf hin, dass die Sekundärliteratur zu umfangreich gewesen sei. Angesichts dessen könne von einer rechtzeitigen Bekanntmachung des prüfungsrelevanten Prüfungsstoffes nicht gesprochen werden. Dr. G. habe gegen Nr. 301 (5) ZDv 3/6 verstoßen. Überdies sei die Entscheidung über die Durchführung einer Klausur als Prüfungsleistung im Stabsoffizierlehrgang 1/2011 erst nach Beginn des Lehrgangs vorhanden gewesen. Der Prüfungsbefehl für die Klausur habe noch viele thematische Inhalte für die Bearbeitung einer Hausarbeit enthalten. Offensichtlich sei wenig Zeit für die Vorbereitung der Dozenten gewesen; es habe wohl die Neigung bestanden, die Inhalte von Hausarbeiten einfach auf eine Klausur umzubiegen. Dr. G. habe mehrfach erklärt, dass er kein Freund des neuen Prüfungsmodus sei.
- 10
-
Die weitere Beschwerde des Antragstellers wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom 25. Oktober 2011 zurück. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass die Angriffe gegen den Drittkorrektor unbegründet seien. Außerdem habe Oberst H. als Leiter der Lehrgruppe A und als Prüfungsausschussvorsitzender eine allgemeine Einweisung der Lehrgangsteilnehmer des SOL 1/2011 durchgeführt und in diesem Rahmen dargelegt, dass zum Prüfungsgegenstand das gemacht werden dürfe, was rechtzeitig vorher bekanntgegeben worden sei. Im Seminar seien die im Reader entsprechend angeführten fünf prüfungsrelevanten Themen behandelt worden. Gegen einen zu umfangreichen Prüfungsstoff spreche der Umstand, dass es mehreren Lehrgangsteilnehmern gelungen sei, eine gute Note in der HSW-Klausur zu erzielen.
- 11
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Gegen diese ihm am 10. November 2011 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 30. November 2011 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Den Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
- 12
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Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens wiederholt und vertieft der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen. Er erklärt insbesondere, prüfungsrelevant sei der Reader einschließlich der Texte von Thomas Hobbes und von Immanuel Kant gewesen. Dr. G. selbst habe am Ende des Lehrgangs zugestanden, dass der Prüfungsstoff zu umfangreich gewesen sei. Außerdem habe er, der Antragsteller, zu Beginn des Seminars einen sogenannten Studienapparat in Empfang genommen, in dem noch weitere Literatur aus Zeiten der Seminararbeit enthalten gewesen sei. Zu Beginn der zweiten Hälfte des Seminars habe er dann Dr. G. angesprochen und sich erkundigt, ob er diesen Studienapparat wieder abgeben könne, weil aufgrund des Umfangs des Readers kein Seminarteilnehmer zusätzlich den Studienapparat empfangen wolle. Darauf habe Dr. G. mit der Aussage "Dann ist das so" reagiert. Aus der Gestaltung des Prüfungsverfahrens im SOL 1/2011 ergäben sich außerdem erhebliche Nachteile im Hinblick auf das Auswahlverfahren für den Lehrgang "Nationale Generalstabsausbildung". In der jährlichen Auswahl für diesen Lehrgang würden drei Durchgänge des Stabsoffizierlehrgangs zusammengefasst. Demzufolge würden der Durchgang SOL 3/2010, der noch eine Seminararbeit im Fach HSW habe absolvieren dürfen, der SOL 1/2011 (Klausur) und der SOL 2/2011, der eine Klausur mit reduziertem Prüfungsstoff habe schreiben dürfen, für die Auswahl betrachtet. Hieraus ergebe sich innerhalb der verschiedenen Durchgänge des Stabsoffizierlehrgangs eine erhebliche Ungleichbehandlung.
- 13
-
Der Antragsteller beantragt,
-
den Beschwerdebescheid des Amtschefs des Streitkräfteamtes vom 17. Juni 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 25. Oktober 2011 aufzuheben und ihn, den Antragsteller, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
- 14
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Der Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
- 15
-
Er hält das Bundesverwaltungsgericht auch nach Inkrafttreten der Neufassung des § 22 WBO durch Art. 12 des "Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz)" vom 21. Juli 2012 für sachlich zuständig. Er weist darauf hin, dass er als Inspekteur der Streitkräftebasis weiterhin Vorgesetzter des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr sei. Der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr werde ab dem 1. Oktober 2012 direkt dem Inspekteur der Streitkräftebasis unterstellt. Auf die Abänderungs- oder Anweisungsbefugnis zum vorliegenden Verfahrensgegenstand habe dies keine Auswirkungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebiete es die nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts gewährleistete Rechtsmittelsicherheit, dass bei einer Gesetzesänderung ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibe, sofern das (ändernde) Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimme. Mit dem Bundeswehrreform-Begleitgesetz habe der Gesetzgeber aber nicht auf anhängige Verfahren einwirken wollen. Deshalb könne die Änderung des § 22 WBO nur solche Anträge auf gerichtliche Entscheidung betreffen, die nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt worden seien. In der Sache sei der Antrag des Antragstellers aus den Gründen des Beschwerdebescheides vom 25. Oktober 2011 unbegründet.
- 16
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Dem Antragsteller und den übrigen Lehrgangsteilnehmern ist während des Seminars "Human- und Sozialwissenschaften" ein sogenannter Reader überreicht worden. Dieser gliedert sich in sieben Teile. Der erste Teil umfasst einen Text von Thomas Hobbes aus "Leviathan"; der zweite Teil enthält Auszüge aus der Schrift "Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf" von Immanuel Kant. Die weiteren fünf Teile des Readers betreffen folgende Texte:
-
1. "Der klassische Realismus - Hans Morgenthau" (mit einem Primärtext, einem Reader mit vier weiteren Texten und mehreren zusätzlichen Textempfehlungen),
-
2. "Der neue Kulturalismus - Samuel P. Huntington" (mit einem Primärtext und einem Zeitungsinterview aus der Zeitung "Die Zeit", ferner einem Reader mit weiteren fünf Texten und mehreren zusätzlichen Textempfehlungen),
-
3. "Frieden durch Demokratisierung der Staatenwelt - Ernst-Otto Czempiel" (mit einem Primärtext und einem Reader mit vier weiteren Texten sowie mehreren zusätzlichen Textempfehlungen),
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4. "Friede durch Errichtung einer Weltrepublik - Otfried Höffe" (mit einem Primärtext und einem Reader mit vier weiteren Texten sowie mehreren zusätzlichen Textempfehlungen),
-
5. "Gerechter Friede (Die deutschen Bischöfe von 2000)" (mit einem Primärtext, einem Reader mit vier weiteren Texten und mehreren zusätzlichen Textempfehlungen).
- 17
-
Der Reader umfasst nach Mitteilung des Inspekteurs der Streitkräftebasis insgesamt 232 Seiten im Format DIN A 4 an Primärtexten und weiteren Texten. Die vom Antragsteller angegebene Zahl von 450 Seiten Text könnte sich dann ergeben, wenn man die einzelnen auf DIN A 5-Format kopierten Seiten jeweils addiert. Das HSW-Seminar begann am Mittwoch, dem 16. Februar 2011, und endete am Donnerstag, dem 24. Februar 2011. Der 25. Februar 2011 stand für die Vorbereitung der Klausur zur Verfügung, die am 11. März 2011 geschrieben wurde.
- 18
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Streitkräfteamtes - .../11 - und des Inspekteurs der Streitkräftebasis - Fü S/RB - Az. ... .11 und ... .11 sowie der vollständige "Reader", die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, und die Gerichtsakten im Verfahren BVerwG 1 WB 64.11 (Hauptmann B.) sowie die in jenem Verfahren entstandenen Beschwerdeakten des Streitkräfteamtes - .../11 - und des Inspekteurs der Streitkräftebasis - Fü S/RB - Az. ... .11 und ... .11 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist unter Berücksichtigung des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 24. Januar 2012 sachgerecht dahin auszulegen, dass er neben der Aufhebung der Beschwerdebescheide vom 17. Juni 2011 und vom 25. Oktober 2011 auch die Aufhebung der Bewertung seiner Klausur im Prüfungsfach HSW mit der Note 3,50 anstrebt und seinen Neubescheidungsantrag auf eine Neubewertung der Klausur erstreckt.
- 20
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Mit diesem Inhalt hat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung Erfolg.
- 21
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1. Der Sachantrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
- 22
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a) Für den Antrag ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.
- 23
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Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 WBO kann sich ein Soldat gegen eine Verletzung seiner in den §§ 6 bis 23, 26 bis 29 und 32 bis 36 SG niedergelegten Rechte sowie gegen die Verletzung der insoweit ihm gegenüber bestehenden Vorgesetztenpflichten mit der Behauptung wenden, eine dienstliche Maßnahme oder Unterlassung eines Vorgesetzten sei rechtswidrig. Mit der erfolgreichen Teilnahme am Stabsoffizierlehrgang erfüllt ein Soldat die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 SLV und erwirbt das notwendige Grundlagenwissen für eine Verwendung als Stabsoffizier. § 27 SG mit der darin in Bezug genommenen Soldatenlaufbahnverordnung ist in den Geltungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO ausdrücklich eingeschlossen. Darüber hinaus entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Teilnahme an dem Stabsoffizierlehrgang nicht nur Ausbildungs-, sondern auch Prüfungscharakter hat. Prüfungsentscheidungen, die für die Gestaltung der Laufbahn des Soldaten und damit letztlich für seine dienstliche Verwendung von Bedeutung sind, stellen Maßnahmen truppendienstlicher Art dar, die im Rechtsweg vor den Wehrdienstgerichten überprüfbar sind (vgl. z.B. Beschlüsse vom 24. Januar 1995 - BVerwG 1 WB 68.94 - BVerwGE 103, 200 = Buchholz 236.11 § 20 SLV Nr. 1 = NZWehrr 1995, 249 und vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 50.03 - BVerwGE 124, 317 = Buchholz 236.110 § 27 SLV 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2006, 124). Dass die gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen über die dienstliche Verwendung eines Soldaten in die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte fällt, hat der Senat jüngst im Beschluss vom 26. Oktober 2012 - BVerwG 1 WDS-VR 6.12 und 1 WDS-VR 7.12 - erneut festgestellt.
- 24
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b) Das Bundesverwaltungsgericht ist weiterhin für die Entscheidung des Verfahrens des Antragstellers sachlich zuständig.
- 25
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Bei Eingang des Antrags auf gerichtliche Entscheidung war diese Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22 WBO gegeben, weil der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis als zuständige Beschwerdestelle entsprechend § 22 WBO mit seinem Beschwerdebescheid vom 25. Oktober 2011 über die weitere Beschwerde des Antragstellers entschieden hatte. An der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hat sich durch die am 26. Juli 2012 in Kraft getretene Neufassung des § 22 WBO durch Art. 12 des "Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz)" vom 21. Juli 2012 (BGBl I S. 1583, 1594) nichts geändert. Nach § 22 WBO neuer Fassung gilt das privilegium fori nicht mehr für die Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Organisationsbereiche, sondern nur noch für den Generalinspekteur der Bundeswehr. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum prozessrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelsicherheit ist aber zu berücksichtigen, dass eine prozessrechtliche Einschränkung der Statthaftigkeit von Rechtsmitteln oder die Verschärfung ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich nicht solche Rechtsmittel unzulässig werden lässt, die noch nach altem Rechtszustand zulässig eingelegt wurden. Anderes gilt nur, wenn dies durch eine hinreichend deutliche gesetzliche Übergangsregelung angeordnet wird. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt damit für anhängige Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung; beim Fehlen abweichender Bestimmungen führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 - BVerfGE 87, 48, 64; vgl. ferner z.B. BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 - BVerwG 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 16). Das Bundeswehrreform-Begleitgesetz enthält für Art. 12 keine Übergangsvorschrift und auch im Übrigen keine Bestimmung, mit der es für bereits anhängige Anträge auf gerichtliche Entscheidung, die zulässigerweise beim Bundesverwaltungsgericht gestellt worden sind, eine anderslautende Regelung festlegt.
- 26
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c) Die mit dem Antrag angegriffene Einzelnote des Antragstellers im Prüfungsfach HSW stellt eine selbstständige dienstliche Maßnahme dar, die im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1) WBO isoliert angefochten werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind nicht nur Prüfungs-Abschlussnoten als solche selbstständig gerichtlich anfechtbar, sondern auch Einzelnoten, jedenfalls dann, wenn ihnen eine Außenwirkung zukommen kann (grundlegend: Beschluss vom 18. Mai 1982 - BVerwG 1 WB 148.78 - BVerwGE 73, 376; vgl. ebenso Beschlüsse vom 24. Januar 1995 a.a.O. und vom 9. November 2005 a.a.O.). Eine Außenwirkung der angefochtenen Einzelnote ist dann anzunehmen, wenn sich eine bessere Einzelnote unmittelbar auf die Abschlussnote oder auf die Platzziffer und damit unter Umständen auf die spätere Laufbahn auswirken könnte (Beschluss vom 9. November 2005 a.a.O. m.w.N.).
- 27
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Der Einzelnote im Prüfungsfach HSW kommt in diesem Sinne eine Außenwirkung zu, weil sie sich unmittelbar auf die Abschlussnote des Stabsoffizierlehrgangs 1/2011 auswirken konnte. Nach § 25 Abs. 2 sowie § 44 SLV in Verbindung mit Nr. 107 ZDv 20/7 sowie nach Nr. 6 der Vorbemerkung zur ZDv 3/6 "Das Prüfungswesen der Streitkräfte" in Verbindung mit Nr. 9 der Prüfungsordnung für den SOL vom 3. Februar 2011 sowie nach Nr. 14 und Nr. 26 des Prüfungsbefehls des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr vom 7. Februar 2011 sind die Leistungen in den Prüfungsfächern des Stabsoffizierlehrgangs mit Notenstufen zwischen Note "1" (sehr gut) bis Note "6" (ungenügend) zu bewerten. Aus den in den Prüfungsfächern erzielten Einzelnoten ist mit deren Gewichtung 0,5 oder 1,0 nach Maßgabe der Nr. 9 Buchst. d und e der Prüfungsordnung die Abschlussnote zu berechnen. Nach Nr. 11 der Prüfungsordnung gilt die Teilnahme am Lehrgang als bestanden, wenn mindestens die Abschlussnote "4" erzielt wurde. Der Lehrgang gilt hingegen als nicht bestanden, wenn in mehr als einem Prüfungsfach eine nicht ausreichende Leistung erbracht wurde. In diesem Fall wird keine Abschlussnote erteilt. Diese Bestimmungen entsprechen den Regelungen in Nr. 503 und 508 ZDv 3/6.
- 28
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Nach Anlage 1 zur Prüfungsordnung stellt das Prüfungsfach HSW ein eigenständiges Fach dar, in dem ein Leistungsnachweis für den SOL mit gesonderter Bewertung zu erbringen ist. Das wird in Nr. 14 des Prüfungsbefehls des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr bestätigt. Die Einzelnote in diesem Prüfungsfach geht mit der Gewichtung 1,0 in die Abschlussnote des SOL ein. Unabhängig davon, dass der Antragsteller den Stabsoffizierlehrgang bereits mit der Note "befriedigend" bestanden hat, würde eine Verbesserung der bisherigen Note "3,50" nicht nur zu einer Änderung der Abschlussnote für den Lehrgang, sondern vor allem zu einer Verbesserung seiner Platzziffer führen. Eine bessere Einzelnote könnte sich damit unmittelbar auch auf die spätere Laufbahn des Antragstellers auswirken. Daher kommt der Einzelnote im Prüfungsfach HSW im dargelegten Sinne Außenwirkung zu.
- 29
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d) Die Neubewertung der Klausurnote des Antragstellers mit dem Ergebnis 3,50 ist ebenfalls Gegenstand des Wehrbeschwerdeverfahrens geworden. Der Antragsteller war nicht genötigt, insoweit ein gesondertes Beschwerdeverfahren durchzuführen. Mit seiner weiteren Beschwerde vom 20. Juli 2011 hatte er erklärt, dass mit der Abhilfeentscheidung des Kommandeurs seine Beschwer nur zum Teil entfallen sei, und seine Beschwerde ausdrücklich auch auf den Drittkorrektor erstreckt. Insoweit hatte er weitere Rügen erhoben, zugleich aber noch einmal auf nicht beschiedene Rügen aus seiner Beschwerde vom 12. April 2011 hingewiesen. Der Inspekteur der Streitkräftebasis hat sodann im Beschwerdebescheid vom 25. Oktober 2011 dieses erweiterte Beschwerdevorbringen beschieden. Damit hat auch der Inspekteur der Streitkräftebasis im Rahmen seiner umfassenden Prüfungs-, Abänderungs- und Kontrollbefugnis (§ 16 Abs. 4, § 13 WBO) schon im Laufe des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens den Gegenstand des Verfahrens auf die Neubewertung erstreckt. Mit diesem Inhalt ist der Streitgegenstand sodann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Senat vorgelegt worden.
- 30
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2. Der Antrag ist begründet.
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Die Bewertung der Klausur des Antragstellers im Prüfungsfach HSW im SOL 1/2011 an der Führungsakademie der Bundeswehr mit der Note 3,50 und die diese Bewertung bestätigenden Beschwerdebescheide sind rechtswidrig und verletzen den Antragsteller in seinen Rechten. Dieser hat Anspruch darauf, dass über die Bewertung seiner Klausur unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird.
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Die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist nur beschränkt möglich. Sie erstreckt sich darauf, ob der Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen ist, ob er allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder gegen Verfahrensvorschriften - vor allem gegen die einschlägigen Prüfungsbestimmungen - verstoßen hat, ob er sich bei der Bewertung der Leistungsnachweise von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und ob die äußeren Prüfungsbedingungen für alle Prüfungsteilnehmer gleich waren (stRspr: Beschlüsse vom 24. Januar 1995 a.a.O. und vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 50.03
, jeweils m.w.N.). Die in eigener Verantwortung und frei von Weisungen getroffene wissenschaftlich-pädagogische Bewertung einer Leistung durch den Prüfer ist - innerhalb der gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe - für das Gericht nur insoweit überprüfbar, als vertretbare, vom Prüfling innerhalb seines "Antwortspielraums" mit gewichtigen Argumenten belegte, folgerichtig begründete Lösungen nicht allein deswegen als falsch bewertet werden dürfen, weil sie der wissenschaftlichen Meinung des Prüfers nicht entsprechen. Insoweit sind auch fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Überprüfung nicht entzogen (Beschluss vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 50.03 - ).
- 33
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Die Bewertung der Klausur des Antragstellers im Prüfungsfach HSW ist rechtswidrig, weil sie unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren zustande gekommen ist.
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Das Bundesministerium der Verteidigung hat das Prüfungswesen der Streitkräfte in der ZDv 3/6 näher geregelt und in Kapitel 3 "Grundsätze für Prüfungen und Lehrgänge mit Prüfung" aufgestellt. Nach Nr. 301 ZDv 3/6 gelten für alle Prüfungen, also auch für die Prüfungen in den einzelnen Prüfungsfächern des Stabsoffizierlehrgangs, die nachfolgenden Grundregeln.
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a) Nach Nr. 301 (7) ZDv 3/6 müssen die Aufgaben und Anforderungen für eine Prüfung klar, unmissverständlich und inhaltlich eindeutig formuliert werden. Diese Pflicht zur inhaltlich bestimmten und eindeutigen Formulierung der Anforderungen für die Einzelprüfung im Prüfungsfach HSW hat der Seminarleiter Dr. G. vor der Durchführung der strittigen Klausur verletzt.
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Der Antragsteller hat schon mit seiner Beschwerde mitgeteilt, dass als Anforderung für die schriftliche Einzelprüfung im Fach HSW aus der Sicht von Lehrgangsteilnehmern - wie dies bei Eröffnung der Klausurbewertung formuliert wurde - nur der im Seminar mündlich behandelte Stoff des Readers und die Primärliteratur prüfungsrelevant gewesen seien. Zu diesem Sachverhalt hat Dr. G. im Rahmen seiner mehrfachen Anhörungen im vorgerichtlichen Verfahren wechselnde und sich inhaltlich widersprechende Erläuterungen gegeben. In seiner Äußerung vom 19. April 2011 hat er erklärt, er habe mehrfach auf die Prüfungsrelevanz der "für die Lehrgangsteilnehmer zur Verfügung gestellten Literatur" hingewiesen; diese habe keineswegs "zur Ablage" gedient. In seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2011 hat er dargelegt, dass sowohl die im Seminar behandelten Themen als auch "der Reader" als Anforderung für die Lehrgangsteilnehmer maßgeblich gewesen seien. Auch die Sekundärliteratur "aus dem Reader" sei prüfungsrelevant gewesen; darauf habe er mehrfach hingewiesen. In seiner weiteren Stellungnahme vom 16. August 2011 hat Dr. G. dann erklärt, er habe auf die Prüfungsrelevanz "des gesamten Readers" bereits zu Beginn des Seminars hingewiesen. Im Seminar habe er fünf prüfungsrelevante Themen behandelt, die auch im Reader so ausgewiesen und entsprechend nummeriert worden seien. Die Texte zu Thomas Hobbes und Immanuel Kant seien allerdings nicht als prüfungsrelevante Themen behandelt worden. In seinen weiteren Stellungnahmen vom 18. Mai 2011 und vom 6. November 2011 hat Dr. G. ausgeführt, dass insgesamt sieben verschiedene Themen Inhalt des Readers waren, aber nach der Prüfungsrelevanz differenziert. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerde indessen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Dr. G. am Beginn des Kurses erklärt habe, es gelte das gesprochene Wort und das, was behandelt worden sei. Deshalb sei es bei der Klausurnachbesprechung zu der Nachfrage eines anderen Lehrgangsteilnehmers nach dem Prüfungsstoff gekommen. Diese Äußerungen des Antragstellers und des Seminarleiters Dr. G. belegen, dass es über die Prüfungsrelevanz des Unterrichtsstoffs und der verschiedenen Texte im Reader während des Seminars und vor Beginn der Klausur keine Klarheit bei den Lehrgangsteilnehmern gegeben hat.
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Abgesehen davon dokumentiert bereits der Umstand, dass es bei der Klausurnachbesprechung überhaupt zu Fragen nach dem Inhalt und Umfang des prüfungsrelevanten Stoffes gekommen ist, dass diese Anforderungen den Lehrgangsteilnehmern vor der Klausur nicht unmissverständlich und nicht eindeutig mitgeteilt worden sind.
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Eine zusätzliche, durch Nr. 301 (7) ZDv 3/6 nicht gedeckte Irritation der Lehrgangsteilnehmer vor der Klausur ist dadurch eingetreten, dass - vom Inspekteur der Streitkräftebasis nicht in Frage gestellt - während des HSW-Seminars den Lehrgangsteilnehmern ein sogenannter Studienapparat zur Verfügung gestellt wurde, der Materialien zum Prüfungsfach HSW enthielt, die noch aus der Zeit stammten, als der schriftliche Leistungsnachweis in diesem Fach in Gestalt einer Seminararbeit zu erbringen war. Hierzu hat die Führungsakademie der Bundeswehr mit Schreiben vom 22. März 2012 ausgeführt, dass ein Studienapparat an die Lehrgangsteilnehmer ausgegeben worden sei. Er habe Sekundärliteratur (Bücher und Aufsätze in Herausgeber-Literatur) zum Thema umfasst. Seine Nutzung sei rein fakultativ bei weitergehendem eigenen Interesse gewesen. Für das erfolgreiche Bestehen der HSW-Prüfung sei er nicht notwendig gewesen. Außerdem seien im Reader Hilfen gegeben worden, zu jeder Thematik ein Verweis auf vier weitere Aufsätze, die sich im Studienapparat befunden hätten, sodass der Teilnehmer sich besser hätte orientieren können, wenn er den Apparat hätte nutzen wollen. Diese Verfahrenshandhabung musste bei den Lehrgangsteilnehmern zusätzliche Unklarheit über den Umfang des prüfungsrelevanten Stoffes auslösen. Wenn der Studienapparat - wie die Führungsakademie der Bundeswehr umfassend formuliert - "Sekundärliteratur zum Thema" enthielt, hätte Dr. G. im Seminar eindeutig erklären müssen, ob und, wenn ja, inwieweit diese "Sekundärliteratur zum Thema" identisch war mit der im Reader angebotenen und aus seiner Sicht prüfungsrelevanten Sekundärliteratur. Dr. G. hätte in diesem Zusammenhang den Lehrgangsteilnehmern auch unmissverständlich erläutern müssen, welche Prüfungsrelevanz die zahlreichen weiteren Textempfehlungen im Reader hatten. Das ist aber nach der unbestrittenen Darlegung des Antragstellers unterblieben.
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b) Ein weiterer Verfahrensverstoß liegt in der Verletzung der Bestimmung in Nr. 301 (5) ZDv 3/6. Nach dieser Vorschrift dürfen zum Gegenstand der Prüfung nur die zuvor vermittelten Lehr- und Ausbildungsinhalte gemacht werden; zum weiteren Prüfungsinhalt darf gemacht werden, was rechtzeitig vorher bekannt gegeben worden ist. Die Verwaltungspraxis zur Anwendung dieser Bestimmung hat der Leiter der Lehrgruppe A (Oberst H.) in seiner Stellungnahme vom 19. Juli 2011 so beschrieben, dass "grundsätzlich nur das abgeprüft wird, was vorher in den Unterrichtungen vermittelt" worden sei. Zum Prüfungsinhalt dürfe gemacht werden, was rechtzeitig vorher bekannt gegeben werde. Hieraus ergibt sich für den Senat, dass mit dem Begriff der "vermittelten Lehr- und Ausbildungsinhalte" im Sinne der Nr. 301 (5) ZDv 3/6 der Prüfungsstoff gemeint ist, der in dem persönlich und mündlich durchgeführten Unterricht im Seminar zur Sprache gekommen und behandelt ("unterrichtet") worden ist, dass hingegen die nicht mündlich behandelten, nur schriftlich zur Verfügung gestellten Lehr- und Ausbildungsinhalte lediglich bei rechtzeitiger Bekanntgabe in die Prüfung einbezogen werden dürfen.
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Hiernach hat Dr. G. den Prüfungsstoff nicht "rechtzeitig" im Sinne der Nr. 301 (5) ZDv 3/6 den Teilnehmern des Seminars HSW im SOL 1/2011 bekannt gegeben. In seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2011 hat Dr. G. erklärt, dass er sich auf das genaue Datum der Ausgabe der prüfungsrelevanten Unterlagen nicht hundertprozentig festlegen könne. Er könne aber sagen, dass er das "Arbeitsheft" mit einem Überblick über den Seminarinhalt zu Beginn des Seminars verteilt habe. Da das Seminar neben einer Einleitung aus fünf Themen bestanden habe, habe er - was den Reader angehe - jeweils einen Tag vor der behandelten Thematik den Lesestoff ausgeteilt. Dieses Verfahren der sukzessiven Bekanntgabe des aus seiner Sicht prüfungsrelevanten Stoffes des Seminars erfüllt nicht das Kriterium der "Rechtzeitigkeit" der Bekanntgabe im Sinne der Nr. 301 (5) ZDv 3/6.
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Was im Sinne der Vorschrift als rechtzeitig anzusehen ist, lässt sich nicht generalisierend beantworten, sondern hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Dieser ist im Fall des Antragstellers dadurch gekennzeichnet, dass die Teilnehmer des SOL 1/2011 im Prüfungsfach HSW nach einer langjährigen Praxis des Leistungsnachweises in Gestalt einer schriftlichen Seminararbeit erstmals eine schriftliche Klausur mit einer Bearbeitungsdauer von vier Stunden zu absolvieren hatten. Aus dieser Umstellung des Leistungsnachweises ergaben sich besondere Anforderungen für die Bekanntgabe des maßgeblichen Prüfungsstoffs. Mit der Umstellung des Leistungsnachweises auf eine Klausur wurde den Lehrgangsteilnehmern im Verhältnis zu der früheren Art des Leistungsnachweises eine höhere Gedächtnisleistung abverlangt, weil sie sich der Primär- und Sekundärliteratur nicht als möglicher Hilfsmittel während der Klausur bedienen konnten. Darüber hinaus erlegten ihnen der Bewertungsbogen in der Prüfungsordnung und das "Lösungsfeld Klausur HSW" im Prüfungsbefehl zusätzliche Zitier- und Belegpflichten auf, die nur erfüllt werden konnten, wenn den Lehrgangsteilnehmern eine möglichst lange Zeit zur Verfügung stand, sich den maßgeblichen Prüfungsstoff einzuprägen. Dabei war auch relevant, dass die Klausur HSW ausweislich des Bewertungsbogens nicht als reine Verständnisprüfung, sondern in erheblichem Umfang als Wissensprüfung angelegt ist. Dementsprechend hat die Führungsakademie der Bundeswehr in ihrer Stellungnahme vom 22. März 2012 auch hervorgehoben, dass im Seminar nicht jeder Primärtext im Unterrichtszeitraum habe gelesen werden können, weil der Diskussionsbedarf bei und nach den Vorträgen außergewöhnlich hoch gewesen sei. Das ist nach Einschätzung des Verfassers dieser Stellungnahme dadurch motiviert gewesen, dass die Lehrgangsteilnehmer erhebliche Ängste aufgrund der Umstellung von der früher verlangten Studienarbeit zur Klausur zu bewältigen hatten. Zwar hat ein Prüfer im Regelfall eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, zu welchem Zeitpunkt er den prüfungsrelevanten Stoff den Lehrgangsteilnehmern mitteilt. Da aber die Prüfungsordnung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Prüfungsbefehl des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr für die Umstellung des Leistungsnachweises im Prüfungsfach HSW keine Übergangsvorschrift vorgesehen hatten, war es die Aufgabe des Seminarleiters in diesem Prüfungsfach, mit Rücksicht auf die erst unmittelbar vor Lehrgangsbeginn festgelegte Änderung der Art des Leistungsnachweises sicherzustellen, dass sich die Lehrgangsteilnehmer auf die neue Art des Leistungsnachweises über einen möglichst langen Zeitraum vorbereiten konnten. Deshalb wäre es bei der hier gegebenen außergewöhnlichen Sachlage geboten gewesen, den Teilnehmern den gesamten maßgeblichen Prüfungsstoff bereits am Beginn des Seminars bekanntzugeben. Das ist unstreitig nicht geschehen.
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c) Die Bewertung der Klausur des Antragstellers im Prüfungsfach HSW ist außerdem unter Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit zustande gekommen. Denn der zugrunde gelegte Prüfungsstoff war inhaltlich zu umfangreich.
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Das Gebot der Chancengleichheit erfordert es, dass die in einer Prüfung gestellten Aufgaben das Fachwissen und die Qualifikation des Prüfungskandidaten dem Ziel und dem Zweck der Prüfung angemessen abfragen. Dabei muss der Prüfungsstoff insbesondere geeignet sein, die Kandidaten, die das Ausbildungsziel erreicht haben, von denen zu unterscheiden, die es nicht erreicht haben (Urteil vom 9. August 1996 - BVerwG 6 C 3.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 372). Der Grundsatz der Chancengleichheit ist verletzt, wenn für vergleichbare Prüfungskandidaten nicht so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gegeben sind (Urteil vom 9. August 1996 a.a.O.). Insoweit bestimmt Nr. 301 (4) ZDv 3/6, dass die Prüfung auf das Ausbildungsziel ausgerichtet sein muss und dass das zu überprüfende Ausbildungsziel den Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der Leistungen des Prüfungsteilnehmers vorgibt. Aus dem Ausbildungsziel müssen sich auch die Mindestanforderungen ergeben, die der Prüfungsteilnehmer zu erfüllen hat, damit seine Leistungen noch als "ausreichend" gewertet werden können (Minimalforderung). Das Ausbildungsziel ist in der "Ausbildungsweisung Nr. 124654" des Bundesministeriums der Verteidigung für den Stabsoffizierlehrgang vom 3. Februar 2011 dahin definiert, dass es Ziel des SOL sei, durch Vermittlung sicherheitspolitischer sowie bundeswehr- und streitkräftegemeinsamer Grundlagen, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Aspekten des Militärs und des beruflichen Selbstverständnisses teilnehmende Offiziere aller Uniformträgerbereiche zu befähigen, erste Verwendungen als Stabsoffizier im Einsatz und Grundbetrieb der Streitkräfte wahrnehmen zu können. Die zu vermittelnden Lehr- und Ausbildungsinhalte leiten sich aus den Richt- und Grobzielen ab und werden in vier Lehrfächern vermittelt, nämlich in "Sicherheitspolitik und Strategie", in "Human- und Sozialwissenschaften", in "Militärische Führung und Organisation" und in "Führung und Einsatz von Streitkräften". Hinzu tritt als fünftes Lehrfach der Sport.
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Bezogen auf dieses Ausbildungsziel des Stabsoffizierlehrgangs ist es danach die Aufgabe des Seminarleiters, in Ermangelung entsprechender normativer Vorgaben für Inhalt und Umfang des Prüfungsstoffs die prüfungsrelevanten Inhalte nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ so ein- und abzugrenzen, dass die Vorbereitung der Lehrgangsteilnehmer auf die Prüfung angemessen und unter Beachtung der Chancengleichheit in den einzelnen Durchgängen des Stabsoffizierlehrgangs sichergestellt ist. Bei einer Einzelprüfung in einem von mehreren Lehrfächern müssen Auswahl und Umfang des Prüfungsstoffs die Belastung der Lehrgangsteilnehmer durch den gesamten Lehrgang berücksichtigen. Obwohl einem Seminarleiter als Prüfer grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt, die Inhalte und den quantitativen Umfang des Prüfungsstoffs zu definieren, ist er jedoch verpflichtet zu verhindern, dass durch einseitige Überfrachtung des Prüfungsstoffs in einem Durchgang des Stabsoffizierlehrgangs die Prüfungsbedingungen für die Kandidaten der jährlichen Durchgänge des Stabsoffizierlehrgangs ungleich gestaltet sind.
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Diese Voraussetzungen wurden bei der Festlegung des quantitativen Umfangs des Prüfungsstoffs für die Klausur im Prüfungsfach HSW im SOL 1/2011 nicht eingehalten. Nach der unbestrittenen Darstellung des Hauptmanns B. in dessen Beschwerde vom 11. April 2011 hat Dr. G. schon im Rahmen der Besprechung der Klausurergebnisse erklärt, dass "sein Ansatz wohl zu groß" gewesen sei und er zukünftig weniger Literatur verwenden werde. Dies hat Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2011 bestätigt und ausgeführt, dass er künftig nur noch vier statt fünf Themen im Prüfungsfach HSW behandeln und dies bei der Planung des neuen Seminars im SOL berücksichtigen werde. Diese Absicht hat Dr. G., wie er auch selbst in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2012 erklärt hat, im nächstfolgenden SOL 2/2011 umgesetzt und den Umfang des Prüfungsstoffs im Prüfungsfach HSW auf lediglich vier Themenkomplexe reduziert. Daraus muss gefolgert werden, dass der Prüfungsstoff für die Klausur im Prüfungsfach HSW im SOL 1/2011 quantitativ zu umfangreich war.
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Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Erwägung Dr. G.s, dass im Prüfungsfach HSW kein Lehrgangsteilnehmer "durchgefallen" sei. Rechtsschutz gegen verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Prüfungsnoten ist nicht nur und nicht erst dann zu gewähren, wenn eine bestimmte (hohe) Misserfolgsquote bei den Prüflingen vorliegt. Vielmehr hat ein Prüfungskandidat - gerade im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum der Prüfer - Anspruch darauf, dass zur Ermittlung seines fachlichen Leistungsvermögens die Prüfung jedenfalls verfahrensfehlerfrei durchgeführt wird.
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3. Die Bewertung der strittigen Klausur des Antragstellers und die angefochtenen Beschwerdebescheide sind deshalb gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO aufzuheben. Da die Sache angesichts des Beurteilungsspielraums der Prüfer nicht entscheidungsreif ist, ist der Inspekteur der Streitkräftebasis gemäß § 19 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO zu verpflichten, eine Neubewertung der strittigen Klausur des Antragstellers durch die Führungsakademie der Bundeswehr zu veranlassen. Im Rahmen der vom Antragsteller angestrebten Neubescheidung kommt eine Wiederholung der Prüfungsklausur HSW oder das ersatzlose Streichen der angefochtenen Einzelnote nicht in Betracht. Damit würde der das Prüfungsverfahren beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und den übrigen Teilnehmern des SOL 1/2011, deren Abschlussnote bestandskräftig geworden ist, gravierend beeinträchtigt, weil der Antragsteller im ersten Fall mit einem neuen Prüfungsstoff konfrontiert würde und weil im zweiten Fall in seinem Berechnungsmodus für die Abschlussnote eine wesentliche - mit 1,0 gewichtete - Notenkomponente entfiele. Um "soweit wie möglich" vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <273>) bei der Neubescheidung sicherzustellen, ist die am wenigsten die Chancengleichheit der Lehrgangsteilnehmer berührende Möglichkeit eine Neubewertung der Klausur des Antragstellers. Dabei bestehen rechtlich keine Bedenken gegen die Heranziehung der bisherigen Prüfer (Urteil vom 9. Dezember 1992 a.a.O.), unter Umständen auch des Seminarleiters Dr. G., der den Prüfungsstoff vollständig überblicken kann und einen Vergleichsmaßstab für dessen Umfang in den nachfolgenden Durchgängen des Stabsoffizierlehrgangs gewonnen hat, in denen nur noch vier Themenkomplexe für die HSW-Klausur prüfungsrelevant waren. Bei der Neubewertung werden die Bewertungsmaßstäbe an der Tatsache auszurichten sein, dass der dem Antragsteller abverlangte Prüfungsstoff zu umfangreich war.
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Für die Neubewertung ergeben sich keine rechtlichen Anweisungs- oder Vollzugshindernisse, weil der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, dem die strittige Notengebung organschaftlich zuzurechnen ist, nach wie vor dem Inspekteur der Streitkräftebasis unterstellt ist. Sofern die Neubewertung zu einer Änderung der Einzelnote des Antragstellers im Prüfungsfach HSW führt, ist der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr von Amts wegen verpflichtet, entsprechend Nr. 9 Buchst. d und e der Prüfungsordnung die Neufestsetzung der Abschlussnote des Antragstellers zu veranlassen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten über das Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung.
- 2
Sie unterzog sich im Herbst 2011 im Widerholungsversuch der staatlichen Pflichtfachprüfung und erzielte in den sechs schriftlichen Prüfungsarbeiten folgende Ergebnisse:
- 3
Öffentliches Recht 1
5,0 Punkte
Öffentliches Recht 2
3,5 Punkte
Strafrecht 1
3,5 Punkte
Zivilrecht 1
3,0 Punkte
Zivilrecht 2
5,5 Punkte
Zivilrecht 3
2,0 Punkte
Summe
22,5 Punkte
- 4
Dies ergibt eine Gesamtnote der schriftlichen Prüfung von 3,75 Punkten.
- 5
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Gesamtnote der schriftlichen Prüfung betrage weniger als 4,00 Punkte, weshalb sie von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei. Sie habe die Prüfung gemäß § 7 Abs. 4 des Landesgesetzes über die Juristische Ausbildung – JAG – wiederholt nicht bestanden.
- 6
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Prüfungsaufgabe Zivilrecht 1 sei zu umfangreich gewesen und habe die Grenze des zulässigen Prüfungsstoffs überschritten. Die Ablösung einer Grundschuld durch Aufrechnung eines Dritten sei kein Standardproblem, das im ersten Examen verlangt werden könne. Darüber hinaus rügte die Klägerin die Bewertungen der Klausur Zivilrecht 1 durch den Erst- und Zweitkorrektor sowie der Klausur Öffentliches Recht 2 durch den Zweitkorrektor.
- 7
Der Beklagte legte den Widerspruch – soweit er ihn für relevant hielt – auszugsweise den Zweitprüfern der betreffenden Klausuren vor, die daraufhin jeweils eine ergänzende Stellungnahme zu ihrer Bewertung abgaben, ohne dass es zu einer Änderung der vergebenen Note kam. Die Erstprüferin der Zivilrechtsklausur wurde im Rahmen des Überdenkungsverfahrens nicht beteiligt.
- 8
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2012 – zugestellt am 5. Juli 2012 – wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Rügen, die Klausur Zivilrecht 1 habe unzulässigen Prüfungsstoff enthalten und sei – weil zu umfangreich – als Prüfungsaufgabe ungeeignet gewesen, habe sie nicht rechtzeitig erhoben, weshalb sie nicht mehr zu berücksichtigen seien. Es handele sich hierbei um Mängel des Prüfungsverfahrens, die – anders als materielle Bewertungsfehler – gemäß § 12 Satz 1 der Juristischen Ausbildungs-und Prüfungsordnung – JAPO - innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach deren Eintritt schriftlich gegenüber dem Prüfungsamt geltend zu machen seien. Mit einer fristgemäßen Rüge werde auch nichts Unzumutbares verlangt. Dem Prüfling obliege es, sich über die für das Prüfungsrechtverhältnis geltenden Rechtsvorschriften zu informieren, was auch in Bezug auf Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Verfahrensmängeln gelte. Es sei insbesondere auch zumutbar gewesen, den vermeintlichen Verfahrensfehler „aus der Erinnerung heraus“ geltend zu machen. Bewertungsfehler seien nicht erkennbar. Soweit bei der Klausur Zivilrecht 1 eine fehlerhafte Gewichtung von Aufgabe 1 und 2 angesichts des zu großen Umfangs von Aufgabe 1 und des unzulässigen Prüfungsstoffs bei Aufgabe 2 durch die Erstprüferin bemängelt werde, sei dies nicht fristgerecht geltend gemacht worden. An dem Rügeausschluss ändere auch nichts, dass mit dem Einwand nicht der Verfahrensfehler als solcher, sondern ein hieraus resultierender materieller Bewertungsfehler kritisiert worden sei. Im Übrigen wurde bezüglich der einzelnen Rügen der Klägerin unter Einbeziehung der Prüferstellungnahmen im Überdenkungsverfahren festgestellt, dass die Prüfer nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und die von der Klägerin beanstandeten Ausführungen darüber hinaus vom Bewertungsspielraum der Prüfer abgedeckt seien.
- 9
Die Klägerin hat am 20. Juli 2012 Klage erhoben.
- 10
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor: Die nur auszugsweise Weiterleitung ihrer Einwendungen an die Prüfer und die gänzlich fehlende Beteiligung der Erstprüferin der Klausur Zivilrecht 1 am Überdenkungsverfahren stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar. Der Einwand der zu umfangreichen Prüfungsaufgabe und des unzulässigen Prüfungsstoffs in Bezug auf die Klausur Zivilrecht 1 sei nicht verspätet erhoben worden. Insoweit seien die Anforderungen an die Rechtzeitigkeit der Rüge überspannt. Sie habe erst nach Einsicht in ihr Klausurenheft erkennen können, dass ein übermäßiger Stoffumfang und Rechtskenntnisse verlangt worden seien, über die sie, auch mangels entsprechender Vermittlung im Rahmen der Universitätsausbildung und trotz Selbststudiums, nicht habe verfügen können. Es sei lebensfremd zu erwarten, dass ein Prüfling sich nach Abgabe der Klausuren an die einzelnen Prüfungsaufgaben in einem Umfang erinnern könne, der substantiierte Rügen ermögliche. Es stelle im Übrigen einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit aller Prüflinge dar, wenn in einem Examenstermin nur Standardprobleme verlangt, in einem anderen aber weit darüber hinausgehende Anforderungen gestellt würden.
- 11
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2012 zu verpflichten, sie anstelle der Aufsichtsarbeit Zivilrecht 1 erneut eine Aufsichtsarbeit im Fach Zivilrecht anfertigen zu lassen und die Aufsichtsarbeit Öffentliches Recht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen,
- 13
hilfsweise,
- 14
die Aufsichtsarbeit Zivilrecht 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.
- 15
Der Beklagte beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen.
- 17
Er bezieht sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und führt ergänzend aus: Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz bestehe im Fall eines Widerspruchs kein genereller Anspruch auf Durchführung eines sogenannten „Überdenkungsverfahrens“. Im Hinblick auf die Chancengleichheit der Prüflinge könne nicht jeder Einwand zu einer erneuten Prüferbeteiligung führen. Hierfür seien vielmehr substantiierte Einwände von Mängeln im Prüfungsgeschehen oder gegen fachwissenschaftliche Wertungen erforderlich. Einwände gegen prüfungsspezifische Wertungen führten allenfalls dann zu einer erneuten Prüferbeteiligung, wenn normative Vorgaben nicht beachtet würden oder die Bewertung aus der Sicht von Fachkundigen unhaltbar erscheine. Insoweit bestehe die Befugnis des Landesprüfungsamts zur Vorprüfung des Widerspruchs.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten einschließlich des Klausurenhefts der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Neuanfertigung einer Klausur im Fach Zivilrecht noch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2. Der Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 20
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 9 Abs. 3 der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung – JAPO –. Danach ist ein Bewerber von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Pflichtfachprüfung nicht bestanden, wenn in der schriftlichen Prüfung nicht mindestens drei Aufsichtsarbeiten aus zwei verschiedenen Pflichtfächern mit mindestens vier Punkten bewertet wurden und die Gesamtpunktzahl der schriftlichen Prüfung nicht mindestens 24 Punkte beträgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt hat, dass die Klägerin in der schriftlichen Prüfung die erforderliche Mindestpunktzahl von 24 Punkten nicht erreicht hat.
- 21
Die von der Klägerin gegen die Prüfungsentscheidung erhobenen Einwände greifen sämtlich nicht durch.
- 22
Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Neuanfertigung einer Prüfungsarbeit im Fach Zivilrecht. Ihre Rügen, die Prüfungsarbeit Zivilrecht 1 sei bezüglich der Prüfungsanforderung bei Aufgabe 1 zu umfangreich – und damit ungeeignet - gewesen und bei dem Aufgabenteil 2 sei der zulässige Prüfungsstoff überschritten worden, bleiben schon deshalb ohne Erfolg, weil sie diese nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
- 23
Nach § 12 Satz 1 JAPO sind Mängel des Prüfungsverfahrens innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrem Eintritt schriftlich gegenüber dem Landesprüfungsamt geltend zu machen. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, da die Klägerin ihre diesbezüglichen Einwendungen erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erhoben und deshalb ihr Rügerecht verloren hat.
- 24
Bei den von der Klägerin gerügten Fehlern in Form der Überschreitung des zulässigen Prüfungsstoffs sowie einer zu umfangreichen Prüfungsaufgabe handelt es sich um „Mängel im Prüfungsverfahren“ im Sinne des § 12 Satz 1 JAPO, die – im Falle ihres Vorliegens – als Verfahrensfehler eine Prüfungswiederholung zur Folge haben. Dies wurde in dem ergangenen Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2012 bereits umfassend und zutreffend unter Bezugnahme auf das Urteil des VG Ansbach vom 24. Februar 2005 (AN 2 K 04.01309, juris, Rn. 35 bis 38) – dem die Kammer folgt - dargelegt. Wegen der weiteren Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen Bezug genommen werden, die sich die Kammer nach erneuter Sach- und Rechtsprüfung zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO).
- 25
Entgegen der Auffassung der Klägerin wird von dem Prüfling mit dem Erfordernis der Geltendmachung der Prüfungsstoffüberschreitung bzw. einer ungeeigneten, weil zu umfänglichen Prüfungsaufgabe innerhalb der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 1 JAPO als Voraussetzung für eine erfolgreiche Rüge nichts Unzumutbares verlangt. Nach dem auch im Rahmen des Prüfungsrechtsverhältnisses geltenden Grundsatz von Treu und Glauben obliegt es dem Prüfling, sich rechtzeitig über die für das Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Vorschriften zu informieren. Diese Obliegenheit besteht grundsätzlich auch in Bezug auf die Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Mängeln im Prüfungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 – 6 C 37/92 –, BVerwGE 96, 126 und juris, Rn. 21).
- 26
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, sie sei unmittelbar nach Ableistung der Klausur innerhalb der Ausschlussfrist – noch – nicht in der Lage gewesen, überhaupt zu erkennen, ob die in Frage stehenden Mängel im Prüfungsverfahren vorgelegen hätten, weshalb sie entsprechende substantiierte Rügen nicht hätte erheben können. Insoweit verkennt die Klägerin, dass es zur bloßen Geltendmachung des Verfahrensmangels zur Vermeidung eines Rügeausschlusses keiner detaillierten und umfänglich rechtlichen Ausführungen oder gar der Kenntnis der Lösung bedurft hätte. Es hätten vielmehr schon Hinweise auf die Problematik genügt. Jedenfalls ist es von einem verantwortungsbewussten Prüfling zu verlangen, dass er sich im Anschluss an die Prüfungsablegung bewusst werden muss, ob er sich vorschriftswidrig gehindert gesehen hat, eine adäquate Leistung zu erbringen, um sich sodann mit entsprechenden Rügen oder selbst schon bei bloßen Zweifeln, auch hinsichtlich der gebotenen Vorgehensweise, alsbald an das Prüfungsamt zu wenden (VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O, juris, Rn. 42).
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Für die Rechtfertigung einer Präklusionsregelung wie derjenigen des § 12 Satz 1 JAPO genügt es, dass damit entweder verhindert werden soll, dass ein Prüfling, indem er in Kenntnis – oder bei Zweifeln – des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, oder dass sie dazu dient, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellst möglichen Aufklärung und unter Umständen sogar noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels zu ermöglichen. Ließe man die fristlose Geltendmachung des Mangels einer Überschreitung des Prüfungsstoffes zu, wäre dem Prüfling die Möglichkeit eröffnet, sich erst über den Erfolg seiner Bearbeitung kundig zu machen und sich dann zu entscheiden, ob er sich damit zufrieden geben will oder unter Beseitigung dieses Ergebnisses einen neuen Prüfungsversuch anstrebt, was eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit im Prüfungsrecht bedeuten würde. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass die Prüfungsbehörde nur bei einer zeitnahen Geltendmachung eines derartigen Mangels in die Lage versetzt wird, dem nachzugehen und darauf in einer Form zu reagieren, die das Prüfungsgeschehen möglichst wenig beeinträchtigt, etwa durch eine zeitnahe Wiederholung der betreffenden Prüfungsleistung, ohne dass es überhaupt zur Bewertung der fehlerhaft ermittelten Leistung gekommen ist oder zumindest die dabei erzielten Ergebnisse herausgegeben sind (VG Ansbach, a.a.O., juris, Rn. 41). Allein schon um diesem Gesichtspunkt Geltung zu verschaffen, wäre die Klägerin, auch wenn ihr zunächst detaillierte Ausführungen nicht möglich gewesen sind, zu einer rechtzeitigen Rüge verpflichtet gewesen.
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Die Klägerin wäre im Übrigen mit ihren Rügen von Verfahrensmängeln auch dann ausgeschlossen, wenn diese nicht bereits nach § 12 Satz 1 JAPO verspätet erhoben worden wären. Dieses Ergebnis folgt im Hinblick auf die obigen Erwägungen zur Chancengleichheit und das daraus folgende Gebot der Unverzüglichkeit einer derartigen Rüge jedenfalls noch vor Ergebnisbekanntgabe aus den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts (VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O., Rn. 47).
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Der auf Neubewertung der Klausur Zivilrecht 1 gerichtete Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsarbeit.
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Die Bewertung von Prüfungsleistungen unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Dies ergibt sich daraus, dass es eine absolute Objektivität einer Leistungsbeurteilung im pädagogischen Bereich nicht gibt, weil die Bewertung einer Prüfungsleistung durch den Prüfer in aller Regel mit einem erheblichen Einschlag wertender Elemente getroffen wird. Deshalb handeln die betroffenen Prüfer bei der Bewertung von Prüfungsleistungen in Wahrnehmung einer ihnen grundsätzlich zustehenden Beurteilungsermächtigung. Für die Beurteilung einer Prüfungsarbeit nach fachlich-pädagogischen Kriterien steht deshalb nur dem Prüfer und nicht den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur letztverbindlichen Einstufung der Prüfungsleistung zu. Dies bedeutet, dass die gerichtliche Überprüfung von prüfungsspezifischen Wertungen dort ihre Grenze findet, wo der Beurteilungsspielraum des Prüfers beginnt. Die gerichtliche Überprüfung ist demnach darauf zu beschränken, ob der Prüfer anzuwendendes Recht verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat oder ob er allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat. Darüber hinaus sind aber im Rahmen des „Antwortspielraums“ auch fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen. Die Prüfungsentscheidung ist aufzuheben, wenn in Fachfragen eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet worden ist. Wird unter Anwendung dieser Grundsätze ein Bewertungsfehler durch das Gericht festgestellt, kann das Gericht demzufolge die Leistungsbewertung grundsätzlich nicht durch eine eigene ersetzen und damit gleichsam die Aufgabe des Prüfers übernehmen. Es kann vielmehr nur den Prüfungsbescheid aufheben mit der Folge, dass der zuständige Prüfer – unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts – eine neue fehlerfreie Bewertung nachholen muss (BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991, BVerfGE 84, 34 -58).
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Hinsichtlich der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 13. Mai 1965 – 2 C 146.62 –, BVerwGE 21, 127, 130 m.w.N.) in der Weiterführung, die sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O.) erfahren hat, auszugehen. Danach unterliegt die Bewertung von Prüfungsleistungen nur einer eingeschränkten Kontrolle. Dies ergibt sich daraus, dass es eine absolute Objektivität einer Leistungsbeurteilung im pädagogischen Bereich nicht gibt, weil die Bewertung einer Prüfungsleistung durch den Prüfer in aller Regel mit einem erheblichen Einschlag wertender Elemente getroffen wird. Deshalb handeln die betroffenen Prüfer bei der Bewertung von Prüfungsleistungen in Wahrnehmung einer ihnen grundsätzlich zustehenden Beurteilungsermächtigung. Für die Beurteilung einer Prüfungsleistung nach fachlich-pädagogischen Kriterien steht dem Prüfer (und nicht den Verwaltungsgerichten) die Befugnis zur (letzt-) verbindlichen Einstufung der Prüfungsleistung zu. Dies bedeutet, dass die gerichtliche Überprüfung von prüfungsspezifischen Wertungen dort ihre Grenze findet, wo der Beurteilungsspielraum des Prüfers beginnt. Die gerichtliche Überprüfung hat sich demnach darauf zu beschränken, ob der Prüfer anzuwendendes Recht verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat oder ob er allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat.
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Demgegenüber sind fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen. Die Prüfungsentscheidung ist aufzuheben, wenn in Fachfragen eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O. S. 804; BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1992 – 6 C 3.92 –, BVerwGE 91, 262, 266). Der so umrissene, gegen den Bewertungsspielraum des Prüfers abzugrenzende sog. „Antwortspielraum“ des Prüflings darf indessen nicht überdehnt werden. So gehören die Einschätzungen des Schwierigkeitsgrades der Prüfungsaufgabe, die Beurteilung, ob und in welchem Maße der Prüfling seine Antworten und Begründungen sorgfältig aufbereitet und überzeugend dargelegt hat, die Bewertung der Art der Darstellung, die Bildung des Vergleichsrahmens, die Wertung, welche Leistung noch als „durchschnittlich“ zu betrachten ist und darüber hinaus überhaupt Benotungsfragen zu den prüfungsspezifischen Wertungen, die grundsätzlich allein dem jeweiligen Prüfer zustehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. August 1992 – 4 S 11065/92 –, VBlBW 1993, 143, 144).
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Zunächst ist die Vorgehensweise des Landesprüfungsamts für Juristen des Beklagten, den Widerspruch des Klägers den beteiligten Prüfern nur auszugsweise zur Kenntnis zu geben, rechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr besteht nach rheinland-pfälzischem Landesrecht die Befugnis des Landesprüfungsamts für Juristen zur Vorprüfung des Widerspruchs mit der Folge, dass die Prüfer nur hinsichtlich der relevanten Teile des Widerspruchs eingeschaltet oder im Einzelfall sogar überhaupt nicht beteiligt werden müssen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Wird gegen die Bewertung einer Prüfungsleistung gemäß § 5 Abs. 3 JAG Widerspruch eingelegt, so erhält zunächst die Prüferin oder der Prüfer Gelegenheit zur Überprüfung der Einwendungen und Abänderung der Bewertung, wenn ein Bewertungsfehler bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder Widerspruch die Einschaltung der betreffenden Prüfer verlangt. Die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 JAG steht unter dem Vorbehalt der näheren Regelung durch die Justizausbildungs- und Prüfungsordnung. Eine derartige speziellere und daher vorrangigere Regelung enthält § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO, wonach der Prüfer nur dann Gelegenheit zur Überprüfung der Einwendungen und Abänderungen der Bewertung erhält, wenn sich nach summarischer Prüfung die Möglichkeit eines Bewertungsfehlers überhaupt ergibt (grundlegend OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juli 2003 - 2 A 10770/03.OVG –, juris).
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Die Befugnis des Landesprüfungsamts für Juristen zur Vorprüfung des Widerspruchs ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 92, 1392, 132 f.; Urteil vom 24. Februar 1993 – 6 C 35/92 – juris, Rn. 27) hat klargestellt, dass ein Anspruch des Kandidaten auf verwaltungsinterne Überprüfung seiner Einwendungen gegen die Bewertung nur besteht, sofern es sich um substantiierte Einwände handelt. Insoweit dient die Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens in § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO dazu, die Anforderungen an die Substantiierungslast des Kandidaten zu kontrollieren und zu verhindern, dass auch unsubstantiierte Einwände die Chance einer Zweitbewertung eröffnen, da der Prüfling hierauf keinen Anspruch hat. Der Anspruch des Kandidaten geht lediglich dahin, dass seine Prüfungsleistung anhand des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems fachlich richtig und gerecht bewertet wird. Eine erneute Beteiligung der Prüfer bei jeder Art von Einwendungen wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit sogar bedenklich. Da die gerechte Bewertung der einzelnen Prüfungsarbeiten auf der Grundlage des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems von dem Quervergleich mit den Leistungen der übrigen Prüflingen abhängt, darf nicht ohne rechtfertigenden Grund in dieses Bewertungsgefüge eingegriffen werden. Es wäre grundsätzlich mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar, wenn ein Kandidat die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielte. Diese Gefahr wäre indes gegeben, wenn die Prüfer auf jedwede Einwendung erneut ein Überdenken ihrer Erstbewertung durchführen würden und der Kandidat hierdurch die Chance einer Zweitbeurteilung erhielte. Zur Vermeidung von Chancenungleichheiten ist es deshalb sachgerecht, wenn nicht sogar geboten, eine Beteiligung der Prüfer erst dann vorzusehen, wenn die Möglichkeit eines Bewertungsfehlers hinreichend substantiiert dargelegt ist (OVG Rheinland-Pfalz a.a.O.).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen war das Landesprüfungsamt des Beklagten berechtigt, die von der Klägerin mit ihrem Widerspruch erhobenen Rügen den betroffenen Prüfern nur auszugsweise vorzulegen, soweit es sich um substantiierte Einwendungen handelte.
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Danach wurde die Erstprüferin der Klausur Zivilrecht 1 zu Recht nicht am Überdenkungsverfahren beteiligt, weil Bewertungsfehler bereits nach summarischer Prüfung ausgeschossen sind (§ 7 Abs. 6 Satz 1 JAPO).
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Mit ihrem Einwand, die Erstprüferin habe die Aufgabe 1 und 2 der Klausur zu Unrecht gleich gewichtet, weil Aufgabe 1 zu umfangreich gewesen sei und Aufgabe 2 unzulässigen Prüfungsstoff enthalten habe, hat die Klägerin schon keinen materiellen Bewertungsfehler geltend gemacht, der zu einer Neubewertung der Klausur führen könnte. Bei einer hierauf zurückzuführenden unzutreffenden Bewertung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht um einen Bewertungsfehler, sondern um eine mittelbare Folge der Mängel im Prüfungsverfahren, die als solche gerügt werden müssen und nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr gerügt werden können. Behoben werden können solche Mängel damit nur durch eine Wiederholung der Prüfungsleistung, nicht aber durch eine Neubewertung. Eine solche kann nur bei materiellen Bewertungsfehlern auf der Grundlage einer frei von Verfahrensmängeln erbrachten Leistung erfolgen (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994, a.a.O., juris, Leitsatz 4 und Rn. 25).
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Soweit die Klägerin weiter beanstandet, es werde durch die Erstprüferin zu Unrecht bemängelt, dass sie die Vorschrift des § 894 BGB nicht geprüft habe, hat sie damit einen Bewertungsfehler nicht dargelegt. Die Prüferkritik ist berechtigt, da eine Prüfung dieser Vorschrift tatsächlich nicht erfolgt ist. Es ist auch nicht zutreffend, dass – wie von der Klägerin geltend gemacht – die Erstprüferin bemängelt hat, § 883 Abs. 2 BGB sei von ihr überhaupt nicht berücksichtigt worden. Denn die entsprechende Passage des Prüfervotums bezieht sich nur auf die Aufgabe 1 b, bei der § 883 Abs. 2 BGB „nicht mehr“ berücksichtigt worden sei. Eine erneute Prüferbeteiligung musste damit auch im Hinblick auf die genannten Rügen nicht erfolgen, da bereits bei summarischer Prüfung Bewertungsfehler auszuschließen sind.
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Es ist auch nicht als bewertungsfehlerhaft anzusehen, dass der Zweitprüfer der Klausur Zivilrecht 1 einerseits die Aufgaben 1 und 2, was den Anteil an den Rohpunkten angeht, als „in etwa gleichwertig“ bezeichnet, bei der Gesamtbewertung den Schwerpunkt mit einer Gewichtung von 2/3 jedoch auf die Aufgabe 1 gelegt und den zweiten Aufgabenteil auf einen Anteil von 1/3 an der Gesamtnote reduziert hat. Diese Gewichtung im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung hat der Zweitprüfer in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nachvollziehbar näher erläutert. Im Übrigen betrifft die Frage der Gewichtung von einzelnen Prüfungsleistungen den Kernbereich des Beurteilungsspielraums, in den das Gericht nur im Ausnahmefall, der hier nicht gegeben ist, eingreifen darf. Zudem hat der Prüfer zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin, die bei Teil 2 der Prüfungsaufgabe gar keine Rohpunkte erzielen konnte, durch die von ihm vorgenommene Schwerpunktsetzung ausschließlich profitiert habe. Sie ist von daher durch die seitens des Prüfers vorgenommenen Gewichtung schon nicht beschwert.
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Auch der Einwand der Klägerin, der Zweitprüfer hätte bei Aufgabe 1 a) die für die Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB vorgesehenen 10 Rohpunkte vergeben müssen, weil sie die Vorschrift „indirekt“ geprüft habe und sich die Einigung zudem bereits aus dem Sachverhalt ergeben habe, rechtfertigt keine Korrektur der Bewertung. Wie bereits in dem ergangenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, unterfällt die Wertung, ob das Erfordernis der Einigung hätte geprüft werden müssen, als Bewertung der Argumentations- und Begründungstiefe ebenfalls dem Beurteilungsspielraum des Prüfers. Wenn ein Prüfer die vollständige Prüfung aller Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines Rechts verlangt, bewegt sich dies im zulässigen Rahmen des Erwartungshorizonts des Prüfers an eine juristisch saubere Subsumtionstechnik und stellt keinen Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze dar.
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Mit ihrem weiteren Vortrag, für ihre Ausführungen zu Aufgabe 1 c) – vom Prüfer als „zu knapp“ kritisiert – hätten auch mehr als 10 Rohpunkte vergeben werden können, vermag die Klägerin ebenfalls nicht durchzudringen. Auch die Anforderungen des Prüfers an die Begründungstiefe fallen in das vom Gericht nicht überprüfbare Prüferermessen. Mit ihrem Einwand legt die Klägerin keinen Bewertungsfehler dar, sondern ersetzt lediglich die Prüferbewertung durch ihre eigene Wertung, was ihr nicht zusteht.
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsarbeit Öffentliches Recht 2.
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Der Zweitprüfer hat in seinem Votum zu Recht beanstandet, dass das Aufwerfen der Staatsangehörigkeits-Problematik im Rahmen der „Beschwerdeberechtigung“ ohne erkennbaren Grund erfolgt ist. Der hiergegen erhobene Einwand der Klägerin, es sei nicht falsch, sondern vertretbar, wenn die Frage der Staatsangehörigkeit bei dem Prüfungspunkt der Beschwerdeberechtigung festgestellt, diskutiert und richtig gelöst werde, geht fehl. Der Zweitprüfer hat im Rahmen des Überdenkungsverfahrens darauf hingewiesen, dass er die in Frage stehenden Ausführungen nicht als falsch angesehen, sondern mit seiner Anmerkung (nur) kritisiert habe, dass es an einem sinnvollen Prüfungsaufbau gefehlt habe. Es hätte ausgeführt werden müssen, warum es problematisch sein könnte, den Beschwerdeführer als „Jedermann“ anzusehen. Der Anlass der Prüfung der Staatsangehörigkeit an dieser Stelle und die Notwendigkeit, auf den Unionsbürgerstatus abzustellen, bleibe unklar. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Prüfer hat, anders als die Klägerin meint, nicht – auch nicht im Ausgangsvotum – Vertretbares als falsch angesehen und bewertet, sondern in nachvollziehbarer Weise das Fehlen eines juristisch korrekten Prüfungsaufbaus bemängelt. Dieser Gesichtspunkt, der die Argumentations- und Begründungstiefe betrifft, unterfällt jedoch ebenfalls dem Bereich prüfungsspezifischer Wertungen.
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Auch mit ihrem Vortrag, die Beschwerdebefugnis sei unproblematisch gewesen, weshalb insoweit keine längeren Ausführungen erforderlich gewesen seien und kein Punktabzug hätte erfolgen dürfen, vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Die Prüferkritik bezog sich nicht darauf, dass längere Ausführungen erforderlich gewesen seien, sondern monierte, dass die Beschwerdebefugnis „in keiner Weise konkretisiert“ werde. Dies räumt die Klägerin allerdings in ihrem Widerspruchsschreiben auch selbst ein. Dass insoweit kein Punktabzug hätte vorgenommen werden dürfen, stellt erneut eine – unzulässige – eigene Wertung der Klägerin unter Eingriff in den Beurteilungsspielraum des Prüfers dar.
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Dasselbe gilt für ihren Einwand, die als zu oberflächlich bemängelte Subsumtion zu Art. 5 Abs. 3 GG sei zwar knapp, aber richtig und deshalb im ausreichenden Bereich anzusiedeln.
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Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Prüfer bei der Aufgabe 2 der Klausur Öffentliches Recht 2 über die geübte Kritik hinaus ihre Bearbeitung nicht zur Kenntnis genommen haben könnte. Zur weiteren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
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Beschluss
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1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21.03.2013
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Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Stadtobersekretär im Dienst der Stadt E. .
3Er nahm zum 01.09.2010 das Bachelor-Studium Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) – Zweigstelle E. - für den Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst auf. Im Rahmen der Abschlussprüfung wurde am 21.12.2011 eine Klausur im Modul 6.5, Rechnungswesen II geschrieben, die als nicht ausreichend bewertet wurde. Am 22.02.2012 erhielt der Kläger die Gelegenheit, an einer landesweit gestellten Wiederholungsklausur teilzunehmen. Mit Bescheid vom 04.04.2012 teilte das Prüfungsamt der FHöV dem Kläger mit, dass auch die Wiederholerprüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ bewertet worden sei. Gemäß § 4 der einschlägigen Studienordnung könne einmalig eine nach dem Modulverteilungsplan im 2. oder 3. Studienjahr zu erbringende Klausur ein zweites Mal wiederholt werden. Am 25.04.2012 erhielt der Kläger die Gelegenheit, an einer weiteren landesweit gestellten Wiederholungsklausur teilzunehmen. Mit Bescheid vom 06.06.2012 teilte das Prüfungsamt der FHöV dem Kläger mit, dass auch die Wiederholungsklausur mit der Note „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet worden sei. Damit habe er das Teilmodul Theorie und mithin die Bachelor Prüfung endgültig nicht bestanden.
4Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 13.06.2012 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 17.07.2012 wie folgt begründete: Aus der Bewertung der Prüfung ergebe sich, dass nach Auffassung der Korrektoren bei der Aufgabe 5 die Deckungsspanne richtig bestimmt worden sei, während die übrigen Lösungen (5.1 und 5.2) falsch seien bzw. fehlen würden (5.3 und 5.5). Die diesbezügliche Aufgabenstellung sei jedoch fehlerhaft bzw. unvollständig und somit für ihn, den Kläger, verwirrend gewesen. In Tabelle 1 der Aufgabe 5 sei ein Ausschnitt aus der Betriebsabrechnung mit den Kostenstellen Material, Fertigung, Verwaltung und Vertrieb dargestellt. Anschließend seien die Primärkosten der einzelnen Kostenstellen aufgeführt. Diese wiederum seien aufgeteilt in Einzel- und Gemeinkosten. Weitere Angaben, z.B. über die Verteilung der sekundären Kosten, seien jedoch nicht gemacht worden. Eine Berechnung der Zuschlagssätze im Rahmen der differenzierten Zuschlagskalkulation sei allein anhand der angegebenen Primärkosten nicht möglich. Hierfür werde mindestens die Summe der primären und sekundären Kosten benötigt. Diese Angabe fehle jedoch in der Aufgabenstellung, was ihn, den Kläger, zeitaufwändig zu einem längeren Lösungsweg geführt habe. Im Ergebnis habe er im Rahmen der Zuschlagskalkulation die ausgewiesenen Gemeinkosten aus Tabelle 1 auf die Einzelkosten der Tabelle 2 aufgeschlagen. Dadurch habe das Prüfungsziel im Rahmen der Bewertung nicht erreicht werden können. Da die Prüfungsaufgabe mit 30% in die Beurteilung eingeflossen sei, müsse ihm, dem Kläger, die Möglichkeit gegeben werden, ihn zur Wiederholungsklausur im Modul 6.5, Rechnungswesen II, zuzulassen.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Kläger sei mit dem behaupteten Mangel des Prüfungsverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt präkludiert, weil er die behaupteten Mängel der Aufgabenstellung nicht unverzüglich der Prüfungsbehörde vorgetragen habe, wozu er jedoch verpflichtet gewesen sei, damit die Prüfungsbehörde die Möglichkeit zur Abhilfe habe. Der Kläger habe erstmals im Rahmen der Widerspruchsbegründung – also fast 3 Monate, nachdem die Klausur geschrieben worden sei - dem Prüfungsamt die Rüge vorgetragen. Ferner sei auch nicht erkennbar, dass die Prüfer den ihnen eingeräumten prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum überschritten hätten, dass sie allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze außer Acht gelassen hätten oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen.
6Der Kläger hat am 21.08.2012 Klage erhoben.
7Er trägt vor: Beanstandet werde, dass die Aufgabenstellung in der 5. Aufgabe der Klausur missverständlich und daher verwirrend gewesen sei. Laut Aufgabenstellung sei eine Betriebsabrechnung die Grundlage für die Kalkulation. Die Betriebsabrechnung erfolge auf einem bestimmten Vordruck, dem Betriebsabrechnungsbogen (BAB). Es gebe 2 Arten von BAB, den einfachen BAB und den erweiterten BAB. Tabelle 1 der Aufgabe 5 stelle somit einen Ausschnitt aus einem einfachen BAB dar. In der Klausuraufgabe werde nicht klar differenziert zwischen dem einfachen und dem erweiterten Betriebsabrechnungsbogen, so wie dies im Lehrstoff und in den Lehrbüchern erfolge. Es könne zwar sein, dass ein der Aufgabenstellung entsprechender Betriebsabrechnungsbogen in der Praxis verwendet werde, jedoch sei dies mit dem entsprechenden Lehrstoff nicht vermittelt worden. Grundlage des Prüfungsstoffs sei der vermittelte Lehrstoff und nicht etwaiges Praxiswissen. Diese unklare Aufgabenstellung, die sich vielleicht für einen erfahreneren Praktiker logisch darstelle, sei bei der Bewertung der Klausur nicht berücksichtigt worden. Erst bei Einsichtnahme in die Prüfungsakte habe er die unklare Aufgabenstellung erkennen können. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, dass eine unverzügliche Rüge erforderlich gewesen sei. Im Übrigen sei er mit seiner Rüge auch deshalb nicht präkludiert, weil in der Studienordnung der Bachelor-Studiengänge an der FHÖV NRW keine Verpflichtung zur unverzüglichen Mängelrüge festgeschrieben sei. Des Weiteren sei die Aufgabenstellung nicht so offensichtlich falsch, dass der Fehler dort erkennbar gewesen sei, um die fehlerhafte Aufgabenstellung noch während der Prüfung zu rügen. Eine Berechnung der Zuschlagssätze im Rahmen der differenzierten Zuschlagskalkulation sei allein auf Angabe der Primärkosten nicht möglich. Hierfür werde mindestens die Summe der primären und sekundären Kosten benötigt. Diese Angaben fehlten in der Aufgabenstellung. Es sei davon auszugehen, dass die Prüfer bei ihrer Entscheidung dies nicht berücksichtigt hätten und eine Bewertung vorgenommen hätten, obwohl mit den Angaben der Aufgabenstellung ein entsprechendes Ergebnis nicht habe erzielt werden können. Bei der Bewertung durch den Prüfer sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass die Bearbeitung der wichtigen 5. Aufgabe fast völlig misslungen sei und besonders negativ auffalle, dass die differenzierende Zuschlagskalkulation völlig undurchsichtig ausgeführt werde und letztlich mit falschem Ergebnis ende.
8Es bestünden ferner Zweifel daran, dass die Regelungen über das Nichtbestehen des Studiums rechtskonform seien. Durch die Regelungen in der Prüfungsordnung werde in das Grundrecht aus Art. 12 GG eingegriffen. Er, der Kläger, habe die von dem Beklagten angeführten Module mit entsprechenden Prüfungen ganz überwiegend bestanden. Lediglich Modul 6.5, Rechnungswesen II, also einen Teilausschnitt des Studiums, habe er nicht bestanden. Hieraus könne jedoch nicht konkret auf mangelnde Berufseignung des Klägers geschlossen werden.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides seines Prüfungsamtes vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2012 zu verpflichten, ihn – den Kläger – zur Wiederholungsklausur im Modul 6.5-Rechnungswesen II zuzulassen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er wendet unter Vorlage einer Stellungnahme der Klausurerstellerinnen Dipl.-Volkswirt X. und Prof. Dr. C. N. vom 28.08.2012 ein: Dem Kläger hätte bekannt sein müssen, dass die Unterscheidung Primär- und Sekundärkosten bei der differenzierenden Zuschlagskalkulation keine Rolle spiele. Dieses Kalkulationsverfahren könne man auch dann durchführen, wenn keine Sekundärkosten angefallen seien. Sekundärkosten fielen an, wenn bei der Betriebsabrechnung die Kosten der Vorkostenstellen auf die Endkostenstellen verrechnet würden. Bräuchte man immer Sekundärkosten, um eine differenzierende Zuschlagskalkulation durchführen zu können, hieße das, dass die privaten und öffentlichen Unternehmen, die keine Vorkostenstellen eingerichtet hätten, auch keine Zuschlagskalkulation vornehmen könnten. Dies sei falsch. Ausschlaggebend für die geforderte differenzierende Zuschlagskalkulation sei das Vorliegen von Einzel- und Gemeinkosten. Alle Angaben, die für die Lösung der Aufgabe erforderlich seien, seien in der Aufgabenstellung enthalten. Vom Studierenden könne erwartet werden, dass er derartige Aufgaben lösen könne. Im Übrigen beziehe sich die Beschwerde nur auf die erste von 5 Aufgabenteilen der Aufgabe 5. Die Aufgabenteile 3 bis 5 seien davon völlig unabhängig und hätten problemlos bearbeitet werden können, da sie nicht die differenzierende Zuschlagskalkulation zum Gegenstand hätten. Aufgabenteil 2 hinge zwar mit Aufgabenteil 1 zusammen, allerdings hätte – so der Beklagte - auch hier eine Teillösung erfolgen können. Einzige Voraussetzung für die Lösbarkeit des Aufgabenteils 2 sei die Kenntnis vom Prinzip der differenzierenden Zuschlagskalkulation. Festzuhalten sei, dass kein anderer Prüfungsteilnehmer die Aufgabenstellung 5 oder eine andere Aufgabe gerügt hätte. Soweit erstmals geltend gemacht werde, dass durch die Regelungen in der Prüfungsordnung rechtswidrig in das Grundrecht aus Art. 12 GG eingegriffen werde, sei zu berücksichtigen, dass der Modul Aufbau des Bachelorstudiums vorsehe, dass jede zu erbringende Prüfungsleistung zu bestehen ist. Durch die Möglichkeit, eine nicht bestandene Prüfung zu wiederholen, werde gewährleistet, dass das Grundrecht auf freie Berufswahl nicht übermäßig eingeschränkt werde.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Rubrum war von Amts wegen hinsichtlich der Bezeichnung des Beklagten gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu berichtigen.
17Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung zur Wiederholungsprüfung. Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger die Modulprüfung Rechnungswesen II – und mithin die Bachelorprüfung insgesamt - nicht bestanden hat. Ein endgültiges Nichtbestehen der Bachelorprüfung ist (auch dann) gegeben, wenn eine Modulprüfung endgültig nicht bestanden ist.
18Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 4. August 2009 – 6 B 948/09 – juris.
19Maßgeblich für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für Laufbahnen des gehobenen nichttechnischen Dienstes (Bachelor) im Lande Nordrhein-Westfalen (Ausbildungsverordnung gehobener nichttechnischer Dienst Bachelor - VAPgD BA) vom 5. August 2008 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 30. Juli 2010 (GV. NRW. S. 502).
20Gemäß § 12 Abs. 1 VAPgD BA besteht die Bachelorprüfung aus Modulprüfungen während des Studiums und der Bachelorarbeit einschließlich eines Kolloquiums. Das Studium ist nach Abs. 2 erfolgreich abgeschlossen, wenn die Prüfungsleistungen gemäß Abs. 1 jeweils mit der Note ausreichend (4,0) bewertet wurden und die ordnungsgemäße Teilnahme an den Studienleistungen ohne Leistungsnachweis erfolgt ist. Nach § 8 Abs. 1 VAPgD BA kann eine nicht bestandene Prüfung einmal wiederholt werden. Einmalig kann eine im zweiten oder dritten Studienjahr als Klausur zu erbringende Prüfungsleistung, die auch in der Wiederholungsprüfung schlechter als „ausreichend“ (4,0) bewertet wurde, ein zweites Mal wiederholt werden.
21Ergänzend hierzu regelt § 13 Abs. 2 S. 1 der Studienordnung der Bachelorstudiengänge an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (Studienordnung–Bachelor - StudO-BA) i.d.F. des Änderungsbeschlusses vom 14.06.2011, genehmigt durch Erlass vom 12.08.2011, dass Prüfungsleistungen in Modulen, die schlechter als ausreichend (4,0) bewertet wurden, nicht bestanden sind und einmal wiederholt werden können, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Wird in einer Modulprüfung auch in der Wiederholungsprüfung eine Bewertung von mindestens ausreichend (4,0) nicht erreicht, so ist nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift die Prüfung endgültig nicht bestanden. Die Fortsetzung des Studiums ist ausgeschlossen (Abs. 2 S. 4).
22Die nach der VAPgD BA sowie der StudO BA vorgesehene Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten auf grundsätzlich eine Wiederholung, ausnahmsweise zwei Wiederholungen, ist mit höherrangigem Recht, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, vereinbar und verstößt nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
23Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf von dem Bestehen von Prüfungen abhängig machen, greifen als subjektive Zulassungsvoraussetzungen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ein.
24BVerwG, Beschuss. vom 7. März 1991 - 7 B 178/90 - juris.
25Für ihre Rechtfertigung gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip in dem Sinne, dass die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen dürfen.
26BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - juris.
27Durch die Gewährung jeweils nur einer Wiederholungsmöglichkeit im Falle des Nichtbestehens wird nicht übermäßig in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen.
28Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1994 - 1 BvR 1123/91 - juris; BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - 7 B 178.90 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 6 B 1059/13 – juris mit weiteren Nachweisen und Beschluss vom 8. Juli 2010 - 6 B 743/10 – juris.
29Für diese Beschränkung der (Einzelfach-)Wiederholungsmöglichkeiten streitet das ausgeprägte öffentliche Interesse an einer zeitlich straffen Durchführung des Studiums.
30OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2013 – 6 B 808/13 – juris und Beschluss vom 10. März 2014 – 6 B 1420/13 – juris, jeweils zur VAPPol II Bachelor.
31Da auch die Zahl der Prüfungsversuche geeignet ist, Aufschluss über die Qualifikation des Bewerbers für einen Beruf zu geben, darf die Prüfungsordnung dieser Einsicht Rechnung tragen, indem sie die Wiederholungsmöglichkeiten beschränkt. Zudem steht dem individuellen Interesse des Prüflings an einer zweiten oder gar unbeschränkten Widerholungsmöglichkeit das höher zu bewertende Allgemeininteresse gegenüber, die beschränkten Ausbildungskapazitäten für die Studierenden zu nutzen, die ihre Qualifikation spätestens in der Wiederholungsprüfung nachweisen konnten.
32Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2012 – 2 K 1376/11 – juris, m.w.N.
33Es trifft auch auf keine durchgreifenden (verfassungs-)rechtlichen Bedenken, dass beim wiederholten Nichtbestehen lediglich eines (Teil-)Moduls die Bachelorprüfung insgesamt als nicht bestanden zu bewerten ist. Dazu hat das OVG NRW ausgeführt, dass derartige Regelungen von Verfassung wegen nicht zu beanstanden sind.
34OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2014 a.a.O. und Beschluss vom 6. September 2013 a.a.O..
35Eine Unvereinbarkeit mit Art. 12 GG ist hiernach im Allgemeinen nur gegeben, wenn die Einschätzung, gerade durch die nicht bestandene Prüfung werde eine als unerlässlich einzustufende Fähigkeit abgeprüft, offenkundig sachlich nicht vertretbar erscheint,
36vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2013 - 6 B 808/13 – juris.
37Durch die hier in Rede stehende Teilprüfung (Rechnungswesen II, Kosten- und Leistungsrechnung) soll eine Fähigkeit nachgewiesen werden, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der mit der Prüfung insgesamt nachzuweisenden Qualifikation für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst anzusehen ist. Gemäß § 9 Abs. 2 StudO-BA ist die „Verwaltungsbetriebswirtschaft“ ein Schwerpunkt innerhalb des Mindestinhalts „Wirtschaftswissenschaften“ der Ausbildung zur Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst. Dass das Rechnungswesen eine unerlässliche Fähigkeit im Rahmen der angestrebten Qualifikation ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Modulbeschreibung 6.5 zum Bachelor-Studiengang Kommunaler Verwaltungsdienst -Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre (B.A.) – nennt als Kompetenzziele:
38„Die Studierenden
391. kennen die Grundbegriffe der Kosten- und Leistungsrechnung, können sie beschreiben und voneinander abgrenzen
402. kennen die Ziele des internen und externen Rechnungswesens und können Gemeinsamkeiten und Unterschiede beschreiben
413. unterscheiden den Aufbau- und die Funktionsweise der Kosten- und Leistungsrechnung und können diese beispielhaft erläutern
424. sind in der Lage, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedenen Methoden anzuwenden, können sie auf Praxisbeispiele anwenden und die Ergebnisse bewerten
435. können die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben, können sie im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen sowie für Zwecke der Steuerung und des Controllings und zur Gebührenermittlung anwenden“
44Im Übrigen ist davon auszugehen, dass jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen soll und daher ein positives Befähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist.
45Der Kläger hat keinen Anspruch nach der mithin verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 2 VAPgD BA auf nochmalige Wiederholung der Modulklausur Rechnungswesen II, weil die Bewertung der in Rede stehenden Klausur weder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, noch an einem materiellen Bewertungsfehler leidet.
46Mit seiner Rüge, die Aufgabenstellung sei unklar bzw. verwirrend gewesen, ist der Kläger schon deshalb ausgeschlossen, weil er diesen angeblichen Mangel nicht rechtzeitig gerügt hat.
47Vgl. zur Obliegenheit unverzüglicher Rüge von Mängeln des Prüfungsverfahrens OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2013 - 14 E 995/12 – juris, m.w.N.
48Bei der Forderung einer zeitnahen Rüge ist zwischen Mängeln im Prüfungsverfahren einerseits und materiellen Beurteilungsfehlern andererseits zu unterscheiden: Mängel des Prüfungsverfahrens muss ein Prüfling grundsätzlich - auch wenn dies nicht normativ bestimmt ist - unverzüglich rügen. Insoweit obliegt ihm eine Mitwirkungspflicht. Zum einen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich mit einer späteren Rüge bei einem unerwünschten Prüfungsergebnis eine zusätzliche Prüfungschance verschafft, die ihm im Verhältnis zu den anderen Prüflingen nicht zusteht und ihnen gegenüber das Gebot der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen soll der Prüfungsbehörde eine eigene zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls noch rechtzeitigen Behebung oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels ermöglicht werden, um auch hierdurch die Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen zu wahren.
49BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 – 6 C 37/92 – BVerwGE 96, 126.
50Hingegen kann der Prüfling eine fachlich unrichtige und deshalb rechtswidrige Bewertung seiner Prüfungsleistung - bei rechtzeitiger Klageerhebung - bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht geltend machen.
51BVerwG, Urteil vom 27. April 1999 – 2 C 30/98 – juris.
52Die dargestellten zwei Kategorien von Rechtsverstößen lösen unterschiedliche Rechtsfolgen aus. Mängel im Prüfungsverfahren ziehen in der Regel eine Prüfungswiederholung nach sich, während materielle/inhaltliche Bewertungsfehler mit der regelmäßigen Folge der Neubewertung der ursprünglichen Prüfungsleistung verbunden sind.
53BVerwG vom 22. Juni 1994 a.a.O.; BayVGH vom 8. September 1999 - 7 B 99.292 - BayVBl 2000, 529 und vom 20. Januar 1999 - 7 B 98.2357 - juris.
54Verfahrensmängel werden dahingehend charakterisiert, dass durch solche Verstöße ein Prüfling überhaupt gehindert wird, seine tatsächliche Leistungsfähigkeit in entsprechende Prüfungsleistungen umzusetzen, während es bei materiellen Bewertungsfehlern um die Anwendung materiellen Prüfungsrechts auf eine verfahrensfehlerfrei ermittelte Leistung geht.
55VG Ansbach, Beschluss vom 24. Februar 2005 – AN 2 K 04.01309 – juris, m.w.N..
56Das BVerwG unterscheidet zudem zwischen materiellen Beurteilungsfehlern im engeren Sinne und im weiteren Sinne. Letztere sind diejenigen Fälle, in denen als Folge eines Mangels im Prüfungsverfahren die Leistungsfähigkeit des Prüflings entweder als solche oder aber in ihren Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt wird, so dass die Leistungsfähigkeit schon deshalb nicht zutreffend materiell beurteilt werden kann. Wird der Prüfling bereits im Stadium der Erbringung der Prüfungsleistungen durch Mängel im Prüfungsverfahren hieran gehindert, so bilden seine - derart beeinträchtigten - Prüfungsleistungen schon deshalb, bevor sie von den Prüfern materiell beurteilt werden (und dabei materielle Beurteilungsfehler im engeren Sinne unterlaufen können), keine hinreichende und geeignete Grundlage für eine zutreffende materielle Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit. Insofern führen Mängel im Prüfungsverfahren typischerweise zu einer unzutreffenden materiellen Beurteilung der Leistungsfähigkeit des betroffenen Prüflings, "schlagen auf diese durch", und zwar unabhängig davon, ob die in diesem fehlerhaften Verfahren erbrachten Prüfungsleistungen ihrerseits materiell richtig oder fehlerhaft beurteilt werden. Zu beheben sind solche Mängel nur durch eine Wiederholung des Prüfungsverfahrens.
57BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 a.a.O.
58Im vorliegenden Fall macht der Kläger keinen materiellen Bewertungsfehler im engeren Sinne geltend, sondern einen Verfahrensfehler, der auf die Bewertung seiner Leistungsfähigkeit durchschlägt. Der Kläger hat eingeräumt, bei Aufgabe 5 zu einem nicht zutreffenden Ergebnis gelangt zu sein. Damit wendet er sich bei genauer Betrachtung nicht gegen die Beurteilung seiner Lösung der Klausuraufgabe 5 durch die Prüfer, auch wenn er geltend macht, die Prüfer hätten bei der Beurteilung die ungeeignete Aufgabenstellung nicht berücksichtigt. Der Kläger rügt vielmehr die Aufgabenstellung selbst, die seiner Ansicht nach einerseits unvollständige und daher irreführende Angaben enthalten habe, andererseits eine Prüfungsleistung erfordert habe, die vom Lernstoff der einschlägigen Lehrbücher nicht erfasst sei. Wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, beruft er sich mit dem zweiten Teil seiner Rüge darauf, dass der Prüfungsstoff über den Lehrstoff hinausgegangen sei. Dies verdeutlicht, dass es nicht um die Anwendung materiellen Beurteilungsrechts geht, sondern darum, dass dem Kläger eine korrekte und nachvollziehbare Lösung der gestellten Aufgabe wegen deren Unvollständigkeit bzw. Missverständlichkeit und aufgrund der Überschreitung des Prüfungsstoffes nicht möglich gewesen sei. Der geltend gemachte Fehler – sein Vorliegen unterstellt - betrifft damit nicht allein und im Speziellen die Bewertung der klägerischen Klausur, sondern hätte ungeachtet der Frage, ob andere Klausurbearbeiter diese Rüge erhoben haben, das Prüfungsverfahren insgesamt beeinträchtigt, weil der Fehler die Klausurbearbeiter an der Erarbeitung einer ordnungsgemäßen Lösung gehindert hätte.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2007 – 14 A 2873/06 – juris.
60Folglich wäre auch in der vorliegenden Fallgestaltung, in der die Ungeeignetheit der Aufgabenstellung bzw. eine Überschreitung des Prüfungsstoffes gerügt wird,
61vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 24. Februar 2005 a.a.O. und VG Mainz, Urteil vom 21. März 2013 – 1 K 919/12.MZ – juris, jeweils zur Überschreitung des Prüfungsstoffs,
62der Kläger gehalten gewesen, den vermeintlichen Mangel unverzüglich nach der Prüfung, zumindest aber noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses, gegenüber der zuständigen Stelle zu rügen. Auch eine verwirrende Aufgabenstellung, die die Aufgabe für die konkrete Prüfung als ungeeignet erscheinen lässt, hat einen Anspruch auf Wiederholung des betreffenden Prüfungsteils zur Folge.
63OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 14 A 2604/07 – juris
64Sie stellt mithin einen Verfahrensfehler dar, der rechtzeitig gerügt werden muss.
65Dem Ausschluss des Rügerechts steht nicht entgegen, dass der Kläger einwendet, er sei unmittelbar nach Ableistung der Klausur innerhalb der Ausschlussfrist – noch – nicht in der Lage gewesen, den in Frage stehenden Mangel im Prüfungsverfahren zu erkennen, weshalb er eine entsprechende substantiierte Rüge nicht hätte erheben können. Zur Geltendmachung des Verfahrensmangels zwecks Vermeidung eines Rügeausschlusses hätte es keiner detaillierten und umfänglich rechtlichen Ausführung oder gar der Kenntnis der Lösung bedurft. Es hätten vielmehr schon Hinweise auf die Problematik genügt, insbesondere, dass der Kläger der Meinung war, dass bei Aufgabe 5 notwendige Angaben gefehlt hätten bzw. dass die Aufgabenlösung im Studium nicht erlernte Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert habe. Von einem verantwortungsbewussten Prüfling muss verlangt werden, dass er sich im Anschluss an die Prüfungsablegung darüber bewusst wird, ob er sich vorschriftswidrig gehindert gesehen hat, eine adäquate Leistung zu erbringen, um sich sodann mit einer entsprechenden Rüge jedenfalls noch vor Ergebnisbekanntgabe an das Prüfungsamt zu wenden.
66Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 24. Februar 2005, a.a.O.
67Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass ihn die Tabelle in Aufgabe 5 völlig verwirrt hätte, weil er „so etwas im Leben noch nicht gesehen habe“. Ein solcher Betriebsabrechnungsbogen sei in keinem ihm bekannten Lehrbuch dargestellt. Mithin war ihm schon während der Prüfung bewusst, dass hier möglicherweise eine Überschreitung des Prüfungsstoffes vorlag. Jedenfalls hätte er den notwendigen Abgleich mit den Lehrbüchern unmittelbar nach Beendigung der Klausur vornehmen können.
68Ungeachtet dessen besteht ein Anspruch auf Wiederholung der Klausur für den Kläger auch deshalb nicht, weil die Prüfungsentscheidung der Beklagten keine Rechtsfehler erkennen lässt. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger die Klausur Rechnungswesen II-Kosten- und Leistungsrechnung nicht bestanden hat.
69Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
70Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81, 213.83 - NJW 1991, 2005,
71der die Verwaltungsgerichte gefolgt sind,
72vgl. nur BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - NVwZ 1993, 677; OVG NRW, Urteil vom 30. März 1998 - 22 A 4551/95 - NWVBl 1998, 40 und Urteil vom 16. Januar 1998 - 22 A 4677/95 - m.w.N.,
73sind berufsbezogene Prüfungsentscheidungen mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich vollständig gerichtlich zu überprüfen. Allerdings verbleibt der Prüfungsbehörde bei "prüfungsspezifischen" Wertungen,
74vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 - DVBl 1998, 404,
75ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, oder sonst willkürlich gehandelt hat. Angesichts dieses Entscheidungsspielraums der Prüfungsbehörde ist das Gericht abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden bloßen rechnerischen Korrekturen nicht befugt, Prüfungsleistungen selbst zu bewerten und als Folge dieser eigenen Bewertung die Prüfungsbehörde zu verpflichten, die Prüfung für bestanden zu erklären.
76Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12. November 1997 - 6 C 11.96 - BVerwGE 105, 328, sowie Beschluss vom 11. April 1996 - 6 B 13.96 - DVBl. 1996, 997 und Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - a.a.O.
77Eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch das Gericht setzt voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
78Vgl. zur Mitwirkungspflicht des Prüflings im Prüfungsverfahren und im Prüfungsrechtsstreit: BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - DVBl. 1993, 842; OVG NRW, Urteil vom 14. März 1994 ‑ 22 A 201/93 - NVwZ-RR 1994, 585 m.w.N.
79Der Prüfling muss seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welche Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) ‑ notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ‑ (weiter) aufzuklären ist. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz ist insoweit durch die Mitwirkungspflicht des Prüflings begrenzt,
80vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. September 1993 - 22 A 1931/91 - DÖV 1994, 392 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - a.a.O.
81Zudem haben die Gerichte auch nach der Feststellung materieller Prüfungsfehler in der Gestalt von Korrektur- oder Bewertungsfehlern zu prüfen, ob Auswirkungen dieser Fehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden können. Sind solche Auswirkungen mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, so folgt - wie auch bei unwesentlichen Verfahrensfehlern - aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt.
82BVerwG, Beschluss vom 13. März 1998 – 6 B 28/98 – juris, m.w.N.
83Gemessen an diesen Anforderungen ist die Durchführung und Bewertung der Klausur vom 25.04.2012 rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Kläger geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei der Aufgabenstellung der allein gerügten Prüfungsaufgabe 5 zu keinen rechtsrelevanten Fehlern seitens der Beklagten gekommen ist.
84Die konkrete Ausgestaltung der Aufgabenstellung liegt unter Beachtung der Lehr-/ und Lerninhalte im freien Ermessen der Beklagten. Die gerügte Aufgabe 5 bewegt sich im Rahmen der durch die Modulbeschreibung vorgegebenen Kompetenzziele und der Lehr-/und Lerninhalte. Hiernach kennen die Studierenden die Grundbegriffe der Kosten- und Leistungsrechnung, unterscheiden den Aufbau und die Funktionsweise der Kosten- und Leistungsrechnung und können diese beispielhaft erläutern, sind in der Lage, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedene Methoden anzuwenden, können sie auf Praxisbeispiele anwenden und die Ergebnisse bewerten und können die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben und im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen.
85Dass die Aufgabe 5 wegen der fehlenden Angabe und daher wegen fehlender Kenntnis von den Sekundärkosten nicht lösbar gewesen sei, hat der Kläger substantiiert nicht dargetan. Vielmehr wird dem von Seiten der Klausurerstellerinnen durch die Stellungnahme und den darin enthaltenen Verweis auf die einschlägige Fachliteratur entgegen getreten. Ausdrücklich heißt es in der schriftlichen Stellungnahme vom 28.08.2012, dass die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärkosten bei der differenzierenden Zuschlagskalkulation keine Rolle spiele. Die Aufgabenerstellerin, Frau Prof. Dr. N. , hat dies in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert und schlüssig dargelegt. Diese Sichtweise stimmt auch mit den übrigen, dem Gericht zugänglichen Erkenntnissen überein.
86Hiernach ist die Kostenträgerrechnung eine besondere Art der Kalkulation im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung eines Unternehmens. Die Kostenträgerrechnung steht am Ende der Kostenrechnung und soll klären, wofür die Kosten entstanden sind. Für die Durchführung dieser Kostenträgerrechnung gibt es verschiedene Verfahren, wobei in Mehrproduktunternehmen mit heterogenem Produktionsprogramm die Zuschlagskalkulation anwendbar ist.
87http://de.wikipedia.org/wiki/Zuschlagskalkulation, http://de.wikipedia.org/wiki/Kostentr%C3%A4gerrechnung.
88Das Prinzip der Zuschlagskalkulation besteht darin, die Einzelkosten den Erzeugnissen direkt zu belasten und die Gemeinkosten mit Hilfe prozentualer wertorientierter Zuschlagssätze zu verrechnen. Dies setzt zunächst voraus, dass in der Kostenartenrechnung eine Trennung in (Kostenträger)Einzelkosten und (Kostenträger)Gemeinkosten vorgenommen wird. Als summarische Zuschlagskalkulation wird ein Verfahren bezeichnet, bei der die gesamten Gemeinkosten mit einem Zuschlag auf eine Einzelkostenbasis verrechnet werden. Wird der Gemeinkostenblock aufgespalten und mit Hilfe mehrerer Zuschlagssätze verrechnet, kann von einer differenzierten Zuschlagskalkulation gesprochen werden. Bei dieser Methode werden die Gemeinkosten in Teilbeträge aufgebrochen und mit gesonderten Zuschlagssätzen auf die Erzeugnisse verrechnet.
89Vgl. z.B. http://www.gaechter.cc/uploads/media/Zsfg_Joos-Sachse.pdf.
90Genau ein solcher Rechenweg ist durch Aufgabe 5 in der Klausur Rechnungswesen II vorgegeben worden.
91Soweit der Kläger geltend macht, er habe einen solchen Betriebsabrechnungsbogen, wie in Aufgabe 5 dargestellt, noch nie gesehen, hat sich im Verlauf der mündlichen Verhandlung durch die Erläuterungen von Frau Prof. Dr. N. herausgestellt, dass der Kläger die abgebildete Tabelle offenbar missverstanden hat. Denn es handelte sich hier nicht etwa um einen Betriebsabrechnungsbogen, sondern um die Darstellung der Kosten auf Kostenstellen mit Unterteilungen in Einzel- und Gemeinkosten. Dies wäre aber für den Kläger auch unter Berücksichtigung der in Aufgabe 5 gewählten Formulierung erkennbar gewesen, wenn es dort heißt: „Grundlage für die Kalkulation des Betriebes soll die Betriebsabrechnung des vergangenen Jahres sein.“
92Der Betriebsabrechnungsbogen ist ein Instrument der Kostenrechnung in Form einer Tabelle, die in den Zeilen die verschiedenen (Gemein-)Kostenarten und in den Spalten die Kostenstellen auflistet. Er ist das Bindeglied zwischen der Kostenartenrechnung, die die Kosten z.B. in primäre und sekundäre Kosten trennt, und der Kostenträgerrechnung, welche speziell in der differenzierenden Zuschlagskalkulation Kostenträger kalkuliert.
93https://www.wiwiweb.de/kostenrechnung/kostenstelle/betriebsabre/bindeglied.html.
94Die Betriebsabrechnung kann tabellarisch-statistisch mit Hilfe eines Betriebsabrechnungsbogens durchgeführt werden. Sie kann aber auch nach den traditionellen Prinzipien der Buchführung erstellt werden.
95http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/betriebsabrechnung/betriebsabrechnung.htm
96Diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten, insbesondere Betriebsabrechnung und Betriebsabrechnungsbogen, hätten dem Kläger gewärtig sein müssen, denn sie gehören zum Grundlagenwissen des Rechnungswesens bzw. der Kosten- Leistungsrechnung. Deshalb geht auch der Einwand ins Leere, die gestellte Aufgabenform – also die Durchführung einer Kostenträgerrechnung ohne Betriebsabrechnungsbogen - sei vom Prüfungsstoff nicht erfasst gewesen. Denn nach der zur Studienordnung gehörenden Modulbeschreibung ist es gerade Lehr- und Lernziel, dass die Studenten in der Lage sind, die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung durchzuführen und deren verschiedene Methoden anzuwenden, sie auf Praxisbeispiele anzuwenden, die Ergebnisse bewerten zu können und die verschiedenen Kostenrechnungssysteme beschreiben und im Hinblick auf ihren geeigneten Einsatz Berechnungen durchführen zu können.
97Schließlich ist nicht substantiiert dargelegt, dass sich der behauptete Fehler bei der Aufgabenstellung überhaupt auf das Bestehen der Prüfung ausgewirkt hätte. In den Prüfervermerken wird ausgeführt:
98„Die Bearbeitung der 1. Aufgabe ist ebenfalls misslungen. (…) auch bei der 3. Aufgabe ist die Bearbeiterin bzw. der Bearbeiter der Klausur eindeutig gescheitert. (…) Damit wird der überwiegende Teil der Klausur nicht gelöst. Zu den Aufgaben 2 und 4 finden sich Lösungsanteile. Zufriedenstellend wir allerdings auch bei diesen beiden Aufgaben nicht gearbeitet. Auch hier unterlaufen (…) gravierende Fehler. (…) Es handelt sich damit eindeutig um eine nicht ausreichende Leistung“
99„In Aufgabe 1 wird der bilanzielle Gewinn zwar richtig ermittelt, das Betriebsergebnis aber nicht ansatzweise festgestellt. In Aufgabe 2 wird bei richtiger Berechnung des Endbestands und der jeweiligen Durchschnittspreise der Verbrauch falsch bewertet. Die geforderten Erläuterungen Primär- und Sekundärkostenverrechnung fehlen in Aufgabe 3. Nur die Gleichung im mathematischen Verfahren zur Berechnung der Verrechnungspreise wird richtig aufgestellt. Aufgabe 4 gelingt mit Einschränkungen. In Aufgabe 5 wird die Deckungsspanne (5.4) richtig bestimmt. Die übrigen Lösungen sind falsch (5.1, 5.2) oder fehlen (5.3, 5.5)“
100Nach der diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Stellungnahme der Klausurerstellerinnen waren weite Teile der Aufgabe 5 unabhängig von der vom Kläger erhobenen Rüge, es hätte die Angabe der Primär- und Sekundärkosten gefehlt, lösbar. Insoweit sei es nicht auf die Unterscheidung Primär/- Sekundärkosten angekommen. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klausur ohne Bewertung der Aufgabenteile 5.1 und 5.2. mit ausreichend bewertet werden könnte, obwohl die Aufgaben 1 (15% Anteil), 2 (15%) und 3 (20%) ganz überwiegend nicht gelöst worden sind und die Bearbeitung der mit 20% bewertete Aufgabe 4 nur „Lösungsanteile“ enthielt bzw. nur „mit Einschränkungen“ gelungen ist.
101Die streitbefangene Prüfung unterliegt – ungeachtet dessen, dass keine weiteren Rügen erhoben sind - auch keinen sonstigen Bedenken hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit. Insbesondere haben die Prüfer ihrer Bewertung der streitbefangenen Klausur eine im Sinne der Rechtsprechung,
102vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, BVerwGE 91, 262; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1995 - 22 A 3876/93 - NWVBl 1995, 480, m.w.N.,
103genügende Begründung beigefügt. Beide Korrektoren bewerteten die streitbefangene Klausur in der Gesamtleistung im Rahmen des Bachelorbewertungssystems eindeutig mit 5,0 "nicht ausreichend" und haben diese Beurteilung unter Berücksichtigung der vorgegebenen Gewichtung der Leistungen verständlich begründet.
104Schließlich ist auch das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts,
105BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132, 137 und Beschluss vom 23.03.1994 - 6 B 84/93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 331,
106unmittelbar nach Art. 12 Abs. 1 GG gebotene verwaltungsinterne Kontrollverfahren bei substantiierten Einwendungen gegen die Prüfungsentscheidung durchgeführt worden. In seiner in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgesehenen, typischen Form ermöglicht das Widerspruchsverfahren eine umfassende "Richtigkeitskontrolle" der vorangegangenen Verwaltungsentscheidung, weil die Überprüfung sich nicht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern auch auf ihre "Zweckmäßigkeit" erstreckt. Das Widerspruchsverfahren lässt daher auch Raum für das "Überdenken" der prüfungsspezifischen Wertung durch die betroffenen Prüfer mit dem Ziel einer größtmöglichen Bewertungsgerechtigkeit und ermöglicht damit den unerlässlichen Ausgleich für den bei Prüfungsentscheidungen nur unvollkommenen gerichtlichen Rechtsschutz. Damit das Verfahren des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss gewährleistet sein, dass die Prüfer jedenfalls ihre Bewertungen von schriftlichen Prüfungsleistungen hinreichend begründen und der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen zu den schriftlichen Arbeiten einsehen kann. Macht der Prüfling substantiierte Einwände gegen die Bewertung seiner Leistungen geltend, hat die Prüfungsbehörde die Einwände unverzüglich den Prüfern zum Zwecke des Überdenkens ihrer Bewertung zuzuleiten. Sodann haben die Prüfer die gerügten Bewertungen unverzüglich zu überdenken, ggfls. zu korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden.
107BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.O.
108Ein Vorverfahren hat der Beklagte durchgeführt. Einer Beteiligung der Prüfer hieran bedurfte es allerdings nicht, weil der Kläger sich mit seinem Widerspruch nicht gegen die Bewertung der Lösung durch die Prüfer, sondern gegen die – nicht von den Prüfern entworfene - Aufgabenstellung wendete. Bei Fragen der Aufgabenstellung geht es gerade nicht um Bewertungsgrundsätze und um das Überdenken der Klausurbewertung seitens der Prüfer.
109Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
110Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Tenor
-
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
-
Der Wert des Streitgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
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I
- 1
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Der beklagte kommunale Abwasserbetrieb hat im Zuge der Ausweisung eines neuen Baugebiets auf der Grundlage einer von der ebenfalls beklagten Gemeinde erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis ein Sickerbecken zur Versickerung von Niederschlagswasser angelegt. Bei der Ausführung wurde eine Auflage zur Mindestüberdeckung des Grundwasserleiters nicht eingehalten. Der Kläger, Eigentümer eines benachbarten Wohngrundstücks, forderte deswegen Maßnahmen zum Schutz seines Grundstücks vor Vernässung und Schadstoffeintrag. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe weder einen Abwehranspruch gegen den kommunalen Entsorgungsbetrieb noch einen Anspruch auf Einschreiten seitens der Wasserbehörde. Eine abzuwehrende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers durch Schadstoffeintrag über den Grundwasserstrom oder durch Vernässung infolge Hochwassers oder eines Anstiegs des Grundwasserstands könne auch vor der in die Wege geleiteten Umgestaltung des Sickerbeckens nicht angenommen werden.
- 2
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
-
II
- 3
-
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
- 4
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1. Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert ausgeführt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht insbesondere durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrags oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines sogenannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 4 m.w.N.).
- 5
-
2. Auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläuterten fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass ungeachtet neuer Erkenntnisse zur Grundwassersituation und trotz des (noch) geringen Abstands der Sohle des Sickerbeckens zum Grundwasserspiegel eine Gefahrenlage für das Grundstück des Klägers, die umgehende Abwehrmaßnahmen erforderte, nicht zu erkennen sei. Die Situation werde sich durch die nach Abschluss eines Tekturverfahrens bevorstehende Aufhöhung der Muldensohle noch verbessern. Diese fachliche Einschätzung, für deren Richtigkeit letztlich auch das Ausbleiben von Schadensereignissen nach Inbetriebnahme des Sickerbeckens spreche, habe der Kläger nicht zu erschüttern vermocht, so dass dem vorsorglich gestellten Beweisantrag nicht habe nachgegangen werden müssen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach darauf abgestellt, dass das in der mündlichen Verhandlung unterbreitete Beweisangebot des Klägers unsubstantiiert sei. Dieser Einwand rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (stRspr, Beschluss vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266). Der Kläger zeigt nicht auf, dass dieser Ablehnungsgrund hier nicht trägt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Substantiierungsanforderungen, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.
- 6
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Die gebotene Substantiierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Vielmehr verlangt das Substantiierungsgebot, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird (Beschluss vom 2. November 2007 - BVerwG 7 BN 3.07 - juris Rn. 5). Der Beteiligte darf sich insoweit zwar insbesondere dann mit einer Vermutung begnügen, wenn die zu beweisenden Tatsachen nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fallen (Beschluss vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 = juris Rn. 13). Auch setzt ein Antrag auf Sachverständigenbeweis nicht voraus, dass einzelne konkrete Tatsachen in das Wissen der auskunftgebenden Stellen gestellt werden, da der Sachverständige sein Gutachten über das Beweisthema gegebenenfalls aufgrund eigener Tatsachenermittlungen zu erstatten hat (Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60). Wenn die Gegenseite der vorgetragenen Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Der Beteiligte muss sich damit auseinandersetzen und greifbare Anhaltspunkte benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhaltenen Behauptung braucht das Gericht nicht nachzugehen (Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14 = juris Rn. 11).
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3. Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof hiernach sein Vorbringen zum Anlass für eine weitere Sachaufklärung nehmen musste.
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Soweit der Kläger rügt, die Äußerungen der Beklagten und des Wasserwirtschaftsamts seien in einer Gesamtschau "völlig widersprüchlich", könnten folglich nicht als nachvollziehbar und schlüssig qualifiziert werden und die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht stützen, fehlt es an der näheren substantiierten Auseinandersetzung mit dem Vortrag, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
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Von vornherein unbeachtlich sind die Einwände des Klägers, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seinen Erwägungen zu Unrecht auch auf bevorstehende Änderungen des Sickerbeckens im Anschluss an das noch nicht abgeschlossene Tekturverfahren abgestellt und bei der Frage der Aussagekraft gutachterlicher Stellungnahmen zur Frage der Gefahr einer Vernässung verkannt habe, dass es bei der Größe des Einzugsgebiets des Sickerbeckens nur auf den Inhalt der wasserrechtlichen Erlaubnis ankomme. Denn für den Umfang der Aufklärungspflicht ist allein die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblich (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 59).
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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof den erforderlichen konkreten Bezug der Stellungnahme der Gutachter Dr. H. und T. vom 24. Mai 2006 zur klärungsbedürftigen Sachfrage der Gefahr einer Vernässung nicht gesehen hat. Denn die Gutachter führen insoweit aus, dass die zu erwartende zeitlich begrenzte lokale Grundwasseraufhöhung, die am Wohnhaus des Klägers "im Bereich mehrerer Zentimeter bis maximal 1 bis 2 Dezimeter" liege, in ihrer Reichweite u.a. von der Größe der an das Sickerbecken angeschlossenen Flächen abhänge; diese seien nicht bekannt (S. 7 f.). Die Aussagen zur maximalen Grundwasseraufhöhung am Wohnhaus des Klägers bewegen sich demnach insbesondere vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung im Bereich bloßer Spekulation, die eine Beweiserhebung nicht rechtfertigen kann.
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Schließlich ist auch nicht dargetan, dass angesichts der schriftlichen Stellungnahmen des Gutachters B. eine Beweiserhebung wegen der Frage eines erhöhten Schadstoffeintrags geboten war. Das vom Kläger angeführte Gutachten vom 29. Dezember 2006 stellt als Beweissicherungsuntersuchung insbesondere den hydro-chemischen Ist-Zustand des Grundwassers dar, der durch deutliche anthropogene Beeinflussungen gekennzeichnet sei. Abschließend stellt die Untersuchung fest, dass durch die geringe Schutzwirkung des Bodens unterhalb der Versickerungsanlage weitere Veränderungen nicht auszuschließen seien (S. 7 f.). Diese allgemein gehaltenen Ausführungen machten aber eine Auseinandersetzung sowohl mit den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen, wonach auch bei hohen Grundwasserständen von einer Direkteinleitung in den Grundwasserleiter nicht gesprochen werden könne, als auch mit den vom Verwaltungsgerichtshof erwähnten Verbesserungen der Filterwirkung durch die anstehende Erhöhung der Muldensohle nicht entbehrlich. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil der Gutachter B. in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 2007 - insoweit in Übereinstimmung mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Schreiben des Wasserwirtschaftsamts vom 10. Mai 2007 - selbst davon ausgeht, dass die zu erwartende Schadstofffracht wegen privaten und öffentlichen Flächen "unwahrscheinlich", d.h. voraussichtlich gering sein wird (S. 3).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 3.650,80 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.