Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. Apr. 2017 - B 3 K 16.31740
nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
„Du bist arm, weil wir keine richtige Regierung haben, sondern eine Diktatur“;
jedenfalls habe er das Geschriebene so gemeint. Auf Nachfrage gibt er an, dass er dies auf der Seite der kurdischen Partei Goran geschrieben habe. Er sei zwar kein Mitglied dieser Partei, habe deren Seite jedoch geliked. Die Parteizentrale befinde sich im Stadtteil M.; er sei mit dem Auto hingebracht worden. Seinen Folterer kenne er nicht. Er sei am 16.03.2015 gefoltert worden. Er sei eines Nachts in ein schwarzes Auto ohne Nummernschild gezogen worden. Er sei neun Tage im Parteizentrum geblieben. Während dieser Zeit habe niemand mit ihm gesprochen. Dann habe man ihn gefragt, wen er mit seinem Kommentar meine. Er habe erwidert, dass er niemanden genannt habe, sondern nur allgemein geschrieben habe; es sei jedoch richtig, dass er sie meine, wenn sie das dächten. Dann habe man ihm zwei- oder dreimal ins Gesicht geschlagen. Er sei nach neun Tagen frei gelassen worden. Man habe ihm geraten, aus der Sache zu lernen. Er würde seine Eltern nicht wieder sehen, wenn er nochmals so etwas schreibe. Weitere Folterungen habe es nicht gegeben. Auf Nachfrage gab er an, dass er dann in das Dorf Basetkeh gezogen sei. Dort sei er drei Monate geblieben und dann zurück in die Stadt. Er habe nicht sofort ausreisen können. 2012 habe er seine Ausbildung abgeschlossen und im Irak arbeiten wollen. Es habe keine weiteren Vorfälle gegeben. Seine Mutter sei krank und er habe nichts mehr geschrieben. Bei seiner Rückkehr befürchte er, dass seine Mutter, die sehr krank sei, sterben würde, wenn er nochmals festgenommen würde. Er sei ein korrekter Mensch, der falsche Sachen entweder über Facebook posten oder sonst erzählen würde. Er würde, obwohl ihn niemand bedrohte, im Irak tot sein. Es halte sich ein Cousin von ihm im Gebiet der Beklagten auf.
1. die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des … verpflichtet dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
2. hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
3. hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach
Klageabweisung.
Zur Begründung bezog sie sich auf die angegriffene Entscheidung.
Gründe
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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. Apr. 2017 - B 3 K 16.31740 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
- 1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und - 2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und - 3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.
(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.
(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.
(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, so endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.
(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.
(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, so werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.
(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, so können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 36 mit einer Nebenbestimmung verbinden.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
- 1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und - 2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und - 3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender teilweiser Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2016 verpflichtet, festzustellen, dass hinsichtlich der Klägerin zu 2. ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger zu 1. zu ½, die Klägerin zu 2. zu 2/6 und die Beklagte zu 1/6.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der am 28. K. 1987 in Mosul, Irak geborene Kläger zu 1. ist irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Die am 5. N. 1989 in Mosul, Irak geborene Klägerin zu 2. ist ebenfalls irakische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit. Sie wurde als Kleinkind aramäisch-christlich getauft. Im Jahre 2007 konvertierte ihre gesamte Familie aus Furcht vor Verfolgung offiziell zum Islam, ohne den muslimischen Glauben ernstlich angenommen zu haben. Ihre Eltern leben und praktizieren im Verborgenen nach wie vor den christlichen Glauben. Nach eigenen Angaben ist sie selber aber keine fromme Christin. Die Kläger sind nach muslimischem Ritus verheiratet und haben einen gemeinsamen sechs Monate alten Sohn. Nach eigenen Angaben haben die Kläger Mosul im Juni 2014 verlassen und sind für die Dauer eines Jahres in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Sulaymaniyah untergekommen. In Sulaymaniyah selbst hätten sie mangels Bürgen nicht einreisen dürfen. Die Lebensbedingungen in dem Flüchtlingslager seien jedoch unmenschlich gewesen, sodass sie von dort aus im Juni 2015 nach Europa geflohen seien.
3Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge am 26. Juli 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 16. November 2015 einen Asylantrag.
4Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger zu 1. im Kern an, den Irak verlassen zu haben, weil er wegen seiner Tätigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 als „Correspondent“, d. h. als Bürobote für die Gewerkschaft „J. K1. V. “ dort Verfolgung durch Anhänger des IS ausgesetzt gewesen sei. Im Arabischen bedeute „Correspondent“ Bürobote. Als Bürobote habe er die beiden Sitze der Gewerkschaft in Bagdad und Mosul wechselseitig mit Post und Informationen beliefert. Wenn er im Rahmen seiner Botentätigkeit presserelevante Informationen erlangt habe, sei er darüber hinaus auch berechtigt gewesen, Bildaufnahmen zu fertigen und gesperrte Gebiete zu betreten.
5Die Klägerin zu 2. gab im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt im Wesentlichen an, den Irak verlassen zu haben, weil ihr Ehemann wegen seiner Tätigkeit als „Bote“ für die Journalisten durch Anhänger des IS verfolgt gewesen sei. Er habe Sachen und Personen von der irakischen Polizei und Armee von Mosul nach Bagdad transportiert und umgekehrt. Darüber hinaus habe ihr wegen ihrer christlichen Religionszugehörigkeit Verfolgung durch Anhänger des IS gedroht. Deshalb hätten sie und ihre Familie offiziell in ihren Ausweisen den Islam als Religion eintragen lassen. Allerdings sei es unter dem Regime des IS so gewesen, dass sich alle Frauen hätten voll verschleiern müssen, weshalb sie auch als Frau Angst gehabt habe. Ihr selber sei der christliche Glaube nicht wichtig gewesen.
6Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2016, zugestellt am 5. Februar 2016, wurde der Asylantrag der Kläger abgelehnt, Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf die Kläger nicht vorliegen. Zudem wurden die Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss eines etwaigen Klageverfahrens zu verlassen; anderenfalls wurde die Abschiebung der Kläger in den Irak oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Gleichzeitig wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
7Die Kläger haben am 11. Februar 2016 Klage erhoben.
8Zu deren Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Die Klägerin zu 2. sei aramäische Christin und stamme aus Mosul. Ihre gesamte Familie sei im Jahre 2007 aus Angst vor Verfolgung durch den IS zum Islam konvertiert, habe aber den christlichen Glauben heimlich weiter praktiziert. Ihre Angabe, dass ihr der christliche Glaube nicht wichtig gewesen sei, könne indes nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass dies die asylrechtliche Relevanz ausschließe. Denn für die Verfolgung der Christen durch den IS reiche allein schon die Tatsache der christlichen Taufe aus. Der Kläger zu 1. sei sunnitischen Glaubens und habe in Mosul zuletzt als Journalist gearbeitet. Am 24. Juni 2013 sei er mit dem PKW und einem Beifahrer sowie drei Soldaten als Mitfahrgelegenheit von Mosul nach Bagdad unterwegs gewesen. Man habe Halt an einem Restaurant gemacht. Als sie das Restaurant wieder verlassen hätten, seien sie von anderen Restaurantbesuchern darauf aufmerksam gemacht worden, dass Unbekannte in der Zwischenzeit etwas unter das Auto gelegt hätten. Die Soldaten hätte daraufhin die nächste Armeestation informiert und von dort sei der Bombenräumdienst geschickt worden, der die Bombe mittels eines Robotors gesichert ausgelöst habe.
9Die Kläger beantragen,
10die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1, 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2016 zu verpflichten,
11ihnen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
12hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
13äußerst hilfsweise festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung beruft sie sich auf die Angaben im angefochtenen Bescheid.
17Die Kammer hat mit Beschluss vom 12. September 2016 den Klägern für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
18Die Erkenntnisse über die politische Situation im Irak, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, sind in das Verfahren eingeführt worden.
19Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung eingehend zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
20Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Einzelrichterin konnte anstelle der Kammer entscheiden, weil diese ihr das Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen hat.
23Es konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden, weil diese in der Ladung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
24Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
25Hinsichtlich des Klägers zu 1. ist der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2016 rechtmäßig und verletzt ihn nicht seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger zu 1. hat in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (I.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG (II.), noch kann er die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen (III.) (A.).
26Die Klägerin zu 2. hat in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) zwar ebenfalls weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (I.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG (II.). Sie kann jedoch die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen (III.). Insoweit ist der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 2. in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Ziffern 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheides sind mithin entsprechend zu ändern bzw. aufzuheben (B.).
27Maßgeblich für die Beurteilung der Klagebegehren ist das Asylgesetz in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
28A. I. Der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG hat keinen Erfolg. Dem Kläger zu 1. steht ein entsprechender Anspruch nicht zu.
29Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
31Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
32Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.d § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
33Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.2 -, NVwZ 2013, 936 = juris, Rn. 19.
35Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06. A - , juris, Rn. 35 ff.
37Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
38Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
39Es obliegt dabei dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.
40Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2013 – A 12 S 2023/11 – juris; Hessischer VGH, Urteil vom 4. September 2014 – 8 A 2434/11.A – juris.
41Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
42Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers zu 1. ist ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
431. Es ist zunächst nicht festzustellen, dass dem Kläger zu 1. wegen seiner Botentätigkeit für die „J. K1. V. “ und seiner Tätigkeit als Mitfahrgelegenheit für irakische Soldaten und Polizisten bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
44Denn diese Tätigkeit vermittelt ihm nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. E. AsylG.
45Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn (a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und (b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AsylG).
46Dieser Begriffsdefinition unterfällt der Kläger zu 1. – seinen Vortrag, dass er bis zuletzt in Mosul als Bote für die „J. K1. V. “ gearbeitet und in diesem Zusammenhang irakische Soldaten und Polizisten in seinem privaten PKW von Mosul nach Bagdad und umgekehrt transportiert hat, als wahr unterstellt – nicht. Denn einzig die Arbeit des Klägers zu 1. als Bote für die „J. K1. V. “ führt nicht auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in dem oben genannten Sinne. Mitarbeiter einer Journalistengewerkschaft teilen weder angeborene Merkmale noch einen gemeinsamen, nicht veränderlichen Hintergrund, noch Merkmale / eine Glaubensüberzeugung, die so bedeutsam für ihr/e Identität / Gewissen wären, dass der Einzelne nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Selbiges gilt in Bezug auf seine Tätigkeit als Mitfahrgelegenheit für Mitglieder der irakischen Streitkräfte bzw. der Polizei. Der Kläger zu 1. hat – was gegebenenfalls auf das Merkmal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe führen könnte –
47vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 18. Dezember 2013 – W 1 K 13.30033 -, juris Rn. 22, 23 (Afghanistan) –
48auch nichts dafür vorgetragen, dass er deswegen für die „J. K1. V. “ und als Mitfahrgelegenheit für Mitglieder der irakischen Streitkräfte / Polizei gearbeitet hat, weil er mit ihnen das Merkmal der politischen Gegnerschaft im Sinne einer andersartigen Überzeugung, Meinung oder Grundhaltung teilt.
492. Es ist darüber hinaus auch nicht festzustellen, dass dem Kläger zu 1. wegen seines sunnitischen Glaubens bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
50Der Kläger zu 1. hat dem Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass er im Irak in Anknüpfung an seinen sunnitischen Glauben individuell verfolgt war bzw. im Falle seiner Rückkehr sein wird. Einen diesbezüglichen Vortrag ist der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung, in der er umfassend angehört wurde und in der er umfangreich vorgetragen hat, insgesamt schuldig geblieben.
51Zu Gunsten des Klägers zu 1. ist auch nicht von einer Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak durch nicht staatliche Akteure auszugehen. Der Kläger zu 1. trägt in diesem Zusammenhang vor, er sei wegen seines auf seinen sunnitischen Glauben schließen lassenden Vornamens „P. “ im Falle seiner Rückkehr in den Irak und Einreise über den Flughafen in Bagdad einer Verfolgung durch schiitische Milizen oder die größtenteils schiitisch geprägte irakische Regierung ausgesetzt und werde in Anknüpfung an seinen sunnitischen Glauben unmittelbar bei der Einreise getötet werden.
52Zwar kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms -,
53vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204> -
54ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die „Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt.
55Vgl. BVerwG; Urteil vom 18. Juli 2006 – BVerwG 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 <249> Rn. 20.
56Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
57Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>.
59Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst, c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst, c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.
61Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst, a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24.
63An diesen für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11.08 -, juris.
65Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine landesweit drohende Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak (derzeit noch) nicht feststellen.
66Zwar ist nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass eine an die Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung von Sunniten im Irak derzeit in ehemals von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) besetzten Teilen des Landes erfolgt und damit auch dem Kläger zu 1. im Falle einer Rückkehr in seine Heimatstadt Mosul mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde.
67Mit dem Ausbruch der Kämpfe der - sich aus fanatischen sunnitischen Muslimen rekrutierenden - Terrorgruppe IS im Irak im Juni 2014 wurden in weiten Teilen des Landes schiitische Milizen mobilisiert, die Racheakte einschließlich Vertreibungsaktionen gegen sunnitische Iraker begehen.
68Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 12.
69Häufig handelt/e es sich um Racheakte unmittelbar nach Kämpfen gegen den IS, denen schiitische Milizionäre zum Opfer gefallen waren. Dabei genügte als Motiv für schwere Verbrechen meist schon der Verdacht, dass die lokale sunnitische Bevölkerung die Jihadisten unterstützte.
70Vgl. „Die Volksmobilisierung im Irak – Das schiitische Milizenbündnis al-Hashd ash-Sha´bi beschleunigt den Zerfall des Staates“, von: Dr. Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP-Aktuell 52, August 2016); „Schiiten-Milizen vor Ramadi – Aufmarsch der Todes-Schwadronen“, von: Raniah Salloum, in: Spiegel Online, 22. Mai 2015, 13:39 Uhr, abrufbar unter: www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-schiiten-milizen-sollen-ramadi-retten-a-1034901-druck.html; „UN: Sunniten im Irak werden Opfer von Vergeltung“, veröffentlicht am 5. Dezember 2015 in: http://www.islamische-zeitung.de/un-sunniten-im-irak-werden-opfer-von-vergeltung/
71Die Übergriffe beschränken sich nach den Erkenntnissen der Kammer weitgehend auf sunnitische Muslime in ehemals vom IS kontrollierten und nunmehr zurückeroberten Gebieten des Irak. Grund für die Repressalien durch irakische und kurdische Sicherheitskräfte sowie verbündete schiitische Milizen ist der Vorwurf, die dort ansässigen Sunniten hätten die Terrormiliz IS unterstützt.
72Vgl. „UN: Sunniten im Irak werden Opfer von Vergeltung“, veröffentlicht am 5. Dezember 2015 in: http://www.islamische-zeitung.de/un-sunniten-im-irak-werden-opfer-von-vergeltung/ und veröffentlich am 4. Dezember 2015 in: http://archiv.cibedo.de/aktuelle19.html
73Nach der Rückeroberung zahlreicher vom IS besetzter Gebiete im Laufe der Jahre 2015 und 2016 durch die irakischen Streitkräfte und deren Verbündete, hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die irakische Zentralregierung im Zusammenwirken mit den kurdischen Peschmerga, den schiitischen Milizen sowie der internationalen Anti-IS-Koalition eine Vertreibungsaktion gegen den IS in Mosul, der Heimatstadt des Klägers zu 1., gestartet. Zwar wird diese Großoffensive gegen den IS in Mosul aller Voraussicht nach noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für den Fall einer erfolgreichen Rückeroberung Mosuls und einer Befreiung der Stadt vom IS ist jedoch nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass auch in Mosul sunnitische Muslime – und damit auch der Kläger zu 1. – mit Racheakten durch irakische und kurdische Sicherheitskräfte sowie verbündete schiitische Milizen zu rechnen haben.
74Der Frage, ob damit bereits die oben näher dargelegten Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung von Sunniten in der Heimatstadt des Klägers zu 1., Mosul, vorliegen, brauchte die Kammer indes nicht weiter nachzugehen.
75Denn selbst wenn man zu Gunsten des Klägers zu 1. eine solche Gruppenverfolgung von Sunniten in Mosul annähme, könnte er die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht für sich beanspruchen, weil nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen derzeit nicht festzustellen ist, dass eine Gruppenverfolgung von Sunniten durch nicht staatliche Akteure im Irak auchlandesweit droht. Vielmehr steht dem Kläger zu 1. ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG offen. Die Stadt Bagdad stellt für den Kläger zu 1. eine von Deutschland aus erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative dar (interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG).
76Nach § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU) wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt.
77Die Stadt Bagdad bietet für den Kläger zu 1. unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse über die dortigen Gegebenheiten sowie insbesondere seiner persönlichen Umstände (vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/95/EU) internen Schutz im Sinne dieser Bestimmung.
78(1.) Nach der Erkenntnislage ist die Stadt Bagdad für den Kläger zu 1. gegenwärtig (noch) als sicher i.S.d. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu bezeichnen.
79Die Stadt Bagdad hat eine Gesamtbevölkerung von circa 6,5 Millionen Einwohnern, die sich aus etwa 70 % Schiiten, circa 29 % Sunniten und circa 1 % aus anderen religiösen Minderheiten zusammensetzt.
80Zwar verschärft sich die Lage für Sunniten in der Stadt Bagdad weiter. So haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben. Auch hat die für Menschenrechtsverletzungen bekannte und schiitische Miliz Asa`ib Ahl al-Haqq in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A`amel, 9 Nissan, Dora und Sha`ab. Zum Teil ist die Miliz einflussreicher als die örtliche Polizei. Die vielen nach Bagdad strömenden Flüchtlinge (ca. 570.000) -
81Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 15; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 40 -
82verschärfen die Spannungen noch zusätzlich. Teilweise kommt es zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen. Die Stadt Bagdad ist auch in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitsche Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zugenommen haben und es immer weniger gemischte Viertel gibt.
83Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 22 und 23 m.w.N..
84Allerdings liegen der Kammer belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Sunniten generell in der Stadt Bagdad, d. h. auch in den (noch) vorhandenen sunnitisch dominierten Viertel durch schiitische Milizen oder andere nicht staatliche Akteure allein wegen ihres Glaubens gezielt und systematisch in dem oben genannten Sinne, d. h. mit der erforderlichen Verfolgungsdichte verfolgt werden, nicht vor.
85Vgl. ebenso: VG Augsburg, Urteil vom 11. Juli 2016 – Au 5 K 16.30604 -, juris Rn. 26 f. unter Bezugnahme auf BayVGH, Urteil vom 9. Januar 2012 – 13a B 11.30277 – juris Rn. 15.; VG Augsburg, Urteil vom 2. April 2015 – Au 5 K 14.30142-, S. 7, 8 des Urteilsabdrucks.
86Die Stadt Bagdad ist gegenwärtig auch nicht von den Kampfhandlungen zwischen dem IS und dem irakischen Militär sowie den kurdischen Peschmerga betroffen.
87Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 12.
88Es bestehen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt Bagdad für den Kläger zu 1. deshalb nicht „sicher“ im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG sein sollte, weil er – wie unten näher auszuführen ist – zuletzt in Mosul als Bote für die „J. K1. V. “ tätig gewesen ist und in diesem Zusammenhang auch Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee mit seinem privaten PKW von Mosul nach Bagdad und zurück transportiert hat. Soweit der Kläger zu 1. wegen dieser Tätigkeit einer Verfolgung in seiner Heimatstadt Mosul durch nichtstaatliche Akteure, namentlich den IS, ausgesetzt gewesen ist, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass ihm deswegen eine individuelle Verfolgung durch den IS auch in Bagdad drohen wird. Zwar ist Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten, wobei bei vielen der Anschläge religiöse oder politische Motive zu vermuten sind. Zu vielen der Anschläge bekennt sich auch der IS als Initiator.
89Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 22.
90Anhaltspunkte dafür, dass der IS dabei aber gezielt gegen einzelne von ihm ins Visier geratene Personen vorgeht, liegen der Kammer indes nicht vor. Es stellt sich vielmehr so dar, dass der IS unterschiedslos gegen sämtliche vermeintliche Gegner des von ihm erstrebten Kalifat-Staats vorgeht und seine Anschläge in Bagdad weitgehend wahllos vornimmt.
91(2.) Die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines internen Schutzes i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen im Falle des Klägers zu 1. ebenfalls vor.
92Der Kläger zu 1. kann die Stadt Bagdad sicher und legal erreichen. Bagdad wird über den dortigen Flughafen Bagdad International Airport regelmäßig von europäischen Luftfahrtgesellschaften angeflogen.
93Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 20.
94Der Flugverkehr ist gegenwärtig uneingeschränkt möglich. Eines Visums für die Einreise bedarf der Kläger zu 1. als irakischer Staatsangehöriger – anders als ggf. für die autonome Region Kurdistan – nicht. Auch bestehen für einen Zuzug in die Provinz Bagdad keine Zugangs- oder Registrierungsbeschränkungen.
95Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte 2010-2012, Juni 2013, S. 27.
96Es ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. in der Stadt Bagdad auch (langfristig) Aufnahme finden wird. Er hat zwar nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung keine Verwandten und Bekannten in Bagdad, die ihm bei seiner erstmaligen Niederlassung in Bagdad Hilfestellung leisten könnten. Nach den Erkenntnissen ist aber davon auszugehen, dass er als aus Mosul, Niniveh stammender 29-jähriger alleinstehender arabischer Mann sunnitischen Glaubens in einem der sunnitschen Wohnviertel in Bagdad eine Wohnung finden wird.
97Es kann von dem Kläger zu 1. auch erwartet werden, dass er sich in Bagdad niederlässt. Die Inanspruchnahme einer internen Fluchtalternative in Bagdad ist für den Kläger zu 1. ebenso möglich und zumutbar, wie für viele andere Iraker, die die vom Vormarsch des IS und den damit verbundenen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen Provinzen (etwa Anbar, Niniveh, Salah Al-Din oder Diyala) seit Anfang 2014 verlassen und in Bagdad Zuflucht gesucht haben. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Aufnahmekapazitäten für Binnenvertriebene in der Stadt Bagdad zum gegenwärtigen Zeitpunkt erschöpft sind, bestehen nicht.
98Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 40.
99Es besteht auch kein Anhalt dafür, dass das wirtschaftliche Existenzminimum des Klägers zu 1. in Bagdad nicht gesichert wäre. Mit Blick auf die persönlichen Umstände des Klägers zu 1. geht die Kammer davon aus, dass der knapp 30 Jahre alte erwerbsfähige Kläger zu 1., der eine abgeschlossene Berufsausbildung im Computerbereich hat und zudem nach eigenen Angaben im Friseurhandwerk angelernt wurde, trotz der angespannten sozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Lage in Bagdad im Falle einer Rückkehr nach Bagdad dort seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen können wird. Soweit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar möglich ist, ist zu berücksichtigen, dass von der irakischen Regierung auch Lebensmittelgutscheine für Bedürftige ausgegeben werden (Public Distribution System).
100Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 18; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 46.
101Im Übrigen wird die – infolge der landesweiten Fluchtbewegungen im Irak – angespannte Versorgungslage auch durch umfangreiche internationale Hilfsprogramme (z. B. United Nations World Food Programme und seine Partnerorganisationen) sowohl im Bereich der Versorgung mit Nahrungsmitteln als auch der Gesundheitsversorgung u. a. auch in Bagdad abgemildert.
102Vgl. etwa United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Iraq Crisis, Situation Report No. 34 (28.02.-06.03.2015) and No. 35 (07.-13.03.2015), http.//www.uniraq.org < Humanitarian Assistance > Factsheets and Reports.
103Es ist auch weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb dem Kläger zu 1. die Niederlassung in Bagdad aus persönlichen Gründen unzumutbar sein sollte.
104II. Dem Hilfsantrag gerichtet auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
105Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz).
106Zwar spricht vorliegend vieles dafür, dass dem Kläger zu 1. im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in seiner Herkunftsregion (Stadt Mosul/Provinz Ninivehh),
107vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 = juris, Rn. 13 ff., wonach für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 AsylG auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt,
108ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG – sei es in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sei es wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht.
109Vgl. zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Niniveh auch: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
110Der Kläger zu 1. hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass ihm wegen seiner Tätigkeit als Bote für die „J. K1. V. “ und wegen der in diesem Zusammenhang praktizierten Mitfahrgelegenheit für Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee von Mosul nach Bagdad und zurück in Mosul ein ernsthafter Schaden, namentlich Folter oder unmenschliche / erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr.3 AsylG, namentlich durch Anhänger des IS gedroht hat und er deshalb vorverfolgt ausgereist ist.
111Der Kläger zu 1. hat insoweit glaubhaft dargelegt, dass er die vorbeschriebene Tätigkeit für die „J. K1. V. “ ausgeübt und in diesem Zusammenhang auch als Mitfahrgelegenheit für Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee von Mosul nach Bagdad und zurück fungiert hat. Sein dementsprechender ausführlicher Vortrag in der mündlichen Verhandlung war – mit Ausnahme der Schilderung der Detonation der Autobombe am 24. Juni 2013, welche gegenüber seinem Vortrag beim Bundesamt gesteigert und gegenüber den Angaben in der Klagebegründung widersprüchlich und damit unglaubhaft war – detailreich und widerspruchsfrei und hat die Kammer von der Wahrheit seiner Schilderungen überzeugt. Dass die Kammer dem Kläger zu 1. demgegenüber seinen Vortrag betreffend die Detonation der Autobombe am 24. Juni 2013 nicht abgenommen hat, führt indes hier nicht auf seine insgesamte Unglaubwürdigkeit und nicht auf eine Unglaubhaftigkeit seiner Aussage insgesamt. Denn im Übrigen war sein Vortrag sehr ausführlich und schlüssig und ließ den Schluss zu, dass er von tatsächlich Erlebtem berichtete.
112Die Kammer ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zu 1. vorverfolgt ausgereist ist. Denn nach den vorliegenden Erkenntnissen ist es plausibel, dass der IS mit Einmarsch in die Stadt Mosul und Übernahme sämtlicher offizieller behördlicher Dokumente und Informationen Kenntnis von der beruflichen Tätigkeit des Klägers zu 1. erlangt und deshalb die Suche nach ihm aufgenommen hat.
113Es ist auch gerichtsbekannt, dass der IS im Irak massive Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Exekutionen gegen jedwede vermeintliche Regime-Gegner begeht, mithin auch gegen jedweden Unterstützer des irakischen Sicherheitsapparats sowie der irakischen Presse.
114Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 4 f., 13; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 33 f.
115Der irakische Staat ist auch nicht in der Lage, der Zivilbevölkerung Schutz vor den Repressalien des IS zu gewähren.
116Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 7, 8, 12, 13
117Die Zuerkennung subsidiären Schutzes scheidet vorliegend aber gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG aus, weil für den Kläger zu 1. – wie oben bereits ausgeführt – in Bagdad eine innerstaatliche Fluchtalternative (interner Schutz) besteht.
118III. Dem Kläger zu 1. steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.
1191. Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK scheidet aus denselben Erwägungen wie die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG aus. Denn der sachliche Regelungsbereich der Vorschrift ist weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG und geht, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht über diesen hinaus.
120Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25; und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 =, juris, Rn. 36.
121Aufgrund der Erkenntnislage ist insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die allgemeinen sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Irak – landesweit – so schlecht sind, dass wegen der Annahme eines außergewöhnlichen Falls nach Art. 3 EMRK ausnahmsweise von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsste.
122Vgl. hierzu: EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8219/07, Sufi und Elmi -, NVwZ 2012, 681.
1232. Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
124Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
125Für das Vorliegen einer individuell-konkreten Gefahr in diesem Sinne bestehen aus den o.g. Gründen keine Anhaltspunkte.
126Der Kläger zu 1. kann nationalen Abschiebungsschutz auch weder aus der seit dem Vormarsch des IS massiv verschlechterten allgemeinen Sicherheitslage noch aus den allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere den wirtschaftlichen Existenzbedingungen im Irak herleiten.
127Dem steht bereits die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegen, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
129Davon ausgehend ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG hier kein Raum. Denn in Nordrhein-Westfalen besteht nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. N. /1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu der Kläger zu 1. nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
130Unabhängig davon lässt sich aus den o.a. Gründen auch nicht feststellen, dass sich die allgemeine Sicherheits- oder Wirtschaftslage im Irak – landesweit – zu einer extremen Gefahrenlage verdichtet hätte, die bei verfassungskonformer Auslegung eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG begründen und ausnahmsweise zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könnte.
131Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
132B. I. Der Hauptantrag der Klägerin zu 2. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG hat keinen Erfolg. Der Klägerin zu 2. steht ein entsprechender Anspruch nicht zu.
133Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
134Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
135Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
136Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.d § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Wegen der weiteren Maßstäbe wird auf die obigen Ausführungen zum Kläger zu 1. verwiesen.
137Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens der Klägerin zu 2. ist ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
1381. Zunächst ist nicht festzustellen, dass der Klägerin zu 2. wegen ihres christlichen Glaubens bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
139Die Klägerin zu 2. hat dem Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass sie im Irak in Anknüpfung an ihren christlichen Glauben individuell verfolgt war bzw. im Falle ihrer Rückkehr sein wird. Sie hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, keine fromme Christin zu sein und den christlichen Glauben weder heimlich zu leben noch zu praktizieren. Diese Angaben wurden bestätigt durch den gesondert vernommenen Kläger zu 1. Anders als die Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung vorgetragen hat, ist auch nicht zu erkennen, aus welchen Gründen der IS die ihren Papieren nach offiziell muslimisch-gläubige Klägerin zu 2. gleichwohl in Anknüpfung an den von ihr nicht gelebten und praktizierten christlichen Glauben im Irak verfolgen sollten, wenn dies nicht nach außen erkennbar ist.
1402. Die Klägerin zu 2. ist auch nicht in Anknüpfung daran die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, dass sie ihre Familie ohne deren Einwilligung verlassen hat und mit ihrem „nur“ nach muslimischen Ritus angetrauten Ehemann, dem Kläger zu 1., geflohen ist. Denn dies vermittelt ihr nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. E. i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.
141Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn (a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und (b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AsylG).
142Dieser Begriffsdefinition unterfällt die Klägerin zu 2. – ihren Vortrag, dass sie ohne die Einwilligung ihrer Familie diese verlassen hat und sie deswegen nunmehr Repressalien durch ihre Familie ausgesetzt ist, als wahr unterstellt – nicht. Denn die behauptete Verfolgung durch ihre Familie knüpft nicht an ihr Geschlecht als Frau an, sondern vielmehr an ihr Verhalten, ohne Einwilligung der Familie diese verlassen zu haben. Dies führt aber nicht auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in dem oben genannten Sinne.
143II. Der Hilfsantrag gerichtet auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG hat ebenfalls keinen Erfolg.
144Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz).
145Die Klägerin zu 2. hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen können, dass ihr im Falle ihrer Rückkehr in den Irak dort ein ernsthafter Schaden in dem o. g. Sinne durch einen tauglichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG droht.
146Der Vortrag der Klägerin zu 2., ihre Familie, insbesondere ihre fünf Brüder würden sie im Falle ihrer Rückkehr umbringen, weil sie ihre Familie ohne deren Einwilligung verlassen habe und sie mit ihrem nur nach muslimischem Brauch angetrauten Ehemann, dem Kläger zu 1., mitgegangen sei, ist unglaubhaft. Es erscheint bereits nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. über die Dauer von fünf Jahren eine außereheliche Beziehung in Kenntnis der Eltern der Klägerin zu 2. geführt haben wollen, diese aber während der gesamten fünf Jahre hiergegen nicht eingeschritten sein sollen. Dass die Familie der Klägerin zu 2., insbesondere ihre Brüder, ihr wegen der unehelichen Beziehung zu dem Kläger zu 1. erstmals jetzt, d. h. nachdem sie ihre Familie und den Irak verlassen hat, drohen, ist nicht glaubhaft. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen hätte es vielmehr nahe gelegen, dass die Familie der Klägerin zu 2. bereits viel früher Druck auf den Kläger zu 1. und dessen Familie und/oder auf die Klägerin zu 2. selbst ausgeübt und versucht hätte, diese – nach traditionell-patriarchalischen Vorstellungen – anrüchige außereheliche Beziehung mit allen Mitteln zu unterbinden. Hierzu ist die Klägerin zu 2. indes jegliche Aussage schuldig geblieben. Die Angabe, ihr Vater sei absolut gegen die Beziehung gewesen, bleibt insgesamt vage und wenig aussagekräftig. Trotz mehrfacher Nachfragen in der mündlichen Verhandlung konnte die Klägerin zu 2. hierzu keine detaillierteren Angaben machen. Unterstrichen wurde dieser Eindruck dadurch, dass die Angaben der Klägerin zu 2. insgesamt oberflächlich und wenig detailreich waren und nur auf mehrfache Nachfragen hin erfolgt sind.
147III. Der weitere Hilfsantrag der Klägerin zu 2. auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG hingegen hat Erfolg.
148Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin zu 2. auch einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat. Denn ihr steht jedenfalls ein solcher nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
149Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
150In Bezug auf die Klägerin zu 2. besteht im Falle ihrer Rückkehr in den Irak eine erhebliche konkrete Gefahr in dem vorgenannten Sinne.
151Die Klägerin zu 2. gilt im Irak als eine unverheiratete, d. h. alleinstehende und alleinerziehende Frau mit einem unehelichen, sechs Monate alten Kind. Denn die nur nach muslimischem Ritus vor dem Imam geschlossene Ehe mit dem Kläger zu 1. findet im Irak rechtlich keine Anerkennung.
152Gemäß § 3 Abs. 1 des Irakischen Gesetzes über das Personalstatut (IrakPStG), Gesetz Nr. 188 von 1959 i.d.F. der beiden Änderungsgesetze Nr. 11 von 1963 und Nr. 21 von 1978 ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, durch den der Verkehr zwischen ihnen gesetzmäßig wird und der die Begründung des gemeinschaftlichen Lebens und die Aufziehung der Kinder bezweckt. Gemäß § 4 IrakPStG wird die Ehe geschlossen durch ein Angebot, das die eine Partei in Worten oder einem mit üblicher Unterschrift versehenen Schriftstück abgibt, und die Annhame desselben durch die andere Partei oder ihren Vertreter. Gemäß § 6 IrakPStG müssen u.a. das Angebot und die Annahme in der gleichen Sitzung erfolgt sein und der Ehevertrag muss durch zwei geschäftsfähige Zeugen bestätigt werden. Gemäß § 10 IrakPStG wird die Eheschließung bei Vorlage gewisser weiterer Bedingungen (z.B. Einreichung einer von den Parteien unterschriebenen und zwei achtbaren Personen bescheinigten Erklärung, aus der sich die Identität der Parteien, ihr Alter, der Betrag der Morgengabe und das Fehlen eines scheriatsrechtlichen Ehehindernisses ergeben) bei dem zuständigen Gericht in ein besonderes Register (Heiratsbuch) eingetragen und den Ehegatten wird eine Heiratsurkunde ausgehändigt.
153Vgl. Bergmann/Ferid/Henirch, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ordner VII, Indien – Iran, Stand: Teil III: 1986/30.09.1991, S. 10 ff.
154Ein derartiges Prozedere haben die Kläger nach ihrem – insoweit glaubhaften Vortrag – nicht durchlaufen. Sie haben lediglich vor dem Imam das Eheversprechen nach muslimischem Ritus abgegeben. Dies reicht nach dem Vorstehenden indes nicht für eine rechtliche Anerkennung der Eheschließung.
155Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen ist es im Irak derzeit für alleinstehende Frauen mit unehelichem Kind nahezu unmöglich, ohne die Unterstützung der Familie und/oder der Gesellschaft zu leben. Frauen mit unehelichen Kindern sind im Irak mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Frauen, die uneheliche Kinder haben, können wegen unehelichen Geschlechtsverkehrs inhaftiert und verurteilt werden. Es droht ihnen Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Prügelstrafe / körperliche Züchtigung. Unverheiratete Mütter werden von ihren Familien und der Gemeinschaft diskriminiert, stigmatisiert und isoliert. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Ehrenmord kommen. Da die Staatsbürgerschaft über die Väter weitergegeben wird, bleiben unehelich geborene Kinder in der Regel staatenlos. Auch wenn die Frauen – wie die Klägerin zu 2. – in religiösen Zeremonien verheiratet sind, können sie die Herkunft ihrer Kinder nicht beweisen. Die Kinder sind staatenlos, erhalten keine Papiere und haben auch keinen Zugang zu staatlichen Institutionen wie Schule oder medizinischer Versorgung.
156Vgl. Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 15. Januar 2015 zu Irak: Zwangsheirat m.w.N.
157Der Feststellung des nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht ausnahmsweise auch nicht die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegen, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
158Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
159In Nordrhein-Westfalen besteht zwar nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. N. /1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu die Klägerin zu 2. nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
160Gleichwohl ist die Feststellung eines Abschiebungsverbotes in Bezug auf die Klägerin zu 2. vorliegend geboten. Denn es geht hier um einen individuellen Einzelfall, der von der dem Erlass zu Grunde liegenden Regelungsgegenstand („Gefahr, der die irakische Bevölkerung insgesamt oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist“) nicht erfasst wird.
161Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
162Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender teilweiser Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2016 verpflichtet, festzustellen, dass hinsichtlich der Klägerin zu 2. ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger zu 1. zu ½, die Klägerin zu 2. zu 2/6 und die Beklagte zu 1/6.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der am 28. K. 1987 in Mosul, Irak geborene Kläger zu 1. ist irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Die am 5. N. 1989 in Mosul, Irak geborene Klägerin zu 2. ist ebenfalls irakische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit. Sie wurde als Kleinkind aramäisch-christlich getauft. Im Jahre 2007 konvertierte ihre gesamte Familie aus Furcht vor Verfolgung offiziell zum Islam, ohne den muslimischen Glauben ernstlich angenommen zu haben. Ihre Eltern leben und praktizieren im Verborgenen nach wie vor den christlichen Glauben. Nach eigenen Angaben ist sie selber aber keine fromme Christin. Die Kläger sind nach muslimischem Ritus verheiratet und haben einen gemeinsamen sechs Monate alten Sohn. Nach eigenen Angaben haben die Kläger Mosul im Juni 2014 verlassen und sind für die Dauer eines Jahres in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Sulaymaniyah untergekommen. In Sulaymaniyah selbst hätten sie mangels Bürgen nicht einreisen dürfen. Die Lebensbedingungen in dem Flüchtlingslager seien jedoch unmenschlich gewesen, sodass sie von dort aus im Juni 2015 nach Europa geflohen seien.
3Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge am 26. Juli 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 16. November 2015 einen Asylantrag.
4Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger zu 1. im Kern an, den Irak verlassen zu haben, weil er wegen seiner Tätigkeit in den Jahren 2010 bis 2014 als „Correspondent“, d. h. als Bürobote für die Gewerkschaft „J. K1. V. “ dort Verfolgung durch Anhänger des IS ausgesetzt gewesen sei. Im Arabischen bedeute „Correspondent“ Bürobote. Als Bürobote habe er die beiden Sitze der Gewerkschaft in Bagdad und Mosul wechselseitig mit Post und Informationen beliefert. Wenn er im Rahmen seiner Botentätigkeit presserelevante Informationen erlangt habe, sei er darüber hinaus auch berechtigt gewesen, Bildaufnahmen zu fertigen und gesperrte Gebiete zu betreten.
5Die Klägerin zu 2. gab im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt im Wesentlichen an, den Irak verlassen zu haben, weil ihr Ehemann wegen seiner Tätigkeit als „Bote“ für die Journalisten durch Anhänger des IS verfolgt gewesen sei. Er habe Sachen und Personen von der irakischen Polizei und Armee von Mosul nach Bagdad transportiert und umgekehrt. Darüber hinaus habe ihr wegen ihrer christlichen Religionszugehörigkeit Verfolgung durch Anhänger des IS gedroht. Deshalb hätten sie und ihre Familie offiziell in ihren Ausweisen den Islam als Religion eintragen lassen. Allerdings sei es unter dem Regime des IS so gewesen, dass sich alle Frauen hätten voll verschleiern müssen, weshalb sie auch als Frau Angst gehabt habe. Ihr selber sei der christliche Glaube nicht wichtig gewesen.
6Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2016, zugestellt am 5. Februar 2016, wurde der Asylantrag der Kläger abgelehnt, Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf die Kläger nicht vorliegen. Zudem wurden die Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss eines etwaigen Klageverfahrens zu verlassen; anderenfalls wurde die Abschiebung der Kläger in den Irak oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Gleichzeitig wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
7Die Kläger haben am 11. Februar 2016 Klage erhoben.
8Zu deren Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Die Klägerin zu 2. sei aramäische Christin und stamme aus Mosul. Ihre gesamte Familie sei im Jahre 2007 aus Angst vor Verfolgung durch den IS zum Islam konvertiert, habe aber den christlichen Glauben heimlich weiter praktiziert. Ihre Angabe, dass ihr der christliche Glaube nicht wichtig gewesen sei, könne indes nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass dies die asylrechtliche Relevanz ausschließe. Denn für die Verfolgung der Christen durch den IS reiche allein schon die Tatsache der christlichen Taufe aus. Der Kläger zu 1. sei sunnitischen Glaubens und habe in Mosul zuletzt als Journalist gearbeitet. Am 24. Juni 2013 sei er mit dem PKW und einem Beifahrer sowie drei Soldaten als Mitfahrgelegenheit von Mosul nach Bagdad unterwegs gewesen. Man habe Halt an einem Restaurant gemacht. Als sie das Restaurant wieder verlassen hätten, seien sie von anderen Restaurantbesuchern darauf aufmerksam gemacht worden, dass Unbekannte in der Zwischenzeit etwas unter das Auto gelegt hätten. Die Soldaten hätte daraufhin die nächste Armeestation informiert und von dort sei der Bombenräumdienst geschickt worden, der die Bombe mittels eines Robotors gesichert ausgelöst habe.
9Die Kläger beantragen,
10die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1, 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2016 zu verpflichten,
11ihnen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
12hilfsweise, ihnen subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
13äußerst hilfsweise festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung beruft sie sich auf die Angaben im angefochtenen Bescheid.
17Die Kammer hat mit Beschluss vom 12. September 2016 den Klägern für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
18Die Erkenntnisse über die politische Situation im Irak, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, sind in das Verfahren eingeführt worden.
19Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung eingehend zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
20Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Einzelrichterin konnte anstelle der Kammer entscheiden, weil diese ihr das Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen hat.
23Es konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden, weil diese in der Ladung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
24Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
25Hinsichtlich des Klägers zu 1. ist der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2016 rechtmäßig und verletzt ihn nicht seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger zu 1. hat in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (I.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG (II.), noch kann er die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen (III.) (A.).
26Die Klägerin zu 2. hat in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) zwar ebenfalls weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (I.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG (II.). Sie kann jedoch die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen (III.). Insoweit ist der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 2. in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Ziffern 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheides sind mithin entsprechend zu ändern bzw. aufzuheben (B.).
27Maßgeblich für die Beurteilung der Klagebegehren ist das Asylgesetz in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
28A. I. Der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG hat keinen Erfolg. Dem Kläger zu 1. steht ein entsprechender Anspruch nicht zu.
29Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
31Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
32Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.d § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
33Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.2 -, NVwZ 2013, 936 = juris, Rn. 19.
35Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06. A - , juris, Rn. 35 ff.
37Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
38Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
39Es obliegt dabei dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.
40Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2013 – A 12 S 2023/11 – juris; Hessischer VGH, Urteil vom 4. September 2014 – 8 A 2434/11.A – juris.
41Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
42Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers zu 1. ist ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
431. Es ist zunächst nicht festzustellen, dass dem Kläger zu 1. wegen seiner Botentätigkeit für die „J. K1. V. “ und seiner Tätigkeit als Mitfahrgelegenheit für irakische Soldaten und Polizisten bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
44Denn diese Tätigkeit vermittelt ihm nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. E. AsylG.
45Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn (a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und (b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AsylG).
46Dieser Begriffsdefinition unterfällt der Kläger zu 1. – seinen Vortrag, dass er bis zuletzt in Mosul als Bote für die „J. K1. V. “ gearbeitet und in diesem Zusammenhang irakische Soldaten und Polizisten in seinem privaten PKW von Mosul nach Bagdad und umgekehrt transportiert hat, als wahr unterstellt – nicht. Denn einzig die Arbeit des Klägers zu 1. als Bote für die „J. K1. V. “ führt nicht auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in dem oben genannten Sinne. Mitarbeiter einer Journalistengewerkschaft teilen weder angeborene Merkmale noch einen gemeinsamen, nicht veränderlichen Hintergrund, noch Merkmale / eine Glaubensüberzeugung, die so bedeutsam für ihr/e Identität / Gewissen wären, dass der Einzelne nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Selbiges gilt in Bezug auf seine Tätigkeit als Mitfahrgelegenheit für Mitglieder der irakischen Streitkräfte bzw. der Polizei. Der Kläger zu 1. hat – was gegebenenfalls auf das Merkmal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe führen könnte –
47vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 18. Dezember 2013 – W 1 K 13.30033 -, juris Rn. 22, 23 (Afghanistan) –
48auch nichts dafür vorgetragen, dass er deswegen für die „J. K1. V. “ und als Mitfahrgelegenheit für Mitglieder der irakischen Streitkräfte / Polizei gearbeitet hat, weil er mit ihnen das Merkmal der politischen Gegnerschaft im Sinne einer andersartigen Überzeugung, Meinung oder Grundhaltung teilt.
492. Es ist darüber hinaus auch nicht festzustellen, dass dem Kläger zu 1. wegen seines sunnitischen Glaubens bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
50Der Kläger zu 1. hat dem Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass er im Irak in Anknüpfung an seinen sunnitischen Glauben individuell verfolgt war bzw. im Falle seiner Rückkehr sein wird. Einen diesbezüglichen Vortrag ist der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung, in der er umfassend angehört wurde und in der er umfangreich vorgetragen hat, insgesamt schuldig geblieben.
51Zu Gunsten des Klägers zu 1. ist auch nicht von einer Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak durch nicht staatliche Akteure auszugehen. Der Kläger zu 1. trägt in diesem Zusammenhang vor, er sei wegen seines auf seinen sunnitischen Glauben schließen lassenden Vornamens „P. “ im Falle seiner Rückkehr in den Irak und Einreise über den Flughafen in Bagdad einer Verfolgung durch schiitische Milizen oder die größtenteils schiitisch geprägte irakische Regierung ausgesetzt und werde in Anknüpfung an seinen sunnitischen Glauben unmittelbar bei der Einreise getötet werden.
52Zwar kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms -,
53vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204> -
54ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die „Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt.
55Vgl. BVerwG; Urteil vom 18. Juli 2006 – BVerwG 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 <249> Rn. 20.
56Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
57Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>.
59Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst, c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst, c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.
61Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst, a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24.
63An diesen für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11.08 -, juris.
65Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine landesweit drohende Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak (derzeit noch) nicht feststellen.
66Zwar ist nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass eine an die Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung von Sunniten im Irak derzeit in ehemals von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) besetzten Teilen des Landes erfolgt und damit auch dem Kläger zu 1. im Falle einer Rückkehr in seine Heimatstadt Mosul mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde.
67Mit dem Ausbruch der Kämpfe der - sich aus fanatischen sunnitischen Muslimen rekrutierenden - Terrorgruppe IS im Irak im Juni 2014 wurden in weiten Teilen des Landes schiitische Milizen mobilisiert, die Racheakte einschließlich Vertreibungsaktionen gegen sunnitische Iraker begehen.
68Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 12.
69Häufig handelt/e es sich um Racheakte unmittelbar nach Kämpfen gegen den IS, denen schiitische Milizionäre zum Opfer gefallen waren. Dabei genügte als Motiv für schwere Verbrechen meist schon der Verdacht, dass die lokale sunnitische Bevölkerung die Jihadisten unterstützte.
70Vgl. „Die Volksmobilisierung im Irak – Das schiitische Milizenbündnis al-Hashd ash-Sha´bi beschleunigt den Zerfall des Staates“, von: Dr. Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP-Aktuell 52, August 2016); „Schiiten-Milizen vor Ramadi – Aufmarsch der Todes-Schwadronen“, von: Raniah Salloum, in: Spiegel Online, 22. Mai 2015, 13:39 Uhr, abrufbar unter: www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-schiiten-milizen-sollen-ramadi-retten-a-1034901-druck.html; „UN: Sunniten im Irak werden Opfer von Vergeltung“, veröffentlicht am 5. Dezember 2015 in: http://www.islamische-zeitung.de/un-sunniten-im-irak-werden-opfer-von-vergeltung/
71Die Übergriffe beschränken sich nach den Erkenntnissen der Kammer weitgehend auf sunnitische Muslime in ehemals vom IS kontrollierten und nunmehr zurückeroberten Gebieten des Irak. Grund für die Repressalien durch irakische und kurdische Sicherheitskräfte sowie verbündete schiitische Milizen ist der Vorwurf, die dort ansässigen Sunniten hätten die Terrormiliz IS unterstützt.
72Vgl. „UN: Sunniten im Irak werden Opfer von Vergeltung“, veröffentlicht am 5. Dezember 2015 in: http://www.islamische-zeitung.de/un-sunniten-im-irak-werden-opfer-von-vergeltung/ und veröffentlich am 4. Dezember 2015 in: http://archiv.cibedo.de/aktuelle19.html
73Nach der Rückeroberung zahlreicher vom IS besetzter Gebiete im Laufe der Jahre 2015 und 2016 durch die irakischen Streitkräfte und deren Verbündete, hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die irakische Zentralregierung im Zusammenwirken mit den kurdischen Peschmerga, den schiitischen Milizen sowie der internationalen Anti-IS-Koalition eine Vertreibungsaktion gegen den IS in Mosul, der Heimatstadt des Klägers zu 1., gestartet. Zwar wird diese Großoffensive gegen den IS in Mosul aller Voraussicht nach noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für den Fall einer erfolgreichen Rückeroberung Mosuls und einer Befreiung der Stadt vom IS ist jedoch nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass auch in Mosul sunnitische Muslime – und damit auch der Kläger zu 1. – mit Racheakten durch irakische und kurdische Sicherheitskräfte sowie verbündete schiitische Milizen zu rechnen haben.
74Der Frage, ob damit bereits die oben näher dargelegten Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung von Sunniten in der Heimatstadt des Klägers zu 1., Mosul, vorliegen, brauchte die Kammer indes nicht weiter nachzugehen.
75Denn selbst wenn man zu Gunsten des Klägers zu 1. eine solche Gruppenverfolgung von Sunniten in Mosul annähme, könnte er die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG nicht für sich beanspruchen, weil nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen derzeit nicht festzustellen ist, dass eine Gruppenverfolgung von Sunniten durch nicht staatliche Akteure im Irak auchlandesweit droht. Vielmehr steht dem Kläger zu 1. ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG offen. Die Stadt Bagdad stellt für den Kläger zu 1. eine von Deutschland aus erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative dar (interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG).
76Nach § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 RL 2011/95/EU) wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwarten kann, dass er sich dort niederlässt.
77Die Stadt Bagdad bietet für den Kläger zu 1. unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse über die dortigen Gegebenheiten sowie insbesondere seiner persönlichen Umstände (vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 RL 2011/95/EU) internen Schutz im Sinne dieser Bestimmung.
78(1.) Nach der Erkenntnislage ist die Stadt Bagdad für den Kläger zu 1. gegenwärtig (noch) als sicher i.S.d. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu bezeichnen.
79Die Stadt Bagdad hat eine Gesamtbevölkerung von circa 6,5 Millionen Einwohnern, die sich aus etwa 70 % Schiiten, circa 29 % Sunniten und circa 1 % aus anderen religiösen Minderheiten zusammensetzt.
80Zwar verschärft sich die Lage für Sunniten in der Stadt Bagdad weiter. So haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben. Auch hat die für Menschenrechtsverletzungen bekannte und schiitische Miliz Asa`ib Ahl al-Haqq in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A`amel, 9 Nissan, Dora und Sha`ab. Zum Teil ist die Miliz einflussreicher als die örtliche Polizei. Die vielen nach Bagdad strömenden Flüchtlinge (ca. 570.000) -
81Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 15; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 40 -
82verschärfen die Spannungen noch zusätzlich. Teilweise kommt es zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen. Die Stadt Bagdad ist auch in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitsche Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zugenommen haben und es immer weniger gemischte Viertel gibt.
83Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 22 und 23 m.w.N..
84Allerdings liegen der Kammer belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Sunniten generell in der Stadt Bagdad, d. h. auch in den (noch) vorhandenen sunnitisch dominierten Viertel durch schiitische Milizen oder andere nicht staatliche Akteure allein wegen ihres Glaubens gezielt und systematisch in dem oben genannten Sinne, d. h. mit der erforderlichen Verfolgungsdichte verfolgt werden, nicht vor.
85Vgl. ebenso: VG Augsburg, Urteil vom 11. Juli 2016 – Au 5 K 16.30604 -, juris Rn. 26 f. unter Bezugnahme auf BayVGH, Urteil vom 9. Januar 2012 – 13a B 11.30277 – juris Rn. 15.; VG Augsburg, Urteil vom 2. April 2015 – Au 5 K 14.30142-, S. 7, 8 des Urteilsabdrucks.
86Die Stadt Bagdad ist gegenwärtig auch nicht von den Kampfhandlungen zwischen dem IS und dem irakischen Militär sowie den kurdischen Peschmerga betroffen.
87Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 12.
88Es bestehen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt Bagdad für den Kläger zu 1. deshalb nicht „sicher“ im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG sein sollte, weil er – wie unten näher auszuführen ist – zuletzt in Mosul als Bote für die „J. K1. V. “ tätig gewesen ist und in diesem Zusammenhang auch Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee mit seinem privaten PKW von Mosul nach Bagdad und zurück transportiert hat. Soweit der Kläger zu 1. wegen dieser Tätigkeit einer Verfolgung in seiner Heimatstadt Mosul durch nichtstaatliche Akteure, namentlich den IS, ausgesetzt gewesen ist, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass ihm deswegen eine individuelle Verfolgung durch den IS auch in Bagdad drohen wird. Zwar ist Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten, wobei bei vielen der Anschläge religiöse oder politische Motive zu vermuten sind. Zu vielen der Anschläge bekennt sich auch der IS als Initiator.
89Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 22.
90Anhaltspunkte dafür, dass der IS dabei aber gezielt gegen einzelne von ihm ins Visier geratene Personen vorgeht, liegen der Kammer indes nicht vor. Es stellt sich vielmehr so dar, dass der IS unterschiedslos gegen sämtliche vermeintliche Gegner des von ihm erstrebten Kalifat-Staats vorgeht und seine Anschläge in Bagdad weitgehend wahllos vornimmt.
91(2.) Die weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines internen Schutzes i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen im Falle des Klägers zu 1. ebenfalls vor.
92Der Kläger zu 1. kann die Stadt Bagdad sicher und legal erreichen. Bagdad wird über den dortigen Flughafen Bagdad International Airport regelmäßig von europäischen Luftfahrtgesellschaften angeflogen.
93Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 20.
94Der Flugverkehr ist gegenwärtig uneingeschränkt möglich. Eines Visums für die Einreise bedarf der Kläger zu 1. als irakischer Staatsangehöriger – anders als ggf. für die autonome Region Kurdistan – nicht. Auch bestehen für einen Zuzug in die Provinz Bagdad keine Zugangs- oder Registrierungsbeschränkungen.
95Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte 2010-2012, Juni 2013, S. 27.
96Es ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger zu 1. in der Stadt Bagdad auch (langfristig) Aufnahme finden wird. Er hat zwar nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung keine Verwandten und Bekannten in Bagdad, die ihm bei seiner erstmaligen Niederlassung in Bagdad Hilfestellung leisten könnten. Nach den Erkenntnissen ist aber davon auszugehen, dass er als aus Mosul, Niniveh stammender 29-jähriger alleinstehender arabischer Mann sunnitischen Glaubens in einem der sunnitschen Wohnviertel in Bagdad eine Wohnung finden wird.
97Es kann von dem Kläger zu 1. auch erwartet werden, dass er sich in Bagdad niederlässt. Die Inanspruchnahme einer internen Fluchtalternative in Bagdad ist für den Kläger zu 1. ebenso möglich und zumutbar, wie für viele andere Iraker, die die vom Vormarsch des IS und den damit verbundenen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen Provinzen (etwa Anbar, Niniveh, Salah Al-Din oder Diyala) seit Anfang 2014 verlassen und in Bagdad Zuflucht gesucht haben. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Aufnahmekapazitäten für Binnenvertriebene in der Stadt Bagdad zum gegenwärtigen Zeitpunkt erschöpft sind, bestehen nicht.
98Vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 40.
99Es besteht auch kein Anhalt dafür, dass das wirtschaftliche Existenzminimum des Klägers zu 1. in Bagdad nicht gesichert wäre. Mit Blick auf die persönlichen Umstände des Klägers zu 1. geht die Kammer davon aus, dass der knapp 30 Jahre alte erwerbsfähige Kläger zu 1., der eine abgeschlossene Berufsausbildung im Computerbereich hat und zudem nach eigenen Angaben im Friseurhandwerk angelernt wurde, trotz der angespannten sozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Lage in Bagdad im Falle einer Rückkehr nach Bagdad dort seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen können wird. Soweit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar möglich ist, ist zu berücksichtigen, dass von der irakischen Regierung auch Lebensmittelgutscheine für Bedürftige ausgegeben werden (Public Distribution System).
100Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 18; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 46.
101Im Übrigen wird die – infolge der landesweiten Fluchtbewegungen im Irak – angespannte Versorgungslage auch durch umfangreiche internationale Hilfsprogramme (z. B. United Nations World Food Programme und seine Partnerorganisationen) sowohl im Bereich der Versorgung mit Nahrungsmitteln als auch der Gesundheitsversorgung u. a. auch in Bagdad abgemildert.
102Vgl. etwa United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Iraq Crisis, Situation Report No. 34 (28.02.-06.03.2015) and No. 35 (07.-13.03.2015), http.//www.uniraq.org < Humanitarian Assistance > Factsheets and Reports.
103Es ist auch weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb dem Kläger zu 1. die Niederlassung in Bagdad aus persönlichen Gründen unzumutbar sein sollte.
104II. Dem Hilfsantrag gerichtet auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
105Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz).
106Zwar spricht vorliegend vieles dafür, dass dem Kläger zu 1. im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in seiner Herkunftsregion (Stadt Mosul/Provinz Ninivehh),
107vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 = juris, Rn. 13 ff., wonach für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 AsylG auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt,
108ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG – sei es in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sei es wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht.
109Vgl. zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Niniveh auch: Upper Tribunal in the UK, decision of 30. September 2015 - A.A. (Article 15(c)) Iraq CG [2015] UKUT 00544 (IAC) -, a.a.O.
110Der Kläger zu 1. hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass ihm wegen seiner Tätigkeit als Bote für die „J. K1. V. “ und wegen der in diesem Zusammenhang praktizierten Mitfahrgelegenheit für Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee von Mosul nach Bagdad und zurück in Mosul ein ernsthafter Schaden, namentlich Folter oder unmenschliche / erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr.3 AsylG, namentlich durch Anhänger des IS gedroht hat und er deshalb vorverfolgt ausgereist ist.
111Der Kläger zu 1. hat insoweit glaubhaft dargelegt, dass er die vorbeschriebene Tätigkeit für die „J. K1. V. “ ausgeübt und in diesem Zusammenhang auch als Mitfahrgelegenheit für Polizisten und Mitglieder der irakischen Armee von Mosul nach Bagdad und zurück fungiert hat. Sein dementsprechender ausführlicher Vortrag in der mündlichen Verhandlung war – mit Ausnahme der Schilderung der Detonation der Autobombe am 24. Juni 2013, welche gegenüber seinem Vortrag beim Bundesamt gesteigert und gegenüber den Angaben in der Klagebegründung widersprüchlich und damit unglaubhaft war – detailreich und widerspruchsfrei und hat die Kammer von der Wahrheit seiner Schilderungen überzeugt. Dass die Kammer dem Kläger zu 1. demgegenüber seinen Vortrag betreffend die Detonation der Autobombe am 24. Juni 2013 nicht abgenommen hat, führt indes hier nicht auf seine insgesamte Unglaubwürdigkeit und nicht auf eine Unglaubhaftigkeit seiner Aussage insgesamt. Denn im Übrigen war sein Vortrag sehr ausführlich und schlüssig und ließ den Schluss zu, dass er von tatsächlich Erlebtem berichtete.
112Die Kammer ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zu 1. vorverfolgt ausgereist ist. Denn nach den vorliegenden Erkenntnissen ist es plausibel, dass der IS mit Einmarsch in die Stadt Mosul und Übernahme sämtlicher offizieller behördlicher Dokumente und Informationen Kenntnis von der beruflichen Tätigkeit des Klägers zu 1. erlangt und deshalb die Suche nach ihm aufgenommen hat.
113Es ist auch gerichtsbekannt, dass der IS im Irak massive Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Exekutionen gegen jedwede vermeintliche Regime-Gegner begeht, mithin auch gegen jedweden Unterstützer des irakischen Sicherheitsapparats sowie der irakischen Presse.
114Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 4 f., 13; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak (Stand: 8. April 2016) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, S. 33 f.
115Der irakische Staat ist auch nicht in der Lage, der Zivilbevölkerung Schutz vor den Repressalien des IS zu gewähren.
116Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016 -, S. 7, 8, 12, 13
117Die Zuerkennung subsidiären Schutzes scheidet vorliegend aber gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG aus, weil für den Kläger zu 1. – wie oben bereits ausgeführt – in Bagdad eine innerstaatliche Fluchtalternative (interner Schutz) besteht.
118III. Dem Kläger zu 1. steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.
1191. Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK scheidet aus denselben Erwägungen wie die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG aus. Denn der sachliche Regelungsbereich der Vorschrift ist weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG und geht, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht über diesen hinaus.
120Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25; und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241 =, juris, Rn. 36.
121Aufgrund der Erkenntnislage ist insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die allgemeinen sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Irak – landesweit – so schlecht sind, dass wegen der Annahme eines außergewöhnlichen Falls nach Art. 3 EMRK ausnahmsweise von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsste.
122Vgl. hierzu: EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8219/07, Sufi und Elmi -, NVwZ 2012, 681.
1232. Die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
124Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
125Für das Vorliegen einer individuell-konkreten Gefahr in diesem Sinne bestehen aus den o.g. Gründen keine Anhaltspunkte.
126Der Kläger zu 1. kann nationalen Abschiebungsschutz auch weder aus der seit dem Vormarsch des IS massiv verschlechterten allgemeinen Sicherheitslage noch aus den allgemeinen Lebensbedingungen, insbesondere den wirtschaftlichen Existenzbedingungen im Irak herleiten.
127Dem steht bereits die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegen, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
129Davon ausgehend ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG hier kein Raum. Denn in Nordrhein-Westfalen besteht nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. N. /1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu der Kläger zu 1. nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
130Unabhängig davon lässt sich aus den o.a. Gründen auch nicht feststellen, dass sich die allgemeine Sicherheits- oder Wirtschaftslage im Irak – landesweit – zu einer extremen Gefahrenlage verdichtet hätte, die bei verfassungskonformer Auslegung eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG begründen und ausnahmsweise zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen könnte.
131Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
132B. I. Der Hauptantrag der Klägerin zu 2. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG hat keinen Erfolg. Der Klägerin zu 2. steht ein entsprechender Anspruch nicht zu.
133Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
134Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
135Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU) zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
136Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung i.S.d § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Wegen der weiteren Maßstäbe wird auf die obigen Ausführungen zum Kläger zu 1. verwiesen.
137Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens der Klägerin zu 2. ist ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
1381. Zunächst ist nicht festzustellen, dass der Klägerin zu 2. wegen ihres christlichen Glaubens bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
139Die Klägerin zu 2. hat dem Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass sie im Irak in Anknüpfung an ihren christlichen Glauben individuell verfolgt war bzw. im Falle ihrer Rückkehr sein wird. Sie hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, keine fromme Christin zu sein und den christlichen Glauben weder heimlich zu leben noch zu praktizieren. Diese Angaben wurden bestätigt durch den gesondert vernommenen Kläger zu 1. Anders als die Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung vorgetragen hat, ist auch nicht zu erkennen, aus welchen Gründen der IS die ihren Papieren nach offiziell muslimisch-gläubige Klägerin zu 2. gleichwohl in Anknüpfung an den von ihr nicht gelebten und praktizierten christlichen Glauben im Irak verfolgen sollten, wenn dies nicht nach außen erkennbar ist.
1402. Die Klägerin zu 2. ist auch nicht in Anknüpfung daran die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, dass sie ihre Familie ohne deren Einwilligung verlassen hat und mit ihrem „nur“ nach muslimischen Ritus angetrauten Ehemann, dem Kläger zu 1., geflohen ist. Denn dies vermittelt ihr nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. E. i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG.
141Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn (a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und (b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AsylG).
142Dieser Begriffsdefinition unterfällt die Klägerin zu 2. – ihren Vortrag, dass sie ohne die Einwilligung ihrer Familie diese verlassen hat und sie deswegen nunmehr Repressalien durch ihre Familie ausgesetzt ist, als wahr unterstellt – nicht. Denn die behauptete Verfolgung durch ihre Familie knüpft nicht an ihr Geschlecht als Frau an, sondern vielmehr an ihr Verhalten, ohne Einwilligung der Familie diese verlassen zu haben. Dies führt aber nicht auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in dem oben genannten Sinne.
143II. Der Hilfsantrag gerichtet auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG hat ebenfalls keinen Erfolg.
144Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 2 Buchst. f und 15 RL 2011/95/EU) ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden: (1.) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dabei kann der ernsthafte Schaden, wie aus § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3c AsylG folgt (vgl. auch Art. 6 RL 2011/95/EU), auch von nichtstaatlichen Akteuren unter den dort genannten Voraussetzungen ausgehen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 8 RL 2011/95/EU) wird dem Ausländer subsidiärer Schutz jedoch nicht zuerkannt, wenn (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor ernsthaftem Schaden hat und (2.) er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz).
145Die Klägerin zu 2. hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen können, dass ihr im Falle ihrer Rückkehr in den Irak dort ein ernsthafter Schaden in dem o. g. Sinne durch einen tauglichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG droht.
146Der Vortrag der Klägerin zu 2., ihre Familie, insbesondere ihre fünf Brüder würden sie im Falle ihrer Rückkehr umbringen, weil sie ihre Familie ohne deren Einwilligung verlassen habe und sie mit ihrem nur nach muslimischem Brauch angetrauten Ehemann, dem Kläger zu 1., mitgegangen sei, ist unglaubhaft. Es erscheint bereits nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. über die Dauer von fünf Jahren eine außereheliche Beziehung in Kenntnis der Eltern der Klägerin zu 2. geführt haben wollen, diese aber während der gesamten fünf Jahre hiergegen nicht eingeschritten sein sollen. Dass die Familie der Klägerin zu 2., insbesondere ihre Brüder, ihr wegen der unehelichen Beziehung zu dem Kläger zu 1. erstmals jetzt, d. h. nachdem sie ihre Familie und den Irak verlassen hat, drohen, ist nicht glaubhaft. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen hätte es vielmehr nahe gelegen, dass die Familie der Klägerin zu 2. bereits viel früher Druck auf den Kläger zu 1. und dessen Familie und/oder auf die Klägerin zu 2. selbst ausgeübt und versucht hätte, diese – nach traditionell-patriarchalischen Vorstellungen – anrüchige außereheliche Beziehung mit allen Mitteln zu unterbinden. Hierzu ist die Klägerin zu 2. indes jegliche Aussage schuldig geblieben. Die Angabe, ihr Vater sei absolut gegen die Beziehung gewesen, bleibt insgesamt vage und wenig aussagekräftig. Trotz mehrfacher Nachfragen in der mündlichen Verhandlung konnte die Klägerin zu 2. hierzu keine detaillierteren Angaben machen. Unterstrichen wurde dieser Eindruck dadurch, dass die Angaben der Klägerin zu 2. insgesamt oberflächlich und wenig detailreich waren und nur auf mehrfache Nachfragen hin erfolgt sind.
147III. Der weitere Hilfsantrag der Klägerin zu 2. auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG hingegen hat Erfolg.
148Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin zu 2. auch einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat. Denn ihr steht jedenfalls ein solcher nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
149Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
150In Bezug auf die Klägerin zu 2. besteht im Falle ihrer Rückkehr in den Irak eine erhebliche konkrete Gefahr in dem vorgenannten Sinne.
151Die Klägerin zu 2. gilt im Irak als eine unverheiratete, d. h. alleinstehende und alleinerziehende Frau mit einem unehelichen, sechs Monate alten Kind. Denn die nur nach muslimischem Ritus vor dem Imam geschlossene Ehe mit dem Kläger zu 1. findet im Irak rechtlich keine Anerkennung.
152Gemäß § 3 Abs. 1 des Irakischen Gesetzes über das Personalstatut (IrakPStG), Gesetz Nr. 188 von 1959 i.d.F. der beiden Änderungsgesetze Nr. 11 von 1963 und Nr. 21 von 1978 ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, durch den der Verkehr zwischen ihnen gesetzmäßig wird und der die Begründung des gemeinschaftlichen Lebens und die Aufziehung der Kinder bezweckt. Gemäß § 4 IrakPStG wird die Ehe geschlossen durch ein Angebot, das die eine Partei in Worten oder einem mit üblicher Unterschrift versehenen Schriftstück abgibt, und die Annhame desselben durch die andere Partei oder ihren Vertreter. Gemäß § 6 IrakPStG müssen u.a. das Angebot und die Annahme in der gleichen Sitzung erfolgt sein und der Ehevertrag muss durch zwei geschäftsfähige Zeugen bestätigt werden. Gemäß § 10 IrakPStG wird die Eheschließung bei Vorlage gewisser weiterer Bedingungen (z.B. Einreichung einer von den Parteien unterschriebenen und zwei achtbaren Personen bescheinigten Erklärung, aus der sich die Identität der Parteien, ihr Alter, der Betrag der Morgengabe und das Fehlen eines scheriatsrechtlichen Ehehindernisses ergeben) bei dem zuständigen Gericht in ein besonderes Register (Heiratsbuch) eingetragen und den Ehegatten wird eine Heiratsurkunde ausgehändigt.
153Vgl. Bergmann/Ferid/Henirch, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ordner VII, Indien – Iran, Stand: Teil III: 1986/30.09.1991, S. 10 ff.
154Ein derartiges Prozedere haben die Kläger nach ihrem – insoweit glaubhaften Vortrag – nicht durchlaufen. Sie haben lediglich vor dem Imam das Eheversprechen nach muslimischem Ritus abgegeben. Dies reicht nach dem Vorstehenden indes nicht für eine rechtliche Anerkennung der Eheschließung.
155Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen ist es im Irak derzeit für alleinstehende Frauen mit unehelichem Kind nahezu unmöglich, ohne die Unterstützung der Familie und/oder der Gesellschaft zu leben. Frauen mit unehelichen Kindern sind im Irak mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Frauen, die uneheliche Kinder haben, können wegen unehelichen Geschlechtsverkehrs inhaftiert und verurteilt werden. Es droht ihnen Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Prügelstrafe / körperliche Züchtigung. Unverheiratete Mütter werden von ihren Familien und der Gemeinschaft diskriminiert, stigmatisiert und isoliert. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Ehrenmord kommen. Da die Staatsbürgerschaft über die Väter weitergegeben wird, bleiben unehelich geborene Kinder in der Regel staatenlos. Auch wenn die Frauen – wie die Klägerin zu 2. – in religiösen Zeremonien verheiratet sind, können sie die Herkunft ihrer Kinder nicht beweisen. Die Kinder sind staatenlos, erhalten keine Papiere und haben auch keinen Zugang zu staatlichen Institutionen wie Schule oder medizinischer Versorgung.
156Vgl. Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 15. Januar 2015 zu Irak: Zwangsheirat m.w.N.
157Der Feststellung des nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht ausnahmsweise auch nicht die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG entgegen, wonach Gefahren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG befunden wird. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht u.a. dann nicht, wenn eine ausländerrechtliche Erlasslage – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG – oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.
158Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 13 ff.
159In Nordrhein-Westfalen besteht zwar nach den ausländerrechtlichen Erlassen des Innenministeriums vom 14. Februar 2007 (15-39.03.02-3-Irak) und vom 13. Juli 2007 (15-39.03.02-5-Irak), die auf den Beschlüssen der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 und vom 31. N. /1. Juni 2007 beruhen, für irakische Staatsangehörige mit Ausnahme von Straftätern und Gefährdern der inneren Sicherheit, die aus den Provinzen des Kurdischen Autonomiegebietes Nordirak (Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah) stammen – wozu die Klägerin zu 2. nicht zählt –, nach wie vor ein Abschiebestopp aus tatsächlichen Gründen.
160Gleichwohl ist die Feststellung eines Abschiebungsverbotes in Bezug auf die Klägerin zu 2. vorliegend geboten. Denn es geht hier um einen individuellen Einzelfall, der von der dem Erlass zu Grunde liegenden Regelungsgegenstand („Gefahr, der die irakische Bevölkerung insgesamt oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist“) nicht erfasst wird.
161Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
162Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.